Im Bann der Finanzkrise Der Fluch der niedrigen Zinsen
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Im Bann der Finanzkrise Der Fluch der niedrigen Zinsen
Jahresschlussausgabe Sonnabend, 29. Dezember 2007 Börsen-Zeitung Nr. 249 25 Im Bann der Finanzkrise Der Fluch der niedrigen Zinsen Von der Gier nach hohen Renditen – Moderne Finanzinstrumente und die Verwässerung des Risikos – Gravierende Verhaltens- und Reaktionsänderungen Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Die globale Schönwetterphase der vergangenen Jahre hatte in der Finanzbranche offenbar den Blick auf den ökonomischen Klimawandel verstellt: Kaum Inflation, niedrige Zinsen und hohes Wachstum stimmten die Marktteilnehmer so optimistisch, dass sie wohl an den ewigen Aufschwung glaubten. Entsprechend zügig wurden denn auch die New-Economy-Krise abgehakt und die Terroranschläge des 11. September 2001 weggesteckt. Goldgeränderte Bilanzen waren an der Tagesordnung, die Boni erreichten immer wieder neue Rekordmarken, die beste aller Welten schien erreicht – bis zum Sommer dieses Jahres, da die Branche jäh aus ihrem Wolkenkuckucksheim heruntergeholt wurde. Wertberichtigungen in Multimilliardenhöhe mussten vorgenommen werden, Banken gerieten in Notlagen, Regierungen schmiedeten Rettungspläne, die Notenbanken griffen in konzertierten Aktionen massiv in den Geldmarkt ein und versorgten die Akteure mit reichlich Liquidität. Von einer tiefen Finanzkrise ist die Rede, von Rezession, Stagflation, drohenden Bankenzusammenbrüchen – und den Vorboten einer Weltwirtschaftskrise. Was war geschehen? Das auslösende Moment scheint leicht gefunden: Die niedrige allgemeine Teuerung und die damit einhergehend ebenfalls niedrigen Marktzinsen haben die Sensibilität für das Risiko genommen. Um trotz der geringen Verzinsung hohe Renditen zu erhalten, drehten manche Teilnehmer – wie sich jetzt zeigt – ein zu großes Rad: Kredite wurden zu leichtfertig vergeben, das damit einhergehende Ausfallrisiko – kleingeredet und kleingerechnet – neu verpackt und in das Meer der Weltfinanzen verklappt. Dessen Aufnahmefähigkeit schien anfangs schier grenzenlos. Doch dann kippte das Gewässer um und wurde zu einer stinkenden Kloake. Was in Anbetracht der niedrigen Zinsen einst als sicheres Investment galt und wegen der Renditen hochgejazzt worden war, fällt nun in sich zusammen. Immobilien und Schuldnerpositionen verlieren dramatisch an Wert und infizieren das ganze Kredit- und Bankenwesen, in dem diese Finanzierungsformen eine Rolle spielen. Sind Notenbanken schuld? Hätte die Krise abgewendet werden können? Jan Hatzius, US-Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs, verteidigt die Reaktion der Notenbanken – vor allem der US Federal Reserve – gegen den Vorwurf, nach der New-EconomyKrise die Zinsen zu weit gesenkt und den Markt mit Liquidität zu stark geflutet zu haben: „Es ist nichts Falsches, wenn Notenbanken in Krisen wieder für ein stabiles makroökonomisches Umfeld sorgen.“ Und in der Tat sind sich die Ökonomen weitgehend einig, dass ohne das beherzte Eingreifen der Notenbanken die Weltwirtschaft wohl abgestürzt wäre. Unterschätzt worden ist allerdings das Ausmaß der Verhaltensänderungen bei Konsumenten, Investoren und der Finanzindustrie. Die in letzter Zeit beobachteten Übertreibungen haben schließlich ein irrationales Ausmaß angenommen, wie es nicht allein durch die makroökonomischen Anreizstrukturen herbeigeführt worden sein kann. Zu den rekordverdächtigen Niedrigzinsen kamen denn auch noch andere eher mikroökonomische Mechanismen hinzu, welche letztlich den Keim für die heutige Krise gelegt haben. Negative Realzinsen Doch der Reihe nach: Tatsache ist, dass der reale Zinssatz für Tagesgelder in den USA von Oktober 2002 bis April 2005 ganze 31 Monate lang sogar negativ gewesen war. Das jüngste andere Beispiel hierfür, betont der US-Ökonom Robert J. Shiller, sei der 37-monatige Zeitraum von September 1974 bis September 1977 gewesen. Diesem folgte allerdings die schlimmste Inflation, die die USA im vergangenen Jahrhundert erlebte. Wiederholt sich die Geschichte? Niedrige Zinsen sind zunächst ein Angebot an Konsumenten und Investoren, sich wieder stärker zu verschulden, weil sie davon ausgehen können, die Zinskosten „am Markt“ schon erwirtschaften zu können. Das billige Geld wirkt also wie ein Schmiermittel für die Wirtschaft. Die Konjunktur fasste Anfang des Jahrtausends auch wieder Tritt, und Ersparnisse wurden zunehmend für den Konsum verwendet. Und auch die von der New-Economy-Krise gebeutelten Anleger reagierten zunächst durchaus logisch, als sie ihr Geld in Immobilien investierten. Denn am Aktienmarkt hatten sie sich ja die Finger verbrannt. Der geballte Drang in „Betongold“ führte allerdings zu starken Immobilienpreissteigerungen, eine neue Vermögensillusion machte sich breit, was schließlich zu weiterem Konsum verführte. Die Finanzbranche witterte das große Geschäft, zumal auch sie unter immensem Renditedruck stand, der sich bei den niedrigen Marktzinsen nicht so einfach erfüllen ließ. 25 % Rendite auf das Eigenkapital strebt erklärtermaßen etwa die Deutsche Bank an. Ein Wert, wie er noch vor einigen Jahren als unvorstellbar galt und in weiten Teilen der Öffentlichkeit auch als „unmoralisch“ bezeichnet wird. Andere Finanzinstitute haben ähnlich hohe Renditeerwartungen. Um die Zielvorgaben zu erfüllen, sind natürlich fantasievolle Gestaltungen gefragt. Subprime-Schuldner geboren Hier helfen die modernen Finanzinstrumente weiter. Mit ihnen lässt sich das Risiko weiterreichen und gleichzeitig eine hohe Gebühr einstreichen: Hypotheken werden tranchiert, umgepackt, neu konfektioniert und als Anleihen (Mortgage Backed Securities) weiterverkauft an Anleger, die Renditen über der üblichen Marktverzinsung verlangen. Dieser Risikotransfer ermöglichte den Hypothekenfinanzierern, noch höhere Risiken einzugehen und auch jene Verbraucher für eine Immobilienfinanzierung zu ködern, die finanziell eher schwach aufgestellt waren. Tilgungsfreie Zeiten fungierten als Leimrute. Der ZweiteKlasse-Schuldner war geboren, die Subprime-Hypothek. Mit der sogenannten Verbriefung diffundierte das Immobilienrisiko aus dem Hypothekenmarkt in andere Bereiche der Finanzwelt. Käufer waren neben Banken und Fonds auch Pensionskassen. Das Problem: Die hinter den Anleihen stehenden Kredite sind langfristiger Natur, die verbrieften Forderungen aber werden in der Regel kurzfristig verkauft. Die Anleger sitzen, so der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Fünf Weise“), damit in einer „Rationalitätenfalle“: Jeder einzelne Marktteilnehmer könne relativ problemlos einen verbrieften Titel veräußern. Sobald das aber alle versuchen, wird deutlich, dass die zugrunde liegenden Forderungen eine sehr lange Restlaufzeit aufweisen und objektiv wenig liquide sind. Größere Spielräume Dabei ist gegen die Verbriefung von Schulden zunächst gar nichts einzuwenden. Sie hat aber dazu geführt, dass das globale Kreditschöpfungspotenzial in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet wurde, nicht zuletzt deshalb, weil keine Begrenzung durch Eigenkapitalvorschriften vorhanden war und die größere Risikodiversifikation die Spielräume für Gläubiger und Schuldner erhöhte. Zusammen mit den niedrigen Zinsen und dem Drang nach hoher Rendite aber wurde daraus eine gefährliche Melange. Denn wo die Risiken aus der überschwänglichen Kreditvergabe schlummerten, wusste letztlich niemand mehr – auch die Notenbanken nicht. Das Rad drehte sich weiter. Eine weitere Zutat kam hinzu: der Leverage-Effekt. Dank niedriger Zinsen war Fremdkapital billig zu haben, um es als Hebel für riskante Geschäfte zu nutzen. Auf diese Weise konnte mit geringem eigenem Kapitaleinsatz ein noch größeres Rad gedreht werden. Das ging gut, solange der Markt nur eine Richtung kannte: nach oben. Und im anderen Fall? Da vertrauten die Investoren, so argwöhnt die Schweizer Privatbank Wegelin & Co., auf eine „implizite Staatsgarantie“. Angesichts der verheerenden Auswirkungen einer Finanzkrise würden die Notenbanken im Notfall schon genügend Liquidität bereitstellen. Eine solche Haltung aber ist fatal. Denn der verhinderte Kollaps eines oder mehrerer Systemteilnehmer setzt das Verursacherprinzip außer Kraft und lädt zum Ausreizen von Spielräumen ein. Die Federn für die große Krise sind also überall im Markt gespannt. Marktbasierte Wirtschaft Die ganze Entwicklung fand statt vor dem Hintergrund eines Wandels von bankbasierten zu marktbasierten Volkswirtschaften: Kapitalmarktbasierte Finanzierungsinstrumente und institutionelle Investoren gewinnen weltweit an Bedeutung. Die verstärkte Präsenz von Hedgefonds und Private-Equity-Unternehmen ist ein Kennzeichen hierfür. In marktbasierten Volkswirtschaften sind die Risiken von Gläubiger-Schuldner-Beziehungen nicht mehr im Bankensystem konzentriert, sondern werden breit über die Märkte gestreut. Die Verluste in einer Krise fallen deshalb eher über eine Marktkorrektur an und werden von einer Vielzahl von Gläubigern getragen. „Unter dem zentralen Aspekt der Systemstabilität“, so die Wirtschaftsweisen etwas ratlos, „wäre eigentlich zu erwarten, dass das marktbasierte System überlegen ist, da es ihm an der Konzentration von Risiken auf die Institution Bank fehlt, die früher in der Regel für das Auftreten von Finanzkrisen verantwortlich war.“ Es wäre deshalb nicht zu erwarten gewesen, dass die in den letzten Jahren zu beobachtenden Entwicklungprozesse eine besonders große systemische Instabilität herbeiführten, wie jetzt beobachtet. Ratlosigkeit also auch hier. Das extreme Verhalten der Finanzmarktakteure in einem langan- haltenden Niedrigstzinsumfeld hatte alle überrascht. Was aber hat eigentlich bewirkt, dass Zinsen und Teuerung sich auf dermaßen niedrige Niveaus eingependelt haben, wodurch solch gravierende Verhaltens- und Reaktionsveränderungen erst in Gang gesetzt werden konnten? Zwar hatten die Notenbanken mit ihren niedrigen Zinsen zunächst eine wohl überreichliche Geldversorgung herbeigeführt, dass die Konsumentenpreise aber dann auch in der Folgezeit so stabil blieben, dafür war eine andere Kraft zuständig: die Globalisierung. Die vernetzte Welt, der immer stärkere globale Wettbewerb und die liberale Handelsgesetzgebung haben der Güterwirtschaft die Macht genommen, höhere Preise durchzusetzen. Zum einen hat das die Konsumentenpreise niedrig gehalten. Zum anderen aber waren in der verarbeitenden Industrie keine hohen Renditen mehr zu verdienen, weshalb die nach der New-Economy-Krise zur Verfügung gestellte Liquidität geballt in lukrativere Anlagen wie Immobilien und Finanzinstrumente geflossen ist. Wegen der dann in Gang gesetzten Übertreibungen, gedeckt durch moderne Finanzinstrumente und befördert durch den Wandel hin zu marktbasierten Volkswirtschaften, nahm die Krise ihren Lauf. 26 Börsen-Zeitung Nr. 249 Jahresschlussausgabe Köpfe des Jahres Trendbrecher ständigkeit geteilt. Damit wurde zum Teil sichergestellt, dass kein starker Mann sich neben dem Präsidenten profilieren kann. Undisziplinierte Direktoriumsmitglieder hat er öffentlich zurechtgestutzt, den Zinserhöhungszyklus im November 2005 auf einem Bankenkongress eigenmächtig angekündigt. Auch in den wiederkehrenden Aus- Foto: EZB Martin Joppen js – Der Trend in der Geldpolitik geht ganz klar in eine Richtung: Immer mehr Zentralbanken besetzen ihre Führungspositionen mit Topökonomen aus der Wissenschaft. Ben Bernanke, der Vorsitzende des geldpolitischen Rats, war in der akademischen Welt einer der renommiertesten Experten, bevor er sich vollends der Praxis verschrieb. Lars Svensson, Ökonomie-Professor an der Princeton-Universität, stieß 2007 zur Führungsmannschaft der schwedischen Riksbank; und Athanasios Orphanides, ebenfalls ein hoch angesehener Wissenschaftler in monetären Fragen, übernahm die Führung der Zentralbank Zyperns. Der Sachverstand von Akademikern ist offensichtlich begehrt in Notenbankkreisen. Dass es auch anders geht, zeigt die Erfolgsgeschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Führung ihres zweiten Präsidenten Jean-Claude Trichet. Denn Trichet hat sich speziell im alten Jahr als exzellenter Krisenmanager bewährt – ohne hochdekorierter Ökonom zu sein. Während der Geldmarktverspannungen, die im Sommer durch das US-amerikanische Subprime-Debakel ausgelöst wurden, hat die Führung der EZB aus heutiger Sicht die beste Figur abgegeben. Sie hat konsequent die Trennung zwischen Funktionssicherung des Interbankenmarktes und der geldpolitischen Linie aufrechterhalten. Trichet hat im Verlauf seiner Präsidentschaft die EZB immer mehr auf die eigene Person zugeschnitten. Nach dem Ausscheiden des geachteten Chefvolkswirts Otmar Issing im Mai 2006 wurde dessen Zu- Jean-Claude Trichet einandersetzungen mit Luxemburgs Premier, Jean-Claude Juncker, sowie später mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy stellte Trichet unmissverständlich klar, wer die europäische Geldpolitik lenkt. Sein Machtinstinkt und seine Durchsetzungskraft haben der Institution bislang nicht geschadet. Im Gegenteil: Gegen den Trend der zunehmenden Akademisierung der angewandten Geldpolitik hat Trichet der Notenbank der Gemeinschaftswährung erhebliche internationale Anerkennung beschert. (Börsen-Zeitung, 29.12.2007) Sonnabend, 29. Dezember 2007 Der Doomsday muss warten Notenbanken können spekulative Übertreibungen nicht verhindern – Hohe Erfolgsaussichten im Krisenfall Von Jürgen Schaaf, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Mit jeder neuen Finanzkrise wird die Kritik an den Notenbanken bekräftigt, diese blähten mit ihrer Politik des billigen Geldes eine Spekulationsblase nach der anderen auf, und wenn diese dann platzten, reagierten sie mit noch mehr Liquidität. Der Konnex zwischen laxer Geldpolitik und Finanzkrisen wird vor allem dem früheren Chef der Federal Reserve (Fed), Alan Greenspan, zugeschrieben. Kritiker prangerten ihn daher als „Serial Bubble Blower“ an. Dass die Weltwirtschaft bislang trotz einer ganzen Reihe von Spekulationsblasen noch nicht zusammengebrochen sei, sage dabei nicht viel aus. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Spannungen sich mit jeder weiteren Krise, auf die mit Zinssenkungen reagiert werde, langfristig noch verstärkten, so dass der finale Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems noch dramatischer ausfallen werde. Ponzi-Spieler am Werk Auch die Analyse der Krise am Markt für zweitklassige Hypothekenkredite in den USA kommt nicht umhin, sich mit den Zentralbanken zu befassen. Im Kern reduziert sich die Frage der Verantwortung der Notenbanken für die Subprime-Krise auf zwei Punkte: Hätten die Zentralbanken das Debakel verhindern können? Sollten sie auf die realwirtschaftlichen Bedrohungen mit Zinssenkungen reagieren? Zur Beantwortung der ersten Frage hilft das Nachschlagen in der ökonomischen Literatur. Der USÖkonom Hyman Philip Minsky (1919 – 1996) entwickelte eine Theorie der Finanzkrise, die vereinfacht besagt, dass in länger andauernden Aufschwungphasen Anleger immer risikofreudiger werden. Um höhere Renditen zu erzielen, werden sie wagemutiger, ohne sich ausreichend abzusichern. Der Erfolg zieht zudem Schuldner mit zunehmend schlechter Bonität an, die im schlimmsten Fall auf die Wertsteigerungen ihrer Investitionen angewiesen sind, um ihren Schuldendienst leisten zu können (sogenannte Ponzi-Spieler). Daraus entsteht eine spekulative Blase. Diese platzt, wenn die Wertsteigerungen der spekulativen Anlage nicht mehr ausreichen, um auch nur die Zinsen der Kredite der Ponzi-Spieler zu begleichen. Je nach Zahl der Ponzi-Spieler und dem Ausmaß ihrer Verschuldung bei den Banken kann dieser „Minsky-Meltdown“ dann eine Finanzkrise auslösen. Dass Minskys Theorie im Sommer 2007 ein Comeback erlebt hat, überrascht wenig, denn selbst mit wenig Fantasie lässt sich der amerikanische Arbeitslose ohne Vermögen, der sich während des Immobilienbooms eine Niedrigzinshypothek zum Hauskauf andrehen lässt, in die Kategorie des Ponzi-Spielers pressen. Minskys Botschaft ist dabei nicht nur, dass Finanzkrisen dieser Art zwangsläufig auftreten, sondern sogar notwendig sind, um Finanzinnovationen – wie Verbriefungen von Krediten – durchzusetzen. Es besteht heute kaum ein Zweifel daran, dass die Verbriefung von Krediten die Stabilität des Finanzsystems prinzipiell stärkt. Trotz New Economy Bubble wird niemand ernsthaft den Fortschritt bestreiten, der auf der zunehmenden Verbreitung von vernetzten Computern basiert. Die Zentralbanken können gegen die Verwerfungen wenig tun. Die Diagnose von Spekulationsblasen ist schon schwierig genug, ihr Anstechen angesichts der Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik weder ratsam noch aussichtsreich. So haben die Notenbanken zwar dezidiert auf die fehlgeleitete Risikobewertung von Risiken in bestimmten Segmenten und Regionen hingewiesen. Höhere Kurzfristzinsen – die einzige Waffe, die den Notenbanken zur Verfügung steht – hätten am Immobilienmarkt aber die Ponzi-Spieler genauso wenig beeindruckt wie seinerzeit die an der Nasdaq. Wenn die Krise dann eintritt, können die Währungshüter dagegen sehr wohl erfolgreich einschreiten. Um der Gefahr einer Krise der Gesamtwirtschaft entgegenzutreten, sind Zinssenkungen das probate Mittel. Nach einer Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF) konnten realwirtschaftliche Konsequenzen von Finanzmarktkrisen in drei von vier Fällen durch das beherzte Eingreifen der Notenbanken vermieden werden. Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beschleunigte sich sogar oft danach. Die Zentralbanken sollten weiter nur im Krisenfall helfen und sich ansonsten der Inflationsbekämpfung widmen. Dann finden die Korrekturen von Übertreibungen dort statt, wo sie hingehören: am Finanzmarkt. Die Gesamtwirtschaft dagegen kann wachsen, und der jüngste Tag, der „Doomsday“, muss warten. Liquidität: Von der Schwemme zur Klemme Unterschiedliche Konzepte stiften Verwirrung Von Jürgen Schaaf, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 So schnell kann’s gehen. Noch im Frühjahr wurde in akademischen Zirkeln aufs Heftigste die Liquiditätsschwemme diskutiert. Das anhaltend hohe Geldmengenwachstum weltweit bereitete gleichermaßen Kopfzerbrechen wie Sorgen, dass die Zentralbanken, die die Wirtschaft anscheinend mit Liquidität überschwemmten, irgendwann eine Welle steigender Inflationsraten auslösen würden. Dann aber kam im Sommer die US-Subprime-Krise auf. Im Nachgang zu den Überinvestitionen in verbriefte strukturierte Produkte am amerikanischen Markt für Hypothekenkredite zweitklassiger Bonität wurde die fehlende Liquidität der Banken das alles dominierende Thema. Gestern Liquiditätsschwemme, heute Liquiditätsklemme. Wie passt das zusammen? Dem Ganzen liegen unterschiedliche Konzepte der Liquidität zugrunde. Im Wesentlichen muss unterschieden werden zwischen der monetären Liquidität und der Marktliquidität. Die monetäre Liquidität umfasst im Kern die Geldmenge eines Währungsraums. Darunter fallen das Zentralbankgeld, sogenanntes High Powered Money, und die weiteren Geldmengenaggregate, die durch die Kreditvergabe der Banken entstehen. Das für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wichtige breite Geldmengenaggregat M 3 umfasst etwa Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuld- verschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren. Recht grob umfasst die monetäre Liquidität das Geld in einer Volkswirtschaft, das für Konsumzwecke bereitsteht. Nach Berechnungen der HypoVereinsbank lag die Expansionsrate der weltweiten Geldmenge in den vergangenen zehn Jahren um 30 % über dem Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Warum die Verbraucherpreise trotzdem weitgehend stabil blieben, ist eines der großen Rätsel, die Ökonomen zuletzt beschäftigt haben. Davon zu trennen ist die Marktliquidität. Sie umschreibt, wie problemlos ein Anlageprodukt an den Finanzmärkten gehandelt werden kann. Auch die Marktliquidität ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, weil über den verstärkten Einsatz von Kredithebeln die Volumina von Verbriefungen und Finanzderivaten deutlich zugenommen haben. Während Zentralbankgeld aber nur etwa 10 % des globalen BIP ausmacht, liegt das Volumen der Finanzderivate bei fast 1 000 %! Zwar haben die niedrigen Zinsen der vergangenen Dekade den Einsatz von Kredithebeln stimuliert. Es kann aber dennoch zu einem Austrocknen der Marktliquidität kommen, wenn sich Anleger mit Blick auf bestimmte Produkte nicht über den Weg trauen. Genau das passiert seit diesem Sommer. Die immer noch anhaltende Liquiditätsklemme am den Finanzmärkten ist daher zum Teil sogar Resultat der vorausgegangenen Liquiditätsschwemme. Jahresschlussausgabe Sonnabend, 29. Dezember 2007 Börsen-Zeitung Nr. 249 27 Brüssel stellt Ratingagenturen auf den Prüfstand Intensive Durchleuchtung der Bonitätsprüfer – Aber kein Aktionismus – Auch Finanzmarktaufsicht im Blick – Engere Abstimmung soll Kontrollkonvergenz stärken Von Christof Roche, Brüssel Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Die über zweitklassige Immobilienkredite in den USA ausgelöste Finanzkrise ist längst nicht ausgestanden. Nach wie vor besteht die Gefahr, dass Banken und Fonds in größerem Umfang Notverkäufe von Wertpapieren vornehmen müssen, um ihre Refinanzierung zu sichern. Die Tragweite haben zuletzt die großen Notenbanken der Welt, darunter die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank (EZB), unterstrichen. In einer konzertierten Aktion – die größte seit dem 11. September 2001 – pumpten sie vor wenigen Wochen zusätzliche Milliarden in den Geldmarkt, um die Liquidität über den Jahresultimo zu sichern. Zu groß ist die Sorge der Geldpolitiker, dass die Finanzkrise nachhaltig auf die Realwirtschaft überspringt. Angesichts der Krise hält sich die Politik aber überraschend zurück. Die Haltung, bei den drei in Schieflage geratenen Banken – in Deutschland die IKB und die Sachsen LB und in Großbritannien Northern Rock – handele es sich um isolierte Einzelfälle, schützt bislang vor blindem Aktionismus. Zu spät „on watch“ gesetzt? Das heißt aber nicht Untätigkeit. Die EU sieht sich vor allem Ratingagenturen und die Finanzaufsicht näher an. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat begonnen, die Bonitätsprüfer mit Hilfe der nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden intensiv zu durchleuchten. Die Agenturen – der Markt wird dominiert von US-amerikanischen Agenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch – stehen in der Kritik, zu spät auf die Probleme im US-Hypothekenmarkt hingewiesen zu haben. Zudem wirft der Ire den Agenturen einen Interessenskonflikt zwischen Beratung und Bewertung hochkomplexer Verbriefungsprodukte vor. Der Konflikt sei, so ein Schreiben McCreevys an die nationalen Aufseher, wegen des längst nicht ausgeschöpften Potenzials strukturierter Produkte und deren Bedeutung für künftige Einnahmen der Bonitätsprüfer deutlich stärker bei den strukturierten Finanzierungen als beim klassischen Firmenrating ausgeprägt. McCreevy legt in der Untersuchung daher besonderen Wert auf Einnahmenstrukturen und Vergütung der Mitarbeiter. Im Einklang mit SEC Ebenso im Visier: Die personelle Ausstattung der Agenturen. Zuletzt war Kritik aufgekommen, Mitarbeiter in den Häusern verfügten nicht über das nötige technische Knowhow, um mit den raschen Veränderungen der hochkomplexen Finanzinstrumente Schritt zu halten. Zudem vermutet die Kommission vergleichsweise hohe Wechselraten der Ratingexperten – mit negativen Auswirkungen auf die Prüfungen. McCreevy will daher wissen, mit welchem Personalaufwand und welcher Qualifikation die steigende Zahl der Verbriefungen bearbeitet wurden. Außerdem fragt McCreevy mit Blick auf die Methodik der Agenturen nach, ob die Prüfer Kunden auf mögliche Unzulänglichkeiten ihrer Bewertungsansätze für die hochkomplexen Finanzinstrumente hingewiesen haben. Im Visier hat der Ire zum Beispiel fehlende historische Datensätze und Erfahrungen über strukturierte Finanzierungen. Darüber hinaus untersucht die Kommission, wann die Prüfer Verbriefungsprodukte zum ersten Mal „on watch“ gesetzt haben, nachdem Verwerfungen auf dem US-Markt zweitklassiger Hypothekendarlehen bereits im zweiten Halbjahr 2006 zu Tage traten. Der Bericht der Kommission, der im Übrigen in enger Zusammenarbeit mit der US-Börsenaufsicht SEC erstellt wird, soll in wenigen Monaten vorliegen. Governance verbessern Doch die EU-Behörde belässt es nicht bei der Ursachenforschung. McCreevy fordert die Ratingagenturen auf, verlorenes Vertrauen über die Stärkung der eigenen Governance-Strukturen zurückzugewinnen. Nach seiner Auffassung sollten sie Beratung und Bewertung intern strikt abgrenzen und die Beurteilung der strukturierten Produkte einer hauseigenen zusätzlichen Aufsicht unterstellen, die direkt beim Vorstand angesiedelt wird. Einen anderen Weg schlägt Finanzminister Peer Steinbrück ein. Um den Wettbewerb im RatingOligopol der drei großen US-Agenturen zu stärken, macht sich der SPDPolitiker für die Schaffung einer europäischen Ratingagentur stark (vgl. BZ vom 8. Dezember). Fahrplan für Aufsicht steht Mit der Krise ist auch die Aufsicht stärker in den EU-Fokus gerückt. Die Finanzminister verständigten sich vor Jahresschluss auf einen Fahrplan, um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch der nationalen Aufsichtsbehörden in den EU-Ausschüssen für Banken (CEBS), für Versicherungen (CEIOPS) und für Wertpapiermärkte (CESR) zu vertiefen. Bis Mitte nächsten Jahres sollen die Ausschüsse die Konvergenz der Überwachung erhöhen, ohne aber die Unverbindlichkeit nationaler Standards und Leitlinien anzutasten. Außerdem wollen die Minister ihre Aufseher mit einem EuropaMandat ausstatten. In Deutschland sollen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank verpflichtet werden, innerhalb der EU zu kooperieren und beim Krisenmanagement die Finanzstabilität aller Mitgliedsstaaten im Auge zu behalten. Das Vorgehen soll im April 2008 konkretisiert werden. Die Verzahnung ist Teil einer Aufsichtskonsolidierung, um die zunehmende – und politisch gewollte – Integration des Finanzbinnenmarktes meistern zu können. In der vergangenen Dekade hat Europa mehr als 40 Richtlinien und Verordnungen auf den Weg gebracht, um den Finanzinstituten zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit das Geschäft über die Grenzen hinweg zu erleichtern. Die Folge: Immer mehr Banken orientieren sich in Richtung Gemeinschaftsmarkt, um die Konsolidierung zu beschleunigen und Synergien zu heben. Schon heute verwalten knapp 50 Großinstitute mehr als die Hälfte aller BankAssets in Europa. Angesichts des Trends zu größeren Bankeneinheiten überrascht es nicht – und schon gar vor nicht dem Hintergrund der Krisen –, dass mancher Regierung die Aufsichtsverzahnung zu langsam verläuft. Italiens Finanzminister Tommaso PadoaSchioppa preschte mit der Forderung vor, Europas Großbanken einheitliche Berichtspflichten aufzuerlegen und die Überwachung über den europäischen Bankenausschuss CESB verbindlicher zu gestalten. Der Vorschlag des früheren EZB-Ratsmitglieds: Die nationalen Aufseher sollen Entscheidungen von CEBS ohne Abstriche Folge leisten, um ein Level Playing Field zu schaffen. Und die Aufseher sollen Mehrheitsentscheidungen treffen, um die Aufsichtskonvergenz zu beschleunigen. Widerstand programmiert Damit war Widerstand programmiert. Vor allem London will die Autorität der FSA und den Alleinanspruch der Aufsicht für die City nicht gefährden. Bislang gilt im CEBS das Konsensprinzip, womit die FSA über ein Vetorecht verfügt. Padoa-Schiop- pas Vorschlag ist allerdings nicht vom Tisch, sondern bleibt auf Wiedervorlage für Beratungen im April. Noch einen Schritt weiter wollen die Geschäftsbanken in Europa gehen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann forderte zuletzt, für jede europäische Großbank einen Lead Supervisor einzusetzen. Damit bliebe die Bankenaufsicht in der Struktur der Zusammenarbeit nationaler Kontrolleure verankert. Im Vergleich zu heute hätte der Lead Supervisor aber als Heimataufsicht auch weitgehende Kontrollrechte über die EU-Töchter einer Großbank. Für die Banken würde dies erhebliche Effizienzen mit Streichung der Doppelbelastung aus Gruppen- und Soloaufsicht nach sich ziehen. Das aber ist Zukunftsmusik. Im Moment dreht sich alles um den Status quo. Und wenn es in Europa nicht bei den bekannten Schieflagen bleibt? Was, wenn eine Großbank, die in zahlreichen EU-Staaten operativ ist, in Schwierigkeiten gerät? Das Problem der aktuellen Krisenbewältigung ist die fehlende Verbindlich- keit. Es gibt in Europa kein einheitliches Vorgehen in der Einlagensicherung, es fehlt an harmonisierten Vorschriften zu Insolvenzen und grenzüberschreitendem Asset-Transfer, um im Notfall innerhalb einer Bankengruppe Liquidität mobilisieren zu können. Zu zaghaftes Vorgehen Die Krise ist im Moment überschaubar, doch wie schnell sie im globalen Finanzgeschäft überschwappen und ganze Märkte austrocknen kann, beweisen Subprime und die Folgen an den Geldmärkten. Europa hat sich den Finanzbinnenmarkt mit 500 Millionen Kunden auf die Fahne geschrieben, und das ist richtig so. Das aber muss mit effizienter Aufsicht, einem verbindlichen Sicherheitsnetz und funktionierenden Ratingagenturen geschehen. In die Diskussion in Europa ist jetzt Bewegung gekommen. Die Gefahr ist, dass die EU zu zaghaft vorgeht – und das ist fahrlässig. Was fehlt, ist ein Gleichlauf von Markt, Aufsicht und Rating. 28 Börsen-Zeitung Nr. 249 Jahresschlussausgabe Köpfe des Jahres Prinzipienreiter nh – „Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.“ Mervyn King wird diese Weisheit öfters durch den Kopf gegangen sein. Im September erlebte der Gouverneur der Bank of England die wohl dunkelsten Stunden seiner Laufbahn. Unmittelbar vor dem Run auf die Hypothekenbank Northern Rock hatte er noch einmal sein Nein bekräftigt: das Nein zur Bereitschaft, Banken in der Kreditmarktkrise mit billiger Liquidität auf die Sprünge zu helfen. Um sie zu risikogerechtem Verhalten zu erziehen, statt Fehler zu belohnen, kämen entlastende Geldmarktinterventionen nicht in Frage. Kings Argumente mögen einwandfrei gewesen sein, das Timing war es nicht. Prompt brachte Northern Rock andere britische Banken ins Zielfernrohr der Märkte. Und King war genötigt, die hehren Prinzipien über Bord zu werfen. Danach hagelte es Kritik aus allen Ecken. Einige schimpften ihn einen Wendehals, der sich politischem Druck beugt, andere einen Prinzipienreiter, der das Debakel mit einer konzilianteren Haltung im Vorfeld hätte entschärfen können. Kings Ruf als brillanter Geldtheoretiker, der seine Modelle erfolgreich in die geldpolitische Praxis umzusetzen wusste, ist nicht so leicht anzukratzen. Allerdings wird ein Zentralbanker nicht allein an zinspolitischen Steuerungskünsten gemessen, sondern auch am Umgang mit Krisensituationen – wenn sie sich denn präsentieren. Die Pflicht, nämlich den erst seit 1997 unabhängigen Geldhüter zum Garanten stabiler monetärer Bedingungen auf der Insel zu ma- chen, wurde glänzend absolviert, bei der Kür aber wurde gepatzt. Was bedeutet dies für die Zukunft? Kings erste fünfjährige Amtszeit als Gouverneur (zuvor war er Chefökonom und stellvertretender Gouverneur) läuft im Sommer aus. Über eine Verlängerung bestimmt der Schatzkanzler. Zurzeit ist das mit Alistair Darling ein ebenfalls Mervyn King von den Vorgängen bei Northern Rock Gezeichneter. Ohne Kreditmarktkrise wäre die Mandatserneuerung selbstverständlich, jetzt ist sie nur sehr wahrscheinlich. In der gegenwärtigen Besetzung des Monetary Policy Committee ist kein würdiger Nachfolger zu erkennen, doch schreit der Fall Northern Rock nach Sündenböcken. Zur Jahreswende 2009 wird man an den Schalthebeln der fiskalischen und monetären Macht kaum mehr das Gespann Darling/King finden. Einen dürfte es erwischen. Hoffentlich ist es nicht King. (Börsen-Zeitung, 29.12.2007) Sonnabend, 29. Dezember 2007 Katalysatoren der Immobilienkrise US-Verbraucher finanzierten ihren Konsumrausch auf Pump – Jetzt wird die Rechnung präsentiert Von Peter de Thier, Washington Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Seit Jahren führen Ökonomen hitzige Debatten über die Ursachen der Preisblase und der daraus resultierenden Krise am US-Häusermarkt. Ein Faktor wird in der öffentlichen Diskussion häufig nur beiläufig erwähnt: das spezifische Konsumverhalten des amerikanischen Verbrauchers. Seine Privatausgaben machen immerhin zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, ein deutlich größerer Anteil an der Wirtschaftsleistung als in jeder anderen Industrienation. Die unermüdliche Suche nach neuen Quellen zur Finanzierung des Konsums leistete denn auch einen maßgeblichen Beitrag zur Immobilienkrise – und könnte nun dazu führen, dass für die USKonjunktur die Landung umso härter ausfällt. Nach Angaben des Bureau of Labor Statistics (BLS) stiegen die Verbraucherausgaben in den USA 2006 um 4,3 % und liegen damit weit über der Preissteigerungsrate. Auch 2007 dürfte sich der Trend fortgesetzt haben, wegen wachsender Sorgen um einen Konjunktureinbruch allerdings mit deutlich vermindertem Tempo. Wie aus der jüngsten Statistik des Conference Board hervorgeht, purzelte der Index der Verbrauchererwartungen im November diesen Jahres gegenüber dem Vormonat um 8,7 % und im Verhältnis zum Vergleichsmonat im Jahr davor sogar um 17,1 %. Als Hauptgründe für den Einbruch werden die hohen Ölpreise sowie die Immobilienkrise angeführt, die Konsumenten davon abhalten, in demselben Maße wie in den vergangenen Jahren sich die Taschen zu füllen. Auch wenn der Konsumrausch angesichts des wachsenden Konjunkturpessimismus zumindest kurzfristig der nüchternen ökonomischen Realität weicht, stellt sich dennoch die Frage, wie die Verbraucherausgaben bei stagnierenden Realeinkommen und einer negativen Sparquote überhaupt finanziert werden konnten. Eine Erklärung führt den Hang der Amerikaner zum Plastikgeld an. Von den 174 Millionen US-Bürgern besitzt durchschnittlich jeder neun Kreditkarten. Nach Statistiken der US-Notenbank ist das Volumen der privaten Verbraucherschulden 2007 auf 2,5 Bill. Dollar angeschwollen, von denen 37 % auf Kontokorrentkredite entfallen, überwiegend Produkte aus dem Hause Visa, Mastercard, American Express oder anderer Kreditkartenemittenten. Doch wenn das Plastik fast bis ans Limit belastet ist, wie dies bei einer Mehrheit der US-Verbraucher der Fall ist, stellt sich die Frage: Wie wird der fortgesetzte Konsum finanziert? Zweit- und Dritthypotheken Als bevorzugte Geldquelle wurde bisher die eigene Immobilie angezapft. Zeitgleich mit dem Anstieg der Häuserpreise und dem daraus resultierenden Vermögenseffekt boomte folglich neben dem Markt für Subprime-Kredite, der gleichzeitig als Finanzierungsvehikel für konsumgierige Hauseigentümer dient, die Home-Equity-Branche. Bei Subprime-Darlehen, bei denen die Kreditsumme bis zu 120 % des Preises der Immobilie betragen kann, genießt der Kunde nach Vertragsunterzeichnung plötzlich einen verführerischen Geldsegen. Er hatte 20 % des Hauspreises als Bares auf dem Konto, das überwiegend in den Konsum floss. Auf demselben Prinzip beruhen die populären Home Equity Lines of Credit (HELOCs), oft einfach „second mortgages“ genannt, also Zweithypotheken. Bei den Zweit- und in vielen Fällen auch Drittkrediten werden zusätzlich zur ursprünglichen Hypothek, über die der Hauskauf finanziert wurde, bis zu 80 % jenes Eigenkapitals an der Immobilie beliehen, das entweder durch bereits geleistete Tilgungszahlungen oder aber, wie im Zuge der seinerzeitigen Preissteigerungen am Häusermarkt, durch die entsprechenden Wertzuwächse frei wird. Bei den Banken waren die HELOCs traditionell beliebt, weil die Zahl der Forderungsausfälle im Vergleich zu anderen Krediten außerordentlich niedrig gewesen waren. Und Verbraucher freuten sich über die Möglichkeit, an billiges Geld zu kommen, da der Zinssatz meist nur knapp über der Prime Rate für bevorzugte Kunden lag. Wie aus dem Häuserbericht des US Census Bureau, des statistischen Bundesamts, hervorgeht, sind die populären Zweithypotheken untrennbar mit dem Konsumverhalten der Privathaushalte verbunden. Demnach ist der bevorzugte Verwendungszweck für das freiwerdende Geld die Schuldenkonsolidierung, konkret: die Abzahlung von Kreditkartenschulden. Damit schließt sich der Teufelskreis: Mit billigen Krediten zahlen US-Verbraucher ihre teuren Visaund Mastercard-Schulden ab. Doch zeitgleich werden auf dem Plastikgeld wieder Kreditsummen frei, die in der Regel zu neuem Konsumrausch verlocken. Denn obwohl die Notenbank und unabhängige Verbraucherorganisationen nach der Begleichung von Kreditkartenschulden eindringlich dazu raten, das Plastikgeld buchstäblich zu zerschneiden und die Konten zu schließen, folgt nur jeder achte Amerikaner dieser Empfehlung. Sie stürzen erneut in die Schuldenfalle und verfallen wie gehabt dem Konsumrausch. Innerhalb von weniger als einem Jahr waren bei mehr als der Hälfte der Kreditkartenbesitzer zwischen 80 und 90 % des verfügbaren Rahmens wieder aufgebraucht. Hauseigentümer haben also einen oft erheblichen Teil ihres Eigenkapitals in der Immobilie effektiv vernichtet, gleichzeitig steckten sie wieder bis zum Hals in Schulden. Privatverbrauch sackt durch Verschärft hat sich die Lage während der vergangenen eineinhalb Jahre, als die Stabilität des HELOCMarktes, wo Banken glaubten, einige ihrer sichersten Investitionen zu tätigen, nun der Vergangenheit angehört. So stellt das auf den Immobilienmarkt spezialisierte Wirtschaftsforschungsinstitut SMR Research fest, dass bereits im Juni 2006 mehr als 10 % aller Zweithypotheken „Kopf standen“. Im Branchenjargon bedeutet das nichts anderes, als dass die Hauseigentümer bereits mehr Geld schuldeten, als ihre Immobilien noch wert waren. Die neueste Statistik wird erst Anfang 2008 vorliegen. Angesichts des fortgesetzten Preisverfalls gilt aber als sicher, dass die Zahl weiter steigen wird. Kein gutes Omen für die privaten Konsumausgaben in der amerikanischen Volkswirtschaft. Künftig wird man sich diesbezüglich wohl einschränken müssen. Ungemütliche Zeiten für die Bank von England Umgang mit Preisblasen beginnt sich zu rächen Von Norbert Hellmann, London Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Die Kreditmarktkrise stellt praktisch für alle wichtigen Zentralbanken eine große Belastungsprobe dar. Die Bank von England scheint sich allerdings in einer besonders ungemütlichen Situation zu befinden. Anzeichen einer Stagflation, also nachlassendes Wachstum bei gleichzeitig steigendem Preisdruck, bereiten geldpolitisches Kopfzerbrechen. Und am Häusermarkt zeichnet sich eine scharfe Korrektur ab. Es wird schwierig, die reine Lehre des von der Bank von England verwendeten „inflation targeting“, also der geldpolitischen Steuerung anhand von rigiden Inflationspunktzielen, durchzuhalten. Letztere ist nämlich an Konsumpreisindizes aufgehängt, so dass auf Vermögenspreise nur dann reagiert werden „darf“, wenn diese auch entsprechend auf den anvisierten Index durchschlagen. Mit fallenden Häuserpreisen baut sich massiver Druck auf, die Zinsen zu senken, selbst wenn die Inflationsraten über der Zielmarke liegen. Während die Kollegen bei der Federal Reserve explizit dazu angehalten sind, die Wirtschaft zu unterstützen, und damit auch radikale Zinsschritte rechtfertigen können, schielt die Europäische Zentralbank auch auf die Geldmenge und kann deren Ausufern zum Anlass nehmen, einen restriktiveren Kurs zu begründen. Zwar beobachtet auch die Bank von England Geldmengenindikatoren, doch scheint sie von einem langen zweistelligen Anstieg solcher Aggregate nicht über Gebühr beunruhigt gewesen zu sein. Die Rechnung wird nun allerdings präsentiert. Konsumrausch allerorten Sicher wies die britische Volkswirtschaft während des jüngsten Zinszyklus ein dynamisches Wachstum bei relativ moderaten Inflationsraten auf. Doch es war ein eher ungleichgewichtiges Wachstum, das bei Vernachlässigung der Sparrate von den kreditseitig angeheizten Konsumausgaben auf Touren gehalten wird. Dies fand seine Entsprechung in einer flauen Industriekonjunktur und einem boomenden Dienstleistungssektor – vor allem bei den Finanzdienstleistungen. Zwei charakteristische Begleiterscheinungen der vermeintlich golde- nen Jahre sind eine noch nie dagewesene Verschuldung der Privathaushalte und eine in dieser Form ebenfalls einzigartige lang anhaltende Immobilienhausse. Dabei haben sich die scheinbar unaufhaltsam steigenden Häuserpreise als Basis erwiesen, auf der die Banken nicht nur immer neue Hypothekenkredite zu laxeren Konditionen zu vergeben bereit waren. Mit der Rückendeckung sowieso steigender Vermögenspreise wurden die Privaten regelrecht dazu animiert, auch ihren Konsum weitgehend auf Kreditbasis abzuwickeln. Bedenkt man, dass es genau diese Faktoren waren, die die amerikanischen Hausbesitzer und mit ihnen die Banken in die Krise trieben, ist es nicht verwunderlich, dass nun die Alarmglocken läuten. Wo soll man die Schuldigen suchen? Die Bank von England hat selber oft genug auf die Gefahren britischer Ungleichgewichte hingewiesen. In Greenspans Fahrwasser Dennoch stellt sich die Frage, ob die Zentralbank mit einer stärker antizyklischen Politik dem Aufbau der Preisblasen hätte entgegenwirken können. Dies läuft implizit auf die Kritik hinaus, dass sich auch die Bank von England zu sehr dem von der Federal Reserve unter Alan Greenspan vorgegebenen Rhythmus ausladender Zinszyklen angepasst hat. Akzeptiert man diese Kritik, stellt sich nun erst recht die Frage, ob der im Dezember neu eingeschlagene Kurs, die Zinsen wieder zurückzunehmen, der richtige ist. Kreditmarktkrise und Häuserpreiskorrektur sind eine Hinterlassenschaft von Exzessen der Vergangenheit. Irgendwann wird die Rechnung für den Verschuldungswahn präsentiert. Rasche Zinssenkungen, wie sie nun verordnet werden, mögen die Anpassungsschmerzen lindern, schaffen das eigentliche Übel jedoch nicht ab. Im Prinzip wird nur der Boden für die Krisen von morgen bereitet. Bei der Bank von England scheint man zu bangen, dass Inflationsausreißer ihre von der Fed vorexerzierte akkommodierende Haltung konterkarieren. Vielleicht wäre solch ein Zwiespalt aber heilsam. Die Kreditmarktkrise erfordert neues Nachdenken über die Wirksamkeit des geldpolitischen Instrumentariums gegenüber gefährlichen Vermögenspreisschwankungen. Jahresschlussausgabe Börsen-Zeitung Nr. 249 Euro-Immobilienmärkte bleiben attraktiv Liquidität fließt nach wie vor in Wohnungen und gewerbliche Objekte – Große Portfoliotransaktionen gibt es kaum noch Von Thomas List, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Das Wohnen in den eigenen vier Wänden steht bei den Lebenszielen der Menschen ganz oben. Dies gilt auch für Deutschland. Trotzdem ging hierzulande in den ersten neun Monaten 2007 die Zahl der erteilten Baugenehmigungen für Ein- und Mehrfamilienhäuser nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um ein knappes Drittel auf 136 000 Wohnungen zurück. Auch wenn dieses Minus durch das Auslaufen der Eigenheimzulage und die Erhöhung der Mehrwertsteuer besonders kräftig ausfällt – der rückläufige Trend hält seit Jahren an. Die Preise für Wohnimmobilien dürften aufgrund des knappen Angebots weiter steigen. Die DZ Bank rechnet für 2007 und 2008 mit rund 2 %, während der Immobilienverband Deutschland (IVD Süd) bei den Mieten 2008 mit einem Plus von 10 % rechnet. Berücksichtigt man die im internationalen Vergleich Damit kommen auch die Weiterverkäufe, auf die die Anleger mit einem sehr kurzfristigen Anlagehorizont gesetzt haben, nicht mehr zustande. Es gilt also, die Portfolios zu halten, denn zu Preisabstrichen, die eine deutliche Renditeverschlechterung bedeuten würden, ist kaum ein ausländischer Investor bereit. Die Spaniens Immobilienmarkt vor harscher Korrektur Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Noch stehen in Spanien alle Zeichen auf Stillhalten: Die Preisblase scheint auch unter dem Eindruck der US-Subprime-Krise noch nicht bereit zu platzen. Die Folge: In dem Segment wird immer schleppender verkauft. In den ersten neun Monaten 2007 sank der Statistik der Katasterämter zufolge die Zahl der verkauften Eigenheime um 12 % auf knapp 627 000 Objekte. Doch die „gefühlte“ Lähmung auf dem Immobilienmarkt ist viel größer, als dieser Rückgang um 12 % vermittelt. Alle warten auf den großen Knall, der sich in einem Preisrutsch von etwa 35 % niederschlagen könnte. Auf diese Größenordnung schätzen sowohl die spanische Notenbank als auch unabhängige Immobilienexperten die Überbewertung der Eigenheime. Erste Makler haben bei den wenigen verkauften Immobilien bereits einen Preisrückgang von durchschnittlich 8,5 % beobachtet. „Sanfte Landung“ erhofft Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero klammert sich nicht zuletzt aus wahltaktischen Gründen an ihre Version der „sanften Landung“. Sie versucht die Gemüter der vielen hochverschuldeten Familien mit einer Aussicht auf einen Preisanstieg für 2007 zwischen 4 und 5 % – die Inflation schnellte im November auf 4,1 % – zu beruhigen. Doch hinter den politischen Kulissen werden dem Vernehmen nach erste Pläne für Hilfsfonds geschmiedet, falls mit dem Boomende und der zu erwartenden rapide steigenden Arbeitslosig- keit im Baugewerbe auch die bislang bei 0,8 % liegende Kreditausfallquote in die Höhe schnellt. Liquiditätsprobleme der Familien könnten die bereits existente Angebotsschwemme am Häusermarkt vergrößern: Nach diversen Schätzungen blieben von den 3 Millionen neu gebauten Eigenheimen in den vergangenen fünf Jahren etwa 1 Million unverkauft. Allein dieser Umstand dürfte die Bautätigkeit, die im dritten Quartal 2007 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bereits um 22 % auf 555 000 sank, künftig noch stärker einschränken. Ausländer wandern ab An den Küste und auf den Inseln hinterlässt die geschwundene Kauflust der Ausländer ihre Spuren. Von Preisen und Bauskandalen abgeschreckt, kaufen sie ihre Ferienwohnungen immer öfter in billigeren Sonnenländern. Unter den Immobilienfirmen, die mit fast 300 Mrd. Euro bei den Banken und Sparkassen in der Kreide stehen, hat die Marktbereinigung bereits begonnen. Und an der Börse korrigierten die Investoren um 14 Mrd. Euro die völlig überteuerten Aktienkurse. Nur für die Gewerbeimmobilien in der Hauptstadt Madrid, und in geringerem Maße auch Barcelona, sehen die Perspektiven für Büroräume in Toplagen sowie Einkaufs- und Logistikzentren gut aus. Nach einer Studie von CB Richard Ellis stiegen die Preise für Büros in Madrid zwischen Oktober 2006 und September 2007 um 20 % und brachten die Kapitale auf Platz 7 der europäischen Städte mit dem höchsten Preisauftrieb. Die DekaBank sieht für 2008 Potenzial für Mietanstiege. Köpfe des Jahres Opportunist bl – Mit Nicolas Sarkozy haben die Franzosen im Mai einen Präsidenten gewählt, der sein Land mit dem umfangreichsten Reformprogramm seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs „in das 21. Jahrhundert führen“ will. Der hyperaktive Präsident hat seinen Premierminister François Fillon und die Minister quasi zu Statis- Rom wenig gesucht Kaum noch Weiterverkäufe Die Stunde der Schnäppchenjäger naht Von Angelika Engler, Madrid durch die Kommunen. Die belgische Hauptstadt Brüssel ist durch die europäischen Institutionen attraktiv. Der starke Wettbewerb durch ausländische Investoren führte zu sinkenden Renditen. Diese dürften aber, wie an den anderen Standorten auch, durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und die gestiegenen Risikoprämien jetzt wieder zulegen. Brüssel zeichnet sich im Zeitablauf durch eine geringe Volatilität aus. niedrige Eigentumsquote und das immer noch moderate Miet- bzw. Hauspreisniveau, sind deutsche Wohnimmobilien aus fundamentaler Sicht nach wie vor sehr attraktiv. Die Zeit der großen PortfolioDeals ist dennoch zumindest im Moment vorbei. Dies liegt in erster Linie an der Subprime-Krise. Sie lässt deutsche Banken vor großvolumigen Finanzierungen zurückschrecken. Ein Fremdkapitalanteil von bis zu 90 %, wie er in der Vergangenheit gerade von angloamerikanischen Investoren gefahren wurde, ist nicht mehr durchsetzbar. 29 Zeit drängt allerdings, denn mit einem mehrjährigen Anlagehorizont haben die wenigsten gerechnet. Unangenehm könnte die Lage auch angesichts der steigenden Zinsen werden. Denn finanziert wurde noch zu sehr niedrigen Sätzen, die heute schon längst nicht mehr am Markt erhältlich sind. Mancher Investor hat aber auch auf Wohnungsprivatisierungen gesetzt. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass diese längst nicht in dem Umfang wie erhofft umsetzbar sind. Konsequenz ist, dass ausländische Fonds ihre deutschen Immobilien behalten müssen und auf das baldige Ende der Subprime-Krise setzen. Ob dies schon wie von vielen erhofft Mitte 2008 der Fall sein wird, ist allerdings fraglich. Und wenn es so weit ist, dürften die Banken immer noch vorsichtig sein und hohe Risikoprämien bei großen Deals verlangen. Kleinere Deals im Kommen Im Moment gilt aber weiterhin, dass Immobilien in Deutschland und in Europa begehrt sind, also viel Liquidität insbesondere von Pensionskassen und Versicherern, teils direkt, meist aber über Fonds, vorhanden ist. In Mode gekommen sind kleinere Deals im zweistelligen Mill.Euro-Bereich und Finanzierungen, die kaum über 100 Mill. Euro liegen und von deutschen Immobilienbanken auch heute noch erhältlich sind. Diese kleineren Transaktionen, die unter dem Radarschirm der Großinvestoren liegen und damit nicht einem so scharfen Wettbewerb unterliegen, gibt es nicht nur bei Wohnungen, sondern auch im gewerblichen Bereich. Und die Objekte liegen in 1-b- oder 2er-Lagen in Topstädten oder 1-a-Lagen in Städten aus der zweiten Reihe. So lassen sich noch zweistellige Eigenkapitalrenditen erzielen, versprechen die Fondsinitiatoren. Die Situation bei den Gewerbeimmobilien in den anderen Ländern der Eurozone unterscheidet sich deutlich von der in Deutschland. Abgesehen von Spanien und Frankreich (s. Artikel auf dieser Seite) gelten insbesondere die nordischen Länder als attraktiv. Allerdings weist eine Stadt wie Helsinki einen im Vergleich zu Paris und London, aber auch den deutschen Großstädten geringen Büroflächenbestand aus. Die skandinavischen Länder verfügen über gute konjunkturelle Aussichten, die zusammen mit der geringen Neubautätigkeit zu einem kräftigen Anstieg der Spitzenmieten führen dürften. Bei Wohnungen bestehen Chancen auf Portfolioverkäufe Wenig attraktiv, vor allem für ausländische Investoren, sind Rom, Athen und Lissabon. Die italienische Hauptstadt weist eine wenig attraktive Bestandsqualität im gewerblichen Bereich auf, Mieterhöhungen sind damit nur schwer möglich. Athen gilt als geschlossener Markt, auf dem Ausländer kaum eine Chance haben, an attraktive Objekte zu kommen. Der Markt in Lissabon schließlich ist sehr klein. Deutsche dominieren Pariser Büromarkt Höhere Investitionen – Preiseinbruch bei Wohnungen Von Gerhard Bläske, Paris Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Im Pariser Wolkenkratzerviertel La Défense wachsen in den nächsten Jahren ungefähr zehn neue spektakuläre Bürotürme bis zu mehr als 300 Meter in den Himmel. Mehrere 100 000 Quadratmeter Fläche werden derzeit gebaut, die Leerstandsrate ist niedrig. Die Bürostadt spiegelt die positive Entwicklung auf Frankreichs Büromarkt wider, der trotz der Subprime-Krise auch 2007 auf einen neuen Rekordwert zusteuert. Die Immobilientochter von BNP Paribas, Atis Real, erwartet 2007 Investitionen von 26 bis 27 Mrd. Euro, 2006 waren es nur 21 Mrd. Euro. 38 % der Transaktionen beziehen sich auf Flächen über 5 000 Quadratmeter. Die Renditen liegen, je nach Standort, zwischen 4 und 6 %. Allerdings hinterlässt die Subprime-Krise Bremsspuren. Der Vizepräsident von Atis Real Frankreich, Max Le Roux, stellt eine gewisse Normalisierung fest. Auch wenn er noch viel Liquidität im Markt sieht, glaubt er, dass vor allem spekulative Fonds vorsichtiger sein werden. Habe man 2006 oft noch fünf bis sechs Interessenten für ein Objekt gehabt, seien es jetzt meist nur noch ein bis zwei. Große Transaktionen wie der Verkauf von zwei großen Bürotürmen in La Défense (Coeur Défense) im März 2007 für 2,1 Mrd. Euro wären nach seiner Ansicht momentan kaum möglich. Zwar entwickelt sich in jüngster Zeit auch das Angebot in noch relativ günstigen Provinzstädten wie Marseille, Lille, Lyon, Toulouse oder Straßburg. Doch stellt der Großraum Paris noch immer etwa 80 % des französischen Büromarktes. Spit- zenlagen sind die Innenstadt-Arrondissements, aber auch Lagen am südlichen Teil der Stadtautobahn Péripherique und das sogenannte Rive Gauche sowie La Défense. Deutsche Investoren, die sehr präsent sind, bevorzugen vor allem die Spitzenlage der Pariser Innenstadt, das sogenannte Goldene Dreieck. Insgesamt hat das Interesse ausländischer Investoren, die häufig französische Tochtergesellschaften haben, seit etwa Mitte der neunziger Jahre kräftig zugenommen. Investierten sie damals pro Jahr etwa 1 Mrd. Euro, hat sich das Investitionsvolumen inzwischen etwa verzehnfacht. Inzwischen stellen sie ca. zwei Drittel der Investitionen in diesem Markt. Neben Deutschen, Briten und Schweizern sind auch Amerikaner wie GE Real Estate, die über 80 000 Quadratmeter allein in La Défense verfügt, aktiv geworden. Die Mieten in der Bürostadt sind um etwa 25 % niedriger als in den Bestlagen von Paris. Etwa ein Drittel des Büroangebots in La Défense gehört Investmentfonds, 18 % Versicherern und 23 % Immobiliengesellschaften. Auf dem Wohnungsmarkt gibt es nach den rasanten Steigerungsraten der letzten Jahre teilweise Preisrückgänge, die sich fortsetzen könnten. Der Mangel an Wohnraum dürfte jedoch einen zu starken und dauerhaften Einbruch verhindern, glauben Experten. Auch hier sind verstärkt ausländische Käufer präsent, vor allem im oberen Preissegment in Paris, das im Vergleich zu London noch relativ günstig ist, sowie am Mittelmeer und in Südwestfrankreich, wo meist höherwertige Zweitwohnsitze nachgefragt werden. Neben Briten und Schweizern sind hier vor allem Italiener und Deutsche aktiv. Foto: dpa Sonnabend, 29. Dezember 2007 Nicolas Sarkozy ten degradiert und regiert – umgeben von einem Stab enger Berater – quasi im Alleingang. Seine Zwischenbilanz fällt indes gemischt aus. Mit umfangreichen Steuersenkungen versuchte er zunächst die Konjunktur anzukurbeln, doch die Maßnahmen verpufften. Zwar hat Sarkozy die 35-Stunden-Woche ausgehöhlt, abgeschafft hat er sie jedoch nicht. Im Konflikt um eine Rentenreform für die Beschäftigten der Staatsunternehmen ging er zwar als Sieger hervor, musste aber umfangreiche Zugeständnisse machen. Seine erste ernste Bewährungsprobe steht Sarkozy nun 2008 bevor: Dann sollen die Krankenversicherung, der Arbeitsmarkt und die Rentenversicherung grundlegend reformiert werden. Während der neue Präsident innenpolitisch auf Versöhnungskurs gegangen ist und zahlreiche frühere Sozialisten in die Regierung holte, fährt er außenpolitisch einen opportunistischen Kurs. Regelmäßig greift er etwa die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) an, deren Unabhängigkeit ihm ein Dorn im Auge ist. Sarkozy macht die Politik der EZB verantwortlich für das hohe Außenhandelsdefizit seines Landes. Ökonomen und Arbeitgeber sehen die Ursachen jedoch eher in manifesten strukturellen Problemen, zu denen die 35-Stunden-Woche in hohem Umfang beigetragen hat. Gegenüber Brüssel macht der Präsident deutlich, dass die Reduzierung des Haushaltsdefizits für ihn keine Priorität hat, obwohl er sich vorher darauf hat festlegen lassen. Und in den WTO-Verhandlungen verteidigt er die Interessen der Agrarlobby des Landes. Die Beziehungen zu Deutschland sind deutlich abgekühlt, während er den libyschen Diktator Khadafi mit Glanz und Gloria empfängt und herzliche Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin sowie China und anderen Regierungen mit zweifelhaftem Ruf pflegt. (Börsen-Zeitung, 29.12.2007) 30 Börsen-Zeitung Nr. 249 Jahresschlussausgabe Schwellenländer deutlich schockresistenter Save-Haven-Etikett käme aber verfrüht Von Jürgen Schaaf, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Diese Krise ist anders. Der Zusammenbruch des Marktes für verbriefte strukturierte Produkte, die am amerikanischen Markt für Hypothekenkredite zweitklassiger Bonität generiert wurden, hat weltweit hohe Wellen geschlagen. Das Austrocknen des Interbankengeschäfts und die Klemme an den Anleihemärkten, die seit dem Sommer des alten Jahres anhält, sind dagegen fast ausschließlich auf Nordamerika und Europa beschränkt. Andere Regionen, und damit die umfangreiche und heterogene Gruppe der Schwellenländer, blieb weitgehend unbehelligt von den Auswirkungen der Krise. Die internationalen Finanzkrisen der Vergangenheit liefen dagegen immer unter Beteiligung der Schwellenländer ab. Selbst wenn sie nicht – wie gleichwohl oft – Auslöser der Verwerfungen waren, wurden sie aber in Sippenhaft genommen. Ihre nationalen Märkte und Währungen gerieten unter Druck. Während die Zahlungsausfälle Russlands (1998/99) oder Argentiniens (2001) sowie die Südostasienkrise (1997) vor allem hausgemachte Ursachen hatten und Investoren zwangsläufig die entsprechenden Regionen abstraften, war der Crash an den Aktienmärkten, ausgelöst durch das Platzen der IT-Bubble im Frühjahr 2000, ein Ereignis, das reichlich wenig mit den ökonomischen Fundamentaldaten in den Schwellenländern zu tun hatte, deren Märkte und Wirtschaftswachstum aber gleichwohl mit in die Tiefe riss. Dass die Schwellenländer bislang von den Auswirkungen der jüngsten Krise verschont blieben, mag zum einen daran liegen, dass sie Lehren aus den Krisen der Vergangenheit gezogen haben. Die Wirtschaftspolitiken vor allem in den asiatischen Schwellenländern waren in den vergangenen Jahren darauf ausgerichtet, deren Anfälligkeit gegenüber globalen Finanzkrisen zu reduzieren. Marktwirtschaftliche Reformen, Intensivierung des Handels, der Abbau von Leistungsbilanzdefiziten und das Anhäufen von Devisenreserven zur Sicherung der eigenen Währung wurden als Strategien gewählt. Nicht zuletzt die strengen Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und dessen mitunter – so empfanden es zumindest die betroffenen Staaten – öffentlichen Demütigungen in den 1990er Jahren unter dem Geschäftsführenden IWFDirektor Michel Camdessus haben viele der Schwellenländer zu diesen Maßnahmen bewogen. Gleichwohl sind damit noch nicht alle Gefahren für die nicht industrialisierte Welt gebannt. Zum einen gibt es nach wie vor Anfälligkeiten und Ungleichgewichte auch in den Schwellenländern. Mangelnde Investitionen in Infrastruktur und Bildung, zu niedrige Konsumquoten oder Wechselkursmanipulationen sind Problemfelder, die es mitunter noch zu beackern gilt. Zudem ist die Finanzkrise noch nicht abgeschlossen. Insofern ist es verfrüht, die durchaus weniger anfälligen Schwellenländer als globalen Stabilitätsgaranten und Save Haven für Anleger auszurufen. Sonnabend, 29. Dezember 2007 Asiens Märkte zeigen sich selbstsicher Solide makroökonomische Eckdaten schaffen Handlungsspielraum Von Ernst Herb, Hongkong Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Wer sich dieser Tage auf den Einkaufsmeilen asiatischer Großstädte umsieht, wähnt sich weit weg von den Sorgen, die sich zurzeit in den USA und Europa Banker, Investoren, Ökonomen und Politiker über den Zustand der Weltwirtschaft machen. Für den vorherrschenden Optimismus gibt es eine ganze Reihe guter Gründe. Die Erinnerungen an die asiatische Finanzkrise, das Platzen der Dotcom-Blase oder die Lungenseuche Sars, die zwischen 1997 und 2003 grassierte und das Wachstum in der Region lähmte, sind angesichts der heute in den jungen asiatischen Wachstumsmärkten vorherrschenden Dynamik in weite Ferne gerückt. Kein Zweckoptimismus Dass dies nicht einfach Zweckoptimismus euphorischer Konsumenten ist, lässt sich auch mit Daten untermauern. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) auf alle Fälle geht in ihrer jüngsten Wirtschaftsprognose davon aus, dass der asiatische Wirtschaftsraum trotz der dunklen Wolken am amerikanischen Konjunkturhimmel 2008 um rund 8 % expandieren wird. Die Exporte gerade in Richtung USA haben zwar leicht abgenommen, aber der Konsum wächst in der Region jährlich um deutlich über 10 %. Damit wird die Binnenwirtschaft gestärkt und die Abhängigkeit von den Exporten vermindert. Trotzdem werden in dem Mitte Dezember veröffentlichten ADB-Bericht ähnlich wie auch in der Jahresvorschau internationaler Geschäfts- banken sehr viel eindringlicher als in den Vorjahren auch auf eine ganze Reihe von möglichen Wachstumsrisiken hingewiesen. Galten noch im Vorjahr eine möglicherweise pandemieartig um sich greifende Vogelseuche oder das Platzen der in vielen Großstädten der Region entstandenen Blase an den Immobilienmärkten als größte Gefahr für das Wachstum, so wird jetzt der mögliche Einbruch der Konjunktur in den USA einstimmig als Risikofaktor Nummer 1 genannt. Denn trotz der an Bedeutung gewinnenden Binnenwirtschaften und eines noch vor wenigen Jahren vernachlässigbaren interregionalen Handels gehen weiterhin 60 % der Ausfuhren in die reichen Industriestaaten, wobei die USA weiterhin der mit Abstand größte Markt bleiben. Eine leichte Konjunkturabschwächung der USA könnte Asien wohl leicht verkraften, eine ausgewachsene Rezession würde aber vor allem in kleineren, stark in die globale Wirtschaft integrierten Ländern wie Malaysia, Hongkong oder Singapur stark gespürt werden. Auch an China, das mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern gemessen an der Kaufkraft nach den USA bereits heute die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist, würde eine Rezession in den USA sicherlich nicht spurlos vorbeiziehen. Allerdings gibt es zu diesem Negativszenario durchaus auch plausible Alternativen. Eine etwas langsamer laufende Weltwirtschaft muss vor allem für die als teilweise überhitzt geltenden Konjunkturen Chinas oder Hongkongs nicht einmal schlecht sein. Sie könnte sogar zu einer weichen Landung verhelfen. Asien hat zudem eine sehr hohe Sparrate. In China etwa beträgt sie 40 %. Die makroökonomischen Eckdaten wie etwa öffentliche Schulden oder Auslandsverbindlichkeiten sind solide. Das gibt den Wirtschaftsverantwortlichen erheblichen Freiraum in der Gestaltung der Konjunkturpolitik. Mittels Steuererleichterungen und der Lancierung von Infrastrukturprojekten könnten der Binnenwirtschaft wichtige Impulse gegeben werden. Eine leicht nachlassende Dynamik würde nicht zuletzt die hartnäckig gewordenen inflationären Tendenzen dämpfen. Noch steht aus, wie stark sich die amerikanische Konjunktur abkühlen wird. Sollten die gegenwärtigen Probleme aber in einer handfesten Rezession enden, so wäre Asien gegen die Folgen weit besser gerüstet als noch vor fünf Jahren. Die Region könnte am Ende sogar gestärkt dastehen. US-Hypothekenkrise verschont Lateinamerika Risiko globaler Wachstumsabschwächung bleibt Von Sandro Benini, Mexiko-Stadt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Ökonomen und Analysten internationaler Ratingagenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch Ratings sind sich einig: Die direkten Auswirkungen der US-Hypothekenkrise auf Lateinamerika sind praktisch gleich null. Dies hängt damit zusammen, dass der Anteil an Subprime-Krediten innerhalb der jeweiligen Hypothekarmärkte ungleich geringer ist als in den USA. Bedeutend kleiner ist auch das Gesamtvolumen der Hypothekardarlehen. Es beläuft sich etwa in Chile auf 5 % und in Brasilien auf 11 % des Kreditmarktes. Der Immobilien- und der Bausektor gehören zwar zu Lateinamerikas Boombranchen, was auch den Umfang der Kredite auf historische Höchststände getrieben hat. Dennoch waren die Banken bei deren Erteilung wesentlich vorsichtiger als in den Vereinigten Staaten. So kommt den mexikanischen Hypothekarschuldnern zugute, dass 65 % ihrer Darlehen feste Zinsen aufweisen. Der Anteil säumiger Schuldner liegt in dem mittelamerikanischen Land seit Jahren bei rund 2,5 %. Ein weiterer Grund für die komfortable Situation lateinamerikanischer Banken liegt laut einer Analyse von Standard & Poor’s in der Tatsache, dass sie fast vollständig auf In- vestitionen in amerikanische Hypothekenderivate verzichtet haben. Dank der hohen Weltmarktpreise für Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte verfügen die Notenbanken außerdem über umfangreiche Währungsreserven. In Mexiko erreichten diese beispielsweise Ende November mit rund 77,4 Mrd. Dollar einen historischen Höchststand. Während lateinamerikanische Länder in der Vergangenheit immer wieder in den Strudel verheerender Finanzkrisen gerissen wurden, sind sie deshalb gegenwärtig gegen externe Schocks besser gewappnet denn je. Der gewaltige Nachholbedarf an staatlichen Investitionen in die Infrastruktur und der während der letzten Jahre in die Mittelschicht aufgestiegene an Immobilienkäufen interessierte Bevölkerungsanteil eröffnen den großen lokalen Bauunternehmen weiterhin attraktive Wachstumsperspektiven. Sollte es infolge der SubprimeKrise zu einer Rezession in den Vereinigten Staaten oder einer generellen Verlangsamung der Weltkonjunktur kommen, so würden die in hohem Maße rohstoffexportierenden lateinamerikanischen Volkswirtschaften dennoch beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies gilt insbesondere für Mexiko, das nahezu 90 % seines Außenhandels mit dem nördlichen Nachbarn abwickelt. Russischer Bär kommt ungeschoren davon Hausgemachte Probleme geben Anlass zur Sorge Von Jens Hartmann, Moskau Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Die internationale Finanzkrise ist in Russland bislang kaum zu spüren gewesen. Die Ruhe könnte jedoch trügerisch sein. Experten rechnen damit, dass im kommenden Jahr der Druck auf Banken und Unternehmen wegen steigender Refinanzierungskosten zunehmen wird. Die Wirtschaft wird in diesem Jahr mit rund 7 % wachsen und damit das achte Jahr in Folge zulegen. Treibende Kräfte bleiben die hohen Rohstoffpreise – Öl- und Gasexporte machen mehr als 60 % der Deviseneinnahmen aus – und der boomende Konsumentensektor. Der Staat hat sich im Stabilitätsfonds und bei den Gold- und Devisenreserven ein mehr als 600 Mrd. Dollar dickes Finanzpolster geschaffen. So liegt also 1998, das Jahr, als der Rubel-Crash Russland in die Zahlungsunfähigkeit riss, weit zurück. Russland fühlt sich heute stark wie nie zuvor. Zumal auch noch die leidige Nachfolgefrage, wer Wladimir Putin als Präsident ablösen wird, geklärt zu sein scheint. Der wahrscheinliche Thronfolger Dimitri Medwedew steht für Kontinuität. Problem Rubel-Abwertung Russland bekommt die hohe Inflation und die Aufwertung des Rubel nicht in den Griff. Die Inflation wird in diesem Jahr mehr als 11 % betragen. Dabei hatte das Wirtschaftsministerium Anfang des Jahres noch 8 % prognostiziert. Hastig ergriffene Maßnahmen wie das Einfrieren der Lebensmittelpreise dürften jedoch kaum geeignet sein, der Inflation Herr zu werden. Eine zweite Gefahr ist der Aufwertungsdruck auf den Rubel, der aus den Exporterlösen und den stark ge- stiegenen Kapitalzuflüssen als Folge der 2006 eingeführten Konvertibilität des Rubel resultiert. Die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt hatte bislang lediglich begrenzte Auswirkungen auf Russland. Zwar stiegen die Zinsen auf dem Interbankenmarkt stark an. Die russische Zentralbank sah sich gar veranlasst, Liquidität bereitzustellen. Schockwellen größeren Ausmaßes blieben aber aus. Deshalb hat sich Selbstsicherheit breitgemacht, die nicht allen gefällt. „Die Sorglosigkeit, dass die Subprime-Krise Russland auch in Zukunft nichts anhaben kann, ist allzu weit verbreitet“, glaubt der Direktor einer westlichen Bank in Moskau. Er sieht Probleme auf Banken zukommen, die sich für ihren Expansionskurs gerade bei Konsumentenkrediten auf den internationalen Finanzmärkten Geld geliehen haben und nun mit höheren Refinanzierungskosten leben müssen. „Gerade auf kleinere der rund 1 100 Banken könnte der Druck so stark werden, dass sie vom Markt verschwinden.“ Tatsächlich hatten einige Banken im Herbst die Vergabe von Krediten zeitweilig gestoppt. Das Portfolio der Auslandsverschuldung Russlands hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Der Staat wird als Schuldner immer unwichtiger, dafür nehmen Banken und Unternehmen mehr Geld im Ausland auf. Der einheimische Finanzsektor wächst zwar rasant, hat aber bei weitem noch nicht das Volumen, um Russlands Wirtschaft mit ausreichend Kapital zu versorgen. Zum 1. Juli war Russland laut Zentralbank im Ausland mit 384,4 Mrd. Dollar verschuldet. Davon waren 40,8 Mrd. Dollar Staatsschulden, 130,3 Mrd. Dollar Verbindlichkeiten der Banken und 184,3 Mrd. Dollar Unternehmensschulden. Jahresschlussausgabe Billige Liquidität ist nicht genug Seit über zehn Jahren hält Japans Notenbank den Leitzins unter 1 Prozent – Keine Hilfe für die Wirtschaft Von Birga Böcker, Tokio Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Niedrigzinsen machen süchtig. Nicht die Retailbanken, denen es unter solchen Bedingungen schwerfällt, für Firmenkredite anständige Margen zu verlangen. Und auch nicht die vielen Sparer, die sich mit mageren Einlagenzinsen begnügen müssen. Abhängig werden – das zeigt sich am Paradebeispiel der japanischen Nullzinspolitik immer deutlicher – internationale Finanzjongleure, die hochriskante Geschäfte mit billiger Liquidität finanzieren. Wie sonst ist es zu erklären, dass Japans Wirtschaftswachstum seit fünf Jahren bei rund 2 % liegt, die Arbeitslosigkeit mit 4 % halb so hoch ist wie in Deutschland, die Unternehmensgewinne das fünfte Rekordjahr in Folge ansteuern, aber Nippons Notenbank dennoch ihrem Ziel einer „Normalisierung“ der Geldpolitik bisher kaum nähergekommen ist? Nach einer langen Phase der Nullzinspolitik, in der sie Japans Banken zeitweise mit fünfmal so viel Liquidität überschüttete, als diese benötigten, drehte die Notenbank im Frühjahr 2006 erstmals den Geldhahn wieder vorsichtig zu. Zunächst wurden den Finanzinstituten weniger flüssige Mittel aufgezwungen, im Juli 2006 dann folgte die erste Zinserhöhung seit sieben Jahren – auf damals 0,25 %. Seither sind fast eineinhalb Jahre vergangen, dennoch haben die Geldpolitiker nur ein weiteres Mal an der Zinsschraube gedreht. Der Leitzins liegt immer noch bei nur 0,5 %, und die nächste Anhebung scheint in weiter Ferne. Manche Ökonomen erwarten inzwischen angesichts der internationalen Kreditkrise sowie schwächerer Konjunk- turdaten aus dem Inland für 2008 keine Zinserhöhung in Japan mehr. Dabei ist unklar, wie stark die Extrempolitik der Zentralbank in Tokio überhaupt zur Stimulierung der heimischen Wirtschaft beiträgt. Zwar hat der „Nullzins“ die Bewältigung der akuten Finanzkrise der neunziger Jahre unterstützt. Doch waren es vor allem wirtschaftspolitische Maßnahmen wie eine vorteilhaftere Steuerbehandlung bei der Abschreibung fauler Kredite, die das lange Siechtum der Banken beendeten. Auf die Kreditvergabe im Inland hatte der Nullzins wenig Auswirkungen. Denn in den ersten Krisenjahren minimierten die Banken die Risiken in ihren Büchern und kappten trotz nahezu kostenlos verfügbarer Liquidität die Kreditlinien ihrer Kunden. Und in den folgenden Jahren hatten zumindest Japans große Industriekonzerne die Hilfe der Banken kaum noch nö- Die Schleifspuren der Krise werden länger Notenbank sorgt sich um kanadische Banken Von Markus Gärtner, Vancouver Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Als fünf führende Notenbanken am 12. Dezember in der größten gemeinsamen Aktion seit den Terroranschlägen in New York massiv Liquidität für das globale Finanzsystem bereitstellten, war auch die Bank of Canada (BOC) mit im Boot. Doch die eher kleine Tranche von 3 Mrd. kan. Dollar (2,01 Mrd. Euro) der Zentralbank scheint zu belegen, dass das heimische Finanzsystem gegen die Turbulenzen der Subprime-Krise einigermaßen resistent ist. Das Problem ist aber, dass die Schleifspuren auch in Kanada länger werden. Anfangs deutete vieles tatsächlich auf einen glimpflichen Ausgang hin. Nur zwei der sechs führenden Geschäftsbanken berichteten beim jüngsten Quartalsreigen Gewinnrückgänge oder Verluste. Die Bank of Montreal (BMO) meldete für das vierte Quartal ihres Finanzjahres einen Rückgang des Nettogewinns von 35 %. Gegen das Debakel bei der Sachsen LB oder der IKB nahmen sich die negativen Meldungen aus Kanada fast wie Randnotizen aus. Doch nach dem Bailout der Citigroup für ihre sieben Zweckgesellschaften (SIV) rücken auch Kanadas BMO und deren außerbilanzielle Investmentvehikel Links Finance Corp. und Parkland Finance ins Rampenlicht. Sie haben ein kombiniertes Anlagevermögen von 15 Mrd. Euro. Unbekannter „Aktionsplan“ Kanadas viertgrößte Bank arbeitet noch an einem „Aktionsplan“, der aber nicht näher konkretisiert wird. Am schwersten hat es wohl die Canadian Imperial Bank of Commerce (CIBC), die fünftgrößte Bank des Landes, erwischt. Sie räumte Anfang Dezember ein, dass in ihren Büchern verbriefte Schuldverschreibungen mit Subprime-Bezug in Höhe von umgerechnet 6,6 Mrd. Euro stehen. Die Wertberichtigungen der CIBC summieren sich auf 670 Mill. Euro. Doch Analysten erwarten bis zu dreimal so viel. Der Eindruck, dass Kanadas Banken vergleichsweise mit einem blauen Auge davonkommen, könnte sich also noch ändern. Wichtig war am jüngsten Liquiditätsangebot der Bank of Canada, dass zusätzliche Sicherheiten für die Refinanzierungsgeschäfte akzeptiert werden. Neben Bundesanleihen will die BOC jetzt auch Schuldscheine der Provinzen sowie forderungsbesicherte Geldmarktpapiere (ABCP) akzeptieren. Denn als Investoren sich in Scharen aus forderungsbesicherten Papieren mit Subprime-Bezug verabschiedeten, brach der ABCPMarkt zusammen. Die Investmentbank Coventree in Toronto, größter Player am ABCP-Markt, wenn man die sechs großen Geschäftsbanken nicht mitrechnet, brauchte dringend 1 Mrd. Euro, um Fälligkeiten ihrer Papiere zu verlängern. Vieles noch nicht deklariert Eine Gruppe führender Banken präsentierte das sogenannte Montreal Proposal. Es sah eine Umwandlung der nicht mehr absetzbaren ABCP-Anleihen in längerfristige Papiere, im Extremfall bis zum Ablauf der verbrieften Forderungen, vor. Eine Stillhaltefrist bis zum 14. Dezember wurde vereinbart. Doch das Komitee, das bis zum 14. Dezember eine Lösung für die ABCP-Krise präsentieren sollte, ließ an diesem Tag zum zweiten Mal eine Frist verstreichen. Inzwischen warnte der scheidende Gouverneur der Notenbank von Kanada, David Dodge, vor einem Fiasko. Denn mit den 35 Mrd. kan. Dollar aus dem Verkauf der ABCP-Papiere haben die 22 Emittenten ihrerseits durch gehebelte Fremdfinanzierung langfristige Wertpapiere im Umfang von bis zu 300 Mrd. kan. Dollar erworben. Hinzu kommt: Viele Firmen haben ihre subprimeverseuchten ABCP-Bestände noch gar nicht deklariert und müssen mit saftigen Verlusten rechnen. „Wir glauben, dass einige dieser Firmen signifikante Wertberichtigungen für das vierte Quartal vornehmen“, erwartet der Analyst Mark Rosen bei der Accountability Research in Toronto. Ein Indikator für die drohenden Verluste ist der Untergrundmarkt, der sich in Kanada für illiquide ABCP-Papiere gebildet hat. Dort soll die Westaim Corp. in Calgary, eine Geschäftsdatenbank, die Hälfte ihrer Papiere mit einem Abschlag von 30 % losgeworden sein. Wie weit die Krise auch im Ahornland inzwischen Kreise zieht, zeigt ein anderer Fall. Der Pensionsfonds der Universität von West Ontario – Volumen 1,2 Mrd. kan. Dollar – hat Anfang November einen Teil seiner Ausschüttungen für die 6 300 Uni-Beschäftigten eingestellt. tig: Investitionen werden inzwischen vorwiegend aus dem Cash-flow finanziert, für Akquisitionen werden Wandelanleihen begeben und für Restrukturierungen ausländische Investmentbanken ins Boot geholt. Japans Privathaushalte sowie kleine Betriebe haben von der Nullzinspolitik ohnehin nie profitiert. Da Nippons Banken ihr Geschäftsmodell jahrzehntelang fast nur auf große Konzerne ausrichteten, müssen Verbraucher und Selbständige für unbesicherte Kredite auch heute noch Verbraucherkredite nutzen mit Sätzen im zweistelligen Prozentbereich. Bis vor einem Jahr lag die Wucherzinsgrenze noch bei knapp 30 %, heute sind es 20 %. Die Politik der Notenbank hatte darauf keinerlei Einfluss. Manche Ökonomen glauben gar, dass die Geldpolitik die Binnennachfrage mehr gedrückt als beflügelt hat. Denn statt eine anstän- dige Verzinsung auf ihr Vermögen von gut 1 500 Bill. Yen (9,2 Bill. Euro) zu erhalten, überlassen Nippons Haushalte den Banken ihre Spargelder seit Jahren fast ohne Gegenleistung. Das hat die Kauflaune gedrückt, zumal andere Vermögenswerte wie japanische Immobilien oder Aktien seit Anfang der neunziger Jahre an Wert verloren haben. Um die magere Rente oder das Haushaltsgeld aufzustocken, flüchten immer mehr Amateure in ausländische Finanzprodukte. So erfreuen sich neben Aktien- und Anleihefonds Devisenkonten großer Beliebtheit. Spektakuläres Beispiel dafür war die Verhaftung einer japanischen Hausfrau im vergangenen Sommer. Sie hatte 2,5 Mill. Euro mit hochspekulativen Geschäften verdient, ihr Anlageglück aber dem Finanzamt verschwiegen. Auch eine andere Investorengruppe hat der seit 2004 zu den USA und anderen Ländern gewachsene Zinsunterschied angelockt: ausländische Institutionelle. Weil Yen-Kredite billig und die Rendite andernorts hoch ist, geriet die Währung des Landes unter Druck. Doch nun scheint das Pendel am Devisenmarkt umzuschwingen, was Japans zuverlässigsten Konjunkturmotor – den Export – unter Druck setzt. Die verzwickte Lage, in der sich Japan nach über einem Jahrzehnt der Niedrigstzinsen noch immer befindet, sollte anderen Ländern eine Warnung sein. Nur wenn Notenbanken und Politik in Krisensituationen schnell handeln und an einem Strang ziehen, kann ein Abrutschen in eine anhaltende Stagnation verhindert werden. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, braucht es mehr als billiges Geld, um dort wieder herauszukommen. Börsen-Zeitung Nr. 249 31 Köpfe des Jahres Reformbremser eh – Das endgültige Urteil über die Leistung des chinesischen Premierministers Wen Jiabao steht noch aus. Aber einen gewissen Erfolg kann man ihm wohl nicht absprechen in Anbetracht dessen, dass sich in seiner mittlerweile fünf Jahre dauernden Amtszeit das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung von 1 200 auf 2 400 Dollar glatt verdoppelt hat. Andererseits ist es ihm aber nicht gelungen, die seit 2005 zu rasant expandierende Wirtschaft auf ein nachhaltigeres Tempo zu drosseln. Vor drei Jahren wurde ein jährliches Wachstum bis 8 % wünschenswert genannt. 2007 dürfte es aber auf 11,5 % beschleunigt haben. Verbunden damit ist die ständige Gefahr einer harten Landung, wie sie China bereits Mitte der neunziger Jahre erlebte. Wen, der 1942 in der nordöstlichen Küstenstadt Tianjing geboren wurde, wird wahrscheinlich ähnlich wie Staatspräsident Hu Jintao noch bis 2011 im Amt bleiben. Er ist zwar der oberste Verantwortliche für die Wirtschaftspolitik, hat aber relativ wenig Erfahrung in diesem Bereich. Nach einem Studium der Geomechanik arbeitete er zunächst in seinem gelernten Beruf. 1965 trat er in die Kommunistische Partei Chinas ein. Zwischen 1968 und 1978 war er politischer Sekretär und damit die „Nummer 1“ des geologischen Amtes der zentralchinesischen Provinz Guansu. Der spätere Aufstieg an die Machtspitze Chinas war ihm nicht in die Wiege gelegt. Zwar stammt er nicht aus armen Verhältnissen, doch waren die ersten Jahre seines Lebens von japanischer Besatzung, Bürgerkrieg und – nach Machtübernahme der Kommunistischen Partei 1949 – desaströsen wirtschaftlichen Experimenten geprägt. Seinem Vater wurden während der Kulturrevolution kapitalistische Allüren vorgeworfen, weshalb dieser ins Arbeitslager gesteckt wurde. Jene traumatischen Erlebnisse mögen erklären, dass der Verwal- Foto: dpa Sonnabend, 29. Dezember 2007 Wen Jiabao tungsspezialist Wen Experimenten gegenüber sehr skeptisch ist. Der 1979 begonnene gesellschaftliche und wirtschaftliche Erneuerungsprozess hin zur Marktwirtschaft läuft deshalb nur zögerlich ab. Wirtschaftliche Reformen wie die weitere Liberalisierung des Zahlungsverkehrs werden erst einmal in begrenztem Rahmen getestet. Auch wenn es noch zu früh ist, seine Arbeit abschließend zu beurteilen, so kann dennoch jetzt schon gesagt werden, dass Wen wohl nicht als kühner Reformer in die Geschichte seines Landes eingehen wird. (Börsen-Zeitung, 29.12.2007) 32 Börsen-Zeitung Nr. 249 Jahresschlussausgabe Sonnabend, 29. Dezember 2007 Nun ruht alle Hoffnung auf der privaten Konsumnachfrage Auswirkungen der US-Subprime-Krise können die deutsche Konjunktur über zwei Kanäle erreichen – Hohe Unsicherheit in den Prognosen Von Reinhard Kuls, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.12.2007 Auguren sind besonders gefragt in Zeiten der Unsicherheit, sonst fallen sie dem Publikum eher lästig. Dieses Urteil zur allgemeinen Wertschätzung seiner Zunft fällte jüngst Dirk Schumacher, der Deutschland-Chefvolkswirt von Goldman Sachs. Demnach kann er sich derzeit kaum retten vor Anfragen. Denn selten zuvor war die Unsicherheit über die Entwicklung der Volkswirtschaften weltweit so groß wie jetzt seit dem Ausbruch der Krise am US-Hypothekenmarkt und ihrem völlig überraschenden Übergreifen auf zentrale Teile des Geldmarkts. Es knirscht hörbar im gesamtwirtschaftlichen Getriebe, aber niemand weiß, welches Rädchen als erstes blockieren wird. Zyklischer Effekt verschärft Die Unsicherheit geht sehr weit, und mancher Ökonom räumt unter der Hand schon mal ein, dass seine Prognose im Moment eigentlich Makulatur sei. Denn solange die Bilanzen der Banken dies- und jenseits des Atlantiks für 2007 nicht veröffentlicht seien und man nicht wisse, welche weiteren Geldhäuser sich, aus Renditegier und mangelhafter Aufsicht, an Subprime und den Verbriefungsaktionen verhoben hätten, könne man nicht sagen, welche Verspannungen noch im globalen Finanzsystem entstünden und die Konjunktur weltweit belasteten. Dabei haben die Auguren bereits vor dem Ausbruch der SubprimeKrise, aus zyklischen Gründen, mit einer Abschwächung der Dynamik in den USA und Euroland gerechnet. Denn oft folgt starken Aufschwüngen ein Atemholen für den nächsten Wachstumsgipfel, so dass konjunkturelle Zyklen die Form eines M erhalten. Der Unterschied ist inzwischen aber, dass die Spitze des V, das sich im M versteckt, weiter nach unten ragt als bislang erwartet. Auch könnte die Abkühlung länger dauern als angenommen. Ob daraus dann eine Rezession wird, hängt allerdings von einer Reihe von Faktoren ab, und in den USA sind es zum Teil andere als etwa in Deutschland. In den USA ist wegen der Abkühlung des Häusermarkts ein wichtiger Antrieb für den Wachstumsmotor Nummer 1, den Konsum, gefährdet. Bricht dieser weg, droht wiederum am Arbeitsmarkt Ungemach, was dann sehr wohl in eine rezessive Spirale münden könnte. Zudem könnte es bei einer Verschärfung der Krise am Interbankenmarkt auch zu einer echten Kreditklemme kommen. Ansätze für eine Verschärfung der Konditionen gibt es bereits, auch wenn sie nach Ansicht von Analysten von noch sehr niedrigem Niveau ausgehen. Deutschland ist dabei über zwei Kanäle gefährdet, die wie kommunizierende Röhren zusammenhängen: Eine US-Rezession würde sich direkt auf den Export und indirekt auf die Investitionen auswirken, eine Kreditkrise würde die Investitionen direkt treffen und beides über den Arbeitsmarkt den Konsum in Mitleidenschaft ziehen. All dies hätte Effekte, die über eine bloße Wachstumsdelle des konjunkturellen M-Schemas Deutsche Konjunktur Median aus den Prognosen von Bankenvolkswirten und Forschungsinstituten; Veränderung in Prozent 2006 2007 2008 BIP 2,9 2,5 1,9 Privatkonsum 1,0 – 0,1 1,9 Anlageinvestitionen 8,3 5,5 2,5 Exporte 12,5 8,1 6,2 Importe 11,2 6,3 6,8 Verbraucherpreise 1,7 2,1 1,9 Arbeitslosenquote *) 10,8 9,0 8,3 *) in Prozent Quelle: ZEW Börsen-Zeitung weit hinausgingen, auch wenn sie inzwischen nicht mehr zwanghaft zur tiefen Rezession führen müssen. Früher galt, wenn die US-Wirtschaft hustet, bekommt Europa konjunkturell eine schwere Grippe. Dies scheint sich etwas geändert zu haben. Die europäischen Volkswirtschaften, vor allem die deutsche, haben zum Teil erhebliche und erfolgreiche Anstrengungen unternommen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Schaffung der Eurozone sowie die Ausweitung der Europäischen Union nach Osten haben zudem sehr aufnahmebereite Märkte gerade für deutsche Produkte bei nicht existierendem oder geringem Wechselkursrisiko geschaffen. Zudem glänzt die deutsche Exportindustrie genau mit denjenigen Produkten, die in den aufstrebenden Volkswirtschaften – Indien, China und viele mehr – am dringendsten gebraucht werden: hochmoderne Investitionsgüter. Und wenn die EuroLänder inzwischen weniger Anteil an den deutschen Gesamtausfuhren haben als noch 2000 (siehe Grafik), so liegt das nicht an mangelnden Verkaufserfolgen der deutschen Expor- teure. Schließlich erzielten sie in dem Zeitraum satte 41 % mehr Erlös. Grund ist, dass die Lieferungen in die Emerging Markets Osteuropas, in die GUS-Staaten, den Nahen und Mittleren Osten sich gleichzeitig mehr als verdoppelt haben. Dabei ist die Wettbewerbsposition der deutschen Exportindustrie so gut, dass sie sogar Eurokurse von knapp 1,50 Dollar wegstecken kann – nicht locker, aber immerhin. Freilich spüren Betriebe, die vor allem in den Dollarraum liefern, den festen Euro stärker als andere: Die Grafik zur unterschiedlichen Entwicklung des Eurokurses in Dollar bzw. gesamt nach Handelsgewicht illustriert dies eindrucksvoll. Wer hingegen einen hohen Importanteil in seiner Wertschöpfungskette aufweist, kann sich über Kostenentlastung freuen. Auch wenn die deutsche Exportwirtschaft vor Robustheit zu strotzen scheint, dürfte das Jahr 2008 wohl einen Dämpfer für die Ausfuhren bringen. Die akute Schwäche der US-Wirtschaft trifft offenbar auf ein globales zyklisches Abbremsen, nachdem die Weltwirtschaft über Jahre hinweg überraschend hohe Wachstumsraten erzielt hatte. Nun ruhen die deutschen Hoffnungen, auch diejenigen, die auf eine Abkoppelung von einer US-Rezession setzen, auf der Binnennachfrage, vor allem dem Konsum. Denn die Investitionen könnten eine Verschnaufpause einlegen: Sie laufen ohnehin schon seit Jahren auf Hochtouren, die globalen Absatzaussichten sind nicht mehr ganz so fulminant wie zu- vor, die Finanzierungskonditionen werden etwas strikter (auch wenn die Gewinnlage der deutschen Unternehmen insgesamt hervorragend ist und so auch reichlich Eigenmittel zur Verfügung stehen), und schließlich ändern sich mit dem Jahreswechsel 2007/2008 die Abschreibungsbedingungen, so dass eine Reihe von Anschaffungen von den Betrieben vorgezogen worden sind und nun fehlen (wobei dieser Effekt von manchen Volkswirten in Zweifel gezogen wird). Gutes Fundament Bleibt also der Privatkonsum. Die fundamentale Basis für ein Anspringen der Verbrauchsnachfrage ist vorhanden: Die Beschäftigung hat in den zurückliegenden Jahren kräftig zugenommen und steigt aller Voraussicht nach weiter, die Löhne dürften etwas stärker zulegen als bislang und es steht diesmal keine saftige Erhöhung der Mehrwertsteuer an. Ob das alles ausreicht, um die deutschen Privathaushalte zu mehr Anschaffungen zu bewegen, muss sich zeigen, wird ihnen im Allgemeinen doch keine überbordende Konsumsucht nachgesagt. Und ob der Mehrwertsteuerschock von 2007 wirklich gänzlich überwunden ist oder die Konsumenten wegen dieser und anderer Erfahrungen mit der die Regierenden plötzlich überkommenden Lust auf mehr staatliche Einnahmen nicht doch erst einmal wieder mehr sparen, muss man sehen. Eine Garantie gibt es nicht, bleibt also nur die Hoffnung – und die kommt manchmal etwas bang daher. Denn wie sonst könnte aus der Bundesbank heraus ein freundschaftlicher Weihnachtsgruß verschickt werden, der die guten Wünsche für das neue Jahr – nur halb scherzend – mit dem Appell verbindet: „Und unbedingt den Konsum 2008 hochhalten bzw. höher halten!“ Möge dieser Wunsch in Erfüllung gehen.