Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht Die Fallfrage
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Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht Die Fallfrage
Aufrechnung, Abtretung (Fall 26) Sachverhalt V hat gegen K einen Kaufpreiszahlungsanspruch in Höhe von € 8.000,00. Dem K stand bereits seit längerer Zeit gegen V eine Werklohnforderung in gleicher Höhe zu. Nachdem hinsichtlich dieser Forderung im Mai 2001 Verjährung eingetreten ist, mahnt V die Kaufpreiszahlung bei K an. Dieser verweigert die Auszahlung mit Blick auf seine Gegenforderung. Als V insolvent wird, erklärt K gegenüber dem vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter, dass beide Forderungen miteinander verrechnet werden. Kann der Verwalter die Kaufpreisforderung geltend machen? Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht Übung Einheit 6: Aufrechnung, Abtretung Verbraucherschützende Widerrufsrechte Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 2 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Aufrechnung, Abtretung (Fall 26) Exkurs: Das Insolvenzverfahren Abwandlung: Wie wäre es, wenn V die Kaufpreisforderung vor seiner Insolvenz an seine Hausbank B zur Sicherung eines Kredites abgetreten hätte und nunmehr die Bank Zahlung von K verlangt? Ökonomischer Zweck des Insolvenzverfahrens: „Grenzanbieter“ vom Markt nehmen Das Insolvenzverfahren wird in Deutschland durch die Insolvenzordnung (InsO) [in USA „Chapter 11“, Verfahren greift deutlich früher ein] geregelt: § 1 Ziele des Insolvenzverfahrens 1Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. 2Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 3 Die Fallfrage Exkurs: Der Insolvenzverwalter Grundlegende Regelung in § 80 InsO: § 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. (…) =>Insolvenzverwalter tritt faktisch und rechtlich in die Rechtsstellung des Schuldners ein =>Damit geht das Recht, Forderungen geltend zu machen, auf ihn über Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 4 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 5 Kann der Verwalter die Kaufpreisforderung geltend machen? Ja, wenn Insolvenzverfahren über das Vermögen des V eröffnet wurde und eine entsprechende Forderung des V auch bestand. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 6 1 Forderung des V gegen K Forderung des V gegen K Anspruchsgrundlage: § 433 Abs. 2 BGB I. Vertrag geschlossen? Voraussetzungen für Zahlungsanspruch: Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? Laut Sachverhalt besteht ein Kaufpreisanspruch des V gegen K. Wiederholung Anspruch aus Vertrag: I. Vertrag geschlossen? II. Vertrag wirksam? III. Vertrag durchsetzbar? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 7 Forderung des V gegen K Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 8 Forderung des V gegen K II. Aber: Anspruch erloschen? Voraussetzung der Aufrechnung, §§ 387 f. Möglicher Erlöschungsgrund: Aufrechnung gem. § 389 BGB Aufrechnungslage und Aufrechnungserklärung Dafür müssten aber die Voraussetzungen einer Aufrechnung vorliegen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 9 Forderung des V gegen K Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 10 Forderung des V gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage, § 387 BGB § 387 Voraussetzungen Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Also: • Gleichartige Forderungen und • Aufrechnender muss Leistung fordern können (= Fälligkeit) und • seine eigene Leistung bewirken können (=Erfüllbarkeit) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 11 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 12 2 Forderung des V gegen K Forderung des V gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage, § 387 BGB Hier: Gleichartige Forderungen? Hier: Kann K seine eigene Leistungsverpflichtung bewirken? Ja, denn im Zweifel kann K seine Leistung sofort bewirken (§ 271 BGB) Ja, da beide auf Geld gerichtet sind. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 13 Forderung des V gegen K Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 14 Forderung des V gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage, § 387 BGB Hier: Kann K als Aufrechnender seine Leistung (= € 8.000,-) fordern? Ja, denn Werkvertragsforderung aus § 631 BGB ist entstanden und auch fällig. Aber: Auschluß nach § 390 BGB? Ja, wenn Forderung mit Einrede behaftet ist. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 15 Forderung des V gegen K Hier Einrede der Verjährung gem. § 214 BGB? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 16 Forderung des V gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage, § 387 BGB Anspruch ist im März 2001 verjährt, damit nach § 390 BGB eigentlich keine Aufrechnung möglich. Aber: Rückausnahme nach § 215 BGB? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 17 Aufrechnung ist trotz Verjährung möglich, soweit der Anspruch noch nicht verjährt war, als zum ersten Mal aufgerechnet werden konnte. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 18 3 Forderung des V gegen K Forderung des V gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungserklärung, § 388 BGB Hier konnte K schon vor der Verjährung aufrechnen, insofern ist Aufrechnung gem. § 215 BGB trotz § 390 BGB möglich. Die Aufrechnung wurde durch K auch gegenüber dem Insolvenzverwalter erklärt. Dieser kann die Erklärung für V gem. § 80 InsO wirksam entgegennehmen. 19 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Ergebnis 20 Aufrechnung, Abtretung (Fall 26) Damit ist die Forderung des V durch die Aufrechnung des K gem. § 389 BGB erloschen. Somit kann der Insolvenzverwalter die Forderung auch nicht geltend machen. 21 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Die Fallfrage Abwandlung: Wie wäre es, wenn V die Kaufpreisforderung vor seiner Insolvenz an seine Hausbank B zur Sicherung eines Kredites abgetreten hätte und nunmehr die Bank Zahlung von K verlangt? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 22 Forderung des V gegen K Kann die Bank (B) Zahlung von K verlangen? Laut Sachverhalt besteht ein Kaufpreisanspruch des V gegen K. Ja, wenn ursprünglich eine Kaufpreisforderung von V gegen K bestand und diese durch V wirksam an B abgetreten wurde. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 23 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 24 4 Abtretung der Forderung von V an B Wirkung der Abtretung: Forderung geht auf einen neuen Gläubiger über (§ 398 BGB) Voraussetzungen: • Abtretender muss Forderungsinhaber sein • Abtretung muss vereinbart werden • Abtretung darf nicht gem. §§ 399 ff. BGB ausgeschlossen sein Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 25 Abtretung der Forderung von V an B V als Forderungsinhaber? Hier ist V Inhaber der Kaufpreisforderung gegen K (s.o.). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 26 Abtretung der Forderung von V an B Abtretungserklärung („durch Vertrag“)? Abtretung der Forderung von V an B Abtretungserklärung („durch Vertrag“)? Hier hat V seine Forderung auch an B durch Vertrag abgetreten. Hier hat V seine Forderung auch an B durch Vertrag abgetreten. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 27 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 28 Abtretung der Forderung von V an B Ausschluss der Abtretung? Aber: Anspruch erloschen? Hier ist die Abtretung auch nicht gem. §§ 399 ff. BGB ausgeschlossen. Möglicher Erlöschungsgrund: Aufrechnung durch K gem. § 389 BGB Forderung der B gegen K Dafür müssten aber die Voraussetzungen einer Aufrechnung vorliegen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 29 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 30 5 Forderung des B gegen K Forderung der B gegen K Voraussetzung der Aufrechnung, §§ 387 f. Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage und Aufrechnungserklärung • • • Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 31 Forderung der B gegen K Gleichartige Forderungen und Aufrechnender muss Leistung fordern können (= Fälligkeit) und seine eigene Leistung bewirken können (=Erfüllbarkeit) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 32 Forderung der B gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage, § 387 BGB Hier: Gleichartige Forderungen? Hier: Kann K seine eigene Leistungsverpflichtung bewirken? Ja, denn im Zweifel kann K seine Leistung sofort bewirken (§ 271 BGB) Ja, da beide auf Geld gerichtet sind. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 33 Forderung der B gegen K Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 34 Forderung des V gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Aufrechnungslage, § 387 BGB Hier: Kann K als Aufrechnender seine Leistung (= € 8.000,-) von B fordern? Nein, denn Forderung des K richtet sich weiterhin gegen V. Aber: K als Schuldner der Kaufpreisforderung, der an ihrer Abtretung nicht beteiligt ist, darf durch diese Abtretung vernünftigerweise keine Nachteile erleiden. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 35 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 36 6 Forderung des V gegen K Forderung der B gegen K Aufrechnungslage, § 387 BGB Deswegen: Regelung des § 406 BGB Trotz fehlender Gegenseitigkeit ist die Aufrechnung auch gegenüber dem neuen Gläubiger der Hauptforderung, also der B gegenüber, zulässig, da die Gegenforderung bei K bereits vor der Abtretung entstanden und fällig geworden war. 37 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Die Aufrechnung wurde durch K gegenüber der B auch erklärt. 38 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Verbraucherschützende Widerrufsrechte (Fall 27) Ergebnis Damit ist die Forderung der B durch die Aufrechnung des K auch hier gem. § 389 BGB erloschen. Somit kann die Bank B keine Zahlung von K verlangen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Aufrechnungserklärung, § 388 BGB 39 V bewohnt mit seiner berufstätigen Ehefrau eine Eigentumswohnung in Hamburg. Seit einiger Zeit klagt er über Atemnot. Als er im monatlichen Journal „Der Putzteufel“ liest, dass aufgrund von Feuchtigkeit entstehende Schimmelbelastung in der Luft zu Atemwegserkrankungen führen kann, ruft er das auf Raumluftmessungen spezialisierte Unternehmen U an, um sich weiter zu informieren. Anlässlich des Telefonats schlägt U vor, dass er sich die Sache vor Ort einmal ansehen könne. V willigt ein. Anlässlich des Ortstermins teilt U mit, dass zur Ermittlung der weiter erforderlichen Maßnahmen zunächst eine Analyse der Raumluft und Feuchtigkeit erforderlich sei. Im Einverständnis mit V führt er diverse Messungen durch. Zwei Wochen später erhält V eine Rechnung über € 3.200,00. V ist entsetzt. Als er beim Blick auf einen vollen Aschenbecher und zwei leere Schachteln „Camel ohne“ erkennt, dass seine Atemnot andere Gründe haben könnte, fragt er sich, ob er die Rechnung des U bezahlen muss. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 40 Die Fallfrage Aufrechnung, Abtretung (Fall 26) Abwandlung: V bestellt auf der Homepage des U ein spezielles Reinigungsmittel für Schimmelflecken. Die Homepage und die anschließende Bestätigungsmail enthält keine Belehrung über etwaiger Widerrufs- oder Rückgaberechte. Nachdem das Reinigungsmittel beim V vier Wochen ungenutzt herumliegt, schreibt V dem U eine E-Mail, in der er den Vertrag widerruft und den Kaufpreis zurückverlangt. Muss V die Rechnung des U bezahlen? Muss U den Kaufpreis erstatten? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 41 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 42 7 Anspruch des U gegen V Forderung des U gegen V I. Vertrag geschlossen? Anspruchsgrundlage: § 631 BGB Voraussetzungen für Zahlungsanspruch: Liegt ein wirksamer Werkvertrag vor? 1. Vertragsschluss durch Telefonat des U und V? Wohl eher nicht, da lediglich Anfrage und keine Vereinbarung über die Erbringung einer Leistung seitens des U. Wiederholung Anspruch aus Vertrag: I. Vertrag geschlossen? II. Vertrag wirksam? III. Vertrag durchsetzbar? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 43 Forderung des U gegen V Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 44 Forderung des U gegen V I. Vertrag geschlossen? II. Aber: Hier Widerruf der WE? 2. Vertragschluss im anschließenden Gespräch in der Wohnung des V? Gem. § 355 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Verbraucher an eine Willenserklärung nicht mehr gebunden, soweit ihm durch ein Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt ist und er die Willenserklärung fristgemäß widerrufen hat. Hier einigten sich V und U über die Durchführung von diversen Messungen und Ist-Analysen. Wegen der Erfolgsabhängigkeit liegt ein Werkvertrag vor. Anmerkung: Es schadet nicht, dass U und V nicht über eine Vergütung gesprochen haben. Eine übliche Vergütung gilt nämlich gem. § 632 Abs. 1 BGB als vereinbart. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 45 Forderung des U gegen V Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Forderung des U gegen V II. Aber: Hier Widerruf der WE? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Ist V hier Verbraucher? Ist V hier Verbraucher? Nach § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtgeschäft abschließt, was weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Hier ist V eine natürliche Person und verfolgt durch die Raumluftmessung durch U weder gewerbliche noch selbständige berufliche Zwecke, sondern tritt als Privatperson auf. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 46 47 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 48 8 Forderung des U gegen V Forderung des U gegen V II. Aber: Hier Widerruf der WE? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? § 312 Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften Hier möglicherweise Widerrufsrecht wegen eines Haustürgeschäfts gem. § 312 BGB. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft (1) Bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher 1. durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung, (…) bestimmt worden ist (Haustürgeschäft), steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu. 49 Forderung des U gegen V Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 50 Forderung des U gegen V II. Aber: Hier Widerruf der WE? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? Hier ist V Verbraucher (s.o.) und U Unternehmer gem. § 14 BGB. Aber: Ausnahme gem. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB? (…) (3) Das Widerrufs- oder Rückgaberecht besteht unbeschadet anderer Vorschriften nicht bei Versicherungsverträgen oder wenn 1. im Falle von Absatz 1 Nr. 1 die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluss des Vertrags beruht, auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind oder (…) Auch wurde der Vertragsschluss in dem Bereich der Privatwohnung des V veranlasst. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 51 Forderung des U gegen V Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 52 Forderung des U gegen V II. Aber: Hier Widerruf der WE? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? Kann V hier seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen? Aber: Ausnahme gem. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB? Frist gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB: 2 Wochen Hier hat V den Besuch durch U zwar am Telefon „bestellt“, aber V hat den U nicht für „Vertragsverhandlungen“ bestellt. Somit greift § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht. Aber: Frist beginnt nach § 355 Abs. 2 BGB erst dann zu laufen, wenn Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Dies ist hier nicht geschehen. Damit ist ein Widerruf des V noch fristgerecht möglich. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 53 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 54 9 Ergebnis Aufrechnung, Abtretung (Fall 26) Damit braucht V hier die Rechnung des U nicht zu bezahlen, sofern er seine Willenserklärung widerruft. Abwandlung: V bestellt auf der Homepage des U ein spezielles Reinigungsmittel für Schimmelflecken. Die Homepage und die anschließende Bestätigungsmail enthält keine Belehrung über etwaiger Widerrufs- oder Rückgaberechte. Nachdem das Reinigungsmittel beim V vier Wochen ungenutzt herumliegt, schreibt V dem U eine E-Mail, in der er den Vertrag widerruft und den Kaufpreis zurückverlangt. Muss U den Kaufpreis erstatten? 55 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Die Fallfrage Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 56 Anspruch des V gegen U Anspruchsgrundlage: § 346 i.V.m. §§ 355, 357 BGB Muss U den Kaufpreis erstatten? Voraussetzungen: Vertrag muss geschlossen und danach wirksam widerrufen worden sein. Als Rechtsfolge sind dann nach § 346 BGB „bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren.“ Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 57 Anspruch des V gegen U Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 58 Forderung des U gegen V I. Vertrag geschlossen? II. Wirksamer Widerruf durch V? Hier Kaufvertrag? Gem. § 355 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Verbraucher an eine Willenserklärung nicht mehr gebunden, soweit ihm durch ein Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt ist und er die Willenserklärung fristgemäß widerrufen hat. Voraussetzung: Zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegeben Willenserklärungen. Bestellung des V auf der Homepage des U stellt ein Angebot dar. Spätestens durch die Zusendung des Reinigungsmittel hat U dieses Angebot konkludent angenommen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 59 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 60 10 Forderung des U gegen V Forderung des U gegen V II. Wirksamer Widerruf durch V? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Ist V hier Verbraucher? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? Nach § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtgeschäft abschließt, was weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Hier Widerrufsrecht gem. § 312d Abs. 1 S. 1 BGB? Voraussetzung: Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312 b BGB Ja, denn die Bestellung ist hat V in seiner Eigenschaft als Privatperson ausgeführt. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 61 Forderung des U gegen V Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 62 Forderung des U gegen V II. Aber: Hier Widerruf der WE? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? Wurde hier V durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt? § 312b Fernabsatzverträge (1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass (…) (2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 63 Forderung des U gegen V Hier wurde der Vertrag zwischen U und V „in der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ abgeschlossen. Auch handelt es sich um einen Vertrag über die Lieferung von Waren. Damit besteht grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 64 Forderung des U gegen V II. Aber: Hier Widerruf der WE? II. Aber: Hier Widerruf der WE? Hat V hier seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen? Damit war ein Widerruf des V noch fristgerecht möglich. Frist gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB: 2 Wochen Der Widerruf kann nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB in „Textform“ erfolgen. Eine E-Mail erfüllt die Voraussetzungen der „Textform“ gem. § 126 b BGB. Aber: Frist beginnt nach § 355 Abs. 2 BGB erst dann zu laufen, wenn Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Dies ist hier nicht geschehen. Somit hat V seine Erklärung wirksam widerrufen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 65 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 66 11 Ergebnis Damit kann V hier den Vertrag wirksam widerrufen. Gem. § 357 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB sind dann als Rechtsfolge bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren, d.h. ein durch V bereits gezahlter Kaufpreis von U zurückzuzahlen. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 67 12