Für Sie gelesen

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Aus dem BGFA
Monika Zaghow
Expositionsbestimmung in
epidemiologischen Studien am
Beispiel Quarzstaub
Dahmann D, Taeger D, Kappler M, Büchte S, Morfeld P, Brü­-­
ning T, Pesch B: Assessment of exposure in epidemiological
studies: the example of silica dust. J Exp Sci Environ Epid 2007
Epub ahead of print. Doi:10.1038/sj.jes.7500636
Für die Ermittlung von gesundheitsbasierten Grenzwerten
am Arbeitsplatz ist es unerlässlich, eine zuverlässige DosisWirkungsbeziehung aufzustellen. Quarzstaub gehört zu den
krebserzeugenden Stoffen, denen Beschäftigte am Arbeitsplatz
ausgesetzt sein können. Die International Agency for Research
on Cancer (IARC) stufte Quarzstaub in Kategorie I der krebserzeugenden Stoffe ein.
Kristalliner Quarz ist ein Bestandteil der Erdkruste, man findet
ihn insbesondere in Sand und Felsen. Der Begriff Quarz umfasst
verschiedene Formen des Siliziumdioxids. Für ein in der Umwelt
allgegenwärtigen und industriell häufig eingesetzten Stoff wie
Quarzstaub kann eine gewisse Hintergrundbelastung am Arbeitsplatz nicht immer vermieden werden. Die US-amerikanische
Behörde für Schutz und Gesundheit bei der Arbeit (NIOSH)
ermittelte allein für die USA, dass mehr als 1,7 Millionen Beschäftigte potenziell gegenüber einatembaren kristallinem Quarz
exponiert sind. In Deutschland geht man von rund einer Million
Beschäftigten aus. Eine angemessene quantitative Bestimmung
der Exposition ist deshalb von großer Bedeutung, um mögliche
Krebsrisiken zu ermitteln und zu vermeiden.
In ihrem Review gehen Dahmann et al. auf die möglichen
Unsicherheiten in der Bestimmung der beruflichen Exposition
gegenüber kristallinem Quarz ein und unterbreiten Vorschläge
zur künftigen Ermittlung der Quarzexposition für epidemiologische Studien. Am Anfang jeder Studie steht die ausführliche
Beschreibung des Expositionsumfeldes. Die Bestimmung der
Expositionshöhe erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird die einatembare Staubfraktion gemessen, idealerweise in der Atemzone
des Arbeitnehmers. In einem zweiten Schritt bestimmt man den
Gehalt an kristallinem Quarz aus gewonnenen Proben. Internationale Normen dafür sind zurzeit in Vorbereitung.
Da individuelle Expositionsdaten in der Regel fehlen, ist der
Aufbau einer Job-Expositions-Matrix (JEM) zwingend notwendig.
Die JEM ordnet Expositionsdaten auf Gruppenebene einzelnen
Tätigkeiten zu und ist entscheidend für die Bestimmung des
Risikos. Hierzu müssen für die JEM ausreichend Informationen zur
Verfügung gestellt werden, um diese hinsichtlich ihrer Qualität
bewerten zu können. Messdaten für Quarzexposition stehen in
großer Menge zur Verfügung. Trotz existierender Unsicherheiten
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sind epidemiologische Studien wichtige Informationsquellen auch
für Entscheidungen des Verordnungsgebers. Umso wichtiger ist
die optimale Bestimmung der Exposition, die in diesem Review
exemplarisch beschrieben wird.
Atemwegsbeschwerden bei
Autolackierern nach Einsatz von
Isocyanaten
Pronk, A, Preller L, Raulf-Heimsoth M, Jonkers ICL, Lammers
JW, Wouters I, Doekes G, Wisnewski A, Heederick D: Respiratory symptoms, sensitization, and exposure-relationships
in spray painters exposed to isocyanates. Am J Resp Crit Care
Med 2007; 176: 1090-1097. Doi:10.1164/rccm.200702-215OC
Isocyanate gehören mit zu den häufigsten Ursachen für ein
beruflich verursachtes Asthma. Sie besitzen hoch reaktive NCOGruppen und obwohl sie nur ein niedriges Molekulargewicht haben, können sie bei entsprechender Exposition mit körpereigenen
Proteinen reagieren und damit Immunreaktionen hervorrufen.
Neben dem allergischen Asthma kann eine Exposition gegenüber
Isocyanaten auch zu einem irritativen Asthma, in sehr seltenen
Fällen auch zu einer exogenen allergischen Alveolitis und möglicherweise zu einem beschleunigten Abfall der Lungenfunktion
führen.
Diisocyanate werden bei der Herstellung von Polyurethanprodukten eingesetzt, beispielsweise Schäume, Lacke und Farben.
Da die Polyurethan produzierende Industrie auch weiterhin eine
Wachstumsbranche darstellt, nimmt die Zahl der Beschäftigten, die gegenüber Isocyanaten exponiert sind, stetig zu. Ziel
dieser internationalen Studie unter Beteiligung des BGFA war
es, eine Assoziation zwischen der Isocyanatexposition und respiratorischen Symptomen sowie Sensibilisierungen gegenüber
Isocyanaten in einem großen Kollektiv von isocyanat-exponierten
Beschäftigten zu untersuchen.
Insgesamt wurden 581 Beschäftigte aus 128 Lackierereien in den
Niederlanden untersucht. Davon waren 241 als Spritzlackierer
tätig, 290 arbeiteten in anderen Produktionszweigen und 50 im
Büro. Zur besseren Charakterisierung der Arbeitsplatzsituation
wurden die Probanden mit Hilfe eines speziell entwickelten
Fragebogens zu ihren Tätigkeiten befragt. Um die individuelle
Belastung durch Isocyanate zu ermitteln, wurden zum einen
personenbezogene Messungen der inhalativen Belastung durchgeführt, zum anderen wurde die Konzentration von spezifischem
IgE beziehungsweise IgG gegen Hexamethylendiisocyanat (HDI)
im Serum der Beschäftigten untersucht.
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FÜR SIE GELESEN
Die Ergebnisse zeigten, dass respiratorische Symptome häufiger
bei exponierten Arbeitern als in der Vergleichsgruppe der Büroangestellten auftraten. In der Gruppe der Arbeiter, die zwar auch
in der Produktion arbeiteten, aber nicht direkt mit Isocyanaten in
Kontakt kamen, traten die Symptome ebenfalls verstärkt auf. Es
konnte eine Assoziation zwischen Exposition und Beschwerden
der Beschäftigten aufgezeigt werden. Dies gilt insbesondere für
asthmaähnliche Symptome, chronisch obstruktive Bronchitis und
arbeitplatzbezogene Brustenge.
Die Prävalenz von spezifischen IgE-Sensibilisierungen war niedrig. Trotzdem war das spezifische HDI-HSA IgE mit der Exposition
gegenüber diesem Isocyanat und einem Brustengegefühl assoziiert. Für die spezifischen IgG-Werte war die Prävalenz deutlich
höher und korrelierte sehr gut mit der Höhe der Exposition. Die
Autoren schlussfolgern, dass Isocyanat-spezifisches IgG einen
guten Indikator für die Exposition gegenüber Isocyanaten darstellt. Außerdem besteht bei den gegenüber HDI exponierten
Personen sowohl im Hinblick auf arbeitsplatzbezogene als auch
für nicht-arbeitsplatzbezogene respiratorische Symptome eine
gute Korrelation mit der spezifischen IgE-Sensibilisierung.
Potenzieller Krebsmarker erweist sich
als außerordentlich stabil
Weber DG, Taeger D, Pesch B, Kraus T, Brüning T, Johnen G:
Soluble mesothelin-related peptides (SMRP) – High stability of
a potential tumor marker for mesothelioma. Canc Biom 2007;
3: 287-292
Form der Krebserkrankung in vielen Ländern trotz Asbestverbot
noch an. Eine frühe Diagnose erweist sich bei diesem Tumortyp
als sehr schwierig, da von der Exposition bis zum Ausbruch des
Tumors bis zu 40 Jahre vergehen können. Auch Krankheitssymptome treten in der Regel erst sehr spät auf.
Adäquate Tumormarker können jedoch die Frühdiagnose erleichtern und so die Überlebensrate der Erkrankten deutlich steigern.
Mesothelin ist ein membrangebundenes Glykoprotein, das normalerweise nur an der Zelloberfläche von mesothelialen Zellen
verankert vorkommt. Mesotheliome und einige andere Tumorarten produzieren vermehrt Mesothelin. Die gelösten Varianten
des Mesothelins, die sogenannten Soluble Mesothelin-Related
Peptides (SMRP) werden bei der Krebsentstehung vermehrt
gebildet, gelangen in das Blut und können dort nachgewiesen
werden.
In der Regel werden bei wissenschaftlichen Studien Serumproben bis zur Bestimmung der Tumormarker eingefroren. Solche
Studien müssen teilweise auch auf Proben zurückgreifen, die
über einen längeren Zeitraum eingefroren waren. Zudem sind
Vorgeschichte und Lagerbedingungen der Proben oft nicht oder
nur unzureichend bekannt. Inwieweit Handhabung und Lagerung
die Stabilität von SMRP verändert beziehungsweise einschränkt
wurde im Rahmen dieser Studie untersucht.
Hierzu wurden Serumproben von 98 Europäern (47 Männer und
51 Frauen) gesammelt und bei -80°C eingefroren. Die Probanden
waren nachweislich nicht beruflich erhöht gegenüber Asbest
exponiert und wurden als gesund eingestuft. Die Proben wurden portioniert und bei drei verschiedenen Lagerbedingungen
aufbewahrt:
• fünf Tage bei -80°C
• fünf Tage bei Raumtemperatur
• zehn Auftau- und Einfrierzyklen
Außerdem standen von zwei Probanden auch länger gelagerte
Proben zur Verfügung, so dass hier auch der Einfluss unterschiedlicher Lagerzeiten untersucht werden konnte.
Die Ergebnisse zeigten keine alters- oder geschlechtsspezifischen
Unterschiede der SMRP-Konzentration im Serum. SMRP erwies
sich als außerordentlich stabil: sowohl bei der kurzzeitigen Lagerung als auch bei der Langzeitlagerung. Wiederholtes Auftauen
und Einfrieren scheint ebenfalls keinen großen Einfluss auf die
Stabilität von SMRP zu haben. SMRP ist somit für die weitere
Evaluierung als potenzieller Tumormarker bei der Früherkennung
von Mesotheliomen geeignet.
Das maligne Mesotheliom ist ein hochaggressiver Tumor, der
durch die Exposition gegenüber Asbest hervorgerufen werden
kann. Aufgrund der langen Latenzzeit steigt die Anzahl dieser
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Internationale Literatur
Osteopontin und Mesothelin – zwei
potenzielle Tumormarker zu Diagnose
von Mesotheliomen
Grigoriu BD, Scherpereel A, Devos P, Chahine B, Letourneux
M, Lebailly P, Gregoire M, Porte H, Copin MC, P. Lassalle:
Utility of osteopontin and serum mesothelin in malignant
pleural mesothelioma diagnosis and prognosis assessment.
Clin Cancer Res 2007; 13: 2928-2935. Doi: 10.1158/1078-0432.
CCR-06-2144
beide Marker bereits kommerzielle ELISA Kits mit etablierten
Protokollen erhältlich sind, würde dies die Durchführung einer
prospektiven Validierungsstudie erleichtern. Bei derartigen
Validierungsstudien, werden Probanden eines Risikokollektivs
üblicherweise über einen Zeitraum von einigen Jahren regelmäßig zu Untersuchungen eingeladen, um Proben zu nehmen und
ihren Gesundheitszustand zu verfolgen. Durch die Verwendung
von Markern mit der Möglichkeit zur Frühdiagnose von Mesotheliomen könnten bedeutende Beiträge zur Prävention, Diagnose
und letztlich auch eine verbesserte Therapie zu erwarten sein.
Dr. Daniel G. Weber
Mesotheliome sind bösartige Tumoren der serösen Häute, wie
zum Beispiel der Pleura, die in der Regel erst diagnostiziert
werden, wenn sie bereits weit fortgeschritten sind und kaum noch
Heilungschancen bestehen. Eine frühzeitige Diagnose könnte die
Aussicht auf Therapierfolge deutlich verbessern. Entsprechende Tumormarker für eine Diagnose des Tumors in noch frühen
Entwicklungsstufen sollten bereits vor dem Auftreten erster
klinischer Symptome zu nachweisbaren Signalen führen. Zwei
solche potenzielle Proteinmarker sind Osteopontin und SMRP
(soluble mesothelin-related peptides), die lösliche Variante des
Mesothelins.
Grigoriu et al. untersuchen die Seren von Patienten mit Mesotheliomen und unterschiedlichen Kontrollgruppen mittels
kommerzieller ELISAs (Enzyme-linked Immunosorbent Assays).
Osteopontin erweist sich als ein Marker mit hoher Sensitivität
aber geringer Spezifität, der bei Patienten mit Mesotheliomen im
Vergleich zu asbestexponierten, gesunden Personen erhöht ist.
SMRP hingegen weist eine hohe Spezifität bei niedrigerer Sensitivität auf und ist bei epitheloiden Mesotheliomen im Vergleich
zu sarkomatoiden und biphasischen Mesotheliomen erhöht. Die
Vermutung, dass aufgrund der hohen Sensitivität von Osteopontin
und der hohen Spezifität von SMRP eine Kombination der beiden
Marker die Diagnose von Mesotheliomen verbessern könnte,
lässt sich durch die Untersuchungen aber nicht bestätigen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass ein signifikantes Verhältnis
zwischen der Überlebensrate von Patienten mit Mesotheliomen
und der Osteopontin- beziehungsweise SMRP-Konzentration im
Serum besteht, so dass beide Proteine einen möglichen Wert als
prognostische Marker besitzen.
Risikoevalutierung, Politik und
Wissenschaft
Charles D: Panel pans proposed change in U.S. risk assessment. Science 2007; 315: 316
Die Evaluierung von Risiken nach Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz und in der Umwelt gehört zu den
schwierigsten und am meisten kontrovers diskutierten Themen
in der Toxikologie. Wie man sie jedoch definitiv nicht angehen
sollte, wurde eindrucksvoll und unmissverständlich durch ein
Expertengremium gegenüber der US Regierung zum Ausdruck
gebracht.
Kommentar: Grigoriu et al. beschreiben in ihrem Artikel den
Nutzen der beiden Tumormarker Osteopontin und SMRP zur
Diagnose von Mesotheliomen. Aufgrund der erzielten Ergebnisse stehen die Autoren der Kombination von Osteopontin und
SMRP zwar kritisch gegenüber, dennoch könnten die beiden
Marker sinnvoll in der Frühdiagnose von Mesotheliomen sein.
Das Potenzial zur Frühdiagnose der beiden Marker im einzelnen oder in Kombination kann aber erst durch eine hinreichend
große prospektive Studie eindeutig untersucht werden. Da für
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FÜR SIE GELESEN/IMPRESSUM
Impressum
Herausgeber
BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin
Die Kritik gipfelte in der Aussage des Gremiums, die Regierung
solle „Details der Risikoevaluierung besser den dafür zuständigen
Experten überlassen“. Vor allem die Nichtberücksichtigung der
Tatsache, dass für eine Evaluierung des „mittleren oder realistisch zu erwartenden Risikos“ bis auf eine Handvoll Chemikalien
die wissenschaftlichen Daten fehlen, rief Widerspruch bei den
Experten hervor. Hier würde etwas von der Wissenschaft verlangt, welches diese derzeit überhaupt nicht erfüllen könne. Ein
derartiger Vorschlag würde zu einer „regulatorischen Paralyse“
führen.
der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Hinsichtlich der Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen bestand ebenfalls im Gremium Einigkeit. Sofern solide
Daten beim Menschen fehlen gilt weiterhin die grundsätzliche
Annahme, dass Tierversuchsergebnisse die menschliche Biologie
widerspiegeln und damit maßgebend für die Einstufung von
Chemikalien sind. Als Beispiel wurde die Substanz Acrylamid
genannt, die eindeutig kanzerogen im Tierversuch ist und
dementsprechend seitens der amerikanischen Umweltbehörde
EPA auch als krebserzeugend für den Menschen gilt, bei der
aber bei beruflich exponierten Personen in bisherigen Studien
keine krebserzeugende Wirkung beobachtet werden konnte. Die
Hoffnung der Experten richtet sich nun vor allem darauf, dass
in Zukunft der wissenschaftliche und technologische Fortschritt
die derzeit noch bestehenden Wissenslücken zur Wirkung von
Gefahrstoffen beim Menschen schließen kann.
Gestaltung
Dr. Heiko U. Käfferlein
Institut der Ruhr-Universtität Bochum
Verantwortlich
Prof. Dr. Thomas Brüning, Institutsdirektor
Redaktionsleitung
Vicki Marschall
Redaktion
Vicki Marschall, Dr. Thorsten Wiethege, Dr. Monika Zaghow
Vicki Marschall
Titelbild
Bernd Naurath
Bildnachweis
Bernd Naurath, PD Dr. Jürgen Bünger, Andreas Ren, DGUV,
Linda Dahrmann/PIXELIO, photocase.com: skyla80, ypsx,
Gatincoiel, steffne
Druck
Druckzentrum Hußmann, Bochum
Auflage:
2 000 Exemplare
ISSN
ISSN 1612-9857
Erscheinungsweise
3x jährlich
Kontakt
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Fax:
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E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.bgfa.de
BGFA-Info 01/08
Impressum
Die Diskussion hatte sich am Vorschlag des Weißen Hauses in
einem offiziellen Regierungsdokument entzündet, die Risikoevaluierung zukünftig nicht nur anhand von sogenannten WorstCase-Verfahren durchzuführen, sondern auch eine „mittlere und
realistisch zu erwartende Risikoschätzung“ abzugeben. Das Expertengremium — bestehend aus Universitätswissenschaftlern
und Industrietoxikologen — nannte in Ihrer finalen Evaluierung
den Vorschlag der US Regierung „fundamental fehlerhaft“.
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