Eine Initiative für Kanzleien und Notariate in 2015

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Eine Initiative für Kanzleien und Notariate in 2015
AUS DER PRAXIS
„Eine Initiative für Kanzleien
und Notariate in 2015“
Sylvia Reich blickt auf 20 Jahre Kanzleitätigkeit und 15 Jahre
als Personalberaterin ihres Unternehmens Renojobs in
Frankfurt zurück. Sie berät Fachpersonal wie Rechtsanwaltsoder Notarfachangestellte, leitende Mitarbeiter, Anwaltssekretäre und Insolvenzmitarbeiter. Die Arbeitgeber sind
meist mittelständische Kanzleien, Notariate und Unternehmen aus ganz Deutschland. Im Gespräch schildert Reich die
aktuelle Arbeitsmarktlage, gibt Karriere-Tipps und erklärt ihre
Sicht auf die kürzlich beschlossene Novelle des Berufsbildes
der Fachangestellten.
Von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A.; Leipzig
Zu Besuch bei „Renojobs“
Wenn man das Frankfurter Büro von Sylvia Reich betritt, kann es geschehen, dass man zunächst von Filou
begrüßt wird, der Bürohündin und dem guten Geist bei
Renojobs. Spaziergängen an hektischen Arbeitstagen
zwischen Bewerbergesprächen oder Telefonaten sind
beide nie abgeneigt. Heute jedoch wird daraus nichts,
denn das Interview drängt sich am Nachmittag zusätzlich in den Terminkalender.
Frau Reich, eine Umfrage des Soldan Instituts für
Anwaltmanagement ergab, dass mehr als 40 % der
Rechtsanwälte grundsätzlich nicht ausbilden. 52 %
nannten eine Unausgewogenheit von Aufwand und
Nutzen als Grund, nicht auszubilden. 22 % der Anwälte, die nicht ausbilden, waren die Kosten zu hoch, 19 %
hatten schlechte Erfahrungen gemacht. Auch wenn die
Umfrage lediglich 1.700 Befragte einschloss: Spiegelt
sich hier eine verbreitete Haltung zur Ausbildungsbereitschaft, die auch Sie beobachten?
Leider höre ich bei vielen Arbeitgebern, dass die Qualität
der Bewerbungen bei den Auszubildenden fehlt. Rechtschreibfehler in der Bewerbung, schlechte Vorbereitung
auf das Gespräch und eine mangelnde Dienstleistungsmentalität werden immer wieder genannt. Wenn ich in
Kanzleien anrufe – und ich könnte ja auch ein Mandant
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sein –, erlebe ich große Unterschiede, wie man mir entgegentritt. Für einen Mandanten ist es sehr wichtig, dass
er das Gefühl hat, hier bin ich willkommen. Die Probleme
haben zugenommen. Wenn die Ansprache stimmt, bekommt man allerdings auch in einem umkämpften Arbeitsmarkt wie München gute Auszubildende. Ich plane
derzeit, im kommenden Jahr, wenn wir unser 15-JahrJubiläum feiern, im Rahmen einer besonderen Initiative
für Kanzleien und Notariate Auszubildende zu suchen.
Die Kammern starten verschiedene Initiativen und
Fachangestellte werden nicht müde, Anspruch und
Möglichkeiten ihres Berufs zu betonen – an dem hartnäckigen Imageproblem des Berufsbildes ändert das
scheinbar kaum etwas. Im Gegenteil: Seit Jahren sind
die Ausbildungszahlen rückläufig.
Leider drängt es die Abiturienten zum Jura- oder Wirtschaftsrechtsstudium an der Fachhochschule, hier gibt
es aber ein deutliches Überangebot an Bewerbern
und damit sehr eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten.
Wichtig wäre eine Aufwertung des Images, damit gute
Berufseinsteiger interessiert werden.
Dass immer wieder betont wird, dass Führungspositionen
im Mitarbeiterbereich selten angeboten werden, mag
stimmen. Es gibt jedoch anspruchsvolle Aufgaben für eine
Spezialisierung, z. B. im Notariat, im Insolvenzbereich und
im gewerblichen Rechtsschutz. Hier erarbeiteten sich viele
Die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten 12/2014
Fachkräfte einen enormen Erfahrungsschatz und werden
zur rechten Hand der Anwälte mit anspruchsvollsten Aufgaben. Mir ist z. B. eine Fachangestellte bekannt, die im
Rahmen eines Insolvenzverfahrens sämtliche Kündigungen vorbereitete und erstellte. Anwälte könnten leichter
Mitarbeiter gewinnen, wenn sie für eine gute Atmosphäre sorgen, mehr verbal kommunizieren und Arbeitszeiten
anbieten würden, die für Frauen günstiger sind.
Das fünfzehnjährige Bestehen von Renojobs steht an.
Eine lange Zeit mit sicher unzähligen Gesprächen, Vermittlungen und Coachings.
Das stimmt. Die Ansprache guter Bewerber und Bewerberinnen, aber auch die Besuche in Anwaltskanzleien und
Notariaten, um sich vor Ort ein Bild von der Kanzlei zu verschaffen, prägen meine Arbeit seit 2000. Oft setze ich mich
auch einfach mit Interessenten einmal einen Nachmittag
zusammen, wenn diese beispielsweise nach einer Pause
wieder in den Beruf einsteigen wollen und unterstütze eine
konkrete Orientierung. In den fast fünfzehn Jahren haben
wir zu mehr als einem Drittel in Notariate vermittelt und
zu einem weiteren Drittel in Anwaltskanzleien. Rechts- und
Notarfachwirte waren dabei insgesamt zu einem Viertel beteiligt. Seit 2005/2006 bin ich auch in der Rekrutierung von
Juristen tätig, seit 2010 gibt es dafür die Plattform KRP Personalberatung. Wir können unseren Bewerbern also Kanzleien verschiedener Größenordnungen und Ausrichtungen
bieten und sind dabei, auch unsere Kontakte zu Unternehmen weiter auszubauen, da es unter den Fachkräften einige
gibt, die der Kanzleiwelt den Rücken kehren möchten.
Und sich wohin orientieren?
Früher waren es häufig Banken, hier hat die Nachfrage
nachgelassen. Derzeit bewerben sich die Fachangestellten meistens bei Unternehmen und Rechtsabteilungen.
Info
Der Kopf hinter Renojobs
Nach dem Abitur absolvierte Sylvia Reich ihre Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten in Frankfurt/Main, legte später
vor der RAK Berlin ihre Prüfung zur Bürovorsteherin im Anwalts- und
Notarfach ab (heute: Rechts- und Notarfachwirtin). Von 1993 bis 1998
war sie Lehrbeauftragte des Landes Hessen für das Fach Notariat und
Dozentin der Notarkammer Frankfurt/Main, erwarb zusätzlich einen Abschluss als Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch und Französisch.
2000 gründete sie Renojobs, eine Personalvermittlung für qualifiziertes
juristisches Personal. Aktuelle Stellenangebote finden sich regelmäßig
auf www.renojobs.de und auf der Facebook-Seite www.facebook.com/
renojobs.ffm)
Die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten 12/2014
Bei der konkreten Stellensuche nennen Sie stets zwei
Hürden: die Bewerbungsunterlagen und das Vorstellungsgespräch.
Die Unterlagen sind die erste Hürde, da sie eine Arbeitsprobe für die Fähigkeiten darstellen, mit dem PC und
der deutschen Sprache umzugehen. Mir begegnen immer wieder leere E-Mails, ein Dutzend einzelner Dokumente statt zusammengefasst eine PDF-Datei, verrutschende Spalten im Lebenslauf und Rechtschreibfehler
im Anschreiben – allesamt K.O.-Kriterien, die zur Ablehnung einer Bewerbung führen, ohne dass die vielleicht
guten fachlichen Kenntnisse berücksichtigt werden. Zu
viele Jobs in zu kurzer Zeit kommen übrigens auch gar
nicht gut an.
Der zweite Punkt: Das Vorstellungsgespräch. Gut informiert, professionell gekleidet, gute Umgangsformen
und ansprechende Kommunikation, gepaart mit sichtbarer Motivation – damit nimmt man auch diese Hürde. Ebenfalls vorteilhaft: Ein Probetag, um die Kanzlei
oder das Notariat mal live anzuschauen. Warum nicht
den Arbeitgeber direkt auf diese Möglichkeit ansprechen?
Was sollten sich die ReNos ferner konkret auf ihre
Agenda setzen, um für künftige Anforderungen gerüstet zu sein?
Grundsätzlich empfehle ich, Stärken auszubauen und
nach der Neigung zu gehen. Ausgesprochen versiert
und kenntnisreich kann man nicht in allen Bereichen
sein, aber wie schon erwähnt können sich auch ReNos
spezialisieren. Es gibt vielfältige Ansätze: Zum Beispiel
die Bereiche Immobiliarvollstreckung, Markensachbearbeitung, Familienrecht, Unfallsachbearbeitung oder
Insolvenzrecht. Was das grundsätzliche Know-how
angeht: Natürlich PC-Kenntnisse, und zwar nicht nur
die Beherrschung von Word im Ansatz, sondern gute
Anwenderkenntnisse in Word, Excel und PowerPoint
sowie einer Anwaltssoftware wären wünschenswert.
Viele Bewerber beherrschen nur Word und von diesem
Programm auch nur 5 bis 10 %.
Was empfehlen Sie Berufseinsteigern?
Nach wie vor die ersten zwei bis drei Jahre in einer
„traditionellen“ Kanzlei zu arbeiten und Fristenkontrolle, RVG-Abrechnungen und die Zwangsvollstreckung möglichst früh selbstständig zu bearbeiten.
Danach ist das Fachwissen soweit gefestigt, dass
man sich auch in Wirtschaftskanzleien oder – und
wie ich schon erwähnte, möchten das mittlerweile viele Bewerber – ganz außerhalb der Kanzleiwelt
orientieren kann. Es bieten sich Tätigkeiten in In21
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kassounternehmen oder Rechtsabteilungen an, Beispiele hatte ich vorhin ja schon im Zusammenhang
mit der Spezialisierung genannt. Manche ReNos arbeiten auch im gehobenen Sekretariatsbereich und
sind dort sehr zufrieden, also zum Beispiel in der Vorstands- und Geschäftsführungsassistenz.
Arbeitsmarktforscher betonen einen „demografischen
Knick“ und einen damit einhergehenden Fachkräftemangel in der Zukunft. Kann das Personal in den
Rechtsberufen hiervon profitieren?
Es ist richtig, dass durch diesen „Knick“ auf dem Arbeitsmarkt immer weniger gut qualifizierte Nachwuchskräfte auch für Anwaltskanzleien zur Verfügung stehen. Allerdings gibt es mittlerweile eine
große Zahl von sehr erfahrenen qualifizierten Fachkräften, die mit über 50 Jahren eine gute Ergänzung
für junge Teams sind. Diesem Problem werden sich
– wie alle Arbeitgeber – in den kommenden Jahren
auch die Anwaltskanzleien stellen müssen. Durch
den Einsatz von Anwaltssoftware oder auch Auslagerungen von Dienstleistungen wird aber auch weniger Personal gebraucht als früher, trotz steigender
Anwaltszahlen. Beide Faktoren muss man zusammen betrachten.
War die Selbstständigkeit ein früher Wunsch oder
schälte sich dies erst nach Ihrer rund 20-järigen Tätigkeit in Kanzleien heraus?
Es waren nicht nur die 20 Jahre in den Kanzleien. Ich
war knapp 40 Jahre alt und fand, dass es Zeit für einen Neuanfang sei. Als ich mit Renojobs begann, war
es für kleine Kanzleien und Notariate noch Neuland,
Personalberater zu beauftragen. Auch die ReNos
kannten diesen Service nicht. Von internationalen
Kanzleien hingegen erhielten wir von Beginn an Aufträge. Später habe ich mich weg von den internationalen Kanzleien und hin zu mittelständischen Kanzleien, auch Wirtschaftskanzleien und zu Notariaten
jeglicher Größe und Region entwickelt. Mittlerweile ist der Bekanntheitsgrad von Renojobs sehr gut,
dank der Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener
Auftraggeber und Bewerber und natürlich auch dank
unserer Marketingaktionen. Derzeit haben wir einen
Mangel an Bewerbern, was nicht nur für Bewerber,
sondern auch für Personalberater günstig ist, da wir
dann viele Aufträge bekommen. Wir könnten also
noch viele gute Bewerber und Bewerberinnen in interessante, gut bezahlte Positionen in unbefristeter
Festanstellung vermitteln. Zeitarbeit gehört nicht zu
unserem Angebot.
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Medialer Freudentaumel gilt derzeit der erfreulichen
Arbeitsmarktsituation in Deutschland. Gilt das auch
für das Kanzleipersonal?
Seit 2010 geht es wieder aufwärts, d. h. wir erhalten
sehr viele Aufträge, ReNos und Fremdspachensekretäre zu suchen. Über die grundsätzlichen Anforderungen
hinaus gilt: Fachangestellte sollten mindestens einen
befriedigenden Abschluss, gute Umgangsformen und
sehr gute PC-Kenntnisse mitbringen. Ebenso sind mindestens ausbaufähige Englischkenntnisse und einwandfreier Lebenslauf gefragt. In Frankfurt am Main,
München und Düsseldorf hat man mit mindestens guten Englischkenntnissen hervorragende Chancen. Der
Hamburger Arbeitsmarkt hingegen ist nicht einfach,
der Berliner Markt hingegen besser geworden. Außerhalb der Zentren müssen die Englischkenntnisse noch
nicht gute Schulkenntnisse übersteigen, alle anderen
Anforderungen gelten aber auch hier. Und noch etwas:
Eine Furcht vor einer Art Konkurrenz durch Bewerber
mit abgebrochenem Jurastudium ist unnötig, da ich
sehr selten beobachte, dass Rechtsanwälte Juristen
oder Studienabbrecher als Mitarbeiter im Sekretariatsoder Sachbearbeiterbereich beschäftigen.
Welche Rückmeldungen geben große Wirtschaftskanzleien mit internationalen Kontakten, wenn es um das
hiesige duale Ausbildungssystem geht. Hat es nach
wie vor einen guten Ruf?
Honoriert werden von den Wirtschaftskanzleien eine
sehr genaue Arbeitsweise und Verantwortungsgefühl,
die gute theoretische Ausbildung in der Berufsschule
und das praktische Einüben am Arbeitsplatz. Das MitDie Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten 12/2014
denken, eine schnelle Auffassungsgabe und Belastbarkeit sind ebenfalls wichtige Kriterien. Kritisiert werden
die nach der Schulausbildung vorhandenen Englischkenntnisse. Selbst Abiturienten bezeichnen ihre Englischkenntnisse als Grundkenntnisse und sind nicht
in der Lage, etwas über sich auf Englisch zu erzählen.
Das genügt für den Arbeitsmarkt leider nicht. Hervorragende Chancen hätten Berufsanfänger, die in Ballungsgebieten arbeiten möchten und zwar sowohl in
Wirtschaftskanzleien als auch in Unternehmen, wenn
sie für ein Jahr ins englischsprachige Ausland gehen
würden.
Die Ausbildungsvergütungen und Gehälter der Kanzleibeschäftigten sind seit Jahren ein Streitthema. Der
Landesverband Sachsen-Anhalt der RENO Vereinigung
startete zuletzt eine „Gehaltsoffensive 2014“. Der Landesverband verzeichnet seitdem zahlreiche bundesweite Reaktionen und zeigt sich erstaunt, dass „Niedriglohn offensichtlich kein reines ostdeutsches Problem
[ist], sondern über die ganze Republik verteilt“.
Kanzleien und Notariate, die mich beauftragen, zahlen
keinen Niedriglohn, sondern eine ziemlich attraktive
Vergütung – allerdings bin ich hauptsächlich in Metropolregionen tätig oder für spezialisierte Kanzleien.
Kann die sich weiterhin wandelnde Arbeitsmarktsituation der Juristen, die in den vergangenen Jahren von Liberalisierung, Nischensuche und steigenden Anwaltszahlen gekennzeichnet war, mitunter auch ein Grund
für niedrige Gehälter der Kanzleibeschäftigten sein?
Topjuristen in internationalen Kanzleien teilen sich zu
dritt, viert oder fünft eine Fachangestellte, die dort mehr
im Sekretariat als in der Sachbearbeitung tätig ist. Kleine
Einsteigerkanzleien verzichten ganz und schreiben selbst,
gehen ans Telefon und bringen die Post zum Briefkasten.
Für komplizierte Abrechnungen oder die Zwangsvollstreckung beauftragen sie freiberufliche ReNos. Die finanziellen Konditionen bei den internationalen und überörtlichen Wirtschaftskanzleien sind deutlich besser als in
mittelgroßen oder kleinen traditionellen Kanzleien. Dafür
sind die Anforderungen auch andere – oft wird selbstständiger in kleinen traditionellen Kanzleien gearbeitet.
Dies allerdings zu einem geringeren Gehalt als in den
Wirtschaftskanzleien. Hier müssen sich Bewerber leider
entscheiden, was ihnen wichtiger ist.
Es ist leider derzeit so, dass ReNos ohne Englischkenntnisse, die sehr gerne Sachbearbeitung auf hohem
Niveau erledigen, also Klagen entwerfen, komplexe
Abrechnungen erstellen und schwierige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten, deutlich weniger
Die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten 12/2014
verdienen als Partnersekretäre in der Großkanzlei, die
viel nach Band schreiben oder Dokumente nach Vorgabe verändern usw. Dafür muss dort aber Englisch sicher
in Wort und Schrift beherrscht werden.
„Prekariat im Anwaltsstand“ titelte die F.A.Z. vor rund
zwei Jahren und der Jurist Joachim Wagner beschreibt
in seinem aktuellen Buch eine Branche, die mit Existenznöten und Ansehensverlust kämpft. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung gerade kleinerer Anwaltskanzleien?
Ich denke, dass in den Ballungsräumen die Einzelkanzleien stark abnehmen werden und eine Spezialisierung
entscheidend für den Erfolg ist. Weniger Einzelkanzleien bedeutet dann auch weniger dort beschäftigte
Mitarbeiter. Auch angestellte Anwälte werden in der
Akquise tätig sein müssen, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen. Es reicht nicht mehr, dem Mandanten
zu sagen, gegen welche Vorschriften er verstoßen hat,
er erwartet eine Lösung und besser noch eine Beratung, damit er erst gar nicht mit dem Gesetz in Konflikt
kommt. Die Beratung wird also immer wichtiger werden.
Vor wenigen Monaten endete das Neuordnungsverfahren der ReNo-Berufsgruppe, am 01.08.2015 tritt die
neue Ausbildungsordnung in Kraft.
Heute wird von Mitarbeitern erwartet, dass sie Strukturen kennen und alle Detailinformationen schnell
beschaffen und auswerten können. Meiner Meinung
nach legte die „alte“ Ausbildung noch zu viel Wert
darauf, Detailwissen abrufbar zu haben, obwohl
dies schnell nachzuschlagen ist. Es wird mehr Wert
auf die Beherrschung von Anwaltssoftware und Office-Programmen gelegt. Es gibt immer noch Azubis, die keine Anwaltssoftware beherrschen. Da es
nicht nur um die Software geht, sondern man mit
einer Anwaltssoftware auch ganz anders arbeitet, ist
dies ein ziemliches Problem bei der Jobsuche. Welche Anwaltssoftware beherrscht wird, ist meiner
Meinung nach nicht so wichtig, da man sich in eine
andere Anwaltssoftware ziemlich schnell einarbeiten kann. Gleichzeitig sehe ich gute Ansätze in der
Neuordnung angesichts des Englischunterrichts, der
Berücksichtigung des elektronischen Rechtsverkehrs,
des Europa- und Wirtschaftsrechts sowie den neuen
fallbezogenen Fachgesprächen in den Abschlussprüfungen.
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Einen geplanten fünften Zweig in der Gruppe der
Rechtsberufe, einen Fachangestellten für wirtschaftsrechtliche Kanzleien, wird es nicht geben. Bedauern
Sie diese Entwicklung? Und warum lief der Vorstoß der
Frankfurter Anwaltskammer, einen eigenständigen
Ausbildungsberuf, der unter dem Etikett „Legal assistant“ bekannt wurde, ins Leere?
Ich hatte damals die Einführung dieses neuen Berufs
befürwortet. Er hätte Mitarbeiter für die Anforderungen in Großkanzleien fit gemacht. Diese Kanzleien
haben ein Problem: Sie können immer weniger verantwortungsvoll im ReNo-Bereich ausbilden.
Mit ähnlichen Worten kommentierte Rechtsanwalt Dr.
Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts, die eingangs erwähnte Studie.
Es ist tatsächlich so, dass die Kernkompetenzen der Fachangestellten, also RVG-Abrechnung, Fristenberechnung, Zwangsvollstreckung und Notariat, dort so gut
wie gar nicht gebraucht werden. Natürlich gewähren
viele Großkanzleien überbetriebliche Maßnahmen,
aber der Sinn der dualen Ausbildung ist ja, dass man
das im Büro ausprobiert, was man in der Schule gelernt
hat. Die Azubis in diesem neuen Beruf hätten keine Probleme übernommen zu werden, da die Großkanzleien
derzeit verstärkt suchen, ihren Bedarf an Mitarbeitern
im Verwaltungsbereich, also ReNos und Sekretärinnen,
aber gar nicht decken können.
Was empfehlen Sie hinsichtlich Fort- und Weiterbildung?
Über Englisch muss ich jetzt nichts mehr sagen, oder?
Hier in Frankfurt müssen Fachangestellte zumindest
in der Lage sein, englische Telefonate anzunehmen,
weiterzuleiten und eine entsprechende Notiz aufzunehmen. Rechtsanwaltskammern und ReNo-Vereine
bieten Kurse an, die grundsätzlich sehr gut sind. Daneben gibt es private kommerzielle Anbieter. Hilfreich ist
es, sich bei der Auswahl die richtigen Fragen zu stellen:
Was fehlt mir an Fachkenntnissen, die ich regelmäßig
brauche? Und wer bietet das genau an? Hier hilft oft
auch ein virtueller Austausch in Foren wie foreno.de
oder der aktiven Fachgruppe „Renos helfen Renos“ auf
Facebook, wo man auch Erfahrungen zu Fortbildungen
und Qualität der Anbieter diskutieren kann. Die sozialen Netzwerke sind eine wertvolle Möglichkeit, weil
sie Fachkräften bundesweit einen engen Austausch ermöglichen.
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