Kohlenhydrate und Zucker
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Kohlenhydrate und Zucker
Kohlenhydrate und Zucker Zucker stellen 50 % der trockenen Biomasse der Erde und sind deshalb die häufigste Klasse von Biomolekülen. Dabei erfüllen sie u.a. folgende Funktionen: • Sie verleihen biologischem Material Struktur • Sie spielen eine wichtige Rolle in molekularer Erkennung (Erkennung der Zellwand der Eizelle von Spermien) • Sie dienen als metabolische Energiespeicher Kohlenhydrate haben zwar die allgemeine Stöchiometrie Cn(H2O)n, sind aber keine Hydrate von Kohlenstoff. Korrekterweise sind sie als Polyhydroxyaldehyde oder Polyhydroxyketone zu bezeichnen. Ihre Stereochemie wird normalerweise in der Fischer-Projektion dargestellt (Emil Fischer, Nobelpreis 1902). HC O HC O H C OH HO C H H C H C CH2OH CH2OH C O C O HO C H HO C H H C OH HO C H OH H C OH H C OH H C OH OH H C OH H C OH H C OH CH2OH D-Glukose CH2OH CH2OH CH2OH D-Fructose Der häufigste Zucker, D-Glucose, wird, umgewandelt in Polysaccharide, als Energiespeicher in Organismen verwendet. Überschüssige D-Glucose wird in Tieren und Pilzen in Form von Glykogen und in Pflanzen in Form von Stärke gespeichert. Cellulose ist ein weiteres Polysaccharid in Pflanzen, welches jedoch nicht als Energiespeicher, sondern als Baumaterial verwendet wird. Chitin wird in Krustentieren, Insekten und Pilzen analog verwendet. 1 Klassifizierung von Kohlenhydraten Zucker Saccharidee Kohlenhydrate Disaccharide (n = 2) Oligosaccharide (3 ≤ n ≥ 10) Polysaccharide (n ≥ 10) Monosaccharide hydrolyse Kohlenhydrate werden durch die Art ihrer Carbonylfunktion sowie die Anzahl ihrer Kohlenstoffatome klassifiziert. Monosaccharide: Anzahl der Kohlenstoffatome: a) Aldosen (“Ald” für ein Aldehyd) b) Ketosen (“Ket” für ein Keton) a) Triosen b) Tetrosen c) Pentosen d) Hexosen und Heptosen CH2OH C O CHO H OH H OH H OH H OH H OH H OH CH2OH H OH CH2OH Pentose/Aldose → Aldopentose Heptose/Ketose → Ketoheptose 2 Die D- und L-Notation Die D- und L-Notation wird verwendet, um die absolute Konfiguration von Zucker zu beschreiben. O O H OH HO H OH OH (+)-D-Glycerinaldehyd (-)-L-Glycerinaldehyd In der Fischer-Projektion wird der Kohlenstoff mit der höchsten Oxidationsstufe so weit oben wie möglich platziert (vgl. Aldosen und Ketosen). Nun wird die OH-Gruppe am untersten, unsymmetrischen Kohlenstoff betrachtet. Ist die Hydroxylgruppe rechts, spricht man vom D-Zucker und links vom L-Zucker. HC O H OH H OH H OH D-(-)-Ribose in der Fischer-Projektion CH2OH Diese Beschreibung zwischen zwei Konfigurationen ist eine Konvention, welche mit der Rund S-Nomenklatur zweier Stereozentren vergleichbar ist. Es gibt nicht an, ob polarisiertes Licht nach rechts (+) oder nach links (-) gedreht wird. Diese Information kann nur experimentell gewonnen werden. 3 Konfiguration von Aldosen Aldotetrosen haben zwei asymmetrische Kohlenstoffe, so dass vier (22) verschiedene Diastereomere existieren. Jeweils zwei davon bilden ein Paar von Enantiomeren, welche durch eine Spiegelung ineinander überführt werden können. HC O HC O HC O H OH HO H HO H OH HO H H H2C OH D-Erythrose H2C OH L-Erythrose H OH H2C OH D-Threose HC O H HO OH H H2C OH L-Threose Epimere sind Diastereomere, die sich nur in der Konfiguration eines Stereozentrums voneinander unterscheiden (z.B. D-Erythrose und D-Threose). Anomere sind Verbindungen, bei denen die Konfiguration am anomeren Zentrum unterschiedlich ist. 4 Das folgende Schema zeigt die Konfiguration und Symmetrie der D-Aldosen. Cs CHO H C2 OH CH2OH C1 Glyceraldehyd CHO CHO H OH HO H OH H CH2OH CH2OH Erythrose Threose CHO CHO OH HO H OH H OH HO H OH H OH H CH2OH H OH HO H H OH H OH H HO HO HO OH H OH H OH H H OH H OH H OH H Allose CH2OH Altrose CH2OH Glukose CHO OH HO H H HO H OH H OH CH2OH CH2OH Lyxose Xylose CHO CHO H CH2OH H Arabinose CHO OH H CH2OH Ribose H CHO H CHO H OH CHO CHO H H H H OH HO OH H CH2OH Mannose OH HO OH H H OH CH2OH Gulose HO H H OH H OH CH2OH Idose CHO CHO H HO HO H OH HO H H HO H H HO H OH CH2OH Galactose H OH CH2OH Talose Aus der oben gezeigten Abbildung wird ersichtlich, dass die Anzahl diastereomerer Zucker sich aus der Menge an asymmetrischen C-Atomen ergibt, was zu 2n Diastereomeren führt. D-Glucose, D-Mannose, und D-Galactose sind in biologischen Systemen die häufigsten Aldohexosen. 5 Konfiguration von Ketosen Ketosen, welche in der Natur vorkommen, haben die Ketogruppe an Position zwei. Da diese Verbindungen weniger asymmetrische Kohlenstoffatome besitzen, existieren von diesen auch weniger Diastereomere als von gleich großen Aldosen. CH2OH C O CH2OH Dihydroxyacetone CH2OH C O H OH CH2OH D-Erythrulose H H CH2OH CH2OH C O C O OH OH CH2OH HO H D-Xylulose D-Ribulose H H H H OH CH2OH CH2OH CH2OH CH2OH CH2OH C O C O C O C O OH OH OH CH2OH HO H H D-Psicose H HO H H OH OH CH2OH HO HO H OH H OH CH2OH D-Sorbose D-Fructose H H OH CH2OH D-Tagatose Redoxreaktionen von Monosacchariden Monosaccharide enthalten sowohl Alkohole als auch Aldehyde bzw. Ketone. Dementsprechend gehören Reduktionen und auch Oxidationen zu deren Reaktivitäten. Eine Aldehydgruppe kann beispielsweise oxidiert (→ Carbonsäure) oder reduziert (→ Alkohol) werden. Außerdem kann sie von Nukleophilen, unter Ausbildung von z.B. Iminen oder Acetalen, angegriffen werden. 6 Reduktionen Die Reduktion der Carbonylgruppe mit NaBH4 liefert Polyalkohole, welche als das entsprechende Alditol bezeichnet werden. Die Reduktion einer Aldose liefert nur ein Produkt. Bei Ketosen hingegen werden zwei Diastereomere gebildet, da ein neues Stereozentrum erzeugt wird. D-Glucitol kann durch Reduktion von D-Glukose oder L-Gulose erzeugt werden Mannitol und Glucitol gehören beide zur Klasse der Alditole D-Glucitol – auch Sorbitol genannt– hat ca. 60 % der Süßungskraft von Saccharose. L-Gulose ist im oben gezeigten Schema in einer umgekehrten Fischer-Projektion gezeichnet. Sorbitol kann in Pflaumen sowie Kirschen gefunden werden und D-Xylitol wird in zuckerfreiem Kaugummi verwendet. Oxidationen Die Oxidation von Zuckern wird verwendet, um zwischen Aldosen und Ketosen zu unterscheiden, da diese unterschiedlichen Reaktivitäten mit Brom aufweisen. Da nur Aldehyde reaktiv genug sind, um durch Br2 oxidiert zu werden, entfärben diese eine Bromlösung. Diese milde Oxidationsmethode lässt Alkohole unangetastet. Das Oxidationsprodukt dieser Reaktion von Aldehyden wird Aldonsäure genannt. 7 HC O H OH HO H H OH H OH COOH H Br2 CH2OH D-Glukose H2O OH H HO H OH H OH 2 Br (farblos) CH2OH D-Gluconionsäure Sowohl Aldosen als auch Ketosen werden vom sogenannten Tollens Reagenz (Ag+, NH3, OH-) zu Aldonsäuren oxidiert. Dies ist wegen der Amadori Umlagerung möglich, bei der unter basischen Bedingungen Ketone zu Aldehyden umlagern. Wenn stärkere Oxidationsmittel als der Diamin Silber(I)-Komplex (Tollens Reaktion) genutzt werden (z.B. HNO3), wird zusätzlich zur Aldehyd- und Ketogruppe die primäre Hydroxylgruppe oxidiert. Das Reaktionsprodukt dieser Reaktion heißt Aldarsäuren (beider Enden oxidiert, siehe Schema unten). Bei der Oxidation von D-Mannose bildet sich Mannarsäure. 8 Osazon-Bildung Da Monosaccharide dazu tendieren, einen Sirup (vgl. Honig) zu bilden, ist ihre Aufreinigung, Isolation und Charakterisierung oft schwierig. Um das Problem der Charakterisierung zu umgehen, überführte Emil Fischer Zucker in Osazone. Diese Verbindungen sind wasserunlöslich und bilden einen gelben, kristallenen Niederschlag. Der Name setzt sich aus „ose“ (von Zucker) und „azon“ (von Hydrazon) zusammen. Aus dem unten gezeigten Schema wird ersichtlich, dass die Reaktion mit zwei Hydrazonen zu dem Verlust der stereochemischen Information am C2 führt. Aus diesem Grund führt die Reaktion von z.B. D-Idose und D-Glukose mit Hydrazin zum identischen Produkt. Der Mechanismus der Osazon-Bildung ist zur Zeit nicht vollständig geklärt. Initial bildet sich aus dem Zucker und dem Phenylhydrazin ein Phenylhydrazone (Glukose Glukosephenylhydrazone). H C O H C OH R H2NHN H C H N N H C H N N H H C N N H2NHN H C OH R Ph-NH2, NH3 R gelb Nach der Reaktion mit einem zweiten und dritten Äquivalent Phenylhydrazin bildet sich das Hydrazon in Form eines gelben Feststoffs. 9 Die Maillard Reaktion Diese Reaktion wurde von Louis Camille Maillard 1912 untersucht. Sie erfordert eine Aminosäure, einen reduzierenden Zucker und üblicherweise Zucker. Die Maillard Reaktion ist eine der grundlegenden Reaktionen in der Nahrungsmittelzubereitung (getoastetes Brot, angebratenes Fleisch sowie das Mälzen beim Bierbrauen) und dabei für eine Vielzahl von Geschmäckern und Farben verantwortlich. Deswegen ist sie auch die Basis der Nahrungsmittelindustrie, da unterschiedliche Aminosäuren den entstehenden Geschmack bestimmen. Die Carbonylgruppe des Zuckers reagiert mit der nukleophilen Aminogruppe der Aminosäure unter Ausbildung einer Fülle von verschiedenen Verbindungen. H O N R2 H H OH H R1 NHR2 H Aminosäure OH H O OH 1 R R 1 Imin H N H OH R2 Amadori Umlagerung O R 1 1 Amino 1 deoxy 2 ketose O HO HO OH NHR2 N Glycosylamin H NHR2 R1 OH Enamine/Enol Zyklische Struktur von Monosacchariden In Anbetracht der säurekatalysierten Reaktion von Carbonylgruppen mit Alkoholen unter Ausbildung von Hemi- bzw. Vollacetalen drängt sich der Verdacht einer ähnlichen (intermolekularen) Reaktion bei Aldosen auf. H R C O R´OH [H+] H R C OR´ OH Hemiacetal R´´OH [H+] H2 O H R C OR´ OR´´ Acetal 10 Eine der Hydroxylgruppen des Zuckers greift dabei die Aldehydfunktion an. Wenn diese der Alkohol an C5 ist, bildet sich ein sechsgliedriger Ring, welcher Pyranose genannt wird. Wenn hingegen die Hydroxylgruppe am C4 angreift, bildet sich ein fünfgliedriger Ring aus, welcher Furanose heißt. H C H C OH H OH H HO H H OH OH H CH2OH D Glukose HO O HO C H OH H H OH H OH H H OH H CH2OH OH H HO OH CH2OH in H2O D Glukose -D-Glukose und -D-Glukose sind sogenannte Anomere. Als solche werden zwei Zucker, welche sich nur in der Konfiguration des Carbonylkohlenstoffs (nur in der zyklischen Form mit Hemiacetal) unterscheiden, bezeichnet. Anomere sind also ein Spezialfall von Diastereomeren. Die Präfixe und bezeichnen die Konfiguration am anomeren Kohlenstoff. OH O HO HO OH OH D Glukose In wässriger Lösung ist die offenkettige Form mit den beiden zyklischen Formen im Gleichgewicht. Die zyklischen sind dabei die dominierende Spezies (z.B. 99.98 % bei Glukose). Die -und -Anomere liegen in einem Verhältnis von ca. 40:60 vor, da bei der Glukose die Hydroxylgruppen durch 1,3-Wechselwirkung energetisch weniger günstig sind ((E = 13.4 kJ/mol). Durch das chirale Zentrum am Hemiacetal trägt das anomere Zentrum auch zur optischen Aktivität bei. Wenn reine -D-Glukose in Wasser aufgelöst wird ändert sich die spezifische Rotation von +112.2° auf +52.7°. Im Falle von -D-Glukose ändert 11 sich der Wert von +18.7° auf denselben Wert wie bei -D-Glukose. Dies wird durch die reversible Umwandlung in die offenkettige Form verursacht, welche wiederum mit dem anderen Anomer im Gleichgewicht steht. Am Ende liegt bei beiden dasselbe 40:60 Gemisch vor. Diese langsame Änderung des Drehwerts wird als Mutarotation bezeichnet. Der anomere Effekt ist ein weiterer stereoelektischer Effekt, welcher der 1,3Wechselwirkung zuwiderläuft. Aus diesem Grund ist der Anteil an D-Glukose in wässriger Lösung größer, als man wegen der Energiedifferenz des sterischen Unterschieds von - und -Form schätzen würde. Durch den anomeren Effekt wird die Elektronendichte eines nichtbindenden Elektronenpaars am Sauerstoff (n-Orbital) in das *-Orbital der glycosidischen Bindung delokalisiert. Deshalb ist der anomere Effekt mit den elektronenziehenden Eigenschaften des Substituenten am anomeren Zentrum und der Höhe der Elektronendichte des Heteroatoms, welches zu dem n-Orbital beiträgt, verknüpft. Diese Wechselwirkung ist allerdings nur bei axialer Orientierung des Substituenten stark. In der unten gezeigten Zyklisierung sieht man die analoge Reaktion mit einem Keton. In Lösung befindet sich die offenkettige Form im Gleichgewicht mit - und -Form. Isoliert werden kann hingegen nur -D-Fructopyranose. 12 Synthese von Kohlenhydraten Butlerovs Synthese Die Formosereaktion (Formaldehyd Aldose) wurde von 1861 von Aleksandr Butlerov entdeckt. Dabei werden Zucker aus Formaldehyd gebildet. Die Reaktion wird durch ein Metallkation (Ca2+) und eine Base katalysiert, welche den Formaldehyd durch Komplexierung des Sauerstoffs aktivieren. Der genaue Mechanismus ist nicht bekannt, könnte jedoch eine Cannizaro Reaktion enthalten. M+ O H H H OH H2O O M+ H H H H O H OH Formose-Zyklus (autokatalytisch, „animpfen“ mit Glycolaldehyd) Glycolaldehyd → Glycerinaldehyd ↔ Umlagerung zum Dihydroxyaceton, weitere Aldol Addition mit Formaldehyd → C4 Kohlenhydrat, Umlagerung zur Erythrose/Threose → Retroaldolspaltung (oder Kettenverlängerung) 13 Cyanohydrin Reaktion Die Reaktion wird zur Kettenverlängerung von Kohlenhydraten eingesetzt. Die Reaktion verläuft über ein Cyanhydrin, welches aus einer Carbonylgruppe und einem Cyanid Anion, durch eine nukleophile Addition, gebildet wird. Da der nukleophile Angriff nicht stereospezifisch ist, werden die Kohlenhydrate als Racemat gebildet. Durch die Zugabe chiraler Stoffe wie S-BINOL können bei dieser Reaktion allerdings auch hohe Enantiomerenüberschüsse erzielt werden. Synthesis über Nitroalkane bzw. Nef Reaktion Nitroalkane sind hilfreiche Vorstufen, um die Kettenlänge von Zuckern zu erhöhen. Durch die Kombination mit der Nef Reaktion können so Cn-Aldosen in ihre racmischen (n+1)Homologe überführt werden. Gleichzeitig lassen sich so Isotopenmarkierungen durch die Verwendung von C14-Nitromethane erhalten. - Die Henry Reaktion erlaubt die Herstellung von Nitroverbindungen aus einer Cn-Aldose (Schema oben, obere Zeile). 14 - Nef Reaktion: a) ohne Redox Zusatz im Sauren: Ausgangsverbindung ist das entsprechende Nitronatsalz (basisch hergestellt), 2 x protonieren an beiden O’s der Nitrogruppe, dann Wasserangriff b) oxidativ: z.B. mit Oxone (sek. Nitroverbindung zum Keton, primär zur Carbonsäure) mit Dimethyldioxiran (DMDO, prim. Nitroverbindung zum Aldehyd) c) reduktiv mit TiCl3 Enantioselektive Kohlenhydratsynthese Die bisher gezeigten Methoden haben alle den Nachteil, dass sie racmische Mischungen ergeben. Eine Methode zur selektiven Herstellung von Stereoisomeren ist die Einführung einer Doppelbindung und (z.B. Horner-Wadsworth-Emmons), welche anschließend enantioselektiv dihydroxiliert wird (Sharpless-Epoxidation, Payne- und Pummerer-Umlagerung). O (H3CO)2P OBn O OBn O (+)-DET, Ti(OiPr)4 tert-BuOOH DIBAL-H CHO OBn OBn O O H S Ph HO OH O 1) mCPBA 2) Ac2O MeO HO O OBn O OH S OBn S Ph OBn OBn OBn OAc H O O O O OAc H S Ph O O S Ph O O S Ph O H O O OBn OBn O O OAc S Ph H2O O O CHO CHO OH OH OH 15 Das entstehende Acetal kann unter sauren Bedingungen, unter Ausbildung des dihydroxylierten Aldehyds, gespalten werden. Diese Verbindung kann anschließend mit Palladium auf Kohle entschützt werden. Bei der Pummerer Umlagerung wird der Schwefel reduziert, während der Kohlenstoff oxidiert wird. R R R Ac2O S O R S R R S O R R S OAc OAc O Ein anderer Ansatz, um chirale Kohlenhydrate zu erzeugen, ist die Organokatalyse unter Zuhilfenahme von L-Prolin. Die Chiralität der Aminosäure überträgt sich bei der Reaktion durch das Enamin Intermediat. Houk Modell Carboxylgruppe des Prolins aktiviert durch Ausbildung einer Wasserstoffbrückenbindung den Aldehyd und orientiert ihn. Es entsteht ein sesselartiger Übergangszustand. 16 Die Lewis Säure vermittelte Mukaiyama-Aldol-Reaktion ist eine weitere Möglichkeit Kohlenhydrate zu erhalten. O TMS OH H OR OR H OSiMe3 OAc MgBr2 Et2O O OH OH RO H O RO OAc OR OR OH OAc OH R = Triisopropylsilyl- (TIPS) Der verwendete Silylether wird dabei als Enol-Äquivalent verwendet. Es werden der entsprechende Aldehyd und Silylchlorid gebildet. Weiteres Beispiel für Katalyse mit chiralem sekundärem Amin – diesmal Diels-AlderReaktion. Synthese von Glycosiden und Oligosacchariden Bei der chemischen Synthese von Di- und Oligosacchariden aus Monosacchariden entsteht eine genau definierte Reaktivität. Vereinfacht gesagt wird ein Glycosid-Donor und ein Glycosid-Akzeptor gekuppelt. Der Glycosid-Donor kann (Reaktivität: primär > sekundär> ternär durch und Protonierung OHeq>OHax), unter einer OH-Gruppe Ausbildung eines Oxocarbeniumions, erhalten werden. 17 HOH2C OH OH H HO HO HOH2C H O O HO HO HOH2C H2O OH2 HO OH H HO O H OH Das Oxocarbeniumion ist sp2-hybredisiert, so dass durch dessen Planarietät sowohl ein Angriff auf die re- als auch auf die si-Seite möglich ist. Die Stereoselektivität dieser Reaktion wird durch den anomeren Effekt bestimmt. Zusätzlich können auch das Lösungsmittel und die benachbarten Substituenten über ihre Sterik einen Einfluss auf die Stereochemie haben. Über NMR-Spektroskopie lässt sich die Stereochemie der glycosidischen Bindung bestimmen. Ein Vergleich der beiden Anomere ermöglicht die Bestimmung der absoluten Konformation. H H O O O O H O O O O H H O HH H O JHH [Hz] 7–9 3–4 1–2 1–2 δC1 [ppm] 105–96 102–92 103–93 103–93 160–170 170–180 160–170 170–180 3 1 JCH [Hz] Eine der ältesten und einfachsten Methoden, Glycoside herzustellen, ist die Koenigs-Knorr-Reaktion. OAc OH HO HO HO O CH3COX OH AcO AcO AcO OAc O Nu X AcO AcO AcO O Nu X = Cl, Br Die Aktivierung des anomeren Kohlenstoffs erfolgt über die Einführung eines Halogenatoms (Reaktivität: I > Br > Cl > F). Die Stereochemie wird über eine benachbarte Estergruppe kontrolliert, welche Nachbargruppeneffekt). mit Diese dem intermediären Reaktion wird Carbokation durch eine interagiert Vielzahl (vgl. verschiedener Schwermetallsalze wie AgCO3, AgOTf, Hg(CN)2, HgBr, usw. begünstigt. 18 Weil die Bildung des acetylierten α-Glycosylhalides durch den anomeren Effekt begünstigt ist, führt diese Reaktion zu enantiomerenreinen β-Glycosiden. Ester führen im Allgemeinen zu hohen Enantiomerenüberschüssen, wohingegen Ether schlechter dirigieren und eine Mischung der Anomere liefern. Halide als Glycosid-Donor Zur Herstellung der Glycosylhalide können die Monosaccharide mit verschiedenen Halogenverbindungen umgesetzt werden. O OCR O O RCX O OH HX or Lewis Säure O Me2N CH , SOCl2 O X PPh3, CX4 Alternativ können die Glycosylhalide aus n-Pentenylverbindungen oder Thioestern hergestellt werden. Die verschiedenen Reaktivitäten erlauben es, gekreuzte Glykosylierungen durchzuführen. O O Br2/CH2Cl2 or O O Br SR Die Photobromierung von Acetalen führt zu α-Haliden. O O O BrCCl3 h O Br Et4NBr O O O BzO Br Ph 19 Stereochemische Kontrolle des Anomeren Zentrums Wie bereits erwähnt spielt die benachbarte Gruppe eine entscheidende Rolle für die erzielte Konfiguration am anomeren Kohlenstoff. Eine 1,2-trans Konfiguration ist mit einer Estergruppe am C2 bei einem Glycosylhalid begünstigt. O AcO O Nu Br AcO H Nu H Eine 1,2-cis Konfiguration kann durch den Einsatz von überschüssigen Br- sowie einer nicht dirigierenden Gruppe (z.B. Ether) erhalten werden. Im Gleichgewicht zwischen α- und β-Halid ist das energetisch ungünstigere β-Halid reaktiver, was zur bevorzugten Bildung des α-Glycosides führt. O BnO Br H O Et4NBr BnO Br O Nu BnO H H Nu Die 1,2-cis β-D-Manno Konfiguration ist sowohl aus sterischen wie auch aus elektronischen Gründen am schwierigsten zugänglich. Aus diesem Grund sind auch nur wenige Reagenzien bekannt, welche diese Konfiguration ermöglichen. Silber-Silikate bzw. Silber-Zeolithe sind dabei die gängigsten. OR O H Nu H 20 Auch das Lösungsmittel hat Einfluss auf die Stereoselektivität. Die Ausbildung äquatorialer Glycoside (-glycosydische Bindung) ist in Acetonitril begünstigt, wohingegen die Verwendung von Diethylether und Chloroform als Lösungsmittel zu axialen Produkten (-glycosidische Bindung) führt. Der Grund für die veränderte Reaktivität liegt im Koordinationsverhalten der LM begründet. Nu CH3CN O Et2O O O OEt2 Nu N CCH3 product product Glycosyl-Fluoride Für die Synthese von fluorierten Glycosyl-Donoren kann von bromierten oder acetylierten Sacchariden ausgegangen werden. O AcO O AgF F Glycosid AcO Br O AcO H OAc H O HF Ac2O AcO F Glycosid Weitere Reagenzien, mit denen Glycosyl-Fluoride erhalten werden können, sind: FMPTS (2-Fluoro-1-methylpyridinium p-toluenesulfonat) HF/Pyridin Hexafluoropropen/R2NH DAST (Diethylaminosulfur trifluorid) Mitsunobu Reagenz (DEAD/Ph3P/[Et3O]+[BF4]–) 21 Diese Verbindungen weisen eine höhere thermische und chemische Stabilität auf als ihre Homologe, weshalb sie nützliche Reagenzien in verschiedenen Glycosilierungs-Reaktionen sind. Gleichzeitig weisen sie eine relativ geringe Reaktivität auf, weshalb sie vor der Kupplung aktiviert werden müssen. Für diesen Zweck werden fluorophile Aktivatoren wie SnCl2/AgClO4 verwendet. 22 Trichloroacetimidate als Glycosyl-Donoren Da Trichloroacetimidate eine gute Kontrolle über Stereochemie und Reaktivität bieten, sind diese geeignete Zwischenstufen, um Oligosaccharide herzustellen. Diese Methode wurde von P. Sinaÿ und R. R. Schmidt entwickelt und kommt ohne aktivierende Schwermetallzusätze aus. Die Glycsylimidate können durch die basenkatalysierte Addition eines Alkohols an aktivierte Nitrile erhalten werden. Die Stereoselektivität wird bei dieser Reaktion durch die Basenstärke bestimmt. Die Verwendung einer schwachen Base (z.B. K2CO3) bei kurzer Reaktionszeit begünstigt das kinetische Produkt, nämlich das -konfigurierte Trichloroacetimidat. Eine starke Base wie NaH führt ebenfalls zum -Produkt, während lange Reaktionszeiten bei einer schwachen Base zum -Trichloroacetimidat, dem thermodynamischen Produkt (wegen des anomeren Effekts), führen. Die axiale (α) Position ist bei der Trichloroacetimidatgruppe energetisch günstiger, weshalb die Reaktionsbedingungen (Temperatur, Reaktionszeit) optimiert werden müssen, um ein Gleichgewicht zwischen α- und β-Form zu vermeiden. Die Kupplung findet in Gegenwart einer Lewis Säure statt und die benachbarten Gruppen wirken sich auf die Stereokontrolle aus. K2CO3, Cl3CN CH2Cl2, 2h, rt AcO O AcO AcO O OAc AcO AcO AcO NH Cl3C O OH OAc AcO K2CO3, Cl3CN CH2Cl2, 48h, rt AcO AcO O OAc O NH Cl3C 23 Thioglycoside Diese Verbindungen sind aufgrund ihrer hohen Stabilität sowie der Möglichkeit, sie einfach in Chloride oder Bromide zu überführen, interessante Intermediate. Dadurch kann das anomere Zentrum, je nach Syntheseanforderungen, sehr einfach blockiert bzw. aktiviert werden. MeSH, K, MeOH Ac2O, NaOAc O O AcO SMe O AcO AcO OAc Br PhSH O AcO SR Thiozucker müssen vor der Kupplung aktiviert werden. Dies kann z.B. durch Halogenierung bewerkstelligt werden. Eine direkte Aktivierung ist mit Br2/AgOTf und Tereamethylharnstoff oder einer Kombination aus NBS, DMTST (Dimethyl(methylthio)sulfoniumtriflat) möglich. O SR O SR O SR NBS O DMTST O MeOTf O SMe SR ROH O OR Me SR DMTST = Me MeS S Me 24 Beispiele 25 26 27 28 Natürliche Oligo- und Polysaccharide Oligo- und Polysaccharide sind in allen Organismen vorhanden und erfüllen dabei elementare Funktionen. Stärke und Cellulose sind dabei die häufigsten. Stärke ist der Hauptbestandteil von Mehl, Reis, Bohnen, Getreide und Erbsen. Es besteht aus einer Mischung zweier verschiedener Polysaccharide: Amylose (~20%) und Amylopektin (~80%). Amylose ist ein verzweigtes, lineares Polysaccharid, wohingegen Amylopektin alle 25 Einheiten eine 1,6´-Verküpfung aufweist. Bei einem höheren Verzweigungsgrad wird es als Glykogen bezeichnet. Glykogen wird in Tieren als Energiespeicher verwendet und weist zirka alle zehn Einheiten eine Verknüpfung auf. Cellulose wird in höheren Pflanzen als strukturgebendes Element verwendet. Es ist die häufigste organische Verbindung auf der Erde. Die -1,4-´glycosidische Bindung von Cellulose kann nicht so leicht wie die -1,4-´glycosidische Bindung hydrolysiert werden, da der anomere Effekt der -Form die 29 verknüpfende Bindung schwächt. Aus diesem Grund können die meisten Säugetiere (vgl. Wiederkäuer) keine Cellulose verdauen. Chitin ist der Cellulose strukturell sehr ähnlich. OH OH O O OH O OH NH O OH O O NH OH O O NH O Chitin 1,4´-glycosidische Verknüpfung Das N-acetylierte Chitin ist der Hauptbestandteil der Schale von Krustentieren und des Exoskellets von Insekten. Die große Härte von Chitin ist auf Wasserstoffbrücken zwischen den Amidgruppen benachbarter Ketten zurückzuführen. Heparin ist ein Glycosaminoglykan, an das viele Sulfate gebunden sind, und als injizierbarer Gerinnungshemmer weit verbreitet. Es hat von allen bekannten biologischen Molekülen die höchste, negative Ladungsdichte. Dies trägt zu der sehr starken, elektrostatischen Interaktion mit Thrombin bei, weshalb es die Gerinnung von Blut unterdrückt. 30