PDF MA gekürzt - Fachzentrum für Pflegekinderwesen Sachsen

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PDF MA gekürzt - Fachzentrum für Pflegekinderwesen Sachsen
Zusammenfassung
Thema der Arbeit sind Konfliktverhaltensstrategien bei Pflegeeltern in der Paarbeziehung. Es
wurde explorativ untersucht, ob Zusammenhänge zwischen dem Konfliktverhalten der
Pflegeeltern und demografischen Variablen wie dem Alter der Pflegeeltern, der Anzahl der
Pflegekinder, dem Einkommen sowie der Schulbildung bestehen. Desweiteren interessierte,
ob sich das Konfliktverhalten von Pflegeeltern vom Konfliktverhalten leiblicher Eltern, die sich
bisher noch nicht an eine Erziehungsberatungsstelle gewandt haben und noch nicht wegen
Kindesmissbrauch straffällig wurden, unterscheidet. Dazu wurden mittels einer OnlineBefragung, Daten von 175 Pflegeelternteilen erhoben. Die Konfliktverhaltensstrategien
wurden mit dem Test „Konfliktverhalten in der Familie“ (KV-Fam; Klemm & Pietras, 2007)
erhoben. Im Vergleich zwischen Pflegeeltern und unauffälligen leiblichen Eltern zeigen
Pflegeeltern auf der Handlungsdimension „Kommunikativität“ signifikant höhere Werte als
unauffällige leibliche Eltern. In den anderen neun Handlungsdimensionen unterscheiden sich
beide Stichproben in ihrem Konfliktverhalten nicht. Desweiteren gibt es einige signifikante
Zusammenhänge zwischen einzelnen Handlungsdimensionen des KV-Fam (Klemm &
Pietras, 2007) und demografischen Variablen, mit denen einige positive und negative
Auswirkungen beschrieben werden können. Zukünftige Studien sollten sich jedoch eher dem
komplexen Geschehen der Konfliktbewältigung bei Pflegeeltern widmen, um wichtige
praktische Implikationen für das Pflegekinderwesen ableiten zu können.
1
Einleitung
Wenn Eltern mit der Versorgung und Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, können sie
durch verschiedene Hilfsmaßnahmen unterstützt werden. Dies können ambulante Hilfen
sein, bei denen die Kinder bei ihren leiblichen Eltern bleiben. Allerdings genügen die
ambulanten Maßnahmen nicht immer, um das Wohl der Kinder zu sichern und es besteht die
Möglichkeit beziehungsweise Notwendigkeit, die Kinder für einen bestimmten Zeitraum
außerhalb ihrer Familie unterzubringen. Eine Möglichkeit der Fremdplatzierung von Kindern,
die gegenwärtig nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, ist die Unterbringung in einer
Pflegefamilie. Dort sollen sie geschützt werden und im familialen Kontext ihre Entwicklung
gesichert
und
gefördert
werden
(Gassmann,
2010).
Damit
wird
wiederum
den
Herkunftseltern, die überfordert sind, die Möglichkeit gegeben, sich für eine gewisse Zeit zu
erholen und ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und auf der anderen Seite bietet es
anderen Menschen durch die Aufnahme eines Pflegekindes die Möglichkeit, ihr Leben zu
bereichern (Blandow, 2004).
In den 70er Jahren wurden Pflegefamilien aus pädagogischer und finanzieller Sicht zu einer
guten Alternative zur Heimerziehung. Es zeigte sich, dass die Kosten bei dieser
Unterbringungsform geringer waren und gleichzeitig konnte dem Pflegekind die Möglichkeit
gegeben
werden,
in
einer
natürlich
gewachsenen
Familie
aufzuwachsen
sowie
kontinuierliche Bindungen und Beziehungen zu Personen aufzubauen. Jedoch stellte sich
heraus, dass die Erwartungen und tatsächlichen Leistungen dieser Hilfeform weit
auseinander gingen (DJI, 1987). Die schwierige Dreieckskonstellation bestehend aus den
Pflegeeltern, dem Pflegekind und den Herkunftseltern mit oftmals unterschiedlichen
Interessen (Lakies, 1995) lässt viel Raum für Konflikte und damit verbunden Belastungen für
alle Beteiligten. Deshalb wurde vermehrt das Interesse der Forschung auf diesen Bereich
gelenkt. Allerdings kommt Blandow (1999) zu dem Schluss, dass die
Forschung zum
Pflegekinderwesen
Forschung
quantitativ
sowie
qualitativ
im
Vergleich
zur
im
Adoptionswesen und zur Heimerziehung noch immer mangelhaft ist. Die vorhandenen
Studien sind von geringer Qualität. Viele Studien stützen sich lediglich auf Daten der
Verwaltung, beruhen auf einfachen Auszählungen oder Kreuztabellen ohne Berechnungen
zur Signifikanz. Er bemängelt die fragliche Repräsentativität der Stichproben, die zumeist auf
eine bestimmte Region beschränkt sind (Blandow, 1999). Auch Gassmann (2010) stellte
fest, dass es im deutschsprachigen Raum noch immer an Untersuchungen zu Pflegefamilien
mangelt, die wissenschaftlichen Gütekriterien genügen. Es wurden zum Teil nur kleine,
lokale oder in Bezug auf das pflegefamiliale Setting spezifische Stichproben untersucht.
Darüber hinaus sind die Fragestellungen und Ansatzpunkte sehr unterschiedlich, so dass die
Studien nicht verglichen werden können (Gassmann, 2010).
Einleitung
Trotz
Reformen
in
den
letzten
Jahrzehnten
hält
Blandow
(2007)
das
System
Pflegekinderwesen noch immer für überfordert, was sich seiner Meinung nach ausdrückt in
hohen Abbruchquoten und dem mangelhaften Angebot an geeigneten Bewerbern. Deshalb
soll diese Arbeit, welche im Rahmen des Masterstudienganges Psychologie entstand, einen
Beitrag zur Forschung im Bereich Pflegekinderwesen leisten. Mit dieser Erhebung sollen
Konfliktverhaltensstrategien von Pflegeeltern untersucht werden. Dieses Thema wurde
bisher noch nicht gezielt erforscht und trägt der Tatsache Rechnung, dass Pflegeeltern in
ihrem Familienleben besonderen Belastungen ausgesetzt sind, dementsprechend der Alltag
konfliktanfälliger ist und deshalb eine effektive Problemlösung besonders wichtig für eine
positive
Entwicklung
aller
Familienmitglieder
ist.
Daher
sollen
zum
einen
Konfliktverhaltensstrategien von Pflegeeltern und unauffälligen leiblichen Eltern einer
Eichstichprobe, die sich bisher noch nicht an eine Erziehungsberatungsstelle gewandt haben
oder durch Kindesmissbrauch auffällig wurden, verglichen werden. Desweiteren interessiert,
ob
Zusammenhänge
zwischen
demografischen
Konfliktverhaltensstrategien der Pflegeeltern bestehen.
Variablen
und
den
2.1 Die Pflegefamilie
2
Theoretische Grundlagen
2.1
Die Pflegefamilie
2.1.1
Begrifflichkeiten und gesetzliche Grundlagen
Adoptiv- und Pflegefamilien gehören zu alternativen Formen der Elternschaft. Beiden
gemeinsam ist, dass ein nicht-leibliches Kind in die Familie aufgenommen wird. Die
Pflegefamilie kann zur Adoptivfamilie durch die zeitliche Begrenzung und die rechtliche
Situation abgegrenzt werden. Adoptivkinder sind während ihres ganzen Lebens ein
Familienmitglied
ihrer
Adoptivfamilie
und
haben
meist
keinen
Kontakt
zu
ihrer
Herkunftsfamilie. Hingegen ist ein Kind in der Pflegefamilie meist nur zeitlich befristet
untergebracht und ein Kontakt zu den leiblichen Eltern des Pflegekindes wird angestrebt.
Desweiteren verbleibt das Sorgerecht in der Regel bei den Herkunftseltern. Denn die
Maßnahme der Pflegschaft hat die Rückführung zu den leiblichen Eltern zum Ziel (Wild &
Berglez, 2002).
Pflegeverhältnisse sind komplexe Beziehungsgefüge, die aus dem Pflegekind, der
Pflegefamilie und der Herkunftsfamilie bestehen. Dieses System wird ebenfalls beeinflusst
durch die beteiligten Fachkräfte des Jugendhilfesystems (DJI, 1987). Die „Unterbringung,
Betreuung, Versorgung und Erziehung von Kindern in einer Familie, die nicht ihre
Geburtsfamilie ist“ (zit. nach Blandow, 2004, S. 72) liegt in der Verantwortlichkeit des
Pflegekinderdienstes und ist eine Leistung der Jugendhilfe. Das betrifft Kinder, die nicht
adoptiert
werden
können
und
sonst
institutionell
untergebracht
werden
müssten
beispielsweise in einem Kinderheim (Blandow, 2004).
Die Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie wird im Kinder- und Jugendhilfegesetz
(KJHG), welches im achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) verankert ist, geregelt
(Blandow, 2004). Diese Unterbringungsform gehört zur Familien- oder Vollzeitpflege, die im
§ 33 des KJHG verankert ist. Diese Maßnahme kann von den leiblichen Eltern freiwillig in
Anspruch genommen werden (§ 27 KJHG). Sie kann je nach Dauer, Ziel und Grund der
Maßnahme in verschiedene Formen unterschieden werden: Kurzzeitpflege, Tagespflege,
Wochenpflege, Übergangspflege, Bereitschaftspflege und Dauerpflege (Blandow, 1999). Die
Wochen-
oder
Krisensituationen
Kurzzeitpflege ist
oder
beim
nur
Ausfall
für
eines
einen
begrenzten
Elternteils
Zeitraum
beispielsweise
in
durch
akuten
einen
Krankenhausaufenthalt angebracht. Auch die Bereitschaftspflege sollte nur von kurzer Dauer
unter sechs Monaten sein und ist speziell für Säuglinge und Kleinkinder in besonderen
Krisensituationen. Die Dauerpflege ist für einen längeren Zeitraum von über sechs Monaten
angezeigt.
Zusätzlich
gibt
es
noch
heilpädagogische
und
sonderpädagogische
2.1 Die Pflegefamilie
Pflegeverhältnisse,
bei
denen
mindestens
ein
Pflegeelternteil
eine
therapeutische
Qualifikation vorweisen muss. Diese besonderen Pflegestellen eignen sich für ältere
Pflegekinder, die bereits mehrfach in einer Pflegefamilie untergebracht waren sowie für
verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche. Die Grenzen zwischen den einzelnen
Pflegeformen können fließend sein. Beispielsweise kann eine ursprüngliche Kurzzeitpflege in
eine Langzeitpflege übergehen. Eine Sonderform innerhalb der Vollzeitpflege stellt die
Verwandtenpflege dar. Da sie meist informell erfolgt, werden diese Fälle meist nicht in der
Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst (Faltermeier, 2001).
Im § 44 KJHG ist gesetzlich geregelt, dass Personen, die ein Kind in Obhut nehmen, eine
Pflegeerlaubnis durch das örtlich zuständige Jugendamt benötigen. Das zuständige
Jugendamt
hat
im
Einzelfall
zu
prüfen,
ob
die
entsprechenden
Personen
die
Voraussetzungen für die Erteilung und Weiterführung einer Pflegeerlaubnis erfüllen. Im § 39
KJHG wird festgelegt, dass in der Vollzeitpflege der notwendige Unterhalt des Kindes
beziehungsweise Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sichergestellt werden muss.
Dazu
zählen
auch
Kosten
der
Erziehung.
Pflegeeltern
erhalten
in
der
Regel
dementsprechend einen monatlichen Pauschalbetrag, der in Abhängigkeit vom Alter
festgelegt wird (Lakies, 1995). Pflegeeltern haben nach § 37 Abs. 2 KJHG einen
Rechtsanspruch auf Beratung und Unterstützung durch das zuständige Jugendamt.
Das Sorgerecht verbleibt in der Regel bei den leiblichen Eltern und sie können daher nach §
1632 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Herausgabe ihres Kindes verlangen.
Allerdings kann nach § 1632 Abs. 4 BGB eine Verbleibensanordnung erlassen werden. Dies
gilt für Pflegekinder, die bereits über Jahre in einer Pflegefamilie wohnen und in dieser Zeit
eine Beziehung aufgebaut haben und bei denen die Herausnahme aus der Pflegefamilie
eine erneute Gefährdung bedeuten würde. Eine mögliche dauerhafte Unterbringung des
Kindes ist durch § 34 und § 37 KJHG abgesichert, sofern eine Rückführung nicht möglich ist.
Nach § 1626 Abs. 3 BGB haben das Pflegekind und seine leiblichen Eltern ein Recht auf
Umgang miteinander, sofern dies dem Kindeswohl entspricht.
2.1.2
Die Pflegekinder
Demografische Daten
Von der Jugendhilfe-Statistik wurden 2005 ungefähr 50 000 Pflegekinder erfasst. Das sind
0,3 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland (DJI, 2008). Blandow und Walter
(2004) schätzten das Verhältnis von erfassten zu nicht erfassten Pflegekindern auf 1 zu 1,7,
was eine Anzahl von 135 000 und einem Anteil von 0,9 Prozent aller Kinder und
Jugendlichen entsprechen würde.
2.1 Die Pflegefamilie
In der Untersuchung von Erzberger (2003) waren die Pflegekinder mit 54,2 Prozent weiblich
und mit 45,8 Prozent männlich. Jüngere Kinder wurden eher in einer Pflegefamilie und ältere
Kinder eher in einer stationären Einrichtung untergebracht (DJI, 2008). Dies belegen auch
Daten der Untersuchung von Erzberger (2003). Bei Kindern unter drei Jahren wurde zu 40
Prozent eher eine Vollzeitpflege begonnen im Vergleich zu Kindern über 12 Jahren (22%),
die eher stationär untergebracht waren. Das Alter der Pflegekinder bei Beginn und Ende des
Pflegeverhältnisses ist in Abbildung 2.1 grafisch dargestellt.
Abbildung 2.1: Alter der Pflegekinder bei Inpflegegabe (erster Balken) und bei Beendigung
(zweiter Balken) der Hilfe (n = 207) aus Erzberger (2003)
Zum vorherigen Aufenthaltsort der Kinder und Jugendlichen stellte Erzberger (2003) fest,
dass diese vorher zumeist bei einem alleinerziehenden Elternteil lebten, wie aus Abbildung
2.2 ersichtlich wird. Für ungefähr jedes dritte Pflegekind war die aktuelle Pflegefamilie bereits
der zweite oder dritte Lebensort und für ungefähr ein Viertel der Kinder sogar schon der
vierte Lebensort (Erzberger, 2003). Es konnte auch in anderen Studien belegt werden, dass
Pflegekinder nicht selten bereits mehrfache Wechsel zwischen der Herkunftsfamilie,
institutionellen Unterbringungen und des sozialen Netzes erlebt hatten. In der Untersuchung
von Blandow und Walter (2004) wurden 33 Prozent der Kinder bereits einmal im Hilfesystem
und 11 Prozent von Verwandten oder Bekannten der Herkunftsfamilie betreut. Das Deutsche
Jugendinstitut (2008) fand heraus, dass bei einer aktuellen Inpflegegabe 42 Prozent der
Kinder bereits zwei oder mehr Trennungserlebnisse erfahren hatten und 31 Prozent der Fälle
bereits zwei oder mehr Fremdunterbringungen vorangegangen waren.
2.1 Die Pflegefamilie
Abbildung 2.2: Letzter Aufenthaltsort des Kindes bzw. des Jugendlichen (n = 238) aus
Erzberger (2003)
Die Situation der Pflegekinder
Die Unterbringung in einer Pflegefamilie ist für die betroffenen Kinder meist nicht leicht. Das
Kind ist belastet aufgrund der Tatsache der Fremdplatzierung, den Gründen, die es soweit
haben kommen lassen und Ängsten vor einer unsicheren Zukunft (Permien, 1987). Sie
erleben die Fremdplatzierung als persönliche Zurückweisung durch die leiblichen Eltern und
entwickeln Schuldgefühle (Wiemann, 2010a). Bei der Aufnahme in eine Pflegefamilie
müssen sie alte Gewohnheiten aufgeben und sich an das neue System anpassen. Für das
Pflegekind besteht ebenfalls die Schwierigkeit, die Beziehung zu den Herkunfts- und
Pflegeeltern miteinander in Einklang zu bringen (Blandow, 1984a). Eine gestörte Beziehung
zwischen Pflegeeltern und Herkunftseltern kann zu Loyalitätskonflikten beim Pflegekind
führen. Das Pflegekind möchte es den leiblichen Eltern und den Pflegeeltern recht machen.
Dabei kann es passieren, dass es immer wieder zu Koalitionen mit einer Elternpartei gegen
die
andere
gezwungen
wird
(DJI,
1987).
Belastungen
durch
die
Gründe
der
Fremdplatzierung, wie zu Beginn des Abschnittes erwähnt wurde, betreffen Gefährdungen,
denen Pflegekinder in ihrer Herkunftsfamilie ausgesetzt waren. Das Deutsche Jugendinstitut
(2008) fand bei 64 Prozent der Pflegekinder Gefährdungen in der Herkunftsfamilie, welche
im Abschnitt 2.1.4 kurz dargestellt werden. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ihre
psychische Gesundheit beeinträchtigt sein kann, worauf im nächsten Abschnitt näher
eingegangen wird.
2.1 Die Pflegefamilie
Psychische Gesundheit der Pflegekinder
Pflegekinder sind durch eine hohe Vulnerabilität gekennzeichnet, so dass ihre psychische
Gesundheit erheblich beeinträchtigt sein kann. So zeigten sich in einer Studie bei 32 Prozent
der Pflegekinder internalisierende, bei 46 Prozent externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
und
bei
43
Prozent
eine
Gesamtproblembelastung.
Eine
Posttraumatische
Belastungsstörung konnte bei 12,5 Prozent der Pflegekinder festgestellt werden (Arnold,
Rosner, Groh & DJI, 2008, zit. nach DJI, 2008, S. 9). Linderkamp, Schramm und Michau
(2009) ließen Pflegeeltern emotionale Probleme, Verhaltensprobleme, Hyperaktivität,
Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen und prosoziales Verhalten der Pflegekinder
einschätzen. Dabei ergab sich bei 40 Prozent der Kinder ein klinisch auffälliger
Gesamtproblemwert und zusätzlich bei fast 20 Prozent eine grenzwertige Ausprägung an
klinisch auffälligen Problemen. In Untersuchungen des Deutschen Jugendinstitutes (2006)
waren die Hälfte der Pflegekinder in mindestens einem der Bereiche „psychische
Gesundheit“,
„körperliche
Gesundheit“
oder
„schulische
Entwicklung“
bedeutsam
beeinträchtigt. Ein Drittel der betroffenen Kinder wies klinische Verhaltensauffälligkeiten auf.
Das Deutsche Jugendinstitut (2006) schloss aus den Ergebnissen, dass Pflegekinder im
Vergleich zur Grundgesamtheit der Kinder in Deutschland mindestens doppelt so häufig
unter behandlungsbedürftigen Verhaltensstörungen leiden. Die Untersuchungen zeigen
auch, dass das Spektrum möglicher Beeinträchtigungen bei Pflegekindern sehr groß ist.
Blandow (2004) weist aber auch darauf hin, dass nicht jedes Pflegekind entwicklungs- oder
verhaltensgestört ist, insbesondere dann nicht, wenn sie bereits kurz nach der Geburt in
Pflege gegeben wurden.
2.1.3
Die Pflegeeltern
Demografische Daten
Pflegeeltern betreuen durchschnittlich 1,3 Pflegekinder. Das Alter der Pflegeeltern liegt
etwas über dem Alter der Eltern in der Normalbevölkerung (Blandow, 2004). In 50 Prozent
der Fälle sind die Pflegeeltern zwischen 40 und 50 Jahre alt, wobei die Pflegemütter meist
etwas jünger als die Pflegeväter sind (Erzberger, 2003). Sie leben zu 90 Prozent in einer
ehelichen oder nicht ehelichen Partnerschaft. Lediglich neun Prozent der Pflegekinder
werden durch Alleinerziehende betreut (Blandow, 2004). Mittlerweile können nicht nur
„traditionelle“ Familien ein Pflegekind aufnehmen, sondern auch andere Familienformen,
sofern es sich um stabile Lebensgemeinschaften handelt (Lakies, 1995). Dies können auch
homosexuelle Paare sein, sind aber wegen großer Vorbehalte der Pflegekinderdienste noch
sehr selten (Blandow, 2004). In 40 Prozent der Fälle leben bei der Aufnahme eines
Pflegekindes keine eigenen Kinder im Haushalt der Pflegeeltern aufgrund von Kinderlosigkeit
2.1 Die Pflegefamilie
oder weil die eigenen Kinder bereits aus dem Haus sind. In den meisten Fällen leben die
Pflegekinder gemeinsam mit anderen Pflegekindern, Adoptivkindern, leiblichen Kindern der
Pflegeeltern oder mit eigenen Geschwistern zusammen. Höchstens in 30 Prozent der Fälle
leben sie als Einzelkinder in der Pflegefamilie (Blandow, 2004).
In der Studie von Blandow und Walter (2004) hatten die Hälfte der Pflegemütter einen
Ausbildungsberuf, 13,9 Prozent eine akademische Qualifizierung und 27,1 Prozent hatten
einen sozialen Beruf gelernt. Lediglich 5,6 Prozent der Pflegemütter waren ohne eine
berufliche Ausbildung. Ein Viertel der Pflegeväter hatte eine akademische Qualifizierung und
62 Prozent einen Ausbildungsberuf, hingegen nur 8,4 Prozent einen sozialen Beruf erlernt. In
70 Prozent der Fälle besaßen die Pflegeeltern ein Eigenheim und 90 Prozent der
Pflegekinder stand ein eigener Garten zum Spielen zur Verfügung. Die Daten weisen darauf
hin, dass Pflegeeltern in der Regel in guten sozioökonomischen Verhältnissen leben.
Die Situation der Pflegeeltern
Pflegeeltern sind eine Privatfamilie und erfüllen gleichzeitig einen öffentlichen Auftrag des
Jugendamtes. Sie sollen zum einen die Elternrolle für das Pflegekind übernehmen und zum
anderen das Kind in dem Umstand unterstützen und begleiten, dass es nicht bei seinen
leiblichen Eltern aufwachsen kann (Wiemann, 2010a). Pflegeeltern haben, wie alle Eltern, für
ein oder mehrere Kinder zu sorgen, jedoch sind sie größeren Belastungen ausgesetzt, die
über die normalen Aufgaben von Eltern hinausgehen. Belastungen können aus den
Umständen und Rahmenbedingungen einer Pflegschaft selbst als auch aus den
Bedingungen, unter denen die Pflegekinder in ihrer Herkunftsfamilie aufgewachsen sind,
resultieren (Jespersen, 2010). Auch das Deutsche Jugendinstitut (1987) beschreibt die
schwierige Situation von Pflegeeltern, die gekennzeichnet ist durch widersprüchliche
Anforderungen. Sie sollen unter öffentlicher Kontrolle privat erziehen, sich für ein
verhaltensauffälliges Kind besonders engagieren, ohne zu wissen, wie lange es bei ihnen
bleibt und zu guter Letzt bestmöglich mit den Herkunftseltern zusammenarbeiten.
Jespersen (2010) führte eine Untersuchung zu Belastungen der Pflegeeltern durch. Dazu
wertete er Daten eines Online-Forums für Pflegeeltern aus. Folgende Sachverhalte wurden
den Ergebnissen zufolge von Pflegeeltern als belastend empfunden:
-
Das
Pflegekind
verhält
sich
merkwürdig:
Pflegeeltern
können
sich
Verhaltensauffälligkeiten nicht erklären.
-
Andere reagieren negativ auf die Annahme eines Kindes: Beispielsweise wird das
Pflegekind durch die Großeltern abgelehnt und/ oder es wird den Eltern unterstellt,
das Pflegekind aus rein materiellen Gründen aufgenommen zu haben.
-
Andere mischen sich ein: Beispielsweise können die Fachkräfte der betreuenden
Pflegedienste einen erheblichen Einfluss auf das Pflegeverhältnis haben. Dadurch
2.1 Die Pflegefamilie
wird den Pflegeeltern auch immer wieder bewusst, dass die Pflegebeziehung
jederzeit gekündigt werden kann.
-
Belastende
Besuchskontakte:
Viele
Pflegeeltern
empfinden
Besuchskontakte
problematisch. Sie seien in ihren Augen zu oft, zu ungeplant und/ oder in einigen
Fällen zu unüberschaubar. Allerdings richten sich ihre größten Sorgen um mögliche
Belastungen für das Pflegekind durch den Kontakt mit dessen leiblichen Eltern.
-
Fehlende Orientierungsmittel: Pflegeeltern kennen ihr Pflegekind in vielen Fällen nicht
von Geburt an, sondern lernen es erst später, wenn es bereits belastende und
traumatisierende Erfahrungen gemacht hat, kennen. Es fehlen ihnen biografische
Informationen aus der Vergangenheit des Pflegekindes.
-
Belastende Rahmenbedingungen: Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt oder den
Familiengerichten verläuft nicht immer reibungslos. Nicht selten haben Pflegeeltern
das Gefühl lediglich „Angestellte“ des Jugendamtes zu sein (Jespersen, 2010).
Wie bei Jespersen (2010) wird auch in der Literatur zu Pflegefamilien immer wieder deutlich,
dass Besuchskontakte eine Belastung für die Pflegeeltern darstellen können und somit
Konflikte verursachen können (z.B. Wiemann, 2010a). So gibt es durch die Besuchskontakte
zur Herkunftsfamilie häufig keine klaren Familien- und Paargrenzen und somit keine
geschützte Privatsphäre (Kaiser, 1989, zit. nach Kaiser, 1995, S. 70). Sie werden häufiger
geplant als letztendlich durchgeführt. Das Deutsche Jugendinstitut (2006) fand heraus, dass
in 81 Prozent der Fälle Besuchskontakte geplant waren, allerdings nur 65 Prozent tatsächlich
Kontakt zur leiblichen Mutter und 46 Prozent zum leiblichen Vater hatten. In der Studie
Erzbergers (2003) bestanden in 77,4 Prozent der Fälle Kontakte zur Herkunftsfamilie.
Allerdings waren die Besuchskontakte nur in 11,5 Prozent wöchentlich. Unregelmäßige
Kontakte bestanden zu 60 Prozent. Interessanterweise gaben die meisten Pflegeeltern in der
Untersuchung an, dass Pflegekinder Kontakte zu den Herkunftseltern behalten sollten.
Ein Abbruch des Pflegeverhältnisses kann letztendlich Folge dieser Belastungen sein. Es
existieren keine verlässlichen Zahlen zu Abbruchquoten im deutschen Pflegekinderwesen,
wobei, wie bereits eingangs erwähnt, hohe Abbruchquoten von Pflegeverhältnissen vermutet
werden (Blandow, 2007). Blandow (1999) schätzt, dass es in 6 bis 40 Prozent der Fälle zu
einem Abbruch der Pflegschaft kommt, wobei die Gründe sehr unterschiedlich sein können
oder manchmal gar nicht ausgewiesen werden. Wiemann (2010b) schätzt, dass ein Drittel
der Pflegekinder vorzeitig die Pflegefamilie verlassen. Auch die Studien, die feststellen
konnten, dass viele Pflegekinder bereits mehrfach fremdplatziert wurden (DJI, 2008;
Blandow & Walter, 2004; Erzberger, 2003), sprechen für eine hohe Abbruchquote. In der
Untersuchung von Blandow (1984b) wurden als Gründe für einen Abbruch der Pflegschaft zu
84 Prozent Verhaltensauffälligkeiten der Pflegekinder genannt. Dazu zählten Bettnässen
2.1 Die Pflegefamilie
(26%), Angstsymptome (25%), Schulschwierigkeiten (50%), Kontaktschwierigkeiten (45%),
Sprachstörungen (20%), motorische Retardierung (16%), extreme Aggressionen (36%),
sexuelle Auffälligkeit (7%) sowie Anzeichen für geistige Behinderung (40%). Auf Seiten der
Pflegeeltern wurden mit Abstand am häufigsten Erziehungsprobleme (64%) angegeben. Mit
wachsendem Alter der Kinder bei der Inpflegegabe steigt die Wahrscheinlichkeit für einen
Abbruch, da die Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale ausgeprägter sind und seine
Bindung an das vorherige soziale Umfeld stärker sind (Blandow, 1980). Weitere Indikatoren
für einen Abbruch sind die Zahl und Dauer vorangegangener Fremdplatzierungen,
Bindungsschwäche aufgrund fehlender oder mangelnder dauerhafter und intensiver affektiv
befriedigender Beziehungen zu mindestens einer erwachsenen Bezugsperson in der
Vergangenheit beziehungsweise Enttäuschungen solcher in der Vergangenheit. Sind
positive Beziehungen zu früheren Bezugspersonen vorhanden, welche allerdings ungeklärt
sind, kann das Pflegekind ebenfalls Schwierigkeiten haben, positive Beziehungen zu seinen
derzeitigen Pflegeeltern aufzubauen, was ebenfalls die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs
erhöhen kann (Blandow, 1980).
Eignung von Pflegeeltern und gelingende Pflegeverhältnisse
In der Einleitung wurde bereits erwähnt, dass Blandow (2007) meint, dass es an geeigneten
Bewerbern für eine Pflegefamilie mangelt. Deshalb stellt sich die Frage, welche Personen als
Pflegeeltern in Frage kommen beziehungsweise welche Personen sich als Pflegeeltern
eignen. Bisher gibt es keine einheitlichen Kriterien für die Auswahl von geeigneten
Pflegeeltern. Der Bundesverband für Pflege- und Adoptiveltern e.V. (1993) gibt folgende
allgemeine Empfehlungen: Die Pflegeperson sollte zu Beginn des Pflegeverhältnisses das
25. Lebensjahr vollendet haben und wenn das Pflegekind volljährig wird, das 63. Lebensjahr
noch nicht überschritten haben. Die finanzielle Situation der Pflegefamilie sollte gesichert
sein.
Beispielsweise
sollte
es
keine
höhere
Verschuldung
geben.
In
der
Eingewöhnungsphase sollte ein Elternteil für die kontinuierliche Betreuung des Kindes zur
Verfügung
stehen.
Ein
polizeiliches
Führungszeugnis
sowie
ein
amtsärztliches
Gesundheitszeugnis sind vorzulegen. Der Wohnraum sollte für alle Personen angemessen
sein. Wie bereits im Abschnitt 2.1.1 erwähnt, ist im § 44 KJHG festgeschrieben, dass das
Jugendamt im Einzelfall prüfen muss, ob die Voraussetzungen für die Erteilung oder
Verlängerung einer Pflegeerlaubnis gegeben sind. Entscheidungen werden von den
Fachkräften zum einen aufgrund pädagogischer und psychologischer Erkenntnisse getroffen,
aber zum anderen auch aufgrund
von Erfahrungen der Fachkräfte im Umgang mit
Bewerbern und Bewerberinnen. Der Schwerpunkt bei Entscheidungen dürfte laut Erzberger
(2003) auf dem Letzteren liegen. So wurden Aussagen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
2.1 Die Pflegefamilie
zu Entscheidungen bezüglich der Auswahl geeigneter Pflegeeltern erfasst. Folgende
Kriterien wurden von ihnen genannt:
-
Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft: 63,2%,
-
Toleranz und Akzeptanz: 52,6%,
-
Belastbarkeit: 38,6%,
-
Reflektionsvermögen und -bereitschaft: 36,8%,
-
Einfühlungsvermögen, Empathie: 29,8%,
-
Gute räumliche und materielle Bedingungen: 28,1%,
-
Pädagogische Ausbildung/ Erfahrung/ Kompetenz: 28,1%,
-
Offenheit (persönlich): 21,1%,
-
Motivation (am Kind orientiert): 21,1% und
-
Flexibilität: 15,8% (Erzberger, 2003).
Aus den Befunden geht nicht hervor, inwiefern die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen diese
Kriterien beurteilen und somit ist nicht möglich, Empfehlungen zur Prüfung von Pflegeeltern
zu geben.
Blandow (1999) stellte folgende Kriterien auf, die dazu beitragen, dass ein Pflegeverhältnis
gelingen kann. Pflegepersonen müssen seiner Meinung nach …
-
…das Kind wertschätzen.
-
…empathisch sein, um die Eigenarten der Pflegekinder zu verstehen.
-
…bedeutsame Bezugspersonen des Pflegekindes respektieren.
-
…Krisen erkennen und in der Lage sein, inner- und außerfamiliale Ressourcen zu
aktivieren, um Probleme zu lösen.
-
…bereit sein, Rechte zu teilen und mit anderen zusammenzuarbeiten.
-
…sich eingestehen können, wenn das Pflegeverhältnis gescheitert ist und bereit sein,
nach Alternativen zu suchen (Blandow, 1999).
Nienstedt und Westermann (1990, zit. nach Malter, 2001, S. 9) betonen die Wichtigkeit eines
Bindungsaufbaus zwischen Pflegeeltern und den Pflegekindern, denn Kinder, die keine oder
nur schlechte Bindungen erfahren haben, brauchen neue Bindungen, die liebevoll und
verlässlich sind. Nach Recherchen diverser Studien stellte Schattner (1987) fest, dass die
Wahrscheinlichkeit für das Gelingen von Pflegeverhältnissen höher ist, wenn Pflegeeltern
gern mit Kindern zusammen leben und die Partnerschaft der Pflegeeltern dadurch geprägt
ist, dass sie sich konstruktiv mit ihren Problemen auseinandersetzen können. Die
Pflegefamilie sollte offen für neue Eindrücke sein und akzeptieren, dass das Pflegekind das
Kind anderer Eltern ist. Auch nach Kaiser (1989, zit. nach Kaiser, 1995, S. 71) scheinen die
Abgrenzung und Pflege der Paarbeziehung für das Gelingen des Pflegeverhältnisses
besonders wichtig zu sein. Eine harmonische Paarbeziehung als positives Vorbild wirkt sich
wiederum förderlich auf die Kinder aus.
2.1 Die Pflegefamilie
2.1.4 Die Herkunftseltern
Demografische Daten
Die leiblichen Familien der Pflegekinder leben oftmals in schwierigen sozio-biografischen
und sozio-ökonomischen Lebensverhältnissen (Faltermeier, 2001). Viele Elternteile sind
arbeitslos oder haben finanzielle Schwierigkeiten durch geringe Löhne und hohe Schulden
(Kuppinger, 1990, zit. nach Textor, 1995, S. 46). Die schwierige ökonomische Lage konnte
auch durch Untersuchungen des DJI (2006) bestätigt werden. Auch die Wohnverhältnisse
sind in den meisten Fällen schlecht (Faltermeier, 2001).
Der Anteil alleinerziehender Elternteile ist höher als der Anteil zusammenlebender Eltern
beziehungsweise Stiefeltern, was sich mit den Angaben zu Pflegekindern aus Abschnitt 2.1.2
deckt. Nur ungefähr 29 Prozent der Kinder leben vor der Inpflegegabe mit beiden Elternteilen
zusammen, drei Viertel leben vorher mit einem alleinerziehenden Elternteil zusammen, in
einer Stieffamilie oder in Scheidungsverhältnissen und bei sechs Prozent der Kinder sind ein
oder beide Elternteile verstorben (Kuppinger, 1990, zit. nach Textor, 1995, S. 46). Auch
Blandow (2004) stellte fest, dass unter den abgebenden Eltern ein hoher Anteil an ledigen
Personen ist. Die abgebenden Mütter sind relativ häufig noch sehr jung. Auch die Zahl der
zum Haushalt gehörenden Kinder liegt oberhalb des Durchschnitts im Vergleich zur
Normalbevölkerung. In der Untersuchung von Blandow und Walter (2004) hatten ein Viertel
der Pflegekinder noch drei bis sechs Geschwister.
Gründe der Inpflegegabe
In der Untersuchung von Linderkamp, Schramm und Michau (2009) konnte bei 95,1 Prozent
der leiblichen Mütter eine starke Belastung während der Schwangerschaft festgestellt
werden, die beispielsweise aufgrund einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, Gewalt und
Misshandlung durch den Partner zustande kam. Bei 60 Prozent der werdenden Mütter lag
Substanzmissbrauch (Alkohol, Nikotin, Drogen, Psychopharmaka) vor. Die abgebenden
Mütter und Väter haben meist selbst in ihrer eigenen Kindheit leidvolle Erfahrungen machen
müssen (Faltermeier, 2001), die später zu Alkoholmissbrauch oder Gewalttätigkeit geführt
haben könnten. Diese Folgen wiederum können Gründe für eine Pflegschaft sein, die im
nächsten Abschnitt aufgeführt werden.
Die Gründe für eine Fremdunterbringung können sehr vielfältig sein. Meist kommt es zur
Inpflegegabe aufgrund einer schwierigen problematischen familiären Situation, die Folge
sein kann von Mehrfachproblemen, psychischer Krankheit der Erziehenden, Alkohol- und
Drogenproblemen, konflikthaften Trennungssituationen oder durch eine Überforderung
junger Mütter. Eher selten kommt es zur Inpflegegabe aufgrund des Todes der Eltern oder
Inhaftierung der Hauptbezugsperson. Diese Faktoren führen wiederum dazu, dass Eltern mit
2.3 Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
der Erziehung überfordert sind, Kinder vernachlässigt und unzureichend versorgt werden bis
hin zu einer aktiven Ablehnung des Kindes durch die Bezugspersonen. Auch sexueller
Missbrauch des Kindes kann ein Grund für eine Inpflegegabe sein (Erzberger, 2003). Auch
Textor (1995) nennt Erziehungsunfähigkeit oder -schwierigkeiten, emotionale Ablehnung des
Kindes, sexuellen Missbrauch, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie Kriminalität der
Herkunftseltern
als
Erklärung
für
die
Herausnahme
eines
Kindes
aus
seiner
Ursprungsfamilie. Meist ist es aber nicht ein Grund allein, der dazu führt, dass ein Kind aus
seiner Familie genommen wird, sondern es kommen mehrere Faktoren zusammen. Das
Problemverhalten der Kinder, welches meist Folge der schwierigen sozio-biografischen und
sozioökonomischen familiären Verhältnisse ist, ist selten Grund für eine Inpflegegabe, jedoch
kann es dazu beitragen, dass das Zusammenleben in der Herkunftsfamilie problematisch ist
und ein Eingreifen notwendig wird (Faltermeier, 2001).
2.2
Konfliktverhalten in der Paarbeziehung
2.2.2
Theoretische Modelle und Hypothesen
Der Schwerpunkt dieser Studie soll auf dem Konfliktverhalten in der Paarbeziehung liegen,
so dass im Folgenden ausgewählte Modelle und die „spill-over“-Hypothese vorgestellt
werden, durch die ein Bezug zum Thema hergestellt werden kann.
Das Vulnerabilitäts-Stress-Adaptationsmodell
Das Vulnerabilitäts-Stress-Adaptationsmodell (siehe Abb. 2.3) von Karney und Bradbury
(1995, zit. nach Schneewind & Wunderer, 2003, S. 242-245) wurde anhand einer MetaAnalyse
von 115
prospektiven Längsschnitt-Studien zum
Entwicklungsverlauf
von
Paarbeziehungen erstellt und eignet sich zur Vorhersage von Paarzufriedenheit und
Paarstabilität. Die Beziehung zwischen den Komponenten des Modells ist kausal. Aus dem
Modell wird eine Wechselwirkung zwischen überdauernden Eigenschaften der Partner,
belastendenden Ereignissen und Anpassungsprozessen ersichtlich. Diese Wechselwirkung
wiederum beeinflusst die Partnerschaftszufriedenheit und -stabilität. Belastende Ereignisse
können auf der Makroebene normative (z.B. Geburt eines Kindes) und nicht normative (z.B.
schwere Erkrankung des Partners) Lebensereignisse sein. Auch kleine Unannehmlichkeiten
des Alltags, die der Mikroebene zugeordnet werden, haben einen Einfluss auf eheliche
Anpassungsprozesse. Der Pfad D steht für Einflüsse von außen wie beispielsweise Stress
im Berufsleben. Wie diese belastenden Ereignisse erlebt und verarbeitet werden, steht auch
im Zusammenhang mit überdauernden Eigenschaften der Partner (Pfad C), wozu
2.3 Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
beispielsweise Persönlichkeitsmerkmale, Bindungsstil oder bindungsspezifische Kognitionen,
Motive und Einstellungen zählen. Die überdauernden Eigenschaften beeinflussen auch die
Anpassungsprozesse (Pfad B). Wichtig in Bezug auf diese Untersuchung ist der gefundene
Zusammenhang zwischen Bewältigungsprozessen und der Paarzufriedenheit, welche sich
gegenseitig beeinflussen (Pfad F und G). Die Art der Konfliktbewältigung beeinflusst
einerseits die wahrgenommene Beziehungsqualität und andererseits verhalten sich
zufriedene Partner anders miteinander, so dass sie Konflikte eher konstruktiv bewältigen.
Desweiteren können nach diesem Modell positive Konfliktbewältigungsprozesse belastende
Ereignisse verringern (Pfad E). Eine hohe Paarstabilität kann sich aus einer hohen
Paarzufriedenheit ergeben (Pfad H). Berücksichtigt werden muss, dass das Modell auf
Paarebene entwickelt wurde und somit Unterschiede zwischen den Partnern nicht explizit
einbezogen werden.
Abbildung 2.3: Das Vulnerabilitäts-Stress-Adaptationsmodell von Karney und Bradbury
(1995, aus Schneewind & Wunderer, 2003)
Das integrative Modell des Paarkonfliktes
Kersting und Grau (2003) entwickelten anhand empirischer Befunde aus der Trennungs- und
Konfliktforschung das integrative Modell des Paarkonfliktes (siehe S. 21, Abb. 2.4). In dem
Modell werden der Konflikt, seine Ursachen und Folgen sowie moderierende Einflüsse
abgebildet, wobei die Autoren keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Konflikte können
direkt zu einer Trennung führen (Pfad 1) oder indirekt über die Unzufriedenheit der Partner
(Pfad 2 und 3). Der Einfluss der Unzufriedenheit der Partner auf eine Trennung wird von
weiteren
Variablen
moderiert,
die
im
Modell
„Alternativen
zur
Beziehung,
Trennungsbarrieren“ genannt werden (Pfad 4). Der Zusammenhang zwischen Konflikten und
einer Trennung wird von Konfliktlösungsstrategien moderiert (Pfad 5). Lernprozesse können
diese Konfliktlösungsstrategien beeinflussen (Pfad 6). Unmittelbare Ursachen des Konfliktes
haben einen direkten Einfluss auf den Konflikt (Pfad 7) und einen direkten Einfluss auf die
Unzufriedenheit der Partner (Pfad 8). Die zugrundeliegenden Ursachen des Konfliktes
2.3 Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
beeinflussen wiederum die unmittelbaren Ursachen (Pfad 9). Demografische Variablen wie
zum Beispiel die soziale Schicht, Kinder, Heiratsalter können die Variablen „Alternativen zur
Beziehung/ Trennungsbarrieren“, „Konfliktlösestrategien“, „manifester Konflikt, Streitthema“
und „unmittelbare Ursachen“ beeinflussen.
Die „spill-over“-Hypothese
Weshalb die Untersuchung der Konfliktbewältigung in dieser Studie noch von Bedeutung ist,
kann mit der „spill-over“-Hypothese erklärt werden. Sie postuliert einen positiven
Zusammenhang zwischen der elterlichen Beziehungsqualität und der Eltern-Kind-Beziehung.
Demnach können sich Partnerkonflikte negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken.
Dies kann durch Umlenkung des Partnerkonfliktes auf die Eltern-Kind-Beziehung geschehen,
indem das Kind zum „Problem“ wird, um sich nicht mit den Problemen der elterlichen
Beziehung befassen zu müssen. Desweiteren lernen Kinder am Verhaltensmodell der Eltern,
was
sich
im
Falle
einer
konfliktbehafteten
elterlichen
Beziehung
mit
wenigen
Problemlösekompetenzen eher negativ auswirken wird und positiv, wenn die Eltern über
konstruktive Problemlösekompetenzen verfügen. Konflikte in der Partnerschaft wirken sich
darüber hinaus negativ auf die Erziehung aus, so dass es oftmals zu Differenzen im
Erziehungsverhalten kommen kann (Fuhrer, 2009, 2005). Partnerkonflikte wirken sich
demnach nicht nur negativ auf die Paarbeziehung aus, sondern im Falle negativer
Konfliktbewältigungsstrategien auch negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung, die wiederum
bedeutsam ist für die kindliche Entwicklung (Gersthoff, 2002, zit. nach Fuhrer, 2005, S. 136).
2.3
Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
Bereits Befunde aus der Forschung zum Übergang zur Elternschaft sprechen für die
Bedeutung effektiver Konfliktlösungsstrategien für die Paarbeziehung und eine positive
Entwicklung einer Familie. So nahm nach der Geburt des ersten Kindes die Ehezufriedenheit
umso mehr ab, je weniger die Eltern über effiziente Problemlösefähigkeiten verfügten
(Cowan, Cowan, Hemming, Garret, Coysh, Curtis-Boles & Boles, 1985). Auch aus den
Ausführungen
zur
Stressbewältigung
bei
Paaren
wurde
deutlich,
dass
sich
Bewältigungsprozesse und Paarzufriedenheit gegenseitig beeinflussen und positive
Konfliktbewältigungsprozesse sogar belastende Ereignisse verringern können (Karney &
Bradbury, 1995, zit. nach Schneewind & Wunderer, 2003, S. 242-245). Mit der „spill-Over“Hypothese kann erklärt werden, warum die elterliche Beziehung noch eine wichtige Rolle für
das familiäre Zusammenleben spielt. Die Hypothese besagt, dass sich Paarkonflikte negativ
auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken können, indem der Partnerkonflikt auf die ElternKind-Beziehung umgelenkt wird (Erel & Burmann, 1995, zit. nach Fuhrer, 2009, S.244).
2.3 Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
„spill-Over“-Effekte können auch positive Auswirkungen haben, wenn Eltern ihre Konflikte
konstruktiv austragen und die Kinder daraus lernen und auch emotionale Sicherheit in ihren
Beziehungen erfahren (Cummings & Wilson, 1999, zit. nach Fuhrer, 2009. S.244).
Mit dem ersten Teil theoretischer Grundlagen konnte deutlich gemacht werden, dass
Pflegekinder
besondere
Bedürfnisse
haben
und
Pflegeeltern
vor
besonderen
Herausforderungen stehen. Pflegeeltern zu sein, kann eine erhebliche Belastung darstellen,
der Alltag ist konfliktanfälliger, effektive Konfliktverhaltensstrategien umso wichtiger. Die
Forschungsbefunde aus Untersuchungen zu gelingenden Pflegeverhältnisse sprechen für
die Wichtigkeit der Paarbeziehung. Kaiser et al. (1989, zit. nach Kaiser, 1995, S.71) fanden
heraus, dass die Abgrenzung und Pflege der Paarbeziehung für ein Gelingen des
Pflegeverhältnisses besonders wichtig sind. Schattner (1987) stellte fest, dass die
Wahrscheinlichkeit für ein Gelingen des Pflegeverhältnisses höher ist, wenn unter anderem
ihre Partnerschaft dadurch geprägt ist, dass sie sich konstruktiv mit ihren Problemen
auseinander setzen können. Weitere notwendige Studien in diesem Bereich stehen noch
aus. Einen kleinen Beitrag soll diese Arbeit leisten.
Aus systemischer Sicht kann das Konfliktverhalten auf verschiedenen Systemebenen
betrachtet
werden.
Da
die
vorgestellten
Studien
für
die
Wichtigkeit
effektiver
Konfliktverhaltensstrategien auf der Ebene der Paarbeziehung sprechen, wird der Fokus der
Arbeit auf dieser Ebene liegen. Als theoretisches Rahmenmodell (siehe Abb. 2.4) wurde das
integrative Modell des Paarkonfliktes (Kersting & Grau, 2003) gewählt, welches bereits im
Abschnitt 2.2.2 vorgestellt wurde. Es postuliert unter anderem, dass manifeste Konflikte zu
einer Trennung führen können, wobei dieser Pfad von Konfliktlösestrategien beeinflusst wird.
Von besonderem Interesse für die Fragestellungen dieser Untersuchung ist die Annahme der
Autoren, dass demografische Variablen einen Einfluss auf diese Konfliktlösestrategien haben
können. Streng genommen kann mit dieser Untersuchung der Einfluss nicht untersucht
werden, da die Daten nicht längsschnittlich erhoben wurden. Es werden auch nicht alle
Variablen dieses Modells untersucht, sondern lediglich der Zusammenhang zwischen
demografischen Variablen und dem Konfliktverhalten. Diesbezüglich fanden Klemm und
Pietras (2007) in ihrer Untersuchung zum Konfliktverhalten auf der Ebene der
Paarbeziehung, dass jüngere Eltern im Vergleich zu älteren Eltern in Konfliktsituationen mit
dem Partner beziehungsweise der Partnerin weniger Selbstkontrolle zeigten. Eine höhere
Schulbildung bedeutete weniger Unsicherheit. Eltern mit mehr als zwei Kindern zeigten
weniger Unsicherheit im Vergleich zu Eltern, die weniger als zwei Kinder hatten. Sie fanden
auch Unterschiede im Konfliktverhalten auf der Ebene der Paarbeziehung in Bezug auf
deren monatliches Nettoeinkommen. Eltern, denen mehr als 1500 Euro netto monatlich zur
Verfügung stand, gaben weniger Unsicherheit an, zogen sich seltener zurück und
somatisierten seltener als Eltern, denen weniger als 1500 Euro netto im Monat zur
2.3 Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
Verfügung stand. In dieser Untersuchung ist von Interesse, ob sich die Unterschiede in
Bezug auf die demografischen Variablen auch bei Pflegeeltern finden lassen.
Klemm und Pietras (2007) fanden ebenfalls Unterschiede im Konfliktverhalten zwischen drei
Substichproben: unauffälligen Eltern; Eltern, die sich bereits an Beratungsstellen gewandt
hatten und Väter, die wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern verurteilt worden waren. Da
Pflegeeltern besondere Herausforderungen zu meistern haben, ist es interessant,
herauszufinden, ob und wenn ja, inwiefern sich das Konfliktverhalten der Pflegeeltern von
dem der unauffälligen Eltern dieser Eichstichprobe unterscheidet.
Abbildung 2.4: Das integrative Modell des Paarkonfliktes aus Kersting und Grau (2003, S.
437)
Da trotz eingehender Literaturrecherche keine passenden Studien zu den interessierenden
Fragestellungen in Bezug auf Pflegefamilien gefunden wurden, wird diese Untersuchung
explorativ sein. Aufgrund theoretischer Vorüberlegungen und empirischer Befunde zum
Konfliktverhalten in Familien werden folgende Hypothesen aufgestellt:
1. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Pflegeeltern und deren
Konfliktverhalten auf der Ebene der Paarbeziehung. Klemm und Pietras (2007) fanden
diesbezüglich mit ihrer Untersuchung heraus, dass jüngere Eltern im Vergleich zu älteren
Eltern weniger Selbstkontrolle zeigten. Da es in deren Stichprobe keine Pflegeeltern gab und
nicht vorab davon ausgegangen wird, dass derartige Zusammenhänge auch bei Pflegeeltern
zu erwarten sind, wird die Hypothese nicht weiter spezifiziert.
2.3 Fragestellungen, theoretisches Rahmenmodell und Hypothesen
2. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kinder in den Pflegefamilien und
dem Konfliktverhalten der Pflegeeltern auf der Ebene der Paarbeziehung. In der
Untersuchung von Klemm und Pietras (2007) wurde ein negativer Zusammenhang zwischen
der Anzahl der Kinder und Unsicherheit bei Konflikten auf der Ebene der Paarbeziehung
gefunden. Dennoch wird die Hypothese nicht weiter spezifiziert, da es in deren Stichprobe
keine Pflegeeltern gab und nicht vorab davon ausgegangen wird, dass derartige
Zusammenhänge auch bei Pflegeeltern zu erwarten sind.
3. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens der Pflegeeltern und
deren Konfliktverhalten auf der Ebene der Paarbeziehung. Klemm und Pietras (2007) fanden
diesbezüglich, dass Eltern, denen mehr als 1500 Euro netto monatlich zur Verfügung stand,
weniger Unsicherheit angaben, sich seltener zurückzogen und seltener somatisierten als
Eltern, denen weniger als 1500 Euro netto im Monat zur Verfügung stand. Da es in deren
Stichprobe keine Pflegeeltern gab und nicht vorab davon ausgegangen wird, dass derartige
Zusammenhänge auch bei Pflegeeltern zu erwarten sind, wird die Hypothese nicht weiter
spezifiziert.
4. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Schulbildung der Pflegeeltern und deren
Konfliktverhalten auf der Ebene der Paarbeziehung. In der Untersuchung von Klemm und
Pietras (2007) wurde ein negativer Zusammenhang zwischen der Schulbildung und
Unsicherheit im Konfliktverhalten auf der Ebene der Paarbeziehung festgestellt. Dennoch
wird die Hypothese nicht weiter spezifiziert, da es in deren Stichprobe keine Pflegeeltern gab
und nicht vorab davon ausgegangen wird, dass derartige Zusammenhänge auch bei
Pflegeeltern zu erwarten sind.
5. Pflegeeltern unterscheiden sich in ihrem Konfliktverhalten von unauffälligen Eltern der
Eichstichprobe des KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007) auf der Ebene der Paarbeziehung. Da
Pflegeeltern größeren Belastungen ausgesetzt sind, die über die normalen Aufgaben
leiblicher Eltern hinausgehen, wird vermutet, dass sich deren Konfliktverhalten von jenem
leiblicher Eltern unterscheidet. Da es diesbezüglich noch keine Studien gibt, wird die
Hypothese nicht weiter spezifiziert.
3.1 Messinstrumente
3
Methode
3.1
Messinstrumente
3.1.2
Konfliktverhalten in der Familie
Um das Verhalten der Pflegeeltern in Konfliktsituationen der Ebene der Paarbeziehung zu
erfassen, wurde der Test „Konfliktverhalten in der Familie“ (KV-Fam; Klemm & Pietras, 2007)
gewählt, da er das Konfliktverhalten systemisch auf verschiedenen Ebenen misst. Mit dem
Test kann die Befindlichkeit und Reaktion der Befragten in den familiären Beziehungen
eingeschätzt werden. Er kann bei leiblichen Eltern, Stief- und Adoptiveltern sowie alternativ
von
Bezugspersonen
des
Kindes
angewandt
werden.
Der
Fragebogen
erfasst
Konfliktlösungsmuster in Familien, welche getrennt nach Ressourcen und Defiziten erhoben
werden. Dazu werden die Konfliktsituationen auf fünf Ebenen betrachtet: Ebene der
einzelnen Person, Paarbeziehung, Eltern-Kind-Beziehung, Familienbeziehung sowie Ebene
der sozialen Unterstützung. Für die Auswahl der Systemebenen orientierten sich Klemm und
Pietras (2007) am Familienmodell von Cowan und Cowan (1988, zit. nach Klemm & Pietras,
2007, S. 25). Auf diesen fünf Ebenen wird die individuelle Reaktion von Müttern und Vätern
auf stressauslösende Konflikte erfasst. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass für die
psychologische Bewertung eines Konfliktes nicht die „objektive“ Stärke eine Rolle spielt,
sondern das subjektive Erleben für das jeweilige Elternteil von Bedeutung ist. In der
folgenden tabellarischen Übersicht (siehe Tab. 3.1) sind die Ebenen und die dazugehörigen
Situationsvorgaben aufgeführt.
Tabelle 3.1: Konfliktvorgabe der einzelnen Systemebenen des KV-Fam (Klemm & Pietras,
2007)
Einzelne Person
Wenn mein Partner von mir verlangt, etwas allein zu erledigen …
Paarbeziehung
Wenn sich mein Partner mit mir streitet …
Eltern-Kind-Beziehung
Wenn ich durch meinen Sohn oder meine Tochter gestreßt [sic]
bin …
Familienbeziehung
Wenn sich jemand aus der Verwandtschaft einmischt …
Soziale Unterstützung
Wenn ich von einem Freund oder Kollegen enttäuscht bin …
In dieser Arbeit interessiert lediglich die Ebene der Paarbeziehung. Die Konfliktsituationen
der anderen Ebenen werden somit für weitere Berechnungen nicht berücksichtigt. Sie
wurden
dennoch
erhoben,
da
die
Untersuchung
unterschiedlichen Fragestellungen durchgeführt wurde.
durch
zwei
Studentinnen
mit
3.1 Messinstrumente
Nach jeder Situationsvorgabe folgen dieselben 40 Items, die in der folgenden Übersicht
(siehe Tab. 3.2) aufgelistet sind. Die nach Ressourcen und Defiziten paarweise bipolar
geordneten Skalen basieren auf Kategorien des Familienmodells von Epstein et al. (1962,
zit. nach Klemm & Pietras, 2007, S. 25) und auf Skalen des Fragebogens „Konfliktverhalten
situativ“ (KVS; Klemm, 2002, zit. nach Klemm & Pietras, 2007, S. 25). Für die Konstruktion
der Antwortitems des KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007) wurde ebenfalls der KV-S (Klemm,
2002, zit. nach Klemm & Pietras, 2007, S. 20) herangezogen, der Verhaltensweisen in
Konfliktsituationen erfasst. Wie aus der Tabelle 3.2 ersichtlich ist, gehören zu jeder
Handlungsdimension
vier
Items.
Der
Übergang
zwischen
der
Ressourcen-
und
Defizitdimension ist fließend. Das heißt, in jeder Ressourcen-Dimension ist ein Item
enthalten, dass in einer anderen Situation als Defizitmoment verstanden werden kann und
umgekehrt. Diese Items sind in Tabelle 3.2 kursiv abgebildet.
Das Antwortformat hat vier Stufen: „nie“ (entspricht 0 Punkten), „manchmal“ (entspricht 1
Punkt), „oft“ (entspricht 2 Punkten), „immer“ (entspricht 3 Punkten). Für die weiteren
statistischen Berechnungen wurden lediglich die Punkte auf den jeweiligen Dimensionen der
Ebene der Paarbeziehung aufsummiert.
3.1 Messinstrumente
Tabelle 3.2: Auflistung der Items des KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007) sortiert nach den
zehn Handlungsdimensionen und getrennt nach Ressourcen und Defiziten
Ressourcendimension
Defizitdimension
Selbstkontrolle
Unsicherheit
•
reagiere ich mit Humor
•
weiß ich nicht, was ich tun soll
•
weiß ich genau, was ich als Nächstes
•
mache ich mir viele Gedanken, was
daraus noch wird
tun werde
•
sehe ich das gelassen
•
überlege
ich,
was
•
auf
richtig und was falsch ist
mich
zukommen wird
Verbundenheit
fällt es mir schwer zu erkennen, was
•
bin ich der Verzweiflung nah
Aggressivität
weiß er / sie genau, was ich dazu
•
bin ich innerlich aufgewühlt
denke
•
spüre ich Wut in mir aufsteigen
•
suche ich körperliche Nähe
•
stoße ich Drohungen aus
•
spüre ich mit ihm / ihr eine innere
•
erteile ich schon mal einen „Klaps“
•
Verbundenheit
•
mag ich ihn / sie trotzdem
Kommunikativität
Rückzug
•
suche ich noch einmal das Gespräch
•
lässt mich das innerlich kalt
•
zeige ich, wie es mir damit geht
•
ziehe ich mich zurück
•
stecke ich meine Wünsche zurück
•
habe ich zu nichts mehr Lust
•
äußere ich mehrere Vorschläge, um
•
will ich für mich allein sein
zu einer Lösung zu kommen
Gegenseitige Unterstützung
Rollenabgrenzung
•
bleibe ich fair
•
verfalle ich in alte Gewohnheiten
•
versetze ich mich in seine / ihre Lage
•
ist mir klar, wofür ich verantwortlich
•
opfere ich mich für ihn / sie auf
•
helfe ich ihm / ihr trotzdem
bin
•
sage ich nicht, was ich wirklich denke
•
steht meine Position von vornherein
fest
Zufriedenheit
Somatisierung
•
hoffe ich auf bessere Zeiten
•
fühle ich mich körperlich unwohl
•
fühle ich mich trotzdem glücklich
•
kann ich nachts nicht schlafen
•
denke ich: „Augen zu und durch“
•
bekomme
•
behalte ich meine gute Laune
ich
Bauchschmerzen
•
verliere ich den Appetit
Kopf-
und
3.1 Messinstrumente
Beschreibung der Handlungsdimensionen (nach Klemm & Pietras, 2007)
Die
Handlungsdimensionen
Aggressivität“
und
„Selbstkontrolle
„Zufriedenheit
Selbstmanagementfähigkeiten
vs.
der
vs.
Unsicherheit“,
Somatisierung“
Elternteile
und
„Verbundenheit
charakterisieren
die
vs.
individuelle
Handlungsdimensionen
„Kommunikativität vs. Rückzug“ und „Gegenseitige Unterstützung vs. Rollenabgrenzung“
beschreiben Fähigkeiten der Beziehungsgestaltung. Wie aus den Beschreibungen ersichtlich
sein wird, ist die Interpretation der Dimensionen dialektisch zu sehen. Ein Zuviel an
Ressourcen kann je nach Situation auch defizitär sein und umgekehrt kann ein schwach
ausgeprägtes Defizit als Ressource wirksam werden.
Selbstkontrolle vs. Unsicherheit
Die Handlungsdimension Selbstkontrolle steht für Selbstbestimmtheit und Selbstsicherheit.
Eine Voraussetzung für Selbstkontrolle ist das empathische Verstehen anderer Menschen
beziehungsweise Situationen. Ein Mangel an Selbstkontrolle bewirkt Impulsivität und ein
Übermaß hat Stoizismus zur Folge.
Unsichere Personen haben Schwierigkeiten, soziale Beziehungen aufzubauen und Probleme
konstruktiv zu lösen. Dies kann mit (gehemmter) Aggressivität einhergehen.
Verbundenheit vs. Aggressivität
Diese
Handlungsdimensionen
stehen
für
das
Spannungsverhältnis
zwischen
der
Unabhängigkeit des Einzelnen und der Verbundenheit zur Familie.
Bei einem Mangel an affektiver Verbundenheit, wenden die Mitglieder der Familie emotional
weniger in die gegenseitigen Beziehungen auf. Ein Übermaß an affektiver Verbundenheit
zeigt sich in Verstrickungen und/ oder Übervorsorge.
Die Dimension „Aggressivität“ steht für die Abgrenzung des Familienmitgliedes. Ein
Mittelmaß kann positiv als Durchsetzungsfähigkeit aufgefasst werden. Ein Mangel kann zu
aufgestauten Gefühlen und Abhängigkeiten führen. Ein Übermaß kann zu familialer Gewalt
führen,
besonders
dann,
wenn
es
dem
Familienmitglied
nicht
gelingt,
das
Spannungsverhältnis zwischen Individuation und Abgrenzung ins Gleichgewicht zu bringen.
Kommunikativität vs. Rückzug
Kommunikativität steht für sachlichen Informationsaustausch, Mitteilung von Befindlichkeiten
sowie Spenden von Trost und gilt auch als Zeichen gegenseitiger Unterstützung.
Voraussetzung für Kommunikativität sind Problemlösebereitschaft und Offenheit. Zu wenig
Problemlösefähigkeit bewirkt eine starre Atmosphäre und ein Übermaß an Offenheit steht für
Willensschwäche.
3.3 Stichprobe
Zum resignativen Rückzug eines Menschen kommt es, wenn die gegenseitigen Erwartungen
enttäuscht werden. Der Rückzug findet sich vermehrt, wenn Depressivität oder Kränkungen
überwiegen. Wenn Rückzugsmöglichkeiten aber gänzlich fehlen, kann dies auf ein
mangelndes Autonomiebewusstsein hindeuten.
Gegenseitige Unterstützung vs. Rollenabgrenzung
Als Voraussetzung für gegenseitige Unterstützung sehen Klemm und Pietras (2007) eine
sehr hohe Empathiefähigkeit.
Rollenabgrenzung steht für ein stereotypes Ausfüllen von Rollenmustern. Bei einem mittleren
Maß an Rollenabgrenzung gelingen Aufgabenteilung und Absprachen in der Familie. Bei
einem Übermaß dessen kann sich die Familie nur schwer an veränderte Gegebenheiten
anpassen.
Zufriedenheit vs. Somatisierung
Hoffnungslosigkeit gilt als Indikator für einen Therapieabbruch und Depression.
Zu Somatisierung beziehungsweise körperlichen Beschwerden kommt es infolge einer weit
fortgeschrittenen
Hoffnungslosigkeit.
Dies
hat
wiederum
Auswirkungen
auf
das
Familienklima. Ein Mangel an körperlicher Sensibilität wiederum geht oftmals mit
eingeschränkter Affektivität einher (Klemm & Pietras, 2007).
3.3
Stichprobe
Der Online-Fragebogen wurde von 166 Pflegemüttern beziehungsweise Pflegevätern
beendet und 13 Pflegeelternteile füllten den Fragebogen in der Papier-Bleistiftversion aus.
Von diesen 179 Fragebögen wurden vier Fälle ausgeschlossen, da es sich um Adoptiveltern
handelte. Die Stichprobe setzt sich somit aus 175 Pflegeelternteilen zusammen. Davon
waren 148 Pflegemütter (84,6%) und lediglich 27 Pflegeväter (15,4%). Das Alter der
Pflegeeltern liegt im Durchschnitt bei 45,22 Jahren (SD = 7,92) mit einer Spannbreite von 27
bis 67. Die Pflegeeltern hatten insgesamt 298 Pflegekinder. Davon waren 147 weiblich
(49,3%), 142 männlich (47,7%) und bei neun Kindern fehlten die Angaben zum Geschlecht.
Die Pflegekinder sind durchschnittlich 8,26 Jahre alt. In der Tabelle 3.3 ist die Verteilung des
Alters dargestellt. Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass die Häufigkeit jüngerer Pflegekinder
größer ist.
3.3 Stichprobe
Tabelle 3.3: Verteilung des Alters der Pflegekinder in der Pflegeeltern-Stichprobe
Alter
Anzahl
Prozent
0 bis 3 Jahre
66
22,6
4 bis 6 Jahre
57
19,5
7 bis 10 Jahre
75
25,7
11 bis 14 Jahre
47
16,1
15 bis 18 Jahre
37
12,7
19 bis 23 Jahre
10
3,4
Die Dauer der Pflegeverhältnisse in dieser Stichprobe liegt im Durchschnitt bei 4,95 Jahren.
Bei 46,3 Prozent der Stichprobe leben auch leibliche Kinder (n = 168), bei 4 Prozent leben
Stiefkinder (n = 7) und bei 5,7 Prozent der Pflegeeltern leben Adoptivkinder (n = 10) im
Haushalt. Bei 49 Pflegeelternteilen lebt nur ein Pflegekind im Haushalt. Somit leben 16,4
Prozent der Pflegekinder dieser Stichprobe allein bei ihren Pflegeeltern.
In Abbildung 3.1 ist die Häufigkeit des Bundeslandes, in dem die Pflegeeltern leben,
abgebildet. Die meisten Pflegeeltern der Stichprobe wohnen in Nordrhein-Westfalen, gefolgt
von Sachsen-Anhalt an zweiter Stelle. Aus den Bundesländern Bremen, MecklenburgVorpommern und Saarland haben sich keine Pflegeeltern an der Befragung beteiligt.
Thüringen
2
Schleswig-Holtstein
5
Wohnort der Versuchsperson
Sachsen-Anhalt
21
Sachsen
12
Reihnland-Pfalz
10
Nordrhein-Westfalen
55
Niedersachsen
12
Hessen
11
Hamburg
2
Brandenburg
6
Berlin
13
Bayern
16
Baden-Württemberg
10
0
10
20
30
40
50
60
Anzahl der Personen
Abbildung 3.1: Grafische Darstellung zur Häufigkeit der Bundesländer, in denen die
Pflegeeltern der Stichprobe wohnen
3.3 Stichprobe
In der Stichprobe sind 172 Personen deutscher Nationalität und drei gehören einer anderen
Nationalität an. Die meisten Pflegeelternteile gehören mit 66,3 Prozent der christlichen
Religion an und 33,1 Prozent gehören keiner Religion an. Lediglich 0,1 Prozent gehören
einer anderen Religion an. Der Großteil der Stichprobe ist bei den leiblichen Eltern (85,7%)
aufgewachsen. Ein geringer Anteil lebte bei mindestens einem Stiefelternteil (7,4%) und
lediglich 6,9 Prozent lebten entweder bei Adoptiveltern, Pflegeeltern, Verwandten
oder
sonstigen Personen. Die meisten Pflegeeltern sind mit 79 Prozent verheiratet, acht Prozent
leben in einer festen Partnerschaft, nur vier Prozent sind alleinstehend, sechs Prozent
geschieden und lediglich zwei Prozent der Pflegeeltern leben in Trennung.
Kein
Pflegeelternteil
der
Stichprobe
ist
ohne
Schulabschluss
oder
Förderschule
beziehungsweise Sonderschule. In der Stichprobe haben 15 Pflegeelternteile (8,6%) einen
Hauptschulabschluss beziehungsweise 8./9. Klasse POS abgeschlossen, 69 Personen
(39,4%) haben die Realschule beziehungsweise 10. Klasse POS abgeschlossen und 91
Personen (52,0%) haben das Fach-/ Abitur. In der Abbildung 3.2 sind die Häufigkeiten der
Frage nach dem Berufs-/ Hochschulabschluss grafisch dargestellt. Nur neun Personen
gaben an, derzeit arbeitssuchend zu sein.
100
Häufigkeit in Prozent
80
60
53,7%
40
26,9%
20
0
2,9%
ohne Abschluss
5,1%
7,4%
2,9%
1,1%
Lehre
Lehre
begonnen, aber abgeschlossen
nicht vollendet
Meistertitel
Studium
Studium
begonnen, aber abgeschlossen
nicht vollendet
Promotion/
Habilitation
Abbildung 3.2: Grafische Darstellung der Häufigkeiten zum Berufs-/ Hochschulabschluss in
der Stichprobe der Pflegeeltern
Zum monatlichen Nettoeinkommen (siehe Abb. 3.3) gaben 10 Personen an, unter 1500
Euro, 53 Personen unter 3000 Euro, 74 Personen unter 4500 Euro und 38 Personen über
4500 Euro zur Verfügung zu haben, wobei in dieser Verteilung die Anzahl der Personen pro
Haushalt nicht berücksichtigt wurde. Folgende Angaben (siehe Abb. 3.4) wurden zur
3.3 Stichprobe
Häufigkeit, in der Pflegeeltern ihren Hobbys nachgehen, getätigt: 14 Personen gehen keinen
Hobbys nach; hin und wieder gehen 87 Personen; oft, aber unregelmäßig 55 Personen und
regelmäßig über eine längere Zeit gehen 19 Personen ihren Hobbys nach.
50,0%
Häufigkeit in Prozent
40,0%
30,0%
42,3%
20,0%
30,3%
21,7%
10,0%
5,7%
0,0%
unter 1500€
unter 3000€
unter 4500€
über 4500€
Abbildung 3.3: Grafische Darstellung der Häufigkeitsverteilung des Nettoeinkommens in der
Stichprobe der Pflegeeltern
50,0%
Häufigkeit in Prozent
40,0%
30,0%
49,7%
20,0%
31,4%
10,0%
10,9%
8,0%
0,0%
nie/ nicht mehr
hin und wieder
oft, aber
unregelmäßig
regelmäßig über
längere Zeit
Abbildung 3.4: Grafische Darstellung der Verteilung der Häufigkeit, in der die Pflegeeltern
ihren Hobbys nachgehen
4.2 Deskriptive Ergebnisse
4
Ergebnisse
4.2
Deskriptive Ergebnisse
4.2.2
Demografische Variablen
Bei dem Item „Gibt es regelmäßige Kontakte zu den leiblichen Eltern?“ (siehe Abb. 4.1)
gaben 28 Pflegemütter beziehungsweise Pflegeväter (16%) an, alle zwei Wochen oder öfter,
43 (24,6%) gaben an, mindestens einmal im Monat, 52 Pflegeelternteile (29,7%) gaben an,
seltener als einmal im Monat und ebenfalls 52 Pflegeelternteile (29,7%) gar keine Kontakte
zu den leiblichen Kindern zu haben. Häufige Kontakte zu den Herkunftseltern sind in dieser
Stichprobe demnach seltener.
30,0%
Häufigkeit in Prozent
25,0%
20,0%
29,7%
15,0%
29,7%
24,6%
10,0%
16,0%
5,0%
0,0%
alle 2 Wochen oder
öfters
mindestens einmal
im Monat
seltener als einmal
im Monat
gar keine Kontakte
Abbildung 4.1: Grafische Darstellung der Angaben zur Häufigkeit der Besuchskontakte in der
Stichprobe der Pflegeeltern
Die Tabelle 4.3 zeigt die Häufigkeitsverteilung zum vorherigen Wohnort der Pflegekinder in
absteigender Reihenfolge. Viele Pflegekinder haben vorher bei den leiblichen Eltern oder
anderen Pflegeeltern gewohnt. Bei der Kategorie „leibliche Mutter“ wurde ein Pflegekind
eingeordnet, das vorher beim leiblichen Vater gelebt hat.
4.2 Deskriptive Ergebnisse
Tabelle
4.3:
Häufigkeitsverteilung
zum
vorherigen
Wohnort
der
Pflegekinder
der
Pflegeeltern-Stichprobe
Antwortmöglichkeiten auf das Item: „Wo Anzahl Prozent
hat Pflegekind 1(2,3,4) voher gewohnt?“
Leibliche Eltern
62
20,9
Pflegeeltern
61
20,5
Leibliche Mutter
55
18,5
Heim
49
16,5
Krankenhaus/ direkt nach der Geburt zu uns
33
11,1
Verwandte
12
4,0
5
1,7
20
6,7
Mutter-Kind-Heim
Keine genaue Angabe
Bei der Frage nach einer Behinderung und dem Grad der Behinderung der Kinder gaben 92
Personen (52,6%) an, dass ihre Kinder keine Behinderung haben. Bei 81 Pflegeelternteilen
hat mindestens eines der Kinder eine Behinderung. Davon gaben 28 Personen (16%) eine
geringfügige Behinderung, 42 Personen (24%) eine mittelgradige Behinderung und 11
Personen (6,3%) eine hochgradige Behinderung bei mindestens einem der Kinder an. Bei
der Frage „Welches Ihrer Kinder hat eine Behinderung?“ gaben fünf Personen an, dass das
leibliche Kind eine Behinderung hat, drei Personen gaben an, dass das Adoptivkind eine
Behinderung hat und 80 Pflegeelternteile gaben an, dass das Pflegekind eine Behinderung
hat. In der Stichprobe gab es keine Stiefkinder mit einer Behinderung, wobei in der
Pflegeelternstichprobe nur eine geringe Anzahl an Stief- und Adoptivkindern im Haushalt
leben. Es können keine Angaben zur Häufigkeit aller Kinder dieser Stichprobe gemacht
werden, da die Frage nach der Behinderung allgemein gestellt wurde und nicht für jedes
Kind separat.
Der Kolmogorov-Smirnov-Test ergab, dass lediglich die Items zum Alter der Pflegeeltern und
dem Alter der leiblichen Kinder sowie zur Dauer der Partnerschaft beziehungsweise Ehe
keine signifikanten Abweichungen von der Normalverteilung aufweisen. Alle anderen
demografischen Variablen sind nicht normalverteilt. Wie bereits erwähnt, werden dennoch
parametrische Verfahren angewandt, da aufgrund der Stichprobengröße von einer
hinreichenden Stabilität der Werte ausgegangen werden kann.
5.1 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse und Zusammenhänge mit demografischen
Variablen
5
Diskussion und Ausblick
Mit dieser Arbeit sollten mögliche Zusammenhänge zwischen demografischen Variablen und
dem Konfliktverhalten der Pflegeeltern auf der Ebene der Paarbeziehung untersucht werden.
Darüber hinaus war von Interesse, ob es Unterschiede im Konfliktverhalten auf der Ebene
der Paarbeziehung zwischen Pflegeeltern und unauffälligen Eltern der Eichstichprobe des
KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007) gibt. Im Folgenden werden zunächst Teilergebnisse sowie
methodische Besonderheiten der Untersuchung diskutiert, bevor eine Gesamtdiskussion
aller Ergebnisse und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsarbeiten erfolgt.
5.1
Diskussion der deskriptiven Ergebnisse und Zusammenhänge mit
demografischen Variablen
Wenn man die deskriptiven Daten der acht Handlungsdimensionen (siehe Tab. 4.2)
betrachtet, fällt auf, dass die Mittelwerte auf den Ressourcendimensionen höher sind als auf
den Defizitdimensionen, was auf den ersten Blick positiv bewertet werden kann. Es könnte
bedeuten, dass Pflegeeltern eher effektive Konfliktlösungsstrategien anwenden. Die
Mittelwerte der Ressourcendimensionen sprechen für mittlere Ausprägungen und die
Mittelwerte der Defizitdimensionen für sehr geringe Ausprägungen. Aufgrund der
dialektischen Interpretationsform können diese Daten jedoch nicht sicher interpretiert
werden, da zu geringe Werte einer Defizitdimension situativ auch negativ bewertet werden
können und Klemm und Pietras (2007) diesbezüglich keine konkreten Angaben machen.
Die deskriptiven Ergebnisse zum Aufenthaltsort der Pflegekinder sprechen dafür, dass das
aktuelle Pflegeverhältnis für viele Pflegekinder nicht die erste Fremdunterbringung darstellt,
wie auch in anderen Studien (DJI, 2008; Blandow & Walter, 2004; Erzberger, 2003)
gefunden wurde. Nur 39,4 Prozent der Pflegekinder kamen direkt von ihren leiblichen Eltern
beziehungsweise einem leiblichen Elternteil in die Pflegefamilie. In 42,7 Prozent der Fälle
waren die Pflegekinder vorher bei anderen Pflegeeltern, Verwandten oder institutionell
untergebracht. Die Daten können auch darauf hindeuten, dass diese Kinder bereits mehrere
Trennungserfahrungen und somit möglicherweise auch negative Bindungserfahrungen erlebt
haben. Zum einen bedeuten mehrfache Wechsel des Aufenthaltsortes für die Pflegekinder
eine Belastung und darüber hinaus ist nach Blandow (1980) bei diesen Pflegeverhältnissen
die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch des Pflegeverhältnisses erhöht. Eine weitere
mögliche Belastung dieser Stichprobe zeigt sich darin, dass fast die Hälfte aller
Pflegeelternteile angeben, dass mindestens eines ihrer Kinder eine Behinderung aufweist,
wobei es sich in den meisten Fällen um die Pflegekinder handelt.
5.1 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse und Zusammenhänge mit demografischen
Variablen
Die Ergebnisse zur Häufigkeit von Besuchskontakten weisen darauf hin, dass häufige
Besuchskontakte zu den Herkunftseltern der Pflegekinder eher selten stattfinden. Die
Befunde decken sich mit den Ergebnissen Erzbergers (2003). In seiner Untersuchung
bestanden in 77,4 Prozent der Fälle Besuchskontakte, die bei 11,5 Prozent wöchentlich
stattfanden. In dieser Studie geben 70,3 Prozent der Pflegeeltern an, dass Besuchskontakte
zur Herkunftsfamilie bestehen, welche in 16,0 Prozent alle zwei Wochen oder öfter
durchgeführt werden. Dennoch muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Frage nach
den Besuchskontakten nicht separat für jedes Pflegekind erfragt wurde, somit konnten jene
Pflegeeltern, die mehrere Pflegekinder haben, nicht differenziert antworten und einige
Pflegeeltern merkten in den Fragebögen an, dass sich die Häufigkeit der Besuchskontakte
bei den einzelnen Pflegekindern im Haushalt unterscheidet.
Bevor Zusammenhänge zwischen den demografischen Variablen und dem Konfliktverhalten
der Pflegeeltern diskutiert werden, soll nochmal darauf hingewiesen werden, dass von den
zehn Handlungsdimensionen des KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007), aufgrund schlechter
Reliabilitäten, nur acht Handlungsdimensionen für statistische Berechnungen berücksichtigt
werden konnten. Desweiteren bestanden fünf Handlungsdimensionen nach Ausschluss
einzelner Items infolge mangelhafter Reliabilität nur noch aus drei Items, wodurch die
Validität der Ergebnisse in Frage gestellt werden kann. Ausreichende bis gute Reliabilitäten
wiesen lediglich die Dimensionen „Unsicherheit“, „Verbundenheit“ und „Somatisierung“ auf.
Zusätzlich ist durch die dialektische Interpretation der Handlungsdimensionen des KV-Fam
(Klemm & Pietras, 2007) eine Bewertung der Befunde schwierig, da zu hohe
beziehungsweise zu niedrige Werte einer Handlungsdimension je nach Situation sowohl
positiv als auch negativ interpretiert werden können und die Autoren keine konkreten
Angaben diesbezüglich machen.
Es konnten einige signifikante Zusammenhänge zwischen demografischen Variablen und
Konfliktverhaltensstrategien auf der Ebene der Paarbeziehung ermittelt werden. Die
vorliegenden
Daten
zu
den
Geschlechtsunterschieden
zeigen,
dass
Frauen
in
Konfliktsituationen mit dem Partner höhere Werte auf der Dimension „Aggressivität“
aufweisen. Das heißt, dass Frauen in Konfliktsituationen mit dem Partner affektiver reagieren
als Männer. Auch sind es die Männer, die eher versuchen in diesen Situationen die Frauen
zu unterstützen. Als Voraussetzung für eine gegenseitige Unterstützung sehen Klemm und
Pietras (2007) eine hohe Empathiefähigkeit, die scheinbar bei den Männern situativ stärker
ausgeprägt zu sein scheint. Die Frauen geben auch mehr körperliche Symptome aufgrund
jener Konflikte an. Diese Befunde ähneln den Ergebnisse der Untersuchung von Klemm und
Pietras (2007). Auch in deren Untersuchung wiesen die Väter geringere Werte auf den
Dimensionen „Aggressivität“ und „Somatisierung“ sowie höhere Werte auf der Dimension
5.2 Diskussion der Ergebnisse der Hypothesen
„Unterstützung“ auf als die Mütter. Darüber hinaus gaben die Väter mehr Selbstkontrolle,
Verbundenheit und Zufriedenheit an als die Mütter. Diese Ergebnisse könnten darauf
hindeuten, dass Frauen stärker belastet sind als Männer und weniger in der Lage sind,
Konflikte konstruktiv zu lösen. Die größere Belastung könnte daraus resultieren, dass Frauen
eher die Pflege und Erziehung der Kinder übernehmen als die Männer. Für Pflegefamilien
deutet der Befund darauf hin, dass insbesondere die Pflegemütter mehr Unterstützung
benötigen, damit das Pflegeverhältnis gelingen kann. Allerdings sind diese Ergebnisse
aufgrund der ungleichen Geschlechterverteilung mit Vorsicht zu interpretieren.
Die Größe des Wohnraumes wies in dieser Studie auf negative Zusammenhänge in Bezug
auf einzelne Defizitdimensionen. Je mehr Wohnraum in Quadratmetern den Pflegeeltern zur
Verfügung steht, desto weniger Unsicherheit und Somatisierung geben sie an. Dieser Befund
weist darauf hin, dass es sinnvoll ist, Pflegeeltern zu wählen, die über ausreichenden
Wohnraum verfügen, wie dies im Abschnitt 2.1.3 berichtet wurde. Auch Hobbys können eine
Ressource darstellen. Pflegeeltern, die häufiger ihren Hobbys nachgehen, zeigen in
Paarkonflikten mehr Selbstbestimmtheit und Selbstsicherheit sowie weniger körperliche
Symptome. Dieser Befund deutet darauf hin, dass es wichtig ist, neben dem familiären
Leben auch seinen eigenen Interessen nachzugehen. Der Glauben hat in dieser
Untersuchung
ebenfalls
positive
Auswirkungen
auf
die
Konfliktlösungsmuster
der
Pflegeeltern. Diejenigen Pflegeeltern, die dem christlichen Glauben angehören, zeigen eine
höhere Problemlösebereitschaft und Offenheit bei Paarkonflikten im Vergleich zu
Pflegeeltern, die keiner Religion angehören.
5.2
Diskussion der Ergebnisse der Hypothesen
Mit der ersten Hypothese sollte geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Alter
der Pflegeeltern und deren Konfliktverhaltensstrategien besteht. Es zeigten sich, wie auch in
der Untersuchung von Klemm und Pietras (2007), Altersunterschiede in Konfliktsituationen
mit dem Partner oder der Partnerin auf der Dimension „Selbstkontrolle“. Ältere Pflegeeltern
weisen demnach mehr Selbstbestimmtheit und Selbstsicherheit in ihrem Verhalten als
jüngere Pflegeeltern auf. Nach Klemm und Pietras (2007) ist eine Voraussetzung der
Selbstkontrolle das empathische Verstehen anderer Menschen oder Situationen, welches bei
älteren Pflegeeltern somit stärker ausgeprägt zu sein scheint. Dieser Befund kann nicht mit
der Tatsache begründet werden, dass die Partnerschaft im höheren Alter bereits länger
besteht, da die Zusammenhänge zwischen der Dauer der Partnerschaft beziehungsweise
Ehe und den Konfliktlösungsmustern im Rahmen der Prüfung auf Zusammenhänge zu
demografischen
Variablen
geprüft
wurde.
Es
zeigten
sich
keine
signifikanten
Zusammenhänge, weshalb sie in Abschnitt 4.3 nicht berichtet wurden. Die Befunde könnten
5.2 Diskussion der Ergebnisse der Hypothesen
eher auf die Erfahrungen, die im Laufe des längeren Lebens bei älteren Personen gemacht
wurden, zurückzuführen sein. Das Ergebnis weist auch darauf hin, dass es kein Problem
darstellen sollte, dass Pflegeeltern meist älter sind als Eltern der Normalbevölkerung
(Blandow, 2004).
Die zweite Hypothese hatte zum Ziel, einen möglichen Zusammenhang zwischen der Anzahl
an Pflegekindern sowie der Anzahl an Kindern insgesamt im Haushalt und den
Konfliktverhaltensstrategien der Pflegeeltern aufzudecken. Es konnte ein negativer
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Pflegekinder im Haushalt und dem Ausmaß an
Kommunikativität in Paarkonflikten gefunden werden. Je mehr Pflegekinder im Haushalt
leben, desto weniger kommunizieren die Pflegeeltern in Paarkonflikten miteinander. Es ist
demnach
weniger
Problemlösebereitschaft
und
Offenheit,
als
Voraussetzung
für
Kommunikativität, vorhanden, um die Konflikte konstruktiv zu lösen. Eine höhere Bereitschaft
an Kommunikativität wäre insbesondere bei einer höheren Anzahl an Pflegekindern
erstrebenswert, denn es kann angenommen werden, dass sie eine höhere Belastung
darstellt. Auf den anderen Dimensionen und in Bezug auf die Anzahl der Kinder insgesamt
im Haushalt wurde kein Zusammenhang mit dem Konfliktverhalten der Pflegeeltern auf der
Ebene der Paarbeziehung gefunden. Dieser Befund könnte darauf hindeuten, dass
insbesondere eine höhere Anzahl an Pflegekindern eine Belastung darstellt im Vergleich zu
einer höheren Anzahl an Kindern, die sich auch aus beispielsweise leiblichen Kindern ergibt.
Bei Klemm und Pietras (2007) sprachen die Befunde dafür, dass Eltern, die mehr als zwei
Kinder
hatten,
weniger
Unsicherheit
zeigten,
was
in
dieser
Untersuchung
nicht
nachgewiesen wurde. Bei ihnen wirkte sich eine höhere Kinderzahl eher positiv auf die
Defizitdimension aus, was ebenfalls dafür sprechen könnte, dass insbesondere eine höhere
Anzahl an Pflegekindern eine Belastung bedeutet.
Mit der dritten Hypothese wurde geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen dem Einkommen
der Pflegeeltern und deren Konfliktverhaltensstrategien besteht. Es zeigte sich wie in der
Eltern-Stichprobe von Klemm und Pietras (2007) ein negativer Zusammenhang zwischen der
Höhe des Einkommens und Unsicherheit sowie Somatisierung. Pflegeeltern mit einem
höheren Einkommen zeigen bei Konflikten mit dem Partner oder der Partnerin weniger
Unsicherheit, sind somit eher in der Lage Probleme konstruktiv zu lösen und reagieren
weniger mit körperlichen Symptomen aufgrund des Konfliktes und sind somit weniger
belastet. Auch in der Stichprobe von Klemm und Pietras (2007) ließen sich diese
Zusammenhänge finden. Lediglich der Zusammenhang zwischen dem Einkommen und
Rückzug, wie er bei Klemm und Pietras (2007) zusätzlich gefunden wurde, konnte hier nicht
bestätigt
werden.
Aufgrund
der
Befunde
der
Pflegeelternstichprobe
und
der
Validierungsstichprobe bei Klemm und Pietras (2007) kann angenommen werden, dass ein
hohes Einkommen generell eine Ressource für die Konfliktbewältigung darstellt. Darüber
5.2 Diskussion der Ergebnisse der Hypothesen
hinaus spricht der Befund dafür, dass es sinnvoll ist, die finanzielle Situation von zukünftigen
Pflegeeltern zu prüfen, wie in Abschnitt 2.1.3 berichtet wurde und nur jene Eltern als
Pflegeeltern zu wählen, deren finanzielle Situation gesichert ist.
Das Ziel der vorletzten Hypothese war, einen möglichen Zusammenhang zwischen der
Schulbildung und den Konfliktverhaltensstrategien der Pflegeeltern auf der Ebene der
Paarbeziehung aufzudecken. Die vorliegenden Ergebnisse weisen daraufhin, dass sich die
Schulbildung der Pflegeeltern positiv auf die Handlungsdimension „Somatisierung“ auswirkt.
Pflegeeltern mit einer höheren Schulbildung berichten weniger über körperliche Symptome
infolge eines Konfliktes mit dem Partner oder der Partnerin. Dennoch muss darauf
hingewiesen werden, dass die Verteilung innerhalb der Ausprägungen sehr ungleich ist. Es
gibt keine Pflegeeltern ohne Schulabschluss und Sonder-/ Förderschulabschluss. Lediglich
8,6 Prozent der Stichprobe hatten einen Hauptschulabschluss bzw. 9. Klasse POS und 39,4
Prozent der Eltern hatten einen Realschulabschluss und immerhin die Hälfte der Pflegeeltern
hatten Fach-/ Abitur. Bei Klemm und Pietras (2007) konnte dieser Zusammenhang nicht
gefunden werden. In ihrer Untersuchung zeigten Eltern mit einer höheren Schulbildung
weniger Unsicherheit. Beide Befunde sprechen dennoch dafür, dass sich eine höhere
Schulbildung positiv auf Konfliktverhaltensstrategien auswirken kann.
Mit der letzten Hypothese sollte geprüft werden, ob Unterschiede im Konfliktverhalten
zwischen Pflegeeltern und unauffälligen leiblichen Eltern der Eichstichprobe des KV-Fam
(Klemm & Pietras, 2007) bestehen. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass es
in der Gesamtstichprobe von Klemm und Pietras (2007) auch 85 Stiefelternteile gab, wobei
aus deren Daten nicht hervorgeht, wie viele Stiefelternteile in der Substichprobe unauffälliger
Eltern waren. Da die Reliabilitäten in beiden Stichproben mangelhaft ist, sind die Ergebnisse
mit Vorsicht zu interpretieren. Es zeigte sich, dass Pflegeeltern bei Konflikten mit dem
Partner oder der Partnerin eher über Probleme kommunizieren und eher bereit sind,
Konflikte zu lösen als die unauffälligen Eltern der Eichstichprobe bei Klemm und Pietras
(2007), was positiv zu bewerten ist. Dieser Befund könnte darauf zurückzuführen sein, dass
Pflegeeltern vor der Aufnahme eines Pflegekindes auf die Herausforderung vorbereitet
werden und Ihnen somit auch hilfreiche Tipps im Umgang mit Belastungen und Konflikten
vermittelt werden. Dennoch zeigten sich auf allen anderen Dimensionen keine signifikanten
Unterschiede und somit unterscheiden sich beide Stichproben auf diesen Dimensionen nicht.
Damit liegen die Pflegeeltern im Normbereich der Werte der Stichprobe unauffälliger Eltern
in Bezug auf ihr Konfliktverhalten auf der Paarebene, so dass angenommen werden kann,
dass sie über effektive Konfliktlösungsstrategien verfügen und somit nach Schattner (1987)
die Wahrscheinlichkeit, dass das Pflegeverhältnis gelingt, in dieser Stichprobe höher ist.
Abschließend
soll
darauf
hingewiesen
werden,
dass
bei
allen
untersuchten
Zusammenhängen keine gravierenden Unterschiede im Konfliktverhalten bei Paarkonflikten
5.3 Diskussion methodischer Besonderheiten der Studie
gefunden wurden, denn meist ließen sich bei acht Handlungsdimensionen nur jeweils
Unterschiede auf einer oder zwei Handlungsdimension feststellen.
5.3
Diskussion methodischer Besonderheiten der Studie
In diesem Abschnitt sollen relevante Aspekte der Erhebung diskutiert werden. Eine genaue
Rücklaufquote kann nicht angegeben werden, allerdings kann sie als gering eingeschätzt
werden, da durch die Online-Befragung und durch die Zusagen an Unterstützung und
Weiterleitung davon ausgegangen werden kann, dass sehr viele Pflegeeltern erreicht werden
konnten. Auch die mangelhafte Rücksendung der Papier- und Bleistiftversionen spricht für
die geringe Rücklaufquote. Von ungefähr 30 ausgegebenen Papier- und Bleistiftversionen
wurden 13 Fragebögen zurückgesandt beziehungsweise persönlich während des Seminares
wieder abgebeben. Die Online-Befragung war von Mitte März bis Mitte Juni. Es ist davon
auszugehen, dass bei einer Verlängerung dieses Zeitraumes sich die Stichprobengröße
erhöht hätte, allerdings nicht in sehr hohem Maß, da beobachtet werden konnte, dass es zu
einer Vielzahl an Teilnahmen vor allem nach Veröffentlichungen beziehungsweise Hinweisen
des Links auf Homepages kam. Zum Ende der Untersuchung hatten die regelmäßigen
Teilnahmen stark abgenommen. Ein weiterer Grund für die geringe Teilnahme könnte sein,
dass der KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007) sehr umfangreich ist beziehungsweise sehr viele
Items enthält, so dass die Motivation der Pflegeeltern nachgelassen haben könnte und sie
daher die Fragebögen nicht beendet haben.
Dennoch kann eine Stichprobegröße von 175 Pflegeelternteilen als sehr gut bewertet
werden und dies konnte durch die Anwendung einer Online-Befragung gelingen. Durch
entsprechende Internetforen für Pflegeeltern können mehr Pflegeeltern erreicht werden als
über die Verteilung von Papier-Bleistift-Fragebögen. Bei dieser Methode besteht eine
geringere Hemmschwelle zum Ausfüllen, da der Rückversand durch die Pflegeeltern
wegfällt. Damit verbunden können Materialkosten und Kosten des Rückversandes von
Papier- und Bleistiftversionen entweder komplett wegfallen oder wie in dieser Untersuchung
reduziert werden, da lediglich bei Bedarf Papier- und Bleistiftversionen versandt
beziehungsweise verteilt wurden. Desweiteren werden Dateneingabefehler reduziert und
Zeitkosten der Dateneingabe in ein statistisches Programm fallen weg beziehungsweise
werden reduziert. Ein Nachteil sind anfallende Kosten durch die Beschaffung einer Lizenz
eines speziellen Programms für Online-Befragungen.
Darüber hinaus kann einer mangelhaften Repräsentativität einer Stichprobe (Gassmann,
2010; Blandow, 1999) mit dieser Form der Erhebung entgegengewirkt werden, indem
beispielsweise
überregional
Pflegeeltern
erreicht
werden
können.
Gemäß
den
demografischen Angaben zur Geschlechterverteilung und Altersverteilung der Pflegekinder
(Erzberger, 2003), dem Alter der Pflegeeltern (Blandow, 2004; Erzberger, 2003) sowie den
Angaben zum Familienstand und der Berufsausbildung der Pflegeeltern (Blandow (2004)
kann die vorliegende Stichprobe als repräsentativ angesehen werden. Auch in dieser Studie
sind etwas mehr weibliche Pflegekinder in der Stichprobe als männliche Pflegekinder, auch
wenn der Unterschied marginal ist. Jüngere Pflegekinder sind in dieser Stichprobe häufiger
als ältere Pflegekinder. Das Alter der Pflegeeltern liegt über dem Alter der Eltern in der
Normalbevölkerung. Die meisten Pflegeeltern sind verheiratet oder leben in einer festen
Partnerschaft. In Bezug auf die Berufsbildung der Pflegeeltern konnte auch in dieser
Untersuchung festgestellt werden, dass über die Hälfte der Pflegeelternteile eine Lehre
abgeschlossen hatten und sogar 26,9 Prozent der Stichprobe ein Studium beendet hatten.
Der KV-Fam (Klemm & Pietras, 2007) erwies sich als weniger geeignet zur Untersuchung
einer Stichprobe. Die Beschreibungen der Handlungsdimensionen bei Klemm und Pietras
(2007) sind teilweise ungenau und daher wenig aussagekräftig. Aufgrund der dialektischen
Interpretation sind Mittelwerte schwer zu beurteilen. Beispielsweise kann ein höherer Wert
auf einer Ressourcendimension auch ein Zuviel bedeuten und somit negativ bewertet
werden. Die Autoren weisen darauf hin, dass ein Zuviel oder Zuwenig auf einer Dimension
situativ anders bewertet werden könnte, wobei sie diesbezüglich keine konkreten Angaben
machen. Somit konnten die vorliegenden Werte nicht sicher beurteilt werden. Zur
Berechnung
der
möglichen
zusätzlichen
Kennwerte
zur
Auswertung
der
Konfliktlösungsmuster wird eine spezielle kostenpflichtige Software, die zusätzlich zum Test
erworben werden kann, benötigt. Allerdings ist die Berechnung der zusätzlichen Kennwerte
und somit differenzierte Interpretation auch nur für den Einzelfall sinnvoll. Pro Dimension gibt
es nur vier Items und durch die teilweise mangelhaften Reliabilitäten mussten einige Items
entfernt werden, so dass nur noch mit drei Items pro Handlungsdimension gerechnet werden
konnte. Daher kann die Validität der Ergebnisse in Frage gestellt werden. Auch bei Klemm
und Pietras (2007) zeigten sich auf den einzelnen Dimensionen der Ebene der
Paarbeziehung mangelhafte Reliabilitäten, worauf von den Autoren nicht weiter eingegangen
wurde. Dennoch soll der Nutzen des Tests in der Einzelfallberatung nicht angezweifelt
werden.
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