Opernball

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Opernball
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Klasse
Opernball
Tekstopgave nr.
Opernball
(G 98-3-1)
Aufgaben
1. Übersetze den dänischen Text ins Deutsche.
2. Gib eine zusammenhängende Darstellung von dem Schicksal der beiden
jungen Männer Fred und Karl.
In Deiner Darstellung muß folgendes behandelt werden:
− Freds Kindheit und Jugend in London und seine Zeit in Wien
− Karls Zugehörigkeit zu der Terrorgruppe
Operaballet i Wien er en stor begivenhed, som finder sted hvert år i Februar. Blandt de fornemme gæster er der både udenlandske diplomater og repræsentanter for den østrigske regering. Medierne viser stor interesse for
operaballet, og sikkerhedsforanstaltningerne er enorme.
I en roman af den østrigske forfatter Josef Haslinger lykkes det en terrorgruppe at smugle giftgas ind i operahuset, selvom politiet bevogter alle indgange. Romanens jeg-fortæller, Kurt Fraser fra Wien, er tv-journalist, og
hans chef har netop bedt ham om at lede transmissionen af operaballet.
Kurt Frasers søn, Fred, arbejder som kameramand inde i operahuset, da
gassen breder sig. For øjnene af tv-seerne i hele landet dør mange hundrede
mennesker, og fra transmissionsvognen1 oplever faderen sin egen søns død.
I den følgende tekst fortæller han om sit liv med Fred og om sit forsøg på
at finde terrorgruppen.
1transmissionsvogn
Sendewagen m
− Kurt Frasers Beziehung zu Fred und Karl und sein Erlebnis von dem
Tod der beiden.
3. Beantworte eine von den folgenden Aufgaben:
a. Charakterisiere die beiden Elternpaare.
b. Kommentiere die Ideen der Terrorgruppe.
c. Können Fred und Karl als Repräsentanten der heutigen Jugend
gelten? Begründe Deine Auffassung.
d. Diskutiere die Rolle der Medien im Zusammenhang mit dem
Terrorismus in unserer Zeit.
Afleveres den
Fred ist in London geboren, wo ich damals arbeitete und mit Heather verheiratet war. Als Kind hat er Heather und mich oft streiten gehört. Es ging
vor allem um ihn. Fred war kein Wunschkind, und der Alltag mit ihm war
für uns schwierig. Besonders als Heather wieder zu arbeiten begann. Sie
 war beim Hörfunk der BBC, ich arbeitete in der Dokumentationsabteilung
des Fernsehens.
Eine bestimmte Erinnerung verfolgt mich: Der kleine Bub in London.
Wie er mit der Schultasche vor unserem Haus in der Talbot Road auf den
Eingangsstufen saß. Stundenlang. Um zwei Uhr hätte ich zu Hause sein
 sollen, aber ich kam erst nach fünf. Ich hatte ihn vergessen. Fred saß da in
seinem gelben Regenmantel. Er sah mich an, als würde er mich nicht kennen. Er verweigerte mir die Hand. Ich entschuldigte mich hunderttausendmal bei ihm. Er wollte mir nicht ins Haus folgen. Ich trug ihn hinein
und setzte ihn auf das Sofa. Er blieb den ganzen Abend lang ein stummes
 Kind.
Als ich ihn später auszog und zu Bett brachte, sagte ich, er solle sich etwas wünschen. Alles hätte er haben können. Er sah mich an und begann zu
weinen. Ich streichelte ihn, bis er einschlief.
Als Heather in der Nacht nach Hause kam, gutgelaunt und ein wenig beschwipst, erzählte ich ihr, was geschehen war. Sie tobte. »Einmal in der
Woche«, schrie sie mich an. »Nur einmal. Und das vergißt du!« Fred wachte
auf und fing wieder an zu weinen.
Ein paar Jahre später ließen wir uns scheiden. Fred war bei Heather im
Haus geblieben. Ich war mittlerweile Kriegsreporter der BBC und selten in
1
 London. Ich zahlte Alimente , ich zahlte immer noch für das Haus in der
Talbot Road, aber ich hatte zu Heather und Fred keinen Kontakt. Bis
Heather mich eines Tages anrief:
»Ich will dir nur mitteilen, daß dein Sohn die High-School längst abgebrochen hat und heroinsüchtig ist.«
Ich wollte Fred treffen, aber Heather wußte nicht, wo er sich herumtrieb.

Sie sagte: »Gelegentlich kommt er vorbei, um mich auszuplündern.« Zuletzt
nannte sie mir einen Nachmittag, an dem Fred kommen wollte.
In der Nacht vor diesem Treffen wachte ich jede Stunde auf. Meine
Angst zu versagen hielt mich wach. Um halb sieben Uhr in der Früh gab
 ich es auf, noch Schlaf zu finden. Ich ging ins Wohnzimmer und schaltete
das Fernsehen ein. Auf dem Bildschirm gab es nur mehr ein Thema: Der
Golfkrieg war ausgebrochen. Zwei Stunden später saß ich im Flugzeug
nach Saudi-Arabien.

Als ich nach fünf Wochen zurückkam, befand sich Fred in einer Londoner
 Privatklinik für Drogenabhängige. Die Klinik war sehr teuer, und Fred war
ein schwieriger Fall, es würde lange dauern. Ich besuchte ihn jeden Abend
und bezahlte natürlich seinen Aufenthalt in der Klinik. Meist fand ich ihn
in einem trostlosen Zustand. Er lag mit Tennisschuhen auf seinem Bett,
rundherum alles voller Asche. Blitzschnell sprang er auf und sagte, ich solle
 sofort verschwinden, hier sei es viel zu gefährlich für mich. Er wurde von
der Vorstellung geplagt, man habe ihn in ein Konzentrationslager gesperrt,
wo er gefährlichen Strahlen ausgesetzt sei. Manchmal vermutete er, ich
arbeite mit den als Ärzten verkleideten Wärtern zusammen und sei ein Teil
der Verschwörung.
Langsam ging es aber Fred besser, und zuletzt konnte er die Klinik ver
lassen. Gleichzeitig bekam ich ein verlockendes Angebot des österreichischen Fernsehens, in Wien zu arbeiten. Es gelang mir, Heather zu überzeu1
Alimente pl underholdsbidrag
gen, daß Fred mit mir nach Wien ziehen sollte. Meinem neuen Chef stellte
ich die Bedingung, daß Fred in meinem Team einen Job als Kameramann
 bekomme. Diese Bedingung wurde ohne weiteres akzeptiert.
In Wien kamen Fred und ich gut miteinander zurecht. Ich verschaffte
ihm eine eigene Wohnung. Wir sahen uns manchmal, auch in der Kantine.
Beruflich war er gut vorangekommen. Seine Arbeit nahm er aber nicht
ernst. Er lachte darüber. Wenn ich von meinen Erlebnissen als Kriegsre porter erzählte und zu ernst wurde, kamen von Fred kleine Bemerkungen:
»Warum sind bloß die anderen nicht so clever wie du?« Oder: »Überlebst du
auch dieses Mal?«
Dann kam der Terroranschlag auf den Opernball. Fred war unter den Ermordeten. Wir alle sahen zu und konnten nichts tun. Ich habe im Band material die letzten Sekunden von Freds Leben gefunden. Einen Monat
lang habe ich sie in allen Einzelheiten studiert, wieder und wieder. Wenn
die Tränen ausblieben, hielt ich es für einen Verrat. Ich hörte dann Eric
Claptons »Tears in Heaven« und konnte wieder weinen. Einen Monat lang
habe ich mir angehört, was um 22.58:57 Uhr aus einem Mikrophon
 kommt, das direkt vor Kamera 5 angebracht war: Freds Todesschrei.
Ich faßte den Entschluß, die Terrorgruppe zu finden. Die Polizei hatte
mehr oder weniger aufgegeben. Ich wollte herausfinden, wie solche Menschen denken. In den Zeitungen waren Fotos von einem jungen Mann,
Karl Feilböck, abgedruckt, der in der Gruppe »der Ingenieur« genannt
 wurde und völlig normal aussah. Er war seit dem Opernballanschlag vermißt. Ich suchte seine Eltern auf. Sie wohnten in einem bescheidenen, kleinen Haus. Zuerst wollten sie nichts mit mir zu tun haben und brüllten mich
an: »Karl hat mit dem Opernballanschlag nichts zu tun!« Es gelang mir
doch, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, und als ich ihnen erzählte, daß
 ich meinen Sohn bei der Katastrophe verloren habe, ließen sie mich ein.
Die Mutter weinte: »Karl ist ein anständiger Mensch, nur leider in
schlechte Gesellschaft geraten«. Ihr Mann suchte sie zu beruhigen: »Wir
haben keine Ahnung gehabt, daß Karl mit diesen Terroristen zu tun hat. Er
wollte die Ausländer loswerden. Aber das ist ja nicht unanständig, das will
 ich auch. Schauen Sie sich um da draußen. Man hört kein deutsches Wort
mehr.« Die Mutter sah mich bittend an. »Können Sie Karl finden? Bitte,
finden Sie ihn.« Sie sah ihren Mann fragend an. Er zögerte. »Sie gehen
nicht zur Polizei?« fragte er. »Nein«, sagte ich. Dann nickte er, und sie holte
einen Zettel. »Ich habe diese Adresse in einer Jackentasche von Karl gefun den«, sagte sie. Es war eine Adresse auf Mallorca.
Am nächsten Tag war ich da. Das Haus lag sehr einsam und wirkte leer.
Ich trat hinein und kam in einen großen Raum. Auf einem Tisch standen
benutzte Gläser und eine Teekanne. Die Teekanne war noch warm. Plötzlich hörte ich hinter mir die Worte: »Hände hoch und nicht umdrehen!« Ich
 gehorchte.
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
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Wie ich überhaupt mit Karl ins Gespräch kam und ihn dazu brachte, mir
seine Geschichte zu erzählen, weiß ich heute nicht. Auf jeden Fall befahl er
mir, mich hinzusetzen, mein Tonbandgerät einzuschalten und ihm den
Rücken zuzukehren. Während er erzählte, hielt er den Revolver gegen meinen Nacken gerichtet.
Ich erfuhr folgendes:
Als Karl die Terrorgruppe kennenlernte, war er mit seiner Ausbildung
gerade fertig geworden und hatte als technischer Zeichner bei einer Baufirma zu arbeiten begonnen. Eines Tages kam es zu einem großen Krach
zwischen einigen ausländischen Arbeitern und zwei Bauarbeitern, mit denen er sich ein bißchen befreundet hatte. Nachher saß er mit den beiden
zusammen und trank ein Bier, und der eine sagte: »Das nächste Mal wird
das gesamte Pack ausgeräuchert.« Karl verstand nicht, was er meinte. »Jede
Kultur hat das Recht auf ungestörte Entwicklung, jede Kultur hat das
Recht auf Reinheit«, fuhr er fort und sah Karl bedeutungsvoll an. Und
dann erzählten sie ihm von ihrer Gruppe und ihrem Leiter, der der klügste
und größte Mensch der Welt war, der Retter der Menschheit. Die Wochenenden verbrachte die Gruppe in einem verlassenen Landhaus, wo sie
Aktionen plante, Bier trank und Revolverschießen übte. Ein paar Wochen
später wurde Karl von den beiden aufgefordert, in der Gruppe mitzumachen, natürlich erst nachdem der Leiter zugesagt hatte.
Die Begegnung mit dem Leiter änderte Karls Leben. Es wurde ihm klar,
daß er sich von seinem »gewöhnlichen Leben« entfernen mußte. Er mußte
mithelfen, die westliche Kultur zu retten, sein Leben hatte jetzt einen Sinn
bekommen. Seine Eltern sah er kaum mehr, seine Freundin machte mit
ihm Schluß, weil er übers Wochenende immer weg war und ihr nicht sagen
durfte, wo er war. Die Aktionen der Gruppe bestanden hauptsächlich darin, Ausländer zu provozieren, damit sie gewalttätig reagierten und zusam-
mengeschlagen werden konnten. Alle Aktionen wurden von dem Leiter
theoretisch begründet, genau geplant und von allen Mitgliedern bedingungslos akzeptiert. Es gelang ihnen meistens, von der Polizei unentdeckt
zu bleiben. Jedenfalls fehlten Beweise gegen sie.
Nach ein paar Jahren begann die Gruppe aber irgendwie auseinanderzufallen. Oft war der Leiter monatelang einfach verschwunden, und man
 wußte in der Gruppe dann nicht, was man anfangen sollte. Streitigkeiten
kamen auf, es fehlte zu oft das Gefühl, für das gemeinsame, hohe Ziel zu
kämpfen. Und dann dieser Befehl, die Opernballgäste zu töten, den niemand verstand. Der Befehl war auf mystische Weise zu ihnen gekommen.
Nach der Aktion befand sich Karl mitten im Chaos auf dem Opernplatz. Es
 gelang ihm zu fliehen, die Adresse auf Mallorca hatte ihm einmal der Leiter
gegeben. Als er aber hinkam, war das Haus leer. Der Leiter war nicht da.

Während des letzten Teils seines langen Berichts war Karl aufgestanden
und ging hinter meinem Rücken unruhig hin und her. Seine Stimme war
heiser geworden. Sehen konnte ich ihn nicht. Wenn ich versuchte, mich
 umzudrehen, schrie er mich an. Zuletzt war seine Stimme fast unhörbar.
Ich hörte undeutlich Worte wie: »Ich habe keine Geschichte, seine Geschichte ist meine Geschichte. Aber er ist weg, es ist aus.«
Dann schickte er mich nach oben. Ich hörte ihn unten herumlaufen,
dann wurde es ruhig. Später hörte ich ihn weinen. Zuletzt schlief ich ein.
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Als mich der Schuß aus dem Schlaf schreckte, war mein erster Gedanke:
Jetzt ist es aus mit mir. Jetzt macht er Ernst. Aber dann hörte ich ihn unten
herumschlagen. Irgendwelche Gegenstände fielen vom Tisch. Ich hörte ein
Stöhnen. Es wurde leiser. Am Schluß war ein Krächzen zu hören, das sich
genau wie Freds Todesschrei anhörte.
(Nach Josef Haslinger: Opernball. Fischer Verlag 1995)