Die sChönsten staDien

Transcrição

Die sChönsten staDien
A n dr eas Bock Alexa n de r Gutzm e r Be nja m i n Kuh lh of f
★ ★ ★
fussball
wunder
bauten
★ ★ ★
die schönsten stadien
und ihre
geschichten
Champions League
SIGNAL IDUNA PARK
bernabÉu
anfield
maracanÃ
allianz arena
e r st e l i g a
san siro
camp nou
aztekenstadion
la bombonera
azadi
old trafford
celtic park
olympiastadion
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VELTINS - arena
emirates
ü b e rr a s c h u n g s e r f o l g e
craven cottage
braga
tomÁs adolfo ducÓ
im Interview: Günter Netzer, Volkwin Marg, Campino und viele mehr
m it Fotos von Re i n a ld o Codd ou H. Un d a n de re n
i n h a lt
i n h a lt
ChampionsLeague
★ ★ ★
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signal iduna park
bernabÉu
anfield
maracanÃ
allianz arena
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Dortmund
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Madrid
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Rio de Janeiro
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e r st e l i g a
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san siro
camp nou
aztekenstadion
la bombonera
Istanbul
Gelsenkirchen
London
★
Barcelona
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Mexiko-Stadt
Buenos Aires
6
Berlin
überraschungserfolge
Mailand
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Glasgow
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★ ★
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Manchester
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München
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Teheran
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Liverpool
Seite 52
azadi
old trafford
celtic park
olympiastadion
inönü
Veltins-arena
emirates
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Estadio municipal de Braga
craven cottage
tomÁs adolfo ducÓ
Seite 172
London
Seite 180
Buenos Aires
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Braga
Interview
Kessel voller
Hysterie
Volkwin Marg ist der wohl
bekannteste Stadionarchitekt
Deutschlands. Sonja Fuss ist
ebenfalls Architektin – und wurde
mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft Fußball-Weltmeister.
Ein Expertengespräch über Stadien
und gebaute Emotionen
Interview
Herr Marg, wie kamen Sie zum
Stadionbau?
Volkwin Marg: Unser erster Wettbewerbsbeitrag galt den Olympischen Spielen 1972. In unserem Büro kursierten
zwei unterschiedliche Entwürfe. Einer
setzte vor allem auf Zeltstrukturen.
Meinhard (von Gerkan) und ich hielten
das für zu gewagt. So kann man sich irren. Am Ende haben so ziemlich alle am
Wettbewerb beteiligten Architekten für
die Spiele gebaut, nur wir nicht.
Hätten Sie es besser gekonnt als Frei
Otto und Günther Behnisch?
V M: Nein, das Resultat ist natürlich
bis heute unerreicht: das Münchner
Olympia-Gelände ist die wohl schönste
Choreographie der Bewegung von Menschenmassen. Die Jugend der Welt wogt
frei umher – geführt von Otl Eicher.
Aber als Fußballstadion war das
Olympiastadion immer ohne Atmosphäre.
V M: Das Stadion war sehr geeignet, um
darin Fußball zu spielen. Aber es hysterisiert die Massen nicht stimmungsmäßig,
ist kein Hysteriekessel. Man schaut aus
der Höhe heraus in die Weite.
Frau Fuss, wie macht man das als
Architekt besser?
Sonja Fuss: Vor allem erzeugt die Architektur des Stadions Emotionen für
Sportler und Besucher. Dabei können
viele architektonische Aspekte eine Rolle
spielen. Das fängt beim Tragwerk an,
geht über die Tribünengestaltung, die
Akustik, die Farbgestaltung bis zur Wegeführung. Sogar die Wahl der Materialien kann Einfluss nehmen. Ein wahnsinnig spannender und herausfordernder
Entwurfsbereich.
V M: Gerade die Akustik wird unterschätzt. Tribünendächer etwa dienen ja
nicht nur dem Witterungsschutz. Sie
sind vor allem Schalldeckel, wie über der
Kanzel in Kirchen.
Dazu braucht es optische Dichte, die
möglichst absolute Geschlossenheit, was
Selbstinszenierungen wie »La Ola« befördert.
S F: Je steiler die Ränge, je mehr Dramatik eine neue Architektur für mich als
Sportler erzeugt, desto stärker empfinde
ich auch die Aura eines Stadions. In guten Arenen muss man sich wie in einem
Hexenkessel fühlen. Dann schafft man
für den Sportler eine aufregende Atmosphäre. Man muss sich fühlen wie ein
Gladiator.
V M: Sehr wichtig auch: das Licht. Fußballspiele werden am besten bei Nacht
angeschaut. Künstliches Licht macht aus
einem Stadion eine hermetisch abgeschlossene Arena.
Volkwin Marg
Wie hat sich die Beleuchtung von
Stadien verändert?
V M: Illuminiert wird heute nicht mehr
nur das Spiel. Alte Flutlichtmasten beleuchteten lediglich die Spieler, und zwar
kreuzweise. Heute bringt man Beleuchtungssysteme am Stadiondachrand an.
Diese leuchten alles schattenfrei aus –
vor allem auch die Zuschauer. Und Licht
wird dynamisiert. In Berlin etwa macht
die Beleuchtung die Welle mit.
Volkwin
Marg
ist Gründungspartner
des international agierenden Architekturbüros gmp von Gerkan,
Marg und Partner. Er
wurde 1936 in Königsberg/Ostpreußen geboren und war von 1980
bis 1985 Präsident des
Bundes Deutscher Architekten BDA. 1986
übernahm er einen
Lehrstuhl für Stadtbereichsplanung und
Werklehre an der
RWTH Aachen. Marg
ist Mitglied der Deutschen Akademie für
Städtebau und Landesplanung und der Freien
Akademie der Künste
zu Hamburg, 2007. Er
ist Träger des Bundesverdienstkreuzes.
Ansonsten aber wirkt Ihr Berliner
Stadionbau nicht übermäßig
»geschlossen«.
V M: Es war unsere Grundidee, das Stadion zum Reichsportfeld offen zu gestalten. Das Olympiastadion ist ein Mittelding zwischen Denkmalschutz, Fußballarena und einer Mehrzwecknutzung.
S F: Dennoch: Historisch geprägte Stadien wie das Olympiastadion bringen
noch mal einen ganz besonders ehrfurchterregenden Aspekt für mich mit.
Welche Entwicklungen sind im Stadionbau momentan zu beobachten?
V M: Der Trend geht hin zum Konsumtempel. Ich bedaure das. Vor allem,
weil durch den Konsumfokus die sozialen Unterschiede immer mehr betont
werden.
Frau Fuss, wie würden Sie die Aura
von Fußballstadien beschreiben?
S F: Ich denke, dass jeder Stadionbau
seine eigene Aura entwickelt. Für mich
als Sportlerin, für einen Fan, aber auch
für den objektiven Betrachter. Eine Aura
entsteht durch Emotionen. Für mich als
Fußballerin und auch generell für Sportler ist die Sache vielleicht noch einen
Tick emotionaler.
V M: Die Hauptfunktion eines Fußballstadions liegt darin, das Publikum in einen Bann mit sich selbst zu schlagen.
Interview:
Alexander Gutzmer
14
»Bei rhythmischem Klatschen
im Stadion läuft
mir noch immer
ein Schauer über
den Rücken und
ich gucke nach
dem Ausgang.«
War das früher anders?
V M: Bei den paramilitärischen Spielen
der Griechen waren alle gleich. Während
der Spiele herrschte sogar Waffenstillstand – der Krieg zwischen den Stadtstaaten wurde ins Stadion verlagert.
Diese Leistungsschau der Stadtstaaten
wurde dann aber von den Römern abgelöst.
V M: Da ging es um die Ruhigstellung
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Interview
»In guten Arenen
muss man sich
wie in einem
Hexenkessel
fühlen. Man muss
sich fühlen wie
ein Gladiator.«
Sonja Fuss
Sonja
Fuss
ist ehemalige FußballNationalspielerin und
studierte Architektin.
Die 1978 in Bonn geborene Fuss verbrachte
den größten Teil ihrer
Karriere beim SV
Grün-Weiß Brauweiler,
der sich im Jahr 2000
in den FFC Brauweiler
Pulheim 2000 umbenannte. Als Studentin
spielte sie zwischenzeitig für das Team der
Hartford University im
US-Bundesstaat Connecticut. 2003 und
2005 wurde die Verteidigerin Fußball-Weltmeister.
der Massen. Es wurden regelrechte Seeschlachten inszeniert. Die römischen
Stadien konnte man fluten. Oft gingen
die Schlachten tödlich aus.
Im Falle von Bayer Leverkusen war ein
Konzern der Bauherr. Oft sind aber
auch Vereine ohne Konzern im Rücken
Bauherren.
V M: Ja, in München etwa taten sich ja
zwei Clubs zusammen. Wobei – die Arena haben sie zusammen gewuppt. Die
gesamte Infrastruktur, die in etwa genauso teuer war, hat die Stadt gebaut.
Eine Idee, die der Absolutismus wieder
aufgegriffen hat ...
V M: Die Spiele sollten das Ancien Régime retten. Nationale Spiele zur Gleichschaltung der Untertanen. Und der große Vordenker war Étienne-Louis Boullée, den man fälschlicherweise immer als
Revolutionsarchitekten sieht. Er schlug
ein Stadion für 300.000 Menschen vor,
mit dem Ziel, diese gleichzuschalten.
Stadionbau und Städtebau hängen eng
zusammen. Bauen wir irgendwann um
Stadien urbane Strukturen herum?
V M: Denkbar ist das. Ich glaube aber
auch, dass wir wieder in der Stadt selbst
bauen werden – da also, wo der Massentransport perfekt ausgebaut ist.
Zurück in die Gegenwart – wie sehen
Stadien künftig aus?
V M: Wir werden immer mehr Spezialstadien für nur noch eine Sportart haben
- Fußball, Radfahren, Schwimmen. Und
der Trend zur sozialen Segregation wird
weitergehen. Unterschieden wird dabei
nicht nach Bildung, sondern nach Konsumverhalten. Uns als Architekten bleibt
nichts anderes, als dieses Bedürfnis zu
bedienen – auch wenn wir diese Entertainment-Kommerzialisierung eigentlich
ablehnen.
Man baut da, wo der Verkehrsinfarkt
sowieso schon Realität ist ...
V M: Das klingt zwar zynisch, ist aber
nicht komplett falsch. Es kommt darauf
an, Fußballspiele antizyklisch zu terminieren.
Gehen Sie selbst zu Fußballspielen?
V M: Man muss nicht krank sein, um
Krankenhäuser zu bauen, und kein Fußballfan, um Stadien zu bauen. Ins Stadion gehe ich vor allem wegen meinem
Enkel. Er fiebert für Manchester United.
Sagen Sie das Ihren Bauherren?
V M: Da lächeln die nur. Überschätzen
Sie nicht die Macht des Architekten.
Gerade Institutionen wie die UEFA oder
die FIFA treten extrem machtbewusst
auf.
Sie selbst hat das Fußballgen nie
angesteckt?
V M: Ich bin nicht der Typ für Massenansammlungen. In negativer Form habe
ich diese reichlich erlebt: In den dreißiger Jahren, dann in den Fünfzigern in
der DDR. Politisch choreografierte
Massentreffen wie das Weltjugendtreffen
der FDJ. Bei rhythmischem Klatschen
im Stadion läuft mir noch immer ein
Schauer über den Rücken, und ich gucke nach dem Ausgang. Der Wissenschaftler Gustave Le Bon hat gezeigt,
warum Menschen auch ein Bedürfnis
nach dem Aufgehen in der Masse haben.
Welche Rolle spielt das Fernsehen?
V M: Eine Hauptrolle. Stadien mit
50.000 Leuten dienen heute nicht zuletzt dazu, die richtige Atmosphäre für
TV-Übertragungen zu liefern. 50.000
Stadionbesucher singen für 50 Millionen
Fernsehzuschauer.
Man müsste sie dafür bezahlen.
V M: Richtig.
Stadien werden zur TV-Kulisse – aber
zugleich immer größer ...
V M: Ja, vor allem in den USA können
wir schon beobachten, wie immer mehr
Verweilanreize durch Zusatzangebote gesetzt werden: Shopping, Gastronomie.
Außerdem werden immer mehr veranstaltungsfremde Funktionen integriert,
etwa ganze Konferenzzentren, die nur
die Aura des leeren Stadions nutzen.
Man sucht die Sakralaura der Masse –
ohne die Masse. 20.000 Quadratmeter
Nebenfläche haben wir in Warschau mitgeplant. Bayer Leverkusen hat früh ein
Hotel ans Stadion angebaut.
Aber solange es beim Fußball bleibt,
ist das doch harmlos.
V M: Auch wenn politische Wachsamkeit wichtig bleibt, haben Sie natürlich
Recht. Außerdem hat das ja auch positive Effekte. Deutschland ist bei der WM
2006 in Stadien seine Minderwertigkeitskomplexe losgeworden. Außerdem
lernen wir über Sport auch das Einhalten
von Regeln.
Das heißt, die Erfahrung des Stadions
beeinflusst die Zuschauer. Anders herum hat der Zuschauer-ArchitekturKomplex auch Auswirkungen auf die
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Spieler. Frau Fuss, haben Stadien Ihre
Karriere beeinflusst?
S F: Hat man einmal Gefallen am Leistungssport gefunden, saugt man natürlich auch die Atmosphäre der Wettkampfstätten ein. Natürlich hat es mich
in meiner Karriere, zusätzlich zu dem
Gewinn eines Wettbewerbs, auch motiviert, die Atmosphäre in einem bestimmten für das Endspiel ausgewählten
Stadion genießen zu können. Solche zusätzlich motivierenden Erlebnisse, auf
die man sich freut, treiben den Ehrgeiz
im Leben eines Sportlers noch weiter an.
Und jetzt arbeiten Sie beide als Architekten an der Schaffung dieser Erfahrungen mit. Herr Marg, welches Ihrer
Stadien gefällt Ihnen am besten?
V M: Schwierig. Die meiste Aufmerksamkeit widmet man natürlich immer
den Problemkindern. Das Warschauer
Nationalstadion zum Beispiel war hoch
komplex: Wir haben auf dem Trümmerschutt des Warschauer Aufstands gebaut.
Da konnte es sein, dass Sie beim Baggern auf Gasmasken stoßen. Das textile
Dach, das geöffnet werden kann, ist das
Erste dieser Art, das die volle Schneelast
trägt. Auch politisch ist es heikel, wenn
Sie als deutsche Firma ein polnisches
Nationalsymbol bauen.
Und über gmp hinaus?
V M: Rein ästhetisch sehr gelungen finde
ich Renzo Pianos San-Nicola-Stadion in
Bari. Seine Offenheit ist konsequent.
Genau damit ist es aber leider als Fußballstadion auch ungeeignet.
Nach Manchester ins Old-TraffordStadion sind Sie aber noch nie mit
Ihrem Enkel gefahren.
V M: Nein, da habe ich bisher gekniffen.
Champions League
dem Gipfel liegt kein Schnee. In 150
Minuten geht es los.
13:00
Logbuch
28.01.2012
13:00
Die Tribüne füllt sich. Wie ein Schwarm
Bienen auf dem Weg zur Arbeit strömen
die BVB-Anhänger auf ihre Plätze. Und
obwohl die Südtribüne ausschließlich
aus frei wählbaren Stehplätzen besteht,
zieht es jeden offenbar auf eine feste Koordinate. Es ist Ende Januar, das erste
Heimspiel des BVB und überall wünschen sich die Menschen ein frohes neues Jahr. Willkommen in der Familie.
15:24
Block 10, Reihe 1: Ganz unten strömen
die letzten Kuttenträger ein. Erkennungszeichen: Jeansweste, SüdtribüneAufnäher, Pils und Kippe. Ein Blick über
die rechte Schulter lässt erste Zweifel am
Projekt »Besteigung« aufkommen. Es ist
kein Beton mehr zu sehen, nur noch
Schwarz und Gelb und Köpfe und
Schals und leuchtende Augen. Für einen
kurzen Moment vernimmt man eine fast
gespentische Ruhe. Es folgt ein festes
Ritual. Stadionsprecher Norbert Dickel
kündigt an: »Und bevor wir die Mannschaftsaufstellung verlesen, kommt wie
immer ›You’ll never walk alone‹!« Wildfremde Menschen nehmen sich in den
Arm, halten den Schal des Nebenmannes, ein Mann names »Lucky« drückt
sich eine Träne aus dem Knopfloch. Man
zwinkert sich wissend zu. Für die nächsten 82 Sekunden spricht die Süd mit einer Stimme: »Walk on!« Gänsehaut.
Messner, Buhl, Bonatti – die großen
Bergsteiger haben die Welt bereits mehrfach von ganz oben gesehen. Wagemutig
kämpften sie sich durch vereiste Steilwände und unwegsame Achttausender
hinauf. Doch einen Aufstieg ließen sie
alle aus: die gelbe Wand im Westfalenstadion zu Dortmund. Und wer schon
einmal vor der menschenleeren Südtribüne stehen durfte, der ahnt, warum die
alpinen Heroen dieses Ungetüm stets gemieden haben. Denn der bloße Anblick
der scheinbar endlosen Stahlbetonkonstruktion, dieser knapp 6.900 Quadratmeter graue Bedrohung, lässt einem
den Atem stocken. Man ahnt, dass hier
schon bald knapp 25.000 Menschen zusammenkommen, um ihre 90-minütige
Party durchzuziehen – ohne Rücksicht
auf Verluste. Die Versuchsanordnung ist
so einfach wie waghalsig: Der Autor will
die Südtribüne während eines Fußballspiels besteigen. Startpunkt ganz unten:
Reihe 1, Block 10. Das Ziel liegt ganz
oben: Block 84, Reihe 140. Hilfsmittel:
keine. Auf Sherpas wurde bewusst verzichtet, es heißt, die »Süd« sei ein Abenteuer, dass man alleine erfahren muss.
Auch das Sauerstoffgerät schaffte es nicht
durch den Security-Check. Die äußeren
Bedingungen sind perfekt. Die Temperatur liegt knapp über dem Gefrierpunkt,
geringe Luftfeuchtigkeit, blauer Himmel, leichter Wind von Nordwest. Auf
15:30
Anpfiff. Der Ball rollt. Zwei Männer
unterhalten sich über die wichtigen
Themen: Schwangerschaften. Der eine:
»Ich bin froh, dass es bei euch endlich
geklappt hat. Es kann ja auch nicht jeder
Schuss ein Treffer sein.« Der andere:
»Ham wir noch wat auf der Karte? Ich
brauch’ ’n Pils.« Man versteht sich.
28
D o r t m u n d : W e st fa l e n sta d i o n
15:46
Block 10 Reihe 4: Die Reise beginnt, der
Ellbogen wird zum wichtigsten Hilfsmittel. Und eines ist bereits nach wenigen Minuten klar: Wer seinen Platz auf
der Süd wechselt, der fällt auf. »Du
stehst aber auch nicht oft hier, oder?«,
ist die meistgehörte Frage auf dieser
Expedition. Und bevor man antworten
kann, fällt das 1:0 durch Shinji Kagawa.
Die Süd explodiert. Literweise Bier fliegt
durch die Luft und landet in eiskalten
Schwällen im Nacken des Vordermanns.
Ein Rinnsal Gerstensaft sucht sich seinen
Weg über die Wirbelsäule gen Süden.
Eine Taufe nach Dortmunder Art.
Halleluja.
15:55
Block 10 Reihe 13: 25.000 vollkommen
Entrückte setzen zum kollektiven Pogo
an. 50.000 Beine bringen den kalten Beton zum Beben. Es ist, als würden Hunderte Elefanten über die Tribüne getrieben. Dem Neuling sackt kurz das Herz
in die Hose. Der Blick wandert zum Boden. Ehrfürchtig, voller Angst, suchend.
Sind irgendwo Risse in den Betonstufen?
Tut sich der Boden auf? Ist das Ende
nah? Nein, eine Mittvierzigerin rempelt
mit einem breiten Grinsen mit. Ihre
Haare sind entweder vergilbt oder gefärbt, aber auf jeden Fall gelb, ihre Haut
gegerbt von der Höhensonne aus der
Steckdose. Als man zaghaft zurückstoßen
will, bricht sie in Gelächter aus und fährt
den Ellbogen aus. »Heja BVB«, brüllt
sie. »Ich heiß’ Katha!« Hallo Katha.
16:01
Block 11 Reihe 31: Kevin Großkreutz
erhöht auf 2:0. Er ist ein Sohn der Südtribüne. Einer, der es vom kalten Beton
auf den heiligen Rasen geschafft hat.
Vor nicht einmal vier Jahren hat er noch
selbst hier gestanden und gehüpft, gebrüllt, gesungen. Jetzt steht er auf der
anderen Seite und sorgt für den nächsten
Gerstensaftorgasmus. Ein modernes
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Champions League
D o r t m u n d : s i g n a l i d u n a pa r k
Fußballmärchen. Die nächste Ladung
Bier setzt zum Landeanflug an. Längst
alles egal, längst ist man Mikrobestandteil der gelben Wand, aufgesaugt von jener gelbschwarzen Masse, die den Boden
zum Beben, die Luft zum Erzittern, die
Tribüne zum Leben und den Kreislauf
bis an den Rande der Belastbarkeit bringt.
Dieses Monster treibt jedem den Schweiß
auf die Stirn. Mittlerweile wird nicht
einmal mehr der bemitleidenswerte Gegner ausgepfiffen. Er ist allenfalls Statist
in diesem Spektakel. Oder ehrfürchtiger
Zuschauer. Kommt ganz auf den Blickwinkel an.
133.75
44
43
42
41
40
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129.97
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GASTRONOMIE
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12 STG.
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BESTAND E2
104.21-104.22
104.16
104.16
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W e st fa l e n sta d i o n
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Ort:
Dortmund
Nord / Süd
Verein:
Borussia Dortmund
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Architektur:
Hochbauamt Dortmund
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Grundriss
30
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27.023
Prominente Besucher:
Dietmar Bär,
Marius Müller-Westernhagen,
Joachim Król
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Block 12, Reihe 48: Willkommen im
Epizentrum der Borussia-Liebe, der
Wiege der Dortmunder Fankultur. Hier
in Block 12 und 13 schlägt seit jeher der
Puls der Südtribüne. Schlachtrufe und
Gesänge finden hier ihren Startpunkt,
peitschen ans Stadiondach und kommen
mit doppelter Wucht zurück. Wellenförmig schwappt der Support auf die umliegenden Blöcke, ergreift irgendwann
das gesamte Stadion. Für 90 Minuten
scheint die Süd den Menschen die Lebenskraft aus den Körpern zu saugen,
sie pumpt sie in den Verein. Ein junger
Mann lässt sich mit ausgebreiteten Armen nach hinten fallen. Er fällt in ein
Meer aus Händen. Sein Grinsen wandert
zum Stadiondach. Da oben muss er
wohnen, der Fußballgott.
Halbzeitsnack:
Currywurst
»Da war hier eine Stimmung wie auffe
Beerdigung von Omma«, sagt er. Unter
dem selbstgestrickten Pulli in Hummeloptik blitzt eine Bauchtasche hervor.
Ein Griff, darauf erstmal eine NostalgieZigarette.
16:30
17:09
Block 82, Reihe 85: Anpfiff zu Hälfte
zwei. Willkommen auf dem jüngsten
Teil der Süd. Der obere Ring der Stehtribüne wurde im Jahr 2000 aufgesetzt
und erhöhte die Kapazität auf sagenhafte
24.454 Plätze. Hier kommt der Support
von Block 12/13 mit voller Wucht an
und trifft auf fruchtbare Kehlen. Zündstufe zwei. Hier erahnt man auch erstmals, wie beschwerlich der zweite Teil
des Aufstieg werden wird. Die Gänge
werden schmaler, jede Reihe ist mit
einem Wellenbrecher geschützt, die
Tribüne neigt sich hier bis zu 37 Grad.
Wie auf einer Skisprungschanze. Ist das
schon Angstschweiß oder noch Bier?
Block 84, Reihe 124: Auf den letzten
Metern wird es noch einmal eng. Hier
oben haben es die Menschen nicht so
gern, wenn man kurz vor dem Abpfiff
das Drängeln anfängt. Der faire Einsatz
von Ellbogen, entschuldigende Worte
und ein euphorisches Zuprosten schützen vor allzu großen Wutausbrüchen.
Die Sicht auf den Gipfel ist durch eine
Treppe leicht verbaut. Das, was unten
auf dem Rasen passiert, ist sowieso längst
Nebensache. Was zählt, ist das Projekt.
16:45
Block 83, Reihe 91: Shinji Kagawa erhöht auf 3:0. Der endlose Steilhang aus
Fahnen, Doppelhaltern, Schals und Pilsbechern wogt, wankt und bebt erneut.
Der bloße Anblick dieser Euphorieexplosion setzt Endorphine frei, vor denen
sich niemand schützen kann. Die Hormone tanzen Rock’n’Roll.
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1235
Sitzplätze:
53.569
16:08
Tabak, Schal und notfalls wahrscheinlich
auch das Sparbuch – das ist Ehrensache.
Im Hintergrund wankt ein älterer Herr
im BVB-Bademantel in Richtung Toilette. »BVB is fucking crazy«, sagt Mark
und beißt in seine Currywurst.
16:16
16:57
Block 13, Reihe 62: Halbzeit. Pause.
Durchatmen. Zeit für eine Stärkung.
Am Wurststand stehen zwei rothaarige
Kerle in Celtic-Glasgow-Trikots. Garry
und Mark sind extra aus Schottland angereist. Billigflug, 49 Euro, heute Abend
geht es zurück. Wie sie da stehen mit
roten Wangen und glänzenden Augen,
erinnern sie an Kleinkinder im Spielzeugparadies. Man sieht ihnen an, dass
sie diesen Ausflug ins Ruhrgebiet niemals vergessen werden. Doch in diesem
Moment fehlen 2 Euro für die Pausenwurst. Eine unbekannte Hand reicht
ihre Bezahlkarte rüber. Hier teilt man
Block 83, Reihe 103: Werner hat ein
paar kleine Freudentränen in den Augen.
So einen BVB hat er schon sehr lange
nicht mehr erlebt. Dabei geht er seit den
achtziger Jahren ins Westfalenstadion,
immer auf der Süd. Darauf erst einmal
eine Gute-Laune-Zigarette. Seine Zipfelmütze erinnert an die grellen Champions-League-Zeiten, jene Jahre, in denen
sich der BVB seinen Erfolg auf Pump
finanzierte. Ein System, dass den Klub
bis an den Rande des Kollaps brachte.
31
17:12
Block 84, Reihe 140: Mit durchnässter
Jacke, Ketchup-Flecken auf der Hose,
drei Pils intus und leuchtenden Augen
ist das Ziel erreicht. 125 Stufen, 40 Höhenmeter und eine Wegstrecke von
121 Metern, die Besteigung der Süd ist
gelungen. Ein Kraftakt. Die Erkenntnis:
Hier auf der gelben Wand liegen Leidenschaft und Drama, Liebe und Leiden allenfalls Millimeter voneinander entfernt.
25.000 Menschen geben ihre Lebensgeschichte bei der Security ab und verschmelzen zu einer gigantischen Einheit
in Schwarz-Gelb. So etwas wie die Südtribüne gibt es auf der ganzen Welt kein
zweites Mal. Und wenn man tief in sich
reinhorcht, hört man eine innere Stimme sagen: »Lass uns bitte nie wieder gehen!« Ja, die gelbe Wand ist wohl die
beste Tribüne der Fußball-Welt. Dieses
Geständnis ist besonders schmerzhaft,
denn der Autor dieser Zeilen ist Anhänger des FC Schalke 04.
Madrid: Bernabéu
Ein
Ausdruck
von
Macht
Als Günter Netzer 1973
zu Real Madrid wechselte, klagte Berti Vogts:
»Die Gladbacher Fohlen
sind nicht mehr!«
Im legendären Estadio
Santiago Bernabéu wurde
das Wildpferd Netzer
zum Nibelungen-König.
Ein Gespräch über
Wikinger und brechende
Torpfosten
Interview:
Alex Raack
33
Champions League
Madrid: Bernabéu
»Wenn den Zuschauern etwas
nicht gepasst
hat, dann war
es totenstill in
diesem riesigen
Stadion. Das war
fast noch schlimmer als Buhrufe
und Pfiffe.«
Günter Netzer
Das Bernabéu liegt
direkt an der Paseo de
la Castellana, Madrids
wichtigster Hauptverkehrsachse.
34
35
Madrid: Bernabéu
links
Der Torfall von Madrid: Am
1. April 1998 brach kurz vor
Anpfiff der Partie zwischen
Real Madrid und Borussia
Dortmund ein Tor zusammen. Das Spiel begann mit
76 Minuten Verspätung.
oben
Seit 2007 gehört das
Bernabéu zu den UEFAElitestadien. Der Verein
nennt sein Heim bescheiden
das »einzige Neun-SterneStadion der Welt«.
37
Günter
Netzer,
von Jorge Valdano, dem ehemaligen
Generaldirektor von Real Madrid, gibt
es ein schönes Zitat: »Das Estadio Santiago Bernabéu hat auf mich dieselbe
Wirkung wie das Meer – mir kommt
es nie klein vor, immer monumental.
Beide Orte atmen Größe.« Stimmen
Sie ihm zu?
Günter Netzer: So schön wie Jorge
kann ich mich gar nicht ausdrücken. Für
mich war das Bernabéu immer der sichtbare Ausdruck der Größe und Macht
von Real Madrid. Kein Verein auf diesem Planeten versprüht einen ähnlichen
Mythos der Größe, und dieses Stadion
ist die eindrucksvolle Visitenkarte. Nach
dem Aztekenstadion in Mexiko-Stadt ist
das Santiago Bernabéu für mich das beeindruckendste Stadion der Welt.
Sie wechselten 1973 von Borussia
Mönchengladbach nach Madrid. Eine
große Umstellung?
G N: Auf jeden Fall. Mein Arbeitsplatz
in all den Jahren zuvor war der kuschelige Bökelberg und nun durfte ich vor
125.000 Zuschauern in diesem gigantischen Gebilde spielen. Das waren neue
Maßstäbe der Aufmerksamkeit, an die
ich mich erst gewöhnen musste.
Sie sagen »Gebilde« – war dieses Stadion für Sie als Kunstliebhaber auch ein
architektonischer Genuss?
G N: Nein, das nicht. Es war einfach ein
monströser Bau, drei steile Ränge übereinander, einzig dafür gebaut, so viele
Menschen wie möglich zu schlucken.
Mit Kunst hatte das nichts zu tun. Dafür
waren wir Spieler zuständig.
Hat Sie die gewaltige Kulisse also
zunächst eingeschüchtert?
G N: Nein. Gegen diese Ausrede widersetze ich mich schon seit Jahrzehnten:
Mir kann kein Spitzenfußballer der Welt
erzählen, dass die Atmosphäre im Stadion seine Leistung beeinflusst. Mich hat
Champions League
das jedenfalls nie gestört. Ob vor 30.000
am Bökelberg oder vor 120.000 im Santiago Bernabéu.
Die Superstars der Gegenwart werden
bei ihrer Begrüßung in Madrid verlässlich von mehreren zehntausend
Zuschauern erwartet. Wie war das bei
Ihnen?
G N: Vicente del Bosque, der ehemalige
Real-Trainer, hat mir mal erzählt, was
ihm durch den Kopf ging, als 2001 Neuzugang Zinedine Zidane von vielen tausend Fans begrüßt wurde: »Genau wie
bei Netzer!« Als ich kurz vor der Saison
1973/74 gemeinsam mit meinen neuen
Mitspielern ins Stadion spazierte, standen auf den Tribünen 25.000 Menschen
und applaudierten. Niemand hatte mit
diesem Ansturm gerechnet, die Leute
waren alle aus eigenem Antrieb gekommen, um mich zu sehen.
totenstill in diesem riesigen Stadion. Das
war fast noch schlimmer als Buhrufe
und Pfiffe.
Einfluss, unter dem ein Teil der RealAnhänger ja bis heute steht, habe ich
damals nichts gespürt.
Bis heute gelten die Fans von Real
Madrid als sehr verwöhnt. War das
auch damals so?
G N: Absolut. Und daran ist die Generation um Puskas und Alfredo di Stefano
schuld! Die haben in den glorreichen
Zeiten der fünfziger und sechziger Jahre
so unglaublich erfolgreichen Fußball gespielt, dass die Fans sich seither nur noch
mit dem Besten zufriedengeben. Das ist
der Anspruch, wenn du das Santiago
Bernabéu zum Jubeln bringen willst:
Fußball auf Weltklasse-Niveau. Alles,
was darunter ist, wird in diesem Stadion
schlichtweg ignoriert.
Hatten Sie eigentlich einen Spitznamen während Ihrer Zeit in Spanien?
G N: Ich hatte viele. Sie nannten mich
abwechselnd »El Rubio«, den Blonden,
und »Nibelungo«, ein Name, der mir
natürlich prächtig gefiel. Und für all die
deutschen Spieler hatten die Spanier sowieso einen universalen Begriff: »Los
Vikingos«, die Wikinger.
Wie erging es Ihnen dann in Ihrer
ersten Saison, als Real Madrid alles
andere als königlich spielte?
G N: Ach, eine furchtbare Saison! Wir
waren zeitweise sogar in Abstiegsgefahr
und ich spielte die meiste Zeit ganz
grässlichen Fußball. Ich kann mich noch
gut an mein erstes Spiel erinnern. Ich
verschoss einen Elfmeter.
Und das Stadion machte Sie fertig?
G N: Im Gegenteil. Sie applaudierten
mir und munterten mich auf. Am Bökelberg hätten sie sich wahrscheinlich
die Finger wund gepfiffen.
Was ist Ihnen – außer den Fans – noch
im Gedächtnis geblieben?
G N: Der Rasen. Ein unglaublich schöner Teppich, solch eine Qualität kannte
ich sonst nur von Golfplätzen. Für einen
Techniker wie mich war das natürlich
die ideale Arbeitsfläche. Auswärts setzten
sie über Nacht ihr eigenes Spielfeld unter
Wasser, damit ihre minderbemittelten
Fußballer auch mal eine Chance hatten.
Nicht so im Santiago Bernabéu – der
Rasen war immer ausreichend feucht,
weich und kurz geschnitten. Perfekt!
Das muss Ihnen doch Angst gemacht
haben?
G N: Von wegen! Ich nahm das ganz
cool zur Kenntnis und winkte so lässig
wie möglich ins weite Rund. Ich dachte,
das sei nun mal so üblich bei einem großen Klub wie Real Madrid. Dabei hätte
ich nur Vereinslegende Ferenc Puskas ins
Gesicht schauen müssen. Der stand neben mir und bekam den Mund nicht
mehr zu. So etwas hatte selbst der Major
(Puskas’ Spitzname, d. Red.) noch nicht
gesehen.
Als Sie 1973 nach Madrid kamen,
herrschte in Spanien noch immer die
Diktatur von General Franco, dessen
erklärter Lieblingsverein Real Madrid
hieß. Wie präsent war Franco in diesen
Jahren?
G N: Ich habe ihn nicht einmal im Stadion gesehen, er existierte zu dieser Zeit
eigentlich schon gar nicht mehr für Real.
Als ich 1976 Madrid verließ, um bei den
Grasshoppers Zürich meine Karriere zu
beenden, war Franco schon Geschichte.
Er starb 1975. Auch vom rechtsextremen
Wirkliche Stimmungskanonen sollen
die Fans aber nicht gewesen sein. Von
Puskas stammt der Satz: »Wenn sie
(die Zuschauer) nicht pfeifen, haben
sie den Mund voll.« War es wirklich so
schlimm?
G N: Ich mache es nicht gerne, aber da
muss ich Puskas widersprechen. Gepfiffen wurde im Bernabéu nicht. Dafür
aber geschwiegen. Wenn den Zuschauern etwas nicht gepasst hat, dann war es
38
Madrid: Bernabéu
Gemeinsam mit Ihrem Mitspieler José
Martínez Sánchez, genannt »Pirri«,
haben Sie in den folgenden beiden
Spielzeiten die Massen begeistert, wurden zweimal Meister und einmal Pokalsieger. Publikumsliebling »Pirri«
soll Ihnen, dem »Nibelungo«, nach
schönen Pässen sogar regelmäßig
Kusshändchen zugeworfen haben.
G N: (lacht) Der Pirri? (lacht immer
noch) Kusshändchen? Wir waren zwar
gut befreundet und haben uns auf dem
Platz blind verstanden. Aber zu solchen
Zärtlichkeiten ist es dann doch nie gekommen.
1998 erlangte das Estadio Santiago
Bernabéu noch einmal Weltruhm, als
beim Champions-League-Spiel zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund der Pfosten brach. Waren Sie im
Stadion?
G N: Nein, ich saß zu Hause vor dem
Fernseher, als dieses Spektakel begann.
Auf dem Rasen lief mein armer Freund
José Luis Serrano (damals Geschäftsführer von Real Madrid, d. Red.) auf und ab
und wusste nicht weiter. Während ich
dem wunderbaren Dialog zwischen Marcel Reif und Günther Jauch lauschte,
wartete ich ab, was passieren würde. Ich
wusste ja, dass die Ersatztore ganz weit
entfernt standen, auf der Ciudad Deportiva, Reals Trainingsgelände! Wie die
Madrilenen es dann schafften, die riesigen Tore durch diesen klitzekleinen Spielertunnel zu bugsieren, ist mir bis heute
ein Rätsel. Eine gigantische Leistung!
Vielleicht sollten sie dem Platzwart mal
ein Denkmal setzen.
Günter
Netzer
ist ehemaliger FußballNationalspieler, TV-Experte und Lebemann.
Der 1944 in Mönchengladbach geborene Netzer verbrachte lange
Jahre seiner Karriere
bei Borussia Mönchengladbach und war dort
die zentrale Figur der
legendären »FohlenElf«, die in den siebziger Jahren den deutschen Fußball revolutionierte und zwei Meistertitel und einen
Pokalsieg errang. 1973
wechselte der Mann
mit den markanten
blonden Haaren zu
Real Madrid und wurde
endgültig zum Weltstar.
1972 wurde er mit der
deutschen Nationalmannschaft Europameister, 1974 Weltmeister. Heute arbeitet
Netzer unter anderem
für das Fußball-Radio
90elf. Seine Mönchengladbacher Diskothek
»Lovers Lane«, die er
in den siebziger Jahren
betrieb, ist zum Bedauern vieler Fans heute
geschlossen.
rechts
Die Geburt der Galaktischen: Zwischen 1955
und 1960 holte Real
Madrid fünf Mal in
Folge den Europapokal
der Landesmeister.
39
Champions League
E sta d i o
Santiago Bernabéu
Ort:
Madrid
Verein:
Real Madrid
Architekt:
Luis Alemany Soler u.a.
Eröffnung:
1947
Umbau:
1982
Letzte Renovierung:
2000
Kapazität:
80.925
Sitzplätze:
80.925
Prominente Besucher:
Antonio Banderas,
Penelope Cruz, Usain Bolt,
Rafael Nadal
Halbzeitsnack:
Piñas
rechts
Jorge Valdano prägte den
Begriff des »miedo escenico«, jenes »Lampenfiebers«,
das Spieler ergreift, wenn
sie die steilen Stadionränge
hinaufblicken.
ganz rechts
Landesmeister-Finale 1980.
2011 beschloss Real, das
Stadion umzugestalten.
40
Champions League
das ist
liverpool,
das ist
anfield
Als junger Punk wurde
Campino in deutschen
Stadien häufig mit ausgestrecktem rechtem Arm
begrüßt. Also suchte der
Sänger der Toten Hosen
sich eine Ersatzheimat –
und fand sie an der
Anfield Road, dem Geburtsort der Fankultur.
Interview:
Andreas Bock
42
Campino,
L i v e r p o o l: A n f i e l d
serzeilen schlängelt, diese ganze Backsteinarchitektur, Häuser, von deren
Fenstern aus man Steine aufs Spielfeld
schmeißen könnte. Und dann kommen
sie aus der Kabine und sehen dieses
Schild: »This is Anfield!« Ja, das ist Anfield! Ein historischer Ort. Liverpools
Spieler schlagen vor dem Einlaufen immer einmal mit der Hand gegen das
Schild, während ihnen von draußen der
Chant »You’ll never walk alone« entgegenschallt. Das ist doch brillant!
Sie bezeichnen das Stadion an der Anfield Road als Ihre Kirche. In einer
Kirche sucht man eigentlich Ruhe.
Campino: An spielfreien Tagen. Während der Messe ist die Kirche aber voll,
es gibt Gesänge und die Besucher stehen
beisammen, im Gefühl, etwas Großem
beizuwohnen.
So wie beim Fußball?
C: Wenn ich früher einen neuen Punksong hörte, bekam ich oftmals Schauer
über den Rücken. Da war dieses Gefühl,
etwas Fantastisches und Neues entdeckt
zu haben. Das hat im Laufe der Zeit abgenommen. In Liverpool ist dieses Gefühl hingegen für mich über all die Jahre
geblieben. Schon die Ankunft an der
Anfield Road: Gänsehaut! Ich bin gerne
zwei Stunden vor Spielbeginn da.
Was ist denn der Unterschied zu
deutschen Stadien?
C: Du springst vom Bus, gehst vorbei an
den Fish-and-Chips-Buden, dem legendären Albert Pub, den Polizisten auf ihren Pferden, den unzähligen Schal- und
Fanzineverkäufern, am HillsboroughMemorial und der Bill-Shankly-Statue.
Dann stehst du unter dem Shankly-Gate
mit dem Slogan »You’ll never walk alone«
im Torbogen. Diese vielen Schnappschüsse der Fans aus aller Welt und dieses Gewusel sind unvergleichlich. Das ist
Liverpool. Das ist Anfield.
Der legendäre Liverpool-Trainer Bill
Shankly ließ einst ein Schild mit genau diesen Worten im Spielertunnel
anbringen: »This is Anfield.« Eigentlich überflüssig, oder?
C: Ähnlich überflüssig wie die Ansage
eines Bono, der bei einem Konzert die
Zuschauer mit »Hi, we are U2« begrüßt.
Ich verstehe das als Psychotrick. Jeder
Spieler weiß natürlich, dass er sich im
Anfield-Stadion befindet.
Soll dieses Schild auch die Besonderheit dieser Stätte und des Moments
verdeutlichen?
C: Absolut. Den Mannschaften weht ja
schon auf dem Weg zum Stadion die
Tradition des FC Liverpool entgegen.
Wenn sich ihr Bus durch die engen Häu-
Wie sind Sie eigentlich zum FC Liverpool gekommen?
C: Meine Mutter war Engländerin und
bei uns zu Hause lief ständig der Radiosender BFBS. So kam auch ich recht
früh mit englischem Fußball in Kontakt. Bald klebte ich jeden Samstag vor
dem Radio und hörte mir die Spiele der
Ersten Division an. Sonntags bin ich
dann zu den großen Zeitungsläden am
Düsseldorfer Hauptbahnhof gefahren
und habe mir dort den Daily Mirror
oder den Observer gekauft. Damals habe
ich die Berichte und Fotos ausgeschnitten und in ein Album geklebt. Liverpool
hatte ich zu meinem Lieblingsverein
auserkoren.
Campino
bürgerlich Andreas
Frege, ist Sänger der
Punkrockband »Die
Toten Hosen«. Er
wuchs in Düsseldorf
als Sohn eines Richters
und einer Lehrerin auf.
Durch seine englische
Mutter kam er recht
früh in Kontakt mit der
britischen Musik- und
Fußballkultur. Gelegentlich taucht das
Thema Fußball in den
Liedern der Toten Hosen auf, so zum Beispiel
im Song »Bayern«. Der
Hit »Hier kommt Alex«
war eigentlich dem
Protagonisten aus dem
Film »Clockwork
Orange« gewidmet. Als
Aleksandar Ristic zu
Fortuna Düsseldorf
kam, interpretierten
ihn die Fans allerdings
als Hommage auf den
bosnischen Trainer.
Campino ist Fan von
Fortuna Düsseldorf
und dem FC Liverpool.
Ihre Mutter und zwei Geschwister
stammen aus Burnley ...
C: ... andere Verwandte lebten in Wolverhampton. Seltsam, nicht wahr? Es
gab auch in Düsseldorf keinen Freund,
der meine Leidenschaft für die Reds teilte. Mich hatte niemand auf diesen Klub
sensibilisiert. Das war meine eigene
Sache, meine Welt, meine Liebe.
Anfangs war es eine Fernbeziehung.
Frustrierte das nicht?
C: Nein, ich war acht Jahre alt und da
war eine Stadt wie Dortmund genauso
weit weg. 1973 änderte sich das. Die
Reds gewannen das Hinspiel des UEFACup-Finals gegen Borussia Mönchengladbach mit 3:0, Kevin Keegan traf
zweimal. Am nächsten Tag sah ich sein
Foto auf der Titelseite der Rheinischen
Post. Die Mighty Mouse schwebte durch
den Strafraum und nickte ein, darunter
stand der Satz: »Keegan trifft wie ein
fliegender Fisch.« Das Rückspiel fand
in Düsseldorf statt – und mit einem Mal
war der FC Liverpool ganz nah.
Warum konnten Sie sich anfangs nicht
für Fortuna Düsseldorf begeistern?
C: Mit 13 war ich ein Punk und lief offen so rum. Deutsche Fußballfans hatten damals ein sehr ablehnendes Ver-
45
hältnis zu linken Subkulturen. Die
mischten oft den Ratinger Hof auf,
später dann das Domino, wo ich mich
gerne aufhielt. Die Schläger vom HSV,
die Borussenfront, die Hertha-Frösche
und auch die Hools von Fortuna. Ich
hatte das Gefühl, ich gehöre nicht zum
deutschen Fußball. Ich gehörte nach
England.
Wann haben Sie denn Ihr erstes Spiel
an der Anfield Road gesehen?
C: Bevor ich mein erstes Spiel dort sah,
war ich einige Male an spielfreien Tagen
in Liverpool, einfach, um die Stimmung
der Stadt aufzusaugen. Mit 17 bin ich
schließlich von Wolverhampton zu einem Spiel gefahren. Alleine, mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es war ein unglaubliches Chaos auf den Straßen und
ich kam erst zur 50. Minute am Stadion
an. Die Dame am Kassenhäuschen sagte: »Pretty late, aren’t you?« Dann führte
sie mich um das halbe Stadion und begleitete mich zu meinem Platz. Ich war
ziemlich perplex, denn alles fühlte sich
so familiär an, wie bei einem Vorstadtklub.
Ist das Stadion auch deswegen so ein
besonderer Ort für Sie geblieben, weil
es trotz der Triumphe des FC Liverpool eine gewisse Wärme ausstrahlt?
C: Der FC Liverpool ist einer der traditionsreichsten und erfolgreichsten Vereine
in Europa. Doch sein Zuhause ist nach
wie vor ein kleines Kästchen. Manchmal
scheint es, als würden sich dort alle Fans
untereinander kennen. Hier findet man
nichts Arrogantes, nichts Neureiches, die
Leute können sich hier also gar nicht
groß aufspielen, denn sie wissen, der Star
ist und bleibt der Verein.
Der FC Liverpool hat 18 mal die englische Meisterschaft gewonnen, 3 mal
den UEFA-Cup und 5 mal den Landesmeisterpokal. Irgendwo muss man
doch Prunk sehen?
C: Natürlich gibt es einen Pokalraum.
Trotzdem wird damit nicht groß angegeben. Schon aufgrund der Enge ist das gar
nicht möglich. In den Katakomben ist
alles im englischen Stil gehalten, es liegt
Teppich aus; es gibt viele gemütliche
Räume, große und kleine Sessel, und
überall an den Wänden eingerahmte,
alte, historische Zeitungsartikel. Ein paar
Wände weiter befinden sich die Kabinen
der Mannschaften. Es ist alles sehr nah
beieinander. Man kommt sich ein bisschen vor wie in einem Wohnzimmer.
Geborgen, sicher, beisammen.
Champions League
Während draußen die Straßen verwaisen? Der Psychoanalytiker Carl Gustav
Jung sagte einmal: »Liverpool is the
pool of life.«
C: Ein schöner Satz. Liverpool zeigte
sich mir bei meinen ersten Besuchen als
hartes Pflaster. Kein Haus ohne Alarmanlage. Doch die Menschen haben eine
unwahrscheinlich herzliche Art, als würden sie versuchen, das Elend der Stadt
wegzulachen. Einmal wollte ich nach einem Spiel zurück zum Hotel, doch ich
hatte mich verlaufen. Also stieg ich in
einen Bus und fragte nach dem Weg zu
meiner Bleibe. Der Fahrer sagte: »You’re
completely wrong, but never mind. Just
sit down!« Nachdem er seine Linienfahrt
beendet hatte, fuhr er mich als einzigen
Fahrgast durch die halbe Stadt bis vor
mein Hotel. Das fühlte sich an wie in
einem frühen Beatles-Film.
Dennoch prägt dieses harte Pflaster
die Umgebung der Anfield Road heute
noch. Wird mit einem neuen Stadion
alles besser, schöner?
C: Es gibt seit über zehn Jahren Pläne,
das Stadion entweder komplett umzubauen oder im angrenzenden Stanley
Park ein neues zu bauen. Im Zuge dessen
wurden viele Leute aus den Wohnungen
geschmissen, es gibt nahe der Anfield
Road ganze Straßenblocks, wo nur noch
ein oder zwei Häuser bewohnt sind.
Wenn dir in der Rockfield Road nachts
kleine Gruppen von vermummten Jugendlichen in Trainingsanzügen entgegenkommen, ist das kein gutes Zeichen.
Ob durch ein neues Stadion alles besser
wird? Schwer zu sagen. Ich frage mich
eher, ob ein neues Stadion überhaupt die
Seele des Klubs transportieren kann.
Fans von Manchester United sagen,
der einzige Ort, wo man in Liverpool
nicht beklaut würde, sei das Hillsborough-Memorial vor dem Anfield
Stadion.
C: Fans von Manchester United reden
viel Mist. Tatsächlich ist das Memorial
eine Stelle, wo die Leute innehalten. Es
wird täglich gepflegt, eine Kerze brennt
ununterbrochen. Menschen aus aller
Welt kommen an diesen Ort und lassen
sich hier über die Stadionkatastrophe
von 1989 aufklären ...
... und darüber, warum man in Liverpool die Sun nicht kauft.
C: In der ganzen Stadt prangen Aufkleber mit dem Appell »Don’t buy the
Sun«. Die Zeitung gab den Fans die
Schuld an der Hillsborough-Tragödie
und schrieb von Leichenfledderei. Nirgendwo, nicht mal in einer Liverpooler
Fish-and-Chips-Bude, würde die Sun
zum Lesen ausliegen.
Heutzutage wird das Lied »You’ll never
walk alone«, das in der Fußballwelt
seinen Ursprung im Kop hat, in vielen
anderen Stadien gesungen. Wie fühlt
sich das für Sie an?
C: In England würde das nicht passieren,
es ist ein Liverpool-Chant und das weiß
dort jeder. Ich habe aber kein Problem
damit, dass das Lied in Dortmund oder
beim FC St. Pauli gesungen wird. Ich
nehme es als Kompliment für Liverpool
und seine Fans, die diesen Chant seit
über 50 Jahren von Generation zu
Generation weitergeben.
Wie hat sich die Fankultur an der
Anfield Road in den vergangenen
30 Jahren verändert?
C: Seit der Hillsborough-Katastrophe ist
das Anfield-Stadion ein All-Seater. Natürlich ist dadurch die Stimmung nicht
mehr so wie früher, doch ich kann damit
leben. Denn heute ist Fußball ein gesamtgesellschaftliches Ereignis.
Wie war es denn bei Ihren frühen
Besuchen?
C: Fußball war damals eine sehr männerlastige Angelegenheit. Englische Fans
besaßen ein unumstößliches PrügelImage. Ich war 1990 beim WM-Halbfinale zwischen Deutschland und England. Das war keine gewöhnliche Rivalität, das war Krieg, bei dem es keine neutralen Beobachter gab. Natürlich hat der
moderne Fußball absurde Preise und
eine gediegenere Fankultur mit sich gebracht. Ich muss das auch nicht alles gut
finden. Doch wenn es so weniger Verletzte und Tote gibt, kann ich diese Art
Fußball auch ein Stück weit begrüßen.
Sehen sich die heutigen LiverpoolFans denn immer noch in der ChantTradition der sechziger Jahre?
C: Singen ist an der Anfield Road immens wichtig. Es wird nicht nur im Fanblock gesungen, sondern am Bierstand,
an der Pissrinne, in den Bahnhöfen. Und
das ganze Stadion singt in den Schlussminuten »You’ll never walk alone« –
ganz egal, wie es steht. Jeder Spieler wird
mit einem eigenen Lied bedacht. Dabei
nehmen die Fans ihre Stars auch gerne
mal auf die Schippe. Der Text zum Song
über Peter Crouch lautete etwa: »He's
big, he's red, his feet stick out of bed.«
Woher rührt eigentlich die besondere
Spielerverehrung beim FC Liverpool?
C: Ein raues Leben, aber auch Schicksalsschläge wie Hillsborough und Heysel
haben die Menschen in Liverpool sehr
geprägt. Oft haben sie sich gefragt, warum ein Fußballtrainer in Manchester
zum Sir geadelt wird, während das Königshaus nach den Stadionkatastrophen
für ihre Stadt kaum Anteilnahme bekundete. So entstand zwischen den Scousern
ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl
und eine »Wir gegen alle«-Haltung. Zugleich eine Treue zu ehemaligen Spielern,
die sich mit der Stadt und dem Klub
identifizieren konnten. Wenn Dietmar
Hamann heute durch Liverpool läuft,
schlägt ihm eine ähnliche Verehrung entgegen wie Paul McCartney.
Beim FC Arsenal monieren die Fans
heute eine Atmosphäre wie im Opernhaus. Es gibt sogar ein Komitee aus
Vereinsfunktionären, das sich mit dem
Problem der schlechten Stimmung
beschäftigt. Wie ist es denn an der
Anfield Road?
C: Der Kop hinter dem südwestlichen
Tor ist nach wie vor der Inbegriff der
Fankultur. Hier entstanden in den frühen sechziger Jahren die ersten Fangesänge weltweit überhaupt.
Als bei einem Nebelspiel ein Tor auf
der anderen Seite fiel, sangen die Fans
aus dem Kop: »Who scored the goal,
who scored the goal?« Die Gegenseite
antwortete: »Tony Hateley!«
C: Es war auch aufregend, weil es rough
war. Vor 1989 war es manchmal so eng
im Kop, dass man nicht mal zur Toilette
gehen konnte. Viele Fans pissten also in
ihre Bierbecher und reichten die nach
unten durch. Das gibt es heute nicht
mehr. Auch der Kop besteht ausschließlich aus Sitzplätzen. Dennoch ist die
Stimmung super, schließlich stehen die
Fans im Kop auch heute noch ununterbrochen vor ihren Sitzen.
Viele Vereine glauben, mit ihren Stadien eine Gleichheit der Besucher zu
suggerieren. Wie ist es an der Anfield
Road? Gibt es dort Hierarchien?
C: Natürlich gibt es Plätze für Besserverdiener, es gibt VIP-Bereiche und Plätze
für die normalen Gäste. Letztlich hat
man aber durch die Gesänge viel eher
das Gefühl, dass es in den 90 Minuten
um eine Gemeinschaft geht. Denn hier
feuern alle ihr Team an, vom Arbeiter bis
zum Anwalt. Einige outen sich dabei als
46
L i v e r p o o l: A n f i e l d
Wochenendfans, wenn sie gerade mal
den Text von »You’ll never walk alone«
draufhaben, andere als Hardcore-Fans,
wenn sie jeden Text von »The Fields Of
Anfield Road« oder »Scouser Tommy«
mitsingen. Doch letztendlich ist das egal.
Es wird niemand schief angeguckt, wenn
er Textschwächen hat.
links
Gerry (Marsden) machte
mit seinen »Pacemakers«
den Song »You’ll never
walk alone« zur AnfieldHymne.
Bei welchem Spiel war es denn am
lautesten?
C: Vielleicht beim Champions-LeagueHalbfinale 2005 gegen den FC Chelsea.
Mitte links
Einst bot das AnfieldStadion mehr als 61.000
Zuschauern Platz. Heute
hat es ein Fassungsvermögen von rund 45.000.
Das beste Spiel, das Sie je im Anfield
gesehen haben?
C: Da gab es mehrere. Aber dieses gehörte auch dazu. Wir gewannen durch ein
Tor von Luis Garcia und standen im
Finale der Champions League. Ich saß
beim Endspiel gegen den AC Mailand
inmitten der Hardcore-Fans. Didi versenkte seinen Elfmeter mit gebrochenem
Fuß. Wir flogen zurück nach Liverpool,
wo die Hölle los war. Die Menschen saßen auf den Dächern und jubelten. Die
ganze Stadt in Rot. So in etwa muss die
Ankunft der Beatles verlaufen sein, als
sie einst von ihrer Amerika-Tour heimkehrten.
unten rechts
Bill Shankly sagte einmal:
»Manchmal habe ich das
Gefühl, dass die Kop den
Ball ins Tor saugt.«
Sie pflegen zu mehreren Spielern des
FC Liverpool eine enge Freundschaft.
Sami Hyypiä hat Sie einmal gefragt,
ob die Toten Hosen bei seinem Abschiedsspiel in der Anfield Road auftreten würden, wenn es dazu käme.
Sie haben abgelehnt. Warum?
C: Ich habe das nicht abgelehnt, sondern
Sami angeboten, dass wir nach dem
Spiel in einer Kneipe auftreten, wenn er
dort weiterfeiert. Ich möchte meinen Job
nicht in einer Kirche ausüben. Es wäre
schlichtweg eine Nummer zu groß.
Anfield ist ein heiliger Ort.
rechts
Der Spielertunnel:
Bevor die »Reds« das
Feld betreten, klopfen
sie auf das Schild »This
is Anfield«.
47
Champions League
rechte Seite
Früher soll es im Kop
so eng gewesen sein,
dass die Fans in Plastikbecher pinkelten.
links oben
Am Stadion befinden
sich viele Pubs und
Fish&Chips-Buden.
rechts oben
»The Kop« galt einst
als lauteste Stehplatztribüne Europas.
links unten
rechts unten
Der Kurven-Klassiker
»You’ll never walk alone« wurde in den Sechzigern hier erfunden.
William »Bill«
Shanky, der wohl
populärste
aller Liverpool-Trainer.
48
L i v e r p o o l: A n f i e l d
»Alles fühlt sich
so familiär an ...
Man kommt sich
ein bisschen vor
wie in einem
Wohnzimmer geborgen, sicher,
beisammen.«
Anfield
Ort:
Liverpool
Campino
Verein:
FC Liverpool
Architekt:
Archibald Leitch
Eröffnung:
1884
Letzte Renovierung:
1994
Kapazität:
45.362
Sitzplätze:
45.362
Prominente Besucher:
Campino,
Dr. Dre
Halbzeitsnack:
Meat Pie,
Sausage Rolls
Das Stadion liegt eingebettet im trostlosen
Stadtteil Anfield mit
seinen zahlreichen
Terraced Houses.
50
51
E r st e L i g a
Mittendrin
und nicht dabei
Über 30 Jahren war Renate Kressin bei
jedem Heimspiel von Hertha BSC im Berliner
Olympiastadion. Und doch hat sie in all
den Jahren kaum ein Spiel gesehen. Denn
als Chefkassiererin arbeitete sie jedes
zweite Wochenende in den Katakomben
des Stadions.
Text:
Benjamin Kuhlhoff
b e r l i n : O l y m p i a s ta d i o n
Z
E r st e L i g a
»Natürlich fühle
ich mich hier ein
bisschen zu Hause.
Es ist das schönste
Stadion der Welt.«
Renate Kressin
ehn Minuten vor dem Anpfiff zuckt Renate Kressin kurz zusammen. Es ist, als
empfange sie ein Signal. Sie dreht sich
um. Sie muss jetzt gehen. Wieder einmal. So wie alle zwei Wochen. Seit über
30 Jahren. Es ist ihr Job.
Sie verlässt die Ostkurve, drückt zum
Abschied noch einmal die umstehenden
Kumpels. Die Jungen, die Alten, allesamt in Kutten gehüllt, als sei es ihre
zweite Haut. Hastig erhöht sie ihre
Schrittfrequenz. Immer raus aus dem
Stadion. So, als sei sie falsch gepolt.
Denn Hunderte andere kommen ihr
entgegen, so gehetzt wie man eben geht,
wenn man sich auf ein Fußballstadion zubewegt. Wenn man bloß nichts verpassen möchte. Los, los. Auch Renate Kressin hat es eilig. Sie wird allerdings alles
verpassen, mal wieder, denn sie muss
wieder an die Arbeit. Die kleine dunkelhaarige Frau ist zwar seit über 30 Jahren
bei jedem Heimspiel von Hertha BSC
im Olympiastadion. Und doch hat sie in
all den Jahren kaum ein Heimspiel gesehen. Dabei ist Renate Kressin – rund um
das Olympiastadion besser als HerthaRenate bekannt – vermutlich der größte
Fan der alten Dame. Aber sie ist hauptberuflich eben auch noch die Chefkassiererin des Vereins, Neudeutsch: Ticketmanagerin, das Mastermind der Eintrittskarten sozusagen, letzte Prüfinstanz
und gute Seele in einem.
Und deshalb sitzt sie pünktlich um
15:30 Uhr wieder in ihrem Keller vor
dem Osttor und zählt Geld. Vom Spiel
bekommt sie hier nur etwas mit, wenn
die Ostkurve explodiert. Das kommt in
diesen Tagen selten vor. Es ging der Hertha schon einmal besser. Heute ist Hannover 96 zu Gast. Selbst die Niedersachsen sind mittlerweile zu groß für den
Hauptstadtklub. Gerade jetzt könnte der
Verein Fans wie Renate gebrauchen. 100
Prozent loyal, 100 Prozent leidensfähig.
Doch das geht nicht. Ihr Job geht vor.
Das Stadion wurde
2006 vom Architekturbüro gmp umgebaut.
Die blaue Tartanbahn
war ein Wunsch von
Hertha BSC.
Renate
Kressin
wurde 1947 in Berlin geboren. Mit ihrem kleinen Bruder ging sie erstmals zur
Hertha und arbeitete schon
bald als Mädchen für alles.
Schließlich war sie über 30
Jahre Hauptkassiererin im
Olympiastadion. Seit Juni
2012 ist sie in Rente und
kann endlich auch mal ein
Spiel ihrer Hertha sehen.
132
133
B l i n dt e x t
O ly m p i a sta d i o n
Spitzname:
Deutsches Wembley
Ort:
Berlin
Verein:
Hertha BSC
Architekt:
Werner March
Eröffnung:
1936
Letzte Renovierung:
2000–2004
Kapazität:
74.244
Sitzplätze:
74.244
Prominente Besucher:
Otto Schily,
Volker Schlöndorff,
Christian Ulmen,
Wolfgang Thierse,
Sabine Christiansen
Halbzeitsnack:
Bratwurst
Über dem Olympiator,
dem heutigen Haupteingang an der Ostseite
des Stadions, hängen
die fünf olympischen
Ringe. Sie erinnern an
die Olympischen Spiele
1936, für die das Stadion gebaut wurde.
134
135
E r st e L i g a
1976 arbeitete sie erstmals ehrenamtlich
im Ticketverkauf, lief am Wochenende
auch mal bei den Amateuren um den
Platz, um Eintrittsgeld einzusammeln.
Mittlerweile ist sie fest beim Verein angestellt. Sechs Tage die Woche. 1993 half
sie sogar als Betreuerin bei den Profis
aus. Es waren die dunkelgrauen Zeiten
der Hertha. Zeiten, in denen sich an besonders guten Tagen etwa 3.000 Zuschauer ins Olympiastadion verirrten.
Renate Kressin war immer da, denn Renate Kressin atmet diesen Verein. Natürlich trägt sie bei jedem Heimspiel ein
Hertha-Trikot, seit über 30 Jahren.
S
o lange ist sie bereits Fan und damit länger dabei als die meisten anderen, die vor
wenigen Minuten noch an ihr vorbeigehastet sind. Hinein ins gelobte Rund.
Jene monumentale Kalksteinarena, die
1936 nach den Wünschen Hitlers in den
märkischen Sand gesetzt wurde, die anlässlich der Fußball-WM 2006 durch das
Architekturbüro Gerkan, Marg und
Partner aufgehübscht, ja, sogar ein stückweit enthistorisiert wurde. Doch so ganz
ist das trotz blauer Laufbahn und moderner Dachkonstruktion nicht gelungen. »Das Berliner Olympiastadion kauert in seiner Mulde, es liegt schwer am
Boden, es duckt sich fast weg unter seinem neuen Stadiondach, das von einer
vagen und unsicheren Modernität ist.
Aus diesem Bau spricht eine Sehnsucht,
etwas anderes zu sein als der Ort, an
dem alle zuerst an Adolf Hitler denken«,
urteilte Die Zeit 2006 über die umfassenden Umbauten am historischen Gemäuer. Und tatsächlich, hier schwebt
nichts, hier ist nicht so leicht, wie man
es beispielsweise in der hochmodernen
Allianz Arena in München empfindet.
»Das Berliner Olympiastadion kauert
in seiner Mulde,
es liegt schwer am
Boden, es duckt
sich fast weg unter
seinem neuen
Stadiondach.«
Die Zeit
Der helle, stumpfe Stein, der dem Stadion seine charakteristische Farbe verleiht,
ist süddeutscher Muschelkalk. Der ist
besonders hart, heißt es. Hart heißt abweisend. Und dennoch ist Renate Kressin für ihr Leben gern an diesem Ort.
Alle 14 Tage beginnt hier samstags um
9 Uhr morgens ihr Arbeitstag. Manchmal gönnt sie sich dann zum Start einen
Gang rund um das menschenleere Stadion. Vorbei an den fünf olympischen
Ringen, die an dicken Stahlseilen am
Preußen- und am Bayernturm des Osttores hängen. Vorbei an der Langemarckhalle, dem Sockel des Glockenturms, an jenen Monumenten, die an
eine der blutigsten deutschen Weltkriegsschlachten erinnern, vorbei am
Maifeld, dem Marathontor, dem historischen Schwimmbad. Mit jedem Schritt
wird dann aus Hertha-Renate, dem Fan,
Renate Kressin, die Ticketmanagerin.
»Natürlich fühle ich mich hier ein bisschen zu Hause«, sagt sie. Für sie ist das
Olympiastadion keine hässliche Schüssel, kein Nazibau, sondern ein Ort der
Sehnsucht oder wie sie sagt: »Das
schönste Stadion der Welt.«
Auch zu Hause, draußen in Buckow,
lässt sie die Hertha nicht los. Sogar ihr
Bad ist blau und weiß gefliest. Und
wenn sie draußen Blumen pflanzt, wird
ihr Beet auch schon Mal zur naturbelassenen Hertha-Fahne. Wundern tut sich
darüber niemand mehr. Die Renate ist
100 Prozent Hertha, sagt man sich hier
über den Gartenzaun. Ein bisschen
schrullig, okay, aber eine Seele von einem Menschen. Sogar ihr Mann ist bei
der Hertha angestellt. Mehr geht nicht.
Dabei hat sich Kressins Alltag einst unfreiwillig blau-weiß gefärbt: Als Zwölfjährige musste sie ihren kleinen Bruder
ins Stadion begleiten, nur widerwillig
ging sie mit. Und als ihr Bruder dann irgendwann lieber zum Handball wechselte, ging Renate eben allein. Schon bald
stand sie morgens als eine der Ersten vor
dem Stadion – und ging als Letzte. Heute ist es nicht anders. Nur, dass sie jetzt
ihre Mannschaft nur noch anfeuern
kann, wenn das Stadion komplett ausverkauft ist. Das passiert aber höchstens
zweimal im Jahr. Und selbst dann bleibt
ihr nur eine Halbzeit. Dann ruft wieder
das unterirdische Kartenhaus, ruft wieder die Arbeit. 10 Stunden lang. Meist
ist sie nicht vor 19 Uhr zu Hause. Es
kommt sogar vor, dass sie dann nicht
einmal weiß, wie ihre Hertha überhaupt
gespielt hat.
136
U
b e r l i n : O l y m p i a s ta d i o n
nd während das Olympiastadion auch
heute ein Trauerspiel der Heimmannschaft erlebt, sitzt Renate in einem kleinen farblosen Raum und überprüft noch
einmal die Kassen. Sie verstaut die Tageseinnahmen in Sicherheitstaschen für
den Transport, tippt Zahlen in ihren
Computer, bereitet Abrechungen vor. Einer muss es ja tun. Durch das kleine vergitterte Fenster in ihrem Rücken fällt
kaum Licht. Der kalte Schein der Neonröhren lässt wenig Raum für jene romantischen Träumereien, die den Fußball seit
jeher umschmeicheln. Wenn man so
will, sitzt Renate Kressin hier in selbst
gewählter Isolationshaft. Sie kann nicht
verbergen, dass sie vorhin am liebsten
umgedreht wäre. Denn wenn kurz vor
dem Anpfiff Frank Zander ertönt, wenn
die Ostkurve mit einer Stimme zur Vereinshymne »Nur nach Hause gehen wir
nicht ...« ansetzt, dann werden Renate
auch nach dem 500. Mal noch kurz die
Knie weich. »Das sind die Momente, in
denen es weh tut«, sagt sie. »Und manchmal denkt man auch: Warum tust du dir
das eigentlich an?«
Grundriss
Seit Anfang Juni tut sich Renate Kressin
das nun nicht mehr an. Sie muss es nicht
mehr, denn sie ist endlich in Rente. Der
Verein hat ihr zum Abschied eine Dauerkarte auf Lebenszeit spendiert. Und so
wird sie auch in Zukunft wieder alle
14 Tage zum Olympiastadion fahren.
In den ersten Monaten hat sie auch
mal wieder unter dem Osttor nach dem
Rechten gesehen. Aber spätestens, wenn
Frank Zander das Singen anfängt, treibt
es sie eiligen Schrittes in das Olympiastadion. Auch zukünftig wird Renate Kressin zehn Minuten vor dem Anpfiff wieder kurz zucken. Aber dann wird sie einfach stehen bleiben. Aus der Chefkassiererin des Vereins, der letzten Prüfinstanz
und der guten Seele Renate Kressin ist
nun endlich wieder die Hertha-Renate
geworden.
l ä n g s Sc h i tt
137
E r st e L i g a
i sta n b u l : I n ö n ü
Text:
Yasemin Ergin
Frauensache
Im September 2011 wurde
anstelle eines geplanten
Geisterspiels das
Inönü-Stadion für Kinder
und Frauen geöffnet.
Es wurde ein voller
Erfolg. Nun gibt es im
Stadion einen Frauen­
bereich. Ein Ortsbesuch
Agnimus. Udit ad quossit inus ad quodit volorehent quodite et
fuga. Henis des et enim
ea nonet, solupti
138
139
E r st e L i g a
i sta n b u l : I n ö n ü
140
141
oben
Das Inönü-Stadion
im Stadtteil Beşiktaş
liegt am Bosporus auf
der europäischen Seite
Istanbuls.
rechte Seite
Beşiktaş hat den Spitznamen »Die schwarzen
Adler vom Bosporus«.
★ ★ ★
Architektur
der
Emotionen
★ ★ ★
Die Faszination
FuSSball funktioniert
nur in Kombination
mit dem legendären Ort,
dem Stadion, dem Club,
den Menschen.
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