Die Schlecker-Insolvenz aus Sicht des

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Die Schlecker-Insolvenz aus Sicht des
Die Schlecker-Insolvenz aus Sicht des
Insolvenzverwalters
Dipl.-Kfm. Arndt Geiwitz
Wirtschaftsprüfer – Steuerberater
Bad Boll, 10.05.2013
Inhaltsübersicht
I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder Fluch?
IV. Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
V. Der Sanierungsversuch
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Inhaltsübersicht
I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder Fluch?
IV. Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
V. Der Sanierungsversuch
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I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
Der eingetragene Kaufmann
Der Kaufmann im klassischen Sinne ist eine Person, welche erwerbsmäßig ein Geschäft
tätigt, insbesondere Waren ankauft und weiter zum Verkauf andient. Sein Handeln ist auf
einen finanziellen Gewinn gerichtet.
Das Handelsgesetzbuch (HGB) regelt bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in diesem
Zusammenhang als Sonderprivatrecht der Kaufleute, durch seine Rechtssätze die
Rechtsbeziehungen unter gleich geordneten Subjekten des Privatrechts innerhalb einer
privatwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftsordnung.
An den Kaufmann werden seit je her besondere moralische Anforderungen gestellt. Sein „Wort“ gilt
und bereits Goethe wusste um 1797 in seinem Werk „Wilhelm Meister – Die Lehrjahre“ nicht
„wessen Geist ausgebreiteter sein müsste, als der Geist eines echten Handelsmannes“.
Heute ist der eingetragene Kaufmann eine Sonderform des Handelsrechts. § 1 HGB geht zunächst
von der Grundform des „Ist-Kaufmannes“ aus, d. h. jeder der ein Handelsgewerbe betreibt ist ein
Kaufmann. Der eingetragene Kaufmann wird in § 5 HGB geregelt und stellt darauf ab, dass mit
Eintragung der Firma in das Handelsregister die Anwendung des HGB stets gegeben ist. Die
Vorschrift dient der Rechtssicherheit. Für die sogenannten Formkaufleute (u.a. AG, KGaA und
GmbH) hat dies keine Auswirkung. Sie sind stets Kaufleute im Sinne des HGB.
Durch die persönliche Haftung des e.K. besteht ein hohes Vertrauen in seine wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit. Insbesondere wenn es sich bei der „Konzernmutter“ um einen e.K. handelt. Auch
besteht in der Regel eine besondere Loyalität der Mitarbeiter zum e.K. wegen einer persönlichen
Verbundenheit.
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I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
Der e.K. ist die Unternehmensrechtsform, die in
Deutschland am meisten genutzt wird.
1%
1%
Knapp 2,2 Millionen e.K. standen im Jahr 2009
der zweithäufigsten Rechtsform Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH) gegenüber, die
nur auf 473.782 Einträge kam.
13%
13%
15%
15%
71%
71%
Offene Handelsgesellschaften (OHG) bildeten
die drittbeliebteste Form mit 266.138 Einträgen.
Insgesamt nennt die Statistik gut 3,1 Millionen
Firmen.
Sie kamen im Jahr 2009 zusammengerechnet
auf rund € 4,9 Billionen Umsatz.
Stand 2009
71 %
15 %
1%
13%
eingetragener Kaufmann
GmbH
OHG
Restliche (AG, KG, KGaA etc.)
Umsatzstarke Unternehmen mit der Rechtsform e.K. sind in Deutschland die absolute Ausnahme. Im Jahr 2009 gab
es hierzulande lediglich sechs Unternehmen, die als e.K. firmierten und einen Erlös von mindestens € 250 Millionen
erwirtschafteten. Das geht aus Berechnungen zur Umsatzsteuerstatistik hervor, die das Statistische Bundesamt
erstellte. Demnach ist der e.K. vor allem dann das Mittel der Wahl, wenn die Leistung der Firma zwischen € 17.500
und € 50.000 liegt. In diesem Segment sind 84,3 Prozent aller Firmen mit der Rechtsform e.K. eingetragen.
Quelle: Berliner Morgenpost vom 01.02.2012
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I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
Die Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns findet sich in Konzernen nur in Familienunternehmen. Doch hier
werden nur drei der Top 594*) deutschen Familienunternehmen in Form des eingetragenen Kaufmanns geführt. Die
überwiegende Anzahl der Familienunternehmen werden in der Rechtsform der GmbH und GmbH & Co. KG geführt.
Bei etwa 23 Prozent der geführten Familienunternehmen übernehmen die Gesellschafter eine unmittelbare
persönliche Haftung, wie bei der Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns.
Trigema
Firmeninhaber
Wolfgang Grupp
Umsatz
€ 53 Mio. (Stand 2008)
Mitarbeiter
1.083 (Stand 2008)
Hall Tabakwaren
0
*)
50
100
150
200
250
Firmeninhaber
Jürgen Hall
Umsatz
€ 760 Mio. (Stand 2012)
Mitarbeiter
360 (Stand 2012)
Schröer-Dreesmann Mineralöle
207
GmbH
Firmeninhaber
H. Schröer-Dreesmann
135
130
106
16
GmbH & Co. KG
KG
AG
Sonstige (OHG, e.K., Stiftung etc.)
Umsatz
€ 270 Mio. (Stand 2010)
Mitarbeiter
95
mit Anton Schlecker e.K.
Quelle: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen (Stiftung Familienunternehmen)
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I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
Der eingetragene Kaufmann in der Sanierung und/oder im Insolvenzverfahren
Die Rechtsform des eingetragenen Kaufmann hat die Besonderheit, dass nur eine Person
alleiniger Inhaber des Unternehmens ist. Dadurch ist die Zuführung von neuer Liquidität durch
Aufnahme von Gesellschaftern nicht möglich (Ausnahme stille Beteiligung).
Es gibt keine Veröffentlichungspflicht für einen Geschäftsbericht, aus dem zentrale
Kennziffern, wie Umsatz, Rentabilität, Standorte und Mitarbeiterzahlen hervorgehen. Der
eingetragene Kaufmann hat daher in der Regel keinen Druck über den Markt, frühzeitig
Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.
Das Mitbestimmungsgesetz findet keine Anwendung, wonach seit dem 01.07.1976 geregelt
wird, dass Arbeitnehmervertreter in einem Aufsichtsrat eines Unternehmens aufzunehmen sind.
Es gibt somit keine gesetzlich verankerte Pflicht, eine Kontrollebene einzuführen, um das
wirtschaftliche Handeln zu unterstützen und zu überwachen.
Eine Insolvenzantragspflicht, wie u. a. bei der AG und bei der GmbH, besteht nicht. Nachdem
der eingetragene Kaufmann mit seinem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten der
Einzelunternehmung einzustehen hat, sieht der Gesetzgeber keine Notwendigkeit, eine
strafrechtliche Sanktion an einen verspäteten Insolvenzantrag zu stellen. Somit besteht das
Risiko, dass das Sanierungsinstrument des Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig gewählt wird.
Die Gläubiger eines eingetragenen Kaufmanns haben nur die Möglichkeit im Fall der
Zahlungsunfähigkeit einen sogenannten Fremdantrag zu stellen, um das rechtsstaatliche
Regulierungsverfahren der Insolvenzordnung zu starten.
Der eingetragene Kaufmann selbst kann bereits im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit
einen entsprechenden Eigenantrag stellen. In der Regel erfolgt dies im Zusammenhang mit
einem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der Verfahren
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I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
Die Folge eine Insolvenzantrags über das Vermögen eines eingetragenen Kaufmanns
Der eingetragene Kaufmann haftet mit seinem gesamten Vermögen.
Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt sowohl das
Betriebsvermögen als auch das Privatvermögen unter den
Insolvenzbeschlag des Insolvenzverwalters. Lediglich das
pfändungsfreie Vermögen des eingetragenen Kaufmanns ist vom
Insolvenzbeschlag nicht umfasst.
Die unmittelbare und persönliche Haftung des eingetragenen
Kaufmanns mit seinem gesamten Vermögen ist keine Sonderform
des Handelsgewerbes. Auch die Gesellschafter einer OHG, die
Gesellschafter einer GbR und der persönlich haftende Gesellschafter
einer KG haften unmittelbar und persönlich mit ihrem gesamten
Vermögen.
Doch zeigt die Praxis auch, dass selbst die Gesellschafter einer
GmbH, einer GmbH & Co. KG und einer AG nicht selten mit ihrem
Privatvermögen in der Insolvenz der Gesellschaft haften. Die
Haftung resultiert zum einen aufgrund eigenkapitalersetzender
Vorschriften der Insolvenzordnung, zum anderen aufgrund
persönlicher Haftungserklärungen gegenüber den Banken in Folge
von Bürgschaftserklärungen oder Mitverpflichtungen.
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Inhaltsübersicht
I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder Fluch?
IV. Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
V. Der Sanierungsversuch
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II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Die Insolvenz des eingetragenen Kaufmanns Anton Schlecker
Im
ImJahr
Jahr1965
1965tritt
trittAnton
Anton
Schlecker
Schleckerinindie
die
Unternehmung
Unternehmungseines
seines
Vaters
Vatersein,
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dieneben
neben
der
derFleischwarenfabrik
Fleischwarenfabrik
bereits
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17MetzMetzgereifilialen
gereifilialenbetreibt.
Nach
NachEintritt
eintrittininden
denBetrieb
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des
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Vaterseröffnete
eröffneteAnton
AntonSchlecker
Schlecker
1967
1967die
dieersten
erstenSB-Warenhäuser
SB-Warenhäuser
ininEhingen,
Ehingen,Neu-Ulm,
Neu-Ulm,Geislingen,
Geislingen,
Göppingen
Göppingenund
undSchwäbisch
SchwäbischGmünd.
Gmünd
Zum 01.01.1974 wurde die Möglichkeit
zur
Preisbindung
wenigen
Zum
01.01.1974 mit
wurde
die Möglichkeit
Ausnahmen
beendet.
Damit deutete
sich
zur Preisbindung
mit wenigen
Ausnahmen
eine
Machtverschiebung
in
Richtung
beendet. Damit deutete sich eine
Handel
an. Anton Schlecker
war Handel
in dieser
Machtverschiebung
in Richtung
Zeit
einer der
ersten Händler,
der die
an. Anton
Schlecker
war in dieser
Zeit
Chancen
Preisbindungsaufgabe
einer der der
ersten
Händler, der die Chancen
erkannt.
Er eröffnete 1975 den
ersten
der Preisbindungsaufgabe
erkannt.
Er
Drogeriemarkt
in
Kirchheim/Teck.
Bereits
eröffnete 1975 den ersten Dorgeriemarkt
zwei
Jahre später
100Jahre
in Kirchheim
Teck.betreibt
Bereitserzwei
Drogerien.
später betreibt er 100 Drogerien.
Im
ImJahr
Jahr2007
2007wird
wirddurch
durch
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der
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Insolventen
Drogeriemarktkette
Drogeriemarktkette
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weiter
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erhöht
1984
1984betreibt
betreibtAnton
AntonSchlecker
Schlecker1.000
1.000SchleckerDrogeriemärkte
– die Expansion
Ausland ins
Schlecker_Drogeriemärkte
– dieins
Expan-sion
erfolgt
ab erfolgt
1987. ab 1987
Ausland
Ab
Ab2011
2011werden
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Führungsebene
unterhalb
unterhalbder
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FamilieUmstrukturierungen
Umstrukturierungen
vorgenommen.
vorgenommen.Ein
Einneues
neuesLadenkonzept
Ladenkonzept
wird
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ausgearbeitet.Die
DieAnzahl
Anzahlder
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Filialen
Filialensoll
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Das
Programm
Programm„For
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ImDezember
Dezember2011
2011strebt
strebtdas
das
Unternehmen
einen
Unternehmen einen
Sanierungstarifvertrag
Sanierungstarifvertragmit
mitver.di
ver.dian.
an
20.01.2013: Die Familie Schlecker teilt über eine
Pressemitteilung
mit, dass
Schlecker e.K.
in den
23.01.2013: Stellung
desAnton
Insolvenzantrags
über
das
kommenden
Tagen
einen
Antrag
auf
Eröffnung
eines
gesamte Vermögen von Anton Schlecker
Insolvenzverfahrens stellen wird.
2008
2008Eröffnung
Eröfnungdes
desersten
ersten
SCHLECKR
SCHLECKRXLXLMarktes
in Bad in
Bad
Grönenbach.
Grönenbach
Nachdem
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Rossmanden
denOnlinemarkt
Onlinemarkterobert,
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folgt
folgtAnton
AntonSchlecker
SchleckerimimJahr
Jahr2000
2000durch
durch
Eröffnung
Eröffnungdes
desOnlinevertriebes
Online-vertrieb „SCHLECKER
„SCHLECKER
HOME
HOMESHOPPING“
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23.01.2013:
23.01.2013:Stellung
Stellungdes
des
Insolvenzantrags
Insolvenzantragsüber
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das
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gesamteVermögen
Vermögenvon
von
Anton
AntonSchlecker.
Schlecker
2010
2010weitere
weitereUmstrukUmstrukturierungsmaßnahmen
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dasProProgramm
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„Fitfor
forFuture“
Future“
eingeleitet.
eingeleitet
Quelle: u. a. Schlecker
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II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
EBITDA in Mio. €
23.01.2012
Herr Anton Schlecker stellt beim Amtsgericht –
Insolvenzgericht – Ulm einen Antrag auf
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein
Einzelunternehmen „Anton Schlecker e.K.“ Die
Schlecker-Gruppe besteht zu diesem Zeitpunkt
aus elf operativen Gesellschaften. Es werden in
ganz Europa etwa 42.000 Mitarbeiter in rund
10.000 Filialen beschäftigt. Die Gesamtleistung
beläuft sich im Geschäftsjahr 2011 auf rund
€ 4,5 Mrd.
In Deutschland betreibt die Einzelunternehmung
des Anton Schlecker e.K. 5.305 Verkaufsstellen
mit über 24.300 Mitarbeitern.
Im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag des
Herrn Anton Schlecker werden am selben Tag
noch Insolvenzanträge über die Vermögen der
Tochtergesellschaften SCHLECKER XL GmbH
und SCHLECKER HOME SHOPPING GmbH
gestellt.
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0
2008
2009
2010
2011
-50
-100
-150
-200
-250
Filialnetz im Vergleich 2005 bis 2011
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
Seite 11
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Noch am 23.01.2012 wurde durch das Insolvenzgericht das Insolvenzeröffnungsverfahren
angeordnet. Das Insolvenzgericht Ulm bestellte Herrn Wirtschaftsprüfer Arndt Geiwitz zum
vorläufigen Insolvenzverwalter der Anton Schlecker e.K., Herrn Wirtschaftsprüfer Werner
Schneider zum vorläufigen Insolvenzverwalter der SCHLECKER XL GmbH und Herrn
Wirtschaftsprüfer Patrick Wahren zum vorläufigen Insolvenzverwalter der SCHLECKER HOME
SHOPPING GmbH.
Aus der Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner wurden, neben den drei Insolvenzverwaltern, 22
weitere erfahrene Berufsträger vom ersten Tag an eingesetzt, um die notwendigen Maßnahmen
einzuleiten und um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Entsprechend des durch die
Insolvenzverwaltung aufgestellten Organigramms erfolgte die koordinierte Abwicklung der
offenen Themen.
Hier zählte unter anderem die Sicherstellung der Kommunikation zu:
über 30.000 Mitarbeiter in 6.000 Verkaufsstellen.
über 7.000 Vermietern, die per E-Mai, Fax, Post und Telefon Anfragen bzgl. der
zukünftigen
Mietzahlungen,
Mietnebenkostenabrechnungen
und
möglichen
Schließungen anfragten,
über 2.200 Energieversorgern, im gesamten Bundesgebiet, die vom vorläufigen
Insolvenzverwalter Zahlungszusagen einforderten und die sofortige Kappung der
Energieversorgung androhten,
mehrere tausend Gemeinden, die zum einen die Unterstützung anboten, zum anderen
Erklärungen zur Erstellung von Abrechnungen über Fremdenverkehrsbeiträge,
Gewerbesteuererklärungen und ähnliches forderten.
Das Hautproblem in der Anfangsphase war der Umstand, dass die Warenversorgung nicht
mehr sichergestellt war. Die Warenbestände in den Filialen waren bereits vor Stellung des
Insolvenzantrages heruntergefahren worden. Die im Bundesgebiet vorhandenen
Zentrallager waren nahezu leer. Die Lieferanten stellten ihre Lieferungen ein.
Am 30.01.2012 wir die starke
vorläufige
Insolvenzverwaltung
angeordnet. Dadurch wird den
Vermietern,
den
Energieversorgern und den Lieferanten
signalisiert, dass die Unternehmensfortführung
positiv
gesehen wird.
Aufnahme der Verhandlungen über die
Gründung einer Transfergesellschaft.
Beginn des Sanierungsprozesses
unter
Hinzuziehung
der
Unternehmensberatung
McKinsey und Aufnahme
der Verhandlungen mit den
Arbeitnehmervertretern
wegen des nötigen Personalabbaus.
Gemeinsam mit dem Bankhaus
Rothschild wird ein strukturierter
Investorenprozess aufgesetzt.
Anfang Februar 2012:
95 % Der Lieferanten beliefen SCHLECKER wieder.
An die von den Insolvenzen betroffenen circa 34.463
Mitarbeiter der Schlecker-Gruppe konnten durch die
Insolvenzgeldvorfinanzierung über die Sparkasse Ulm die
Löhne und Gehälter für Januar 2012 ohne Verzögerungen
ausgezahlt werden.
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II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
22.03.2012:
März 2012:
Die Politik verhandelt kontrovers über die
Unterstützung
zur
Finanzierung
einer
Transfergesellschaft. Die Insolvenzverwaltung
benötigt eine Bürgschaft der öffentlichen Hand
über € 70 Mio.
Der vorläufige Insolvenzverwalter unterzeichnet
persönlich die Kündigungen der betroffenen
Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit der ersten
Filialschließung gekündigt werden müssen.
ab 24.03.2012
Baden-Württemberg
versucht
mit
Bundesländern eine Auffanglösung
anderen
Mitte April 2012
Der Geschäftsbetrieb stabilisiert sich. Die Lieferanten
werden in das Sanierungskonzept eingebunden.
Problematisch sind die über 4.400 erhobenen
Kündigungsschutzklagen.
20.-21.03.2012:
11.03. 2012:
31.08.2012:
Versuch Lösung Länder, scheitern mangels
Einstimmigkeit
Das
Bundesministerium lehnt
eine Beteiligung
ab.
01.06.2012:
Der letzte Interessent zur Übernahme der Schlecker-Gruppe
zieht
sein
Angebot
zurück.
Das
Risiko
der
Kündigungsschutzklagen
ist
nicht
kalkulierbar.
Der
Gläubigerausschuss beschließt die Betriebsstilllegung. Der
Räumungsverkauf findet ab dem 03.06.2012 statt.
Aufgrund
der
erwarteten
Differenzlohansprüche in Höhe
von über € 200 Mio. ist zum
Schutz der Insolvenzmasse die
drohende Masseunzulänglichkeit
anzuzeigen.
01.04.2012:
17.03.2012:
Es zeichnet sich ab, dass eine
Absicherung der Finanzierung
der Transfergesellschaft durch
die öffentliche Hand wohl nicht
erfolgen wird.
Es
werden
durch
den
vorläufigen Insolvenzverwalter
die
Betriebsratsanhörungen
der zu kündigenden Mitarbeiter
eingeleitet.
Ein
Interessensausgleich
mit
Namensliste
und
ein
Sozialplan
sind
bereits
verhandelt.
Entsprechend
des
Sanierungskonzeptes
werden nur noch etwa 3.000 Filialen betrieben.
28.03.2012:
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen
des Anton Schlecker e.K. wird um 8.00 Uhr
eröffnet.
Gegen 9.30 Uhr teilen die Länder mit, dass sie
keine Bürgschaft für die Finanzierung der
Transfergesellschaft stellen werden. Die
Transfergesellschaft ist gescheitert.
Nach über 37 Jahren schließt
am 30.06.2012 die letzte
Drogerie-Filiale des Anton
Schlecker e.K. Es werden alle
Mitarbeiter der Anton Schlecker
e.K und SCHLECKER XL GmbH
gekündigt.
Bei der SCHLECKER XL GmbH
geht der Räumungsverkauf bis
August 2012.
9.257 Schlecker-Mitarbeiter erhalten ihre
Kündigung. Der Großteil wird zum 01.04.2012
freigestellt.
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Seite 13
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Schlecker - Konzernstruktur
Die Konzernstruktur der Einzelunternehmung des
Herrn Anton Schlecker war unter anderem dadurch
geprägt, dass alle – nicht nur die wesentlichen –
Entscheidungen direkt am Sitz des Konzerns im
schwäbischen
Ehingen
getroffen
wurden.
Ungeachtet der Zentralisierung der Entscheidungen
in Ehingen verfügte die Schlecker-Gruppe über kein
umfassendes Kommunikationssystem zu den
einzelnen Filialen. Lediglich über Faxgeräte konnte
eine flächendeckende Kommunikation erfolgen.
In Ehingen wurde auch im Wesentlichen der
Einkauf für die gesamte Schlecker-Gruppe betreut.
Die Anton Schlecker e.K. fungierte in diesem
Zusammenhang als Zentraleinkauf für die
einzelnen Tochtergesellschaften. Dadurch konnten
zwar große Mengen von der Industrie abgenommen
werden, allerdings konnten Bedarfsbestellungen
kaum berücksichtigt werden.
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Seite 14
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Vermeidung von Folgeinsolvenzen innerhalb des Konzerns
99%
Bereits unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrages hat sich abgezeichnet,
dass einzelne Tochtergesellschaften im Ausland isoliert von dem deutschen
Filialnetz verkauft werden müssen.
Aufgrund der internationalen Verflechtung der Schlecker-Gruppe mussten die
länderspezifischen Besonderheiten dahingehend analysiert werden, welche
Auswirkung die Insolvenz des Gesellschafters in seiner Form als natürliche
Person auf die jeweils betroffene Gesellschaft hat.
Bei der Analyse der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten zeigt sich, dass bei
der französischen SCHLECKER SNC (vergleichbar mit der OHG im deutschen
Recht), im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Anton Schlecker, dieser Kraft Gesetz aus der Gesellschaft ausscheidet.
Mitgesellschafterin mit 1% war die A.S. Drogeriemarkt GmbH. Ebenfalls eine
Tochtergesellschaft des Anton Schlecker e.k.
Die SCHLECKER SNC hatte in
Frankreich einen Filialbetrieb.
Die Gesellschaftsanteile konnten im Wege des Share-Deals
verkauft werden.
Um die Verkaufsgespräche mit den Investoren nicht zu verzögern wurde
Ausscheiden des Gesellschafters Anton Schlecker e.K. vorgenommen.
Gesellschaftsanteile sind bei der A.S. Drogeriemarkt GmbH angewachsen.
Insolvenzmasse
des
Anton
Schlecker
e.K.
konnte
Auseinandersetzungsanspruch gezogen werden.
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ein
Die
Zur
der
Seite 15
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Das Sanierungskonzept
SCHLECKER 2.0
Zur Fortführung der Anton Schlecker e.K. war ein
umfangreiches
Maßnahmenprogramm
zur
operativen Restrukturierung erforderlich.
Ziel
des
Sanierungskonzeptes
war
die
Wiedererlangung einer nachhaltigen strategischen
Wettbewerbsposition.
Dabei stand das Drogeriegeschäft Deutschland
von Anton Schlecker e.K. und Schlecker XL GmbH
im Fokus. Nach der Anlayse des Unternehmens
kam man zu dem Ergebnis, dass von den Filialen
nur 46 % profitabel und lediglich 11 % mit
positivem Wachstum zwischen 2006 – 2010
waren.
Durchführung eines umfangreichen Maßnahmekatalogs
Kurzfristig: Reduzierung auf ein nachhaltig fortführungsfähiges Portfolio von ca. 3.000
Filialen, wodurch eine Einsparung von rund € 160 Mio. jährlich erwartet wurde.
Auswahl der Schließungsfilialen auf Basis des Deckungsbeitrages und des
Wachstumspotentials. Schließung von Filialen mit negativem Deckungsbeitrag und/oder
negativem Umsatzwachstum bei Hochrechung bis 2014 auf Grundlage der historischen
Daten. Schließung der Filialen nach Abverkaufsmaßnahmen zum 26.03.2012. Dadurch
erforderliche Personalmaßnahmen wurden durch den Insolvenzverwalter umgesetzt.
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Seite 16
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Ursachen der Insolvenz der Schlecker-Gruppe
Die Mehrzahl der circa 5.400 Filialen von Anton Schlecker e.K und der SCHLECKER XL GmbH war durch
Überalterung, Renovierungsstau und teilweise auch durch die Lage der Filialen für Kunden unattraktiv.
Die Sortimente und Aktionen waren nicht an die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet, sondern an möglichst
günstige Einkaufskonditionen.
Regal- und Aktionspreise waren nicht wettbewerbsfähig und gegenüber der Konkurrenz deutlich höher.
Prozesse und Strukturen in Vertrieb, Logistik und Verwaltung waren teilweise ineffizient
und wurden nicht ausreichend an das schrumpfende Geschäft angepasst.
Durch mangelhafte Kommunikation und Fehlentscheidungen entstand ein negatives Image von Schlecker in
der Öffentlichkeit.
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Seite 17
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
Jetziger Sachstand im Insolvenzverfahren Anton Schlecker e.K.
Der Handelsbetrieb ist seit dem 30.06.2012 eingestellt.
Zum 01.07.2012 wurden alle Mitarbeiter gekündigt.
Die mittelbaren Tochtergesellschaften LDG Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft mbH und die BDG Bau- und
Dienstleistungsgesellschaft mbH haben zwischenzeitlich ebenfalls einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
gestellt. Die Verfahren wurden eröffnet. Nachdem die Schlecker-Gruppe die einzige Auftraggeberin der Gesellschaften
war, wurden die dort beschäftigten Mitarbeiter gekündigt. Der jeweilige Geschäftsbetrieb wurde zwischenzeitlich
eingestellt.
In der Zentrale in Ehingen ist noch eine Restabwicklungsmannschaft von etwa 80 Schlecker-Mitarbeitern beschäftigt.
Es handelt sich hier überwiegend um Mitarbeiter aus dem Bereich der Buchhaltung und des Rechnungswesens sowie
aus der Personalabteilung.
Es sind weiterhin jeden Tag zwei Mitarbeiter der Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner in Ehingen, um die Abwicklung
durchzuführen. Darüber hinaus sind noch drei weitere Berufsträger an mindestens zwei Tagen in der Woche in Ehingen,
um die Restabwicklung zu begleiten.
Die Tochtergesellschaften VITALSANA B.V. (Versandapotheke), SCHLECKER SNC (Frankreich), Anton Schlecker
Gesellschaft m.b.H. (Österreich, Luxemburg, Belgien, Polen, Italien), die SCHLECKER a.s. (Tschechien) und die
SCHLECKER S.A. konnten erfolgreich verkauft werden.
Es werden aktuell mit den Lieferanten noch die Werbekostenzuschüsse der vergangenen Jahre abgerechnet.
Für die Logistikstandorte in Deutschland sowie für die Konzernzentrale in Ehingen werden Käufer gesucht.
Es haben in dem Insolvenzverfahren Anton Schlecker e.K. bisher 26.304 Gläubiger eine
Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Das angemeldete Forderungsvolumen beträgt € 1,2
Mrd.
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Inhaltsübersicht
I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder Fluch?
IV.
Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
V. Der Sanierungsversuch
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III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder
Fluch?
Sind im Insolvenzverfahren Sanierungsmaßnahmen im Bereich des Personals vorzunehmen, so
sind die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze weiterhin zu beachten.
Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung auch dann sozialwidrig und somit unwirksam, wenn zwar dringende
betriebliche Gründe für eine Kündigung vorliegen, der Arbeitgeber aber bei der Auswahl der zu entlassenden
Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Eine Sozialauswahl ist dann zu treffen, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.
Der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist gegeben, wenn der Betrieb in der Regel mehr
als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (Kleinbetriebsklausel § 23 KSchG).
Die soziale Auswahl muss sich auf den gesamten Betrieb erstrecken (also nicht nur auf die Abteilung, in der
der Arbeitsplatz weggefallen ist).
!
Problematisch ist insbesondere die Definition des Betriebs.
Der Betrieb im Sinne des KSchG ist die organisatorische Einheit technischer oder immaterieller Mittel, mit
deren Hilfe ein Unternehmen allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern einen bestimmten
arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Betriebsteile gelten dann als selbstständige Betriebe, wenn sie
räumlich so weit vom Hauptbetrieb entfernt liegen, dass die zu entlassenden Arbeitnehmer nur im örtlichen
Bereich des Betriebsteils eingesetzt werden können, nicht dagegen im Bereich des Hauptbetriebes oder durch
Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.
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III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder
Fluch?
Ihre Prüfung erfolgt im Rahmen folgender Schritte:
Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer
Auswahlentscheidung
Herausnahme einzelner Mitarbeiter
Nach den im Gesetz abschließend aufgezählten Gesichtspunkten ist dann unter den vergleichbaren
Arbeitnehmern derjenige zu ermitteln, den eine Kündigung am wenigsten hart treffen würde. Dieser „sozial
stärkste“ Arbeitnehmer ist dann zu kündigen. Seit dem 01.01.2004 sind ausschließlich folgende Kriterien zu
berücksichtigen:
Lebensalter
Dauer der Betriebszugehörigkeit
!
Schwerbehinderung
Unterhaltspflichten
Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, können sogenannte Auswahlrichtlinien vereinbart werden
§ 95 BertVG. In diesem Fall kann im Kündigungsschutzprozess die Sozialauswahl nur noch auf
„grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden.
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III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder
Fluch?
Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren - Segen oder Fluch?
In der Regel ist das Kündigungsschutzgesetz im Insolvenzverfahren kein Fluch der Sanierung, sofern alle
Beteiligten die wirtschaftlichen Interessen im Fokus haben.
Ziel der Insolvenzordnung ist es unter anderem marktwirtschaftlich sinnvolle Sanierungen zu ermöglichen. In der
Regel ist dabei erforderlich – möglichst kurzfristig – eine Betriebsänderung umzusetzen, die regelmäßig mit einer
Reduzierung der Belegschaft verbunden ist.
Um den Insolvenzverwalter nicht mit Kündigungsschutzprozessen und potenziellen Betriebserwerbern einer
Unsicherheit über die Zahl der nach § 613a BGB zu übernehmenden Arbeitnehmer auszusetzen, hat der
Gesetzgeber dies durch § 125 InsO den durch § 1 KSchG bewirkten Kündigungsschutz – über die von
§ 1 Abs. 5 KSchG gewährten Erleichterungen hinaus – einschränkt. Es wird dadurch versucht die Erfolgsaussichten
von Kündigungsschutzklagen zu relativieren und eine zügige Durchführung von Sanierungen zu erleichtern.
Die Arbeitnehmervertreter gehen in der Regel mit dem Instrumentarium des Kündigungsschutzgesetzes innerhalb
eines Insolvenzverfahrens verantwortungsvoll um.
Das Zusammenspiel zwischen Insolvenzverwaltung und Arbeitnehmervertretern eröffnet insbesondere über die
Namensliste einen Rechtsschutz.
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III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder
Fluch?
In dem Insolvenzverfahren Anton Schlecker? – eher Fluch
Bei der Schlecker-Insolvenz waren folgende Aspekte bezüglich der Personalanpassungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung:
Die über 23.400 Mitarbeiter waren im ganzen Bundesgebiet an über 5.400
Standorten verteilt. Teilweise waren Filialen nur wenige Kilometer voneinander
entfernt. Die sachgerechte Sozialauswahl wurde daher auf den jeweiligen
Betriebsratsbezirk abgestellt. Diese wurde in einzelnen
Kündigungsschutzprozessen moniert.
Der Gesamtbetriebsrat umfasst 55 Mitglieder mit insgesamt sieben
Ausschüssen sowie eine Gesamtschwerbehindertenvertretung.
Neben dem Gesamtbetriebsrat bestanden im Filialbereich insgesamt 187
Betriebsrats-Gremien mit insgesamt 1.017 Mitgliedern.
Die Verhandlungen über den Abschluss des Interessensausgleichs
und des Sozialplans erfolgte über den Gesamtbetriebsrat, da sonst
die Personalanpassungsmaßnahmen nicht effektiv hätten
durchgeführt werden können. Die Individualverhandlung mit jedem
der 187 Betriebsräte war nicht darstellbar. Diese wurde in
einzelnen Kündigungsschutzprozessen moniert.
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III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder
Fluch?
Kündigungsschutzklagen ohne Transfergesellschaft gefährden in hohem Maße eine
übertragende Sanierung, da die Klagerisiken vom Käufer beim Kaufpreis abgezogen
werden.
Formalien bei Massenentlassungen sind nicht praxistauglich.
Kündigungsschutzklagen trotz Betriebsstilllegung führen das Arbeitsrecht ad absurdum.
Die hohe Zahl der Kündigungsschutzklagen resultiert auch aus der Tatsache, dass ein
hoher Prozentsatz der Arbeitnehmer/innen eine entsprechende Rechtschutzversicherung
hatten.
Der Aufwand in Zusammenhang mit 6.412 Klagen ist für eine Verwalterorganisation eine
Herausforderung.
Auch die Verpflichtung der eigenhändigen Unterschrift des Insolvenzverwalters bei
Kündigungen führt in einem derartigen Fall zu extremen Belastungen (im Fall Schlecker
mussten mit den Mietverträgen ca. 40.000 eigenhändige Unterschriften vom
Insolvenzverwalter getätigt werden).
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Inhaltsübersicht
I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder Fluch?
IV.
Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
V. Der Sanierungsversuch
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IV. Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
Besonderheiten bei
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IV. Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
Die Insolvenzverfahren der Schlecker-Gruppe sind Sonderfälle. Es war die größte Insolvenz eines
eingetragenen Kaufmanns. Darüber hinaus war die öffentliche Berichterstattung über Schlecker vor der
Insolvenz nicht positiv.
Es gibt bisher keine entsprechenden Insolvenzverfahren, die eine solche Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
hervorgerufen haben.
Gründe für das Interesse der Öffentlichkeit:
Die Person „Anton Schlecker“ selbst und seine mediale Präsenz in der Vergangenheit und der Umstand, dass er
von Forbes noch vor der Insolvenz als Milliardär geführt wurde.
Es waren alleine bei Anton Schlecker e.K. 23.400 Mitarbeiter/innen im ganzen Bundesgebiet betroffen.
Die Marke „Schlecker“ war/ist in jedem Ort bekannt.
Interesse der Gewerkschaft (u.a. wegen hoher Mitgliederzahl).
Eine professionelle Pressearbeit ist zwingend notwendig – externe PR-Agentur mit
Vorkenntnissen des Insolvenzrechts und Kontakten zu den Fachpressen.
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IV. Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
Extreme Öffentlichkeitspräsenz führt zu einer starken Erhöhung des
Verwalteraufwandes durch permanente Kommunikationsbedürfnisse, Interviews
und Gegendarstellungen.
Die starke Öffentlichkeitswirkung führt zwangsweise zu einem sehr starken
politischen Interesse, was wiederum zu einer starken Erhöhung des
Verwalteraufwandes führt.
Durch die starke Öffentlichkeitspräsenz werden die Verfahrensbeteiligten, insbesondere
die Lieferanten und Arbeitnehmer, eher verunsichert als beruhigt.
Die starke Öffentlichkeitspräsenz in Kombination mit den Diskussionen von
Arbeitnehmerbeiträgen
hat
nachweislich
zum
Rückzug
einzelner
aussichtsreicher Investoren geführt, insbesondere Finanzinvestoren wollen
nicht öffentlichkeitswirksam restrukturieren und befürchten hierdurch ein
negatives Image.
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Inhaltsübersicht
I.
Die Besonderheiten des eingetragenen Kaufmanns
II.
Der Einzelhandelskonzern in der Insolvenz
III. Kündigungsschutz im Insolvenzverfahren – Segen oder Fluch?
IV.
Insolvenzverfahren und Öffentlichkeitsarbeit
V. Der Sanierungsversuch
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V. Der Sanierungsversuch
Erweiterte Deckungsbeitragsrechnung für das deutsche Drogeriegeschäft der Schlecker-Gruppe 2011
Veränderungen zum 16.02.;
Nachfolgend detailliert
Quelle: Konzern Ergebnis Rechnung, Personalstatistik, Plan-Zahlen Großverbraucher Großfläche
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V. Der Sanierungsversuch
Quelle: Vertrieb, Controlling, Teamanalyse (Schlecker)
Annahme im Modell (2014 vs. 2011)
30,5 TEUR je Umbau (variabel abh. von Fläche) und 14,9% Ergebnisverbesserung;
Umbauten nur für Filialen mit Amortisation < 24 Monate
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V. Der Sanierungsversuch
Quelle: Teamanalysen Schlecker, *) Filialstand 5.379 Filialen vom 29.02.2013
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V. Der Sanierungsversuch
Circa 2.700 bis 3.300 Filialen befinden sich in den
Gruppe 1 bis 5
Wachstum
2014
in Prozent p.a.
12%
(n=696)
Gruppe1:
1.550 – 2.100
Gruppe 2:
65 – 120
Gruppe 3:
970 – 1.050
Gruppe 4:
40 – 50
Gruppe 5:
90 – 130
Gruppe 6:
2.650 – 3.150
30%
Gruppe 2
Gruppe 1
(n=1.803)
Gruppe 6
Gruppe 3
Gruppe 4
38%
(n=2.293)
20%
Gruppe 5
(n=1.174)
Deckungsbeitrag 2
2014
in Euro/qm
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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