italienische radhersteller
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ITALIENISCHE RADHERSTELLER Familien-Business: Irio Tommasini mit den Töchtern Barbara (links) und Roberta sowie Schwiegersohn Valfriedo Migliorini 24 TOUR 10/ 2007 Seit auch viele italienische Rennradmarken ihre Rahmen in Asien bauen lassen, verblasst der Mythos vom Italorenner zunehmend. Doch es gibt noch Firmen, die sich gegen das scheinbar Unvermeidliche stemmen und auf traditionelle handwerkliche Fertigung in Italien setzen SPUREN SUCHE TOUR 10/2007 25 ITALIENISCHE RADHERSTELLER TEXT: MANUEL JEKEL FOTOS: RONNY KIAULEHN F austo Pinarello steht im Eingang des neuen Gewerbebaus in Villorba bei Treviso, den der Rennradhersteller erst vor wenigen Monaten bezogen hat. Die großzügige, moderne Architektur zeigt: Die Firma Pinarello plant für die Zukunft und rechnet mit deutlichen Zuwächsen in den nächsten Jahren. Schon jetzt scheint Auftragsmangel nicht das Problem zu sein. Mehrere Meter hoch stapeln sich Eisenkörbe mit nagelneuen, noch unlackierten Carbonrahmen – angeblich mehr als 3.000 –, die darauf warten, in der hypermodernen Lackieranlage ihr Farbkleid zu bekommen. Woher die Rahmen stammen, erzählt der 44-Jährige ohne Umschweife. „Niemand in Europa baut solche hochtechnischen Carbonrahmen. Diese Qualität bekommen Sie nur in China.“ Pinarello und Rahmen aus China? Manchen RennradFan dürfte diese Nachricht wie ein Schock treffen. War die Marke nicht der Inbegriff des Italo-Renners, hergestellt selbstredend in Italien? Auch Pinarello hatte lange an dieser Vorstellung festgehalten. Noch vor fünf Jahren setzte er als einziger Rennradhersteller in Europa auf das damals als Zukunftswerkstoff gehandelte Leichtmetall Magnesium. Doch die Investitionen in die schwierige Verarbeitung des Werkstoffs lohnten sich nicht. Zu wenige Käufer wollten für den Magnesium-Rahmen „Dogma“ mehr als 3.000 Euro hinblättern. In der Not entschloss sich der Firmenchef deshalb vor drei Jahren zu einem radikalen Schnitt: Er gab die Rahmenfertigung am alten Standort in Treviso auf und verlagerte die Produktion komplett nach China. Nur den „Dogma“ baut Pinarello noch in Italien, zumindest so lange die Nachfrage dies noch rechtfertigt. GEWAGTER AUFTRITT Die frei gewordenen Kapazitäten Familienunternehmens vom nutzte Pinarello zum Beispiel Produktionsbereich trennt: eifür den Firmenumzug oder den ner mehrere tausend QuadratBau der Lackieranlage. Vor allem meter großen Fabrikhalle – so aber investierte er viel Geld in riesig, dass die Menschen, die die Entwicklung neuer Carbonhier arbeiten, auf den ersten rahmen. Die sollten Pinarello Blick kaum auffallen. Erst langnicht nur technisch zurück an sam nimmt man Details wahr. die Spitze bringen, sondern auch In einer Ecke schweißt jemand als typische Produkte der Marke einen Titanrahmen. Arbeiter erkennbar bleiben. Was darunter schneiden Metallrohre f ür zu verstehen ist, zeigt der neue Stahl- und Aluminium„Prince“-Rahmen: Mit gewagRahmen z u, einer sch iebt ten Schwüngen von Gabel und Waren das Zeiten: Kladde von Irio Tommasini mit den Rahmenrohlinge auf ein GeSitzstreben, Sicken in den Roh- Geometrien großer Rennfahrer, für die er einst baute stell zum Lackieren. Im hinren und aufwendiger Lackierung teren Teil der Halle stehen steht der in Monocoque-Bauweise* gefertigte Carbon- rund 200 fertig lackierte Rahmen, bereit für Versand oder rahmen für vieles, nur nicht für Understatement. Endmontage. Der erste Gedanke: Hier lebt er noch, der „So, jetzt gehen wir nach Shenzhen“, sagt Cristiano De Mythos vom italienischen Rahmenbauer, der nicht einfach Rosa, der älteste Sohn des Rahmenbauers Ugo De Rosa. schnöde Sportgeräte baut, sondern kleine Kunstwerke mit Sein Weg führt durch eine Tür, die den Bürotrakt des einer Aura, die ein Rennrad aus Fernost nie haben wird. *siehe dazu Kasten S. 33 26 TOUR 10/ 2007 Masse mit Klasse: Lackiert wird bei Pinarello noch, doch Rahmen und Gabeln kommen mittlerweile aus China (links). Blick nach vorne: Nach schwierigen Jahren ist Firmenchef Fausto Pinarello (unten) wieder optimistisch „Kommen Sie“, unterbricht Cristiano De Rosa die romantischen Betrachtungen. Sein Ziel ist ein etwa 40 Quadratmeter großer, klimatisierter Glaskasten in der Mitte der Halle, den er mit sarkastischem Unterton „Shenzhen“ nennt, nach der Stadt in China, die inzwischen zum weltweiten Zentrum der Carbonverarbeitung wurde. So wie der gläserne Kasten inzwischen das Herz von De Rosa Ugo & Figli Srl. ist, der 1953 gegründeten italienischen Traditionsfirma aus Cusano Milanino bei Mailand. Hinter den Glasscheiben produzieren bis zu fünf Arbeiter Carbonrahmen im Tube-to-Tube-Verfahren*. „Rahmen aus Carbon machen“, sagt Cristiano De Rosa, „inzwischen 85 Prozent unserer Produktion aus.“ Keine Zahl verdeutlicht besser, wie sich der Rennradmarkt gewandelt hat. Und nirgends traf der Wandel die Branche härter als in Italien. Noch vor 20 Jahren versorgte das Stiefelland die Rennradwelt quasi alleine. Inzwischen dürfte der Anteil in Italien produzierter Rennräder im einstelligen Bereich liegen. Gründe für die Talfahrt, die Ende der 1980er Jahre begann, gibt es viele. Erst verschliefen Italiens Rennradbauer den Trend zum Alu-Rahmen, dann TOUR 10/2007 27 ITALIENISCHE RADHERSTELLER bauten sie nicht die Rahmen, die der Markt verlangte. Qualitätsprobleme drückten zusätzlich aufs Image. Letztlich aber waren vor allem zu hohe Produktionskosten entscheidend. Als Taiwaner und Chinesen raushatten, wie man günstig TopRahmen baut, brach vielen italienischen Herstellern der Markt – nicht nur in Deutschland – weg. Der Familienbetrieb De Rosa durchlief diese Turbulenzen halbwegs unbeschadet. Zwar schrumpfte der Marktanteil, da Rennradfahren aber weltweit boomte, konnte die Produktion stabil gehalten, der Export sogar ausgebaut werden. Doch hätte De Rosa nicht vor sieben Jahren eine wichtige Weichenstellung vorgenommen, wäre es für die Firma eng geworden. Damals beschloss Maßarbeit: Der Magnesiumrahmen „Dogma“ ist der letzte in Italien gebaute der Familienrat, dem neben dem 74- Pinarello-Rahmen. Zielgruppe sind Kunden mit speziellen Geometriewünschen jährigen Patriarchen Ugo De Rosa die Brüder Cristiano, Doriano und Danilo angehören, mit dest einen Teil der Produktion nach China zu verlagern, dem Auf bau einer eigenen Fertigung auf die anlaufende kam den De Rosas nie. „Wir haben“, sagt Cristiano De Rosa, „riesigen Respekt vor dem, was in China geleistet wird. Carbonwelle zu reagieren. Wie wichtig das war, zeigt sich heute. „Der Markt für Aber unsere Rahmen sind von uns gemacht, viele davon auf hochwertige Alu-Rahmen“, sagt Cristiano De Rosa, „ist Maß. Genau das ist unsere Marktlücke: personalisierte innerhalb der letzten beiden Jahre fast völlig zusammen- Produkte, mit denen wir uns von der Massenfertigung gebrochen.“ Der Gedanke, wie viele Konkurrenten zumin- deutlich absetzen.“ VON STAHL ZU CARBON Rahmenbau in der dritten Generation: Massimo Casati (links) mit Großvater Pietro (Mitte) und Vater Gianni 28 TOUR 10/ 2007 Technologiewandel, Kostendruck, internationale Konkurrenz – diese Probleme kennt auch Massimo Casati nur zu gut. Wie Cristiano De Rosa ist er Spross einer Familie, in der sich seit Jahrzehnten alles um den Bau edler Rennräder dreht. Und für die der Carbontrend eine riesige Herausforderung ist. „Es ist gar nicht so leicht, Carbonrahmen zu bauen, wenn man vom Löten und Schweißen kommt“, sagt Massimo Casati. Vor allem dann, wenn man immer etwas mehr macht als technisch nötig. Innen verlegte Schaltzüge, unsichtbare Sattelklemmungen, spektakuläre Lackierungen – mit solchen Details begeistern die Stahlrahmen des Unternehmens aus Monza ihre Fans. Casatis Weg in die Zukunft knüpft eng an die Tradition der Firma an. Rahmenbau nach Maß – das ist für die Lombarden Ehrensache. Mit Carbon lässt sich das allerdings nur im Tube-to-Tube-Verfahren machen. In Rohrhersteller Dedacciai hat Casati einen Partner gefunden, der das Ausgangsmaterial liefert und bei der Suche nach exklusiven technischen Lösungen hilft. So verlaufen die Schaltzüge bei einigen Casati-Modellen immer noch wie früher im Unterrohr – bei Carbonrahmen eine seltene Ausnahme. „Mit unserer Philosophie ist es nicht leicht, auf dem Markt zu bestehen“, sagt Massimo Casati. „Doch wir lieben die Herausforderung und versuchen weiter, innovativ zu sein.“ 1.200 Quadratmeter, verteilt auf zwei Stockwerke eines 70er-Jahre-Flachbaus in Grosetto in der Toskana. Wenn der Mythos des italienischen Rahmenbauers irgendwo überlebt hat, dann hier, bei Irio Tommasini. Der 74-Jährige gehört zu den letzten Vertretern eines einst blühenden Berufsstandes. Doch wie ein Unternehmen im Niedergang wirkt seine Firma nicht. Immerhin 13 Mitarbeiter ernährt der überwiegend auf Metallverarbeitung ausgelegte Betrieb, darunter Tommasinis Töchter Roberta und Barbara mit ihren Ehemännern. TRADITIONS-HANDWERK In der Werkstatt, gleich hinter dem Ladengeschäft, hängt der Geruch nach Schneidöl in der Luft. Ein Arbeiter steht an einer Lehre und heftet einen Stahlrahmen zusammen. In Regalen und Kisten stapeln sich Rohre aus Aluminium, Stahl und Titan, dazu Ausfallenden, Muffen und weiteres Rohmaterial. Im Stockwerk darüber in der Montagewerkstatt hängen Dutzende frisch lackierter Rahmen unter der Decke, bereit für Verkauf und Komplettierung. Erstaunlich viele von ihnen sind aus Stahl, viele sogar mit verchromten Gabeln, Muffen und Hinterbauten. „Mit gemufften Stahlrahmen“, sagt Tommasini, „sind wir in Japan und den USA sehr erfolgreich. Wir suchen dringend Facharbeiter, um die große Nachfrage bedienen zu können.“ Mit seiner Spezialisierung auf Stahlrahmen trifft Tommasini voll den aktuellen Trend für exklusive, handgefertigte Fahrradrahmen, der vor allem in den USA und Japan zahlreiche Anhänger hat. Doch das alleine erklärt den Erfolg seiner Firma nicht. Entscheidenden Anteil daran hat seine Tochter Barbara, die in den USA studierte und heute ebenso wort- wie weltgewandt den internationalen Vertrieb managt. Cristiano De Rosa mit dem Carbonmodell „Idol“. Das kommt so gut an, dass Kunden bis zu fünf Monate darauf warten müssen ITALIENISCHE RADHERSTELLER Ernst und stolz: Ernesto Colnago pflegt seinen Ruf als lebende Legende unter den Rahmenbauern. Sein Beruf hat den 75-Jährigen mit Prominenz aus aller Welt zusammengebracht. Basis des Erfolgs: Tretlagermuffe für den „Extreme Power“-Rahmen Doch nur auf die Retrowelle zu setzen, wäre Tommasini zu riskant. Auch er fertigt inzwischen Carbonrahmen im Tube-to-Tube-Verfahren, außerdem noch eine kleine Zahl an Titanrahmen. Sein Lieblingsprojekt ist aber die Weiterentwicklung des Stahlrahmens. Sein Top-Modell „Carbofire“ wiegt mit Gabel, Hinterbau und Sitzrohr aus Carbon ein Drittel weniger als ein gemuffter Stahlrahmen. Zudem erlaubt ihm der aufwendige Material-Mix, sein ganzes handwerkliches Können zu zeigen. Rahmen aus Carbon bauen heute viele, den „Carbofire“ nur er. MUFFEN FÜRS CARBON 400 Kilometer weiter nördlich, in Cambiago bei Mailand, sitzt Ernesto Colnago hinter einem riesigen Schreibtisch aus poliertem Holz. Die Tischplatte ruht auf zwei hölzernen Aero-Laufrädern, an den Wänden hängen Fotos, die den heute 75-Jährigen mit Berühmtheiten aus aller Welt zeigen. „Es war ein Fehler“, sagt er mit bedrücktem Gesichtsausdruck, „dass fast alle italienischen Hersteller Ende der 90er Jahre nach Asien gegangen sind.“ Colnagos Rezept gegen die Abwanderung ist ein besonderes Fertigungsverfahren, mit dem er bereits seit den späten 1980er Jahren Erfahrung hat. Die meisten seiner Carbonrahmen werden in Muffenbauweise gefertigt. Dabei werden Rahmenrohre durch Verbindungsstücke miteinander verklebt. Mit dieser Methode lassen sich auch in Italien in größerer Stückzahl Carbonrahmen zu vertretbaren Kosten fertigen. Zudem hat Colnago die Produktion flexibel organisiert. Gebaut werden die Rahmen in mehreren ausgelagerten Werkstätten rund um den Firmensitz, eine davon im früheren Wohnhaus des Firmenpatriarchen. 30 TOUR 10/ 2007 Mit seiner Philosophie ist Colnago bislang gut gefahren. Noch finden sich genügend Kunden, die für ein Colnago das Anderthalb- bis Zweifache eines Konkurrenzprodukts aus asiatischer Fertigung hinblättern. Sollte dies irgendwann schwieriger werden, wäre er – daran lässt er keinen Zweifel – flexibel genug, sich auf die neue Lage einzustellen. Wie das aussehen kann, zeigte er vor zwei Jahren. Um den Markt günstiger Rennräder nicht vollständig der Konkurrenz zu überlassen, entschloss sich Colnago, zwei Modelle in Taiwan fertigen zu lassen. Eine Entscheidung, die er von Anfang an offen vertreten hat. Auf den Rahmen der Räder klebt sogar ein Aufkleber „Made in Taiwan“. ITALIENISCHE RADHERSTELLER | DIE RÄDER Made in Italy Wir haben fünf Top-Modelle der von uns besuchten Hersteller ausgesucht und unter die Lupe genommen. Lesen Sie, was die Räder können – und was nicht CASATI Vola | 4.950 Euro | 7,3 Kilo Bezug/Info: Cicli Casati, Telefon 00 39/0 39/2 84 04 42, www.ciclicasati.it Preis Rahmenset/Komplettrad: 2.780/ 4.950 Euro; Rahmengrößen: 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61 cm; plus Maßrahmen; Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 570/560/164 mm; Sitz-/Lenkwinkel: 73°/73,5°; Radstand/Nachlauf: 984/51 mm; Rahmenhöhe/Überhöhung: 590/160 mm AUSSTATTUNG Gabel: Casati Carbon; Lenklager: FSA, 1-1/8 Zoll; Bremsen/Schaltung/Tretlager: Campagnolo Chorus CT; Laufräder/Reifen: Fulcrum Racing 1/Deda Tre RS Corsa; Lenker/Vorbau: Deda Newton/Deda Zero 100; Sattel/ -stütze: Fizik Arione/Casati Carbon MESSWERTE Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager: 1.258/388/67 g; Normiertes Gewicht Rahmenset: 1.722 g; Lenkkopfsteifigkeit: 63 Nm/°; Seitensteifigkeit Gabel: 39 N/mm; Tretlagersteifigkeit: 47 N/mm; Komfort Rahmen: 381N/mm; Komfort Gabel: 77 N/mm FAHRSICHERHEIT niedrig mittel hoch FAHRVERHALTEN träge neutral wendig SITZPOSITION komfortabel sportlich Schlanke Rohrprofile, fließende Rohrübergänge: Casatis in Tubeto-Tube-Bauweise gefertigter Carbonrahmen „Vola“ erinnert an einen im Fillet-brazed-Verfahren* gelöteten Stahlrahmen. Verstärkt wird der Eindruck durch die klassische Geometrie mit waagerechtem Oberrohr, steilem Sitz- und Lenkwinkel sowie kurzem Radstand. Extravaganz vermitteln die gekonnte Lackierung und der wellenförmige Schwung in den per Monostay an den Hauptrahmen angebundenen Sitzstreben. Die Lenkkopfsteifigkeit des gut 1.250 Gramm schweren Rahmens erreicht knapp das Niveau klassischer Stahlrahmen, was in der Praxis dazu führt, dass das Rad bei schneller Fahrt flattern kann. Für routinierte, leichte Fahrer ist das in Ordnung, unerfahrenen und schweren Piloten über 70 Kilo empfehlen wir einen Rahmen mit mehr Sicherheitsreserven. rennmäßig + - hochwertige Verarbeitung, schlagfester Lack, edle Ausstattung geringe Fahrstabilität, relativ schwerer Carbonrahmen COLNAGO Extreme Power | 6.379 Euro | 7,3 Kilo Egal, ob forsche Berg- und Talfahrten oder kernige Sprints: Colnagos Top-Modell „Extreme Power“ begeisterte die Tester mit souveränem Fahrverhalten. Zum tollen Fahreindruck tragen exzellente Steifigkeitswerte bei, der relativ hohe Komfort am Sattel und die unaufgeregte Lenkgeometrie. Mit gut 1.200 Gramm ist der in bewährter Muffenbauweise gefertigte Carbonrahmen nicht sensationell leicht. Colnago kontert dies mit dem Hinweis, dass das Muffenkonzept dafür 22 Seriengrößen und zusätzlich fast jede Wunschgeometrie erlaubt. Zudem lässt sich über 7,3 Kilo Komplettgewicht kaum meckern. Mitverantwortlich dafür ist Campagnolos technisch tadellose Record-Gruppe, die dem Rad auch optisch bestens steht. Leider treibt sie den Preis des Komplettrades auf schwindelerregende 6.400 Euro, was bei aller Qualität dafür sorgen dürfte, dass der „Extreme Power“ ein Fall für betuchte Überzeugungstäter bleibt. Bezug/Info: Bicisport Colosimo, Telefon 0 30/34 78 70 10, www.colnago.com Preis Rahmenset/Komplettrad: 6.379/ 3.399 Euro; Rahmengrößen: Sloping: 45, 48, 50, 52, 54 cm; Standard: 52 bis 65, je 1 cm; plus Maßrahmen; Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 516/550/143 mm; Sitz-/Lenkwinkel: 74°/72°; Radstand/Nachlauf: 990/62 mm; Rahmenhöhe/Überhöhung: 582/168 mm AUSSTATTUNG Gabel: Colnago Carbon; Lenklager: Colnago 1-1/8 Zoll (klassisch); Bremsen/Schaltung/ Tretlager: Campagnolo Record; Bremsen: Campagnolo Record; Laufräder/Reifen: Campagnolo Eurus/Vittoria Revo KXS; Lenker/Vorbau: FSA OS 115/FSA SL-K Carbon; Sattel/-stütze: Prologo Nago/Colnago Carbon; Pedale: Campagnolo Record MESSWERTE Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager: 1.213/445/91 g; Normiertes Gewicht Rahmenset: 1.799 g; Lenkkopfsteifigkeit: 91 Nm/°; Seitensteifigkeit Gabel: 41 N/mm; Tretlagersteifigkeit: 65 N/mm; Komfort Rahmen: 269 N/mm; Komfort Gabel: 77 N/mm FAHRSICHERHEIT niedrig mittel hoch träge neutral wendig komfortabel sportlich rennmäßig FAHRVERHALTEN SITZPOSITION + fahrstabil, komfortabel, Top-Ausstattung, viele Größen - teuer, schlagempfindlicher Lack *siehe dazu Kasten S. 33 IITALIENISCHE TA L I EN ISCHE RADHERSTELLER R A DHER S T EL LER | DIE D RÄDER DE ROSA Idol | 5.800 Euro | 7,7 Kilo Die Vorfreude auf De Rosas optisch gelungenen, nach erstem Augenschein gut verarbeiteten Monocoque-Carbonrahmen hielt bei den Testern nicht lange an. Schon nach wenigen Kilometern war klar, dass die Steifigkeitswerte des „Idol“ nicht dem Stand der Technik entsprechen. Bei schnellen Abfahrten zeigte der Rahmen eine beunruhigende Tendenz zum Flattern, die auch die relativ seitensteife Gabel nicht auszugleichen vermochte. Die Messwerte bestätigten den schwammigen Eindruck. Mit 50 Nm/° im Lenkkopf und 43 N/mm im Tretlager bleibt der Rahmen deutlich hinter dem zurück, was einst sogar bei klassischen Stahlrahmen üblich war. Allenfalls bei moderatem Tempo stellt sich mit dem „Idol“ ein gutes Gefühl ein, wobei es sich wegen der integrierten Sattelstütze anders als ähnlich „weiche“ Konstruk tionen nicht einmal besonders komfortabel anfühlt. Wundern muss man sich darüber auch deshalb, weil der Rahmen mit knapp 1.400 Gramm in Größe 57 relativ schwer geraten ist. + AUSSTATTUNG Gabel: Mizuno; Lenklager: Campagnolo Record, 1-1/8 Zoll; Bremsen/Schaltung/ Tretlager: Campagnolo Record CT; Laufräder/Reifen: Campagnolo Eurus/Vittoria Open Corsa CX; Lenker/Vorbau: Deda Glare Carbon/Deda Ultra Carbon; Sattel/-stütze: Fizik Arione Titanio/De Rosa integriert; Pedale: Look Keo MESSWERTE Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager: 1.396/413/62 g; Normiertes Gewicht Rahmenset: 1.871 g; Lenkkopfsteifigkeit: 50 Nm/°; Seitensteifigkeit Gabel: 42 N/mm; Tretlagersteifigkeit: 43 N/mm; Komfort Rahmen: 315 N/mm; Komfort Gabel: 91 N/mm FAHRSICHERHEIT niedrig mittel hoch träge neutral wendig komfortabel sportlich FAHRVERHALTEN SITZPOSITION schlagfester Lack, edle Ausstattung - kritische Fahrstabilität, teuer, Rahmen für den Werkstoff zu schwer, wenig Komfort PINARELLO Prince | 8.000 Euro | 7,1 Kilo Bezug/Info: FPO Bikes GmbH, Telefon 02 21/17 95 95 82, www.pinarello.com Preis Rahmenset/Komplettrad: 3.300/ 8.000 Euro; Rahmengrößen: 44, 46,5 cm (beide Sloping); 50, 51,5, 53, 54, 55, 56, 57,5, 59,5 cm (Standard); Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 551/556/162 mm ; Sitz-/Lenkwinkel: 74°/73°; Radstand/Nachlauf: 985/56 mm; Rahmenhöhe/Überhöhung: 551/162 mm AUSSTATTUNG Gabel: Prince Onda; Lenklager: Pinarello 1-1/8 Zoll oben, 1-1/4 Zoll unten; Bremsen/ Schaltung: Campagnolo Record; Tretlager: Pinarello Tank FP by FSA, 50/34 Z.; Laufräder/Reifen: Charisma Carbon by Corima/ Prince GP Force/GP Attack by Continental; Lenker/Vorbau: MoST Lion Air/ MoST Tigerlite; Sattel/-stütze: MoST XLR XP/ MoST Carbon; Pedale: Look Keo MESSWERTE Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager: 1.073/444/82 g; Normiertes Gewicht Rahmenset: 1.605 g; Lenkkopfsteifigkeit: 96 Nm/°; Seitensteifigkeit Gabel: 55 N/mm; Tretlagersteifigkeit: 66 N/mm; Komfort Rahmen: 436 N/mm; Komfort Gabel: 120 N/mm FAHRSICHERHEIT niedrig mittel hoch träge neutral wendig komfortabel sportlich rennmäßig FAHRVERHALTEN SITZPOSITION 32 Bezug/Info: De Rosa, Telefon 00 39/02/6 19 51 71, www.derosanews.com Preis Rahmenset/Komplettrad: 2.450/ 5.800 Euro; Rahmengrößen: 43,5, 45,5, 47,5, 49,5, 51,5, 53,5 cm; Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 535/568/174 mm; Sitz-/Lenkwinkel: 73°/73°; Radstand/Nachlauf: 987/59 mm; Rahmenhöhe/Überhöhung: 607/143 mm TOUR 10/ 2007 rennmäßig Lenker, Vorbau, Sattelstütze und Kurbeln mit auf den Rahmen abgestimmter Lackierung und Carbonstruktur, Aero-Laufräder im dazu passenden Look: Selten rollte ein Rad in die TOUR-Redaktion, das vom Rahmen über die Komponenten bis hin zu Kleinteilen so konsequent durchgestylt war wie der neue „Prince“. Egal, ob einem das opulente Spiel mit Formen und Farbe gefällt: Mit dem „Prince“ meldet sich Pinarello eindrucksvoll als Top-Marke zurück. 1.074 Gramm für den Rahmen sind angesichts des verschwenderischen Umgangs mit Lack ein Wort, die Steifigkeitswerte exzellent. Im Fahrtest begeisterte das 7,1 Kilo leichte Rad mit agilem Handling und unerschütterlicher Laufruhe. Einziger Wermutstropfen: Das steife Fahrwerk bietet kaum Federkomfort, was auf rauem Asphalt unangenehm werden kann. Schon mit anderen Laufrädern ist der Fahreindruck komfortabler. Aber heißt es nicht: Wer schön sein will, muss leiden? + - fahrstabil, leicht, stimmiges Design, viele Größen teuer, heikles Bremsverhalten bei Nässe, kaum Komfort So testet Gewicht Gewogen wird das Komplettrad, das Rahmenset (Rahmen, Gabel und Lenklager) sowie die übrige Ausstattung. Weicht der Rahmen von der klassischen Diamantform oder der Testgröße 57 ab, wird das Gewicht rechnerisch angeglichen. Fahrstabilität + - Der Rahmen wird am Steuerrohr verdreht und daraus die Steifigkeit in Newtonmeter pro Grad (Nm/°) errechnet. Hohe Werte bedeuten eine Sicherheitsreserve. tolle Verarbeitung, Top-Ausstattung schlagempfindlicher Lack TOMMASINI Carbofire Mit dem „Carbofire“ verwirklicht Irio Tommasini seine Vorstellung eines modernen Rennradrahmens. Für Ober-, Unter- und Steuerrohr sowie einen Teil des Sitzrohrs verwendet er Stahl. Hinterbau und der größte Teil des Sitzrohrs dagegen sind aus Carbon. Warum Tommasini als einer der Besten seiner Zunft gilt, zeigt die Art und Weise, wie er beide Werkstoffe verbindet: Nachdem er das vordere Rahmendreieck geschweißt hat, schneidet er den mittleren Teil des Sitzrohrs wieder heraus – und zwar so, dass die Schnittkanten ein stilisiertes „T“ bilden. Ersetzt wird das fehlende Stück durch ein Carbonrohr, das von oben durch den Sitzrohrstummel geschoben und verklebt wird. Sicher lässt sich darüber streiten, ob der Aufwand zeitgemäß ist; ästhetisch ist der Rahmen allemal, auch die technischen Werte sind für einen überwiegend aus Stahl gefertigten Rahmen beachtlich. Aufgebaut mit Campagnolos Chorus-Gruppe liegt das Gesamtgewicht bei respektablen 7,9 Kilo. Die Zielgruppe für ein solches, mit 2.328 Euro angemessen kalkuliertes Stück Rahmenbaukunst ist zwar mittlerweile überschaubar. Doch für Liebhaber, die Handarbeit noch schätzen, ist der „Carbofire“ eine interessante Option. Tretlagersteifigkeit | 5.000 Euro | 7,9 Kilo Bezug/Info: Bicisport Colosimo, Telefon 0 30/34 78 70 10, www.tommasini.com Preis Rahmenset/Komplettrad: 2.328/5.000 Euro; Rahmengrößen: 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64 cm; plus Maßrahmen (ohne Aufpreis); Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 524/546/160 mm; Sitz-/Lenkwinkel: 73°/72,5°; Radstand/Nachlauf: 985/59 mm; Rahmenhöhe/Überhöhung: 585/165 mm AUSSTATTUNG Gabel: Tommasini Carbon; Lenklager: Tommasini, 1-1/8 Zoll; Bremsen/Schaltung/ Tretlager: Campagnolo Chorus; Laufräder/ Reifen: Fulcrum Racing 1/Vredestein Fortezza; Lenker/Vorbau: Deda Newton/ Deda Zero 100; Sattel/-stütze: Tommasini Mission/Selcof Carbon MESSWERTE Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager: 1.867/380/72 g; Normiertes Gewicht Rahmenset: 2.322 g; Lenkkopfsteifigkeit: 78 Nm/°; Seitensteifigkeit Gabel: 38 N/mm; Tretlagersteifigkeit: 59 N/mm; Komfort Rahmen: 324 N/mm; Komfort Gabel: 74 N/mm FAHRSICHERHEIT niedrig mittel hoch träge neutral wendig komfortabel sportlich rennmäßig FAHRVERHALTEN SITZPOSITION Gemessen wird, wie der Rahmen unter kräftigen Tritten (Prüflast 80 Kilogramm) nachgibt und daraus die Tretlagersteifigkeit in Newton pro Millimeter (N/mm) errechnet. Der Rahmen soll die gesamte Tretkraft in Vortrieb umsetzen – höhere Werte sind besser. Seitensteifigkeit und Komfort der Gabel Gemessen wird die Auslenkung der Gabel zur Seite (Steifigkeit) und in Fahrtrichtung (Komfort). Je höher die seitliche Steifigkeit, desto präziser lässt sich das Rad lenken. Komfort Rahmen Erfasst wird die vertikale Nachgiebigkeit von Rahmen und Sattelstütze. Niedrigere Werte sind besser. Geometrieerfassung Dabei werden alle Räder genau vermessen und in einem von den Herstellern unabhängigen Schema dargestellt, damit die Abmessungen verglichen werden können. BASISWISSEN RAHMENBAU Fillet-brazed-Verfahren | Lötverfahren zur Verbindung von Stahlrohren, bei dem das Lot um die Rohrübergänge „modelliert“ wird. Monocoque-Bauweise | Monocoques sind, grob vereinfacht, aus einem Stück gefertigte Rahmen oder Rahmenteile aus Carbon. Wegen hoher Formkosten erst bei großen Stückzahlen rentabel. Monostay-Hinterbau | Design-Form, bei der das Sitzstrebenpaar ab der Hinterradbremse als einzelne Strebe zum Sitzrohr weiterläuft. Muffenbauweise | Muffen sind vorgefertigte Elemente zur Verbin- dung von Rohren. Vorteil ist die kostengünstige Herstellung verschiedener Rahmengrößen. Nachteile sind Einschränkungen bei der Geometriewahl und eine Unterbrechung des Kraftflusses. Sicken | Rinnenförmige Vertiefungen in Rohren oder Blechen, die die Steifigkeit erhöhen, oft aber nur Design-Zwecke erfüllen. Tube-to-Tube-Verfahren | Fertigungsmethode, bei der Carbonrohre passgenau gefräst, aneinandergesetzt und stumpf verklebt werden. Danach werden die Fügestellen durch Carbonlagen verstärkt. TOUR 10/2007 33