Ich bin das Licht der Welt Predigt über Joh 8, 12

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Ich bin das Licht der Welt Predigt über Joh 8, 12
Predigt 21.3.04
Über der Predigt steht Joh 8,12: „Jesus Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird
nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Herr, segne du das Reden und das Hören! Amen.
Liebe Gemeinde!
„Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht
des Lebens haben.“
Für mich gehört dieses Bibelwort zu den schönsten Versen, die im Neuen Testament stehen. Das Evangelium von
Jesus Christus wird hier besonders klar und eindrücklich verkündigt. Kein Wunder, dass Joh 8,12 der Tauf- und
Konfirmations- oder der Trauspruch von Unzähligen ist, auch von unserem heutigen Täufling Yette-Kim.
Jeder darf beim Hören dieses Bibelwortes vor seinem inneren Auge ein Licht sehen. Es ist ein Licht, das in der
Dunkelheit scheint, das uns durch die Dunkelheit der Welt führt. Wir können sicher und geborgen durch alle
Dunkelheiten dieser Welt schreiten. Wer diesem Licht nachfolgt, dem wird es sich niemals entziehen.
„Ich bin das Licht der Welt“, sagt Christus, „wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern
wird das Licht des Lebens haben.“
Vor meinem inneren Auge ist dieses Licht – Christus, kein grelles, kaltes, alles erbarmungslos an den Tag
bringendes Licht. Vielmehr leuchtet in diesem Licht die Freundlichkeit Gottes, die Liebe Gottes selbst auf. Das
ist das wahre Licht des Glaubens, das mit Jesu Geburt, als es zum erstenmal hier auf Erden Weihnachten wurde,
in die Welt gekommen ist.
Diese Welt, das betont besonders das Johannesevangelium, ist eine Welt des Todes. In dem Moment, wo Leben
geboren wird, ist dieses Leben von der Welt dazu bestimmt, am Ende sterben zu müssen; in der Welt, in der wir
leben, gibt es sehr viel Hass und Kälte, Neid, Resignation, Schuld. Jesus Christus ist in diese Welt gekommen,
damit mitten in ihren Dunkelheiten ein wunderbares Licht der Hoffnung und des Friedens aufleuchtet.
Joh 8,12 ist ein berühmter weihnachtlicher Predigttext, weil seine bildhafte Sprache genau das verkündet, was
Weihnachten bedeutet. In unseren Breiten feiern wir Weihnachten in der dunkelsten Jahreszeit, kurz nach der
Sonnenwende. So lässt es sich mitten im Winter mit allen Sinnen begreifen: Das Licht scheint in der Finsternis.
Joh 8,12 ist aber auch ein kraftvolles, österliches Wort. Deshalb ist Christus das Licht der Welt, weil es die
dunkle Macht des Todes überwunden hat. Die güldene Sonne, die uns am Ostermorgen scheint, ist nicht der
Feuerball aus unserem Sonnensystem, sondern Jesus Christus „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom
wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“
Im Johannesevangelium heißt es über dieses Licht: „Ich und der Vater sind eins“. Dieses Einssein von Gott und
seinem Sohn Jesus Christus verkündet uns das heutige Ich-bin-Wort. Auf der anderen Seite klingt hier auch das
Einssein zwischen Jesus und den Seinen an, und zwar durch die Nachfolge: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht
wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Wenn Sie fragen: Warum gibt es die Christenheit heute immer noch, nach fast 2000 Jahren Kirchengeschichte
durch viele Anfechtungen und Dunkelheiten hindurch, auch durch dunkle Kapitel in der Kirchengeschichte?
Warum gibt es immer noch eine lebendige Christenheit? Dann lautet die Antwort: Weil durch all die Zeiten
hindurch das Licht des Glaubens nie verloschen ist. Weil es immer geleuchtet hat und weiter gegeben worden ist.
Durch all diese Zeiten hindurch war und ist Christus der Herr der Kirche, das Licht der Welt. Und nur dadurch ist
die Christenheit lebendig, dass Menschen glauben, dass dieser Jesus Christus das wahre Licht der Welt ist, und
dass sie ihm nachgefolgt sind und bis auf den heutigen Tag nachfolgen.
Was heißt Nachfolge, was heißt an Christus, das Licht der Welt glauben? Es heißt, dass wir uns mit der Welt
nicht arrangieren, dass sie uns, so wie sie ist, nicht genug ist.
Dabei wird die Welt im Johannesevangelium, im Kontext von Joh 8,12 als die dunkle Welt verstanden. Bei Welt
denkt der Evangelist an Tod, Sünde, Hass und Verlorenheit. Wenn Menschen Frieden stiften, Freude teilen,
loben und danken können, dann begnügen sie sich nach biblischem Verständnis schon nicht mehr nur mit dieser
Welt, dann fangen sie schon an zu glauben an Christus, an Gott, an das Licht der Welt.
Das gestern Frühlingsanfang war, dass wir schon ein paar Tage die Helligkeit und Wärme genießen konnten, ist
allein noch kein Fingerzeig auf das Licht, das mit Christus in die Welt gekommen ist. Aber wenn wir dabei vom
Gotteslob, von dankbarer Freude erfüllt sind, dann scheint sein Licht, als Fingerzeig der Liebe Gottes, bereits auf
uns. Das Licht dessen scheint auf uns, der zu uns spricht: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der
wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Laetare, freut euch darüber!
Vor wenigen Tagen, zu ihrem 75. Geburtstag, wurde Christa Wolf gefragt: „Was bedeutet für Sie Hoffnung?“
Und sie hat geantwortet: dass wir Menschen nicht mehr genügsam sind, dass wir uns nicht mehr einfach damit
begnügen, mit den Zuständen in unserem Leben, in der Gesellschaft, in der ganzen Welt.
Was Christa Wolf damit beschreibt, ist Hoffnung in einem ganz irdischen Sinn, aber immerhin Hoffnung: Sich
nicht damit begnügen, z.B. dass der Ehrliche heutzutage oft als der Dumme gilt. Sich nicht damit begnügen, z.B.
dass Menschen unterschiedlicher Rassen, Kulturen oder Konfessionen oft viel zuwenig miteinander reden. Sich
nicht damit begnügen, dass die Kluft zwischen arm und reich so groß ist. All dies ist bereits Hoffnung. Irdische
Hoffnung zwar, im Hinblick auf das pessimistische Weltbild des Johannesevangeliums aber vielleicht doch schon
ein Fingerzeig auf das Licht Gottes.
Was jenem Bibelvers aus Joh 8,12 aber seine unvergleichliche Leuchtkraft gibt, ist, dass uns in diesem Wort
verkündet wird, Gott selbst möchte sich nicht länger mit einer dunklen, ihm fernen, sich von ihm abwendenden
Welt begnügen. Als Schöpfer der Welt möchte er gegenüber dem, was er geschaffen hat, nicht „in sich
genügsam“ bleiben. Er selbst geht ein in diese Welt. In seinem Sohn Jesus Christus offenbart er „der Welt“ seine
Liebe und Gott schenkt uns durch Christus eine wunderbare Hoffnung.
Begnügt euch nicht, dass ihr schuldig geworden seid, bleibt nicht gefangen in Lieblosigkeit, Verzweiflung und
Resignation! Folgt mir nach, dann werdet ihr das Licht des Lebens haben. Unter Leben versteht der Evangelist
Johannes hier in unserem Ich-bin-Wort nicht das irdische, zeitlich durch den Tod begrenzte Leben. Er spricht
vielmehr vom ewigen Leben. Mitten in der Zeit dürfen wir diesem ewigen, dem wahren Leben nachfolgen.
Niemand soll sich selbst genug sein. Keinem von uns soll diese Welt, das Leben, so wie es ist, genug sein. Folgt
ihm nach! Ihm über den uns die Bibel kündet: „Er ist das Licht der Welt.“ Was bedeutet es für uns Heutige, ihm
nachzufolgen?
Zunächst einmal: Nachfolge bedeutet auf keinen Fall Aktionismus, auch nicht „Werkgerechtigkeit“. Ich glaube,
jede Nachfolge beginnt mit einem Innehalten, mit Momenten des Besinnens, des Nachdenkens, des Betens.
Nachfolge bedeutet, das Licht des Christus vor dem eigenen inneren Auge zu sehen.
Wer innehält, sich besinnt, auf Christus, das Licht der Welt und auf Gott blickt, an dieses Licht glaubt, dem ist
die Welt, so wie sie ist, schon nicht mehr genug. Das ist der Anfang, Christus nachzufolgen.
Tätige Nachfolge heißt für mich auch, zu verzeihen und selbst Vergebung annehmen können. Manche sagen ja:
Ich kann alles verzeihen, aber diese eine Sache nicht. Ich glaube, Nachfolge heißt: sich damit nicht mehr
begnügen. Vielleicht drückt einen ein Versagen, in der Schule oder am Arbeitsplatz, ein absolutes Fehlverhalten
gegenüber einem Menschen, der einem eigentlich sehr wichtig war, so dass wir meinen, davon nie wieder frei zu
werden. Auch Schulden und andere große Sorgen können einem dieses Gefühl geben.
Aber soviel Dunkel gibt es nur in einer sich selbst genügsamen Welt. Alles Schwere möchte Christus uns tragen
helfen. Und doch ist das letzte Wort, das Gott zu uns spricht, nicht das Kreuz, sondern das ist dieses wunderbare
Wort vom Licht: „Ich bin das Licht der Welt.“
Je älter ich werde, je mehr glaube ich, dass Nachfolge vor allen Dingen bedeutet „wiedergutmachen“. In unserem
irdischen Leben, leben wir ja alle auch immer zugleich in der „dunklen“ Welt und wir alle fehlen hier auf Erden,
manchmal sogar schwer. Aber Nachfolge bedeutet, sich auch damit nicht abfinden, sich mit diesem „immer
wieder zum Scheitern bestimmt zu sein“, nicht zu begnügen. Nachfolge heißt: wir können auch vieles wieder gut
machen.
Denken Sie an Zachäus, in dessen Haus Jesus einkehrt. Zachäus war ein Sünder, ein betrügerischer Zöllner. Als
das Licht des Christus ihn anstrahlt, beschließt er, seine Schuld wieder gut zu machen: „Zachäus trat vor den
Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen und wenn ich jemanden
betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.“ (Lk 19,8)
Oft ist Nachfolge schlicht und einfach Wiedergutmachung. Dabei passt es oft nicht, dass wir es denen
wiedergutmachen, an denen wir etwas versäumt haben. Stattdessen können wir das auf vielfältige Weise anderen
Menschen gegenüber tun. So z.B. geschieht es, dass auch durch uns das lebendige Licht des Glaubens weiter
getragen wird, mitten hinein in diese Welt. Unser Ich-bin-Wort erinnert an eine alte Gottesbezeugung im Volk
Israel: „Ich bin, der ich bin, ich werde sein, der ich sein werde.“
Alles, was Jesus gepredigt hat, dass er Sünden vergeben hat, Menschen geheilt hat, lässt sich in diesen Worten
zusammenfassen: „Ich bin das Licht der Welt.“
Gleichzeitig ist unser Bibelvers ein frühes Bekenntnis der johanneischen Gemeinde. Im frühen Christentum
entstanden nicht nur lange Glaubensbekenntnisse wie das apostolische oder das Nicänum, sondern es gab auch
solche kurzen Glaubensbekenntnisse, wie unser heutiges Ich-bin-Wort eines ist. Viele wissen, dass der Fisch ein
altes Glaubensbekenntnis ist. Die Initialen von Ichthys, dem griechischen Wort für Fisch stehen für ein kurzes
frühchristliches Glaubensbekenntnis. Übersetzt lautet es: Jesus Christus, Sohn Gottes, Retter der Welt.
All dies kommt auch in unserem heutigen Ich-bin-Wort zum Ausdruck, das wie ich finde, ein besonders schönes
frühchristliches Bekenntnis ist: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der
Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Amen