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02/12
Das Magazin für Pflegeeltern
pflege
mamas&papas
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dasm Hera
zu
Fördern oder überfordern?
Auch Kinder brauchen Ruhephasen
Pflegefamilien-Porträt … 2 Thema: Zu volle Terminkalender … 4 Rechtskolumne … 5
Psychologie: „I bin a Wunder“ … 6 Alltagsgeschichte … 7
PORTRÄT
Ludwig Schedl
photos.com
„Es wird zu viel
Editorial
Liebe Pflegeeltern!
Kennen Sie das? Man zermartert sich das Hirn, aber keine
gute Idee in Sicht. Kaum gießt
man selbstvergessen die Zimmerpflanzen oder liegt in der
Badewanne, sprudeln die Einfälle. Ruhephasen und Leerstellen im Alltagstrubel sind
Gold wert, für Erwachsene wie
für Kinder. Dieses Heft ist ein
Plädoyer für schöpferische
Pausen im Leben von Kindern
und für eine Förderung, die
nicht über das Ziel hinausschießt. Gerade bei Kindern,
die sich schwerer tun, füllen
sich die Wochenpläne mit Therapien oder Nachhilfestunden.
Welche Termine aber wirklich
wichtig sind, erfahren Sie in
der vorliegenden Ausgabe von
„pflegemamas&papas“.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen entspannenden Sommer!
Christian Oxonitsch,
Kinder- und Jugendstadtrat
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pflegemamas&papas 02/2012
Schreiben lernen erst mit acht, Ponymist schaufeln statt Klavier
üben, fördern durch In-Ruhe-Lassen – warum nicht?
amilie Wild*) macht nicht mit.
Nachhilfestunden, Klavierunterricht, Freizeitpädagogik – für die
Wilds kein Thema. „Wir hüten uns davor, unsere Kinder zu sehr zu fördern“,
so die Überzeugung der Eltern.
F
„Wir sind eine bekennende Anti-FörderFamilie. Natürlich versuchen wir, unseren Kindern eine optimale Umgebung zu
bieten, um sich entfalten zu können.
Garten, Haustiere wie Hund, Katze und
Enten, ein Pflegepony, auf dem geritten
werden kann, Ausflüge oder Kino – all
das sind interessante Angebote. Aber
wir forcieren keine Förderungen, die
sich im Grunde gegen die Kinder selbst
richten. Im Gegenteil, manchmal versuchen wir, die Stimuli zu reduzieren“, erklären die Eltern. Fernseher, Computer
und Internet kommen zum Beispiel im
Alltag der Kinder nicht vor, dafür gibt es
manchmal eine Filmvorführung daheim
mit dem Videobeamer. Es sei an-
spruchsvoll genug, in einer großen Stadt
aufzuwachsen, in die Schule oder den
Kindergarten zu gehen und die Welt und
sich selbst kennenzulernen.
Eltern meinen
es manchmal
zu gut mit ihren
Kindern. Sie
wollen sie zu
Höchstleistungen anspornen.
Benno*) zum Beispiel, der zweieinhalbjährige Pflegesohn der Familie, ist aufgeweckt und quirlig. „Er hat selbst unseren braven, geduldigen Hund fast aus
der Fassung gebracht, weil er so aufgedreht ist. Ihn noch ins Hamsterrad
übertriebener Zusatz-Förderungen zu
stecken, wäre für das kleine Energiebündel sicher zu viel des Guten.“ Durch
einschneidende Beziehungsabbrüche
ist Benno ständig im Alarm-Modus: Er
beobachtet und überwacht alles, versucht, die Lage zu überblicken und unter Kontrolle zu halten. Für ihn ist das
Wichtigste, einmal zu entspannen und
sich gehen zu lassen. Sicher hilft ihm
dabei eine Ergotherapie, aber die größte Förderung ist ein Alltag mit Eltern, die
ausgeglichen sind und ihm Positives
gefördert“
vorleben, so die Überzeugung der Wilds. Ein
Sandhaufen im Garten, wo er sich selbst einmal
vergessen kann beim Burgenbauen; ein harmonisches Miteinander, wenn er Hecken und Beete
inspiziert, während die Eltern Kräuter pflanzen
oder das Gras schneiden. Oder der Kontakt mit
anderen Kindern. „Wir sollten Kindern mehr
Chancen geben, untereinander zu sein und voneinander zu lernen. Das ist viel fruchtbarer als der
ständige Umgang mit Erwachsenen“, so die
Wilds. „Eltern meinen es manchmal zu gut mit
ihren Kindern. Sie wollen sie zu Höchstleistungen
anspornen, fürchten um deren Zukunft, wenn sie
in der Schule nicht glänzen oder möchten ihren
Sprösslingen einfach etwas bieten.“ Dahinter stecken sicher auch Versagensängste der Eltern und
ihre Sorge, den Kindern keinen optimalen Start ins
Leben zu ermöglichen. Also wird gefördert und
kompensiert, werden die Schwächen ins Visier
genommen und die Stärken vergessen. „Das ist
Stress pur für alle, Eltern wie Kinder, und geht eigentlich an den Kindern vorbei. Ich habe oft das
Gefühl, dass viele Eltern ihre Kinder überfordern.
Man muss wirklich aufpassen, nicht die eigenen
Wünsche und Ängste auf das Kind zu projizieren
und sich durch das Kind selbst verwirklichen zu
wollen“, gibt Sabine Wild zu bedenken.
„Die Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft sind den meisten von uns leider schon in
Fleisch und Blut übergangen, und es ist nicht
leicht, sich davon zu distanzieren“, räumt Frau
Wild ein. „Aber wir sind es den Talenten unserer
Kinder schuldig, gründlich zu reflektieren, warum wir manche Leistungen haben wollen und
welche insbesondere in der Schule abgefragt
werden. Außerdem können wir Kinder nicht dazu
zwingen, sich nach Schema F zu entwickeln.“ Sie
weiß nur zu gut, wovon sie spricht. Der älteste
Sohn der Patchworkfamilie, ein körperbetonter
Legastheniker, hat sich erst in der zweiten Volksschulklasse ans Lesen gemacht und etwa im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben begonnen. Eine Horrorvorstellung für Eltern schulpflich-
tiger Kindern. Welche Chancen auf einen positiven Schulabschluss hat so ein Kind? Was soll aus
ihm beruflich werden? Aber Frau Wild nimmt diesen Befürchtungen den Wind aus den Segeln.
„Seine Entwicklung hat keinen Schaden genommen. Lesen und Schreiben sind wichtige Kompetenzen, doch bei Weitem nicht die einzigen, und
man kann auch anders lernen. Heute ist Patrick*)
ein sehr selbstbewusster, reifer junger Mann, der
seine Fähigkeiten bestens einzusetzen weiß.“
Sein Glück war, in eine alternative Schule zu gehen, die individuelle Entwicklungsverläufe berücksichtigt.
Auch die Tochter, die siebenjährige Marlies*),
geht in eine alternative Schule, in der Wissen primär über praktisches Tun vermittelt wird. Projekte, Ausflüge oder das Sägen und Schrauben in
der Werkstatt ersetzen weitgehend den klassischen Unterricht. „Ich finde, es wird zu viel gelernt, zu viel belehrt, zu wenig die Möglichkeit geboten, die Welt im wahrsten Sinne des Wortes
zu begreifen“, sagt Frau Wild. In dieser Schule sei
das anders. Das koste zwar viel Schuldgeld, andererseits müssten viele Eltern tief in die Tasche
greifen, um mit Nachhilfe jene Probleme zu lösen, die es in einem ganzheitlich orientierten
Schulkonzept nicht gebe.
Außerhalb der Schule hatte die offensichtlich musikalische Marlies ihre Liebe zum Klavier entdeckt – für eine Weile zumindest. „Aber schon
bald hat sich herausgestellt, dass sie der sehr
leistungsorientierte Unterricht von den Dingen
abhält, die sie im Moment glücklich machen und
als Mensch weiterbringen – in der Natur sein, mit
den Nachbarskindern durch die Gärten stromern,
sich mit Büchern einigeln oder Verantwortung
fürs Pflegepony übernehmen und dessen Mist
wegschaufeln.“ Marlies wird ihr Bedürfnis nach
Musik anders ausleben oder vielleicht den Klavierdeckel wieder hochklappen, wenn sie und die
Zeit dafür reif sind, sind sich ihre Eltern sicher.
*) Namen von der Redaktion geändert
Infos
A-Z
von
F
wie Förderung
Unglaublich, was an manchen Babys
und Kleinkindern, ja sogar an Ungeborenen schon „gefördert“ wird. ExpertInnen diskutieren, was Sinn macht
und was zu viel ist, und sind ganz unterschiedlicher Meinung. Eltern sind
daher auf ihr eigenes Gefühl angewiesen, um zu entscheiden, wie sie bei ihrem Kind mit dem Thema Förderung
umgehen.
Denn manche Kinder sind durch die
viele Förderung und die vielen Termine im wahrsten Sinne des Wortes
„über-fordert“!
Na, das ist wohl ein Problem, das Pflegekinder, wenn sie in ihre Pflegefamilie kommen, nicht haben! Da gab’s oft
in der ersten Zeit des Lebens eher ein
Zuwenig als ein Zuviel an Förderung!
Es ist daher auch eine der Aufgaben
von Pflegeeltern, jedem Kind die für
dieses passende Förderung anzubieten. Auch da aber heißt es, Überforderung zu vermeiden. Die Kinder können
ja nicht in wenigen Tagen von null auf
hundert beschleunigen! Oft ist in der
Eingewöhnungszeit das Alltagsleben
allein schon voller Möglichkeiten und
Anregungen, und es gibt so viel Neues
zu entdecken. Auch brauchen Kinder
ein Minimum an seelischer Sicherheit,
um überhaupt Neues aufnehmen und
dazulernen zu können.
Zuerst geht es also um Sicherheit, Vertrauen und ein wenig Ruhe.
Dann erst geht es um das Aufholen
von Versäumtem und eine liebevolle,
einfühlsame und maßgeschneiderte
Förderung.
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THEMA
wirklich wichtigen Termine
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Die
L
ogotherapie, Blockflöte, KinderEnglischkurs, Ballett, MatheNachhilfe … Nur nichts verpassen, gerade bei Kindern, die sich da und
dort ein bisschen schwerer tun. Das
Kind soll doch alle Möglichkeiten, alle
Chancen haben. Also fördern. Alles
rausholen, was möglich ist. „Kinder, deren Terminkalender so gefüllt ist wie der
von ManagerInnen, sind nicht in erster
Linie gut gefördert, sondern arm!“, findet Dr.in Ursula Kastner-Koller, Professorin am Institut für Angewandte Psychologie, Bereich Gesundheit, Entwicklung
und Förderung. Natürlich könne es auch
bei Kindern stressige Phasen geben, etwa gegen Schulschluss. Ist der Wochenplan aber dauerhaft zugepflastert,
muss dringend entrümpelt werden –
zugunsten der wirklich wichtigen Aktivitäten und Termine.
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pflegemamas&papas 02/2012
photos.com
Vollgestopfte Terminkalender bei Kindern sind keine Seltenheit. Dabei sind Leerstellen im Tagesablauf essenziell fürs Auftanken und für die Kreativität.
„Kinder, deren
Terminkalender
so gefüllt ist
wie der von
ManagerInnen,
sind nicht in
erster Linie gut
gefördert, sondern arm!“
„Wirklich wichtig sind zum Beispiel Förderungen und Therapien im Bereich der
Sprachentwicklung, denn es hat weitreichende Folgen, wenn sich ein Kind
nicht ausdrücken kann, weil Grammatik
und Wortschatz fehlen“, so Prof.in
Kastner-Koller. Ebenfalls von großer Be-
deutung sei die Förderung der Motorik.
„Wenn Meilensteine in der Bewegungsentwicklung wie Sitzen, Stehen und Gehen nicht zeitgerecht erreicht werden,
sollte man unbedingt aktiv werden und
ärztlichen und psychologischen Rat einholen.“ Doch weder Sprach- noch Bewegungsförderung muss zwingend in
einen Therapie-Marathon münden. „Am
wirkungsvollsten ist schließlich die Alltagsförderung – wenn wir das Kind
beim Einkaufen, beim Baden oder Kochen zum Dialog ermutigen oder ihm
nicht alles abnehmen, was ihm ein wenig Mühe in der Motorik bereitet.“
Wirklich wichtig sind aber auch gänzlich
unverplante Zeiten. „Kinder wie Erwachsene brauchen Phasen, in denen sie
ganz sie selbst sein können – in denen
sie einfach nur faulenzen oder tagträu-
RECHT
Alles was Recht ist
men dürfen“, erklärt die Expertin. Wie sich
Menschen erholen, ist höchst unterschiedlich. Die einen tanken gut mit Bewegung
auf, andere durch herumblödeln, wieder andere blättern gern in Comics oder Büchern
oder schauen sich eine Folge der Lieblingsserie an. Gleichzeitig sind die vermeintlich
müßigen Phasen oft hochproduktiv. Aus dem
Nichts entstehen plötzlich neue Ideen und
ein Gespür dafür, worauf man eigentlich Lust
hat. „So gesehen bringen einen Pausen und
Leerläufe im Alltag auch ein Stück näher zu
sich selbst“, betont Prof.in Kastner-Koller.
„Langeweile und Müßiggang müssten mehr
kultiviert werden.“ Wenn Kinder klagen, dass
ihnen fad ist, sollte man nicht gleich mit einem neuen Beschäftigungsangebot reagieren. Klug wäre, den Ball zurückzuspielen
und zu fragen: Was willst du denn gern machen? Oft entstehen genau in diesem
Brachland unerwartete Projekte. Förderung
sei dann übertrieben, wenn es für das Kind
keine Freiräume mehr gebe, warnt die Expertin. Das Kind achtet dann nur mehr darauf, was Erwachsene wollen und verlässt
sich völlig auf sie. Aus eigenem Antrieb geschieht schließlich nichts mehr. „Es gilt, Balance zu halten zwischen der Unterstützung
des Kindes einerseits und dessen Selbstständigkeit andererseits. Förderung sollte lediglich eine Krücke sein, mit deren Hilfe ein
Ziel selbstständig erreicht werden kann, kein
Rollstuhl, in dem man jemanden hinschiebt.
Damit ist niemandem gedient“, so die Kinderpsychologin.
„Natürlich verstehe ich die Ängste, die gerade bei engagierten Eltern aufkommen,
wenn sich ein Kind nicht wie im Bilderbuch
entwickelt. Egal, ob es sich um leibliche Eltern oder Pflegeeltern handelt, immer wieder begegnen mir diese Fragen: Übersehe
ich auch nichts? Mache ich genug? Verbaue ich meinem Kind vielleicht die Zukunft
durch zu wenig Förderung? Das Kind soll
nicht versagen. Ich als Elternteil darf das
nicht zulassen, sonst habe ich selbst versagt“, berichtet Prof.in Kastner-Koller und
plädiert für mehr Gelassenheit und Zuversicht. „Der erste und wichtigste Schritt ist
gemacht, wenn man sich von zwei Vorstellungen verabschieden kann. Erstens: Das
Kind ist ein Meisterwerk, das ich erschaffe
und das alle beglücken muss. Zweitens:
Das Kind muss mindestens BankdirektorIn
oder Filmstar werden, um zufrieden zu sein.
Haben Sie Vertrauen: Ihr Kind wird seinen
Weg bestimmt machen.“ Die Rolle der Eltern bestehe darin, Kinder zu begleiten und
ihnen zu helfen, ihre Begabungen auszunutzen und konstruktiv mit Problemen umzugehen. „Probleme und Krisen wird es immer geben, selbst bei Genies und in jedem
Lebensalter. Eltern sind ja im Idealfall auch
noch als FreundInnen und MentorInnen für
ihr Kind da, sollte es im jungen Erwachsenenalter einmal eine Hilfestellung brauchen“, beruhigt die Psychologin.
Aus ihrer Praxis weiß sie, dass sich Kinder
alles andere als geradlinig entwickeln können. Oft erfahren sie enorme Entwicklungsschübe und gehen aus schwierigen Phasen manchmal so gefestigt und reif hervor,
dass die Eltern selbst überrascht sind. Die
angesprochenen Entwicklungsschübe, etwa
mit Beginn der Pubertät, bringen oft einen
„Durchhänger“ bei bisher geliebten Aktivitäten mit sich. „Es ist ganz normal, dass man
nicht immer mit derselben Passion zum
Fußballtraining geht oder für die Musikstunde übt. Stützen Sie das Kind bei einem vorübergehenden Motivationsverlust, aber beobachten Sie genau: Legt sich das Desinteresse nach einer Weile wieder? Wenn
nicht, dann entsorgen Sie eben die Fußballschuhe. Ihr Kind hat anscheinend gerade
Wichtigeres zu entfalten!“
Schuleinstieg
Wann beginnt die allgemeine Schulpflicht?
Sie beginnt mit dem auf die Vollendung des
sechsten Lebensjahres folgenden 1. September. Die Einschulung erfolgt grundsätzlich in
die erste Klasse der Volksschule.
Wann ist ein Kind schulreif?
Schulreif ist ein Kind, wenn angenommen werden kann, dass es in der Lage ist, dem Unterricht in der ersten Schulstufe zu folgen, ohne
körperlich oder geistig überfordert zu werden.
Die Schulleitung hat zu entscheiden, ob ein Kind
die Schulreife aufweist. Vor der Entscheidung
hat sie erforderlichenfalls ein schulärztliches
Gutachten einzuholen. Es kann auch ein schulpsychologisches Gutachten eingeholt werden,
wenn dies die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes verlangen oder dies zur
Feststellung der Schulreife erforderlich erscheint und die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes zustimmen.
Wenn ein Kind noch nicht schulreif ist
Sollte bei der Einschreibung festgestellt werden, dass ein schulpflichtiges Kind noch nicht
schulreif ist, wird es in die Vorschulstufe aufgenommen. Bei Bedarf kann für nicht schulreife
Kinder eine Vorklasse getrennt geführt werden.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Kinder
der Vorschulstufe innerhalb der Grundstufe I
einer Volksschule gemeinsam mit Kindern der
ersten und zweiten Schulstufe zu unterrichten.
Wenn für einen Schulstandort zu viele Anmeldungen vorliegen
Kann dem Schulwunsch aus diesem Grund
nicht entsprochen werden, wird ein passender Schulplatz zugeteilt.
Dabei werden folgende Kriterien berücksichtigt:
u Geschwister, die im nächsten Schuljahr
noch die Schule besuchen
u Erreichbarkeit der Schule bzw. Wohnortnähe
u Ganztagsbetreuungsbedarf
Mag.a Petra Stögerer
Rechtsexpertin der MAG ELF
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PSYCHOLOGIE
„I bin
photos.com
a Wunder!“
Dr.in Belinda
Mikosz ist
Psychologin in
der MAG ELF
eine Angst, es geht hier nicht
um frühreife Wunderkinder, die
erstaunliche Fähigkeiten zeigen
und damit als lebende Rechenmaschinen, gefeierte Musiker oder unschlagbare Schachspieler auftreten. „Wunderkinder“ und „junge Genies“, wie sie uns
von den Medien vorgeführt werden, sind
leider häufig auch das Produkt ihrer
ehrgeizigen Eltern. Dabei ist es selbst
für hochbegabte Kinder nicht einfach,
ihre Leistungshöhe zu halten, ohne dabei ihre kreative Unbefangenheit und
lustvolle Muße zu verlieren.
K
stellen sich meist ganz von allein ein.
Erlebnis und Erfahrung, aber auch
Übung und Systematik vollziehen sich
niemals isoliert, sondern werden immer
im sozialen Kontext gefördert und verstärkt.
In der Praxis erlebe ich aber leider häufig entmutigte Eltern und noch mehr entmutigte Kinder, die, getrieben von VersaMenschen sind von Geburt an das größ- Durch Wertgensängsten und ständigen Selbstzweite kleine Wunder. Ausgestattet mit al- schätzung,
feln, nicht mehr an positive Veränderunlem, was gebraucht wird, um ein Leben Anerkennung,
gen glauben und resigniert haben. Ab
mit Neugier, Freude und Tatendrang zu Ermutigung und diesem Zeitpunkt wird das Leben eher
erfüllen, kommen sie zur Welt. Mit Un- hin und wieder anstrengend. Am Sonntag graut es ihterstützung liebevoller Erwachsener be- auch gemeinsa- nen schon vor dem Montag, und das
geben sich Kinder auf eine spannende me AnstrenWochenende ist mit so vielen AktivitäEntdeckungsreise. Dabei sind sie auf gung gelingt
ten verplant, dass kaum mehr Zeit für
kooperatives Handeln, Erforschen und das Lernen.
den Einzelnen bleibt. Daher gilt es, den
Erproben angewiesen, um die Welt und Erfolge stellen
Anfängen zu wehren und Kindern mit
sich selbst besser verstehen zu können. sich meist ganz Zuversicht zu begegnen, ihnen Mut zu
Eine solide Basis dafür bietet die Bezie- von allein ein.
machen und ihr Selbstbewusstsein zu
hungskultur der Familie. Durch Wertstärken, damit spätere Misserfolge sie
schätzung, Anerkennung, Ermutigung
nicht sofort aus der Bahn werfen. Nehund hin und wieder auch gemeinsame
men Sie sich Zeit, um die Neigungen,
Anstrengung gelingt das Lernen. Erfolge
Fähigkeiten, Stärken und Schwächen
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pflegemamas&papas 02/2012
Ihres Kindes zu entdecken. Sie werden
sehen, wie einmalig es ist. Kinder entwickeln schnell ein positives Selbstgefühl
und mehr Freude am Leben, wenn ihre
Entwicklung durch ein gesundes Maß
aus Aktion und Regeneration gefördert
wird. In erster Linie kommt es dabei auf
die innere Einstellung an.
„Ich sollte“ deutet immer auf ein von
außen übernommenes Verhalten, auf
Druck hin, während „Ich möchte“ eine
ganz andere Qualität aufweist – „Ich
möchte“ kommt aus dem Wunsch, aus
sich selbst heraus. Leistung wird aus
der Freude am Tun erbracht und damit
unabhängiger von Anerkennung oder
Lob. Das Erkennen vieler unterschiedlicher Möglichkeiten schafft die notwendigen Freiräume für kreatives Denken
und einen gesunden Ausgleich zu vorgeschriebenen Wegen. Kleine, aber
kontinuierliche Schritte führen ganz sicher zum Erfolg, auch wenn er nicht direkt, sondern auf Umwegen erreicht
wurde.
A L LTA G S G E S C H I C H T E
photos.com
Wie unsere Tochter Vanessa
selbstständig spielen lernte
U
nsere dreijährige Tochter Vanessa*) ist ein lebhaftes und aufgewecktes Kind. Sie ist sehr unternehmungslustig, liebt Aktivitäten im Freien und den Kontakt zu anderen Kindern.
Zu Hause in unserer Wohnung allein zu
spielen gefiel ihr bis vor Kurzem gar
nicht. Nach wenigen Minuten selbstständiger Beschäftigung suchte sie
stets nach Aufmerksamkeit.
Nun passierte es, dass Vanessa, die
gerade das erste Jahr den Kindergarten
besuchte, Grippe, Bronchitis und Windpocken gleich hintereinander absolvierte. So waren wir, Mama, Vanessa und
Baby Valentin, drei Wochen lang unter
„Quarantäne“ und konnten das Haus
nicht verlassen.
Zunächst vertrieben wir uns die Zeit mit
den üblichen Spielen, doch wurden Me-
Vanessa benötigt nicht mehr
ständig die
Aufmerksamkeit eines
Gegenübers
und hat schätzen gelernt,
sich Zeit für
sich selbst zu
nehmen.
mory, Domino, Puzzles, Lego & Co bald
langweilig. Auch musste ich doch zumindest einige Handgriffe im Haushalt
erledigen und stand Vanessa somit
nicht für ein lückenloses Unterhaltungsprogramm zur Verfügung. So blieb ihr
gar nichts anderes übrig, als sich immer
wieder einige Zeit allein zu beschäftigen. Was ihr anfangs Schwierigkeiten
bereitete, machte ihr bald sogar Spaß.
Sie widmete sich begeistert komplexen
Rollenspielen: Zum Beispiel packte sie
sämtliche Spielsachen in Rucksäcke
und Taschen und ging damit in die
„Schule“, die sich in unserem Wohnzimmer befand. Auf dem Heimweg von der
Schule „kaufte“ Vanessa in der Küche
ein, um bei sich „zu Hause“ zu kochen.
Mir gefielen Vanessas Spielideen, was
mir weniger gefiel, war lediglich das
gemeinsame Aufräumen abends, das
doch etwas mehr Zeit als gewöhnlich in
Anspruch nahm, denn die Regale in Vanessas Zimmer waren fast leer ‒ dafür
war ihr Inhalt aber in allen Räumen verstreut.
So haben wir unseren „Hausarrest“ gut
überstanden. Als wir schließlich die
Wohnung wieder verlassen durften,
führte unser erster Weg zum Kinderarzt
und in die Apotheke. Wieder zu Hause,
meinte Vanessa begeistert, als sie sich
im Vorzimmer die Schuhe auszog: „Das
war heute aber ein schöner Ausflug!“
– Wie bescheiden man doch wird!
Vanessa spielt seit dieser Zeit öfter und
nicht ungern für eine gewisse Zeit allein. Sie benötigt nicht mehr ständig die
Aufmerksamkeit eines Gegenübers und
hat schätzen gelernt, sich Zeit für sich
selbst zu nehmen und neue Spielideen
kreativ in die Tat umzusetzen.
*) Name von der Redaktion geändert
pflegemamas&papas 02/2012
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BÜCHER & FILME
News & Tipps
Filmtipps
Pflegeeltern-Brunch
im Rathaus
Der Junge mit dem Fahrrad
(Belgien, 2011; Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne; 87 Min.)
Ab August 2012 auf DVD erhältlich (Vertrieb: Alamode Film); Preis: 16,99 Euro
Der elfjährige Cyril wird von seinem Vater – vorerst für einen Monat, wie dieser sagt –
ins Heim abgeschoben. Doch der Vater meldet sich nicht mehr und bleibt verschwunden. Der Bub reagiert störrisch und aggressiv. Das Heimpersonal versteht ihn nicht und
findet keine Mittel, ihn zu besänftigen. Cyril macht sich auf die Suche nach seinem
Vater und nach seinem geliebten Fahrrad. Bei der erfolglosen Suche begegnet er der
Friseurin Samantha, die ihn im Kinderheim besucht, sein Rad entdeckt und es ihm mitbringt. Sie nimmt das Kind schließlich an den Wochenenden in ihre Obhut. Cyril erfährt
hier erstmals Zuwendung und seine Lebenswut wird allmählich zu Lebenslust. Der
bewegende, warmherzige Film erhielt 2011 in Cannes den Großen Preis der Jury.
Babys
(Frankreich, 2010; Regie: Thomas Balmès; 79 Min.)
Erhältlich auf DVD (Vertrieb: Arthaus)
Preis: 6,95 Euro
Der Dokumentarfilm begleitet vier Babys aus vier verschiedenen Erdregionen und Kulturen während ihrer ersten
Lebensmonate. Die Kamera ist dabei zumeist niedrig
gestellt, um zu zeigen, wie Ponijao aus Namibia, Bayar aus
der Mongolei, Mari aus Tokyo und Hattie aus San Francisco
ihre ersten Erfahrungen mit der Welt machen. Ohne kommentierenden Text wird versucht, die kulturell unterschiedlichen Lebensbedingungen zu vermitteln. Vor allem aber
werden die niedlichen Gemeinsamkeiten der brabbelnden
und krabbelnden ProtagonistInnen dargestellt.
Impressum:
Medieninhaber und Herausgeber: Stadt Wien, MAG ELF - Amt für Jugend
und Familie, 1030 Wien, Rüdengasse 11; Tel.: 01-4000-8011, Herta
Staffa, Martina Reichl-Roßbacher; www.kinder.wien.at
Auch heuer gibt es wieder den Pflegeeltern-Brunch! Er findet wie
immer im Arkadenhof des Wiener Rathauses statt, heuer am
Sonntag, dem 9. September. Bitte merken Sie sich den Termin
vor, Sie erhalten rechtzeitig eine persönliche Einladung. Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
Buchtipp
Elefant, Büffel, Nashorn, Löwe und
Leopard – das sind (oder waren) die
„Big Five“, die ein erfolgreicher Jäger
auf Safari erlegen sollte. Eine ganz
andere „Jagd“ unternimmt die
Hauptfigur Jack in John Streleckys
Roman „Safari des Lebens“. Seine
„Big Five“ sind die eigenen fünf großen Ziele, die er für ein glückliches
und erfolgreiches Leben erreichen
will. Auf seiner monatelangen Reise
durch Afrika wird Jack von der alten Frau Ma Ma Gombe begleitet, die
ihm mit ihrer Lebensweisheit hilft, sich über seine Ziele
klar zu werden. Der Roman verbindet Reisebeschreibungen mit leicht lesbarer literarischer Lebenshilfe.
John Strelecky: Safari des Lebens
Deutscher Taschenbuch Verlag, 2010) ISBN-10: 3-423-34586-1
ISBN-13: 978-3-423-34586-6; Preis: 8,90 Euro. Auch als Hörbuch erhältlich
Redaktion und Gestaltung: B&K - Bettschart&Kofler Medien- und Kommunikationsberatung GmbH,
1090 Wien, Liechtensteinstr. 46a. Dr. Birgit Kofler-Bettschart, Anna Königshofer, Elisabeth Köpl,
Mag. Gabriele Pflug; Lektorat: Susanne Hartmann; Grafik: Patricio Handl; Fotos: Daniela Attwood,
iStock, Herta Staffa. Herstellung: Druckerei Berger