Europas Geld für morgen - Deutsche Bank Research

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Europas Geld für morgen - Deutsche Bank Research
Europas Geld für morgen
Sonderbericht
Die Entscheidung über einen pünktlichen Start der Europäischen Währungsunion mit elf Teilnehmerländern ist
Anfang Mai 1998 gefallen. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Währungsunion und des
Übergangs zum Euro liegen inzwischen weitgehend fest. Damit verfügen Unternehmen und Bürger über klare
Planungs- und Handlungsgrundlagen. All dies machte eine grundlegende Überarbeitung der Broschüre „Der Euro –
Eine stabile Währung für Europa“ vom Februar 1997 erforderlich. Ziel der vorliegenden Studie unter dem neuen
Titel „Europas Geld für morgen“ ist es, die Auswirkungen der EWU, den Übergang zum Euro sowie den wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf darzustellen.
Projektleitung:
Werner Becker, Ulrich Schröder
Autoren:
Klaus Deutsch, Ralf Hoffmann, Steffen Kern, Bernhard Speyer
Redaktionsassistenz:
Melanie Haibach, Anke Kühnel
Angelika Rauch, Burgitta Scheurer
Aktualisierter Nachdruck der Erstausgabe vom 3. Juni 1998, abgeschlossen am 31. August 1998.
Vorwort
Die Würfel sind gefallen. Die Entscheidung des Europäischen Rats der Staatsund Regierungschefs über den Start der Europäischen Währungsunion mit
elf teilnehmenden Staaten zum 1. Januar 1999 wurde am 2. Mai getroffen.
Die Euro-Wechselkurse der Teilnehmerwährungen werden unwiderruflich fixiert, und die neue Gemeinschaftswährung, der Euro, wird in mehreren Schritten bis Mitte 2002 eingeführt. Die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt wird von Präsident Willem Duisenberg geführt werden. Der Auftrag der
EZB lautet, die Geldwertstabilität des Euro zu sichern, ohne Wenn und Aber.
Die Aussichten für die Geldwertstabilität des Euro sind gut. Die Konvergenzanstrengungen der Staaten haben eine Zeitenwende in der Stabilitätspolitik
eingeläutet. Stabile Wechselkurse im Europäischen Währungssystem, niedrige Inflationsraten und Zinsen sind sichtbarer Ausdruck dieser Anstrengung.
Ein stabiler Euro erfordert auch in Zukunft gute Politik. Dazu gehören die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, strukturelle Reformen und moderate
Lohnabschlüsse. Nur so wird Europa aus der Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche geführt werden können.
Die Währungsunion stellt eine konsequente Fortsetzung der wirtschaftlichen
und monetären Integration Europas dar. Der gemeinsame Markt erhält auch
eine gemeinsame Währung. Die Währungsunion bedeutet jedoch mehr: Sie
bindet die Länder und Völker noch viel enger zusammen, erfordert gemeinschaftsverträgliches Handeln in allen Bereichen.
Der Euro wird die Währungsunion für die Bürger ganz konkret erfahrbar werden lassen. Sie werden von der Preistransparenz, vom größeren Wettbewerb auf den Märkten und vom wachsenden Wohlstand profitieren. Der Euro
schafft auch ganz neue Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten in dem viel
größeren Finanzmarkt. Das kommt Sparern wie Investoren zugute.
Über Erfolg oder Mißerfolg der Währungsunion entscheidet nicht das Schicksal, sondern das politische und wirtschaftliche Handeln aller. Die Bürger Europas erwarten zu Recht, daß ihre nationalen Währungen durch gutes europäisches Geld ersetzt werden. Politische Restrisiken sollen nicht geleugnet
werden, aber ich bin fest davon überzeugt, daß es den teilnehmenden Ländern gelingen wird, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Wie in den letzten 50 Jahren die Deutsche Mark muß nun der Euro, Europas
Geld für morgen, ein Erfolg werden. Ich bin zuversichtlich, daß dies gelingen
wird.
Josef Ackermann
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I.
Der Euro kommt
1998: Das Jahr der Entscheidungen ...................................................................................................... 7
Die Beschlüsse von Brüssel .................................................................................................................. 8
Euroland nimmt Gestalt an .................................................................................................................... 8
Große Konvergenzfortschritte 1996/97 ................................................................................................. 9
Wachstumschancen in Euroland nutzen ............................................................................................... 11
II. Der Übergang zum Euro
Verbindlicher Zeitplan für die Einführung des Euro .............................................................................. 12
Die Vorbereitungsschritte in Phase A (Mai bis Dezember 1998) .......................................................... 12
Umstellung des Buchgelds in Phase B (1999 bis 2001) ...................................................................... 12
Bargeldaustausch in Phase C (erste Hälfte 2002) ............................................................................... 15
Umstellung auf den Euro in mehreren Geschwindigkeiten ................................................................. 15
Der Rechtsrahmen der Währungsumstellung ..................................................................................... 16
Festlegung der Umrechnungskurse .................................................................................................... 17
III. Die Europäische Zentralbank
Die Gründung der EZB ........................................................................................................................ 21
Die Aufgaben der EZB ......................................................................................................................... 22
Emission von Euro-Banknoten und -Münzen ....................................................................................... 22
Wechselkurspolitik darf Preisstabilität nicht gefährden ....................................................................... 23
Die geldpolitische Strategie: Geldmengen- oder Inflationsziel? ........................................................... 23
Geldpolitisches Instrumentarium: Schwerpunkt auf Offenmarktpolitik ............................................... 24
Zinskorridor für den Geldmarkt ............................................................................................................ 25
Diskontfenster entfällt ......................................................................................................................... 25
Mindestreserve wird eingeführt .......................................................................................................... 26
Veränderungen im Zahlungsverkehr .................................................................................................... 27
Die Übertragung von Währungsreserven auf die EZB ......................................................................... 28
Die Verteilung der Gewinne der EZB ................................................................................................... 29
IV. Chancen und Risiken der Währungsunion
Volkswirtschaftliche Vorteile ................................................................................................................ 30
Die Währungsunion ist keine Währungsreform ................................................................................... 30
Der Euro – so stabil wie die D-Mark? .................................................................................................. 31
Stabile Zinslandschaft .......................................................................................................................... 32
Kein Spielraum für weitergehende Transferleistungen ........................................................................ 32
Chancen für die Arbeitsmärkte ........................................................................................................... 32
Chancen nutzen und Risiken minimieren ............................................................................................ 33
Politische Perspektiven ........................................................................................................................ 34
4
V.
Wirtschaftspolitik in der EWU
Einheitliche Geldpolitik für Euroland ..................................................................................................... 35
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Ordnungsrahmen für die Finanzpolitik ....................................... 36
Funktion und Bedeutung der Euro-11-Gruppe ....................................................................................... 38
Führt die EWU zu einer Harmonisierung der Wirtschaftspolitik in der EU? .......................................... 38
Lohnpolitik unter den Bedingungen der EWU ...................................................................................... 40
VI.
Auswirkungen auf die Finanzmärkte
Konsequenzen für die Rentenmärkte ................................................................................................... 41
Keine einheitlichen Anleihezinsen ........................................................................................................ 41
Benchmark-Anleihen ............................................................................................................................ 42
Neue Emittenten und Marktsegmente ................................................................................................ 42
Unternehmensanleihen ....................................................................................................................... 42
Umstellung der Rentenmärkte ............................................................................................................ 43
Neue Referenzzinssätze ...................................................................................................................... 43
Konsequenzen für die Aktienmärkte .................................................................................................... 44
Ein „Big Bang“ in der Vermögensanlage .............................................................................................. 44
Wie werden die Aktienmärkte umgestellt? ......................................................................................... 45
Konsequenzen für die Terminmärkte .................................................................................................... 45
Der Wettbewerb der Finanzplätze ........................................................................................................ 46
VII. Die EWU - ein offenes Integrationskonzept
Spaltet die EWU die Europäische Union? ............................................................................................ 47
Das EWS II: Währungspolitische Brücke zur EWU ............................................................................... 47
Die Beitrittsperspektiven weiterer EU-Staaten zur Währungsunion ..................................................... 48
Die EWU und die Osterweiterung ....................................................................................................... 49
Kann ein Land aus der EWU austreten oder ausgeschlossen werden? ............................................... 49
VIII. Die internationale Rolle des Euro
Der Euro: Herausforderung für den US-Dollar ...................................................................................... 51
Die künftige Rolle des Euro im Welthandel .......................................................................................... 52
Der Euro als bedeutende Anlage- und Reservewährung ...................................................................... 53
Der Euro in der internationalen Währungspolitik .................................................................................. 54
Anhang
Etappen der Währungsintegration ....................................................................................................... 56
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................................ 57
Länder und ihre Währungsabkürzung laut ISO-Code ............................................................................ 57
Weiterführende Quellenhinweise ........................................................................................................ 58
Kundeninformationen der Deutsche Bank AG zur EWU ....................................................................... 59
Übersicht über die Publikationsreihe EWU-Monitor ............................................................................. 60
5
I. Der Euro kommt
1998: Das Jahr der Entscheidungen
Die Europäische Währungsunion (EWU) wird am 1. Januar 1999 beginnen. Von den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) werden
ihr zunächst elf Länder angehören. Dies sind Deutschland, Frankreich,
Italien, Spanien, die Niederlande, Belgien, Österreich, Finnland, Portugal, Irland und Luxemburg. Aus unterschiedlichen Gründen werden Großbritannien, Schweden, Dänemark und Griechenland (EU-4) nicht von
Anfang an teilnehmen. Mit diesem Beschluß bestätigte der Europäische
Rat der Staats- und Regierungschefs auf dem Sondergipfel der EU Anfang Mai 1998 in Brüssel formell, was sich angesichts der großen Konvergenzerfolge in der EU in den Monaten zuvor bereits deutlich abzuzeichnen begann: Der pünktliche Start der EWU mit einem großen Teilnehmerkreis.
Dem historischen Gipfel von Brüssel waren einige wichtige Etappen
vorausgegangen. So stützte sich die Auswahl des Teilnehmerkreises
durch den Rat gemäß dem in Art. 109 j EGV vorgesehenen Verfahren
auf die Empfehlung der EU-Kommission. Diese hatte am 25. März ihren Bericht zum Stand der Konvergenz in der EU vorgelegt und war
darin zu dem Ergebnis gekommen, daß die elf genannten Staaten die
wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Teilnahme an
der EWU erfüllen. Das Europäische Währungsinstitut (EWI) bewertete
in seinem zeitgleich veröffentlichten Konvergenzbericht die Konvergenzfortschritte ebenfalls positiv, wies aber darauf hin, daß weitere Maßnahmen zur Haushaltssanierung in vielen Staaten notwendig seien,
um den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (im folgenden kurz: Stabilitätspakt) Rechnung zu tragen. Kritischer äußerte
sich die Deutsche Bundesbank, die nach der Veröffentlichung der
Konvergenzberichte auf Anfrage der Bundesregierung ebenfalls eine
Stellungnahme abgab. Die Bundesbank sah noch deutliche Defizite in
der fiskalischen Konvergenz und forderte – insbesondere von den hochverschuldeten Ländern Italien und Belgien – weitere Konsolidierungsmaßnahmen, um eine „auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen
Hand“ zu erreichen. Insgesamt seien aber „erhebliche Konvergenzfortschritte“ in der EU erreicht worden, so daß der Start der Währungsunion 1999 „stabilitätspolitisch vertretbar“ sei. Zur von der Kommission empfohlenen Anzahl der EWU-Startteilnehmer von elf Staaten äußerte sich die Bundesbank nicht explizit.
Am 2. April verwarf der Zweite Senat des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einstimmig mehrere Verfassungsbeschwerden
gegen die Einführung des Euro als „offensichtlich unbegründet.“ Das
BVerfG wies in der Begründung darauf hin, daß die Grundsatzentscheidung über die Mitwirkung Deutschlands an der EWU mit dem – von
Bundestag und Bundesrat gebilligten und vom BVerfG für verfassungsgemäß erklärten – Vertrag von Maastricht bereits 1992/93 gefällt worden
sei. Die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat sowie ihre aktive
Mitwirkung an der Einführung des Euro bildeten eine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage für die Währungsunion.
Stufenplan zur Europäischen
Währungsunion
• Die erste Stufe der EWU begann am
1. Juli 1990 und umfaßte im wesentlichen die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs und
eine engere Kooperation in der Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik der
EG-Mitgliedsländer.
• Am 1. Januar 1994 startete die
zweite Stufe. Zu Beginn wurden das
Europäische Währungsinstitut (EWI)
als Vorläuferin der Europäischen
Zentralbank (EZB) gegründet und
die Notenbankfinanzierung öffentlicher Defizite verboten. Die Überwachung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedsländer ist vertieft worden. Höhepunkt der zweiten Stufe war die Festlegung der elf
Gründungsteilnehmer der EWU auf
dem EU-Sondergipfel in Brüssel
vom 1.-3. Mai 1998.
• In der dritten Stufe, die am 1. Januar
1999 beginnt, wird die Währungsunion vollendet. Mit dem Eintritt in
die dritte Stufe erfolgt die unwiderrufliche Fixierung der Umrechnungskurse der nationalen Währungen
zum Euro und damit auch die endgültige Fixierung der Wechselkurse
der teilnehmenden Staaten untereinander. Die geldpolitische Verantwortung geht auf das Europäische
System der Zentralbanken (ESZB)
über, das sich aus der EZB und den
nationalen Notenbanken zusammensetzt. Am Ende der dritten Stufe, die bis spätestens Mitte 2002
abgeschlossen sein muß, steht der
Austausch des nationalen Bargeldes gegen Banknoten und Münzen
in Euro.
Bundestag und Bundesrat befürworteten in Sondersitzungen am
23./24. April 1998 mit breiter Mehrheit einen Start der EWU mit elf Ländern. Im Bundestag votierten bei fünf Enthaltungen 575 Abgeordnete
für die Einführung des Euro und 35 dagegen. Im Bundesrat stimmten
15 Länder für den Start der EWU, lediglich Sachsen enthielt sich der
Stimme. Die Bundesregierung hatte 1992 ihr Stimmverhalten im Euro-
7
päischen Rat von einem zustimmenden Votum von Bundestag und
Bundesrat abhängig gemacht. Auch in den Parlamenten anderer EUStaaten waren dem Brüsseler Gipfel Beratungen vorausgegangen.
Die Beschlüsse von Brüssel
Auf dem EU-Sondergipfel wurden neben der Auswahl der Teilnehmer
weitere, für den reibungslosen Start der EWU richtungsweisende Entscheidungen gefällt. Der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) beschloß, daß die gegenwärtigen bilateralen Leitkurse der EWU-Staaten
im Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems
(EWS) für die unwiderrufliche Festlegung der Umrechnungskurse zum
Euro verwendet werden sollen. Damit soll ein reibungsloser Übergang
von den nationalen Währungen auf den Euro ermöglicht und eventuellen spekulativen Bewegungen an den Devisenmärkten im Vorfeld der
endgültigen Wechselkursfixierung per 31. Dezember 1998 der Boden
entzogen werden. Der Rat der Staats- und Regierungschefs konnte sich
nach längeren Verhandlungen auch auf die Besetzung des ersten Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) einigen (Kap. III).
Leitkurse als Basis der
Wechselkursfixierung
Um die fiskalische Konvergenz in der EWU weiter voranzubringen,
einigte sich der ECOFIN-Rat in Brüssel auf eine zusätzliche Stabilitätserklärung, die am 1. Juli 1998 in Kraft tritt. Darin verpflichten sich die
EWU-Staaten, „dafür Sorge zu tragen, daß die für 1998 gesetzten nationalen Haushaltsziele uneingeschränkt erreicht werden“. Erforderlichenfalls sollen rechtzeitig Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden.
Verläuft die Haushaltsentwicklung besser als erwartet, soll der entstehende finanzielle Spielraum zu weiteren haushaltspolitischen Konsolidierungen genutzt werden, um dem mittelfristigen Ziel des Stabilitätspaktes eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuß aufweisenden
Staatshaushaltes Rechnung zu tragen. Mit diesem Ziel soll auch eine
frühzeitige Prüfung der Haushaltsentwürfe für 1999 erfolgen.
Zusätzliche Stabilitätserklärung
verabschiedet
Der ECOFIN-Rat hat zudem eine Reihe von Rechtsakten hinsichtlich
der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 erlassen. So hat der ECOFINRat die Euro-Münzverordnung verabschiedet und die Empfehlungen der
Kommission zur doppelten Preisauszeichnung sowie zu den
Bankentgelten bei der Euro-Umstellung gebilligt. Letztere sieht u.a. eine
unentgeltliche Umstellung aller Kundenkonten vor. Schließlich hat der
ECOFIN-Rat beschlossen, die Ratsverordnung über die Einführung des
Euro, die vor allem den Rechtsstatus des Euro in der Übergangsphase
von 1999 bis 2002 regelt, in allen EWU-Teilnehmerstaaten zum
1. Januar 1999 in Kraft zu setzen (Kap. II).
Rechtsakte regeln Übergang
zum Euro
Euroland nimmt Gestalt an
Mit den Beschlüssen von Brüssel hat die Geschichte der europäischen
Integration einen weiteren Höhepunkt erreicht. Euroland nimmt Gestalt
an. Durch die Festlegung der bilateralen Wechselkursverhältnisse
zwischen den elf EWU-Teilnehmern hat die Währungsunion de facto
bereits begonnen, auch wenn der eigentliche Startschuß erst am 1.
Januar 1999 fallen wird. Euroland wird hinter den USA zunächst der
zweitgrößte, nach Beitritt aller EU-Staaten sogar der größte
Wirtschaftsraum mit einer gemeinsamen Währung sein. Knapp 30 %
des BIP der OECD werden von Euroland erwirtschaftet. Auch im
Welthandel wird Euroland eine wichtige Rolle spielen: Zwar sinkt rein
rechnerisch die Außenhandelsverflechtung der EWU im Vergleich zu ihren
Einzelstaaten, wenn durch die gemeinsame Währung ein Teil des
bisherigen Außenhandels, z.B. zwischen Deutschland und Frankreich,
den Charakter von reinem Binnenhandel annehmen wird. Rund 50 %
8
Euroland ist zweitgrößter
Wirtschaftsraum ...
der Gesamtexporte der EWU-11 gehen in andere Mitgliedstaaten. Mit
einer Export- bzw. Importquote in Nicht-EWU-Staaten von gut 12 % bzw.
11 % des BIP wird Euroland aber zumindest bis zum Beitritt weiterer
EU-Staaten eine höhere außenwirtschaftliche Verflechtung aufweisen
als die USA und Japan. Hinter diesen aggregierten Quoten verbergen
sich jedoch größere Unterschiede zwischen den EWU-Mitgliedsländern:
Während für Spanien und Portugal z.B. die Exportquote in Länder
außerhalb der EWU nur 7 % des BIP beträgt, beläuft sie sich auf 23 %
für Finnland und, wegen der engen Handelsverflechtung mit Großbritannien, sogar auf 40 % für Irland. Deutschland nimmt mit 12 % einen
... mit großem Gewicht
im Welthandel
Euroland: Wirtschaftsdaten im Vergleich (1997)
Euroland
EU
USA
Japan
Bevölkerung (Mill.)
Erwerbsquote (%)
Arbeitslosenquote (%)
290.4
64.8
11.6
374.1
66.7
10.6
267.9
77.6
5.0
126.0
78.0
3.4
BIP (Mrd. USD)
BIP (pro Kopf)
Anteil am OECD-BIP
6309
21700
28.4
8093
7819
21600 29200
36.4
35.2
4223
33500
19.0
Staatssektor (% des BIP)
Ausgabenquote
Budgetsaldo
Staatsverschuldung
49.6
-2.5
75.2
48.7
-2.4
72.1
37.0
-0.3
63.1
36.0
-3.4
99.7
Außenhandel (% des BIP)*)
Exporte (1996)
Importe (1996)
Leistungsbilanz
(Mrd. USD)
12.3
11.0
1.8
115
9.2
8.6
1.5
125
8.1
10.6
-2.1
-166
8.8
6.9
2.2
94
*) F ür Euroland und EU um intraregionalen Handel bereinigt.
Quelle: EWI, OEC D, IWF , EU-Kommission, eigene B erechnungen
Mittelplatz ein. Finnland und Irland werden also zunächst in geringerem
Maße als Spanien, Portugal oder auch Deutschland von der Ausschaltung
von Wechselkursrisiken durch den Euro profitieren können (Kap. V).
Große Konvergenzfortschritte 1996/97
Europa kann mit einem stabilen Euro rechnen. Die Fortschritte, insbesondere im Bereich der monetären Konvergenz, sind beeindruckend: Die
Inflationsrate von Euroland hat 1997 mit 1,6 % den niedrigsten Stand
seit mehr als dreißig Jahren erreicht. Die durchschnittliche Inflationsrate von Frankreich, Österreich und Irland, die beim Konvergenztest Ende
März 1998 bei diesem Kriterium am besten abgeschnitten haben, lag
bei nur 1,2 %. Aufgrund der Definition des Inflationskriteriums betrug
somit die für eine EWU-Qualifikation höchstens zulässige Inflationsrate eines Landes 2,7 %. Alle qualifizierten Länder blieben sogar deutlich unter diesem Wert. Auch das Kriterium der Wechselkursstabilität
bereitete den meisten EU-Staaten keine Probleme. Das sehr hohe Maß
9
Konvergenzlage der EU-Länder
Konvergenzkriterien:
1. Das Kriterium der Preisstabilität bedeutet, daß ein Mitgliedstaat eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres
vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate (Verbraucherpreisindex) aufweisen muß, die um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte
über der Inflationsrate jener - höchstens drei - Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben.
2. Das Kriterium einer auf Dauer tragbaren Finanzlage der öffentlichen Hand bedeutet, daß die Mitgliedstaaten übermäßige Defizite
vermeiden; insbesondere darf a) das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum BIP 3 % nicht überschreiten,
es sei denn, daß entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht
hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwertes
bleibt; b) das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstandes zum BIP 60 % nicht überschreiten, es sei denn, daß das Verhältnis hinreichend
rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
3. Das Kriterium der Konvergenz der Zinssätze bedeutet, daß im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem Mitgliedstaat der
durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz (langfristige Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbare Wertpapiere) um nicht mehr
als 2 Prozentpunkte über dem entsprechenden Satz in jenen - höchstens drei - Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität
das beste Ergebnis erzielt haben.
4. Das Kriterium der Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, daß ein Mitgliedstaat
die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in
den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muß. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs
seiner Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber der Währung eines anderen Mitgliedstaats nicht von sich aus abgewertet
haben.
Konvergenzlage der EU-M itgliedstaaten
Inflationsrate
(% )
Budgetsaldo
in % des BIP
Schulden in
% de s BIP
1)
1997
1997
Refe renzw ert
2,7
-3,0
60,0
7,8
EW U-11
Deuts c hla nd
Fra nk reic h
Ita lien
Spa nien
Niederla nde
B elgien
Ös terreic h
Finnla nd
Portuga l
Irla nd
Lux em burg
1.4
1.2
1.8
1.8
1.8
1.4
1.1
1.3
1.8
1.2
1.4
-2.7
-3.0
-2.7
-2.6
-1.4
-2.1
-2.5
0.9
-2.5
0.9
1.7
61.3
58.0
121.6
68.8
72.1
122.2
66.1
55.8
62.0
66.3
6.7
5.6
5.5
6.7
6.3
5.5
5.7
5.6
5.9
6.2
6.2
5.6
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
-1.9
-0.8
0.7
-4.0
53.4
76.6
65.1
108.7
7.0
6.5
6.2
9.8
nein
nein
ja
ja
1997
EU-M itglieds taaten auß erhalb der EW U
Großbrita nnien
1.8
Sc hw eden
1.9
Dä nem a rk
1.9
Griec henla nd
5.2
1) Z wö lfmo nats zeitraum bis Januar 1998
D urc hs c hnitts inflatio ns rate der "bes ten" E U-Länder F rank reic h, Ös terreic h, Irland (1997): 1,2 %
Quelle: E U-Ko mmis s io n
10
Langfristiger
Zins (% )
1997
1)
EW STeilnahme
Mai 98
an Preisniveau- und Wechselkursstabilität in den EWU-Staaten sowie
die Erwartung eines pünktlichen Starts der EWU als Stabilitätsunion
haben eine Angleichung der Kapitalmarktzinsen auf sehr niedrigem Niveau ermöglicht: Der Durchschnitt der langfristigen Zinssätze in den
drei preisstabilsten EU-Staaten betrug in der Referenzperiode (Febr.1997/
Jan.1998) nur 5,8 %; der Referenzwert zur EWU-Qualifikation lag damit bei 7,8 %. Alle elf Gründungsstaaten erfüllen damit das konstituierende Merkmal einer Währungsunion: Den dauerhaften Verzicht auf Inflation und Abwertung als nationale Instrumente zur Lösung wirtschaftspolitischer Probleme.
Nicht ganz so uneingeschränkt positiv ist – trotz erheblicher Fortschritte – der Stand der fiskalpolitischen Konvergenz zu beurteilen: Die Budgetdefizite lagen für eine Reihe von EWU-Qualifikanten nur knapp unter dem Referenzwert von 3 % des BIP. Damit konnte zwar das Maastrichter Defizitkriterium erfüllt werden. Die meisten EWU-Staaten sind
aber noch recht deutlich von dem Ziel eines mittelfristig nahezu ausgeglichenen Staatshaushaltes oder eines Überschusses entfernt. Ohne
eine Fortsetzung des Konsolidierungskurses droht in konjunkturellen
Schwächephasen ein erneutes Ansteigen der Defizite und eine Verletzung des Stabilitätspaktes.
Die Schuldenquote überstieg in acht der elf EWU-Staaten den Referenzwert des Maastricht-Vertrags von 60 % des BIP. In Belgien
(122,2 %) und Italien (121,6 %) lag sie 1997 sogar noch etwa doppelt
so hoch, war zuletzt aber klar rückläufig. Das Risiko für die Stabilität
des Euro durch die Teilnahme dieser Länder ist jedoch begrenzt. Vor
allem Belgien und zuletzt auch Italien haben gezeigt, daß ein hoher
Schuldenstand durchaus mit niedrigen Inflationsraten vereinbar ist.
Dennoch sind beide Länder in besonderem Maße gefordert, ihre Neuverschuldung weiter zurückzuführen, die Schuldenquote deutlich zu reduzieren und die Anfälligkeit der Staatshaushalte für steigende Zinsen
zu vermindern.
Inflationsraten*)
8
EU-harmonisierter Index
% gg. Vj.
7
6
5
4
2.7 %
3
2
1
0
D
F
I
GB
E
NL
B
S
A DK SF
P
GR IRL
*) Durchschnit t der 12 Monat e bis Januar 1998.
Langfristige Zinsen*)
20
10J-Staatsanleihen
16
12
7.8%
8
4
0
D
F
I GB E NL B
S A DK SF
P GR IRL
*) Durchschnitt der 12 Monate bis Januar 1998.
Budgetdefizite 1997*)
-5
in % des BIP
-4
Wachstumschancen in Euroland nutzen
Wichtig ist nun, das durch die Währungsunion geschaffene Potential für
höheres Wachstum und mehr Beschäftigung in Europa auch auszuschöpfen (Kap. IV). Dazu ist es notwendig, sich auf die neuen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in der EWU einzustellen. Der
Verzicht auf Abwertung und eigenständige Geldpolitik als Mittel der
Wirtschaftspolitik führt zu wachsenden Anforderungen an die in nationaler Verantwortung verbleibenden Bereiche der Wirtschaftspolitik. Der
Reformdruck wird verstärkt durch die im Vertrag von Maastricht und im
Stabilitätspakt verankerten finanzpolitischen Ziele.
Das Wachstumspotential wird in vielen EWU-Staaten aufgrund einer
Einengung privatwirtschaftlicher Aktivitäten durch den Staat geschmälert. Privatisierung, Subventionsabbau, Deregulierung und Reformen
der Steuer- und Sozialversicherungssysteme gehören auf die ordnungspolitische Agenda zukünftiger Wirtschaftspolitik in Euroland. Auch die
Tarifparteien werden sich angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in
Euroland gefordert sehen, durch eine verantwortungsbewußte Tarifpolitik dazu beizutragen, daß die neu entstehenden Wachstums- und
Beschäftigungschancen in der EWU genutzt werden (Kap. V).
-3
-2
-1
0
1
D
F
I GB E NL B
S A DK SF P GR IRL
*) Luxemburg wies einen Budgetüberschuß von 1.7% auf.
Staatsschulden 1997*)
150
in % des BIP
120
90
60
30
0
D
F
I GB E NL B
S A DK SF P GR IRL
*) Luxemburg wies eine Quote von 6.7 %auf.
11
II. Der Übergang zum Euro
Verbindlicher Zeitplan für die Einführung des Euro
Klarheit über die Prinzipien und den Zeitplan des Übergangs von den
nationalen Währungen zum Euro wurde auf dem EU-Gipfel in Madrid
Ende 1995 geschaffen. Der entsprechende Rechtsrahmen für die Einführung des Euro wurde auf dem Amsterdamer Gipfel im Juni 1997 in
Form von zwei EU-Ratsverordnungen beschlossen. Danach wird der
Übergang zum Euro in drei Phasen nach einem verbindlichen Zeitplan
erfolgen. Die einzelnen Phasen (A, B, C) sind durch vier Schlüsseltermine begrenzt, die als Startschuß bzw. Abschlußtermin bestimmter
Umstellungsschritte dienen:
Übergang in drei Phasen
• Entscheidung des Europäischen Rates über den Teilnehmerkreis der
EWU Anfang Mai 1998;
• Beginn der EWU am 1. Januar 1999;
• Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen ab 1. Januar 2002;
• Abschluß des Bargeldaustauschs spätestens am 1. Juli 2002.
Die Vorbereitungsschritte in Phase A
(Mai bis Dezember 1998)
Die Phase A begann mit der Entscheidung des Europäischen Rates
beim Brüsseler Sondergipfel Anfang Mai 1998 über die elf Teilnehmerländer der EWU. Bei diesem Anlaß wurden auch der Präsident der EZB
und die übrigen fünf Mitglieder des Direktoriums der EZB nominiert.
Das Direktorium wurde nach der Anhörung durch das Europäische Parlament vom Europäischen Rat ernannt. Damit konnten die EZB und das
Europäische System der Zentralbanken (ESZB) per 1. Juni 1998 errichtet
werden (Kap. III). Die EZB muß frühzeitig über die Strategie und die
Instrumente der Geldpolitik entscheiden, damit die Banken und die
Märkte sich darauf einstellen können. Sie muß auch so bald wie möglich
den Startschuß für die Produktion der Euro-Banknoten geben. Das
gleiche gilt für die Regierungen hinsichtlich der neuen Münzen.
Phase A: Entscheidung über
Teilnehmerländer ...
Auch auf nationaler Ebene sind die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für die Umstellung auf den Euro zu schaffen. In Deutschland ist
das Euro-Einführungsgesetz am 16. Juni 1998 in Kraft getreten. Die
öffentliche Hand bereitet sich darauf vor, ab dem 1. Januar 1999 ihre
Neuemissionen in Euro an den Markt zu bringen und die umlaufenden
börsennotierten Staatstitel auf Euro umzustellen. Der Finanz- und
Bankensektor tritt in die „heiße Phase” der Vorbereitungen ein, denn
die Banken müssen ab dem 1. Januar 1999 „eurofähig” sein.
Anpassung des nationalen Rechts
... und Errichtung der EZB
Umstellung des Buchgelds in Phase B
(1999-2001)
Am 1. Januar 1999 beginnt die Phase B der Währungsumstellung, die
als Übergangsphase drei Jahre dauern soll. Am ersten Tag der EWU
legen die Wirtschafts- und Finanzminister der Teilnehmerländer die Umrechnungskurse des Euro zu den teilnehmenden Währungen durch einstimmigen Beschluß unwiderruflich fest. Die nationalen Geldzeichen
sind dann nur noch verschiedene – und zwar nicht-dezimale – Ausdrucksformen des Euro. Allerdings gibt es den Euro während Phase B
nur als Buchgeld, der Bargeldumtausch erfolgt erst in Phase C.
12
Phase B: Fixierung der EuroUmrechnungskurse
Ebenfalls am ersten Tag der EWU geht die Verantwortung für die Geldpolitik von den nationalen Notenbanken auf das ESZB über. Um das
Entstehen eines einheitlichen Geldmarktes in der neuen Währung zu
erleichtern, stellt das ESZB ein „Echtzeit-Brutto-System” für den (Großbetrags-)Zahlungsverkehr (TARGET) bereit, das die nationalen Großbetragszahlungssysteme miteinander verbindet und eine zeitnahe Abwicklung von Euro-Geldmarkttransaktionen ermöglicht. Alle Geldmarkttransaktionen der Banken mit dem ESZB müssen über TARGET abgewickelt werden. Damit wird eine wichtige Voraussetzung für einen einheitlichen Euro-Geldmarktzins geschaffen.
ESZB übernimmt geldpolitische
Verantwortung
Die Teilnehmerstaaten werden Staatsschuldtitel ab Beginn der EWU
nur noch in Euro begeben, um die Entwicklung der Finanzmärkte in der
neuen Währung zu fördern. Die Regierungen der Teilnehmerländer haben ihre Absicht bekundet, ab Anfang 1999 auch die bereits umlaufenden marktgängigen Staatstitel auf den Euro umzustellen.
Staatsanleihen lauten auf Euro
Die Umstellung des Buchgeldes auf den Euro bleibt während der
Phase B den Marktteilnehmern überlassen. Dabei gilt der Grundsatz
„keine Behinderung – kein Zwang”, d.h. niemand darf gezwungen oder
daran gehindert werden, den Euro in der Phase B zu verwenden. Hier
gibt es allerdings einige Ausnahmen. Das ESZB wird ab Beginn der
EWU geldpolitische Operationen einschließlich Devisenmarktinterventionen in Euro vornehmen und sämtliche bei ihm unterhaltenen Konten in Euro führen. Die Banken sind bei ihrer Refinanzierung
sowohl beim ESZB als auch am Interbankenmarkt auf den Euro angewiesen.
Euro nur als Buchgeld
Im Bankensektor erfordert dies entsprechende Vorkehrungen zur
Umrechnung von nationaler in europäische Währung und umgekehrt,
solange Bankkunden ihre Konten noch in nationaler Währung unterhalten
und das interne Rechnungswesen noch nicht vollständig auf den Euro
umgestellt ist. Institute, die Umrechnungen im Zahlungsverkehr mit
dem ESZB noch nicht selbst vornehmen können, werden sog. „Konversionsdienste” der nationalen Zentralbanken nutzen können. In
Deutschland haben sich die Verbände der Kreditwirtschaft und die
Bundesbank darauf geeinigt, gleich zu Beginn der EWU alle inländischen
Zahlungsverkehrs- und Clearingsysteme auf Euro umzustellen. In den
übrigen EWU-Ländern werden alle Großbetrags-Zahlungsverkehrssysteme sowie die meisten nationalen Massenzahlungssysteme ab
1. Januar 1999 in Euro verrechnen.
Banken müssen ab 1. Januar 1999
„euro-fit“ sein
Die EU-Ratsverordnung über die Einführung des Euro ermöglicht die
ausschließliche Verwendung der neuen Währung an organisierten Märkten wie den Börsen bereits ab 1. Januar 1999. Die Deutsche Börse AG,
aber auch die Börsen der anderen EWU-Teilnehmerländer haben ihre
Absicht erklärt, die Preisfestsetzung und die Abwicklung von Wertpapiergeschäften in Aktien und Renten ab dem 4. Januar 1999 (erster Handelstag) nur noch in Euro vorzunehmen. Neben den Geldmärkten werden auch die Devisenmärkte sogleich auf den Euro übergehen. Die
Finanzmärkte der EWU-Teilnehmerländer werden daher voraussichtlich ab Beginn der EWU weit überwiegend in Euro operieren.
Börsen operieren ab 1999 in Euro
Nach Abschluß der Phase B (31. Dezember 2001) gelten alle noch nicht
umgestellten Buchgeldbestände des privaten und öffentlichen Sektors
– gemäß dem jeweiligen Umrechnungskurs – als auf den Euro umgeschrieben.
13
Der Übergang zum Euro
Anfang Mai 1998
Phase A: Vorbereitung der EWU
Entscheidung über die 11 Erstteilnehmer Anfang Mai 1998
Gleichzeitig: Ankündigung der bilateralen EWS-Leitkurse als
Basis für Berechnung der Euro-Umrechnungskurse
Errichtung der EZB und des ESZB; Entscheidung über
geldpolitische Strategie und Instrumente
Beginn der Herstellung von Euro-Banknoten und -Münzen
8 Monate
1. Januar 1999
Phase B: Beginn der EWU und der
marktgesteuerten Umstellung des Buchgeldes
Unwiderrufliche Fixierung der Umrechnungskurse der
nationalen Währungen zum Euro
EZB übernimmt die Verantwortung für die Geldpolitik
Einführung des Euro als Buchgeld
Staatliche Neuemissionen ab 1. Januar 1999 in Euro;
sofortige Umstellung umlaufender börsennotierter
Staatstitel angekündigt
Sofortige Umstellung der Geld- und Devisenmärkte sowie
der Börsen und Clearingsysteme
Die weitere Buchgeldumstellung wird dem Marktprozeß
überlassen (Grundsatz: keine Behinderung, kein Zwang)
3 Jahre
Ende 2001 letzter Termin für die Umstellung der
öffentlichen Hand, der Unternehmen und der privaten
Haushalte
1. Januar 2002
Phase C: Bargeldaustausch
Ab 1. Januar 2002 werden Euro-Noten und -Münzen als
gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt
max. 6 Monate
Spätestens am 1. Juli 2002 verlieren nationale Noten und
Münzen ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel,
können aber weiterhin umgetauscht werden
Dauer der Bargeldaustauschphase kann national
unterschiedlich sein
spätestens 1. Juli 2002
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Bargeldaustausch in Phase C
(erste Hälfte 2002)
In der Phase C, die am 1. Januar 2002 beginnt und maximal sechs
Monate dauert, werden die Euro-Banknoten und -Münzen eingeführt
und das nationale Bargeld eingezogen. Das alte und das neue Bargeld
werden zeitweise parallel umlaufen. Ab Beginn der Phase C sind die
Euro-Noten und -Münzen gesetzliches Zahlungsmittel.
Phase C: Einführung der Euro-Noten
und -Münzen
Die Phase C kann in den verschiedenen Teilnehmerländern unterschiedlich lang sein. Sie endet an dem Tag, an dem die nationalen Noten und
Münzen ihren Status als gesetzliches Zahlungsmittel de jure oder
de facto verlieren. Der Euro wird dann zum alleinigen gesetzlichen Zahlungsmittel. Die nationalen Geldzeichen werden ungültig, können allerdings weiterhin bei den nationalen Zentralbanken gebührenfrei zum offiziellen Konversionskurs in Euro umgetauscht werden.
Bargeldaustauschphase kann national
unterschiedlich lang sein
Umstellung auf den Euro in mehreren
Geschwindigkeiten
Während Transaktionen am Geld- und Devisenmarkt, aber auch die
Aktien- und Rentenmärkte ab dem 1. Januar 1999 auf den Euro umgestellt werden, dürfte das Privatkundengeschäft der Banken in Deutschland bis zum endgültigen Umstellungszeitpunkt Ende 2001 noch weitgehend in der nationalen Währung abgewickelt werden. Im Firmenkundenbereich ist teilweise mit einer schnelleren Umstellung auf den
Euro zu rechnen.
Privatkundengeschäft wird
voraussichtlich erst spät umgestellt
Viele Großunternehmen haben angekündigt, daß sie im Verlaufe des
Jahres 1999 auf den Euro als „Hauswährung” übergehen wollen und
von ihren Zulieferern und Kunden erwarten, daß diese den Geschäftsverkehr mit ihnen in Euro abwickeln. Dies dürfte einen Schneeballeffekt auslösen. Auch bei international orientierten Mittelstandsfirmen
ist zu erwarten, daß sie den Euro in vielen Bereichen rasch verwenden
werden. Die Mehrzahl der inlandsorientierten kleineren Unternehmen
und der freiberuflich Tätigen sowie die privaten Haushalte werden möglicherweise bis zur Einführung des Euro-Bargeldes in erster Linie weiterhin D-Mark verwenden.
Schneeballeffekt im
Unternehmenssektor
Die öffentliche Hand in Deutschland wird nach dem derzeitigen Stand
erst Ende 2001 auf den Euro umstellen. Allerdings gibt es einige Ausnahmen wie die Umstellung der marktgängigen öffentlichen Schuldtitel
auf den Euro ab dem 1. Januar 1999. Ab diesem Zeitpunkt werden
auch unbare Zahlungen an den Staat (z.B. Steuern) in Euro möglich
sein. Die Bundesländer haben sich darauf verständigt, daß Unternehmen ihre Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen sowie
Lohnsteuervoranmeldungen für Veranlagungszeiträume ab 1999 wahlweise in D-Mark oder Euro abgeben können. Ein besonderes Anliegen
der Unternehmen ist, daß auch Einkommens- und Körperschaftssteuererklärungen bereits für das Jahr 1999 in Euro akzeptiert werden und
nicht bis zum Jahr 2001 in D-Mark vorgenommen werden müssen. In
den meisten anderen EWU-Ländern können Einkommens- und
Körperschaftssteuererklärungen bereits ab 1999 in Euro eingereicht werden.
Öffentliche Hand in Deutschland
ist „Nachzügler“
Um die Belastungen für den Einzelhandel aufgrund doppelter Kassenhaltung und Preisauszeichnung so gering wie möglich zu halten, wird
in Deutschland eine Verkürzung der Bargeldaustauschphase C – die
gemäß dem Madrid-Szenarium bis zu sechs Monate dauern kann –
auf zwei Monate angestrebt. Das vom Bundesfinanzministerium als
„modifizierte Stichtagslösung” angekündigte Verfahren soll in einem
Verkürzung der Umtauschphase für
Bargeld in Deutschland
15
besonderen Gesetz geregelt werden. Danach verliert die D-Mark ihre
Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel bereits am 1. Januar 2002
an die neuen Euro-Noten und -Münzen. Allerdings soll gesetzlich verankert werden, daß die Banken bis Ende Februar 2002 noch D-MarkScheine und -Münzen annehmen müssen und der Einzelhandel D-MarkMünzen in begrenztem Umfang akzeptieren muß. Die Banken und der
Einzelhandel geben in dieser Zeit noch D-Mark-Münzen aus den verfügbaren Kassenbeständen ab, um Zahlungen an noch nicht umgestellten Münzautomaten zu ermöglichen. Die Banken werden ab Jahresanfang 2002 – auch an den Geldautomaten – nur noch Euro-Noten
zur Auszahlung bringen. Sie werden im Zeitraum Januar/Februar 2002
für ihre Kunden haushaltsübliche Bargeldmengen kostenlos von der
D-Mark in den Euro umtauschen. D-Mark-Bargeld kann nach Ende Februar aber weiterhin bei den Landeszentralbanken in Euro umgetauscht
werden.
Kostenloser Umtausch
haushaltsüblicher Bargeldmengen
Der Rechtsrahmen der Währungsumstellung
Der rechtliche Rahmen für die Umstellung auf den Euro wird auf EUEbene durch zwei Ratsverordnungen abgesteckt. Hinzu kommen nationale Rechtsnormen für die Umstellung.
Die erste – auf Art. 235 EGV gestützte – Ratsverordnung „über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro
(Verordnung (EG) Nr. 1103/97)” ist bereits am 20. Juni 1997 in Kraft
getreten und gilt für alle EU-Länder. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung ist die Bestätigung des Rechtsgrundsatzes der
Vertragskontinuität. Damit bleiben, soweit von den Vertragspartnern
nichts anderes vereinbart ist, laufende Verträge auch nach der Einführung des Euro mit allen Rechten und Pflichten bestehen. Die Einführung des Euro bedeutet keinen „Wegfall der Geschäftsgrundlage” und
liefert prinzipiell keinen Grund zur einseitigen Anpassung oder gar zu
einer Kündigung laufender Verträge. Weder Anleger noch Schuldner mit
langfristigen Kontrakten werden durch die Umstellung auf die neue
Währung rechtlich besser oder schlechter gestellt. Damit wird frühzeitig Rechtssicherheit geschaffen. Überprüfungsbedarf kann sich bei Verträgen mit Drittländern oder unter Drittlandsrechten ergeben.
Die Ratsverordnung verankert ferner den Grundsatz, daß ECU-Forderungen und -Verbindlichkeiten im Verhältnis 1:1 auf den Euro umgestellt werden, soweit nicht anderweitige vertragliche Vereinbarungen
getroffen wurden. Schließlich enthält die Verordnung die Umstellungsund Rundungsregeln für den Übergang zum Euro. Die Umrechnungskurse des Euro – ausgedrückt in nationaler Währung – werden mit sechs
signifikanten Stellen definiert. Mit diesem Kurs, der nicht gerundet werden darf, werden Geldbeträge von der nationalen Währung in Euro und
Euro-Beträge in die nationale Währung umgerechnet. Bei der Umrechnung eines Betrages von einer Teilnehmerwährung (z.B. DEM) in eine
andere Teilnehmerwährung (z.B. FRF) muß zuerst der Betrag in Euro
umgewandelt werden, wobei auf mindestens drei Dezimalstellen zu
runden ist. Erst dann darf die Umrechnung in die andere nationale Währung erfolgen (s. auch Umrechnungs- und Rundungsregeln).
Die zweite – auf Art. 109 l EGV gestützte – Ratsverordnung „über die
Einführung des Euro (Verordnung (EG) Nr. 974/98)” wurde am ersten
Mai-Wochenende 1998 unmittelbar nach der Festlegung des
Teilnehmerkreises endgültig verabschiedet. Sie tritt am 1. Januar 1999
in Kraft und gilt nur für die an der Währungsunion teilnehmenden Länder.
In dieser Verordnung wird der Rechtsstatus des Euro gegenüber den
nationalen Währungen während der Übergangsphase B von 1999 bis
16
Umrechnungs- und Rundungsregeln
Die Umrechnungskurse zwischen dem
Euro und den bisherigen nationalen Währungen werden mit sechs signifikanten
Stellen definiert. Für Deutschland bedeutet dies eine Vor- sowie fünf Nachkommastellen. Beispiel: Euro 1 = DEM 1,95432.
Alle Geldwerte werden mit diesem Umrechnungskurs ermittelt. Rundungen sind
an dieser Stelle nicht zulässig.
Werden Euro-Beträge in D-Mark umgerechnet, so ist der Euro-Betrag mit dem
Umrechnungskurs zu multiplizieren.
Werden D-Mark-Beträge in Euro umgerechnet, so ist der D-Mark-Betrag durch
den Umrechnungskurs zu dividieren. Die
Verwendung inverser Umrechnungskurse (z.B. DEM 1 = Euro 0,511687) ist
nicht zulässig.
Bei der Umrechnung von einer nationalen Währung in eine andere muß zuerst
der Betrag in Euro ermittelt werden (mit
mindestens drei Nachkommastellen).
Erst anschließend darf in die andere nationale Währung umgerechnet werden.
Für die Endergebnisse dieser Umrechnungsoperationen gilt die kaufmännische
Rundung, d.h. es wird auf die kleinste
Währungseinheit (z.B. Cent, Pfennig)
auf- oder abgerundet.
Rechtsstatus des Euro in
Übergangsphase B
Ende 2001 und danach geregelt. Die einheitliche Währung der EWUTeilnehmerländer ist ab 1. Januar 1999 der Euro, der in 100 Cents
unterteilt wird.
Damit wird juristisch besiegelt, was ökonomisch ohnehin klar ist: Mit
dem Beginn der EWU ersetzt der Euro – zum offiziellen Umrechnungskurs – die nationalen Währungen, die dann nur noch nicht-dezimale
Untereinheiten des Euro sind. Für die Übergangsphase B wird in der
Verordnung der Grundsatz „keine Behinderung, kein Zwang” festgeschrieben, d.h. jeder, der den Euro verwenden möchte, kann dies tun,
es ist aber niemand dazu verpflichtet. Neue Verträge und andere Rechtsakte können wahlweise auf D-Mark oder Euro lauten. Die EWU-Länder
müssen dafür Sorge tragen, daß während der Übergangsphase B Buchgeldzahlungen innerhalb eines Mitgliedslandes in Euro und nationaler
Währung ausgeführt werden können. Unbare Zahlungen in Euro haben
bereits schuldenbefreiende Wirkung. Für das Bargeld gilt: Da die EuroNoten und -Münzen erst später eingeführt werden, bleibt das nationale
Bargeld zunächst noch gesetzliches Zahlungsmittel. Die Euro-Noten und
-Münzen werden ab dem 1. Januar 2002 gesetzliches Zahlungsmittel.
Die nationalen Geldzeichen verlieren diesen Status spätestens am
1. Juli 2002.
Nationale Währungen sind nichtdezimale Untereinheiten des Euro
Außerdem bedarf es der Anpassung des geltenden Rechts auf nationaler Ebene. In Deutschland z.B. ergänzt das Euro-Einführungsgesetz
(EuroEG) die EU-Ratsverordnungen und schafft die rechtlichen Voraussetzungen für eine reibungslose Einführung des Euro in der Übergangszeit
zwischen 1999 und 2001. Das EuroEG öffnet u.a. das Gesellschafts-,
Bilanz-, Börsen- und Währungsrecht für den Euro. Damit wird der Weg
für die Umstellung der Finanzmärkte und Börsen geebnet und den Unternehmen die Anpassung von Rechnungswesen und Eigenkapitalstruktur an den Euro ermöglicht. Ferner werden die notwendigen Übergangsregelungen für die nicht mehr als Referenzzinssatz verfügbaren
Leitzinsen der Bundesbank (Diskont- und Lombardsatz) geschaffen.
So wird der Diskontsatz in der Phase B durch einen sog. Basiszinssatz
ersetzt, der dem Diskontsatz per 31. Dezember 1998 entspricht und
danach nach einem bestimmten Verfahren an die Entwicklung des von
der EZB festgesetzten maßgeblichen Leitzinses angepaßt wird.
Euro-Einführungsgesetz auf
nationaler Ebene
Grundsatz „keine Behinderung,
kein Zwang“
Festlegung der Umrechnungskurse
Maßgeblich für die Umstellung aller geldbezogenen Bestands- und
Stromgrößen sind die zu Beginn der Währungsunion unwiderruflich fixierten Umrechnungskurse des Euro zu den teilnehmenden Währungen. Die Festlegung der Umrechnungskurse erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Am ersten Maiwochenende haben die EWU-Staaten
die angestrebten bilateralen Wechselkurse zwischen den Teilnehmerwährungen per 31. Dezember 1998 angekündigt, die bei der Ermittlung
des Umrechnungskurses des Euros zu den nationalen Währungen
herangezogen werden. Dabei handelt es sich um die gegenwärtigen
bilateralen EWS-Leitkurse, die nach Einschätzung der meisten Marktteilnehmer mit den fundamentalen Wirtschaftsdaten in Einklang stehen und an den Märkten akzeptiert sind.
EWS-Leitkurse maßgeblich für
Euro-Umrechnungskurse
Die frühzeitige Ankündigung der bilateralen Wechselkurse dient dem
Ziel, den Märkten Orientierungshilfe zu geben und das Risiko spekulativer Attacken gegen den EWS-Wechselkursverbund in der Übergangsphase bis zum Beginn der EWU am 1. Januar 1999 so gering wie
möglich zu halten. Die Marktkurse der EWU-Teilnehmerländer haben
sich den angekündigten Leitkursen bereits weitgehend angeglichen,
so daß dieses Ziel ohne größere Spannungen erreichbar scheint. Auch
17
beim irischen Pfund hat sich die Schere zwischen dem EWS-Leitkurs,
der am 16. März 1998 um 3 % angehoben wurde, und dem Marktkurs,
der lange Zeit durch den Konjunkturvorlauf Irlands gegenüber Kontinentaleuropa beflügelt wurde, deutlich verengt. In der Übergangsphase bis
Jahresende 1998 werden sich die Kassakurse weiter den Terminkursen
annähern. Am letzten Handelstag 1998 werden die Notenbanken –
notfalls mit massiven Interventionen – dafür sorgen, daß die Marktkurse mit den vereinbarten Einstiegskursen übereinstimmen. Der
Umstand, daß die Notenbanken mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Start der EWU nahezu unbegrenzt Liquidität einsetzen können, wird aller Voraussicht nach als glaubhafte Abschreckung gegen
Währungsspekulationen dienen.
Unmittelbar zu Beginn der EWU Anfang 1999 werden die Umtauschkurse des Euro zu den nationalen Währungen durch einen einstimmigen Beschluß des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister der EWUTeilnehmerstaaten unwiderruflich festgelegt. Auf der Grundlage der bilateralen Marktkurse ermittelt die Europäische Kommission die offiziellen ECU-Umrechnungskurse der Teilnehmerwährungen per 31. Dezember mit sechs signifikanten Stellen, wobei der Außenwert der ECU
nicht verändert wird (zu den Einzelheiten s. Kasten zur Berechnung der
offiziellen ECU- bzw. Euro-Umrechnungskurse). Die offiziellen ECU-Kurse
entsprechen den Umtauschkursen des Euro gegenüber den nationalen
Währungen, da die ECU im Verhältnis 1:1 auf den Euro umgerechnet
wird.
Die Umtauschkurse des Euro können laut Maastricht-Vertrag erst am
1. Januar 1999 unmittelbar vor Beginn der EWU fixiert werden. Dies
liegt daran, daß der Außenwert der ECU bei der Fixierung nicht verändert werden darf. Der ECU-Wechselkurs der teilnehmenden Währungen kann sich jedoch bis zum letzten Handelstag 1998 noch verändern,
weil Kursbewegungen derjenigen Währungen, die zwar im ECU enthalten sind, aber nicht an der EWU teilnehmen (Pfund Sterling, Dänenkrone und griechische Drachme), diesen Kurs noch beeinflussen können. Die größten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Umtauschkurse
des Euro gegenüber den EWU-Teilnehmerwährungen hat das Pfund
Sterling, das über ein bedeutsames Gewicht im ECU-Währungskorb
verfügt (von derzeit gut 13 %). Unter dem Vorbehalt der Unsicherheit
über den Wechselkurs des Pfund Sterling zeichnet sich für die D-Mark
ein Umtauschkurs in der Größenordnung von DEM 1,95 pro Euro ab.
EWS-Leitkurse und Marktkurse
im Vergleich
DurchEWSschnitt
Leitder
kurse
Marktkurse 1997
Marktkurs
vom
30.4.98
100 DEM =
Schilling
703.7
Belg.Franc
2062
Peseta
8475
Finnmark
298.9
Franz.Franc 335.3
Ir.Pfund
38.17
Lira
98039.2
Gulden
112.6
Escudo
10101.0
703.552
2062.55
8507.22
304.001
335.386
40.2676
99000.2
112.674
10250.5
703.7
2062
8475
304.0
335.3
39.68
99009.9
112.7
10204.0
DEM/
ECU
1.97738
1.97595
1.96438
Unwiderrufliche Fixierung der EuroUmrechnungskurse erst zu Beginn
der EWU
Bilaterale EWS-Leitkurse zur Bestimmung der Umrechnungskurse zum Euro
D-Mark
(100)
Belg. Franc
Belg.
Franc
(100)
Peseta
(100)
Franz.
Franc
(100)
Ir.Pfund
Lira
(1)
(1000)
Gulden Schilling
(100)
(100)
8507.22
412.462
Franz. Franc
335.386
16.2608
Ir. Pfund
40.2676
1.95232 0.473335
Lira
99000.2
4799.9
1163.72
29518.3
2458.56
Gulden
112.674
5.46285
1.32445
33.5953
2.79812 1.138.12
Schilling
703.552
34.1108
8.27006
209.774
17.4719
7.10657
624.415
Escudo
10250.5
496.984
120.492
3056.34
254.560
103.541
9097.53
1456.97
Finnmark
304.001
14.7391
3.57345
90.6420
7.54951
3.07071
269.806
43.2094
18
(100)
2062.55
Peseta
Quelle: ECOFIN-Rat
Escudo
3.94237
12.0063
2.96571
Finnmark
(100)
Änderungen des Wertes der ECU gegenüber den Teilnehmerwährungen
bis Ende 1998 – und damit der Euro-Umrechnungskurse – haben keine
Auswirkungen auf die Kaufkraft und den Geldwert des Euro, weil alle
in nationaler Währung ausgedrückten Geldwerte – Vermögen, Schulden, laufende Zahlungen, Einkommen und Preise – in demselben Verhältnis umgestellt werden. Mit Beginn der Währungsunion wird der
Euro zu einer eigenständigen Währung, und der amtliche ECU-Korb wird
abgeschafft. Der Außenwert des Euro wird sich eigenständig entwikkeln und in keinem rechnerischen Zusammenhang mehr zu einem irgendwie gearteten Währungskorb stehen.
Umrechnungskurs ist
kaufkraftneutral
19
Fiktive Berechnung der offiziellen ECU- bzw. Euro-Umrechnungskurse
per 31. Dezember 1997
Währungsbetrag
im ECU-Korb
(a)
DEM
BEF
LUF
NLG
DKK
GRD
ITL
ESP
PTE
FRF
GBP
IEP
0.6242
3.301
0.130
0.2198
0.1976
1.440
151.8
6.885
1.393
1.332
0.08784
0.008552
1. Schritt:
Dollarkurse der
EU-Währungen1)
(b)
1.7898
36.92
36.92
2.0172
6.8175
282.59
1758.75
151.59
183.06
5.9881
1.6561
1.4304
2. Schritt
Dollaräquivalente
der nationalen
Währungsbeträge
3. Schritt
ECU- bzw. EuroUmrechnungskurse
(c)=(a):(b)
(d)=(USD/ECU) x (b)
0.3487541
0.0894095
0.0035211
0.1089629
0.0289842
0.0050957
0.0863113
0.0454186
0.0076095
0.2224412
0.14547181)
0.01223281)
1.97632
40.7675
40.7675
2.22742
7.52797
312.039
1942.03
167.388
202.137
6.61214
0.666755
0.771961
USD/ECU 1.10421283)
FIM2)
ATS2)
SEK2)
5.4222
12.59
7.9082
5.98726
13.9020
8.73234
1) Der Dollar-Wechselkurs für das britische und das irische Pfund wird als Mengennotierung (1 Pfund in US-Dollar)
angegeben. Dies bedeutet, daß beim 2. Schritt multipliziert und beim 3. Schritt dividiert werden muß.
2) Diese Währungen sind nicht im ECU-Korb enthalten; Österreich und Finnland werden aber an der EWU teilnehmen.
3) Bei der letzten signifikanten Stelle besteht eine Differenz von eins (d.h. 1,1042128 statt 1,1042127), weil die US-Dollar-Gegenwerte der jeweiligen
nationalen Währungsbeträge auf sieben Dezimalstellen gerundet sind,während die Berechnung selbst auf einer unbegrenzten Anzahl von Stellen beruht.
Quelle: ECOFIN-Rat
Die Berechnung der offiziellen ECU- bzw. Euro-Umrechnungskurse
per 31. Dezember 1998 erfolgt in drei Schritten:
1. Die 15 EU-Zentralbanken stellen am 31. Dezember 1998 um 11.30 MEZ in einer Telefonkonferenz die Dollarkurse ihrer jeweiligen Währung am Markt mit sechs signifikanten Stellen fest; dabei werden voraussichtlich die
Mittelkurse aus Geld- und Briefkursen zugrunde gelegt. Hieraus werden die bilateralen Wechselkurse aller EUWährungen über die Bildung von Kreuzparitäten errechnet (z.B. FRF/DEM = FRF/USD : DEM/USD). Im Falle der
an der EWU teilnehmenden Währungen werden die bilateralen Wechselkurse – falls erforderlich – im Wege von
Devisenmarktinterventionen mit den bilateralen EWS-Leitkursen in Übereinstimmung gebracht.
2. Die bilateralen Wechselkurse aller EU-Staaten werden sodann mit sechs signifikanten Stellen der Europäischen
Kommission mitgeteilt, die die offiziellen ECU-Kurse per 31. Dezember 1998 unter Zwischenschaltung des USDollar errechnet. Den USD/ECU-Wechselkurs (1 ECU in USD) erhält man, indem man die festen Währungsbeträge der im ECU-Korb enthaltenen zwölf Währungen durch ihren Dollarkurs dividiert und die Ergebnisse addiert. Sonderregeln gelten für das britische und das irische Pfund (s. Tabelle, Fußnote 1). In der Tabelle wurde
als Beispiel eine fiktive Berechnung der offiziellen ECU-Umrechnungskurse für den Fall vorgenommen, daß die
Kurse per 31. Dezember 1997 fixiert worden wären.
3. Die offiziellen ECU-Kurse der an der EWU teilnehmenden Währungen werden errechnet, indem man den USD/
ECU-Kurs (1 ECU = 1,1042128 USD) mit den Dollarkursen der nationalen Währungen multipliziert. Für die
D-Mark hätte sich in diesem Beispiel per Ende 1997 ein Umrechnungskurs von 1 ECU = 1 Euro = 1,97632 DEM
ergeben (Umstellung von ECU zum Euro im Verhältnis 1:1). Der Umrechnungskurs ist stets in Euro, ausgedrückt in nationaler Währung, mit sechs signifikanten Stellen anzugeben.
20
III. Die Europäische Zentralbank
Die Gründung der EZB
Die EZB ist die zentrale Einrichtung der EWU. Als neue EU-Institution
übernimmt sie die geldpolitische Verantwortung für die elf an der EWU
teilnehmenden Länder. Damit wird für die Mehrzahl der EU-Länder ein
monetärer Regimewechsel vollzogen, der als Krönung des monetären
Integrationsprozesses in Europa angesehen werden kann. Die gemeinsame Geldpolitik schafft neue Rahmenbedingungen für die übrigen in
nationaler Kompetenz verbliebenen Bereiche der Wirtschaftspolitik
(Kap. IV).
Die EZB und das ESZB wurden per 1. Juni 1998 errichtet. Sitz der EZB
ist Frankfurt am Main. Voraussetzung für die Errichtung der EZB war die
Ernennung des Direktoriums, die nach der Anhörung im Europäischen
Parlament vom Europäischen Rat Ende Mai vorgenommen wurde. Der
Europäische Rat hatte beim Sondergipfel Anfang Mai 1998 in Brüssel
nach langwierigen Verhandlungen die Mitglieder des Direktoriums der
EZB nominiert. Erster Präsident der EZB wurde der Niederländer Willem
Duisenberg, der vordem das Europäische Währungsinstitut (EWI) und
davor die niederländische Notenbank leitete. Duisenberg wurde für eine
Amtszeit von acht Jahren nominiert – wie im Maastricht-Vertrag vorgesehen. Er erklärte aber in einer gesondert abgegebenen Stellungnahme,
daß er aus Altersgründen nicht die volle Amtszeit von acht Jahren wahrnehmen wolle, sondern nach der Einführung des Bargeldes, die im ersten
Halbjahr 2002 erfolgen soll, freiwillig ausscheiden werde. Danach könnte
der französische Wunschkandidat Jean-Claude Trichet zweiter EZBPräsident über eine volle Amtszeit werden. Diese Entscheidung, die
durch eine harte Haltung Frankreichs erzwungen wurde, ist zwar mit
dem Buchstaben, aber nicht mit dem Geist des EGV zu vereinbaren, da
der Eindruck einer vertrauenschädigenden Einflußnahme der Politik auf
die EZB entstanden ist.
Bei der Erstbesetzung der übrigen fünf Direktoriumsposten wurde vertragsgemäß eine zeitliche Staffelung der Amtszeiten vorgenommen, um
später personelle Kontinuität zu ermöglichen. Als Vizepräsident mit einer vierjährigen Amtszeit wurde Christian Noyer, ehemaliger Leiter des
Trésor im französischen Finanzministerium, benannt. Die übrigen vier
Direktoriumsmitglieder sind Otmar Issing (Deutschland, Amtszeit acht
Jahre), Tommaso Padoa-Schioppa (Italien/sieben Jahre), Eugenio Domingo Solans (Spanien/sechs Jahre) sowie Sirkka Hämäläinen (Finnland/fünf Jahre). Die Besetzung des Rats der EZB, in dem die Mitglieder des Direktoriums sowie die elf nationalen Notenbankpräsidenten
vertreten sind, läßt eine stabilitätsorientierte Geldpolitik erwarten.
Nach der Gründung der EZB müssen alle Entscheidungen und Vorbereitungen getroffen werden, die notwendig sind, um die volle Arbeitsfähigkeit der EZB und des ESZB ab Beginn der EWU am 1. Januar 1999 zu
gewährleisten. Die EZB hat bis zum Beginn der EWU ein erhebliches
Arbeitspensum zu bewältigen. Das Direktorium der EZB hat auf seiner
ersten Sitzung im Juni 1998 die inneren Strukturen festgelegt. Dabei
konnte das Direktorium auf den Organisationsstrukturen des Europäischen Währungsinstituts (EWI) aufbauen, das mit der Gründung der
EZB seinen Auftrag erfüllt hat und sich in Liquidation befindet. Im Rat
der EZB muß rechtzeitig über die Strategie und die Instrumente der
Geldpolitik entschieden werden, damit sich die Banken darauf einstellen können und ein reibungsloser Übergang zu einer einheitlichen Geldpolitik in Euro ab dem 1. Januar 1999 gelingt. Die EZB kann hier auf
Die Struktur des ESZB
Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) wird analog dem deutschen Modell – Bundesbank und Landeszentralbanken – aus zwei Stufen,
der EZB und den nationalen Notenbanken, bestehen.
Entscheidungsgremium ist der Rat der
EZB. Ihm gehören die Präsidenten der
unabhängigen Notenbanken der elf an
der EWU teilnehmenden Staaten sowie
die sechs Mitglieder des Direktoriums
der EZB an. Der Rat der EZB – vergleichbar mit dem Zentralbankrat der Bundesbank – trifft die geldpolitischen Entscheidungen. Für die Umsetzung ist das Direktorium verantwortlich.
Jedes Mitglied des Rates der EZB hat
gleiches Stimmrecht; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Der Rat der EZB entscheidet grundsätzlich mit einfacher
Mehrheit. Bei Entscheidungen über die
Gewinnverwendung der EZB ist eine
Zweidrittelmehrheit der gewichteten
Stimmen der nationalen Zentralbankpräsidenten erforderlich; das Direktorium hat dabei kein Stimmrecht. Die
Stimmengewichte richten sich nach den
Kapitalanteilen der nationalen Zentralbanken an der EZB. Die Kapitalanteile
ihrerseits werden aufgrund des Bevölkerungs- und BIP-Anteils eines Landes
festgelegt. Das Startkapital der EZB
wird knapp Euro 4 Mrd. (ca. DEM 7,9
Mrd.) betragen.
Ein Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident des Rates können an den Sitzungen des EZB-Rates
teilnehmen; sie haben ein Antrags-, aber
kein Stimmrecht.
Großes Arbeitspensum für die EZB
21
umfangreiche und profunde Vorarbeiten des EWI zurückgreifen. Bereits
im Juli 1998 hat der Rat der EZB den wichtigen geldpolitischen Beschluß gefaßt, ab Januar 1999 eine marktnah verzinste Mindestreserve einzuführen.
Die Aufgaben der EZB
Laut Maastrichter Vertrag ist es das vorrangige Ziel der EZB bzw. des
·
ESZB, die Preisniveaustabilität des Euro zu gewährleisten.
Soweit es
mit der Sicherung des Geldwerts vereinbar ist, soll die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft unterstützen. Die alleinige
geldpolitische Kompetenz liegt ab dem 1. Januar 1999 beim Rat der
EZB, der an die Stelle der nationalen Entscheidungsgremien – wie z.B.
des Zentralbankrats der Deutschen Bundesbank – tritt. Die nationalen
Zentralbanken werden im EZB-Rat durch ihre Notenbankpräsidenten vertreten sein. Bei der operativen Umsetzung der Geldpolitik werden die
nationalen Notenbanken, die zusammen mit der EZB das ESZB bilden,
nach dem derzeitigen Stand der Diskussion eine zentrale Rolle spielen.
Die EZB wie auch die nationalen Notenbanken sind unabhängig von
Weisungen europäischer oder nationaler Instanzen.
Neben der geldpolitischen Steuerung hat die EZB die Aufgabe, den
reibungslosen Ablauf des Zahlungsverkehrs zu fördern und die ihr von
den Mitgliedsländern übertragenen Währungsreserven zu verwalten.
Außerdem berät sie EU-Organe und nationale Regierungen, z.B. im
Bereich der Bankenaufsicht und in Fragen der Stabilität des Finanzsystems. Anläßlich der Vorlage des Jahresberichtes kann der Präsident
der EZB zu einer Aussprache über die Geldpolitik ins Europäische Parlament geladen werden; außerdem können der Präsident und die anderen Mitglieder des Direktoriums zu Anhörungen in Ausschüsse des
Europäischen Parlaments bestellt werden.
Emission von Euro-Banknoten und -Münzen
Der Rat der EZB hat das alleinige Recht, die Emission von Euro-Banknoten zu genehmigen. Die Ausgabe der Banknoten erfolgt durch die
EZB und die nationalen Zentralbanken. Die Banknoten werden sieben
Stückelungen umfassen: 5, 10, 20, 50, 100, 200 und 500 Euro. Die
Abbildungen auf den Noten zeigen Architekturelemente (Fenster, Tore,
Brücken) verschiedener europäischer Stilepochen (s. Anhang).
Die Ausgabe von Euro-Münzen ist den Regierungen der teilnehmenden Staaten vorbehalten, wobei das Emissionsvolumen der Genehmigung durch die EZB bedarf. Die Einnahmen aus dem Münzgewinn fließen weiterhin dem Staatshaushalt des ausgebenden EWU-Landes zu.
Ein Euro wird in 100 Cent unterteilt. Bei den Münzen sind acht Stückelungen vorgesehen: 1, 2, 5, 10, 20, 50 Cent sowie 1 und 2 Euro. Die
Münzen werden eine einheitliche Seite für alle EWU-Staaten und eine
nationale Seite haben. Auf der gemeinsamen Seite ist die Münzdenominierung vor dem Hindergrund verschieden stilisierter Landkarten
von Europa und dem EU-Symbol der 12 Sterne zu sehen. In Deutschland ist auf der nationalen Seite der 1-, 2-, und 5-Cent-Münzen ein
Eichenlaub, auf den 10-, 20- und 50-Cent-Münzen das Brandenburger
Tor und auf den 1- und 2-Euro-Münzen der Bundesadler abgebildet
(s. Innenseite Titel). Durch die unterschiedliche nationale Seite werden
von den elf EWU-Ländern 88 verschiedene Münzen in Umlauf gebracht.
Die Euro-Münzen sind aber – unabhängig vom Land der Ausgabe – in
allen Teilnehmerländern gesetzliches Zahlungsmittel.
22
Zur Unabhängigkeit der EZB
Essentielles Merkmal der EZB ist ihre
Unabhängigkeit von Weisungen politischer Instanzen – sowohl auf nationaler wie auf EU-Ebene. Die EZB wird
• institutionell unabhängig sein; die elf
Erstteilnehmerländer der EWU haben
– soweit noch erforderlich – vor der
Eintrittsentscheidung Anfang Mai
1998 ihre nationale Notenbankgesetzgebung entsprechend angepaßt;
• operativ unabhängig sein, d.h. sie hat
Freiheit bei Auswahl und Einsatz der
geldpolitischen Instrumente;
• personell unabhängig sein; daher
werden die Mitglieder des Rates der
EZB für eine lange Amtsperiode berufen. Sie beträgt bis zu acht Jahre für
das geschäftsführende Direktorium;
eine Wiederernennung ist nicht zulässig. Die nationalen Notenbankpräsidenten haben eine Amtszeit von
mindestens fünf Jahren und können
erneut ernannt werden;
• finanziell unabhängig sein, d.h. die
unabhängigen nationalen Notenbanken sind alleinige Zeichner und Inhaber des Kapitals der EZB.
Die EZB hat freilich Rechenschaftspflichten gegenüber der Öffentlichkeit und den
politischen Instanzen in der EU. So sieht
das Statut u.a. die Vorlage eines Jahresberichts sowie eines mindestens quartalsweise erscheinenden Berichts zur
Geldpolitik vor. Die Aussprachen in den
EZB-Ratssitzungen sind vertraulich. Die
EZB wird weder Mitschriften der Diskussionen noch Abstimmungsergebnisse
mitteilen.
Hinsichtlich der gesetzlichen Verankerung des Stabilitätsauftrags geht das
EZB-Statut sogar über das Bundesbankgesetz hinaus. Letzteres kann durch eine
einfache Bundestagsmehrheit geändert
werden, während das EZB-Statut als
Bestandteil des Maastricht-Vertrages
Verfassungsrang in allen Teilnehmerländern hat.
Wechselkurspolitik darf Preisstabilität nicht
gefährden
In der Wechselkurspolitik ist zwischen grundsätzlichen und laufenden
Entscheidungen zu trennen. Für die laufende Wechselkurspolitik ist die
EZB zuständig. Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister darf lediglich allgemeine Orientierungen geben. Auch auf diesem Feld genießt
das Ziel der Preisniveaustabilität Priorität. Insofern besteht eine klare
Regelung für Konfliktsituationen zwischen Binnenstabilität (Inflationsrate) und Außenstabilität (Wechselkurs) der Währung. Die EZB darf
z.B. kein bestimmtes Wechselkursziel gegenüber dem US-Dollar verfolgen, wenn dies die Preisniveaustabilität gefährdet. Die Autonomie
der EZB in der Wechselkurspolitik kann insofern eingeschränkt werden, als die grundsätzliche Entscheidung über das Wechselkursregime
– flexible oder feste Kurse gegenüber den Währungen von Drittländern –
dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister vorbehalten ist. Der Rat
muß sich dabei mit der EZB abstimmen. Die Festschreibung formaler
Wechselkursregeln – z.B. ein fester Kurs oder eine Zielzone gegenüber
dem US-Dollar – hat aber im heutigen Weltwährungssystem kaum
Realisierungschancen. Hingegen wird ab dem Beginn der EWU am
1. Januar 1999 ein System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse für das Verhältnis zwischen dem Euro und den Währungen einzelner
EU-Staaten etabliert, die nicht sogleich an der EWU teilnehmen. Durch
dieses sog. Europäische Währungssystem II (EWS II) dürfte die Geldpolitik aber nicht nachhaltig beeinträchtigt werden, zumal die EZB ihre
Interventionen zur Stützung der Euro-Wechselkurse der übrigen EUPartnerländer bei drohenden geldpolitischen Störungen aussetzen kann
und zunächst nur zwei Länder – Dänemark und Griechenland – am
EWS II teilnehmen wollen. Die EZB hat ein Initiativrecht für Leitkursanpassungen im EWS II. Die Entscheidung über Leitkursveränderungen
fällt allerdings der ECOFIN-Rat nach Konsultation der EZB (Kap. VII).
EZB für laufende Wechselkurspolitik
zuständig
ECOFIN-Rat entscheidet über
Wechselkursregime
EWS II ab 1999
Die geldpolitische Strategie: Geldmengen- oder
Inflationsziel?
Die elf EWU-Teilnehmerländer haben sehr unterschiedliche Traditionen
und Erfahrungen mit geldpolitischen (Zwischen-)Zielen und Orientierungsgrößen. Drei Varianten lassen sich unterscheiden: erstens ein Geldmengenkonzept wie z.B. bei der Deutschen Bundesbank. Zweitens die
Vorgabe eines direkten Inflationsziels, das seit einigen Jahren in Finnland und Spanien, aber auch in den nicht an der EWU teilnehmenden
Ländern Großbritannien und Schweden praktiziert wird. Das dritte Modell ist die Orientierung an einem Wechselkursziel zur D-Mark. Mehrere EWU-Länder wie die Niederlande oder Österreich haben eine lange
Tradition der Wechselkursanbindung an die Ankerwährung D-Mark.
Bisher verschiedene Zwischenziele
Das EWI hat in seinem Bericht vom Februar 1997 die Strategiewahl
auf zwei Varianten eingeengt: die Vorgabe eines Geldmengenziels oder
eines direkten Inflationsziels. Ein Wechselkursziel scheidet für die EZB
aus, weil kein geeigneter Anker zur Verfügung steht. Im EWI-Bericht
wird darauf verwiesen, daß die Unterschiede zwischen Geldmengenund Inflationsziel in der geldpolitischen Praxis weniger ausgeprägt sind
als in der Theorie und es bei der Umsetzung der Geldpolitik Varianten
gibt, die Elemente beider Strategien enthalten. Außerdem sei es für
Notenbanken, die eine der beiden Strategien verfolgen (wie z.B. beim
Geldmengenziel der Bundesbank), gängige Praxis, bei der Bestimmung
des geldpolitischen Kurses ein breites Spektrum weiterer Indikatoren
heranzuziehen. Um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik zu sichern, hält
es das EWI – unabhängig von der Strategie – für unerläßlich, daß die
Geldmengen- und Inflationsziel als
Alternativen
23
EZB das Endziel der Preisstabilität zahlenmäßig genau definiert und
zusätzlich eine oder mehrere – noch nicht konkretisierte – spezielle
Zielvorgaben (z.B. für ein Zwischenziel Geldmenge) festlegt, um ihre
Politik der Öffentlichkeit verständlich darzustellen und zu begründen.
Über die endgültige Strategie entscheidet die EZB.
Auf Glaubwürdigkeit kommt es an
Die Geldmenge kann einerseits Lotsenfunktion für die geldpolitische
Steuerung der EZB übernehmen und andererseits als Orientierungshilfe
für die Märkte, den Staat und die Tarifpartner dienen. Voraussetzung für
die Verwendung der Geldmenge als Zwischenziel der Geldpolitik ist
allerdings, daß unter den in der EWU herrschenden Marktbedingungen
eine hinreichend stabile Beziehung zwischen Geldmenge und Preisniveauentwicklung besteht und eine technisch steuerbare Geldmengengröße identifiziert werden kann. Das stößt zumindest anfangs wegen
möglicher Übergangseffekte bei der Einführung des Euro sowie Meßund Prognoseproblemen auf Schwierigkeiten bzw. zumindest auf Unsicherheiten. Harmonisierte monatliche Daten für die neu definierten
Geldmengenaggregate in Euroland sollen im Herbst 1998 vorliegen und
zumindest den Zeitraum rückwirkend bis Mitte 1997 erfassen, damit
Vorjahresvergleiche möglich sind. Eine Schwierigkeit besteht hier aber
darin, daß eine Bereinigung monatlicher Daten um Saisoneffekte vorerst
nur sehr eingeschränkt möglich sein wird. Verläßliche langfristige Zeitreihen für die harmonisierten Geldmengendaten können nicht ermittelt
werden. Zudem ist zu erwarten, daß die Unternehmen den Übergang
zum Euro nutzen werden, um ihr Treasury-Management zu straffen;
dies wird zu einer entsprechend geringeren Liquiditätshaltung führen
und auf die Geldnachfrage kontraktiv wirken. Außerdem ist in der
Phase B von 1999 bis 2001 noch kein Euro-Bargeld im Umlauf, so daß
im Zahlungsverkehr mit einer stärkeren Nutzung unbarer Zahlungsmittel
(Geld- und Kreditkarten bzw. Internetgeld) zulasten des Bargeldumlaufes
zu rechnen ist. Die EZB wird sich angesichts dieser Gegebenheiten
nicht ausschließlich auf ein Geldmengenziel stützen können und
zumindest in der Anfangsphase auch ein Inflationsziel als Orientierungsgröße verwenden.
Ein Geldmengenziel hat Vorteile ...
Ein Inflationsziel ist zwar den Märkten leicht zu vermitteln und einfach
zu überprüfen. Die Geldpolitik kann flexibler auf unerwartete Schwankungen der Geldnachfrage reagieren als bei einem Geldmengenziel.
Eine solche Vorgabe darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich
ein geldpolitisches Bremsmanöver erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung (von 12-24 Monaten und mehr) in einer Senkung der Inflationsrate niederschlagen kann und die Notenbank in der Zwischenzeit unter
Rechtfertigungszwang gerät. Für dieses Konzept liegen bisher nur Erfahrungen für wenige Jahre und auch nur aus Zeiten relativ niedriger Inflationsraten vor. Dabei ergaben sich bei der Entscheidung über Inflationsprognosen und -ziele bisher keine größeren Probleme. Schwieriger könnte sich die Vorgabe von Inflationszielen allerdings in Zeiten höherer Inflationsraten gestalten. Wichtig ist es für die EZB, den Märkten und der
Öffentlichkeit in den Teilnehmerländern der EWU rechtzeitig Klarheit über
ihre geldpolitische Strategie zu geben.
Wenig Erfahrung mit Inflationszielen
... aber bereitet auch Probleme
Geldmengen- und Inflationsziel
wahrscheinlich
Geldpolitisches Instrumentarium: Schwerpunkt auf
Offenmarktpolitik
Derzeit gibt es eine große Vielfalt von geldpolitischen Instrumenten in
den EU-Ländern, auch wenn es in den letzten Jahren in der faktisch
betriebenen Geldpolitik zu einer beachtlichen Annäherung gekommen
ist. Offenmarktpolitik mit Wertpapierpensionsgeschäften steht inzwischen in fast allen EWU-Teilnehmerländern im Zentrum der geldpoliti-
24
Konvergenz der Instrumente
schen Steuerung. Die Bedeutung der Mindestreservepolitik hat seit
Anfang der 90er Jahre deutlich abgenommen.
Das EWI hat 1997 in zwei Berichten den geldpolitischen „Instrumentenkasten” vorgestellt bzw. präzisiert, aus dem die EZB nach ihrer Gründung auswählen kann. Danach werden die laufende Liquiditätsbereitstellung und die Steuerung des Geldmarktzinses in erster Linie durch
Offenmarktgeschäfte erfolgen. Dem ESZB sollen vier Formen von Offenmarktoperationen zur Verfügung stehen: Im Mittelpunkt werden sog.
Hauptrefinanzierungsgeschäfte stehen, die quasi nahtlos an die z.B. in
Deutschland gewohnten Wertpapierpensionsgeschäfte anschließen
werden. Diese Hauptrefinanzierungsgeschäfte dienen der befristeten
Liquiditätsbereitstellung; sie werden wöchentlich mit zweiwöchiger
Laufzeit im Wege von Tenderverfahren ausgeschrieben. Wichtigster
Leitzins der Geldpolitik wird der Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft sein („Refi“-Satz). Daneben wird es sogenannte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte geben, die als ergänzendes Instrument
der Basisrefinanzierung der Banken beim ESZB fungieren. Sie werden
monatlich ausgeschrieben und haben eine dreimonatige Laufzeit. Damit soll vor allem kleineren Banken in Deutschland ein Ersatz für den
Wegfall des Diskontkredites geboten werden. Außerdem sind – bei
Bedarf – Feinsteuerungsmaßnahmen (z.B. Schnelltender) sowie strukturelle Operationen zur Beeinflussung der Liquiditätsposition der Banken vorgesehen, z.B. Mittelentzug durch die Emission von Schuldverschreibungen des ESZB.
Schlüsselrolle für Offenmarktpolitik
Zinskorridor für den Geldmarkt
Die Zinssätze am Geldmarkt sollen sich innerhalb eines Korridors bewegen. Dieser wird durch zwei ständige Fazilitäten markiert. Zur Dekkung eines außergewöhnlichen Liquiditätsbedarfs und damit als Obergrenze für die Geldmarktsätze ist die Spitzenrefinanzierungsfazilität vorgesehen. Diese Kreditfazilität ist dem bisherigen deutschen Lombard
ähnlich. Sie kann, soweit entsprechende Sicherheiten beim ESZB hinterlegt sind, ohne Begrenzung genutzt werden. Als untere Auffanglinie für
den Geldmarktsatz wird eine Einlagefazilität dienen. Hier können die
Banken im Falle einer „Geldmarktschwemme” kurzfristig Liquidität bei
der EZB „parken”. Mittelbereitstellung bzw. -anlage über diese beiden
ständigen Fazilitäten erfolgen sehr kurzfristig, d.h. „über Nacht”.
Zinssatz
Spitzenrefinanzierungsfazilität
Ï Steuerung des
im
Ï Refi-Satzes
"Korridor" durch
OffenmarktgeÏ schäfte
Einlagefazilität
Diskontfenster entfällt
Eine Rediskontpolitik nach deutschem Vorbild wird es in der EWU nicht
geben. Ausschlaggebend hierfür ist, daß dieses Instrument (mit niedrigem Satz und Rediskontkontingenten) nur in wenigen Ländern genutzt wird, die Abwicklung relativ kostenintensiv ist und es mit Subventionseffekten verbunden ist. Als Sicherheit für Notenbankkredite an
die Banken wird die EZB allerdings neben Staatstiteln auch private
Papiere zulassen und dabei unter anderem auch private Wechsel, sofern sie bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Dies wird eine größere Flexibilität bei Offenmarktgeschäften ermöglichen und auch solchen Banken einen unmittelbaren Zugang zum Notenbankkredit der
EZB eröffnen, die nicht über genügend staatliche Wertpapiere als Sicherheit verfügen. Für die Diskontfazilität gilt folgende Übergangsregelung:
Die Bundesbank nimmt ab dem 14. Oktober 1998 nur noch Wechsel
zum Rediskont an, die spätestens am 14. Januar 1999 fällig werden.
Am 23. Dezember 1998 wird der Ankauf von Wechseln durch die Bundesbank ganz eingestellt.
Wechsel als Sicherheit bei EZB
verwendbar
25
Geldpolitische Operationen des ESZB
Geldpolitische
Geschäfte
Trans aktionsart
LiquiditätsbeLiquiditätsabreitstellung
schöpfung
Offenmarktges chäfte
Ha uptrefinanzie- Befristete
rungsinstrum ent Transaktionen
Laufzeit
Rhythm us
Verfahren
./.
Zw ei Wochen
W öchentlich
Standardtender
Drei Monate
Monatlich
Standardtender
Nic ht
standardisiert
Unregelm äßig
Schnelltender
Bilatera le
Geschä fte
Unregelm äßig
Bilatera le
Geschä fte
Sta ndardisiert/
nicht standardisiert
Regelm äßig
und
unregelm äßig
Standardtender
./.
Unregelm äßig
Bilatera le
Geschä fte
Längerfristige
Refinanzierungsgeschäfte
Befristete
Transaktionen
./.
Feins teuerungsoperationen
Befristete
Transaktionen
Devisensw aps
Dev isensw aps
Hereinnahm e
von Term ineinlagen
Befristete
Transaktionen
Definitive
Käufe
Definitive
Verkäufe
Befristete
Transaktionen
Em ission von
Schuldverschreibungen
Definitive
Käufe
Definitive
Verkäufe
Strukturelle
Operationen
Ständige Fazilitäten
SpitzenrefinanBefristete
zierungsfazilität
Transaktionen
Einlagefazilität
./.
./.
Einlagenannahm e
./.
über Nacht
Inanspruchnahm e auf Initiative
der Geschä fts partner
über Nacht
Inanspruchnahm e auf Initiative
der Geschä fts partner
Quelle: E uro päis c hes Währungs ins titut, D ie einheitlic he Geldpo litik in Stufe 3 A llgemeine R egelungen für die geldpo litis c hen Ins trumente und Verfahren des E SZ B , September 1997.
Mindestreserve wird eingeführt
Laut Maastricht-Vertrag ist es die Aufgabe des ECOFIN-Rates, die
Rahmenbedingungen für die Anwendung eines Mindestreservesystems
als geldpolitisches Instrument zu schaffen. Zu diesem Zweck soll
– unter Berücksichtigung der Empfehlungen der EZB – eine Verordnung
beschlossen werden, die die Mindestreservebasis, den maximal zulässigen Reservesatz und die im Falle der Nichteinhaltung der Mindestreservevorschriften zu verhängenden Sanktionen festlegt. Es wird
erwartet, daß der ECOFIN-Rat diese Verordnung so bald wie möglich
verabschiedet. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen kann die EZB eine
Mindestreservepflicht auf Bankeinlagen beschließen. Im Juli 1998 hat
der Rat der Europäischen Zentralbank bereits entschieden, ab Januar
1999 Mindestreserven für die in der EWU operierenden Banken einzuführen.
26
ECOFIN-Rat legt
Rahmenbedingungen fest
EZB beschließt Mindestreserve
Der EZB-Rat hat drei wichtige Funktionen für die geldpolitische Steuerung
hervorgehoben: Erstens erwartet die EZB eine Stabilisierung der Geldmarktsätze, da die im Monatsdurchschnitt zu hinterlegenden Mindestreserven einen “Puffer” bilden, mit dem Liquiditätsschwankungen am
Geldmarkt abgefangen werden können, ohne gleich Zinsfluktuationen
auszulösen. Auf diese Weise sollen allzu häufige Geldmarktinterventionen der EZB, von denen u.U. falsche geldpolitische Signale ausgehen
können, vermieden werden. Zweitens soll mit Hilfe der Mindestreserve
eine strukturelle Liquiditätsknappheit am Geldmarkt herbeigeführt werden, um die Rolle der EZB bei der Liquiditätsbereitstellung für die Banken
zu stärken. Drittens soll das Mindestreservesystem zu einer effizienteren
Geldmengensteuerung beitragen, indem die Zinselastizität der Geldnachfrage erhöht wird. Das Mindestreservesystem der EZB, über dessen
konkrete Ausgestaltung bis spätestens November 1998 entschieden
werden soll, weist folgende Kernelemente auf:
Drei Hauptfunktionen
• Die Reservebasis setzt sich aus Bankeinlagen, ausgegebenen
Schuldverschreibungen und Geldmarktpapieren zusammen. Repogeschäfte sowie Einlagen und Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren werden nicht in die Mindestreservepflicht einbezogen.
Repo-Geschäfte sind
mindestreservefrei
• Die Mindestreservesätze für die verschiedenen reservepflichtigen
Verbindlichkeiten werden zwischen 1,5 % und 2,5 % liegen.
• Die Mindestreserveguthaben werden verzinst. Die Höhe der Verzinsung entspricht dem Satz für das Hauptrefinanzierungsinstrument
der EZB.
Verzinsung zu Marktsätzen
Den Banken und Finanzplätzen in Euroland dürften durch die Einführung
des Mindestreservesystems keine Nachteile gegenüber Wettbewerbern
in Drittländern entstehen. Vielmehr gelten künftig für alle Banken im
EWU-Raum gleiche Wettbewerbsbedingungen. Einige Länder, wie z. B.
Deutschland, verfügen bereits über Erfahrungen mit Mindestreservesystemen. In Ländern wie Belgien und Luxemburg stellt die Mindestreservepflicht jedoch ein Novum dar. Die in Luxemburg ansässigen internationalen Banken büßen durch die EWU-weite Einführung einer verzinslichen Mindestreserve ihre bisherigen Vorteile ein.
Grundsätzlich ist eine Mindestreserve für die geldpolitische Steuerung
nicht notwendig, wie die Erfahrung in anderen Ländern zeigt. Das Argument, daß eine Mindestreserve erforderlich ist, um häufige Geldmarktinterventionen der EZB und damit verbundene irreführende Signale an
den Markt zu verhindern, scheint nicht überzeugend, da sich die Finanzmärkte ohnehin an dem wöchentlich veröffentlichten Satz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte der EZB orientieren werden. Die Geldpolitik
könnte daher auch ohne eine Mindestreservepflicht, die mit einem beträchtlichen administrativen Aufwand verbunden ist, auskommen.
Mindestreserve nicht notwendig
Veränderungen im Zahlungsverkehr
Die Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs in Europa
erfolgte bisher über bankinterne Netzwerke bzw. Korrespondenzbanken.
Die Einführung des Euro beseitigt die bisherigen Währungsschranken
zwischen den elf Teilnehmerländern und ebnet den Weg für neue Zahlungsverkehrssysteme. Neu ist, daß die Notenbanken des ESZB ab
Anfang 1999 das System TARGET (Gesamteuropäisches Automatisches
Brutto-Echtzeit-Express-Zahlungssystem) anbieten. TARGET verbindet
die nationalen Brutto-Echtzeitsysteme miteinander, damit Zahlungen in
Euro, die durch geldpolitische Aktionen des ESZB initiiert werden, zeitnah
ausgeführt werden können. Ziel ist es, die für einen einheitlichen
EWU ebnet Weg für neue
Zahlungsverkehrssysteme wie
TARGET ...
27
Geldmarktzins im Euro-Währungsraum notwendige Arbitrage zu
ermöglichen. Das System ist aber auch für andere Zahlungen offen.
Ein zweites grenzüberschreitendes Eurozahlungssystem wird von der
Euro Banking Association (EBA) unter der Bezeichnung Euro Clearing
System (ECS) vorbereitet. Das ECS ist der Nachfolger des 1986 geschaffenen ECU Clearing Systems. Es ist ein zentrales Nettosystem, das
von ca. 60 privaten Banken betrieben wird. Darüber hinaus treten auch
lokale Zahlungsverkehrssysteme in den europäischen Wettbewerb ein.
So hat die Bundesbank beschlossen, ihr leistungs- und umsatzstarkes
Großbetragszahlungssystem EAF (Elektronische Abrechnung Frankfurt,
zukünftig Euro Access Frankfurt) für Banken weltweit im Wege des
Fernzugangs (remote access) zu öffnen, auch wenn diese Banken keine Niederlassung in Deutschland haben. Voraussetzung für die Nutzung dieses Systems ist ein Mindestvolumen an ein- und ausgehenden Zahlungen sowie ausreichende Gegenläufigkeit der Zahlungsströme.
Schließlich investiert eine Reihe von Großbanken in den Aufbau europaweiter eigener Zahlungsverkehrsnetzwerke.
... und das Euro Clearing System ...
Aus heutiger Sicht zeichnen sich folgende Tendenzen bei der Nutzung
der verschiedenen Systeme ab: Während TARGET Vorteile in puncto
rascher Ausführung in Zentralbankgeld und Sicherheit hat und bei geldpolitischen Operationen obligatorisch ist, können Zahlungen über das
ECS und das EAF liquiditätsschonender und damit kostengünstiger abgewickelt werden als über TARGET. Über die Verteilung der Zahlungsströme auf die verschiedenen Anbieter werden vor allem Kosten und
Effizienz entscheiden. Die Preise für grenzüberschreitende Zahlungen
werden transparenter, und die Zahlungsvolumina werden zunehmen.
Der intensive Wettbewerb der verschiedenen Anbieter wird dazu führen, daß der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr in Euroland sicherer, billiger und schneller als in der Vergangenheit erfolgen kann. Dieser
Prozeß dürfte allerdings noch einige Jahre in Anspruch nehmen (EWUMonitor Nr. 43).
Wettbewerb der Systeme steigert
Effizienz
Die Übertragung von Währungsreserven auf die EZB
Im Statut der EZB ist vorgesehen, daß die Zentralbanken der teilnehmenden Staaten zu Beginn der EWU gemäß ihrem Anteil am gezeichneten Kapital der EZB Reserven bis zu einem Gegenwert von
50 Mrd. Euro an die EZB übertragen. Laut Vertrag dürfen nur Devisenreserven in Nicht-EU-Währungen (v.a. US-Dollar) sowie Gold übertragen
werden. Der EZB-Rat hat entschieden, daß 15 % der Reserven in Gold
transferiert werden sollen. Der Kapitalanteil eines Landes errechnet sich
zu gleichen Teilen aus dem Anteil am BIP und an der Bevölkerung der
Gemeinschaft. Der Rat entschied Anfang Juni 1998 über die Kapitalanteile (siehe Tabelle). Die EZB wird anfänglich mit einem Kapital von
etwa Euro 4 Mrd. ausgestattet werden. Gemäß diesem Schlüssel werden die 11 teilnehmenden Notenbanken Gold und Devisenreserven im
Gegenwert von rund Euro 39,5 Mrd. übertragen. Die vier anderen Notenbanken werden erst bei der Teilnahme ihrer Staaten an der dritten Stufe
der Währungsunion Reserven übertragen (Bundesbank: Euro 12,2 Mrd.).
Die Währungsreserven der Bundesbank beliefen sich Ende April 1998
auf DEM 118,9 Mrd. Die nicht übertragenen Reserven verbleiben bei
den teilnehmenden Notenbanken; währungspolitisch bedeutsame Veränderungen ihrer Verwendung werden ab einem noch festzulegenden
Betrag der Zustimmung des EZB-Rats unterliegen, d.h. Dispositionen
über die verbleibenden Reserven werden deutlich erschwert.
28
... sowie Euro Access Frankfurt
Kapitalanteile und Übertragung von
Reserven an die EZB
Kapitalanteil
(%)
Übertragung
(Mrd.Euro)
Banque Natio2.8885
nale de Belgique
Danmarks Natio(1.6573)
nalbank
Deutsche Bun24.4096
desbank
Bank of Greece
(2.0585)
Banco de España
8.8300
Banque de
16.8703
France
Central Bank
0.8384
of Ireland
Banca d’Italia
14.9616
Banque centrale
0.1469
du Luxembourg
De Neder4.2796
landsche Bank
Österr. Natio2.3663
nalbank
Banco de
1.9250
Portugal
Suomen Pankki
1.3991
Sveriges Riks(2.6580)
bank
Bank of England (14.7109)
1.44425
(0.82865)
12.20480
(1.02925)
4.41500
8.43515
0.41920
7.48080
0.07345
2.13980
1.18315
0,96250
0.69955
(1.32900)
(7.35545)
Die Verteilung der Gewinne der EZB
Der Gewinn der EZB aus der Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben wird zu mindestens 80 % – bis zu 20 % werden den
Rücklagen der EZB zugeführt – an die nationalen Notenbanken ausgeschüttet werden. Die Einkünfte des Notenbanksystems (ESZB) resultieren aus Vermögenswerten, welche die Gegenposten zum Banknotenumlauf und zu den Verbindlichkeiten aus Einlagen der Kreditinstitute darstellen. Die Einkünfte sind laut Vertrag gemäß Kapitalschlüssel
an die teilnehmenden Notenbanken zu verteilen. Die Bilanzstrukturen
der teilnehmenden Notenbanken werden anfänglich jedoch noch sehr
unterschiedlich sein. Eine Anwendung dieses Schlüssels würde zu einer erheblichen Umverteilung von Gewinnen führen. Um dies abzumildern, sind im Vertrag Übergangsbestimmungen vorgesehen. Eine Entscheidung des EZB-Rats über die Berechnung und Verteilung der Gewinne stand zum Zeitpunkt der Publikation dieser Broschüre noch aus.
Übergangsbestimmungen
vorgesehen
Rat der Europäischen Zentralbank
Präsident
C. Noyer
(4 Jahre)
W. Duisenberg
(8 Jahre*)
O. Issing
(8 Jahre)
T. Padoa-Schioppa
(7 Jahre)
Vize-Präsident
S. Hämäläinen
(5 Jahre)
E.Domingo Solans
(6 Jahre)
6 Direktoriumsmitglieder
11 Präsidenten der nationalen Notenbanken
A
E
P
K. Liebscher
B
NL
SF
A. Verplaetse
LUX
IRL
F
M. Varhala
D
J.C. Trichet
H. Tietmeyer
*) Rücktrittsoption nach 4 Jahren
I
M. O'Connell
L. Rojo
A. de Sousa
A. Wellink
Y. Mersch
A. Fazio
Stand: 31. August 1998
29
IV. Chancen und Risiken der
Währungsunion
Volkswirtschaftliche Vorteile
Mit dem Vertrag von Maastricht haben sich die Mitgliedstaaten der EU
die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion zum Ziel gesetzt.
Die jahrzehntelangen Bemühungen um eine immer engere wirtschaftliche Integration sollen in einem einheitlichen Wirtschaftsraum gipfeln.
Die EWU stellt dabei die Vollendung des europäischen Binnenmarktes
dar. Mit dem Beginn der Währungsunion entfallen die verbleibenden
Wechselkursrisiken zwischen den teilnehmenden Währungen. Wechselkursschwankungen, die in der EU immer wieder zu Verzerrungen der
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen geführt haben, werden mit Eintritt in die EWU der Vergangenheit angehören. Dadurch wird sich der
Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital besser entfalten
können. Die Eliminierung der Wechselkursrisiken führt zu mehr Planungssicherheit bei Handel und langfristigen Investitionen und entlastet
die Unternehmen von Kurssicherungskosten. Dies wird auch den Verbrauchern durch niedrigere Preise zugute kommen. Schätzungen des
Münchener IFO-Instituts zufolge wird die Wirtschaft der EWU-Staaten
pro Jahr von Transaktions- und Kurssicherungskosten in Höhe von 0,8 %
des BIP entlastet. Gemessen am BIP des Jahres 1997 entspricht das
Einsparungen in Höhe von DEM 74 Mrd. in den Teilnehmerstaaten der
EWU.
Außenwert der DEM, 1979-1998
260
240
ggü. EU
220
ggü. EWS
160
140
79 81 83 85 87 89 91 93 95 97
Liquider Finanzmarkt mit
breiteren Anlage- und
Finanzierungsmöglichkeiten
Schließlich wird ein stabiler Euro im internationalen Währungsgefüge
als Handels-, Anlage- und Reservewährung voraussichtlich eine deutlich größere Rolle spielen als heute die D-Mark (Kap. VIII). Aus deutscher Sicht hat dies nicht zuletzt den Vorteil, daß die Bürde der Reservewährungsrolle der D-Mark auf die wesentlich breiteren Schultern des
gemeinsamen Finanzmarktes verteilt wird. Dieser wird eher in der Lage
sein, nachteilige Auswirkungen massiver Kapitalzuflüsse oder -abflüsse
auf die Konjunktur der EWU-11 sowie die Zins- und Inflationsentwicklung
abzufedern.
Größere Rolle im internationalen
Währungsgefüge
Die Währungsunion ist keine Währungsreform
30
200
180
Mit der Währungsunion wird ein großer, liquider Finanzmarkt geschaffen, der wesentlich breitere Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten
bieten wird als die heutigen zersplitterten nationalen Märkte. Der Wettbewerb an den Finanzmärkten, zwischen den Finanzplätzen sowie unter
Banken und Versicherungen wird sich verschärfen (Kap. VI). Dies stellt
sowohl eine Herausforderung für die betroffenen Finanzinstitute als auch
eine Chance für Anleger und Kreditnehmer dar.
Die Einführung des Euro ist nicht zu vergleichen mit der deutschen
Währungsreform des Jahres 1948. Bei der EWU handelt es sich lediglich um eine Umrechnung aller Geldwerte in eine andere Währung, den
Euro. Geldvermögen und Geldschulden werden wertgleich umgestellt.
Die Umrechnung erfolgt anhand der jeweiligen Euro-Umrechnungskurse der nationalen Währungen. Die Verwendung dieser Umrechnungskurse ist bis auf sechs signifikante Stellen genau gesetzlich vorgeschrieben (Kap. II). Die Bundesbank faßt dies anschaulich so zusammen: „Die Zahlen ändern sich, die Werte bleiben gleich”. Das Risiko
eines Kaufkraftverlusts oder -gewinns durch den Umrechnungsvorgang
auf den Euro selbst besteht dabei nicht.
280
1972=100
Umrechnung aller Geldwerte ...
... bei gleichbleibender Kaufkraft
Zwar ist grundsätzlich nicht auszuschließen, daß im Laufe der Währungsumstellung Preisanpassungen, so etwa im Einzelhandel, vorgenommen werden. Der Wettbewerb dürfte jedoch dafür sorgen, daß es nicht
zu einer generellen „Aufrundung” der Euro-Beträge gegenüber den ursprünglichen Preisen kommt. Auch in Euroland wird der Handel nicht
auf Signalpreise (z.B. 0,99 Euro) verzichten wollen. Lediglich dort, wo
kein Wettbewerb herrscht, also beispielsweise im staatlich-administrativen Bereich, kann die Gefahr einer Heraufsetzung von Preisen bestehen.
Preisanpassungen der
Privatwirtschaft
Der Euro – so stabil wie die D-Mark?
Preisniveaustabilität ist eine grundlegende Voraussetzung für ein effizientes Funktionieren der Märkte. Sie schützt zudem Vermögensbesitzer
vor Entwertung ihrer Geldmittel und erhält die Kaufkraft der Einkommen.
Gerade in Deutschland ist dies nach der Erfahrung der zwei Geldentwertungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ein besonderes Anliegen.
Die öffentliche Unterstützung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik ist
in Deutschland traditionell besonders groß gewesen. In den letzten Jahren hat sich der Vorrang der Geldwertstabilität in ganz Europa durchgesetzt. Die Partnerländer in der EWU haben seit einer Reihe von Jahren
niedrige Inflationsraten aufzuweisen. Sie haben eine Stabilitätskultur
entwickelt, die der deutschen vergleichbar ist. So lag die durchschnittliche
Inflationsrate im künftigen Euroland 1997 bei 1,6 %, der niedrigste Preisanstieg seit über dreißig Jahren. Mit 1,5 % lag die der Bundesrepublik
im selben Jahr nur geringfügig darunter. Der Euro wird somit als stabile
Währung starten.
Inflationsraten Deutschland & EU
% gg. Vj.
EU
20
15
10
5
D
0
-5
70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98
Die Rahmenbedingungen für die dauerhafte Geldwertstabilität des Euro
sind günstig:
• Die EZB, von deren geldpolitischem Kurs die Stabilität des Geldwertes in der EWU vor allem abhängt, hat das eindeutige Mandat, das
Preisniveau in der Währungsunion zu stabilisieren.
• Die EZB wird als eine unabhängige Notenbank über alle Voraussetzungen verfügen, die sie benötigt, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Ihre Unabhängigkeit geht noch über diejenige der Deutschen
Bundesbank hinaus, da ihr vertraglich vereinbartes Statut nicht per
Gesetz, sondern nur mittels einer Änderung des Vertrages von Maastricht sowie deren Ratifikation, d.h. mit Zustimmung aller Länder,
geändert werden könnte (Kap. III).
• Um eine stabilitätsorientierte Fiskalpolitik sicherzustellen, haben sich
die Regierungen auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt geeinigt.
Dieser verpflichtet die EWU-Teilnehmer auf eine stabilitätsorientierte
Haushalts- und Schuldenpolitik (Kap. V). Eine Verletzung dieser Vereinbarungen wird letztendlich empfindlich bestraft. Im übrigen ist eine
Übernahme von Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates durch einen
anderen oder durch die Gemeinschaft untersagt (s. Kasten).
Diese Pfeiler lassen einen stabilen Euro erwarten. Eine Stabilitätsgarantie kann freilich niemand geben – weder für die heutigen nationalen Währungen noch für das künftige europäische Geld. Fehlentwicklungen in der Fiskalpolitik der teilnehmenden Staaten würden ebenso
wie z.B. überhöhte Lohnabschlüsse die Aufgabe der Geldpolitik zwar
nicht unmöglich machen, aber doch erschweren. Es ist jedoch von großer Bedeutung für das wirtschaftliche Wachstum und die Beschäftigung, Konflikte zwischen den einzelnen Politikbereichen möglichst zu
vermeiden, so daß eine übermäßig harte Geldpolitik erst gar nicht erforderlich wird.
Gute Chance für einen stabilen Euro
Haftung der Mitgliedstaaten
Der Unionsvertrag untersagt grundsätzlich eine Übernahme finanzieller Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates durch
einen anderen oder durch die Gemeinschaft (Art. 104b EGV). Nur im Falle außergewöhnlicher Ereignisse oder bedrohlicher Schwierigkeiten kann der Rat
einem Mitgliedstaat finanziellen Beistand durch die Gemeinschaft gewähren (Art. 103a EGV). Für eine solche
Maßnahme bedarf es einer einstimmigen Entscheidung seitens des Rates. Sie
kann also nicht gegen den Willen eines
Mitgliedstaates getroffen werden. Allein
im Ausnahmefall einer Naturkatastrophe genügt eine qualifizierte Mehrheit.
31
Stabile Zinslandschaft
Zinsniveau und Zinsstruktur werden entscheidend vom konjunkturellen Umfeld einer Volkswirtschaft bestimmt. Auch in der EWU wird das
Zinsniveau im Verlauf der Konjunkturzyklen Schwankungen unterliegen. Strukturell betrachtet dürften sich die Zinsen in der EWU jedoch
auf einem insgesamt niedrigen Niveau einpendeln. In erster Linie kommt
es auf die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer an. Vom Vertrauen der Finanzmärkte in die Fähigkeit der EZB, die Preisniveaustabilität
zu sichern, hängt die Höhe des Risikoaufschlags auf die Renditen der
langfristigen Anleihen ab. Die Finanzmärkte haben offenbar Vertrauen
in einen stabilen Euro. Die langfristigen Zinsen der EWU-Teilnehmerländer haben sich dem niedrigen deutschen Zinsniveau angeglichen
(s. Graphiken). Die von manchen EWU-Skeptikern befürchtete Erhöhung der deutschen Zinsen ist nicht eingetreten. Die bereits beschriebenen institutionellen Rahmenbedingungen unterstützen dabei das Vertrauen der Märkte in eine stabilitätsorientierte Geldpolitik in der EWU.
Für ein strukturell niedriges Zinsniveau spricht auch die Konsolidierung
der öffentlichen Haushalte, wie sie der Stabilitäts- und Wachstumspakt
vorschreibt. Niedrigere Budgetdefizite bedeuten eine sinkende staatliche
Kapitalnachfrage. Zudem ist damit zu rechnen, daß ein stabiler Euro
auch zu einer attraktiven Währung für öffentliche und private Anleger
aus Drittstaaten werden wird (Kap. VI). Der Euro bietet somit die Chance
eines investitions- und damit wachstumsfreundlichen Umfeldes für den
gesamten Euro-Raum.
Kein Spielraum für weitergehende Transferleistungen
Gelegentlich werden Bedenken geäußert, die EWU könne zu einer
„Transferunion” führen. Dem liegt die Annahme zugrunde, die wirtschaftliche Schwäche einer Region und die fehlenden Korrekturmechanismen
der Geld- und Wechselkurspolitik könnten als Anlaß dienen, eine finanzielle Umverteilung von wirtschaftlich günstiger gestellten Gebieten zugunsten einer solchen Region zu fordern.
Transferzahlungen in Form der Regional-, Struktur- und Kohäsionsfonds
sind bereits seit Jahren ein fester Bestandteil des EU-Haushaltes. Das
Ziel der Fonds ist es, den Aufholprozeß der wirtschaftlich schwächeren
Regionen zu unterstützen und damit einen ausgewogenen und dauerhaften wirtschaftlichen Fortschritt in der EU zu fördern. 1997 flossen
ECU 32 Mrd. in diese Fonds. Dies entspricht 35,7 % des Gesamtbudgets der EU, aber nur 0,54 % des BIP der EU. Ausweitungen wie auch
Reduzierungen der Zahlungen im Rahmen der Strukturfonds bedürfen
eines einstimmigen Beschlusses im Rat der EU. Vor dem Hintergrund
der Forderung der Netto-Beitragszahlerstaaten der EU, so etwa der Niederlande und Deutschland, nach einer finanziellen Entlastung scheint
die Bereitschaft zu erhöhten Zahlungen jedoch sehr gering. Die EWU
wird sich daher nicht zu einer „Transferunion” entwickeln.
Zinssätze 10J Bonds
in %
10
ESP
IEP
PTE
32
8
ITL
6
FIM
4
N J M M J S N J M M J S N J M M
1995
1996
1997
1998
Zinssätze 10J Bonds
in %
12
10
FRF
8
ATS
BEF
6
NLG
DEM
4
N J M M J S N J M M J S N J M M
1995
1996
1997
1998
Europäischer Kohäsionsfonds
Der Kohäsionsfonds wurde durch den
Europäischen Rat in Edinburgh 1992 ins
Leben gerufen. Ziel ist die Förderung der
wirtschaftlichen Entwicklung schwächerer Staaten, um speziell deren Teilnahme an der EWU zu erleichtern bzw.
zu ermöglichen. Insgesamt waren im
Zeitraum 1993 bis 1996 Spanien, Griechenland, Portugal und Irland mit ECU
8 Mrd. begünstigt. Die EU-Verordnung
zum Kohäsionsfonds muß bis Ende 1999
vom Rat erneut beraten werden. Die
Kommission der EU hat sich in ihrer
Agenda 2000 für eine Fortführung des
Fonds ausgesprochen. Einige EU-Staaten lehnen eine Fortführung jedoch ab.
Chancen für die Arbeitsmärkte
Die Währungsunion führt zu schärferem Wettbewerb und stärkt somit
mittelfristig Wachstum und Beschäftigung in Europa. Kurzfristig könnten jedoch in einigen Branchen zunächst Arbeitsplätze abgebaut werden, die unter den neuen Bedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig
sind. Gerade im Zuge der Zusammenschlüsse von Unternehmen kann
dies erfolgen. Langfristig dürften jedoch die positiven Impulse für Investitionen und Beschäftigung, die sich aus den neuen Rahmenbedingungen ergeben, eindeutig überwiegen.
12
EWU fördert Wachstum und
Beschäftigung
Zweifellos kann der Euro allein die gravierenden Probleme auf den Arbeitsmärkten einiger Teilnehmerstaaten, die vor allem struktureller Natur
sind, nicht lösen. Voraussetzung für die Wirkung der positiven Impulse
der Währungsunion auf Wachstum und Beschäftigung wird sein, daß
die Regierungen die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen. Sie
müssen bereit sein, die Belastung der Bürger und Unternehmen mit
Steuern und Abgaben zu verringern, die Haushalte weiter zu konsolidieren sowie die Arbeitsmärkte zu liberalisieren. Selbstverständlich tragen auch die Tarifparteien bei der Beschäftigungspolitik eine große Verantwortung (Kap. V). Die hohe Arbeitslosigkeit in Euroland erfordert
auf Jahre hinaus eine moderate Lohnpolitik.
Arbeitslosigkeit in der EU*)
25
%
E
20
15
F
I
10
D
NL
5
EU
Chancen nutzen und Risiken minimieren
0
85
Verbraucher
Die Verbraucher profitieren von der höheren Preistransparenz und dem
verstärkten Wettbewerb innerhalb der EWU. Identische Produkte werden
bislang in verschiedenen Ländern der EU zu Preisen angeboten, die
sich, auch unter Berücksichtigung der differierenden Verbrauchssteuern,
erheblich voneinander unterscheiden. Eine einheitliche Währung erleichtert internationale Preisvergleiche. Die größere Preistransparenz und
der intensivere Wettbewerb dürften daher zu einer Annäherung der Preise
auf niedrigerem Niveau führen.
87
89
91
93
95
97
*) Eurostat-Definition
Wettbewerb und Transparenz ...
... ermöglichen Angleichung
von Produktpreisen auf
niedrigem Niveau
Neben umständlichen Umrechnungen sparen die Verbraucher auch die
mit dem Fremdwährungstausch bisher verbundenen Transaktionskosten. Dies bringt Vorteile bei Auslandsreisen, aber auch bei bargeldlosen Geldtransfers innerhalb der EWU.
Euro erleichtert Auslandsreisen und
Geldtransfers in der EWU
Schließlich profitieren Bürger wie auch Unternehmen von den verbesserten Anlagemöglichkeiten, die große, liquide Renten- und Aktienmärkte in Europa ohne Währungsrisiko bieten. Mit Blick auf die zunehmende Bedeutung der privat organisierten Altersvorsorge kann sich dies
als besonders positiv erweisen. Zudem dürfte der zunehmende Wettbewerb auch günstigere Konditionen bei Finanzdienstleistungen zur Folge
haben.
Liquidere Anlagemärkte
Unternehmen
Aus Sicht der Unternehmen bringt die gemeinsame Währung zahlreiche Vorteile (EWU-Monitor Nr. 42). Zusätzlich zum Wegfall der Transaktionskosten profitieren sie davon, daß Kurssicherungsgeschäfte in der
EWU in Zukunft hinfällig werden. Der entscheidende Vorteil besteht
also darin, daß der Wegfall der Wechselkursschwankungen mehr Planungssicherheit für Handel und Investitionen gibt.
Vielfältige Chancen durch den Euro
Die Einführung der einheitlichen Währung bedeutet auch eine strategische
Herausforderung für die Unternehmen. Die einheitliche Währung bringt
mehr Preistransparenz und fördert den Wettbewerb in der EWU. Dies
eröffnet den Unternehmen neue Marktchancen, erleichtert jedoch auch
den Marktzutritt für neue Wettbewerber. Gleichzeitig engt die zunehmende Transparenz den Spielraum für eine Strategie der Preisdifferenzierung ein. Der innereuropäische Wettbewerb kann folglich auch eine
Überprüfung der Produktgestaltung, der Beschaffungsmärkte sowie der
Produktionsstandorte erforderlich machen.
EWU auch von strategischer
Bedeutung
Unabhängig von den strategischen Konsequenzen muß jedes Unternehmen die technischen und organisatorischen Probleme der Umstellung auf den Euro bewältigen. Alle Unternehmen sind in ihren betrieblichen Funktionsbereichen wie Produktion, Rechnungswesen, Organi-
Übergang mit technischen und
organisatorischen Herausforderungen
33
sation und Personal betroffen, wobei jeweils spezifische Umstellungsaufgaben anfallen. Eine Schlüsselaufgabe wird die Umstellung der EDV
sein. Hier wird der größte Teil der Umstellungskosten anfallen.
Um die Vorteile der Währungsunion zu nutzen, muß ein Unternehmen
den Grad, zu dem es von der Umstellung betroffen ist, bestimmen.
Dies hängt in erster Linie von der Branche ab, in der es angesiedelt ist
(EWU-Monitor Nr. 32). Die Kosten der technischen Umstellung, die
Auswirkungen der EWU auf Kerngeschäft und Querschnittfunktionen
sowie die strategischen Fragestellungen unterscheiden sich in den einzelnen Wirtschaftszweigen erheblich. Für alle Unternehmen gilt jedoch
in gleichem Maße, daß frühzeitige Maßnahmen und umfassende Informationen zur Währungsunion grundlegende Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Umstellung sind. Eine rechtzeitige Vorbereitung trägt auch
dazu bei, die Kosten der Umstellung in Grenzen zu halten. Hier ist
jedes einzelne Unternehmen gefordert.
Chancen und Risiken abhängig von ...
... Betroffenheitsgrad des
Unternehmens, ...
... frühzeitiger Vorbereitung und
umfassender Information
Politische Perspektiven
Die Währungsunion stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg der europäischen Integration dar. Der Euro dient nicht nur der wirtschaftlichen
Prosperität, sondern auch der politischen Stabilität, indem er die Zusammenarbeit der europäischen Staaten intensiviert, gemeinsame Interessen fördert und durch gemeinschaftliche Gremien die Lösung von
Konflikten erleichtert. Die Dominanz der Deutschen Bundesbank im
EWS hatte gelegentlich Anlaß zu geldpolitischen Konflikten gegeben,
insbesondere in den Jahren nach der deutschen Vereinigung. Für die
Geldpolitik in Euroland gilt zukünftig, daß sie nicht nur von allen akzeptiert werden muß, sondern auch gemeinsam im EZB-Rat entschieden
werden wird.
Euro dient wirtschaftlicher und
politischer Stabilität
Umstritten ist, inwiefern eine politische Union Europas eine Vorbedingung
für den wirtschaftlichen Erfolg des Euro darstellt. Fest steht, daß die
EU mit Abschluß des Maastrichter Vertrages bereits einen hohen Grad
der wirtschaftspolitischen Integration erreicht hat. Eine weitere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist notwendig, um Konflikte
mit der stabilitätsorientierten Geldpolitik zu vermeiden. Diesem Ziel
dienen u.a. das im Maastricht-Vertrag vereinbarte Verfahren zur Überwachung der Staatshaushalte einschließlich des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Das Risiko eines Auseinanderdriftens der EWU-Erstteilnehmer einerseits und der zunächst nicht teilnehmenden EU-Staaten
andererseits dürfte angesichts des praktisch jederzeit möglichen Nachrückens dieser Staaten in die EWU gering sein, zumal sie in alle übrigen
politischen Entscheidungsprozesse der EU eingebunden bleiben werden
(Kap. VII).
Wirtschaftspolitische Integration
bereits weit fortgeschritten
Die künftige Aufgabe Europas liegt in der konsequenten Erweiterung
und Vertiefung der Europäischen Union. Derzeit wird der Beitritt zahlreicher
Staaten vorbereitet. Mit der Osterweiterung wird eine Reform der Programme der Union sowie eine Straffung ihrer Entscheidungsprozesse
einhergehen müssen. Mit dem Vertrag von Amsterdam sind bereits
erste Schritte in diese Richtung gemacht worden, wie etwa die Ausweitung der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat. Einen
weiteren Schritt hat die Europäische Kommission mit der Vorlage eines
umfangreichen Reformprogramms, der „Agenda 2000”, getan. Mit Hilfe
detaillierter Assoziationsabkommen werden die Beitrittskandidaten
schrittweise an den Binnenmarkt und letztlich auch an die Währungsunion herangeführt werden. Mit der Erweiterung der Europäischen Union
wird die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Euro weiter
zunehmen.
EU-Programme und Institutionen
vor neuen Herausforderungen durch
die Osterweiterung
34
Geldpolitik in Zukunft gemeinsame
Entscheidung
V. Wirtschaftspolitik in der EWU
Die Europäische Währungsunion verlagert die geldpolitische Souveränität auf die europäische Ebene. Damit entsteht ein neuer Ordnungsrahmen für alle Bereiche der Wirtschaftspolitik. Die Politik, aber auch
die Tarifparteien müssen sich diesem neuen Ordnungsrahmen anpassen, um den Erfolg der EWU zu sichern und das Erreichen wirtschaftspolitischer Zielsetzungen wie Wachstum und Vollbeschäftigung zu fördern.
EWU bringt neuen Ordnungsrahmen
für die Wirtschaftspolitik
Einheitliche Geldpolitik für Euroland
Die EWU bringt eine einheitliche Geldpolitik für alle elf Teilnehmerstaaten; die Notenbankzinsen, die vom EZB-Rat festgelegt werden (Kap. III),
werden in allen Teilnehmerstaaten identisch sein. Das angestrebte Ziel,
die nationalen Geldpolitiken zu vereinheitlichen und Wechselkursschwankungen zwischen den teilnehmenden Ländern auszuschließen, ist damit erreicht. Dabei sollte freilich nicht übersehen werden, daß insbesondere in den Kernländern der EWU (Deutschland, Österreich, Frankreich,
Benelux) bereits seit Ende der achtziger Jahre eine De-facto-Währungsunion bestand. Dieser Kern zeichnete sich nicht nur durch eine hohe
Stabilität der Wechselkurse untereinander, sondern vor allem den bewußten Verzicht auf den Einsatz des Wechselkursinstrumentes aus. Die letzte
Leitkursänderung in dieser Gruppe fand Anfang 1987 statt. Eine weitgehende Harmonisierung des geldpolitischen Kurses der Zentralbanken
war die Grundlage dafür, daß Leitkursänderungen vermieden werden
konnten.
EWU bedeutet einheitliche
Geldpolitik für das ganze Euroland
Allerdings war diese De-facto-Währungsunion durch die geldpolitische
Führerschaft der Bundesbank gekennzeichnet, der die Partnerstaaten
nur passiv folgen konnten, ohne einen Einfluß auf den geldpolitischen
Entscheidungsprozeß zu besitzen. Die Geldpolitik der Bundesbank orientierte sich gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag vorrangig an der wirtschaftlichen Situation in Deutschland, was den Erfordernissen in den Partnerstaaten nicht immer vollständig Rechnung tragen konnte – insbesondere
nicht in der Phase des durch die Vereinigung in Deutschland ausgelösten
Konjunkturbooms. Zudem bestanden innerhalb dieses Arrangements
bei den Notenbank- und Kapitalmarktzinsen der Partnerstaaten noch
immer Zinsaufschläge gegenüber dem deutschen Niveau.
Geldpolitische Führerschaft der
Bundesbank war aber eine
unbefriedigende Lösung
Bereits seit Ende der 80er Jahre
De-facto-Währungsunion
in Kerneuropa
Die einheitliche Geldpolitik in der EWU wird demgegenüber zu einem
einheitlichen Niveau der von der EZB kontrollierten Zinsen, d.h. in erster
Linie der Geldmarktzinsen, in Euroland führen. Die Geldpolitik wird von
der EZB für den gesamten EWU-Raum gesteuert werden. Naturgemäß
wird dabei den großen Volkswirtschaften das größte Gewicht zukommen.
R eales B IP-W ac hs tum in Euroland
1998/99=P rognos e
10
9
8
7
1998 1999
6
1997
5
4
3
2
1
IRL
SF
P
E
NL
B
A
F
D
0
I
Im Regime einer einheitlichen Geldpolitik ist es nicht möglich, auf regionale Unterschiede in der konjunkturellen Entwicklung in den einzelnen
Mitgliedstaaten mit einer Änderung der Geldpolitik zu reagieren. Wenn
die konjunkturelle Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten der EWU
unterschiedlich verläuft, wird die Ausrichtung der einheitlichen Geldpolitik für einige Staaten der konjunkturellen Situation nicht angemessen
sein. Legt z.B. (wie es gegenwärtig der Fall ist) die nur moderate
Konjunkturentwicklung in den großen EU-Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich eine eher expansive Geldpolitik nahe, wäre eine
solche Geldpolitik in Ländern, die sich gegenwärtig in einer Boomphase
befinden (insbesondere Irland), nicht optimal und würde die Konjunktur
zusätzlich anheizen. Diese Staaten wären dann gezwungen, andere Wirt-
35
schaftspolitiken, insbesondere die Fiskalpolitik, restriktiv zu gestalten,
um konjunkturelle Überhitzungen zu vermeiden.
Ein weiteres Problem bei der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik im
EWU-Raum ergibt sich daraus, daß die Wirkungskanäle der Geldpolitik
in den Mitgliedstaaten unterschiedlich sind. Eine gegebene Änderung
der Geldpolitik wirkt in den einzelnen Mitgliedsländern nicht nur unterschiedlich schnell, sondern auch unterschiedlich stark. Verantwortlich
hierfür sind z.B. unterschiedliche Finanzierungsstrukturen, Unterschiede in der Wettbewerbsintensität im Bankensektor sowie der Anteil des
Außenhandels eines EWU-Mitglieds mit Nicht-EWU-Staaten.
Bei beiden Problemen dürfte es sich jedoch um Übergangserscheinungen handeln: Mit anhaltender Dauer der Währungsunion werden zum
einen die Konjunkturzyklen innerhalb des EWU-Raumes zunehmend
synchron verlaufen; zum anderen werden sich die monetären Wirkungskanäle im Zeitablauf angleichen.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt:
Ordnungsrahmen für die Finanzpolitik
Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik bedarf der Ergänzung durch eine
disziplinierte Finanzpolitik. Zwar kann, wie viele Beispiele zeigen, die
Geldpolitik selbst bei erheblichen Budgetdefiziten die Geldwertstabilität
sichern; allerdings bedarf es dazu sehr hoher Zinsen, die sich negativ
auf das Niveau privater Investitionen – und damit auf Wachstum und
Konjunktur – auswirken. Daher waren für die EWU von vornherein Vorkehrungen für eine stabilitätsgerechte Finanzpolitik zu treffen; seinen
rechtlichen Niederschlag fand dieses Ziel insbesondere im Art. 104c
des Maastrichter Vertrages.
Der auf eine Initiative der Bundesregierung zurückgehende Stabilitätsund Wachstumspakt wurde auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in Amsterdam im Juni 1997 vereinbart. Hintergrund der
deutschen Vorschläge war die Absicht, die Vorschriften des Maastrichter
Vertrages zur Sicherung der Haushaltsdisziplin zu konkretisieren. Damit
wollte die Bundesregierung der Kritik begegnen, daß das in Art. 104c
EGV vorgesehene Verfahren zu langwierig und die dort vereinbarten
Sanktionsmechanismen bei einem „übermäßigen Defizit” nicht glaubwürdig und nicht abschreckend genug seien. Die in Art. 104c EGV enthaltenen Vorschriften und Verfahren werden daher durch den Stabilitätspakt
präzisiert, zeitlich gestrafft und berechenbar gemacht.
Anteil variabel verzinsl. Kredite
am Gesamtkreditvolumen
privater Schuldner (%)
80
70
60
50
40
30
20
10
0
NL
D
E*
B
F
I
A
*) Spanien: 43% indiziert auf kurzfristige
Zinsen, 64% anzupassen innerhalb eines
Jahres.
Quelle: BIZ
Anteil der Exporte in NichtEWU-11-Staaten am BIP, 1996*)
% BIP
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
A
B SF F
D IRL I
NL P
E
*) A= 1995
Ziel des Stabilitätspaktes ist weniger die Sanktion übermäßiger Defizite als vielmehr das Bemühen, das Entstehen solcher Defizite von vornherein zu vermeiden. Dazu dient insbesondere das umfangreiche Überwachungsverfahren, das es den einzelnen Mitgliedsländern bereits im
Ansatz erschweren wird, übermäßige Defizite einzugehen. Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, mehrjährige Stabilitätsprogramme mit Zielsetzungen für die Haushaltspolitik zu erarbeiten. Diese Programme müssen veröffentlicht werden; sie werden vom ECOFIN-Rat bewertet, wobei
die Bewertung veröffentlicht werden kann. Die Durchführung der Pläne
wird von Kommission und Rat überwacht werden, und ggf. können bei
Abweichungen Korrekturmaßnahmen empfohlen werden.
Überwachung soll helfen, Defizite
von vornherein zu vermeiden
Im Zentrum des Stabilitätspaktes steht die Selbstverpflichtung aller
EWU-Mitglieder, die Obergrenze von 3 % des BIP für das Haushaltsdefizit nicht zu überschreiten. Während gemäß Art. 104c, 2 EGV die
Einhaltung der Haushaltsdisziplin sowohl anhand des Budgetdefizits
als auch des Schuldenstands geprüft wird, beschränkt sich der Stabilitätspakt also auf das laufende Defizit. Der Pakt schreibt vor, daß die
3 % als Obergrenze für Budgetdefizite
36
Staaten in wirtschaftlichen Normallagen einen mindestens nahezu ausgeglichenen Haushalt aufzuweisen haben. Alle Staaten verpflichten sich,
mittelfristig dieses Ziel zu erreichen und entsprechende Programme
vorzulegen. Die deutsche Regierung konnte sich nicht mit ihrer Forderung
durchsetzen, daß Budgetdefizite von mehr als 3 % automatisch Sanktionen unterliegen; vielmehr sind die Feststellung eines „übermäßigen
Defizits” und ggf. der Beschluß von Sanktionen Gegenstand einer politischen Entscheidung, die im ECOFIN-Rat mit qualifizierter Mehrheit
zu fällen ist.
Der Stabilitätspakt sieht Ausnahmeregelungen von der Sanktionierung
übermäßiger Defizite für den Fall schwerwiegender Konjunktureinbrüche
vor. Diese Ausnahmeregeln sind insoweit gerechtfertigt, als den Teilnehmerländern mit der Geld- und Wechselkurspolitik bereits zwei Instrumente zur Reaktion auf eine konjunkturelle Schwächeperiode genommen sind, eine gewisse Flexibilität bei der Finanzpolitik also vertretbar und angemessen ist.
Der Stabilitätspakt soll die nachhaltig stabilitätsorientierte Ausrichtung
der Finanzpolitik sicherstellen, ohne daß die Finanzpolitiken vergemeinschaftet werden. Die Finanzpolitik bleibt, jedenfalls innerhalb der Grenzen des Paktes, in der Verantwortung der nationalen Parlamente und
Regierungen, d.h. die EWU-Staaten entscheiden weiterhin über die Höhe
ihrer Ausgaben und Einnahmen sowie deren Struktur. Im übrigen besteht, wenn die Vorgaben des Stabilitätspaktes eingehalten werden,
ein ausreichend großer Spielraum, um konjunkturelle Schwächephasen
sowohl durch diskretionäre Maßnahmen als auch im Rahmen der automatischen Stabilisatoren finanzpolitisch auffangen zu können. Voraussetzung dafür ist, daß die Staaten in normalen Konjunkturlagen tatsächlich einen in etwa ausgeglichenen Haushalt aufweisen.
Der Stabilitätspakt stellt eine bisher nicht gekannte Beschneidung autonomer Handlungsspielräume im Bereich der nationalen Finanzpolitik
dar. Die Staaten der Europäischen Union verzichten in einem Ausmaß
auf Gestaltungsrechte, das bis vor kurzem undenkbar gewesen wäre.
Auch der Umstand, daß sich die Regierungen der EWU-Mitgliedstaaten
gegenseitig das Recht zur Sanktionierung einräumen, stellt einen bedeutenden Bruch mit bisherigen Politiken dar.
Gleichwohl gibt es nach wie vor Bedenken, ob der Stabilitätspakt in
der beabsichtigten Form funktionieren wird. Insbesondere wird kritisiert, daß der Sanktionsmechanismus nicht automatisch greift, zumal
„potentieIle Sünder” über aktuelle Sünder befinden. Allerdings dürften
der Druck der Öffentlichkeit und der Finanzmärkte sowie die „peer
pressure”, d.h. das jeweilige Bemühen um die Aufrechterhaltung der
eigenen Reputation im Kreis der Finanzminister, dafür sorgen, daß die
Vereinbarungen des Paktes eingehalten werden. Insgesamt sollte daher die stabilitätsorientierte Ausrichtung der Finanzpolitik ausreichend
gewährleistet sein, wenngleich betont werden muß, daß das vereinbarte Ziel eines in etwa ausgeglichenen Budgets sehr ehrgeizig ist,
nimmt man die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zum Maßstab. Um
die finanzpolitische Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, ist eine
weitere Konsoliderung der öffentlichen Budgets jedoch ohnehin wünschenswert. Ein deutlicher Rückgang der Schuldenquoten ist mit oder
ohne EWU vor allem auch vor dem Hintergrund schon heute absehbarer, hauptsächlich demographisch begründeter, zukünftiger Zahlungsverpflichtungen nötig, die in den laufenden Haushalten nicht adäquat
berücksichtigt werden.
Sanktionsverfahren Stabilitätspakt
Ein übermäßiges Defizit soll grundsätzlich festgestellt werden, wenn das jeweils spätestens im März des Folgejahres vorzulegende Budget ein Defizit von
mehr als 3 % des BIP aufweist. Ausnahmen gelten nur bei außergewöhnlichen Ereignissen (Naturkatastrophen)
und besonders schweren Konjunkturrückgängen. Bei konjunkturbedingten
Defiziten gilt ein abgestuftes Verfahren:
Wenn das reale BIP um mehr als 2 %
zurückgegangen ist, wird ein Defizit von
über 3 % normalerweise nicht als übermäßig betrachtet. Bei einem Rückgang
des realen BIP um weniger als 0,75 %
soll ein Defizit generell als übermäßig
gelten. Wenn das BIP um mehr als
0,75 %, aber weniger als 2 % fiel, steht
die Entscheidung im politischen Ermessen der Finanzminister; zur Feststellung
eines übermäßigen Defizits bedarf es einer qualifizierten Mehrheit. Ein Verzicht
auf Sanktionen ist nur zulässig, wenn
der betroffene Staat schlüssige Argumente vorlegt, die ein Überschreiten der
3 %-Grenze rechtfertigen.
Wird ein übermäßiges Defizit festgestellt,
hat das betreffende Land höchstens vier
Monate Zeit, wirksame Maßnahmen zu
ergreifen, um das Defizit bis spätestens
zum Ende des Folgejahres unter die 3 %Marke zu drücken. Handelt das Land
nicht, sollen Sanktionen verhängt werden: Der Mitgliedstaat muß dann eine
unverzinsliche Einlage bei der Kommission hinterlegen. Die Höhe der Strafe beläuft sich auf einen Sockelbetrag von
0,2 % des BIP zzgl. 10 % des Betrags,
um den das Defizit – als Prozentsatz
ausgedrückt – die 3 %-Marke übersteigt; dabei gilt eine Obergrenze von
insgesamt 0,5 % des BIP. Die Zinserträge fließen den Staaten zu, die kein
übermäßiges Defizit aufweisen. Befindet der ECOFIN-Rat im Folgejahr, daß
kein übermäßiges Defizit mehr vorliegt,
wird die Einlage zurückgezahlt; anderenfalls kann der Rat erneut eine Zahlung in Höhe des variablen Teils der
Sanktion verlangen. Ist das Defizit im
zweiten Jahr noch immer übermäßig,
wird die Einlage eingezogen und fließt
den Staaten zu, die kein übermäßiges
Defizit aufweisen.
37
Funktion und Bedeutung der Euro-11-Gruppe
Bereits während der Verhandlungen zum Maastrichter Vertrag erhoben
die Vertreter der französischen Regierung die Forderung, daß der unabhängigen europäischen Zentralbank eine „europäische Wirtschaftsregierung”, ein politisches Pendant zur „technokratischen” Zentralbank,
zur Seite gestellt werden solle. Nachdem diese Forderung keinen Niederschlag im Maastrichter Vertrag gefunden hatte, erneuerte die französische Regierung ihr Verlangen im Kontext der Beratungen über die
Gestaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Auch hier konnte
sich Frankreich nicht gegen die anderen Mitgliedstaaten durchsetzen,
die der Meinung waren, daß die in Frage stehenden Probleme sehr gut
in den bestehenden Gremien, insbesondere dem ECOFIN-Rat, geklärt
werden könnten. Um den französischen Bedenken entgegen zu kommen, einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs jedoch beim
Luxemburger Gipfel im Dezember 1997 darauf, mit der sog. Euro-XGruppe ein informelles Beratungsgremium ohne Entscheidungskompetenz zu schaffen. Das „X” stand dabei für die damals noch unbekannte Zahl der Teilnehmerstaaten; zukünftig wird also von der „Euro11-Gruppe” die Rede sein.
Euro-11-Gruppe: Informelles Gremium
ohne Entscheidungskompetenz, ...
In der Euro-11-Gruppe sind also nur die jeweiligen EWU-Mitgliedstaaten
vertreten. Die EU-Kommission und ggf. die EZB werden zu den Treffen
der Euro-11 eingeladen. Dieser Rat dient den Ministern der EWU-Teilnehmerstaaten als Forum zur Erörterung von „Fragen, die im Zusammenhang mit ihrer gemeinsam getragenen Verantwortung für die
gemeinsame Währung stehen”. Dazu zählen die Entwicklung des EuroWechselkurses zu Drittwährungen, technische Fragen der EWU und
Diskussionen im Rahmen des Stabilitätspaktes. Wahrscheinlich ist,
daß die EWU-Mitgliedsländer die Euro-11-Gruppe auch zur Behandlung
von Fragen der wirtschaftspolitischen Koordinierung sowie zur Abstimmung ihrer Positionen auf internationaler Ebene nutzen werden.
... dient vor allem der Erörterung
technischer Fragen der EWU
Mit der Euro-11-Gruppe wird in keinerlei Form das alleinige Recht des
ECOFIN-Rats, die Grundzüge der Wirtschaftspolitik zu formulieren und
zu verabschieden, in Frage gestellt. Der ECOFIN-Rat, in dem im Gegensatz zur Euro-11-Gruppe die Minister aller EU-Mitgliedstaaten beraten,
bleibt mithin die zentrale Schaltstelle der wirtschaftspolitischen Koordinierung und Beschlußfassung in der EU. Die Unabhängigkeit der EZB
wird nicht angetastet.
Unabhängigkeit der EZB nicht
gefährdet
Führt die EWU zu einer Harmonisierung der
Wirtschaftspolitik in der EU?
Die EWU vereinheitlicht die Geldpolitik in den Mitgliedstaaten; dies
bedeutet ein für alle Mitgliedstaaten weitgehend einheitliches Zinsniveau für kurzfristige Gelder. Zwischen den Teilnehmerwährungen gibt
es keine Wechselkurse mehr; gegenüber Drittländern einen einheitlichen Wechselkurs. Eine Harmonisierung anderer Bereiche der Wirtschaftspolitik ist im Rahmen der EWU nicht vorgesehen. Dies gilt auch
für die Finanzpolitik: Der Spielraum für die nationale Finanzpolitik wird
durch den Stabilitätspakt stark beschränkt; die Finanzpolitik in ihrer
Gesamtheit wird jedoch nicht harmonisiert. Allerdings sind andere wichtige Bereiche der Wirtschaftspolitik bereits lange auf EU-Ebene vergemeinschaftet – so insbesondere die Außenwirtschafts- sowie die Agrarpolitik. Nicht zuletzt hat bereits die Schaffung des Europäischen Binnenmarktes in erheblichem Maße den Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte nötig gemacht.
38
Harmonisierung der Wirtschaftspolitik
nicht vorgesehen, ...
Zweifellos haben andere Bereiche der allgemeinen Wirtschaftspolitik
ebenfalls Einfluß auf die Bedingungen für die gemeinsame Geldpolitik
und damit das Erreichen eines hohen Grades an Preisniveaustabilität.
Deswegen macht die Einführung der gemeinsamen Währung auch eine
genauere Überwachung der Wirtschaftspolitiken notwendig. Dazu zählen
insbesondere die Haushaltspolitik einschließlich der jeweiligen Steuerund Ausgabenstruktur sowie strukturpolitische Maßnahmen auf Arbeits-, Güter- und Dienstleistungsmärkten. Die Bewertung der Vereinbarkeit nationaler Wirtschaftspolitik mit dem Ziel andauernder Konvergenz
wird sich also nicht nur auf die Finanzpolitik beschränken. Es gilt hier
jedoch deutlich zu unterscheiden zwischen einer stärkeren Koordinierung
einerseits und einer Harmonisierung andererseits: Während die Harmonisierung eine rechtlich verbindliche Angleichung der Politiken bedeutet, impliziert die Koordinierung lediglich eine Abstimmung der Politiken, läßt aber den einzelnen Staaten den Freiraum, ihre individuellen
Strategien zu verfolgen. Koordinierung wird daher dem Geist des Subsidiaritätsprinzips eher gerecht. Dies gilt insbesondere auch für die Beschäftigungspolitik, was anläßlich des Luxemburger Sondergipfels zur
Beschäftigung im November 1997 und beim regulären EU-Ratstreffen
vom Dezember 1997 noch einmal bestätigt wurde. Die Luxemburger
Ratsbeschlüsse betonen die Tarifautonomie der jeweiligen nationalen
Sozialpartner und die wirtschaftspolitische Verantwortung der nationalen
Regierungen. Die Beschäftigungspolitik bleibt also in der nationalen
Verantwortung.
... eine genauere Überwachung und
Koordinierung ist aber nötig
Wenngleich es also vorerst nicht zu einer weiteren Harmonisierung der
Wirtschaftspolitiken in der EU kommen wird, ist doch eine stärkere
Koordinierung explizit vorgesehen. Gemäß den Beschlüssen des Luxemburger Gipfels vom Dezember 1997 wird der ECOFIN-Rat zukünftig die
ständige und umfassende Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung und wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Mitgliedstaaten
auf der Basis von Art. 103 EGV verstärken. Dabei werden nicht nur die
jeweilige Finanzpolitik eines Staates, sondern alle Bereiche der Wirtschaftspolitik im weiten Sinne, das heißt z.B. auch Arbeitsmarkt-,
Bildungs- und Strukturpolitik, auf dem Prüfstand stehen. Handlungsempfehlungen werden politisch verpflichtend sein und sollen – auf der
Basis von Art. 103, 4 EGV – künftig häufiger ausgesprochen werden;
Abweichungen von diesen Empfehlungen sollen in größerem Maße
moniert (wenngleich nicht sanktioniert) werden. Der betreffende Staat
wird angehalten, auf die Verwarnung mit geeigneten „wirksamen Maßnahmen” zu reagieren. Das Ziel der Konvergenz und eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes macht eine Einbeziehung aller
Mitgliedstaaten, also auch der zunächst nicht an der EWU teilnehmenden
Staaten, in den Koordinierungsprozeß unabdingbar.
ECOFIN-Rat wird verstärkt
Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik
aussprechen
Unabhängig von allen formalen Beschlüssen wird die EWU qua ihrer
inhärenten Gestaltungskraft einen erheblichen Druck zur Angleichung
der Wirtschaftspolitiken innerhalb der EU-Staaten ausüben. Die innerhalb der EU erreichte Konvergenz, die den Eintritt in die Währungsunion
erst ermöglichte, spiegelt ja gerade diese Entwicklung wider. Der durch
die EWU bedingte stärkere Wettbewerb zwischen Unternehmen und
Standorten sowie die Disziplinierungsfunktion der Kapitalmärkte werden die Wirtschaftspolitik weiterhin unter Druck setzen, den jeweiligen
Standort durch attraktive Bedingungen zu fördern. Die Schaffung flexibler Güter- und Arbeitsmärkte sowie effizienter Bildungs- und Steuersysteme wird in der EWU einen noch höheren Stellenwert gewinnen,
als dies bisher schon der Fall war. Auch zukünftig dürfte sich somit
eine durch Marktprozesse bewirkte Annäherung der Wirtschaftspolitiken
vollziehen und sogar noch verstärken.
Wettbewerb und Standortkonkurrenz
werden Angleichung der
Wirtschaftspolitik beschleunigen
Beschäftigungspolitik bleibt in
nationaler Verantwortung
Einbeziehung der nichtteilnehmenden EU-Staaten
ist notwendig
39
Lohnpolitik unter den Bedingungen der EWU
Auch wenn der Maastrichter Vertrag das Thema „Lohnpolitik” gar nicht
berührt, ist es evident, daß die Währungsunion nicht ohne Auswirkungen
auf den Lohnfindungsprozeß und seine Ergebnisse bleiben wird. Zugleich
gilt es, folgendes zu beachten: Obwohl Inflation letztlich ein monetäres
Phänomen ist, ist die Geldpolitik im Falle nicht stabilitätsorientierter
Lohnabschlüsse nur unter hohen realen Kosten (Arbeitslosigkeit, Rezession) in der Lage, die Preisniveaustabilität zu sichern. Die Tarifvertragsparteien sind daher gut beraten, ihre Lohnpolitik im Einklang mit dem
Ziel der Preisniveaustabilität zu verfolgen.
Sozialpartner sind gut beraten, den
Vorgaben der Geldpolitik zu folgen
Unter den Bedingungen einer unabhängigen, der Preisniveaustabilität
verpflichteten EZB wird es nicht mehr möglich sein, die negativen Wettbewerbseffekte überzogener Lohnabschlüsse durch eine Abwertung der
heimischen Währung zu kompensieren. Die Tarifvertragsparteien haben damit keine Möglichkeit mehr, die Verantwortung für die Ergebnisse der Lohnverhandlungen auf andere abzuwälzen. Vielmehr würden
sich die Folgen überhöhter Lohnabschlüsse in regionaler Arbeitslosigkeit niederschlagen. Lohnabschlüsse werden sich unter diesen Bedingungen an den unterschiedlichen Produktivitäten bzw. deren Entwicklung zu orientieren haben. Lohnerhöhungen, die oberhalb des Produktivitätsniveaus liegen, werden zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und damit dem Verlust von Arbeitsplätzen führen. Gleichzeitig erhält die Lohnpolitik unter diesen Vorzeichen aber auch eine höhere Wirksamkeit, weil lohnpolitische Zurückhaltung zumindest innerhalb des
EWU-Gebietes nicht mehr durch nachfolgende nominale Aufwertungen der heimischen Währung konterkariert wird. Insgesamt wird die
Beseitigung des Währungsschleiers den Wettbewerb zwischen den
nationalen Arbeitsmärkten erhöhen.
Übermäßige Lohnabschlüsse
können nicht mehr durch
Abwertung kompensiert werden
Gelegentlich wird die Befürchtung geäußert, daß es in der EWU zu
einer Angleichung der Nominallöhne kommen könnte. Die Tarifparteien
könnten die heute noch existierenden Produktivitätsunterschiede ignorieren und sich am höchsten Nominallohnniveau orientieren. Dies ist
insoweit unwahrscheinlich, als eine derartige Strategie zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit in jenen Regionen führen würde, bei
denen die Löhne nicht durch entsprechende Produktivitäten gedeckt
sind. Die betroffenen Regionen könnten in einem solchen Fall versucht
sein, nicht die notwendigen lohnpolitischen Korrekturen vorzunehmen,
sondern mit der Forderung nach Transferzahlungen anderer Mitgliedstaaten auf die Beschäftigungsverluste zu reagieren. Die politische Bereitschaft anderer Mitgliedstaaten, derartige Transferzahlungen, die vertraglich nicht vorgesehen sind, zu leisten, wird jedoch sehr gering sein.
Gleichzeitig konterkariert
Aufwertung nicht mehr
lohnpolitische Zurückhaltung
Arbeitskosten je Std. in der
Verarb. Industrie, 1996 in DEM
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
A
Eine Zentralisierung der Lohnpolitik innerhalb der EWU ist unwahrscheinlich. Die historisch gewachsenen und spezifische nationale Strukturen
reflektierenden Lohnfindungssysteme werden über lange Zeit erhalten
bleiben. Zudem sind die lohn- und beschäftigungspolitischen Interessen
zu heterogen, der vergemeinschaftete Teil der sozialen Sicherung zu
gering, als daß sich ein EWU-weites Lohnkartell bilden ließe. Die höhere
Transparenz auf den Arbeitsmärkten und der daraus resultierende Wettbewerb werden im Gegenteil zu einer stärker dezentralen Lohnpolitik
führen, auch wenn Gewerkschaften in der EWU versuchen werden,
enger zusammenzuarbeiten und gemeinsame Grundpositionen in Fragen
der Lohn- und Tarifpolitik zu finden.
40
B
D
D
( W)
( O)
E
F
I
IRL
NL
P
SF
Personalzusatzkosten
Direktentgelt
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
Lohnverhandlungen nicht zentral,
sondern regional
VI. Auswirkungen auf die
Finanzmärkte
Konsequenzen für die Rentenmärkte
Mit Bildung der EWU entsteht der zweitgrößte Anleihemarkt der Welt.
Ende Juni 1997 belief sich die Summe der in Teilnehmerwährungen
bzw. ECU denominierten umlaufenden Anleihen von Regierungen, Banken, Unternehmen und sonstigen Emittenten (einschließlich internationaler Bonds) auf ECU 5,26 Bill. Zum Vergleich: der US-Dollar-Bondmarkt
erreichte eine Größe von ECU 10,70 Bill., während der Yen-Bondmarkt
ein Volumen von ECU 4,08 Bill. aufwies. Der eurodenominierte Bondmarkt wird somit von Beginn an eine Größe von rund 50 % des Dollarund 130 % des Yen-Rentenmarkts erreichen. Damit entsteht im einheitlichen Währungsraum der EWU ein Rentenmarkt, der wesentlich größer und liquider sein wird als die heutigen nationalen Märkte. Den Marktteilnehmern eröffnen sich neue Chancen in Form erweiterter Finanzierungs- und Anlagemöglichkeiten.
Gegenwärtig hat der DEM-Rentenmarkt mit über 40 % das größte Gewicht; zusammen mit Italien (21 %) und Frankreich (17 %) entfiel 1997
auf die drei größten Märkte über drei Viertel des Gesamtvolumens des
Rentenmarkts in Währungen der elf Teilnehmerstaaten. Das Wachstum des Gesamtmarkts wird sich bei einer fortgesetzten Haushaltskonsolidierung der Staaten abschwächen. Ein belebendes Element könnte
jedoch u.a. von der Entwicklung des Markts für Unternehmensanleihen
ausgehen.
Der Rentenmarkt der EWU1)
(Juni 1997)
Mrd. ECU
DEM
2191.7
ITL
1080.6
FRF
900.4
NLG
296.6
BFR
279.6
ESP
271.0
ATS
106.0
FIM
57.4
IEP
35.9
PTE
37.0
Summe:
5256.1
Zum Vergleich:
USD
10702.0
JPY
4082.3
%
41.7
20.6
17.1
5.6
5.3
5.2
2.0
1.1
0.7
0.7
100
1) Anleihen von Regierungen, Banken, Unternehmen
und sonstigen Emittenten einschl. internationaler Bonds
Quelle: BIZ
Keine einheitlichen Anleihezinsen
Die Währungsunion wird keinen völlig einheitlichen Rentenmarkt schaffen. In der EWU wird es kein dem US-amerikanischen Treasury-BillMarkt vergleichbares hochliquides Segment eines einzelnen Schuldners geben. Das Renditeniveau auf dem Euro-Rentenmarkt wird wie
bisher primär von der Geld- und Fiskalpolitik, einschließlich ihrer Konsequenzen für Inflation bzw. Inflationserwartungen, von konjunkturellen Entwicklungen und internationalen Kapitalströmen bestimmt werden. Auf dem Rentenmarkt der EWU werden daher gewisse Zinsdifferenzen zwischen einzelnen Titeln gleicher Laufzeit fortbestehen. Dies
liegt in der unterschiedlichen Bonität der Emittenten, der unterschiedlichen Größe der Märkte und der Verfügbarkeit von Absicherungsinstrumenten (Derivaten) und gegebenenfalls in Unterschieden in der Art der
Besteuerung begründet. Die Renditeunterschiede der nationalen Emittenten werden jedoch voraussichtlich gering sein. Die Zinsdifferenzen
zwischen deutschen und italienischen zehnjährigen Staatsanleihen beliefen sich schon Anfang Mai 1998 auf weniger als 25 Basispunkte
(0,25 %). Die Spreads der Anleihen anderer Teilnehmerstaaten sind
noch niedriger. Noch ein Jahr zuvor lagen z.B. die entsprechenden Zinsspreads italienischer Anleihen bei über 220 Basispunkten. Vor wenigen
Jahren waren noch 600 Punkte üblich.
Zentrale Regierungsadresse fehlt
In der Vergangenheit spielte das Währungsrisiko die entscheidende Rolle
in der Bestimmung des Risikos von Anleihen, während das Kreditrisiko eine untergeordnete Bedeutung hatte. Länder, die eine Aufwertung
erwarteten, konnten sich eines niedrigeren Zinsniveaus erfreuen, in
Ländern mit tendenziell abwertungsverdächtiger Währung mußten
Risikoaufschläge auf dem Rentenmarkt hingenommen werden. In der
Währungsunion entfällt das Währungsrisiko, und das Kreditrisiko wird
Unterschiedliches Rating von
Staatsanleihen
Keine vollständige Konvergenz der
Renditen, ...
... denn gewisse Unterschiede
aufgrund von Bonität und Liquidität
bleiben bestehen
41
dominant. Dies stellt Rating-Agenturen und Märkte vor ein neues Problem: Wie soll die Bonität der staatlichen Emittenten in der EWU bestimmt werden? Standard & Poor’s sowie die britische IBCA wenden
das Fremdwährungsrating des Emittenten als Bezugsgröße an, da der
jeweilige Staat nicht mehr über die Möglichkeit der Geldschöpfung verfügt. Moody’s hat sich entschieden, das Rating der Inlandswährung
anzuwenden, da ein Ausfallrisiko aufgrund der fortbestehenden staatlichen Kompetenz, Steuern erheben zu können, weitgehend ausgeschlossen werden kann. Moody’s hat daher bereits Anfang Mai 1998
das Rating aller Teilnehmerstaaten auf die Bestnote Aaa gesetzt. Bei
Standard & Poor’s markiert Portugal mit AA- die untere Grenze.
Benchmark-Anleihen
Hochliquide staatliche Anleihen, die zu den niedrigsten Renditen begeben werden können und an denen sich die Märkte orientieren, werden
als Benchmark auf dem Rentenmarkt benutzt, d.h. als Maßstab, an
dem sich die Preisgestaltung anderer Anleihen mit entsprechenden
Renditeaufschlägen orientiert. Um diese Rolle konkurrieren gegenwärtig vor allem deutsche Bundesanleihen und französische Staatsanleihen. Je nach Laufzeit ergeben sich unterschiedliche Vorteile einzelner
Emittenten. Es bleibt abzuwarten, ob die Benchmarks bei unterschiedlichen Laufzeiten von verschiedenen Emittenten gesetzt werden.
Die Effizienz der nationalen Märkte, insbesondere ein entwickelter
Terminmarkt, die Abdeckung des vollen Laufzeitenspektrums in ausreichender Liquidität, die Möglichkeit des getrennten Handels von Rückzahlungsbetrag und Zinsanspruch der Anleihe (Stripping), die Ankündigung
von Emissionen in einem festen Kalender und niedrige Steuersätze
stellen wichtige Rahmenbedingungen für den Wettbewerb um die Benchmark-Rolle dar. Der Finanzplatz Deutschland ist in den letzten Jahren
in dieser Hinsicht weitgehend auf moderne Standards gebracht worden
(s. Kasten). Da der deutsche Rentenmarkt nach Liquidität, Bonität und
technischer Abwicklung zu den attraktiven Märkten der EWU zählt,
bestehen gute Chancen, daß Bundesanleihen und -obligationen auch
in Zukunft die niedrigsten Renditen aufweisen und als Benchmark fungieren können.
Neue Emittenten und Marktsegmente
Die Emittentenstruktur in der EWU wird sich verändern. Die Neuemission
von Schuldtiteln der nationalen Regierungen wird durch die Auflagen
des Stabilitätspaktes zumindest abgebremst werden. Dagegen werden andere öffentliche Emittenten, Unternehmen, supranationale Institutionen und ausländische Emittenten, vor allem staatliche Emittenten
und Unternehmen aus aufstrebenden Volkswirtschaften, an Gewicht
gewinnen. Schuldner aus diesen Ländern werden bestrebt sein, ihre
Fremdwährungsverschuldung, die zum Großteil in US-Dollar denominiert
ist, in Euro zu diversifizieren. Neue Segmente für den Sekundärhandel
von Bankkrediten bzw. ein wachsendes Geschäft in asset-backedsecurities sind ebenfalls zu erwarten.
Unternehmensanleihen
Die Finanzierung von Unternehmen über die Ausgabe von Anleihen
dürfte in der Währungsunion an Bedeutung gewinnen. Gegenwärtig gibt
es unter den zukünftigen EWU-Staaten nur in Frankreich einen liquiden
Markt, der ein Volumen von über USD 100 Mrd. aufweist; zwei Drittel
des Markts entfallen auf französische Staatsunternehmen (s. Graphik).
Der scharfe Wettbewerb im europäischen Großkunden-Bankgeschäft
42
Bonitätsbewertung der EU-Staaten
(Mai 1998)
Standard &
Poor’s1)
Moody’s2)
Deutschland
Frankreich
Niederlande
Österreich
Belgien
Irland
Italien
Spanien
Finnland
Portugal
AAA
AAA
AAA
AAA
AA +
AA
AA
AA
AA
AA -
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Aaa
Großbritannien
Dänemark
Schweden
Griechenland
AAA
AA +
AA +
BBB -
Aaa
Aaa
Aa1
A2
1) Rating für langfristige Verbindlichkeiten
in Fremdwährung:
AAA/AA+/AA-/A+/A/A-/BBB+/BBB/BBB2) Rating für langfristige Verbindlichkeiten:
Aaa/Aa1/Aa2/A3/A1/A2/A3/Baa1/Baa2/Baa3
Modernisierung des Finanzplatzes
Deutschland
– Befreiung der Repo-Geschäfte von
der Mindestreservepflicht im Januar 1997
– Einführung des Stripping bei Bundesanleihen (10J, 30J) im Juli 1997
– Erste Schritte zur Einführung eines
festen Emissionskalenders 1997
– Regelmäßige Begebung von 30jährigen Anleihen des Bundes
– Emission zweijähriger Bundesschatzanweisungen
– Begebung von sechsmonatigen
Schuldtiteln („Bubills“), jedoch mit
geringer Liquidität
– Abschaffung des Anleihekonsortiums und Ausbau des Tenderverfahrens durch die Etablierung der „Bietergruppe Bundesemissionen“ 1998
– Drittes Finanzmarktförderungsgesetz trat am 1. April 1998 in Kraft
sowie die dadurch bedingten günstigen Finanzierungskonditionen haben in der Vergangenheit eine dynamische Entwickung von Industrieanleihen in Europa erschwert. Dies könnte sich in der Währungsunion
ändern.
In Zukunft könnte die Bereitschaft insbesondere großer deutscher und
italienischer Unternehmen zunehmen, sich vermehrt des Instruments
der Industrieanleihe zu bedienen. Dafür spricht der schärfere Wettbewerb
der Unternehmen sowie die Chance der Diversifizierung in der Finanzierung. Auch sinkende Kosten angesichts des Wettbewerbs unter den
Banken im Emissionsgeschäft und ein wachsendes Interesse der Banken, aus Gründen der Risikominderung und des gezielten Umgangs
mit knappem Eigenkapital Alternativen zur Kreditfinanzierung auszubauen, dürften sich positiv auf das Wachstum der Anleihefinanzierung
auswirken.
Die Plazierung von Unternehmensanleihen sollte keine Schwierigkeiten bereiten, da europäische Anleger bei der Suche nach höheren Renditen im Rentenbereich risikobereiter werden dürften. Gerade die Nachfrage nach höherverzinslichen Rentenwerten durch institutionelle Anleger, die Ersatz für die einst hochverzinslichen Bonds südeuropäischer
Staaten suchen werden, wird zunehmen. Womöglich besteht sogar ein
Potential für die Entwicklung eines Marktsegments für sehr riskante
und daher hochverzinsliche Anleihen von Unternehmen mit sehr schlechtem Rating, vergleichbar mit dem US-Junk-Bondmarkt.
Industrieanleihen in Europa
120
Mrd. USD
100
80
60
40
20
0
F
I
NL
D
E
A
Das Wachstumspotential ist groß,
aber das Tempo ungewiß
Umstellung der Rentenmärkte
Der Europäische Rat hat bereits Ende 1995 in Madrid beschlossen,
daß die marktgängigen Neuemissionen der öffentlichen Hand ab dem
1. Januar 1999 in Euro begeben werden. Auch die handelbaren ausstehenden Staatspapiere werden zu Beginn der EWU auf Euro umgestellt
werden. Sobald der Staat seine auf Heimatwährung lautenden Anleihen auf Euro umgestellt hat, sind auch andere Emittenten zur Umstellung ihrer auf diese Währung lautenden Anleihen berechtigt. Bis zum
Ende der Phase B – zum 31. Dezember 2001 – müssen sämtliche Verbindlichkeiten auf Euro umgestellt werden (EWU-Monitor Nr. 49).
Liquide Staatsanleihen werden
sofort umgestellt
ECU-Forderungen und -Verbindlichkeiten (z.B. Anleihen) werden zu Beginn des Jahres 1999 vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen bzw.
Anleihebedingungen im Verhältnis ECU 1 = Euro 1 umgestellt. Nach
dem Beginn der EWU erfolgen Zins- und Tilgungszahlungen auf ehemalige ECU-Anleihen dann nur noch in Euro.
Umstellung von ECU-Anleihen
Neue Referenzzinssätze
In den an der EWU teilnehmenden Ländern wird ab dem 1. Januar 1999
ein neuer Referenzzinssatz EURIBOR – Euro Interbank Offered Rate –
etabliert, der als Anschluß für die entsprechenden nationalen Referenzzinssätze konzipiert ist (FIBOR, PIBOR, etc.). EURIBOR wird in Konkurrenz zu dem in London ermittelten Euro-LIBOR treten. Beide Sätze
werden vermutlich nahe beieinander liegen. Zur Errechnung des
EURIBOR werden 57 Kreditinstitute erster Bonität (darunter 12 deutsche
Banken, vier aus den noch nicht teilnehmenden Staaten und sechs aus
Nicht-EU-Staaten) Briefsätze für Ein- bis Zwölf-Monatsgelder an den
Informationsanbieter Bridge Telerate melden. Dieser wird für die unterschiedlichen Laufzeiten die Durchschnittsraten errechnen und publizieren.
Damit dürfte gesichert sein, daß EURIBOR die Zinssätze in der EWU
gut widerspiegelt.
EURIBOR, ein neuer
Referenzzinssatz, in
Konkurrenz zu Euro-LIBOR
43
Die EZB wird zudem einen „Über-Nacht“-Zinssatz EONIA auf der
Grundlage der effektiven Zinssätze für Tagesgeld von den am EURIBOR
Panel teilnehmenden Banken ermitteln.
Internationale Aktienmärkte
im Vergleich (Jahresende 1997)
Zahl der
börsennotierten
Unternehmen
Konsequenzen für die Aktienmärkte
Die EWU wird den zweitgrößten Aktienmarkt der Welt schaffen. Gemessen an der Marktkapitalisierung liegt der US-Aktienmarkt weit vorn
(Tabelle). Der Euro-Aktienmarkt wird größer als der japanische Markt
sein. Die Quote von Marktkapitalisierung zum Bruttoinlandsprodukt lag
mit durchschnittlich 44 % Ende 1997 in den elf Teilnehmerstaaten allerdings unter dem japanischen Wert (50 %) und erheblich unter dem USWert (139 %). In der EWU sind noch vergleichsweise wenige Unternehmen an der Börse notiert.
In der EWU werden viele makroökonomische Unterschiede wie Zinssatz
und Inflation, die bisher die nationalen Aktienmärkte in Europa separieren, wegfallen. Die einzelnen nationalen Aktienmärkte in Europa
werden sich allerdings noch deutlich in bezug auf Rechnungslegungsvorschriften sowie rechtliche und steuerliche Regelungen (z.B.
Besteuerung von Unternehmensgewinnen) unterscheiden. Auf längere
Sicht ist hier mit einer Annäherung bzw. Angleichung zu rechnen. Die
Währungsunion wird die Integration der Aktienmärkte der Teilnehmerländer entscheidend vorantreiben. Bei einem Beitritt des Vereinigten
Königreichs würde der EWU-Aktienmarkt zusätzliche Impulse erhalten.
Marktkapitalisierung
(Mrd.
USD)
in %
des
BIP
Euroland
2769
2712
44
- Belgien
- Deutschland
- Finnland
- Frankreich
- Luxemburg
- Irland
- Italien
- Niederlande
- Österreich
- Portugal
- Spanien
138
699
123
685
57
83
237
119
131
783
76
643
32
50
307
343
56
38
66
47
208
74
28
99
100
147
381
33
37
277
17
38
54
5926
8559
2334
5218
10879
2063
66
139
50
EU 15
USA
Japan
Ein „Big Bang“ in der Vermögensanlage
In der Vermögensanlage privater Haushalte, institutioneller Investoren
– Investment- und Pensionsfonds, Versicherungen – und öffentlicher
Institutionen hat bereits eine Veränderung eingesetzt: Das Gewicht der
Aktienanlage in den Portfolios der Anleger nimmt zu. Dies scheint eine
rasch erfolgende und voraussichtlich dauerhaft anhaltende Veränderung
darzustellen. Die Anleger werden die Chancen der Aktienanlage im
gesamten Währungsraum nutzen. Dies trifft insbesondere für institutionelle Investoren zu, zumal Vorschriften für die währungskongruente Anlage von Versicherungen und Pensionskassen, die nur 20 % ihres Dekkungstocks und des übrigen gebundenen Vermögens in Fremdwährung anlegen dürfen, sich nach dem Start der EWU auf den Euro beziehen werden. Im Portfoliomanagement wie im Research wird die nationale Orientierung von sektoralen, gesamteuropäischen Strategien abgelöst werden.
Quelle: Federation of European Stock Exchanges;
New York and Tokyo Stock Exchanges
Aktien gewinnen an Gewicht
in den Portfolios
Investoren wechseln von einer
Länderauswahl zur Branchen- und
Titelauswahl
Die Alterung der Bevölkerung in vielen Teilnehmerstaaten wird zu einer
wachsenden Altersvorsorge privater Haushalte sowie zu einer verstärkten betrieblichen Versorgung über Pensionsfonds führen. Die Erweiterung des Kapitalstocks für die Altersvorsorge dürfte einen nachhaltigen
Impuls für das Kapitalangebot auf dem Aktienmarkt ausüben.
Aus der Altersvorsorge wird ein
zusätzlicher Impuls kommen
Die Anleger werden sich an mehreren europäischen Aktienindizes orientieren können. Neben den bereits existierenden Indizes von Morgan
Stanley (MSCI), der Financial Times und der Londoner Börse (FT-SE)
und Dow Jones Europe haben die deutsche, französische und schweizerische Börse sowie die Dow-Jones-Gruppe unter dem Namen
STOXX Ltd. eine neue Gesellschaft gegründet und eine neue Index-Familie vorgestellt. So werden seit Ende Februar 1998 zwei breite Europabzw. EWU-Indizes, zwei Blue-Chip-Indizes mit jeweils 50 ausgewählten
Titeln und 19 Branchenindizes berechnet. Terminprodukte auf die BlueChip-Indizes sollen folgen.
Neue Indizes weisen den Weg
44
Die neue Dow Jones STOXX-Familie:
–
–
–
–
–
STOXX
STOXX 50
EURO STOXX
EURO STOXX 50
19 Branchenindizes
Wie werden die Aktienmärkte umgestellt?
Mit der Umstellung des Börsenhandels auf Euro zum 4. Januar 1999
werden die Börsennotierungen und die Abwicklung der Geschäfte in
Euro erfolgen (EWU-Monitor Nr. 49). Die Umstellung des Aktienkapitals
und der Nennwerte der Aktien auf Euro kann ab dem 1. Januar 1999
erfolgen. Das Mindestgrundkapital einer deutschen Aktiengesellschaft
muß zukünftig mindestens Euro 50.000 betragen, während der Nennbetrag der Aktien mindestens Euro 1 oder ein Vielfaches davon betragen
muß; dies wird in Deutschland durch das Euro-Einführungsgesetz geregelt werden, das am 1. Januar 1999 in Kraft tritt.
Umstellung des Aktienhandels
erfolgt Anfang 1999
Die Umstellung auf Euro kann auf verschiedene Weise erfolgen. Eine
Variante besteht in der Umrechnung des Aktienwertes in Euro, was
allerdings zu „krummen“ Euro-Beträgen führt. Um den Nennwert auf
volle Euro-Einheiten zu bringen, wird in der Regel eine Kapitalerhöhung
aus Gesellschaftsmitteln, eine Herabsetzung des Kapitals oder eine
Neueinteilung des Grundkapitals durchgeführt werden müssen. Diese
Varianten sind allerdings aufwendig.
Umstellung des Aktiennennwertes
Alternativ dazu kann die Umstellung des Aktienkapitals auf Euro recht
unkompliziert durch die Einführung von Stückaktien bewerkstelligt
werden. Diese stellen unechte nennwertlose Aktien dar, die rechnerisch in Bezug zum Grundkapital gesetzt werden können. Die Aktie
verkörpert dann den Bruchteil, mit dem der Besitzer am Gesamtkapital
der Gesellschaft beteiligt ist; die Gesamtzahl der Aktien ist in der Satzung festzulegen. Der rechnerische Nennwert dieser Stückaktien muß
in Deutschland jedoch mindestens DEM 5 bzw. Euro 1 betragen. Nahezu alle Staaten der EWU sind damit befaßt, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung der Stückaktie zu schaffen; in Deutschland ist das Stückaktiengesetz bereits am 1. April 1998 in Kraft getreten. Zahlreiche Aktiengesellschaften haben bereits die Einführung von
Stückaktien beschlossen.
Stückaktie erleichtert Umstellung auf
den Euro
Konsequenzen für die Terminmärkte
Die Währungsunion wird zur Modernisierung bestehender und zur
Einführung neuer Produkte auf den Terminmärkten führen (EWU-Monitor
Nr. 46). Manche Produkte werden auch wegfallen, da das zugrundeliegende Risiko entfällt. Generell werden die Produkte noch weiter standardisiert und damit transparenter werden. Bei den börsengehandelten
Derivaten ist eine Verschmelzung und Konzentration von Futureskontrakten zu erwarten. Das gilt vor allem für die Geldmarktfutures, bei
denen nur ein oder zwei Euro-Kontrakte existieren dürften.
Die Entwicklung bei den Terminkontrakten auf Anleihen wird vom Ausgang des Benchmark-Wettbewerbs der nationalen Emittenten abhängen. Zunächst sind sowohl Kontrakte einzelner als auch Korbkontrakte
mehrerer Emittenten als Benchmark-Produkte vorstellbar. Langfristig
könnte sich ein einziger Euro-Bondfutures-Kontrakt etablieren. Ein besonders großes Wachstumspotential wird für Aktienderivate, insbesondere solche mit Branchen- bzw. Indexorientierung, vorausgesagt.
Dies trifft auch für den außerbörslichen Handel mit Zins- und Währungsswaps zwischen den großen drei Weltwährungen – US-Dollar, Euro
und Yen – zu. Generell dürften die Liquidität und das Handelsvolumen
in den derivativen Produkten zunehmen, während die Kosten sinken
werden. Weitgehend neue Produkte werden im Bereich der Kreditderivate entstehen, einem weiteren Wachstumsmarkt.
Marktwachstum ausgewählter
Derivatemärkte: Ausstehendes
Volumen zum Jahresende
1991
1996
(USD Bill.)
Veränd.
%
Börsengehandelt
Zinsfutures
Zinsoptionen
Andere
3.52
9.88
181
2.16
1.07
0.29
5.93
3.28
0.68
175
207
134
OTC-Produkte
Zinsswaps
Währungsswaps
Andere
4.45
3.07
0.81
25.50
19.17
1.56
473
524
93
0.58
4.72
714
Quelle: BIZ
45
Die Währungsunion zeitigt gravierende Konsequenzen für die Zukunft
der europäischen Terminbörsen. Die Deutsche Terminbörse (DTB) und
die schweizerische Derivatebörse SOFFEX haben beschlossen, sich
zu EUREX zusammenzuschließen; mit der französischen Terminbörse
MATIF hat man eine Zusammenarbeit vereinbart. EUREX hat zudem
mit dem Chicago Board of Trade (CBoT) eine Allianz gegründet. Die
Partner werden ihre Produkte über den elektronischen Handel anbieten.
Für viele kleinere Terminbörsen wird mit der Konzentration des Handels
in Geldmarkt- und Anleihefutures Umsatz verloren gehen. Die erforderliche Bereinigung der fragmentierten Struktur des europäischen Börsenwesens wird durch die Währungsunion beschleunigt werden.
Der Wettbewerb der Finanzplätze
Für die Finanzplätze in Europa ergeben sich völlig neue Wettbewerbsbedingungen. Der Vorteil bzw. Nachteil der jeweiligen „Heimatwährung“
entfällt, und die jeweiligen nationalen Regulierungen werden immer
stärker unter Anpassungsdruck kommen. Für die Positionierung eines
Finanzplatzes im Wettbewerb werden vor allem die nationalen Rahmenbedingungen und die Zugehörigkeit zur EWU maßgeblich sein. Generell
gilt, daß die Plazierungskraft im Primärgeschäft bei Anleihen und Aktien,
die Liquidität der Märkte, die Transaktionskosten, die steuerlichen, regulatorischen und technischen Rahmenbedingungen und die Kapazitäten
für Finanzmarktresearch über die Chancen eines Finanzplatzes entscheiden werden.
Größe der Terminbörsen (1997)
CBoT
LIFFE
CME
DTB
MATIF
Umsatz, Mio. Kontrakte
0
50
100
150
200
250
CBoT: Chicago Board of Trade
LIFFE: London International Financial Futures Exchange
CME: Chicago Mercantile Exchange
DTB: Deutsche Terminbörse
MATIF: Marché à Terme International de France
Die Entscheidung der EZB, eine Mindestreservepflicht in der EWU einzuführen, wird jedoch kaum zur Entwicklung eines Xeno-Euro-Geldmarkts führen, weil die Reserven marktnah verzinst sein werden.
Finanzzentren in der Währungsunion werden keine gravierenden Wettbewerbsnachteile gegenüber Plätzen außerhalb der EWU erleiden.
Obwohl das Vereinigte Königreich vorerst nicht an der Währungsunion
teilnimmt, wird London auch weiterhin in vielen Bereichen Wettbewerbsvorteile aufweisen. Frankfurt und Paris werden jedoch als Finanzplätze zusätzliche Chancen erhalten, Marktanteile im Handel zu erobern.
Die Finanzplätze in der Währungsunion stehen auch untereinander in
scharfem Wettbewerb. Die europäische Börsenlandschaft steht vor
großen Veränderungen. Anfang Juli gaben die Londoner Aktienbörse
und die Deutsche Börse AG die Vereinbarung einer Allianz bekannt, die
es den jeweiligen Kunden ermöglichen wird, an beiden Börsen zu
handeln. Andere Zusammenschlüsse zwischen Börsen werden voraussichtlich folgen.
46
Die Finanzplätze Frankfurt und Paris
profitieren vom Euro, aber Londons
Vorsprung bleibt groß
VII. Die EWU - ein offenes
Integrationskonzept
Spaltet die EWU die Europäische Union?
Die EWU stellt zweifellos einen vorläufigen Höhepunkt in der wechselvollen, insgesamt aber höchst erfolgreichen Geschichte der europäischen Integration dar. Die Bereitschaft von elf Staaten, auf so wichtige
nationalstaatliche Souveränitätsrechte wie eine eigenständige Geldpolitik
zu verzichten und die makroökonomische Ausrichtung ihrer Finanzpolitik
einem strengen Überwachungsverfahren durch die Partnerstaaten der
EU zu unterziehen, ist ein Novum nicht nur in der europäischen Geschichte.
Daß die EWU nicht unmittelbar alle EU-Staaten umfassen wird, bedeutet keine Belastungsprobe für die EU. Das Vorgehen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten war stets der Normalfall in der Geschichte der
europäischen Integration. Der Vertrag von Maastricht bzw. die Konvergenzkriterien spiegeln dies wider. Zwar erfordert der Geist des Vertrags,
daß alle EU-Staaten ihre Bemühungen darauf konzentrieren müssen,
der Währungsunion beizutreten, um eine dauerhafte Spaltung der EU
zu verhindern. Der Vertrag knüpft aber die Qualifikation eines Landes
zur EWU an die Erfüllung ökonomischer Voraussetzungen, die in den
Konvergenzkriterien definiert sind. Für „Nachzügler“, die nicht sofort teilnehmen können oder wollen, sieht der Maastricht-Vertrag Beitrittsmöglichkeiten nach regelmäßigen Konvergenzprüfungen alle zwei Jahre oder
– praktisch jederzeit – auf Antrag des Landes vor. Die noch nicht zur
EWU gehörenden EU-Staaten haben somit auch nach 1999 noch die
Möglichkeit, der Währungsunion beizutreten, sofern sie dies wünschen
und die ökonomischen Voraussetzungen erfüllt sind.
Das EWS II: Währungspolitische Brücke zur EWU
Die wichtigste währungspolitische „Brücke” zwischen der EWU und
den zunächst nicht teilnehmenden EU-Staaten ist – neben dem Erweiterten Rat der EZB, dem auch die Notenbankgouverneure der EU-4
angehören – das EWS II. Diese reformierte Neuauflage des „alten”
EWS soll durch eine Währungsanbindung an den Euro die Konvergenz
der Nichtteilnehmer fördern und sie so an die EWU heranführen. Die
endgültige Ausgestaltung des EWS II kann zwar erst nach Errichtung
der EZB erfolgen, da dazu ein Abkommen zwischen dieser und den
nationalen Notenbanken der am EWS II teilnehmenden Staaten erforderlich ist. Die Eckpunkte stehen aber bereits fest (s. Kasten). Die Teilnahme am EWS II soll, auf britisches und schwedisches Drängen, grundsätzlich freiwillig sein. Großbritannien ist der Auffassung, daß zur Erfüllung des Wechselkurskriteriums lediglich Wechselkursstabiliät zum
Euro, nicht aber eine formelle Teilnahme am EWS II notwendig ist.
Dies widerspricht allerdings sowohl dem Maastricht-Vertrag, der explizit eine zweijährige Teilnahme am EWS verlangt, als auch dem in den
Konvergenzberichten vom März 1998 vertretenen Standpunkt von EUKommission und EWI. Sicher scheint dennoch, daß das EWS II außer
Euroland zunächst nur zwei Mitglieder haben wird: Dänemark und Griechenland. Nach der Osterweiterung der EU werden aber vermutlich
schon bald weitere Teilnehmer hinzustoßen. Das EWS II wird aufgrund
der zunächst nur kleinen Teilnehmerzahl und des damit verbundenen
potentiell geringen Interventionsbedarfs zur Stabilisierung der Wechselkurse weitaus weniger für Währungskrisen anfällig sein als das bisherige EWS.
EWU ist vorläufiger Höhepunkt der
europäischen Integration
Das Europäische Währungssystem II:
Die Leitkurse und Bandbreiten im EWS II
werden ausschließlich gegenüber dem
Euro definiert („Nabe-und-SpeichePrinzip”). Der Euro wird also die Rolle
einer Ankerwährung übernehmen. Die
zulässigen Schwankungsbreiten betragen max. ±15 %. Bei entsprechendem Konvergenzfortschritt können engere
Bandbreiten vereinbart werden. Dänemark hat bereits angekündigt, daß es
eine deutlich engere Bandbreite zum Euro
anstrebt. Falls der Wechselkurs einer
EWS-II-Währung die definierten Bandbreiten zu verlassen droht, werden die EZB
und die Notenbank des betreffenden Partnerlandes zwar in grundsätzlich unbegrenzter Höhe intervenieren. Die beteiligten Notenbanken können die Interventionen aber aussetzen, wenn diese das
Ziel der Geldwertstabilität gefährden. Die
Interventionslast wird in erster Linie von
den Notenbanken der dem EWS II angehörenden Staaten zu tragen sein. Sie
sollen primär ihre Devisenreserven zur
Verteidigung der eigenen Währung einsetzen. Zusätzlich kann auf Kreditfazilitäten zurückgegriffen werden. Interventionen sollen grundsätzlich in Euro, nicht
aber in Drittwährungen wie US-Dollar
erfolgen. Um geldpolitische Störungen
durch umfangreiche Stützungsoperationen
zu vermeiden, sollen die Leitkurse frühzeitig – und nicht erst unter dem Druck
der Finanzmärkte – angepaßt werden,
wenn dies notwendig erscheint. Die am
EWS II beteiligten Notenbanken, also
auch die EZB, haben deshalb ein Initiativrecht, eine Leitkursänderung auszulösen.
47
Die Beitrittsperspektiven weiterer EU-Staaten zur
Währungsunion
Von den vier EU-Staaten, die nicht von Anfang an der Währungsunion
angehören werden, fiel die Entscheidung gegen eine sofortige Teilnahme in Großbritannien, Dänemark und Schweden primär aus innenpolitischen Erwägungen, vor allem wegen einer weitverbreiteten Euroskepsis in der Bevölkerung. Gemessen an den Konvergenzkriterien wäre
– entsprechender politischer Wille und eine rechtzeitige Teilnahme
Schwedens und Großbritanniens am Wechselkursverbund des EWS
vorausgesetzt – eine EWU-Teilnahme dieser drei Staaten schon 1999
möglich gewesen. Lediglich Griechenland erfüllte zum Prüfzeitpunkt
im März 1998 die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht. Es strebt
einen Beitritt für 2001 an.
Wie steht es um die Beitrittsperspektiven der EU-4? Die britische LabourRegierung befürwortet im Prinzip einen Beitritt zur EWU, schließt einen
solchen Schritt in der laufenden Legislaturperiode, die spätestens im
Mai 2002 endet, jedoch aus. Sie hat einen späteren Beitritt an die Erfüllung von „fünf ökonomischen Tests” sowie an ein positives Mandat
durch eine Volksbefragung geknüpft. Ein Hinderungsgrund für einen raschen Beitritt Großbritanniens ist der im Vergleich zu Euroland deutlich
unterschiedlich verlaufende Konjunkturzyklus, was in beträchtlichen
Zinsunterschieden und Fluktuationen des britischen Pfundes gegenüber
den EWS-Währungen zum Ausdruck kommt. Teilweise sind diese Divergenzen freilich nichts anderes als Reflex vormals mangelnder Bereitschaft Großbritanniens, am Maastricht-Prozeß teilzunehmen.
Wie Großbritannien wird auch Dänemark nicht von Beginn an der Währungsunion teilnehmen. Das Recht zum vorläufigen Fernbleiben von
der EWU, jedoch mit der Möglichkeit eines späteren Beitritts, kann als
Preis für das „Ja” der dänischen Bevölkerung zum Maastricht-Vertrag
1993 betrachtet werden, nachdem diese das Vertragswerk in seiner
ursprünglichen Fassung in einer Volksabstimmung 1992 abgelehnt hatte. Die Beitrittsperspektiven Dänemarks zum Euro hängen von einem
erfolgreichen Start der EWU ab. Nur dann wäre in absehbarer Zeit eine
Volksabstimmung mit positivem Euro-Votum vorstellbar.
In Schweden gilt es ebenfalls starke innenpolitische Widerstände gegen eine EWU-Teilnahme zu überwinden. Zwar hatte Schweden sich
kein formelles „Opt-out-Recht” im Maastricht-Vertrag einräumen lassen. Die Nichtteilnahme am Wechselkursverbund des EWS kam aber
einem „weichen” Nein zu einer pünktlichen Euro-Einführung gleich, da
damit eines der Konvergenzkriterien verfehlt wurde. Die schwedische
Regierung hat einen späteren EWU-Beitritt nicht ausgeschlossen, dies
aber ebenfalls vom Ergebnis einer vorherigen Volksbefragung abhängig gemacht. Schweden scheint sich zudem implizit an den Beitrittsplänen Großbritanniens zu orientieren, so daß ein (annähernd) zeitgleicher Beitritt beider Länder zur EWU denkbar wäre.
Griechenland erfüllt die wirtschaftlichen Kriterien der EWU derzeit nicht.
In ihrem mittelfristigen Konvergenzprogramm strebt die griechische Regierung jedoch weitere Fortschritte in der Fiskalpolitik und bei der Inflationsbekämpfung an, die einen EWU-Beitritt im Jahr 2001 zum Ziel haben. Die Ernsthaftigkeit der griechischen Bemühungen wurde durch den
Eintritt der griechischen Drachme in den Wechselkursmechanismus des
EWS im März 1998 untermauert. Mit dem Eintritt legt Griechenland die
Basis für die Einhaltung des Konvergenzkriteriums einer spannungsfreien zweijährigen EWS-Teilnahme vor der Konvergenzprüfung. Der
48
Innenpolitischer Widerstand
gegen sofortigen EWU-Beitritt in
Großbritannien, Dänemark
und Schweden
Großbritanniens fünf „ökonomische
Tests” für einen EWU-Beitritt
1) Sind der Konjunkturzyklus und die
Wirtschaftsstrukturen hinreichend
mit Euroland kompatibel, um eine
dauerhafte und reibungslose Teilnahme an der gemeinsamen Geldpolitik zu ermöglichen?
2) Ist die britische Volkswirtschaft, insbesondere der Arbeitsmarkt, flexibel
genug, um mögliche wirtschaftliche
Schocks in der EWU erfolgreich absorbieren zu können?
3) Würde eine EWU-Teilnahme zu einer
Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen in Großbritannien führen?
4) Welche Auswirkungen würde eine
EWU-Teilnahme auf die Wettbewerbsposition des britischen Finanzsektors haben?
5) Würde die Einführung des Euro insgesamt höheres Wachstum, Stabilität und einen dauerhaften Beschäftigungszuwachs fördern?
Griechenland erfüllt wirtschaftliche
Kriterien noch nicht, ...
... strebt aber einen Beitritt für
2001 an
griechische Fahrplan zur EWU erscheint ambitioniert, das Beispiel anderer Mittelmeeranrainer wie Spanien und Italien zeigt jedoch, daß rasche Konvergenzfortschritte durchaus möglich sind.
Die EWU und die Osterweiterung
Die EU hat auf ihrem Gipfel von Amsterdam im Juni 1997 den Weg für
die Osterweiterung der Gemeinschaft freigemacht. Mittlerweile laufen
die Beitrittsverhandlungen mit einer ersten Gruppe von Ländern, der
Ungarn, Tschechien, Polen, Slowenien, Estland und Zypern angehören.
In einer späteren Beitrittsrunde sollen weitere mittel- und osteuropäische Länder folgen. Die Gemeinschaft erwartet von neuen Mitgliedern
die grundsätzliche Übernahme des „acquis communautaire” mit allen
Rechten und Pflichten, einschließlich der Teilnahme an der EWU. Ein
Beitritt zur EU zieht allerdings nicht automatisch eine sofortige Teilnahme an der EWU nach sich. Für die Einführung des Euro sind die Voraussetzungen und das Verfahren des Maastrichter Vertrags, einschließlich
der Erfüllung der Konvergenzkriterien, maßgeblich. Ein Beitritt zur EU
bedeutet aber, daß die neuen Mitgliedstaaten bereits die einschlägigen
EU-Bestimmungen zur zweiten Stufe der EWU übernehmen müssen.
Dies heißt u.a.: Verbot der Finanzierung öffentlicher Defizite durch die
Notenbank, Unabhängigkeit der Notenbank von politischer Einflußnahme, die Einbeziehung in die multilaterale Überwachung der Finanzpolitik sowie die Anwendung der Bestimmungen des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes mit Ausnahme des Sanktionsverfahrens. Außerdem erwartet die EU-Kommission, daß die Beitrittsländer dem EWS II
angehören werden. Damit werden wichtige Grundlagen für eine spätere Teilnahme an der EWU geschaffen.
Die realwirtschaftlichen Unterschiede zwischen Euroland und den Beitrittskandidaten sind freilich noch erheblich. Außerdem werden sie im
wirtschaftlichen Aufholprozeß den Wechselkurs und die Geldpolitik noch
auf absehbare Zeit benötigen. Dies spricht gegen eine frühe Beteiligung
an der EWU.
EU-Osterweiterung beschlossen
Zunächst keine EWU-Teilnahme
Osteuropäische Beitrittskandidaten:
BIP pro Kopf*)
in ECU in % des EUDurchschnitts
Ungarn
Tschechien
Polen
Slowenien
Estland
6310
9410
5320
10110
3920
37
55
31
59
23
*) B IP zu Kaufkraftparitäten (1995)
Quelle: EU-Kommission
Kann ein Land aus der EWU austreten oder ausgeschlossen werden?
Die Mitgliedschaft eines Landes in der EWU ist grundsätzlich auf Dauer angelegt. Die Bundesbank sieht die EWU als eine „unkündbare Solidargemeinschaft“. Dieser Sichtweise trägt auch der Maastricht-Vertrag
Rechnung. Eine vertraglich zugesicherte „Austrittsoption” für ein EWUMitglied, das sich nach Beginn der EWU als wirtschaftlich nicht in der
Lage oder politisch nicht willens erweist, die gemeinsame Geldpolitik
mitzutragen, gibt es nicht. Auch enthält der Vertrag keine Vorkehrungen
für den Ausschluß eines Landes von der EWU, selbst dann nicht, wenn
es z.B. die im Rahmen des Stabilitätspaktes geforderten Verpflichtungen nicht erfüllt.
EWU ist „unkündbare
Solidargemeinschaft“
Gleichwohl kann nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden,
daß ein Mitglied irgendwann einmal die EWU verlassen will. Dies wäre
indes nur unter extremen Voraussetzungen denkbar, wie z.B. infolge
eines gravierenden wirtschaftlichen Schocks mit schwerwiegenden
Differenzen zwischen der EZB und dem betroffenen Land über die adäquate wirtschaftspolitische Reaktion, gegebenenfalls in Verbindung mit
der Regierungsübernahme durch extreme bzw. europafeindliche Parteien.
Austritt nur unter extremen
Voraussetzungen denkbar
Zu bedenken ist jedoch, daß ein Ausstieg aus der EWU mit immensen
wirtschaftlichen und politischen Kosten verbunden wäre. Es wäre eine
Illusion zu glauben, die Rückkehr zu einer eigenständigen nationalen
Austritt würde hohe wirtschaftliche
und politische Kosten verursachen
49
Währung sei solange nahezu problemlos möglich, bis 2002 das EuroBargeld in Umlauf gebracht wird. Weite Teile der Finanzmärkte und des
Bankgeschäftes sowie viele Unternehmen werden bereits weit vor
diesem Datum auf den Euro umgestellt haben. Die Einführung einer
neuen Währung würde erneut große Kosten verursachen. Vor allem gilt
es zu berücksichtigen, daß die nationalen Währungen bereits zum
1. Januar 1999 ihren Charakter als rechtlich eigenständige Währungen
verlieren. Ab diesem Zeitpunkt sind sie lediglich nichtdezimale Untereinheiten des Euro und Bestandteil der umlaufenden Euro-Geldmenge.
Die Umstellung einer Volkswirtschaft von Euro auf nationale Währung
würde grundsätzlich ungleich größere Schwierigkeiten bereiten als der
Übergang von nationaler Währung auf den Euro ab 1999. Die Wiedereinführung einer nationalen Währung würde zu erheblichen Unsicherheiten führen. Beispielsweise würde sich die Frage des Umrechnungskurses von Euro auf die neue nationale Währung stellen. Käme der
ursprüngliche Umrechnungskurs bei Eintritt in die EWU oder ein anderer Kurs zur Anwendung? Welche Anleihen und Finanzinstrumente
würden umgestellt? Was geschähe mit Forderungen und Verbindlichkeiten von Staat, Unternehmen und Banken des ausscheidenden Landes gegenüber dem Ausland? In welcher Währung wären sie zu bedienen – in Euro oder in der dann neuen nationalen Währung? Das Risiko,
daß das Ausland seine Kredite an das ausscheidende Land drastisch
reduzieren und Finanzanlagen auflösen würde, wäre beträchtlich. Abwertungsdruck auf die neue Währung, steigende Zinsen und eine Kreditverknappung mit negativen Folgen für die Konjunktur in dem betreffenden Land wären die wohl unvermeidliche Folge.
Erhebliche Unsicherheiten im Falle
eines Austritts ...
Auch für die EWU könnte der Ausstieg eines Mitgliedes zu erheblichen
Problemen führen. Hier wäre ein Überschwappen von möglichen negativen finanz- und realwirtschaftlichen Schocks auf die verbleibenden
EWU-Staaten zu nennen. Auch könnte der Austritt eines EWU-Mitglieds
im Extremfall, insbesondere wenn ein solcher Schritt in der Frühphase
der EWU erfolgte, von internationalen Anlegern als der Anfang vom
Ende der Währungsunion gedeutet werden. Eine daraus resultierende
Flucht aus dem Euro könnte zu erheblichen Turbulenzen an den Finanzmärkten führen. Gleichwohl erscheinen die damit verbundenen Risiken für den Euro beherrschbar, insbesondere wenn der „Aussteiger”
ein kleines Mitgliedsland wäre. Zu einer echten Zerreißprobe für den
Bestand der EWU könnte allerdings das – hypothetische – Ausscheiden eines Kernlandes wie Deutschland oder Frankreich werden. Da es
in Europa stets Konsens war, daß eine Währungsunion ohne die Teilnahme dieser beiden Länder aus politischen und ökonomischen Gründen undenkbar wäre, stünde der Bestand der EWU in einem solchen
Fall zweifellos in Frage.
Probleme auch für Euroland, ...
Die Wahrscheinlichkeit, daß eines der vorstehend diskutierten Krisenszenarien eintritt, halten wir für gering. Zu viel steht für Europa und für
die Mitglieder der EWU auf dem Spiel. Nicht nur würde der Austritt
eines Landes oder gar das Scheitern der gesamten Währungsunion
einen schweren Rückschlag für den politischen Zusammenhalt Europas bedeuten, der die oftmals mühsam erzielten Errungenschaften von
vier Jahrzehnten europäischer Integration in Frage stellen würde. Die
ökonomischen Folgen wären gleichermaßen schwierig zu verkraften
und würden Europa im globalen Wettbewerb vieler Zukunftschancen
berauben. Sollte also die EWU in der Zukunft durch nicht absehbare
wirtschaftliche Schocks in schwieriges Fahrwasser geraten, wären,
wie heutzutage auch, der spezifischen Problemlage angemessene wirtschaftspolitische Antworten gefragt. Die Rückkehr zu nationalen Währungen wäre indes keine Option.
Austritt kein realistisches Szenarium
50
... mit negativen Folgen für die
Wirtschaft des ausscheidenden
Landes
... insbesondere falls ein „Kernland“
austreten würde
VIII. Die internationale Rolle
des Euro
Die Verwendung der eigenen Währung als internationale Kontrakt- und
Reservewährung bietet eine Reihe von Vorteilen: Unternehmen und
öffentliche Hand des betreffenden Währungsgebietes können ohne Wechselkursrisiko an den internationalen Finanzmärkten Kredit aufnehmen
oder Anleihen plazieren. Die Attraktivität eines großen Finanzmarktes
für ausländische Anleger wirkt tendenziell zinsdämpfend und verbessert damit die Finanzierungbedingungen für Investitionen. Für Exporteure
und Importeure steigt die Planungssicherheit, Wechselkursrisiken und
Kurssicherungskosten entfallen, wenn im Außenhandel in der eigenen
Währung fakturiert werden kann. Hinzu kommen die sog. Seignioragegewinne aus Bargeldumlauf. Diese entstehen, weil die Notenbanken
– zinslos gehaltenes – Bargeld gegen zinstragende Vermögenstitel emittieren. Finden die Banknoten auch im Ausland Verwendung, z.B. als
wertstabile Parallelwährung in Volkswirtschaften mit hohen Inflationsraten, erzielt die Zentralbank zusätzliche Gewinne. Schätzungen gehen
davon aus, daß 50 bis 60 % des auf US-Dollar und 30 bis 40 % des
auf D-Mark lautenden Bargeldes außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen gehalten werden. Die Bedeutung der internationalen Seignioragegewinne sollte allerdings nicht überschätzt werden: Verschiedene Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, daß sich die jährlichen
Seignioragegewinne aus dem Auslandsumlauf von Euro-Bargeld auf
maximal 0,05 % des BIP der EU belaufen könnten. Dies wären bis zu
vier Milliarden Euro.
Funktionen einer internationalen Währung
Zahlungsmittel
Recheneinheit
Wertaufbewahrung
Privat
Öffentlich
Transaktionen
Fakturierung
Anlagewährung
Interventionen
Wechselkursanker
Reservehaltung
Nach: P.R. Krugman, Currencies and Crises,
Cambridge (Mass.) 1997.
Kapitalmärkte im Vergleich (1995)
Mrd. USD
Bankaktiva
25000
Anleihen
20000
Aktien
Zu den Nachteilen der internationalen Verwendung einer Währung zählen die potentiell größere Anfälligkeit der Geldpolitik für externe Einflüsse, z.B. über den Wechselkurs, und eine reduzierte Kontrolle der
Zentralbank über die kaufkraftrelevante Geldmenge. Dies sind Gründe,
warum die Bundesbank einer weitreichenden Internationalisierung der
D-Mark stets skeptisch gegenüberstand.
30000
15000
10000
5000
0
Der Euro: Herausforderung für den US-Dollar
Die Internationalisierung einer Währung ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden: Eine große Volkswirtschaft mit einem bedeutenden
Anteil am Welthandel, politische Stabilität, Konvertibilität der Währung
und Vertrauen in ihre Wertbeständigkeit sowie entwickelte Finanzmärkte
sind wichtige Determinanten.
Die unangefochtene internationale Dominanz des US-Dollar ist nicht
zuletzt Resultat der nach dem Zweiten Weltkrieg überragenden Stellung der USA im Welthandel und im internationalen Kapitalverkehr, der
Funktion des Dollar als Ankerwährung im Bretton-Woods-System fester Wechselkurse sowie als „sicherer Fluchthafen“ für Anlagekapital
in Zeiten politischer Krisen. Zwar hat die Bedeutung anderer Währungen wie der D-Mark und des Yen im Verlauf der siebziger und achtziger
Jahre zugenommen, sie spielen aber primär eine regionale Rolle in
Europa bzw. Asien. Die einzige echte Weltwährung ist der US-Dollar.
Mit der EWU erwächst dem Dollar eine echte Konkurrenz. Durch den
Euro entsteht der nach den USA zweitgrößte Wirtschaftsraum mit einer einheitlichen Währung und einem großen Gewicht im Welthandel.
Die EWU wird den zweitgrößten Finanzmarkt der Welt schaffen. Die
höhere Liquidität, größere Volumina sowie der schärfere Wettbewerb
im europäischen Finanzsektor werden die Emissions- und Transaktionskosten für Euro-Finanzmarkttitel sinken lassen. Damit werden wichti-
USA
Japan
EU
EWU-11
Quelle: IWF
Euro im internationalen
Bankgeschäft (1997)
Kredite
US-Dollar
Yen
EWUWährungen*)
Brit. Pfund
Andere
Einlagen
(in %)
43.9
12.3
26.5
45.7
8.2
30.9
4.8
12.5
6.1
9.1
*) DEM, FRF, ITL, BEF, NLG, ECU
Quelle: BIZ
51
ge Wettbewerbsvorteile des US-Dollar verringert. Die im Maastrichter
Vertrag verankerten institutionellen Rahmenbedingungen für die EZB
mit dem Primat der Geldwertstabilität sind gute Voraussetzungen für
die Wertstabilität der neuen europäischen Währung. Der Euro sollte also
auch in dieser Hinsicht voll wettbewerbsfähig sein (EWU-Monitor Nr. 33).
Die künftige Rolle des Euro im Welthandel
· einzelner WähGrob gezeichnet ergibt sich hinsichtlich der Verwendung
rungen im Welthandel folgendes Bild: Erstens, im Außenhandel zwischen Industrieländern wird üblicherweise – mit Ausnahme Japans –
in der Währung des Exporteurs abgerechnet. Zweitens, der Außenhandel zwischen Industriestaaten und den Entwicklungs- und Schwellenländern wird überwiegend in der Währung des Industrielandes abgewickelt. Drittens, der Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen den
Entwicklungs- und Schwellenländern sowie der internationale Rohstoffhandel werden zu einem erheblichen Teil in US-Dollar fakturiert. Diese
„Vehikelrolle”, die dem Dollar als einziger Währung in bedeutendem Maße
zukommt, macht ihn mit einem Anteil von knapp 50 % zur dominierenden Fakturierungswährung im Welthandel. Die großen EU-Währungen kommen zusammen auf 33 %, wobei zu berücksichtigen ist, daß
mit Beginn der EWU der Handel zwischen den Teilnehmerstaaten aus
monetärer Sicht zu reinem Binnenhandel wird. Der Anteil des Euro an
der Welthandelsfakturierung wird daher zunächst nur etwa 20 % betragen, dürfte aber schon bald deutlich wachsen.
Für viele Länder wird die EWU der mit Abstand wichtigste Handelspartner sein. Dies gilt natürlich in besonderem Maße für die EU-Länder, die nicht von Anfang an zur EWU gehören. Vor allem für die großen
multinationalen Unternehmen in Europa außerhalb der EWU wird der
Euro aufgrund der engen Handelsbeziehungen mit Euroland zu einer
Art „Parallelwährung” werden. Werden nach den oben skizzierten „Fakturierungsregeln” heute Exporte von Schweden in die Niederlande überwiegend in schwedischen Kronen abgerechnet, so ist in Zukunft mit
einer deutlich stärkeren Nutzung des Euro, also der Währung des Importeurs, zu rechnen.
Im Handel mit Osteuropa wird der Euro einen höheren Marktanteil erzielen als bisher die D-Mark. Dafür sprechen die bereits heute erheblichen Handelsvolumina mit Euroland und das kräftige Wachstum der
Handelsströme. Denkbar ist auch, daß der Euro zur Vehikelwährung im
Handel zwischen osteuropäischen Ländern wird. Auch in den angrenzenden bzw. assoziierten Regionen wie Nordafrika und dem Nahen
Osten, die einen großen Teil ihres Handels mit der EU abwickeln, spricht
viel für eine stärkere Nutzung des Euro. Zwar dürften die Ölpreisnotierungen an den internationalen Rohstoffmärkten – jedenfalls vorerst –
weiterhin in Dollar vorgenommen werden, bilaterale Vertragsabschlüsse über Rohöllieferungen in Euro sind jedoch durchaus denkbar. In Asien
und Lateinamerika wird die Vormachtstellung des US-Dollar aufgrund
seiner Vehikelfunktion und der engen Handelsverflechtungen mit den
USA wohl auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Der Euro wird allerdings
für diese Regionen zu einem wichtigen Zahlungsmittel im bilateralen
Handel mit der EU werden.
Das wachsende Gewicht des Euro als Handelswährung wird sich allerdings nicht über Nacht einstellen, denn die Anpassung der Fakturierungsgewohnheiten an veränderte Marktverhältnisse und realwirtschaftliche
Gegebenheiten weist ein erhebliches Trägheitsmoment auf. Dies liegt
nicht zuletzt an Größenvorteilen und Netzwerkeffekten: Je mehr Wirtschaftssubjekte eine bereits etablierte Währung international nutzen,
52
Währungsanteile im
*)
internationalen Devisenhandel
4/89
4/92
4/95
(in %)
US-Dollar
Yen
EU-Währungen
D-Mark
Brit. Pfund
Sonstige
90
27
48
27
15
35
Nachrichtlich
Umsatz pro Tag:
590
82
23
70
40
14
25
83
24
70
37
10
23
(in Mrd. USD)
820
1190
*) Gesamtsumme addiert sich zu 200 %, da an jeder
Transaktion zwei Währungen beteiligt sind.
Quelle: BIZ
Fakturierung im Welthandel (%)
1980
Sonstige (11 %)
JPY (2 %)
EU*
(17 %)
USD
(56 %)
DEM
(14 %)
1992
Sonstige (14 %)
JPY
(5 %)
USD
(48 %)
EU*
(18 %)
DEM
(15 %)
*) F R F , GB P, ITL, NLG
Quelle: P. Hartmann, C EPS R esearch
R eport Nr. 2 0 , B rüssel 19 9 6
desto attraktiver und kostengünstiger ist deren Nutzung auch für andere Marktteilnehmer. Dies wird wohl noch einige Zeit für den US-Dollar
sprechen. Trotz dieses Vorteils für den „Titelverteidiger” erwarten wir,
daß auf mittlere Sicht der Anteil des Euro an der Welthandelsfakturierung
auf etwa 35 % steigen wird.
Euro-Anteil an der
Welthandelsfakturierung
steigt auf etwa 35 %
Der Euro als bedeutende Anlage- und
Reservewährung
Die wachsende Bedeutung des Euro als Fakturierungswährung im
Welthandel dürfte auch Konsequenzen für die Wechselkurspolitik und
die Zusammensetzung der Reserveportefeuilles der Notenbanken haben. Die europäischen Handelspartner der EWU werden bemüht sein,
ihre Wechselkurse gegenüber dem Euro stabil zu halten. Für Staaten
mit enger Handelsverflechtung zur EWU wird der Euro zum offiziellen
Wechselkursanker werden. Dies wird für die Mitglieder des zukünftigen EWS II, aber auch für einige osteuropäische Staaten unabhängig
von einem möglichen Beitritt zur EU der Fall sein. Sie werden einen
erheblichen Teil ihrer Währungsreserven in Euro halten, um gegebenenfalls durch Devisenmarktinterventionen wirtschaftlich unerwünschte
Wechselkursfluktuationen abfedern zu können.
Für die Bedeutung des Euro als Reservewährung dürfte das Verhalten
der asiatischen Notenbanken von großer Relevanz sein. Diese verfügen gegenwärtig über gut 40 % der offiziellen Weltdevisenreserven,
die zu einem Großteil in Dollar gehalten werden. Dies war nicht zuletzt
ein Reflex der engen Wechselkursanbindung vieler asiatischer Währungen an den Dollar vor dem Ausbruch der Währungskrise im Sommer
1997, aber auch bedingt durch eine fehlende Alternative. Zwar ist die
zukünftige Wechselkurspolitik in Asien noch nicht absehbar, die Abkehr
von einer rigiden Dollaranbindung dürfte jedoch Spielraum für eine größere Berücksichtigung des Euro als Reservewährung eröffnen. Obwohl
derzeit viele asiatische Zentralbanken gegenüber der EWU noch eine
abwartende Haltung einnehmen, dürften sie aus Gründen der Ertragsoptimierung und Risikodiversifizierung, aber auch der Wechselkursstabilisierung, Euroreserven in nennenswertem Umfang aufbauen. Unter
Berücksichtigung dieser Faktoren halten wir es für möglich, daß der
Anteil des Euro an den Weltdevisenreserven mittelfristig auf 25-30 %
steigt. Der Anteil der EU-Währungen beläuft sich derzeit auf etwa 20 %.
Das ESZB wird einen niedrigeren Reservebedarf verglichen mit den
Notenbanken der heutigen Einzelstaaten haben, vor allem deswegen,
weil die Interventionsverpflichtungen zwischen den EWU-Staaten durch
die gemeinsame Währung ersatzlos wegfallen. Das EWS II wird im
Vergleich zu seinem Vorgänger einen wesentlich geringeren Interventionsbedarf hervorrufen. Zudem sinkt der außenwirtschaftliche Offenheitsgrad im Vergleich zu den Einzelstaaten, wodurch Euroland besser
gegen Wechselkursschwankungen geschützt ist. Zwar läßt sich der
optimale Reservebedarf nur schwer ermitteln. Ausgehend von Devisenreserven im Gegenwert von USD 300 Mrd. (Ende 1997) dürften die
Zentralbanken der EWU-11 aber nach der Umstellung auf den Euro
einen Reserveüberschuß von etwa USD 100 Mrd. aufweisen. Mit einem
raschen Abbau dieses Überschusses, der nur mit Zustimmung der EZB
erfolgen könnte, ist nicht zu rechnen (EWU-Monitor Nr. 29).
Die Attraktivität des Euro als Anlagewährung wird z.B. im Vergleich zur
D-Mark entscheidend gestärkt, wenn der Euro-Anleihemarkt die fragmentierten nationalen Rentenmärkte in Europa ablöst (Kap. VI). Das
Volumen des Rentenmarktes der EWU-Staaten betrug Mitte 1997 knapp
50 % des US-Dollar- und 130 % des Yen-Anleihemarktes. Damit wird
Wechselkursarrangements
1990
Anbindung an
US-Dollar
25
Franz. Franc
14
Andere
5
SZR
6
Währungskorb
35
EWS
9
Managed floating
23
Flexible Wechselkurse 25
Andere
7
Summe
149
1997
20
15
11
3
17
12
46
53
4
181
Quelle: IWF
Anteile an den offiziellen
Devisenreserven
80
%
1983
1993
1996
70
60
50
40
30
20
10
0
USD
EU*
JPY
Sonstige
*) FR F, DEM, GB P, NLG
Quelle: IWF
Reserveüberschuß von etwa USD
100 Mrd.
EWU wird attraktiven Finanzmarkt
schaffen
53
sich für private und institutionelle Anleger ein großer Finanzmarkt eröffnen, der eine von vielen unter dem Aspekt der Risikodiversifizierung
lang gewünschte gleichwertige Alternative zum Dollarmarkt bieten wird.
Ein großes Plus für den Euro wird die im Vergleich zum heutigen europäischen Status quo wesentlich größere Liquidität entlang des gesamten Laufzeitenspektrums sein.
Freilich wird es auch zu Kapitalabflüssen aus Euroland kommen: Risikofreudige europäische Anleger dürften in wachsendem Maße nach höherrentierlichen Anleihen suchen. Dies könnte zu einer stärkeren Diversifizierung beispielsweise in die EU-4 und in die Finanzmärkte der aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien, Lateinamerika und Osteuropa führen.
Die zu erwartenden Kapitalbewegungen sind schwierig zu prognostizieren. Mehrere Studien schätzen, daß die Portfolioanpassungen „unter
dem Strich” zu Kapitalzuflüssen in den Euro – insbesondere aus dem
Dollar – in dreistelliger Milliardenhöhe führen werden.
Anteile an ausstehenden internationalen Anleihen (Jahresende)
1981
Andere
(20%)
USD
(53%)
EUWährungen
(20%)
Yen
(7%)
Der Euro in der internationalen Währungspolitik
Die EWU wird Europa einen höheren Stellenwert in der internationalen
Währungspolitik verschaffen. Viele institutionelle Fragen sind allerdings
noch offen. Welche Konsequenzen hat die EWU für die Mitgliedschaft
der EWU-11-Staaten im IWF, dessen Statut lediglich die Mitgliedschaft
souveräner Staaten, nicht aber die einer Staatengruppe vorsieht? Wird
die Gruppe der sieben führenden Industrieländer (G-7) künftig de facto
in eine G-3 bestehend aus den USA, Japan und der EWU transformiert
werden?
Klarheit über die Zuständigkeiten in der internationalen Währungspolitik ist insbesondere wichtig und wünschenswert, falls es in der Frühphase der EWU zu größeren Schwankungen zwischen den Weltwährungen Dollar, Yen und Euro kommen sollte. Zwar wird der Euro durch
seine Rolle als Ankerwährung zu einer Zone größerer Wechselkursstabilität in Europa und den angrenzenden Regionen führen. Am Status quo
flexibler Wechselkurse zwischen den Weltwährungen dürfte sich aber
auf absehbare Zeit nichts ändern. Wechselkursschwankungen zwischen
Dollar, Euro und Yen, z.B. aufgrund divergierender Konjunkturzyklen,
wird es also auch in Zukunft geben.
Von diesen „normalen” Wechselkursschwankungen müssen wechselkursrelevante Sondereinflüsse durch die EWU-Gründung isoliert betrachtet werden. Die EZB hat gute Chancen, sich das Vertrauen der Investoren durch eine konsequente Stabilitätspolitik relativ rasch zu erwerben. Sie kann zwar zu Anfang der Währungsunion naturgemäß noch
nicht auf eine langjährige Stabilitätsreputation verweisen. Die institutionellen Voraussetzungen für eine auf Preisniveaustabilität ausgerichtete Geldpolitik der EZB sowie die personelle Besetzung des EZB-Rates, des Entscheidungsgremiums, werden an den Finanzmärkten jedoch offenbar als glaubwürdig empfunden. Die Mehrheit der Akteure
an den Finanzmärkten erwartet daher mittlerweile einen stabilen Euro.
Angesichts der hohen Mobilität des weltweiten Anlagekapitals könnte
es daher zu einer spürbaren Umschichtung der internationalen Kapitalanlagen in Euro-Finanztitel kommen, die bereits im Vorfeld der EWU
beginnen könnte. Dies könnte – selbst wenn ein solcher Kapitalzustrom graduell erfolgt und von einem steigenden Angebot an EuroProdukten durch Wertpapieremissionen und Kreditaufnahme von Schuldnern in Drittländern begleitet wird – zu einer spürbaren Aufwertung des
Euro gegenüber dem Dollar führen.
54
Andere
(9%)
1997
EU-4*
(9%)
USD
(42%)
EWU
(26%)
Yen
(14%)
*) GB P, DKK, SEK, GR D
Quelle: B IZ
Finanzmärkte erwarten stabilen Euro
Der Wechselkurs dürfte für Euroland aus einer für die Gestaltung der
Wirtschaftspolitik zentralen Stellung zukünftig in eine eher zweitrangige Position rücken. Durch die gemeinsame Währung wird der Handel
zwischen den Teilnehmerstaaten den Charakter von Binnenhandel annehmen. Das Gewicht des wechselkursabhängigen Außenhandels wird
in etwa halbiert. Binnenwirtschaftliche Interessen dürften daher, ähnlich wie in den USA, künftig dominieren. Allerdings ist eine „wohlwollende Vernachlässigung” des Wechselkurses oder sein Einsatz als handelspolitisches Instrument unwahrscheinlich, da eine solche Politik mit
Inflationsrisiken verbunden wäre. Sollte es nach Beginn der EWU zu
länger anhaltenden Phasen fundamental fehlbewerteter Wechselkurse
und größeren Leistungsbilanzungleichgewichten kommen, könnte dies
freilich die Debatte über eine Abkehr von flexiblen Wechselkursen, z.B.
hin zu einem System definierter Zielzonen, wiederbeleben.
Wechselkurs für Euroland weniger
wichtig, ...
... aber keine „wohlwollende
Vernachlässigung“ zu erwarten
55
Anhang
Etappen der Währungsintegration
1957
Im EWG-Vertrag verpflichten sich die EG-Mitgliedstaaten, die
Wechselkurspolitik „als eine Angelegenheit von gemeinsamem
Interesse” anzusehen.
1970
Der „Werner-Plan” für die stufenweise Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion mit gemeinsamer Währung bis
zum Jahr 1980 scheitert an Währungsturbulenzen und divergenten Wirtschaftspolitiken zu Beginn der 70er Jahre bzw. im
Anschluß an die erste Ölkrise.
1979
Das Europäische Währungssystem (EWS) wird gegründet.
Wichtigstes Element ist der Wechselkursmechanismus. Außer dem Vereinigten Königreich nehmen alle Mitgliedstaaten
daran teil. Die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der
EU beschließen im August 1993 nach starken Spekulationswellen die Erweiterung der EWS-Bandbreiten auf ± 15% (zuvor
± 2,25%). Österreich tritt 1995 dem EWS bei, Finnland kommt
1996 hinzu. Die italienische Lira wird im November 1996 wieder aufgenommen, die griechische Drachme erstmals 1998.
1987
Die Einheitliche Europäische Akte tritt am 1. Juli in Kraft. Ziel ist
die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Güter und
Dienstleistungen zum 1. Januar 1993.
1988
Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs billigt
den Delors-Plan, der die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen vorsieht.
1991
Im Dezember beschließt der Europäische Rat in Maastricht die
Schaffung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
bis spätestens 1999.
1994
Am 1. Januar beginnt die zweite Stufe der EWU. Das Europäische Währungsinstitut (EWI) wird gegründet.
1995
Mitte Dezember einigt sich der Europäische Rat in Madrid auf
die Eckwerte des Übergangs zur Währungsunion und legt den
Namen der Europawährung mit „Euro” fest.
1997
In Amsterdam beschließt der Europäische Rat den Rechtsrahmen für die Währungsumstellung, den Stabilitätspakt zur Sicherung der nationalen Haushaltsdisziplin in der EWU sowie das
künftige „EWS II”.
1998
Anfang Mai entscheidet der Europäische Rat in Brüssel, daß
elf Staaten für die Teilnahme an der dritten Stufe der EWU zum
1. Januar 1999 qualifiziert sind. Per 1. Juni wird die Europäische
Zentralbank gegründet.
56
Abkürzungsverzeichnis
ECOFIN-Rat
Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister
ECU
European Currency Unit (Europäische Währungseinheit)
EG
Europäische Gemeinschaft
EGV
EG-Vertrag
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
EU
Europäische Union
EU-4
Dänemark, Griechenland, Schweden, Vereinigtes Königreich
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWI
Europäisches Währungsinstitut
EWS
Europäisches Währungssystem
EWU
Europäische Währungsunion
EWU-11
Elf Erst-Teilnehmerstaaten der EWU
EZB
Europäische Zentralbank
SZR
Sonderziehungsrecht
Länder und ihre Währungsabkürzung laut ISO-Code
B
Belgien
Belgischer Franc
BEF
DK
Dänemark
Dänische Krone
DKK
D
Deutschland
Deutsche Mark
DEM
GR
Griechenland
Drachme
GRD
E
Spanien
Peseta
ESP
F
Frankreich
Französischer Franc
FRF
IRL
Irland
Irisches Pfund
IEP
I
Italien
Lira
ITL
L
Luxemburg
Luxemburgischer Franc
LUF
NL
Niederlande
Gulden
NLG
A
Österreich
Schilling
ATS
P
Portugal
Escudo
PTE
SF
Finnland
Finnmark
FIM
S
Schweden
Schwedische Krone
SEK
GB
Großbritannien
Pfund Sterling
GBP
USA
Vereinigte Staaten
US-Dollar
USD
J
Japan
Japanischer Yen
JPY
CH
Schweiz
Schweizer Franken
CHF
57
Weiterführende Quellenhinweise
David Begg, Jürgen von Hagen, Charles Wyplosz, Klaus F. Zimmermann, Hg., EMU: Prospects and Challenges, Oxford, 1998.
Bundesministerium der Finanzen, Der Euro. Stark wie die Mark, Bonn,
Mai 1997.
Bundesverband deutscher Banken, Der Euro – stabiles Geld für Europa, Köln, 1997.
Deutsche Bundesbank, Europäische Organisationen und Gremien im
Bereich von Währung und Wirtschaft, Frankfurt, 1997.
Deutsche Bundesbank, Informationsbrief zur Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion, Frankfurt am Main, erscheint seit September 1996.
Europäische Kommission, Euro 1999. Bericht über den Konvergenzstand mit Empfehlung für den Übergang zur dritten Stufe der Wirtschaftsund Währungsunion, Luxemburg, 1998.
Europäische Union, Europäische Gemeinschaft, Der Vertrag – Die Vertragstexte von Maastricht mit den deutschen Begleitgesetzen, Presseund Informationsamt der Bundesregierung, Bonn, 1996.
Europäisches Währungsinstitut, Konvergenzbericht, Frankfurt am Main,
1998.
Europäisches Währungsinstitut, Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3 –
Festlegung des Handlungsrahmens, Frankfurt am Main, 1997.
European Monetary Institute, The single monetary policy in stage three,
Elements of the monetary policy strategy of the ESCB, 1997.
Thomas Hanke und Norbert Walter, Der Euro – Kurs auf die Zukunft,
Die Konsequenzen der Währungsunion für Unternehmen und Anleger,
Frankfurt am Main, 1997.
Reinhard Hummel, Hg., Ein Markt – eine Währung: Countdown für die
Europawährung?, 2. Auflage, Wien, 1996
Hans-Ulrich Jörges, Hg., Der Kampf um den Euro – Wie riskant ist die
Währungsunion?, Hamburg, 1998.
Michael Jungblut, Wenn der Euro rollt ... – Was bringt die Europäische
Währungsunion für Arbeitnehmer, Sparer, Verbraucher und Unternehmer?, Wien, 1996.
Paul R. Masson, Thomas H. Krueger, Bart Turtelboom, Hg., EMU and
the International Monetary System, Washington, 1997.
Theo Waigel (Hg.), Unsere Zukunft heißt Europa – Der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion, Düsseldorf, 1996.
Wichtige Internet-Adressen:
Bundesministerium der Finanzen:
http://www.bundesfinanzministerium.de
Deutsche Bank AG: http://www.deutsche-bank.de
Deutsche Bank Research: https://www.dbresearch.com
Deutsche Bundesbank: http://www.bundesbank.de
Europäische Zentralbank: http://www.ecb.int
Europäische Kommission/Euro-Homepage:
http://www.europa.eu.int/euro
58
Kundeninformationen der Deutsche Bank AG zur EWU
Die Deutsche Bank hat in den letzten Jahren ein breites Spektrum von Publikationen und Arbeitsmaterialien vorgelegt,
um ihre Kunden mit Informationen zu versorgen und ihre Vorbereitungen auf den Euro zu unterstützen. Im folgenden
wird ein Überblick über das vielfältige Informationsangebot der Deutsche Bank AG gegeben. Wenn Sie Publikationen
beziehen wollen, wenden Sie sich bitte an eine Deutsche Bank-Filiale oder Ihren Kundenbetreuer.
Publikation
interne Bestellnummer
Preis
Deutsche Bank Research, EWU-Monitor,
Sonderreihe zu Spezialthemen (s. Übersicht
auf folgender Seite).
Fax: (069) 910-31877
Jahresbezugspreis:
DEM 150,-(zuzügl. gesetzl. MwSt)
Deutsche Bank Research, Wirtschaftstrends,
erscheint monatlich und enthält Konjunktur-,
Zins- und Währungseinschätzungen für maßgebliche Industrieländer einschließl. Euroland.
Fax: (069) 910-31877
Bezugspreis auf Anfrage
Checkliste Europawährung. So bereiten Sie
Ihr Unternehmen auf die Währungsunion vor,
3. Aufl., Mai 1997.
82-153/43
DEM 25,--
Eurofit. Das interaktive PC-Programm,
August 1998.
82-153/60
DEM 95,--
Euro-Special: Rechnungswesen, Juni 1998.
82-152/25
DEM 50,--
Euro-Special: Recht, Oktober 1997.
82-152/24
DEM 25,--
Euro-Special: Zahlungsverkehr, März 1998.
82-153/56
DEM 25,--
Euro-Special: Grundkapital, Aktien, derivative
Instrumente, Leitfaden zur Anpassung an die
Euro-Welt für Aktiengesellschaften in Deutschland, März 1998.
82-153/58
DEM 50,--
Info-Paket: Kommunen meistern den Euro.
82-158/21
DEM 25,--
db-Euro-Service konkret: Informationen auf den
Punkt gebracht, Januar 1998.
82-104/03
kostenlos
db-Euro-Service konkret, Informationen auf den
Punkt gebracht, Juni 1998.
82-104/09
kostenlos
Der Euro kommt: 80 Antworten zum Euro,
Februar 1998 (für Privatkunden).
81-205/01
kostenlos
Der Euro kommt: Antworten zur Umstellung,
Februar 1998 (für Privatkunden).
81-205/02
kostenlos
Der Euro kommt: Mein Geschäft und der Euro,
Februar 1998 (Checkliste für Geschäftskunden).
81/205/03
kostenlos
Cash Management and European Monetary
Union, Oktober 1997.
82-153/54
kostenlos
Fax: (069) 910-31987
DEM 25,--
EquityPhoria. Entering New Territory,
Oktober 1997 (Konsequenzen für den Aktienmarkt)
59
EWU-Monitor
ISSN 1430-7383
(in englischer Sprache: "EMU Watch")
Diese Reihe befaßt sich mit Spezialfragen zur Europäischen Währungsunion. Der EWU-Monitor erscheint
in unregelmäßiger Folge mit ca. 20 Ausgaben p.a. im Umfang von 8-12 Seiten.
Nr.
56
Thema
Das Wachstumspotential von Unternehmensanleihen in Euroland
Erschienen am
29. Juli 1998
55
Die “EWU-Nachzügler”: Perspektiven für Beitritt und Zinskonvergenz
17. Juli 1998
54
Die Europäische Union - eine amerikanische Perspektive
15. Juli 1998
53
Großbritannien: Der lange Weg zur EWU
30. Juli 1998
52
Die Währungsunion als dauerhafte Rechtsgemeinschaft
51
Die EWU - Umbruch an den europäischen Finanzmärkten
50
Sonderausgabe: EZB-Zinsperspektiven
20. Mai 1998
49
Die Umstellung von börsennotierten Wertpapieren auf den Euro
22. April 1998
48
Der Euro - und was dann?
17. März 1998
47
Dauerhafte Tragfähigkeit: ein verschwommenes Konzept
27. Februar 1998
46
EWU - Einfluß auf den Markt für Derivative
25. Februar 1998
45
Euroland: Wer ist dabei?
44
Sonderausgabe: EZB-Zinsperspektiven
43
Europäische Währungsunion: Umwälzungen im Zahlungsverkehr
42
EWU und Unternehmen: Auswirkungen und Handlungsbedarf
33
Der Euro - Eine Herausforderung für den Dollar?
22. Juni 1998
9. Juni 1998
9. Februar 1998
20. Februar 1998
14. Januar 1998
8. Januar 1998
17. Juni 1997
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Art.-Nr. 73-093/00