Wild Atlantic Way

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Wild Atlantic Way
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Irland
Die spektakuläre Küstenstraße Wild Atlantic Way führt 2500
Kilometer entlang der Westküste Irlands. Der Abschnitt zwischen Westport und Loop Head ist auf 527 Kilometern
vollgepackt mit Naturschönheiten, Abenteuern und
Musik. Man kann gar nicht anders, man muss
immer wieder anhalten und staunen.
Die Ruhe der Wildnis
Mit dem Auto entlang des
Wild Atlantic Way
Great Western
Greenway
Westport
Von Bettina Glaser
Killary Fjord
Clifden
Rossaveal
Irland
Galway City
Fährverbindung
Aran Islands
Cliffs of Moher
Loop Head
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ARCD-Clubmagazin
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Doolin Burren
Nationalpark
Shannon
Airport
Limerick City
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Irland
Fernab des Verkehrs und über
verlassene Steinbrücken führt
der 42 Kilometer lange Radweg
Great Western Greenway.
voll Häusern und natürlich mit
der malerischen Kylemore Abbey.
Schloss als Geschenk
J
eder Handgriff sitzt: scheren, impfen, ein paar Mineralien ins Maul geben
und dann einen grünen Farbklecks als Erkennungszeichen
auf die vordere Schulter pinseln. Schäfer David Moran
braucht nur ein paar Minuten,
bis er das Schaf von seinem
Winterpelz befreit hat. Besitzer
Frank Chambers erzählt: „Eigentlich lohnt es sich gar nicht,
Schafe zu halten, bei einem
Wollepreis von 1,30 Euro pro
Kilo.“ Dennoch besitzt der Immobilienmakler aus Newport
120 Tiere. Es ist eben sein
Hobby. Und Schafe gehören
zur irischen Kultur einfach
dazu, denn hier in der Nähe
von Westport auf der Westseite
der Insel ist der Boden für Kühe
zu weich, weil es häufig regnet.
Für Schafe dagegen sind die
Lebensbedingungen ideal.
Die Ruhe per Fahrrad
Die Weide, wo die beiden wie
am Fließband die Schafe scheren, liegt direkt am Great Western Greenway, einem 42 Kilometer langen Fahrradweg von
Westport nach Achill Island.
„Vor sechs Jahren war hier
noch der Hund begraben. Wir
hatten ein großes LandfluchtProblem“, erzählt Chambers.
Doch mit dem Radweg, der
weitestgehend flach bis hügelig fernab des Autoverkehrs an
vielen Schafsweiden, Wiesen
mit Steinmauern und kleinen
Flüssen und Bächen vorbeiführt, seien die Touristen gekommen. „Seitdem ist hier immer was los“, freut er sich.
Pubs, Cafés und Restaurants
seien entstanden. Dass hier jeden Tag 700 bis 1000 Touristen
auf geliehenen Drahteseln der
alten Bahntrasse Richtung Norden folgen, fällt außerhalb der
Dörfer dennoch nicht auf. Zu
ruhig ist die Gegend hier, zu
verlassen liegen die zahlreichen Steinbrücken in der Natur, zu freundlich sind die Einheimischen. Zurückzustrampeln braucht man die malerische Strecke übrigens nicht,
retour geht’s mit dem Shuttle
(z. B. www.clewbaybikehire.ie).
Der Welle nach
fühlt sich wie vor einer riesigen
Kinoleinwand – und auch bei
einer Fahrt mit dem Ausflugsschiff „Connemara Lady“ durch
den Fjord, der die Grafschaften
Mayo und Galway teilt, ändert
sich an diesem entspannten
Dahingleiten durch die Bilderbuchlandschaft nichts. Die
Straße Richtung Kylemore Abbey, einem 405 Hektar großen
Schloss, wird immer enger, das
Navi fordert „kehren Sie um“,
und plötzlich stehen ein paar
Schafe auf der Straße. Dennoch: Der Weg ist richtig, die
Schilder sagen „weiter!“. Und
dafür werden wir belohnt: mit
Aussichtspunkten wie einem
Sandstrand bei Tully, reetgedeckten Gebäuden in Dörfern
mit gerade einmal einer Hand-
Die Entstehung dieses Bauwerks ist eng mit einer romantischen Liebesgeschichte verbunden, so heißt es, denn Mitchell Henry und seine Braut
Margaret Vaughan besuchten
im Jahr 1850 während ihrer
Flitterwochen die Region Connemara. Die Braut war so begeistert, dass Henry das etwa
6075 Hektar große Grundstück
für sie erwarb und das Schloss
erbaute. Neben der Besichtigung der Säle lohnt sich auch
der Besuch des 2,4 Hektar großen Viktorianischen Mauergartens, der 1901 mitten im Torfmoor gebaut wurde und in
dem heute nur Pflanzen und
Blumen wachsen, die bereits
vor der Entstehung des Gartens in Irland eingeführt worden waren.
Nach einer Nacht in einer der
zahlreichen Bed and BreakfastUnterkünfte schlagen wir die
eigentliche Richtung unserer
Reise ein: Süden. Dafür folgen
wir den blauen Schildern des
Wild Atlantic Way, dessen Abkürzung WAW einer Welle
gleicht. Erst vergangenes Jahr
wurden 2500 Kilometer dieser
Küstenstraße, die sich am Atlantik entlangschlängelt, ausgeschildert – vorbei an spektakulären Aussichtspunkten, wilden Klippen und einsamen
Stränden. Man sollte unbedingt ausreichend Zeit mitbringen, denn immer wieder
muss man einfach anhalten,
um die Wunder der Natur am
Wegesrand zu bestaunen, und
braucht dadurch meist viel länger als geplant. Auf dem Weg
Richtung Killary Fjord zum Beispiel, wenn sich die Straße zwischen dem saftigen Grün der
Hügel hindurchschlängelt und
die Abendsonne alles in ein
warmes Licht taucht. Im Radio
läuft ein irischer Song, man
Typisch für
Irland: Schafe
(links) – hier
schert David Moran die Tiere –
und eine Bilderbuchlandschaft.
Der Killary Fjord
(rechts), einer
der wenigen irischen Fjorde,
lässt sich mit
dem Auto und
dem Ausflugsschiff erkunden.
Immer der Welle
nach: Die weißen
Buchstaben WAW
stehen für Wild
Atlantic Way, das
S für die Fahrtrichtung Süden.
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Irland
Die Kylemore Abbey ist heute
Touristenziel und Wohnsitz irischer
Benediktiner-Nonnen zugleich.
cher robben hier bäuchlings
an die Klippen vor, um die
atemberaubende Aussicht auf
den Atlantik zu genießen. „Das
ist gigantisch“, sagt ein junges
Mädchen euphorisch, als sie
nach langem Hin und Her ihre
Angst überwunden hat und
wie ihre Freunde in die schier
endlose Tiefe blickt.
Berühmte Steilklippen
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Schweigende Steine
Folgt man dem Wild Atlantic
Way weiter, kommt man ins
Gaeltacht-Gebiet: Straßenschilder tragen zum Teil nur
noch die gälischen Bezeichnungen, im Radio läuft Instrumentalmusik,und als wir einen
Mann nach dem Weg zur Fähre
fragen, versteht er uns zunächst gar nicht, weil wir ihn
auf Englisch statt Gälisch ansprechen.
Von Rossaveal aus geht es in
40 Minuten mit der Fähre zu
den Aran Islands, die auch Inseln der schweigenden Steine
genannt werden. Auf Inishmore, der größten davon, gelangt man zu Fuß, per Fahrrad,
Bus oder Kutsche zur prähistorischen Anlage Dún Aonghasa.
Der Weg ist gesäumt von karger Landschaft, die immer wieder von Steinruinen, reetgedeckten Häusern und Grünflä-
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chen mit Kühen und kniehoch
aufgeschichteten Steinmauern
durchbrochen wird. Erstaunlich, wie die Steine so ohne
Mörtel aufeinandergestapelt
halten, ohne einzustürzen. Sie
sollen verhindern, dass die mühevoll angelegten Gärten der
Einheimischen von starken Regenfällen weggeschwemmt
werden. Würde man die Mauern der Aran Islands alle aneinander hängen, ergäbe sich
eine Gesamtlänge von mehr
als 1000 Kilometern!
Wer die Souvenirstände mit
den typischen warmen AranStrickpullovern passiert hat, erreicht hoch über dem Atlantik
die Steinfestung. Einige Besu-
Fotos: Glaser
Vorbei an den
Steinmauern
(links) von Inishmore auf den
Aran Islands erreicht man die
Dún Aonghasa
World Heritage
Site. Von den
Klippen hier hat
man atemberaubende Ausblicke
in die Tiefe des
Atlantiks (rechts).
Ein ähnliches Szenario bietet
sich einige Kilometer weiter
bei den berühmten Cliffs of
Moher, wo auch „Harry Potter
und der Halbblutprinz“ gedreht wurde. Das erste Stück
des Weges ist mit Steinplatten
gesichert, sodass man nicht
abstürzen kann. Dann führt ein
Trampelpfad entlang der Steilklippen, ohne jegliche Absperrung. Seit Kurzem ist das ein
offizieller Weg. Ein Schritt zu
weit, und es geht mehr als 200
Meter in die Tiefe. „Von Zeit zu
Zeit gibt es Unfälle“, erzählt ein
Ranger und runzelt die Stirn.
„So alle drei bis vier Jahre.“ Um
die Selbstmordrate zu verringern, sind Schilder mit der Aufschrift „Need to talk?“ (Möchten Sie reden?) und einer Notrufnummer aufgehängt.
Je weiter man sich von dem in
den Hang gebauten Besucherzentrum entfernt, wo man viel
Die meistbesuchte Naturattraktion Irlands: die Cliffs of Moher sind bis
zu 214 Meter hoch und erstrecken sich über acht Kilometer.
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über die Lebenswelt der Klippen mit ihren zahlreichen Vogelarten erfährt, desto weniger Menschen sind unterwegs.
Zwischen den Felsen sonnen
sich Möwen, einige kreischen
Der Trampelpfad entlang der
Steilklippen ist abenteuerlich.
Ein Schritt zu weit und es geht
mehr als 200 Meter in die Tiefe.
so laut vor sich hin als wäre in
der Ferne ein Fest, unterlegt
mit Meeresrauschen. Der Atlantik liegt friedlich in der
Abendsonne – so friedlich,
dass man sich kaum vorstellen
kann, dass hier oft Sturm und
Wellen vorherrschen.
Karge Mondlandschaft
Es ist wieder spät geworden,
denn wir konnten nicht anders
und hielten mehrfach entlang
des Wild Atlantic Way zwischen Galway und Doolin an.
Die karge Felsenlandschaft der
Burren-Region ist so faszinierend, dass man unmöglich einfach daran vorbeifahren kann
– eine baumlose, steinige,
mondähnliche Karstlandschaft
auf einer Fläche von 250 Quadratkilometern. Das findet auch
Craig, ein Hobbyfischer, der
von einem der Felsen seine
Angel in den Atlantik geworfen hat, um Makrelen zu fangen. „Es ist wunderschön hier.
Ein toller Fleck für die Freizeit“,
schwärmt er.
Fotos: Glaser
Lebendige Musik
Den Abend verbringen wir in
einem Pub, der Fitzpatrick’s Bar
in Doolin. Die Vielzahl der hier
angebotenen Biersorten ist beeindruckend: Grüne, braune,
rote und gelbe Zapfhähne mit
Marken wie Guinness, Dooliner
und O’Hara’s zieren den Tresen.
Entspannt lauschen wir den typisch irischen Violin- und Gitarrenklängen von drei jungen
Leuten. Ein paar Gäste sind
aufgestanden und tanzen.
Gute Chancen, solch einen Pub
mit Livemusik zu finden, hat
man, wenn man auf das Schild
„Singing Pub“ an den Eingängen achtet. Auf eine besonders
lebendige Musikszene trifft
man übrigens in der Studentenstadt Galway.
Geräucherter Lachs
Auf der Weiterfahrt zu unserem Ziel, der Halbinsel
Loop Head, kommen wir am
Burren Smoke House vorbei
(www.burrensmokehouse.ie).
Der heimische Lachs, der hier
geräuchert wird, ist um die
24 000 Kilometer gegen die
Strömung geschwommen,
wodurch das Fleisch sehr fest
ist. Hier wird der Fisch von
Hand geschnitten und auf eine
traditionelle irische Art und
Weise kalt über Eichenholzspänen geräuchert: acht Stunden lang bei 32 Grad. Zum Vergleich: Heiß geräuchert, wie in
Skandinavien üblich, wird er
vier Stunden lang bei 80 Grad.
Auch an diesem Tag haben wir
die Zeit aus den Augen verloren, weil wir wieder einmal zu
viele Fotostopps entlang des
Wild Atlantic Way eingelegt
haben. Der Leuchtturm, den
wir eigentlich noch besichtigen wollten, hat bereits geschlossen.
Also lassen wir uns in der Nähe
hoch oben am Klippenrand ins
weiche, von der Sonne ange-
wärmte Gras fallen. Der blühende Klee zittert im Wind. Tief
unten glitzert der Atlantik, eine
Gruppe Delfine springt in den
Wellen. Bis auf das Rauschen
des Meeres und die Schreie der
Vögel ist es ruhig hier. Irgendwie sind wir in diesem Moment zufrieden, dass der
Leuchtturm bereits geschlossen hatte, denn genau diese
Momente sind es, die die Reise
entlang des Wild Atlantic Way
so besonders machen.
쏋
Von Hand geschnitten: geräucherter irischer Lachs im Burren Smoke House
(rechts).
Pubs mit traditioneller irischer Musik
(unten) findet man
unter anderem in
Doolin und Galway
(ganz rechts).
ARCD-Reiseservice
Anreise:
Mit dem Pkw: Per Nachtfähre von Nordfrankreich
direkt nach Irland (Cherbourg/Roscoff-Rosslare) oder
zunächst per Fähre nach Großbritannien, von dort mit
der Anschlussfähre weiter nach Irland (Durchgangstarife über verschiedene Routen). Irish Ferries, Tel.
04 21/1760 218, www.irlandfaehre.de
Mit dem Flugzeug: Direktflüge von Berlin, Hamburg,
Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und München nach
Dublin, z. B. mit Aer Lingus, www.aerlingus.com
Autofahren in Irland: Achtung, es herrscht Linksverkehr!
Manche Autobahnen sind mautpflichtig.
Den Mietwagen bucht man am besten schon
vor der Reise.
Übernachten: Typisch für Irland sind Bed and BreakfastUnterkünfte, in denen man ein irisches warmes Frühstück serviert bekommt. Sie sind ideal für eine Rund-
reise mit dem Auto. Eine große Auswahl findet man
unter www.bandbireland.com
ARCD-Buchungsservice: Das ARCD Reisebüro ist Ihnen
bei der Buchung von Flügen, Mietwagen und Unterkünften gerne behilflich, Tel. 0 98 41/4 09 150,
[email protected]
Auskünfte: Tourism Irleland in Frankfurt, Tel. 0 69/
66 80 09 50, E-Mail [email protected],
www.ireland.com. Hier sind auch Broschüren und
Karten zum Wild Atlantic Way erhältlich.
Mehr Bilder
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