Live-Gd. 25.3.2016 Predigt Teil 1.red bmw
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Live-Gd. 25.3.2016 Predigt Teil 1.red bmw
Livegottesdienst rbb-Kulturradio, 10-11 Uhr Karfreitag, 25. März 2016 Predigt – Teil 1: Pfarrer Michael Dürschlag, Dorfkirche Wildenbruch Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Letzte Worte Jesu nach Lukas. Jesus bittet seinen Vater um Vergebung für die Menschen, die ihm furchtbares Leid antun. Er bleibt sich mit diesen Worten treu: Seinen Freunden hatte er gesagt: Liebet eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen – So werdet Ihr Kinder eures Vaters im Himmel. Indem Jesus beim Gebot der Feindesliebe bleibt, zeigt er der Welt , dass er Kind seines himmlischen Vaters ist – Sohn Gottes. Jesus lässt sich nicht auf den immer wehrenden Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt ein, sondern durchbricht ihn, indem er in der Liebe bleibt. Jesus hält still. Er hält den Kopf hin, lässt es geschehen: ein Zeichen seiner Liebe für die Welt und auch für seine Freunde, die Menschen, die mit ihm gegangen sind. ER stirbt für seine Jünger, denn keiner seiner Freunde, die sich nach der Verhaftung verstecken, wird später zur Rechenschaft gezogen. Dem Römischen Staat reicht es, den Kopf der Aufrührer zu eliminieren. Seine Freude bleiben unangetastet, was für jeden, der sich mit totalitären Staaten auskennt, ein Wunder ist. So werden seine Freunde später sagen: „Ja, er ist für uns gestorben – Er hat uns gerettet!“ Jesus ist auf dem Weg der vergebenden Liebe geblieben, hat den Kopf hingehalten Das Brennen seiner Liebe zu uns Menschen ist nicht erloschen. Jesus hat sein Herzblut gegeben, ist selbst im Sterben seiner Leidenschaft für die Menschen treu geblieben. Vater, vergib ihnen! - den Menschen, die damals die Verantwortung trugen, dem Establishment, der Besatzungsmacht und den Jerusalemer Eliten – Vater vergib ihnen! - dem schaulustig geifernden Mob – allen, die eigentlich genau wissen, was sie tun, und genau darin zeigen, dass Sie die Liebe Jesu nicht begriffen haben. Vater vergib ihnen! - den Menschen, die sich gegen die Liebe stellen – auf die Gegenseite des Glaubens. Vater, vergib ihnen! Jesus bittet um Vergebung für diejenigen, die ihn an den Rand seines eigenen Gottvertrauens bringen, denn wir hören, wie er schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Letzte Worte Jesu nach Matthäus und Markus. Jesus muss, darin ganz Mensch, auch die Gottesferne erleiden. Es wird dunkel um ihn – so wie es im ganzen Land finster wird. Sein herz zerreißt in diesem Schrei wie später der Vorhang im Tempel. Jesus, ein Mensch, dem Gott so fern und dunkel geworden ist, dass die Beziehung zu ihm zu zerreißen droht. – Und doch hat Jesus Gott nicht ganz aufgegeben. Er schreit ihm seine Todesnot und Klage entgegen: Mein Gott. Gott bleibt ein Gegenüber – wenn auch ein dunkles, ein unnahbares und fernes. Es lässt mich erschauern, mir diese Verzweiflung Jesu vorzustellen. Es lässt mich erschauern, Menschen im Leid zuzusehen - sie rühren an mein Herz. Sie machen mich hilflos. Oft kann ich das Leid anderer nur ertragen, weil ich verzweifelt hoffe, dass Gott doch da ist, auch wenn ich ihn im Augenblick kaum spüren kann: Gott ist da, kann da sein, weil er das Leid selbst kennen gelernt hat. Wie gut, dass Jesus seine Klage vor Gott bringt. Gott kann sich angesichts des Leides in der Welt nicht aus der Verantwortung ziehen. Die Klage des Gekreuzigten, die Klage der Leidenden, denen das Wasser bis zum Hals steht, muss Gott aushalten, wenn er Gott ist. Wirkliche Gottverlassenheit, die gibt es erst dann, wenn Menschen die Möglichkeit eines Gottes, dem man seine Klage entgegenschleudern kann, gar nicht mehr wahrnehmen. Wenn die Klage ins Leere läuft, weil da keiner mehr gedacht wird, der hört – und die Klage dann herunterfällt in einen Selbst oder die Anderen, die immer Schuld sind. Jesus lässt seinen Vater nicht aus der Verantwortung.Und in seinem Sohn erlebt der Vater, wie es ist zu leiden. Der allmächtige Gott erlebt sich in seinem Sohn ohnmächtig, ausgeliefert und leidend. Der über den Lobgesängen Thronende wird geerdet. Ich erinnere mich, dass dieser Gedanke für mich sehr tröstlich war, als mein Vater im Sterben lag. Der einst so starke Mann meiner Kindertage – nun abgemagert zu einem Häufchen Elend: ein leidender Mensch. Und ich erinnere mich daran, dass es tröstend war, glauben zu können, dass Gott das selbst auch einmal erlebt und durchlitten hat. Dass ihm das Leid nicht fremd ist, weil er es mit Jesus durchlitten hat. Es war gut, die eigene Klage vor Gott bringen zu können. Es half mir, ihn gehen zu lassen, – denn ich höre Jesus damals wie heute sprechen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Letzte Worte Jesu nach Lukas. Wohltuend zu hören, dass hier die Klage in der Gottesfinsternis nicht das letzte Wort hat. Er lässt sich in die Hände seines himmlischen Vaters fallen. Er vertraut darauf, das der ihn auffangen wird. Seine Worte sind Zeichen des innigen Vertrauensverhältnisses, das Jesus zu Gott hat. Dieses Vertrauen hat Jesus die Kraft gegeben, seinen Weg bis zu diesem Augenblick zu gehen. Aus der vertrauensvollen Beziehung zu Gott hat Jesus die Kraft geschöpft, Menschen zu heilen, soziale Grenzen und Ausgrenzungen zu überwinden. Sein Vertrauen schöpft Jesus aus der voraussetzungslosen Liebe, die ihn durch sein Leben getragen hat. Durch diese besondere Beziehung zu Gott entsteht das Kraftfeld der Liebe, das für die ganze Welt sichtbar wird. Jesus kann loslassen. Er lässt sich in die Hand seines Vaters fallen. Ich erinnere mich: Ich werde zu einer sterbenden Frau ins Altenheim gerufen. Die Tochter hatte mich informiert, weil die alte Frau sehr unruhig war. Ich fahre in das Heim, treffe die Tochter, die sehr aufgeregt ist. Wir gehen in das Zimmer und die Sterbende ist unruhig. Sie sieht mich aus fernen Augen an. Ihre Hände greifen meine – ich bete: Vater im Himmel, hilf uns loszulassen. Alles, was uns verbindet, legen wir in deine Hand. Lass uns bei dir geborgen sein. Dann spreche ich das „Vater unser“ und den Segen. Die Lippen der Sterbenden bewegen sich mit – nach einer Weile verabschiede ich mich und gehe. Einige Tage später höre ich von der Tochter, ihre Mutter sei viel ruhiger geworden und noch in der Nacht friedlich eingeschlafen. Vater, in deine Hände befehle ich ihren Geist – denke ich. Predigt – Teil 2: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein Letzte Worte Jesu nach Lukas. Sie gelten einem Verbrecher, der an seiner Seite gekreuzigt wird. Die frühe christliche Tradition nannte ihn Dimas „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein„ Dimas ist der einzige, der von Jesus einen Platz im Paradies zugesichert wird. Das wurde keinem seiner Freunde zuteil. Petrus musste wieder vom Berg der Verklärung hinabsteigen auf dem er himmlische Dinge gesehen hatte - Jakobus und Johannes, die vor wenigen Tagen Jesus gebeten hatten, ihnen einen Platz im Himmel zuzusichern, waren leer ausgegangen – allein Dimas am Kreuz erhält von Jesus eine feste Zusage. Dimas verhöhnt Jesus nicht, er- bekennt sich zu dem, was er getan – „wir werden zurecht bestraft“ sagt er über sich und den anderen Schächer am Kreuz – und erkennt damit das Wesen Jesu - „aber ER hat nichts Unrechtes getan“ Und wieder erleben wir Jesus als einen Menschen, der seiner Botschaft von der Vergebung und Umkehr treu bleibt: Es gibt immer die Möglichkeit, zu Gott zurück zu kehren, auch wenn der Weg weit von Gott weg geführt hat. Im Himmel freut man sich mehr über einen, der Umkehrt als über 99 Gerechte , die der Umkehr nicht bedürfen. Gott gibt keinen Menschen verloren – selbst dann nicht, wenn die Meisten nicht mehr einen Pfifferling für ihn geben würden – so wie bei Dimas. Jesus gibt keinen verloren. Vom Kreuz herab spricht er zu Maria: „Frau, siehe, dein Sohn!“ und zu seinem Jünger : „Siehe, deine Mutter!“ Letzte Worte Jesu nach Johannes. Jesus war ein fürsorgender Mensch, ein fürsorgender Sohn – einer, der sich um die gekümmert hat, die seinem Weg gefolgt waren. Und gerade deshalb lässt ihn das künftige Schicksal seiner Mutter und des Jüngers, zu dem er eine besondere Zuneigung hatte, nicht kalt. Er will, dass es ihnen gut geht, dass sie nicht allein und gut versorgt sind. Seine Dinge in der Welt sollen geordnet sein. Jesus möchte, dass die Menschen, mit denen er in besonderer Weise verbunden war, in tröstender Gemeinschaft leben können und vertraut sie einander an. Die letzten Worte Jesu an Maria und Johanneswerden nur im Johannesevangelium berichtet. Ein Widerhall dessen, das Maria tatsächlich eine Heimat in der johanneischen Gemeinde gefunden hat. Die liebende Fürsorge Jesu für beide ein letztes Zeugnis seiner Liebe und Zuneigung. Jetzt sind seine Dinge geordnet. Wir erleben es häufig bei sterbenden Menschen, dass es ihnen leichter fällt zu gehen, wenn sie ihre Dinge geordnet wissen , ihre Lieben versorgt. Dann ist Jesus noch einmal ganz Mensch: Er spricht: „Mich dürstet.“ Letzte Worte Jesu nach Johannes. Der, der gesagt hatte: „Selig sind die , die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit“ – zeigt ein letztes Mal, dass Gott wirklich Mensch geworden ist. Er ist kein Halbgott, der nie wirklich einen Fuß auf die Erde gesetzt hat. Er ist der, der unser Leben gelebt hat: einer, der in Windeln gewickelt wurde, der Hunger und Durst hatte – Schmerzen und Freude empfunden hat – genau wie wir. Indem er diesen letzten Erweis seiner Menschlichkeit ausspricht ist: „Alles vollbracht JA : Es ist vollbracht Es ist vollbracht. Letzte Worte Jesu nach Johannes. Mission completed - Aufgabe erfüllt! Der Weg Jesu in dieser Welt hat sich vollendet – ist an das Ziel gekommen. Mehr ist nicht zu tun - das Kraftfeld der Liebe Gottes ist in der Welt, in der wir leben, errichtet. Wir können uns an ihr orientieren, uns von ihr bekräftigen lassen. Diese Liebe ist nicht von dieser Welt, aber in der Welt. Ohne sie wäre es schlecht um uns bestellt. Jesus kehrt zu seinem Vater zurück. Seine Liebe bleibt als Möglichkeit für uns bei uns! Selbst wenn Jesus noch hundert Jahre gelebt hätte – seiner Botschaft der Liebe, Annahme, Vergebung ,Fürsorge, des Vertrauens in Gott hätte er nichts neues hinzufügen können: Blinde sehen, Lahme gehen, Tote werden wieder lebendig und den Armen wird das Evangelium verkündet – Alles ist passiert. Jesus haucht seine Seele aus. Es ist vollbracht! Sein Tod führt letztlich in das Leben derer, die ihm nachfolgen werden – auch in unser Leben. Amen. Amen