Erfahrungsbericht - unseriöse Schuldnerberater

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Erfahrungsbericht - unseriöse Schuldnerberater
Geschäfte mit der Armut
Bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung
www.aktionswoche-schuldnerberatung.de
Erfahrungsbericht „unseriöse Schuldnerberater“
RA Holger Brandl, Kassel
Die
Erfahrungen
mit
zwielichtigen,
gewerblichen
Schuldnerberatungen offenbaren ein Grundkonzept, nach
dem
das
Erfordernis
der
gesetzlichen
Erlaubnis
zur
Rechtsberatung, normiert durch die jeweiligen AG-InsOs
der Länder i. V. m. § 305 InsO, zu umgehen versucht wird.
Gemeinsam ist den oftmals franchise-ähnlich organisierten
„schwarzen Schafen“ der Branche, dass teils gegen beeindruckende Honorare
schnelle
Hilfe
versprochen
wird,
die
letztlich
durch
Beauftragung
eines
Rechtsanwalts einzig von diesem umgesetzt wird. Dem Hilfesuchenden sind die
gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen Schuldnerberatung erfolgen darf,
oftmals ebenso unbekannt wie der Kontext, in dem die illegalen Anbieter am
Markt operieren, den Sachbearbeitern der zuständigen Anerkennungsbehörden.
Sachverhalt:
Schuldner S ist hoch verschuldet. In der Zeitung und im örtlichen Branchenbuch
erfährt er von der Schuldnerhilfe „Notstand“ und vereinbart telefonisch einen
Termin. Ein seriös wirkender, wortgewandter Mitarbeiter erläutert ihm anhand
von Tabellen und Organigrammen, dass er in sechs Jahren mit seiner Hilfe
schuldenfrei sei könne. Hierfür müsse er nur ein Pauschalhonorar von 2.980,00 €
zahlen und die Auftragsvereinbarung unterzeichnen, wonach die Schuldnerhilfe
sich u. a. zur Durchführung einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung und
der Betreuung im gerichtlichen Insolvenzverfahren verpflichtet. Alle zukünftig
anfallenden Kosten seien in dem Pauschalhonorar enthalten; lange Wartezeiten,
wie bei vielen anderen Schuldnerberatungen üblich, gäbe es nicht. Die
hauseigenen Spezialanwälte würden sich um alles kümmern.
Schuldner S ist begeistert. Froh über die unbürokratische Abwicklung übergibt er
seinen gut gefüllten Schuhkarton, in den er seit geraumer Zeit seine Mahn- und
Vollstreckungsbescheide und übrige Mahnschreiben der Gläubiger ablegt, an den
Berater. Dieser leitet sie – nachdem er eine kursorische Ordnung vorgenommen
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und das vereinbarte Honorar erhalten hat – an eine Rechtsanwaltskanzlei weiter,
von der S einige Tage später Post erhält. Nach Weisung seines Beraters erteilt er
dort die Vollmacht zur Vertretung im außergerichtlichen Einigungsversuch gemäß
§ 304 ff. InsO. Einige Wochen später erreicht ihn die von den Rechtsanwälten
ausgestellte Urkunde über die erfolglose Durchführung des Einigungsversuchs
(Anlage 2 und 2A des amtlichen Verbraucherinsolvenzantragsformulars) sowie
eine Rechnung auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), die
er bezahlen muss. S leiht sich verärgert abermals von seinem Schwager Geld,
um die Rechtsanwälte bezahlen zu können. Es stellt sich heraus, dass die
Schuldnerhilfe „Notstand“, anders als S meinte und der Berater zu erkennen gab,
die Anwälte nicht direkt aus dem „Pauschalhonorar“ vergütet, sondern das Geld
für eigene Zwecke verbraucht hat.
Rechtliche Betrachtung
Fälle der vorstehenden, verkürzt geschilderten Art beschreiben eine typische
Vorgehensweise, wonach S nur noch weiter in die Verschuldung getrieben wird.
Honorare in der beispielhaft aufgezeigten Höhe (und darüber hinaus) sind keine
Seltenheit. Der Vertrag zwischen S und der Schuldnerhilfe ist wegen Verstoßes
gegen ein gesetzliches Verbot nichtig und verpflichtet wegen ungerechtfertigter
Bereicherung
zur
Genehmigung zur
Rückzahlung
der
2.980,00
€.
Mangels
behördlicher
Rechts- und Schuldnerberatung bzw. Anerkennung als
geeignete Stelle war es der „Nothilfe“ verboten, eine Schuldenbereinigung oder
eine Betreuung im gerichtlichen Insolvenzverfahren und ähnliches mehr zu
versprechen. Wer meint, sich daher mangels einer solchen Befugnis zugelassener
Rechtsberater bedienen zu können, irrt. Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz
(das das frühere Rechtsberatungsgesetz abgelöst hat) muss weiterhin jeder, der
Rechtsberatung anbietet, hierzu in eigener Person befugt sein. Selbstverständlich
sind die hier betrachteten Anbieter auf dem Markt der Entschuldung nicht im
Besitz der notwendigen behördlichen Genehmigung. Die Einschaltung Dritter, die
letztlich die vertraglich geschuldete Leistung – wenn auch auf Grundlage eigener
Beauftragung – erbringen, ändert hieran nichts.
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Nach einhelliger Rechtsprechung1 fungieren zur Rechtsberatung zugelassene
Dritte in solchen Fällen als Erfüllungsgehilfen, deren Dienstleistung sich die
„Nothilfe“ wegen der vertraglichen Bindung zum Schuldner zurechnen lassen
muss. Das Amtsgericht Westerburg2 hat jüngst darüber hinaus eine strafrechtlich
relevante Komponente solcher Aufträge betont. Bereits das Erwecken des
Eindrucks, der Berater sei als Beratungsstelle i. S. d. § 305 InsO anerkannt oder
sei gar selbst geeignete Person im Sinne der Ausführungsgesetze der Länder zur
InsO, ohne dass dies tatsächlich der Fall ist, begründe den Verdacht eines
Betruges. Daneben erfüllen Honorare der im Beispiel genannten Höhe nicht
selten den Tatbestand des Wuchers.
Im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens zeigt sich die Zahlung des
Schuldners oftmals für den aufmerksamen, gerichtlich bestellten Treuhänder
bzw. Insolvenzverwalter als nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar, da der Berater
jedenfalls durch seine Bearbeitung der schuldnerischen Unterlagen Kenntnis von
der Zahlungsunfähigkeit gem. § 130 Abs. 2 InsO erlangt haben dürfte.
Zumindest aber ist der Rückzahlungsanspruch als Anspruch gegen Dritte
insolvenzbehaftet und damit massezugehörig.
Fazit
dieser
Betrachtung
ist
daher,
dass
sich
die
Konsultierung
von
selbsternannten Schuldnerberatern, von denen man sich im Zweifel immer von
ihrer Anerkennung durch Vorlage des Genehmigungsbescheides überzeugen
sollte, selten lohnt: Die Kosten solcher Anbieter sind angesichts der Tatsache,
dass jegliche ihrer Tätigkeiten immer auch Gegenstand des Mandatsverhältnisses
zu einem Rechtsanwalt und damit überflüssig sind, vermeidbar. Dagegen lohnt
sich die Suche nach einem spezialisierten Rechtsanwalt oder das Warten auf
einen Beratungstermin bei einer kompetenten karitativen oder öffentlichen
Beratungsstelle. Dies schont nicht zuletzt die Nerven, sondern auch den
Geldbeutel.
1 vgl. BGH NJW 1987, 3003; zuletzt BGH I ZR 166/06, WM 2009, 1953; LG Hanau, Urt. v. 11.12.2009, 2 S 165/09; AG Coburg, Urt. v. 05.07.2007,
15 C 552/07; LG Coburg, Beschl. v. 12.10.2007, 33 S 74/07; AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 12.06.2008, 815 C 212/07; AG Kassel, Urteil v.
12.03.2008, 415 C 2959/07; 413 C 1070/08
2 AG Westerburg, Urteil v. 29.10.2009, 23 C 321/09
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