Jet-Setback

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Jet-Setback
Rainer Nikowitz
Jet-Setback
Seit die Unschuldsvermutung hierzulande außer Kraft gesetzt wurde, muss man sich als
anständigster Ex-Finanzminister der Welt sogar im wohlverdienten Urlaub scheel ansehen lassen.
Itl/t-..,
ffit
Luisi fing es an.
-L YlFrüher war es nie
ein Problem gewesen, wenn Karl-Heinz
nach dem ermüdenden morsendlichen Haareföhnen rasch
äinmal in Luigis Cafeteria auf
der Piazzetta einkehrte, seine
tibliche Bestellung konsumierte
- einen koffeinfreien Macchiato
aus von der Zibetkatze vorver-
dauten Kopi-Luwak-Bohnen,
die Luigi extra für Karl-Heinz
aus Indonesien einfliegen ließ,
ebenso wie das Schmelzwasser des Perito-Moreno-Gletschers
in Patagonien, auf dem Karl-Heinz schon deshalb bestehen
musste, weil seine Beauty-Beraterin bei der letzten Messung
entsetzt festgestellt hatte, dass er von jedem anderen Wasser
einen um 2,5 Prozentfahleren Teint bekam - und dann dafür
bezahlte, indem er sich mit schon etwas älteren oststeirischen
Bustouristinnen fotografieren ließ, die erfreut festgestellt hatten, dass es neben der Blauen Grotte auch noch erwas anderes Tiefgründiges aufCapri zu entdecken gab, und ihnen dann
einredete, sie müssten dringend Luigis weltbekannte RucolaFocaccia zu wohlfeilen 27 ,90 Euro probieren.
Doch olötzlich. an diesem Täs, an dem Karl-Heinz'wohlbehütete Welt gänzlich aus den Angeln gehoben wurde, sag-
te Luigi, nachdem er serviert hatte: ,,Darf ich
gleich kassieren?" Das ,,Prego!", das er zwischen
seinen zusammengepressten Lippen nachschob,
machte die Chose nicht weniger ungeheuerlich'
Karl-Heinz spürte, wie sein Geldzähl-Daumen
im Täkt von Pink Floyds ,,Money" - dem einzig vernünftigen
Lied, das diese kapitalmarktfernen Hippies jemals herausgebracht hatten - zu zucken begann. Wenn das hier einriss,
konnte es sein Leben völlig auf den Kopf stellen.
,,Luittschi", sagte er gütig' ,,was zur Hölle soll das? Waren
unsere Geschäfte nicht immer supersauber? Haben wir unsere Hände nicht immer gegenseitig so lange gewaschen, bis
ihre Reinheit sogar auf unser Gewissen abfärbte?"
T
uigis versteinerte Miene weichte sich kein bisschen auf'
Schwager ist Schutzgeldeintreiber bei den italienischen Restaurants in Wien. Für die Familie, du verstehst?
Und von dem weiß ich alles über dich. Und über die " '", Luiei machte eine Pause und ließ einen kurzen Pfiffertönen, den
.i totttt nur verwendete' wenn eine Donna in einem besonders kurzen Mini an seinem Lokal vorbeidefilierte, ,,... und
über die Unschuldsvermurung."
Wenn Karl-Heinz nicht gewohnheitsmäßig rund um die
Nasenwurzel etwas Make-up auftragen würde, hätte Luigi
nun sehen können, wie er genau an dieser Schwachstelle, auf
die ihn dankenswerterweise Wolfgang Schüssel schon nach
I-l,,lvtiin
der ersten Budgetrede aufrnerksam gemacht hatte, erblasste. Er
*arfäen zerknüllten Geldschein,
den ihm Fiona nach der letzten
Nacht mit laszivem Lächeln in
seine Boxershorts geschoben
hatte - es war immerhin ein
Zehner -, auf den Tisch und verließ v'ortlos das Lokal.
Doch, wie schon gesagt: Mit
Luigi fing es erst an.
Die sonnenverbrannten Sociew-Röntqenbilder, die bei Giacomo auf der Terrasse saßen, tuschelten bedeutungsschwanger, als Karl-Heinz an ihnen vorbeiging. Der kleine Rotzlöf-
Iel, dem Karl-Heinz mit strahlendem Lächeln den Fußball
entgegenhielt, der ihm eben auf die Straße gerollt war, machte am Absatz kehrt und lief schreiend davon. Und Giancarlo
legte mit zusammengekniffenen Augen seir,e Hände schützend auf die original italienischen \\'assermelonen aus Honduras, die er in der \4a Mala verkaufte.
Und als sich Karl-Heinz schließlich beim llotorradverleih
rasch eine Vespa ausborgen wollte, um diesen Spießruteniauf
zu beenden und nach Hause flüchten zu können, schüttelte
Francesca energisch den Kopf' ,,No. Am Ende privatisierst
du sie noch."
Die Jagdgeseilschaft hatte ihr ZteI erreicht. Sogar hier'
ls er endlich völlig verschwitzt in seiner, okay, in Fionas
ankam, fand-er gieich im Vorzimmer einen Zettel
von der Haushälterin, auf dem stand: ,,Flavio Briatore hat angerufen. Er sagt, es tue ihm leid, aber er könne Sie und die
Sigtrota doch nicht auf seine Yacht einladen. Er komme vorher unmöglich dazu, die silbernen Löffel wegzuräumen' Und
übrigens: Ich kündige."
Wi" lron Sinnen raste Karl-Heinz durch den Westflügel'
,,Fional Fiooonal" Da schoss ihm ein, dass es erst knapp nach
Mittag war. Fiona war also noch im Bett.
Atemlos rannte er ins Schlafzimmer. Seine Frau war schon
wach und räkelte sich wohlig in ihrer pinken Satinbetnväsche'
wissen, dass
,,Sie wissen es. Hier. Nle", stieß er hervor. ,,Sie
A
llfnUr
ich..., ich..."
furchtbar
,,Dass du ein böser, böser Bube bist? Ein ganz
schlimmer Finger? Ach, mach dir nichts draus, Darling",
hauchte Fiona. ,,Ich liebe böse Buben. Und jetzt komm her'
Willst du dir einen Fünfer verdienen?"
,,Wieso nur einen Fünfer? Gestern waren es noch zehnl",
Drotestierte Karl-Heinz.
Fiona schnippte sich den täger ihres \Äctoria's-SecretBabydoll uott d.t linken Schulter und sagte dann: ,'Itt the
economy, stupidl Angebot - und Nachfrage!"
Karl-Heinz zos seufzend die Tür hinter sich
rainer. nikowitz@profil. at
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