Calamus Document - Projektwerkstatt

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Calamus Document - Projektwerkstatt
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Wel t, Leb en , Men sch en
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S el b sten tfa l tu n g
„ Sel bsten tfal tu n g “ sol l h i er g em ei n t sei n al s i n di vi du el l es E n twi ckel n . D er M en sch l ebt
sei n e ei g en e Su bjekti vi tät, er wi rd zu r ei g en en Persön l i ch kei t. D er B eg ri ff Sel bsten tfal tu n g
sol l an sch au l i ch m ach en , dass es u m di e sch ri ttwei se u n d zu n eh m en de Real i si eru n g
m en sch l i ch er M ög l i ch kei ten g eh t. D as jewei l s errei ch te N i veau bi l det den Au sg an g spu n kt
wei terer E n tfal tu n g . D i ese i st al so ei n ersei ts ei n P rozess, d. h . kei n Au stau sch von E i g en sch aften , an derersei ts u n beg ren zt. E r tri fft dah er etwas besser al s der g ebräu ch l i ch e B eg ri ff
der Sel bstbesti m m u n g , wei l di eser su g g eri ert, es kön n e ei n besti m m tes Zi el , ei n en zu errei ch en den E n dpu n kt g eben . M i t Vorsch l äg en , der M en sch m ü sse sei n e ei g en tl i ch e B esti m m u n g errei ch en oder sei n wah res I n n eres frei l eg en , docken esoteri sch e Vorstel l u n g en
an ei n em sol ch stati sch en Kon zept an . D as i st äh n l i ch bei m B eg ri ff „ Sel bstverwi rkl i ch u n g “.
Vi el fach m ei n en M en sch en m i t al l di esen Wörtern aber i n h al tl i ch Äh n l i ch es.
Es g eh t al so n i ch t n u r daru m , ei n e persön l i ch e „ An l ag e“ oder „ N ei g u n g “ i n di e Wi rkl i ch kei t zu bri n g en , si e wi rkl i ch werden zu l assen . D i ese Vorstel l u n g i n di vi du al i si ert u n d beg ren zt di e ei g en tl i ch en M ög l i ch kei ten des g esel l sch aftl i ch en M en sch en : Wen n es „ wi rkl i ch“ g eworden i st, dan n war's das. E i n e i n di vi du al i si erte Au ffassu n g von „ Sel bstverwi rkl i ch u n g “ reprodu zi ert den i deol og i sch en Sch ei n ei n es G eg en satzes von I n di vi du u m u n d
G esel l sch aft u n ter bü rg erl i ch en Verh äl tn i ssen . Si e bedeu tet i m Kern ei n Abfi n den m i t u n d
si ch E i n ri ch ten i n besch i ssen en B edi n g u n g en . D i e u n besch rän kte Sel bsten tfal tu n g frei er
M en sch en g i bt es jedoch n u r i n ei n er frei en G esel l sch aft − u n d si e fü h rt i n ei n en Kam pf
u m si e. Au f dem Weg dorth i n i st di e Sel bsten tfal tu n g Q u el l e von Verän deru n g . D en n wo
di e E n tfal tu n g an G ren zen stößt, g eh ört es zu i h r dazu , di ese G ren zen zu ü berwi n den . Si e
sch afft al so i h rer ei g en en M ög l i ch kei ten .
Ei n si ch sel b st en tfal ten d es i st ei n sozi al es I n d i vi d u u m
Sel bsten tfal tu n g wäre besch rän kt, wen n si e au ß erh al b des g esel l sch aftl i ch en Kon text real i si ert wü rde. D en n jede en tfal tete E i g en sch aft, Kraft oder I dee steh t i n ei n er frei en G esel l sch aft al l en zu r Verfü g u n g , d. h . si e i st g l ei ch bedeu ten d m i t der Real i si eru n g g esel l sch aftl i ch er M ög l i ch kei ten . Sel bsten tfal tu n g , di e au f Kosten an derer l äu ft, n i m m t si ch sel bst M ög l i ch kei ten , den n di e E n tfal tu n g der An deren i st ei n e wi ch ti g e, m i tu n ter n otwen di g e Vorau ssetzu n g fü r di e ei g en e Sel bsten tfal tu n g . D as verei n t E i g en n u tz u n d G em ei n n u tz: I m I n teresse m ei n er Sel bsten tfal tu n g h abe i ch ei n u n m i ttel bares I n teresse an der Sel bsten tfal tu n g
der an deren . D i ese si ch sel bst verstärken de g esel l sch aftl i ch e Poten z l äu ft u n seren h eu ti g en
B edi n g u n g en total zu wi der, u n ter den en m en sch si ch n u r au f Kosten An derer wei teren twi ckel n kan n , wei l dabei du rch setzen m u ss.
D er sozi al e Kon text aber sch afft n i ch t n u r M ög l i ch kei ten , son dern au ch G ren zen . D i ese zu
versch i eben , kön n te den H an dl u n g sspi el rau m erwei tern , d. h . em an zi patori sch e Zi el e u n terstü tzen . I n n erh al b der M ög l i ch kei ten kan n zu m i n dest au sg ewäh l t werden , d. h . zu r E n tfal tu n g des I n di vi du u m s g eh ört berei ts di e E n tsch ei du n g zwi sch en den M ög l i ch kei ten − i n
jedem E i n zel fal l von N eu em .
D i ese Sel bsten tfal tu n g i st das Leben sel bst. D en n fü r das Leben g i bt es kei n e h öh eren Werte, kei n e M oral , kei n e I n stan z, di e ei n en Si n n vorg eben kan n . M ög l i ch i st di e U n terwerfu n g
u n ter frem dbesti m m te Lei tbi l der (si eh e vorh erg eh en des Kapi tel ), aber das wäre n u r ei n E r-
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satz fü r ei n e Sch ei n g eborg en h ei t, di e der M en sch m i t der M en sch werdu n g ü berwu n den
h at − posi ti v au sg edrü ckt. D i e n eg ati ve Form u l i eru n g wäre: E r h at si e verl oren . So oder
so: Si e i st weg . Typi sch M en sch h ei ßt al so, sei n ei g en es D i n g zu m ach en , das ei g en e Leben zu l eben , si ch zu en tfal ten . D as i st der Si n n des Leben s: Leben ! N i ch t al s Kopi e von
Zu ri ch tu n g en , son dern al s O ri g i n al . D as m u ss si ch en tfal ten . Es h at kei n E n de, es g i bt
kei n e B l au pau se der Persön l i ch kei t. Es g i bt n u r u n d stän di g i m m er wi eder n eu di e E n tsch ei du n g zwi sch en dem Spru n g i n di e G eborg en h ei t der F rem dbesti m m u n g oder di e
wei tere E n tfal tu n g des Sel bst.
Au s ei n em I n tervi ew m i t H u m b erto R . Ma tu ra n a , i n : F rei ta g , 1 0 . J a n u a r 2 0 0 3 ( S. 1 8 )
Das Leben, sagte ich mir, hat keine Bedeutung, keinen Sinn, es folgt keinem Programm des
evolutionären Fortschritts. Meine tautologisch klingende Schlussfolgerung heißt, dass der
Sinn und Zweck eines Lebewesens darin besteht, zu sein, was es ist. Der Zweck eines Hundes ist es, ein Hund zu sein; der Zweck eines Menschen besteht darin, ein Mensch zu sein.
Was immer einem Lebewesen zustößt und geschieht, so wurde mir klar, hat mit ihm selbst
zu tun. Wenn m ich ein Hund beißt, weil ich ihm auf den Schwanz getreten bin, so beißt er
mich, weil er den Schmerz vermeiden möchte. Das heißt: Lebende Systeme sind autonom;
und sie müssen notwendig eine Grenze haben, eine Markierung dessen, was zu ihnen was
nicht zu ihnen gehört.
I n tersu b jekti vi tät statt I n stru m en tal i si eru n g
D er M en sch produ zi ert u n d reprodu zi ert sei n Leben verm i ttel s der g esel l sch aftl i ch en M ög l i ch kei ten , oder an ders form u l i ert: D i e i n di vi du el l e E xi sten z des M en sch en i st g esam tg esel l sch aftl i ch verm i ttel t (vg l . H ol zkam p 1 9 8 5 , 1 9 2 ). Wen n wi r di ese Verg esel l sch aftu n g al s
Verm i ttl u n g zwi sch en I n di vi du en u n d G esel l sch aft beg rei fen , sch l i eßt das zwei i m m er wi eder an zu treffen de ei n sei ti g e Si ch twei sen au s: Weder steu ert der M en sch sei n Leben völ l i g
au ton om u n d kan n al l es di rekt besti m m en , n och wi rd er vol l stän di g von den B edi n g u n g en
besti m m t u n d g esteu ert. D er erstg en an n te I rrtu m zei g t si ch z. B. i n der l ei ch tferti g en An n ah m e, m en sch kön n e al l e D i n g e i n der Kl ei n g ru ppe reg el n (Sel bstversorg u n g , Au tarki e); di e
an dere zei g t si ch al s determ i n i sti sch er B edi n g u n g sfatal i sm u s, etwa so, al s ob al l e M en sch en wi e Spi el pu ppen du rch ei n e u n si ch tbare H an d g efü h rt werden u n d m an dah er n i ch ts
m ach en kön n e. B ei de Si ch twei sen spi eg el n zwar Tei l e von Real i tät wi der, verwech sel n jedoch E i n zel aspekte m i t den G esam tverh äl tn i ssen .
I n der determ i n i sti sch en Si ch t zei g t si ch di e real e su bjektl ose sel bstl au fen de Verwertu n g sm asch i n e, i n der si ch di e M en sch en g l ei ch Rädch en i m G etri ebe al s den B edi n g u n g en
vol l stän di g u n terworfen em pfi n den . D i e person al i si eren de Si ch t i st di e an dere Sei te der
g l ei ch en M edai l l e: D a den M en sch en di e Verfü g u n g ü ber i h re B edi n g u n g en en tzog en i st,
sch ei n en al l e beei n fl u ssbaren U m stän de au ssch l i eß l i ch i m n ah en persön l i ch en B erei ch zu
l i eg en . Vi el e Kon fl i kte si n d h i er jedoch n i ch t l ösbar, da i h re U rsach en i m sch ei n bar u n verfü g baren g esel l sch aftl i ch en B erei ch l i eg en . D i eser Wi derspru ch provozi ert U n si ch erh ei t,
Ag g ressi on en u n d g eg en sei ti g e Sch u l dzu wei su n g en . E i n Teu fel skrei s, den n das Sch wan ken zwi sch en O h n m ach ts- u n d Au sg el i eferth ei tsg efü h l en au f der ei n en u n d Ag g ressi on i m
persön l i ch en U m fel d al s Resu l tat der Person al i si eru n g von Kon fl i kten au f der an deren Sei te
h än g en en g zu sam m en . Au s der Verm i ttl u n g sbezi eh u n g des M en sch en zu r g esel l sch aftl i ch en Real i tät fol g t jedoch zwi n g en d: M en sch l i ch es H an del n i st n i ch t bedi n g u n g sg etri eben ,
son dern m ög l i ch kei tsoffen . D i e g esel l sch aftl i ch en B edi n g u n g en stel l en n i em al s bl oß e D eterm i n an ten des H an del n s dar, son dern bi l den ei n en M ög l i ch kei tsrau m , i n dem wi r u n s be-
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weg en . Zu dem si n d si e beei n fl u ssbar. Wäre das an ders, h i n g e n i ch t n u r der ei n zel n e
M en sch h offn u n g sl os al s Fah n e i m Wi n d, son dern jede Än deru n g g esel l sch aftl i ch er Verh äl tn i sse pri n zi pi el l au sg esch l ossen . D ass das n i ch t so i st, bewei st di e G esch i ch te, di e ja ei n
Zei tstrah l der Verän deru n g g esel l sch aftl i ch er Verh äl tn i sse i st.
I n wel ch er Wei se di e g ru n dsätzl i ch vorh an den en M ög l i ch kei ten i n di vi du el l g en u tzt werden , i st eben so n i ch t festg el eg t wi e di e U n verrü ckbarkei t der B edi n g u n g en . D ass vi el e
di ese F rei h ei t n i ch t au sn u tzen , ja n i ch t ei n m al wah rn eh m en u n d erl eben , i st l ei der ei n e
m ög l i ch e Fol g e g en au di eser tatsäch l i ch vorh an den en , rel ati ven F rei h ei t. D en n es i st eben
ei n e m en sch l i ch e M ög l i ch kei t, si ch al s bedi n g u n g sg etri eben zu erl eben u n d dan ach i n
sel bstbesch rän ken der Wei se zu h an del n . D er M en sch kan n di e oh n eh i n vorh an den en E i n fl ü sse, si ch kl ei n u n d oh n m äch ti g zu fü h l en , sel bst ü bern eh m en u n d si ch fü r oh n m äch ti g
erkl ären , n i ch t m eh r au f M ög l i ch kei ten ach ten u n d di e ei g en en Fäh i g kei ten verkü m m ern
l assen oder n i ch t wei ter en twi ckel n .
E m an zi pati on m u ss h i er fü r di e Al tern ati ve werben , n äm l i ch dem Su ch en n ach u n d E rg rei fen von M ög l i ch kei ten , der E rwei teru n g der i n di vi du el l en H an dl u n g sfäh i g kei t u n d der E i n fl u ssn ah m e au f di e B edi n g u n g en , di e zu n äch st u n verrü ckbar sch ei n en .
E g oi sm u s a l s An tr i eb
O ft wi rd ei n g ewan dt: Waru m sol l di e E n tfal tu n g des E i n zel n en di e Rettu n g bri n g en − wi rd
dan n n i ch t n u r al l es sch l i m m er? D i e M en sch en si n d n u n m al eg oi sti sch , fau l oder . . . (n ach
B el i eben au fzu fü l l en ). D och das i st ei n g roß er U n fu g . Kei n M en sch i st „ n u n m al ” so oder
so. D i e M en sch en verh al ten si ch u n ter den g eg eben en B edi n g u n g en so, wi e es i h n en das
si ch sel bst reprodu zi eren de Wertverwertu n g ssystem n ah el eg t, d. h . wi e si e m ei n en , u n ter
den g eg eben en B edi n g u n g en ü ber di e R u n den zu kom m en . U n ter kapi tal i sti sch en B edi n g u n g en h ei ßt di es stru ktu rel l : I ch kan n m i ch n u r beh au pten , wen n ei n an derer es n i ch t
kan n , i ch kan n m i ch n u r au f Kosten an derer du rch setzen . O der wi e es der (dam al i g e) U SVorstan dsvorsi tzen de von D ai m l er- C h rysl er, Robert J. Eaton , form u l i ert: „ D i e Sch wach en
m ü ssen si ch verän dern , oder si e werden sterben” (zi ti ert i n Ju n g e Wel t, 8 . 7 . 1 9 9 9 ). I m Kapi tal i sm u s kan n es zu dem ja n i ch t n u r Starke g eben , son dern der aktu el l e Starke i st der
n äch ste Sch wach e − wi e au ch Eaton erfah ren m u sste, der später von sei n en deu tsch en
„ Partn ern” abservi ert wu rde (woran er jedoch g ewi ß n i ch t zu g ru n de g i n g ).
D i e M eh rzah l besteh en der I deol og i en u n d M oral en verteu fel t den Eg oi sm u s. M i tu n ter i st es
au ch ei n e F rag e der D efi n i ti on , oft aber steh t tatsäch l i ch der An spru ch dah i n ter, es sei i rg en dwi e verwerfl i ch , an si ch zu den ken u n d fü r si ch das N ü tzl i ch e an zu streben . Zu m ei n en
i st das ei n e krasse An forderu n g , der M en sch sol l e al s An tri eb fü r sei n Leben n i ch t den
Wu n sch n ach ei n em besseren Leben h aben . D as i st h öch sten s au s dem B l i ckwi n kel der I n h aberI n n en h öh erer I n teressen n ach vol l zi eh bar, di e M en sch en u n terwerfen wol l en u n d i h n en desh al b di e I dee, si ch sel bst i n den M i ttel pu n kt zu stel l en , au szu reden versu ch en .
Zu m an deren si tzt di e Warn u n g vor dem bösen Eg oi sm u s ei n em wei tverbrei teten I rrtu m
au f − n äm l i ch dass der Eg oi sm u s der Fei n d des N u tzen s An derer oder g ar Al l er i st. D as
m ag dah er rü h ren , dass es i n u n serer h eu ti g en G esel l sch aft m ei st so g ereg el t i st. Stän di g e
Verwertu n g , di e B i l du n g von E i g en tu m m i t der i n Verwertu n g sabsi ch t vol l zog en en Absch ottu n g g eg en ü ber an deren u n d das B u h l en u m kü n stl i ch verkn appte Ressou rcen , Ar-
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bei tspl ätze, I n form ati on en u sw. sch affen ei n e Si tu ati on , bei der der Vortei l des ei n en au f
dem N ach tei l des an deren beru h t. Wer au s Wi ssen G el d m ach en wi l l , l ässt es paten ti eren
oder au f an dere Art sch ü tzen − was an deren sch adet. Wer ei n G erät oder ei n e M asch i n e
beson ders profi tabel verwerten wi l l , en tzi eh t si e an deren oder sorg t am besten sog ar dafü r,
dass an dere so etwas n i ch t h aben .
D ri tten s g i l t aber au ch n och etwas An deres: Was al s eg oi sti sch es g i l t, i st i n der h eu ti g en
G esel l sch aft g ewü n sch t, g efördert u n d oft sog ar erzwu n g en . Aber es n ü tzt oft n i ch t ei n m al
den verm ei n tl i ch en Eg oi stI n n en . I m G eg en tei l : D as E rsch recken de i st n i ch t, dass M en sch en n u r das tu n , was i h n en n ü tzt, son dern das, was au ch i h n en n i ch ts n ü tzt. D i e D i sku rsm ach t, d. h . di e Zu ri ch tu n g u n d N orm i eru n g , i st stärker al s der eg oi sti sch e An tri eb. D en
M en sch en wi rd etwas ei n g etri ch tert, was fü r si e g u t sei n sol l − u n d das tu n si e dan n .
Än g ste werden h ervorg eru fen , dam i t abwei ch en des Verh al ten u n terbl ei bt. Es i st ü berh au pt
n i ch t n ü tzl i ch , al l es sel bst erfi n den , Wi ssen u n d I n strastru ktu r al s E i g en tu m zu bu n kern
u n d n u r ü ber G el d di e I deen u n d D i en stl ei stu n g en an derer n u tzen zu kön n en . D as kapi tal i sti sch e System steckt wesen tl i ch m eh r G el d u n d Arbei t i n n i ch t produ kti ve B erei ch e, d. h .
i n Zerstöru n g , Kon trol l e, Verwal tu n g u n d i n das B ezah l system al s sol ch em . So fi n an zi ert
der Kau f ei n er Fah rkarte fü r B u s oder B ah n zu g u ten Tei l en vor al l em das System der Fah rkarten sel bst, al so den Sch ei n , di e Kon trol l eu rI n n en , di e Au tom aten , di e B u ch h al tu n g dah i n ter u n d di e Werbu n g zu m Kau f der Fah rkarten . D as i st n i ch t effi zi en t − weder fü r di e
E i n zel n en n och fü r di e An deren . Wert u n d Verwertu n g si n d Sel bstzweck. U n ter i h rem Reg i m e wi rd Eg oi sm u s, d. h . der An tri eb zu m besseren ei g en en Leben , zu m D esaster fü r An dere, oft au ch fü r g esel l sch aftl i ch e Ressou rcen u n d fü r den E rh al t ei n er l eben swerten U m wel t.
Al l das m ü sste n i ch t so sei n . I n ei n er G esel l sch aft, i n der di e P rodu kti vkraft n i ch t i n di e
Sch affu n g von n u r fü r P ri vi l eg i erte zu g än g l i ch en I n form ati on en , Ressou rcen u n d Rei ch tü m ern g esteckt wi rd, son dern di e E rg ebn i sse al l en zu g än g l i ch si n d, stel l t jede produ kti ve Täti g kei t ei n en Fortsch ri tt fü r al l e dar, sei es di e H erstel l u n g von Sach en oder der E n twu rf
n eu er I deen , Tech n i ken oder P l än e. D er ei g en e Fortsch ri tt i st dan n so sch n el l , wi e al l e zu
ei n er Wei teren twi ckl u n g bei trag en − ei n sch l i eß l i ch jedem /r sel bst. Es g äbe dan n kei n e
E n tkoppl u n g m eh r zwi sch en ei g en em u n d g esel l sch aftl i ch en Fortsch ri tt, wei l al l es der E i n zel n en au ch i n der G esel l sch aft i st − u n d al l es der G esel l sch aft dem E i n zel n en di en t.
Sel b sten tfal tu n g i st d as G eg en g i ft zu m Verwertu n g swah n
D i e Sel bsten tfal tu n g des E i n zel n en kl appt am besten , wen n si ch au ch al l e an deren frei en tfal ten − wei l dan n deren I deen , Wi rku n g en u n d vi el es m eh r au ch fü r den E i n zel n en n u tzbar werden : Al s Au sg an g spu n kt, Vorl ag e, B ei spi el oder m ateri el l e Ressou rce. D och das
G an ze g i l t au ch an dersh eru m : E i n e frei e G esel l sch aft i st ei n e G esel l sch aft, i n der di e u n besch rän kte E n tfal tu n g des E i n zel n en di e Vorau ssetzu n g fü r di e E n tfal tu n g al l er i st. D i e u n besch rän kte Sel bsten tfal tu n g i st n i ch t n u r ei n e su bjekti v wü n sch en swerte u n d an g en eh m e
Vorstel l u n g , son dern si e i st au ch erforderl i ch . Wi eso das? D er Kapi tal i sm u s i st m i t ei n er
M asch i n e verg l ei ch bar, di e au s Wert m eh r Wert m ach t. D i ese M asch i n e i st ei n su bjektl oser
Au tom at, der si ch sel bst voran trei bt u n d i n di esem Voran trei ben reg u l i ert. Zen tral er An tri eb
i st der Wert u n d zwar sowoh l fü r di e Sei te der P rodu kti on ei n sch l i eß l i ch des dam i t errei ch baren P rofi ts al s au ch di e des Kon su m s.
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Au f der Sei te der P rodu kti on g eh t es daru m , du rch E i n satz von Tech n i k u n d Wi ssen sch aft
di e Arbei tsm en g e i m P rodu kt perm an en t zu verri n g ern , al so di e P rodu kth erstel l u n g stän di g zu verbi l l i g en , wozu di e Kon ku rren z u n abl ässi g an trei bt. D i eser Sach zwan g wi rd vom
Kapi tal verwal ter, vom M an ag er, vom Kapi tal i sten au sg efü h rt. G l ei ch zei ti g i st jeder P rodu zen t au f der Su ch e, ü ber wei tere M ech an i sm en das P rodu kt wi ederu m zu verteu ern , al so
zu sätzl i ch en Wert zu sch affen . D i e Förderu n g des M arken i m ag es i st das bekan n teste B ei spi el der Sch affu n g von Wert, u m di eses dan n verwerten zu kön n en .
E i n äh n l i ch er Sach zwan g besteh t au f der Sei te des Kon su m s. N u r du rch Verkau f sei n er Arbei tskraft kan n der P rodu kti on sm i ttel l ose am Kon su m tei l h aben . G l ei ch zei ti g m u ss er kon su m i eren , n i ch t n u r u m zu ü berl eben , son dern au ch u m ü ber den Kon su m sei n e Arbei tskraft wi eder h erstel l en : Arbei ten g eh en , u m Arbei ten zu g eh en bzw. dabei even tu el l den
Verkau fswert sei n er Arbei tskraft zu stei g ern . D i e Au frech terh al tu n g di eser H am sterradLog i k i st das zen tral e I n teresse der H errsch en den , wesweg en „ Arbei t” u n g ebroch en i m
Zen tru m h errsch en der I deol og i e steh t, der si ch reg el m äß i g au ch Li n ke an sch l i eß en .
Wi ch ti g i st n u n : Al l e B etei l i g ten , ob H errsch en de oder B eh errsch te, reprodu zi eren du rch
i h r Tu n den su bjektl os abl au fen den total i tären Verwertu n g szu sam m en h an g , i n dem si e di e
stru ktu rel l en Zwan g svorg aben erfü l l en . I n di esem Si n n e g i bt es kei n e „ Sch u l di g en” oder
„ U n sch u l di g en”, das i n di vi du el l e H an del n i st i n n erh al b der g eg eben en G ren zen sog ar su bjekti v fu n kti on al . Al l e B etei l i g ten bi l den di e g roß e M asch i n e der en dl osen Verwertu n g von
Wert.
D i e kapi tal i sti sch e Verwertu n g i st dabei so an g el eg t, dass m an si ch n u r au f Kosten an derer
beh au pten kan n − das M aß u n tersch ei det si ch bei H errsch en den u n d B eh errsch ten g ewi ß
erh ebl i ch . D och en tsch ei den d i st di esem Zu sam m en h an g : D er Kapi tal i sm u s i st kei n „ steu erbares” System , es steu ert si ch sel bst du rch ei n en Wertverm eh ru n g s-Au tom ati sm u s, der
kei n en Wi n kel der E rde u n d kei n en Rau m des i n di vi du el l en R ü ckzu g s u n g esch oren l äßt −
ei n total i täres System , das g ar kei n er E xeku toren m eh r bedarf, wi e es D i ktatu ren , D em okrati en u n d an dere Reg i m e ben öti g en , u m den E i n fl u ss derer zu besch rän ken oder g an z au szu m erzen , di e den Reg el n n i ch t fol g en . Wer si ch dem Kapi tal i sm u s en tzi eh t, steh t au ß erh al b der Reprodu kti on szykl en ei n er vom kapi tal i sti sch en Wi rtsch aften fast ü beral l erfassten
Wel t. E r verh u n g ert oder wi rd zu m i n dest i n sei n en H an dl u n g s- u n d E i n fl u ssm ög l i ch kei ten
g ebrem st. D i e M asch i n e l äu ft au ch oh n e i h n ei n fach wei ter (so jeden fal l s di e Th eori e: P rakti sch si eh t es n och etwas an ders au s, wen n z. B. su bversi ve Akti on sm eth oden di e Kraft der
M asch i n e an zapfen , u m si e g eg en si e zu wen den ).
D i eses am okl au fen de total i täre Wertverwertu n g ssystem kan n n u r abg esch afft, di e „ sch ön e
M asch i n e” kan n n u r abg esch al tet oder saboti ert werden . D er H ol zsch u h , der das G etri ebe
bl ocki ert (U rspru n g des Wortes Sabotag e), i st si n n bi l dl i ch dafü r.
D i e Al tern ati ve zu r Steu eru n g der M en sch en du rch ei n en Sach zu sam m en h an g i st di e
Steu eru n g al l er Sach zu sam m en h än g e du rch di e M en sch en . D i e h eu ti g e B esti m m u n g der
M en sch en du rch den Wert wi rd eben so abg el öst du rch di e B esti m m u n g al l er An g el eg en h ei ten der M en sch en du rch di e M en sch en sel bst, wi e al l e F rem dbesti m m u n g du rch Rel i g i on en , H errsch erI n n en , au tori täre M oral u n d Tradi ti on . N u r so − u n d n i ch t an ders − si n d
di e Verh eeru n g en des m on strösen Kapi tal i sm u s wi eder i n l ebbare Verh äl tn i sse u m keh rbar,
i n N atu r wi e G esel l sch aft. D i e sel bstbesti m m te E n tfal tu n g jedes E i n zel n en i st kei n freu n dl i ch er Wu n sch , son dern u n abdi n g bare Rettu n g svorau ssetzu n g der M en sch h ei t.
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3.
Wel t, Leb en , Men sch en
Sel bsten tfal tu n g dag eg en vol l zi eh t si ch n i em al s au f Kosten an derer, son dern setzt di e E n tfal tu n g der an deren M en sch en n otwen di g vorau s, da son st di e ei g en e Sel bsten tfal tu n g beg ren zt wi rd. I m ei g en en I n teresse h abe i ch al so ei n u n m i ttel bares I n teresse an der Sel bsten tfal tu n g der an deren . D i ese Vi si on l äu ft u n seren h eu ti g en B edi n g u n g en , u n ter den en
m an si ch ei n g esch rän kt u n d n u r au f Kosten an derer du rch setzen kan n , total zu wi der. U n besch rän kte Sel bsten tfal tu n g des M en sch en i st u n ter den B edi n g u n g en der total i tären
„ sch ön en M asch i n e” u n den kbar. D en n Sel bsten tfal tu n g sch l i eßt F rem dbesti m m u n g −
sei en es sach l i ch e oder sozi al e Zwän g e − au s. Wen n al l e abstrakten , g l ei ch g ü l ti g en , su bjektl osen Zwän g e versch wi n den , bl ei ben al s al l ei n i g er M aß stab des H an del n s di e i n di vi du el l en B edü rfn i sse der M en sch en . O h n e abstrakten M arkt l i eg en si e au ch wi eder i m di rekten Zu g ri ff der M en sch en . M i ch u n ter di esen B edi n g u n g en au f Kosten an derer du rch zu setzen , sch adet m i r u n m i ttel bar sel bst − den n di e/der An dere i st n u n oh n e verm i ttel n den
M arkt m ei n e u n m i ttel bare Leben sbedi n g u n g . U n d wer wi l l m i t ei n em „ Arsch” n och etwas
zu tu n h aben?
D as H an del n des An deren i st fü r m i ch di rekt rel evan t, es g i bt kei n e U m weg e m eh r, kei n eR
i st m eh r käu fl i ch . Posi ti v g edach t bedeu tet das: D a i ch „ au f Kosten” an derer n i ch ts m eh r errei ch en kan n , l i eg t es n ah e, m ög l i ch st vi el i n Kooperati on m i t an deren oder sog ar i m g em ei n sam en I n teresse zu tu n . E rst i n ei n er frei en G esel l sch aft kan n di e Kooperati on i h re
sch i er u n beg ren zten Poten zen en tfal ten . D i e ei g en e u n d di e kooperati ve E n tfal tu n g bedi n g en ei n an der, trei ben si ch g eradezu an .
Es wü rde zu m u n m i ttel baren Zi el , al l e kooperati on swi dri g en u n d i n di vi du el l besch i ssen en
oder beh i n dern den B edi n g u n g en au s der Wel t zu sch affen . Kei n Sach zwan g , kei n E Vorg esetzteR u n d kei n n och so h oh es G eh al t wü rden u n s davon abh al ten . N i em an d m u ss m eh r
stän di g u n d kram pfh aft P rofi t real i si eren , u m ei n B edü rfn i s zu erfü l l en . E n dl i ch kön n en
si ch di e M en sch en u n beh i n dert u n d u n di ri g i ert du rch di e u n kon trol l i erbare M asch i n e den
P robl em en der Wel t, di e n u n i h re P robl em e si n d, zu wen den . D i e Au fh ebu n g der M arktabstrakti on bedeu tet n äm l i ch au ch , dass P robl em e wi eder n äh er h eran rü cken . Es g i bt kei n e
I n stan z i m I rg en dwo m eh r, di e „ veran twortl i ch“ i st. Jeder sel bstbesti m m t h an del n de
M en sch i n ei n er frei en G esel l sch aft träg t u n m i ttel bar Veran twortu n g fü r sei n Tu n .
Wi e g eh t's?
Sel bsten tfal tu n g i st G eg en ku l tu r. Fast al l e E i n fl u sse der U m wel t präg en h eu te i n di e an dere
R i ch tu n g . M en sch en werden au f Rol l en g epräg t, i h n en wi r ei g en stän di g e H an dl u n g sfäh i g kei t, ja sog ar der Wi l l en dazu g ekom m en . M en sch en verspü ren n ach ei n i g en Jah ren
Sch u l e kei n e Lu st m eh r au f Lern en u n d ei g n en si ch n u r n och (oft wi derwi l l i g ) das an , was
von i h n en verl an g t wi rd. I h re Sch affen skraft bri n g en si e n u r ei n , wen n si e dafü r en tl oh n t
werden . Si e l ern en , dass si ch ei g en e I n i ti ati ve, ei g en es Kön n en au ß erh al b von E rwartu n g skorri doren n i ch t ren ti ert. M i tu n ter ri ch ten si e si ch kl ei n e, beg ren zte I n sel n kreati ven Au sl eben s an − al s H obbi es.
Au sb rech en , Frei h ei ten erkäm pfen , d as Leb en wag en
D er erste Sch ri tt i st ei n e E n tsch ei du n g : I ch wi l l h i er rau s! Au ch wen n Kooperati on en di e
Sel bsten tfal tu n g fördern , wen n g eg en sei ti g e H i l fe di e H an dl u n g sm ög l i ch kei ten erwei tern
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Wel t, Leb en , Men sch en
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− der E n tsch l u ss m u ss au s dem ei g en en Wi l l en erfol g en . F l u ch t al l ei n i st n u r ei n Sch ei n :
D er Kapi tal i sm u s i st „ sch l au “ g en u g , fl exi bl e Reakti on en au f Au sbru ch sträu m e berei t zu
h al ten . Zu m ei n en werden rau h e Rän der offen g eh al ten , i n di e M en sch en fal l en kön n en ,
wo si e aber au ch n i ch t m eh r stören − ob n u n al s O bdach l oser au f der Straß e, al s H artz- I VE m pfän g erI n i n der Sch l i ch twoh n u n g m i t Kabel em pfan g oder al s P u n k am städti sch en
B ru n n en , g efan g en i n der I l l u si on von Wi derstän di g kei t. Zu m an deren arbei ten ü beral l Reparatu rbetri ebe, di e Arbei tskraft wi eder h erstel l en − Ku rorte, Kran ken h äu ser, Psych i atri en ,
G efän g n i sse, Fam i l i en , Sch u l en . Sel bstverstän dl i ch steh en au ch si e u n ter der al l u m fassen den Log i k von P rofi t u n d Verwertu n g . Sel bst fü r den P rotest si n d g eordn ete Kan äl e vorg eseh en , von D em on strati on szü g en bi s zu pol i ti sch en Partei en . Si e spi el en an g esi ch ts stän di g n eu er Verwerfu n g en ei n e wi ch ti g e Rol l e, au fkom m en den P rotest i n appel l ati ve Kraft zu
wan del n u n d am besten di e M asch i n e au s den Kri ti ken zu opti m i eren .
D er Au sbru ch m u ss si ch g eg en di e M asch i n e wen den . E r m u ss n i ch t g l ei ch vol l stän di g
sei n − kan n aber. Wo er jedoch stattfi n det, sol l te er kon sequ en t sei n . D en n di e M asch i n e i st
g efräß i g t. Si e sau g t jede ku l tu rel l e N eu eru n g au f u n d m ach t si e zu ei n em Tei l von si ch
sel bst, wen n di ese n i ch t wi derstän di g en Abstan d h äl t. D er Au sbru ch m u ss g eg en ku l tu rel l er
Art sei n , d. h . es kom m t n i ch t n u r au f den I n h al t von P rotest, son dern au ch au f di e Art an ,
wi e er si ch org an i si ert u n d verm i ttel t. Al l es m u ss San d i m G etri ebe u n d darf n i ch t verei n n ah m bar sei n .
Wen i g er wi ch ti g i st, ob das Stü ck g roß oder kl ei n i st, das wi r der M asch i n e von u n serem
Leben en trei ß en , u m sel bi g es wi eder sel bst zu g estal ten . D i e D ebatte u m Reform oder Revol u ti on i st sowoh l fü r u n seren Al l tag wi e au ch i n sg esam t si n n l os. E n tsch ei den d i st, dass
das, was wi r an Än deru n g h erbei fü h ren (wol l en ), n i ch t di e M asch i n e g röß er m ach t, son dern den Tei l , der au ß erh al b der M asch i n e l i eg t − oder di e M asch i n e di rekt bl ocki ert.
N ach dem g roß en Sch u h , der al l es zu m Sti l l stan d bri n g t, werden wi r l an g e su ch en m ü ssen . Es g i bt kei n en an g rei fbaren , al l es verbi n den den M ech an i sm u s, der wi e ei n Sch al ter zu
betäti g en i st. H i n zu kom m t der feh l en de Wi l l en au ch bei den m ei sten P rotestg ru ppen , di e
Verh äl tn i sse u m zu werfen . E i n Sch m i erm i ttel der M asch i n e i st G esi n n u n g , di e wi e ei n N atu rg esetz bl ei ern ü ber der g esam ten Szen eri e l i eg t. Es brau ch t dah er berei ts ei n en kraftvol l en Wi l l en sen tsch l u ss, si ch l oszu rei ß en − zu m i n dest fü r ei n kl ei n es, vi el l ei ch t
èè
èè
wach sen des Stü ck. D en n ei n G el i n g en kan n M u t m ach en fü r m eh r.
Zu m Sym b ol des
Exp eri m en ti erfel d er sch affen
Ma q u is sieh e u n ter
h ttp : //de. wikip edia .
org /wiki/Ma q u is
Su ch en wi r u n s fü r den Spru n g au s der M asch i n e O rte, di e es wert si n d. M ei st m ü ssen si e
erst g esch affen werden . D i e M asch i n e l ässt n i ch t ei n fach ü beral l Sch l u pfl öch er oder Leerstel l en . D i e B ü sch e des M aqu i s m ü ssen g epfl an zt werden ! D as g eh t ü beral l , aber m an ch e
O rte bi eten si ch i m B eson deren an . D as si n d zu m ei n en di e, di e fü r den B etri eb der M asch i n e n i ch t so von B edeu tu n g si n d oder di e si ch der Kon trol l e l ei ch ter en tzi eh en . H i er
kön n ten sel bstbesti m m tes Leben u n d das Au sprobi eren an derer O rg an i si eru n g sform en
l ei ch ter fal l en al s dort, wo kon ku rri eren de An sprü ch e sch n el l au fei n an derpral l en , al so z. B.
am Arbei tspl atz oder i n der Au sbi l du n g . Aber Ach tu n g : D i rekte Repressi on u n d au tori täre
Verh al ten ssteu eru n g si n d n u r ei n Tei l der äu ß eren B eei n fl u ssu n g . D i ese abzu sch ü ttel n ,
rei ch t n i ch t. D en n jeder M en sch spi eg el t di e Zu ri ch tu n g en u n d D i sku rse der G esel l sch aft
au ch sel bst wi der. Si e m ü ssen akti v ü berwu n den werden . E xperi m en ti erfel der, di e wi r wäh -
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Wel t, Leb en , Men sch en
l en , m ü ssen n i ch t g roß, sol l ten aber kon sequ en t sei n . Son st sch ei tern wi r zi em l i ch sch n el l
an u n s sel bst oder dem sozi al en U m fel d, wel ch es am E xperi m en t betei l i g t i st. D as i st sch on
al l zu oft g esch eh en , dass M en sch en i h re di rekte B eh errsch u n g absch ü ttel ten , u m dan n
sel bst di e G aran ten der N orm al i tät i n i h rem Leben zu werden (si eh e Verei n e, sel bstverwal tete B etri ebe, n eu e Partei en , besetzte H äu ser . . . ). Wi r sch l eppen u n sere Zu ri ch tu n g en u n d
M aß stäbe i n n eu e P rojekte u n d E xperi m en te h i n ei n , wesh al b dort reg el m äß i g das B i sh eri g e − vi el l ei ch t i n l ei ch t m odern i si erter Form − reprodu zi ert wi rd. Spätesten s bei Kri sen sti m m u n g brech en di e al ten G ewoh n h ei ten du rch , Kon trol l e u n d B esch rän ku n g en werden
al s Lösu n g sweg g ewäh l t. D as zei g t dan n , wi e kl ei n g ei sti g der E n twu rf ei g en tl i ch war, u n d
i n teg ri ert di e verm ei n tl i ch e Kei m zel l e des N eu en i n das Al te.
Zu dem wi rken ü beral l di e di rekten B eei n fl u ssu n g en i n di e E xperi m en te h i n ei n . Fast i m m er
bl ei ben oder en tsteh en N otwen di g kei ten , G el der zu erwi rtsch aften oder zu besch affen . E rarbei tete E rg ebn i sse sol l en g esi ch ert werden − von E i g en tu m ü ber Au ß en bezi eh u n g en bi s
zu m Wi ssen . D as N eu e befi n det si ch i m Al ten . Es kan n i m Fal sch en besser besteh en , wen n
es n ach den Reg el n des Fal sch en h an del t, al so das ei g en e Wi ssen h ortet, di e Ressou rcen
al s E i g en tu m beh an del t u n d Werte sch afft. D u m m erwei se wi rd es dan n au ch zu m Fal sch en , den n g en au das i st ja das P räg en de i m H i er u n d Jetzt: Kon ku rri eren der G ebrau ch
von ei g en er D en k- u n d Sch affen skraft, von H an dl u n g sm ög l i ch kei ten u n d Ressou rcen .
U m ei n E xperi m en ti erfel d zu sch affen , bedarf es al so ei n er Kon sequ en z i n al l e R i ch tu n g en .
Es bedarf n i ch t des revol u ti on ären E i n akters i m Kl ei n en , al so der vol l en E n tfal tu n g al l er
M ög l i ch kei ten von B eg i n n an . E rsten s wü rde das i n vi el en Fäl l en di e ei g en en M ög l i ch kei ten ü berfordern , zwei ten s i st Sel bsten tfal tu n g ei n P rozess, i n dessen Verl au f si ch di e M ög l i ch kei ten erst au ftu n , di e dan n erg ri ffen werden kön n en . Es kom m t al so n i ch t au f di e qu an ti tati ve Radi kal i tät des An fan g s, son dern di e Kon sequ en z al s dau ern der P rozess an .
D en Al l tag zu m Exp eri m en tfel d wan d el n
E i n beson deres E xperi m en ti erfel d sei n och g en an n t. Es i st das, was u n s am di rektesten u m g i bt u n d am m ei sten präg t: U n ser ei g en er Al l tag . Wi e wi r woh n en , wi e wi r u n s fortbeweg en , wi e wi r u n s m ateri el l reprodu zi eren , wel ch e B ezi eh u n g en wi r zu an deren M en sch en
pfl eg en , wi e wi r kom m u n i zi eren − das u n d vi el es m eh r i st zwar oftm al s Sel bstverstän dl i ch kei t i m Tag esverl au f u n d desh al b n i ch t beson ders stark i m B ewu sstsei n . Aber tatsäch l i ch
l i eg en h i er di e effekti vsten Verän deru n g spoten ti al e. Zu dem m u ss n i em an d Au fwan d betrei ben , u m an di ese O rte der Verän deru n g von Leben sen twü rfen zu g el an g en . D er Al l tag i st
sch on da. I m m er. I n i h m m ateri al i si ert si ch al l es, was an g esel l sch aftl i ch er F rem dsteu eru n g
au f u n s l astet: U n sere ei g en e Zu ri ch tu n g , di e D i sku rse, di e au tori tären Form en der Verh al ten ssteu eru n g , di e Vertei l u n g g esel l sch aftl i ch er Ressou rcen u n d H an dl u n g sm ög l i ch kei ten .
D er Wan del i m Kl ei n en i st al so, sol l er n i ch t i n ei n er Sel bsttäu sch u n g en den , di e Au sei n an dersetzu n g m i t dem G an zen . D er Satz „ D as P ri vate i st pol i ti sch“ g ewi n n t h i er sei n e si n n vol l e An wen du n g − n i ch t jedoch i n der B eh au ptu n g , es sei berei ts ei n e pol i ti sch e H an dl u n g , was jedeR pri vat m ach t. Wer aber den Al l tag oder Tei l e davon bewu sst zu verän dern
beg i n n t i n R i ch tu n g sel bst g ewäh l ter G estal tu n g des ei g en en Leben s, wi rd m i t ei g en en P räg u n g en u n d dem E i n fl u ss von au ß en i n Kon fl i kt kom m en . D as provozi ert H an dl u n g en , di e
Wi rku n g n ach au ß en en tfal ten − u n d dan n pol i ti sch si n d.
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Kei n Spru n g au s den vorg eg eben en R i l l en di eser G esel l sch aft i st der Wech sel der R i l l en .
„ Al tern ati v“ l eben i st h eu te m ei st n u r ei n e u n bedeu ten de E n tsch ei du n g fü r ei n an dere
F l u ssbett, i n dem m en sch si ch dan n wei ter trei ben l ässt. Es i st weder sel bstbesti m m t, m i t
vi el G el d u m wel tg erech te P rodu kte zu kau fen , n och m i t i n zwi sch en von vi el en M odefi rm en g ecoverten C h e- G u evara-T- Sh i rts oder N i eten g ü rtel n i n der G eg en d h eru m zu l au fen
oder zu si tzen . D ari n steckt kei n ei g en er I m pu l s, al l es wu rde sch on zi g m al du rch g ekau t
u n d vorg eg eben . M i tu n ter si n d es sog ar di ese g efü h l t al tern ati ven Szen en , di e am stärksten
di e E i n h al tu n g der Verh al ten scodes von den M i tg l i edern i h rer i den ti tären G em ei n sch aften
ei n fordern .
Au ton om i e stärken , Fäh i g kei ten u n d M ög l i ch kei ten an ei g n en
D i e M ach t kapi tal i sti sch er G esel l sch aft beru h t wesen tl i ch au f dem E n tzu g von M ög l i ch kei ten au ß erh al b kapi tal i sti sch er B ezü g e. Es i st das Zi el kapi tal i sti sch er Zu ri ch tu n g , M en sch en
au f ei n e besti m m te Rol l e i n der M asch i n e vorzu berei ten , i h n en dafü r Wi ssen u n d H an dl u n g skom peten z zu g eben , si e aber fü r al l es an dere u n m ü n di g u n d u n fäh i g zu h al ten . D i e
Lu st, si ch ü ber das zu r E xi sten z al s Rädch en i n der M asch i n e erforderl i ch e Wi ssen h i n au s
m eh r an Fäh i g kei ten an zu ei g n en , g eh t i m m er m eh r g eg en n u l l − ei n e u n g l au bl i ch e E rfol g sg esch i ch te des Kapi tal i sm u s. E r org an i si ert si ch M en sch en , di e n i ch t m eh r wi l l en s u n d
fäh i g si n d, au ß erh al b i h rer ei g en en Verwertu n g i n der M asch i n e ü berh au pt zu exi sti eren .
Si e brau ch en di e M asch i n e, u m di e Tau sch ei n h ei t (G el d) fü r i h re ei g en e Reprodu kti on zu
erh al ten . O h n e di ese wären si e h i l fl os. D as M i tm ach en ersch ei n t fu n kti on al , wei l es das
Ü berl eben si ch ert − al tern ati vl os.
Sel bsten tfal tu n g g eh t an ders h eru m . N i ch t m eh r das, was fü r das F u n kti on i eren i n der M asch i n e wi ch ti g i st, son dern das, was fü r di e ei g en e En tfal tu n g passt, steh t i m M i ttel pu n kt.
Vi el fach feh l t dazu h eu te di e M oti vati on . Es m ag fü r m an ch e M en sch en l ei ch ter sei n , i n
g an z kl ei n en Sch ri tten an zu fan g en . An dere sch affen es eh er m i t g roß en Sprü n g en . D as
m u ss jedeR sel bst en tsch ei den u n d au sprobi eren . O h n e di e An ei g n u n g von Fäh i g kei ten
wi rd es aber kau m g eh en . D er Zei tg ei st i st i n di e an dere R i ch tu n g g eg an g en . D i e m odern en M edi en u n d Tech n i ken setzten i m m er stärker au f di e An wen dbarkei t oh n e vi el Wi ssen .
Wer h eu te i m I n tern et u n terweg s i st, h at n u r n och sel ten i rg en dwel ch e Ah n u n g , wi e was
fu n kti on i ert. Treten P robl em e au f, si n d di e m ei sten An wen derI n n en au f di e − m i t sch ön en
Werbeworten − an g eboten en I n stan tl ösu n g en per D own l oad an g ewi esen . Kl em m t es an
der H ardware, h i l ft m ei st n u r n och der N eu kau f ei n es G eräts, bei dem − wi eder der Werbu n g fol g en d − al l es besser sei n sol l . D abei wäre Sel bsth i l fe h i er n och ei n fach . U m ei n i g es
kom pl exer si n d F rag en , wi e M en sch en woh n en , g en u g zu essen besch affen oder si ch i h ren F reu n deskrei s n i ch t von äu ß eren G eg eben h ei ten di kti eren l assen . Au ch da drän g t der
Zei tg ei st u n au fh örl i ch i n di e fal sch e R i ch tu n g : Facebook & C o. si n d ri esi g e u n d von vi el en ,
i n sbeson dere jü n g eren Leu ten g en u tzte P l attform sozi al er Vern etzu n g , di e per C om pu terkl i ck den F reu n deskrei s zu sam m en bau en − n ach stan dardi si eren Param etern , wer zu wem
passt. D i e Wel t am D rah t oder di e bi otech n ol og i sch e O pti m i eru n g des M en sch en au f di e
An forderu n g en der g roß en M asch i n e i st g ar n i ch t m eh r n öti g . Es i st l än g st so, dass wi r u n s
von B eru f bi s F reu n dI n n en al l es au s B eh örden - oder tech n i sch en Apparaten h erau s vorg eben l assen kön n en .
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Wel t, Leb en , Men sch en
D abei i st n i ch t di e Tech n i k al s sol ch es das P robl em . Si e kön n te au ch fü r di e Sel bsten tfal tu n g des M en sch en h i l frei ch sei n . D an n aber m ü sste der M en sch di e Tech n i k bewu sst ei n setzen , al so sel bst das Su bjekt bl ei ben . D afü r bedarf es der Fäh i g kei t, d. h . der An ei g n u n g
des Wi ssen s ü ber di e H an dh abu n g der Tech n i k, di e dan n al s H i l fsm i ttel zu r Sel bsten tfal tu n g di en t. E xpertI n n en wi ssen i st dabei g ar n i ch t n otwen di g , aber sch on sovi el , u m sel bst
der/di e D i ri g en tI n des ei g en en Leben s u n d des E i n satzes von H i l fsm i ttel n i n dem sel ben zu
sei n .
E ri ch F ro m m (1 9 9 0 ) : „D i e F u rch t vo r d er F rei h ei t“, d tv i n Mü n ch en ( S. 8 2 )
Wir vergessen, dass zwar jede Freiheit, die bereits errungen wurde, mit äußerster Energie
verteidigt werden muss, dass aber das Problem der Freiheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives ist; dass wir nicht nur die traditionelle Freiheit zu bewahren und
zu erweitern haben, sondern dass wir uns auch eine neue Art von Freiheit erringen müssen, die uns in die Lage versetzt, unser individuelles Selbst zu verwirkliMeh r zu r An eig n u n g
chen und zu diesem Selbst und zum Leben Vertrauen zu haben.
è è èè
von Ressou rcen in den
P ra xiska p ita l n a m E n de
des B u ch es.
Wah rn eh m u n g trai n i eren
D i e Au sdeh n u n g von H an dl u n g sm ög l i ch kei ten i st ei n en tsch ei den der Vorg an g der
Sel bsten tfal tu n g . D en n zwi sch en di esen H an dl u n g sm ög l i ch kei ten kan n i ch dan n wäh l en .
D azu g eh ört n i ch t n u r di e An ei g n u n g von Fäh i g kei ten , son dern au ch das Trai n i eren der
Wah rn eh m u n g . D en n das ei g en e U m fel d bi etet H an dl u n g sm ög l i ch kei ten − wen n i ch si e
en tdecke. Wer ei n en Ü berbl i ck h at, wo i n der ei g en en U m g ebu n g wel ch e H i l fsm i ttel berei tsteh en , wo was au szu l ei h en i st, wer wel ch es Wi ssen h at oder wobei h el fen kan n , wo wel ch e
Roh stoffe zu bekom m en si n d u sw. , wi rd ei g en e E n tsch ei du n g en seh r vi el sch n el l er u m setzen kön n en . Kooperati on en u n d Kom m u n i kati on zwi sch en M en sch en kön n en desh al b
au ch i m m er di e Sel bsten tfal tu n g stü tzen , wei l di e ei g en en H an dl u n g sm ög l i ch kei ten
sch n el l er au sbau bar si n d.
O der an ders h eru m : Es i st ei n e u n g l au bl i ch e Versch wen du n g von Ressou rcen u n d N i ch tn u tzu n g von H an dl u n g sopti on en , dass si ch di e B ewoh n erI n n en ei n es Rei h en h au ses u n terei n an der n i ch t ken n en , al l e i n i h ren ei g en en vi er Wän den das Ü berl eben au s ei g en er Kraft
versu ch en u n d si ch wah rsch ei n l i ch al l eü ber di e an g eboten en M ech an i sm en der kapi tal i sti sch en Wel t reprodu zi eren (au fwen di g di e ei g en e Arbei tskraft verkau fen , u m m i t dem dafü r
erh al ten en − oftm al s m i ckri g en − G el d dan n di e Arbei tskraft an derer fü r ei g en e Zwecke
ei n kau fen zu kön n en ).
Wer sei n e U m wel t bewu sst wah rn i m m t u n d au f H an dl u n g sm ög l i ch kei ten ü berprü ft, deh n t
di e H an dl u n g sfäh i g kei t en orm au s. Zu dem i st akti ve Wah rn eh m u n g dessen , was ru n d u m
das ei g en e Leben passi ert, si n n vol l , u m di e besteh en den Ressou rcen zu sch on en . D en n
au ch das wi l l g eü bt sei n : E rken n en , wo u n d wi e ei n E i n g rei fen n öti g i st, dam i t besteh en de
H an dl u n g sm ög l i ch kei ten n i ch t stän di g verl oren g eh en .
Frag en d voran : Sel b strefl exi on
Wer vi el m ach t, m ach t vi el e Feh l er. D i eses Spri ch wort i st zwar rech t ei n sei ti g , den n ersten s
i st M i tsch wi m m en i m Strom der N orm al i tät ja n i ch t frei von Feh l ern , zwei ten s vor al l em ei n
g esam ter g roß er „ Feh l er“. Zu dem ü bt „ M ach en“, d. h . es fü h rt zu r An ei g n u n g von M ög l i ch kei ten . D as g i l t jeden fal l s dan n , wen n der P rozess der Sel bsten tfal tu n g sel bstrefl ekti e-
3.
Wel t, Leb en , Men sch en
1 71
ren d verl äu ft. D i e akti ve Wah rn eh m u n g wi rd au ch au f di e Fol g en des ei g en en H an del n s
au sg edeh n t, di ese al so kri ti sch h i n terfrag t. Feh l er h aben dan n ei n en N u tzen − zu m Lern en .
N i ch t g em ei n t i st dam i t di e Sel bstrefl exi on i n F rem dsteu eru n g . Si e war u n d i st h i stori sch
veran kert, di en t aber eh er der Kon trol l e von Abwei ch u n g en . Ki rch l i ch e B ei ch ten sol l en
eben so wi e B en otu n g en , Strafju sti z, D i szi pl i n arverfah ren oder di e E rkl äru n g von M en sch en al s (g ei stes)kran k di e D om i n an z des N orm al en si ch ern .
Sel bstrefl exi on al s B ei trag En tfal tu n g der ei g en en Persön l i ch kei t si eh t an ders au s. Si e fü h rt
eh er zu Abwei ch u n g en von der N orm − al s g esam tg esel l sch aftl i ch er P rozess sog ar zu r
Au fl ösu n g der N orm (u n d dam i t zu m E n de von Strafe, Ju sti z, Psych i atri si eru n g u sw. ). Es
g eh t n i ch t u m den Verg l ei ch des ei g en en H an del n s m i t den g esel l sch aftl i ch verm i ttel ten E rwartu n g en , son dern u m das H i n terfrag en , ob das kon krete H an del n oder di e errei ch ten Si tu ati on m i t dem ü berei n sti m m en , was m en sch wol l te oder wi l l . „ F rag en d sch rei ten wi r voran“ − so ben an n ten di e Zapati stas i h ren Au fstan d g eg en di e U n terdrü cku n g du rch di e m exi kan i sch e Reg i eru n g u n d, al l g em ei n er, g eg en di e B evorm u n du n g du rch ei n e kapi tal i sti sch e G esel l sch aftsordn u n g . D as E m an zi patori sch e di eser I dee, di e dort fü r ei n en B efrei u n g skam pf vi el er M en sch en g al t, l ag i n der An n ah m e, dass es n i ch t m ög l i ch sei n wü rde,
das E n derg ebn i s pl an eri sch so vorweg zu n eh m en , dass n u r n och ei n g eordn eter Abl au f
von „ Revol u ti on“ n öti g wäre, u m zu m Zi el zu kom m en . Zu dem m ü sste das errei ch te Zi el ja
dan n au ch n och vertei di g t werden − ei n D en kfeh l er, an dem fast al l e bi sh eri g en Revol u ti on en sch ei terten , i n dem si e sel bst zu m kon servati ven M om en t g eg en ü ber wei teren E n twi ckl u n g en m u ti erten .
Wi e i m G roß en , so au ch i m Kl ei n en : Sel bsten tfal tu n g i st ei n P rozess, der davon l ebt, i m m er n eu e M ög l i ch kei ten , aber au ch di e en tsteh en den G ren zen , C h an cen der Ü berwi n du n g u n d I rrweg e, Zag h afti g kei ten u n d m eh r zu en tdecken . D as g eh t al l ei n i m N ach den ken ü ber di e E n twi ckl u n g en , aber oft besser zu sam m en m i t an deren i n ei n er h i n terfrag en den , n i ch t − wi e i n vi el en i den ti tären G ru ppen − stän di g n u r sel bstbestäti g en den Kom m u n i kati on .
M eth oden dazu m ü ssen en twi ckel t werden . Sozi al e I n n ovati on en si n d dri n g en d n öti g .
P i p p i Lan g stru m pf
Wen n di e Fäh i g kei t zu bewu ssten D en ken u n d dam i t di e B asi s ku l tu rel l en Leben s i n Verbi n du n g steh t m i t der i m Lau fe der Evol u ti on g ewach sen en Län g e der Ki n dh ei t u n d Ju g en d, dan n m ü sste di e aktu el l e Pol i ti k der Verkü rzu n g di eser P h ase (Sti ch wort: G 8 , d. h .
di e Redu zi eru n g der Sch u l zei t zu m Abi tu r au f 1 2 Jah re) al l e Al arm g l ocken l äu ten l assen .
H i er wi rd Rau bbau an der M en sch h ei t betri eben ! D i e I deol og I n n en von N orm i eru n g u n d
U n terwerfu n g kn abbern an den m ateri el l en G ru n dl ag en der Evol u ti on , an Sel bstbesti m m u n g u n d Au ton om i e. N och dazu si n d i h re Vorg eh en swei sen en tl arven d. D en n wäh ren d
si e bei der E rh öh u n g des Ren ten al ters au f 6 7 Jah re (pol i ti sch e D ebatte i m Jah r 2 01 0) arg u m en ti eren , di e M en sch en wü rden ja au ch i n sg esam t l än g er l eben , h an del n si e bei der Verkü rzu n g der Ju g en dph ase g en au g eg en tei l i g . Es g eh t al so eh er daru m , M en sch en l än g er
au szu beu ten . F ü r das F u n kti on i eren i m Arbei tsm arkt si n d sel bstbewu sste M en sch en dabei
stören d. D i e en tsprech en de B i l du n g sol l zwar Tal en te wecken u n d fördern , aber i n vorg eg eben e B ah n en h i n ei n .
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3.
Wel t, Leb en , Men sch en
E m an zi pati on al s Au sg an g des M en sch en au s der U n m ü n di g kei t m u ss al so fü r das käm pfen , was di e I dee von Ki n dh ei t u n d Ju g en d i st: Au sprobi eren , n eu e O ri en ti eru n g en en twi ckel n , si ch au s der U m kl am m eru n g von E rwartu n g sh al tu n g en zu befrei en − sowei t es h al t
g eh t. E i g en e Weg e fi n den , si ch en twi ckel n , kreati v sei n u n d N eu es wag en − das m en sch l i ch e G eh i rn u n d di e g esam te m ateri el l e B asi s des Leben s bl ei ben bi s zu m Tod wan dl u n g sfäh i g . Es g i bt kei n en G ru n d, di ese I dee der Ju g en d n i ch t i n das g esam te Leben zu retten , zu m i n dest al s Tei l des G an zen , den n frag l os werfen m an ch e M erkm al e i m „ erwach sen en“
Leben (ei g en e Ki n der, l an g an dau ern de P rojekte u sw. ) n eu e F rag en z. B. von Verbi n dl i ch kei t au f, di e m i t P i ppi s I dee, n i ch t erwach sen en werden zu wol l en , i n ei n en − h offen tl i ch
produ kti ven − Wi derspru ch g eraten .
Au s Go p n i k, Al i so n , „Kl ei n ki n d er b eg rei fen m eh r“, i n : Sp ektru m d er Wi ssen sch a ft, 1 0 /2 01 0
( S. 69 )
Vermutlich entstand die lange Hilflosigkeit und Abhängigkeit unserer Kinder als evolutionärer Kompromiss, denn das gibt dem jungen Gehirn viel Zeit, passende Schaltkreise einzurichten − Zeit für Lernen und Kreativität. . . .
Zu den auffälligsten biologischen Besonderheiten des Menschen zählt die extrem lange
Kindheit. Warum aber ist unser Nachwuchs so lange dermaßen hilflos und warum müssen
wir so viel Mühe und Sorge aufwenden, damit er am Leben bleibt? Bei vielen Tierarten korrelieren Intelligenz und gesitige Beweglichkeit der Erwachsenen mit dem Grad von U nreife
der Jungen. Auf der einen Seite verfügen beispielsweise die Küken von so genannten nestflüchtenden Vögeln, etwa Hühnern, über Anlagen, dank deren sie sich in ihrer spezifischen
U mwelt zurechtfinden. Die Jungen solcher Arten kommen relativ weit entwcikelt zur Welt
und werden oft rasch selbstständig. Auf der anderen Seite setzen viele Nesthockerarten,
die ihre Jungen lange füttern und bereuen müssen, verstärkt auf Lernen − wie etwas Krähen, die mit ihrer Erfindungsgabe schon oft überrascht haben, zum Beispiel wenn sie sich
aus einem Draht ein Werkzeug herstellen.
Wa s h i n d er t u n s?
An g st u n d d i e sch ei n b are Fu n kti on al i tät
d es total i tären System s Kap i tal i sm u s
Fast al l e M en sch en h aben An g st u m s Ü berl eben oder, wen n das weg en au srei ch en dem
Rei ch tu m n i ch t m eh r der en tsch ei den de P u n kt i st, u m i h ren Leben sstan dard. D as i st au ch
erstm al verstän dl i ch , den n das Leben i m Kapi tal i sm u s i st so ei n g eri ch tet, dass es von m ei n em F u n kti on i eren i n di esem abh än g t, ob i ch (bequ em ) ü berl eben kan n oder n i ch t. I n an deren au tori tären G esel l sch aftsform ati on en war u n d i st das n i ch t g ru n dsätzl i ch an ders −
das Ü berl eben h än g t dort dan n vom Feu dal h erren , Kön i g oder Partei apparat ab. U m H errsch aftsverh äl tn i sse zu stabi l i si eren , werden Al tern ati ven zu di eser Abh än g i g kei t system ati sch u n m ög l i ch g em ach t. D ah er kol l i di ert der Wi l l e, au s dem System u n d der U m kl am m eru n g au szu brech en , i m m er m i t der An g st, dan n n i ch t ü berl eben zu kön n en . D as i st g esch i ckt ei n g efädel t u n d ei n g roß es H em m n i s fü r sozi al e I n n ovati on . Es kom m t dabei g ar
n i ch t darau f an , ob das ü berh au pt sti m m t. Es rei ch t, wen n di e An g st besteh t.
B ei tra g vo n Stefa n Meretz a u f Op en th eo ry „Al l es fü r a l l e“
Der Kapitalismus ist eine kybernetische Maschine. Der Ausstieg ist aus mehreren Gründen
so endlich schwer: (1 ) Das System hat sich selbst totalisiert, es durchdringt langsam alle Bereiche; (2) jede/r ist gezwungen, die Maschine zu bedienen, weil nur dadurch die eigene
Existenz gesichert werden kann; (3) es gibt kein Außerhalb, auch wenn ich anderes will und
vielleicht anderes praktiziere, muss ich doch am Alten teilhaben. Dennoch führt kein Weg
3.
Wel t, Leb en , Men sch en
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dran vorbei: Das Neue muss praktisch in die Welt gesetzt werden. U nd wir müssen die
„Mechanik“ (oder Dynamik) des Neuen begreifen, um es nicht als verkapptes Altes zu betreiben. Daran ist z. B. der Realsoz. gescheitert: Es war nicht neu. Manche sagen, das Progressive war, dass er als erstes und dann auch ziemlich geräuschlos von der Weltbühne abgetreten ist. So freundlich wird das mit dem Kapitalismus nicht gehen.
Zu ri ch tu n g en
D er M en sch wi rd m i t ei n er G ru n dau sstattu n g an Fäh i g kei ten g eboren , di e wei t h i n ter sei n en M ög l i ch kei ten zu rü ckbl ei bt. D i ese en twi ckel n si ch erst m i t der Zei t. E i g en e Akti vi täten ,
E rfah ru n g en , B eobach tu n g en , Wi ssen u n d vi el es m eh r präg en jeden h eran wach sen den
M en sch en . D i e G esam tm i sch u n g der E i n fl ü sse i st bei jedem M en sch en an ders, eben so di e
Art der Au fn ah m e u n d Verarbei tu n g , d. h . des m ateri el l en „ E i n bren n en s“ al l di eser E i n drü cke, E m pfi n du n g en u n d G edan ken . Jeder M en sch i st i n jedem Au g en bl i ck ei n e Art G esch i ch tsbu ch al l di eser i n si ch au fg en om m en en u n d au s i h m en tstan den en E i n drü cke (ei n
h i n si ch tl i ch der m ateri el l en D i m en si on der Veri n n erl i ch u n g von E rfah ru n g en seh r passen des Wort).
I n der besteh en den G esel l sch aft werden M en sch en seh r stark i n vorg eg eben e Rol l en u n d
Verh al ten swei sen g epresst. D i e G esam th ei t sol ch ei n g eü bter M u ster m ach t das G ewoh n te
au s. Es m ag n och so frem dbesti m m t sei n , den n och ersch ei n t di e Wi ederh ol u n g g ewoh n ter
Verh al ten swei sen fu n kti on al . D i e U m g ebu n g reag i ert berech en bar. O ftm al s en tsteh t sog ar
ei n G l ü ckg efü h l darau s, erwartetes Verh al ten zu zei g en u n d di e vorg eg eben e Rol l e au ch
h i n zu kri eg en . An ders si n d U m frag eerg ebn i sse, di e M en sch en i n stark frem dbesti m m ten ,
di en en den Leben sl ag en al s ü berdu rch sch n i ttl i ch zu fri eden zei g en , n i ch t zu erkl ären . D am i t aber wi rd der sel bst m i tg esch affen e Leben skan al zu m H i n dern i s fü r jede em an zi patori sch e Wen du n g . D i e „Tri vi al i si eru n g san stal ten“, wi e H ei n z von Förster Sch u l en u n d E rzi eh u n g ssystem e n en n t, m ach en M en sch en zu wi l l i g en Vol l streckerI n n en der N orm en u n d
D i sku rse.
H ei n z vo n F ö rster/B ern h a rd P ö rksen ( 8 . Au fl a g e 2 0 0 8 ) , „Wa h rh ei t i st d i e E rfi n d u n g ei n es
Lü g n ers“, Ca rl Au er i n Wi esb a d en
H . F. E s exi sti ert ei n e u n b ed i n g te u n d u n verä n d erl i ch e R el a ti o n zwi sch en I n p u t u n d Ou tp u t.
D i e tri vi a l e Ma sch i n e i st a u sg esp ro ch en zu verl ä ssi g , i h re i n n eren Zu stä n d e b l ei b en stets d i esel b en , si e i st verg a n g en h ei tsu n a b h ä n g i g , syn th eti sch u n d a n a l yti sch b esti m m b a r. i h re
Ü b ertra g u n g sfu n kti o n ka n n m a n − fa l l s m a n si e a u s i rg en d ei n em Gru n d verg essen h a b en
so l l te − d u rch g a n z ei n fa ch e I n p u t-Ou tp u t-Versu ch e h era u sb eko m m en ; d a s E xp eri m en t d er
An a l yse i st tri vi a l . U n d d a s i st d er ei g en tl i ch e Gru n d fü r i h re B el i eb th ei t; i ch b eh a u p te, d a ss
si ch u n sere westl i ch e Ku l tu r g era d ezu i n d i esen Typ vo n Ma sch i n e verl i eb t h a t. Si e i st d er I n b eg ri ff u n serer Seh n su ch t n a ch Gewi ß h ei t u n d Si ch erh ei t. Wen n wi r ei n Au to ka u fen , verl a n g en wi r ei n e Tri vi a l i sa ti o n sg a ra n ti e, wi r m ö ch ten g ern e, d a ss si ch d a s Au to − zu m i n d est
wä h ren d d er vertra g l i ch g a ra n ti erten Zei t − a u f ei n e stets b erech en b a re Wei se verh ä l t.
U n d wen n es d i es n i ch t tu t, d a n n b ri n g en wi r es zu ei n em Tri vi a l i sa teu r, d er u n seren Wa g en
wi ed er tri vi a l i si ert.
B . P. Ab er d i e ern eu te Verwa n d l u n g ei n es n i ch t m eh r ri ch ti g fu n kti o n i eren d en Au to s i n ei n e
tri vi a l e Ma sch i n e i st d o ch seh r si n n vo l l u n d even tu el l l eb en sn o twen d i g .
H . F. Ko rrekt, a l l erd i n g s g i b t es vi el e wen i g er si n n vo l l e B estreb u n g en , d i e N a tu r, u n sere Mi tm en sch en u n d u n sere U m wel t i n ei n e tri vi a l e Ma sch i n e zu verwa n d el n . D en ken Si e n u r a n
d en g esel l sch a ftl i ch en U m g a n g m i t Ki n d ern , d i e si ch − zu u n serem Sch recken − vi el fa ch
a u f ei n e n i ch ttri vi a l e Wei se verh a l ten . Ma n fra g t ei n Ki n d : „Wa s i st zwei m a l zwei ? “ U n d es
sa g t: „Grü n ! “ E i n e, so l ch e An two rt i st a u f ei n e g en i a l e Wei se u n b erech en b a r, a b er si e
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3.
Wel t, Leb en , Men sch en
sch ei n t u n s u n zu l ä ssi g , si e verl etzt u n sere Seh n su ch t n a ch Si ch erh ei t u n d B erech en b a rkei t.
D i eses Ki n d i st n o ch kei n b erech en b a rer Sta a tsb ü rg er, u n d vi el l ei ch t wi rd es ei n es Ta g es
n i ch t ei n m a l u n seren Gesetzen fo l g en . D i e Ko n seq u en z i st, d a ss wi r es i n ei n e Tri vi a l i sa ti o n sa n sta l t sch i cken , d i e m a n o ffi zi el l a l s Sch u l e b ezei ch n et. U n d a u f d i ese Wei se verwa n d el n wi r d i eses Ki n d Sch ri tt fü r Sch ri tt i n ei n e tri vi a l e Ma sch i n e, d a s u n sere F ra g e „Wa s i st
zwei m a l zwei ? “ a u f i m m er d i esel b e Wei se b ea n two rtet. . . . ( S. 5 5 )
H . F. D a s Sch reckl i ch e m i t d en Ki n d ern i st, so g l a u b en vi el e, d a ss si e si ch a u f ei n e n i ch t vo ra u ssa g b a re Wei se g eb ä rd en . Si e a g i eren n o ch n i ch t wi e tri vi a l e Ma sch i n en , d i e a u f ei n en
b esti m m ten I n p u t i m m er ei n u n d d en sel b en Ou tp u t erzeu g en . D a u n ser E rzi eh u n g ssystem
d a ra u fh i n a n g el eg t i st, b erech en b a re Sta a tsb ü rg er zu erzeu g en , b esteh t sei n Zweck d a ri n ,
j en e ä rg erl i ch en i n n eren Zu stä n d e a u szu sch a l ten , d i e U n b erech en b a rkei t u n d Krea ti vi tä t
erm ö g l i ch en . Vi el fa ch d a rf i n d er Sch u l e ei n e F ra g e n u r ei n e An two rt h a b en ; . . . ( S. 6 5)
D i eses g u te Zeu g n i s i st ei n B el eg fü r ei n e g eg l ü ckte Tri vi a l i si eru n g . Wen n m a n wi rkl i ch i m m er − kl i ck, kl i ck, kl i ck − d i e g ewü n sch ten An two rten g i b t, d a n n kri eg t m a n g u te o d er h ervo rra g en d e N o ten , d a s i st a l l es. ( S. 68 )
Es g i bt vi el e B ei spi el e der Tri vi al i si eru n g des Leben s. M odern e Tech n ol og i en sch affen zwar
n eu e H an dl u n g sräu m e, aber sorg en oft − darau f au ch g ezi el t au sg eri ch tet − fü r das Au sbl u ten jeder Kreati vi tät u n d Sel bstän di g kei t des D en ken s. D as g esam te I n tern et ori en ti ert
au f M u l ti pl e C h oi ce. N i ch t di e ei g en e E n tsch ei du n g , das ei g en e Wol l en , son dern das An g ebot an An kl i ckm ög l i ch kei ten en tsch ei det ü ber den Weg du rch di g i tal e N etze. D as I n tern et l ädt g erade dazu ei n , ei n fach m i tzu sch wi m m en i m ri esi g en D aten strom , oh n e sel bst
bei zu trag en oder wen i g sten s zu steu ern , woh i n di e Rei se g eh t. I n zwi sch en g rei ft das sog ar
au f di e Au swah l von Partn erI n n en i n sozi al en N etzen du rch . Facebook & C o. si n d ri esi g e
M asch i n en der Tri vi al i si eru n g von Sozi akon takten , den n di e Au swah l der F reu n dI n n en i n
di esem g roß en N etz erfol g t du rch stan dardi si erte Param eter − al so bei M i l l i on en M en sch en n ach g l ei ch en Al g ori th m en .
An g st vor N eu em
Wi r l eben i n ei n er vi si on sl osen Zei t. N eu e I deen fü r di e Zu ku n ft si n d kau m n och g efrag t.
Vi el e M en sch en h aben si ch i n di e P ri vath ei t zu rü ckg ezog en . I n di vi du al i tät i st n u r n och das,
was es i m „ Su perm arkt der Leben ssti l e„ zu kau fen g i bt − n u r ei n e l eben swerte U topi e fü r
al l e sch ei n t g erade n i ch t i m An g ebot zu sei n . Wi rkl i ch N eu es bewu sst zu sch affen , sch ei n t
kei n en Rei z m eh r au szu ü ben . D i e D i n g e en twi ckel n si ch wi e von sel bst. Zu m i n dest sch ei n t
es so oder wi rd von den en so verkau ft, di e tatsäch l i ch di e g esel l sch aftl i ch en E n twi ckl u n g en
steu ern . . . .
E i n en Zu ku n ftsdi al og g i bt es kau m n och . Al l es wi ckel t si ch ab, di e M en sch en wi rken wi e
u n betei l i g te Zu sch au erI n n en der D i al og e ü ber di e Zu ku n ft. Sch l i m m er n och : D i e M en sch en reprodu zi eren di e Log i k ei n er G esel l sch aft, i n der al l es verwertet wi rd, i n der al l es dan ach au sg eri ch tet i st, was es wi rtsch aftl i ch bri n g t. Seh r vi el e M en sch en h aben An g st vor
N eu em u n d g esel l sch aftl ch er Wei teren twi ckl u n g . G l ei ch zei ti g ü berl assen si e den en , di e
Kraft i h rer Posi ti on wesen tl i ch en E i n fl u ß au f di e G esel l sch aft h aben u n d an den H ebel n der
M ach t si tzen , kam pfl os das G esch eh en − u n d dam i t au ch den E i n fl u ß au f Verän deru n g en .
Was ü bri g bl ei bt, si n d P rozesse, di e sch ei n bar von sel bst abl au fen , di e n i ch t m eh r h i n terfrag t u n d erst rech t n i ch t i n F rag e g estel l t werden . G roß e E rkl äru n g en h at kapi tal i sti sch e
O rdn u n g n i ch t m eh r n öti g − si e i st ü bri g g ebl i eben u n d stel l t si ch sel bst wi e ei n „ N atu rg esetz“ dar. N atu rg esetz n an n te den n au ch der Si em en s- E xpo- B eau ftrag te Sch u sser di e wei tere E n twi ckl u n g der Wel t h i n zu total er Verm arktu n g sl og i k. (Q u el l e: F i l m „ Al l es i m G ri ff“,
3.
Wel t, Leb en , Men sch en
1 75
1 9 9 8 , H an n over) D i e Lü cke feh l en der B eg rü n du n g en u n d Leg i ti m ati on wi rd verkl ebt m i t
Papi eren u n d Kon zepten , di e al s „ vi si on är“ bezei ch n et werden , aber real pol i ti sch er n i ch t
sei n kön n ten . D i e Ag en da 21 war ei n sol ch es B ei spi el . Wer si e l i est, rei bt si ch vi el l ei ch t an g esi ch ts des R u fes, den di e Ag en da g en i eßt, verwu n dert di e Au g en : Ü beral l wi rd der frei e
Wel th an del al s Rettu n g der U m wel tprobl em e g epri esen , B eg ren zu n g en der frei en Wi rtsch aft werden al s di e ei g en tl i ch en U rsach en fü r di e U m wel tzerstöru n g g en an n t. G el öst werden sol l en di e aktu el l en P robl em e vor al l em m i t der G en tech n i k, aber au ch z. B. m i t n eu en
Atom kraftwerken . I st i rg en dwas an sol ch en Vorsch l äg en vi si on är? D i e Ag en da 21 kön n te
au s der Feder des B u n desverban des der D eu tsch en I n du stri e stam m en , aber U m wel tsch ü tzerI n n en oder E i n e-Wel t- G ru ppen m ach ten si e i n den 9 0er Jah ren zu r posi ti ven Vi si on fü r
das n eu e Jah rh u n dert.
Au s Kro p o tki n , P eter (1 9 8 5 ) : „Gesetz u n d Au to ri tä t“, L i b erta d Verl a g i n B erl i n ( S. 1 2 )
Der Mensch, besonders wenn er abergläubisch ist, hat immer Furcht, etwas Bestehendes zu
verändern und verehrt allgemein, was alt ist. . . . Das U nbekannte setzt sie in Schrecken; sie
ziehen vor, sich an die Vergangenheit zu klammern, wenn auch diese Vergangenheit Elend,
U nterdrückung und Knechtschaft war. Man kann sogar sagen: Je unglücklicher der Mensch
ist, desto größer ist seine Furcht vor einer Änderung, befürchtend, er könnte noch unglücklicher werden. Ein Hoffnungsstrahl, eine Spanne Wohlsein müssen seine Hütte erwärmen,
damit er anfängt, es besser haben zu wollen, seine alten Lebensgewohnheiten zu kritisieren
und dieselben zu verändern. . . .
Dieser Hang zum Gewohnten, welcher seine Quelle im Aberglauben, in der Nachlässigkeit
und Feigheit hat, bildete zu allen Zeiten die Macht der U nterdrücker;
An g st u n d Oh n m ach t
F ü r di e Wi rku n g , etwas n i ch t zu tu n , rei ch t das G efü h l , etwas n i ch t zu kön n en , n i ch t zu
dü rfen oder g ar n i ch t di e G el eg en h ei t zu etwas zu h aben . D i eses wi rd du rch ei n e sozi al e
Zu ri ch tu n g g estei g ert, i n dem Abwei ch u n g en von der N orm zu M i sserfol g serl ebn i ssen
werden − an g efan g en von der Zu rech twei su n g i n E l tern h au s oder Ki n derg arten ü ber di e
Au sg ren zu n g des An dersarti g en au f dem Sch u l h of bi s zu r B en otu n g „Th em a verfeh l t“ fü r
kreati ve E i g en i deen .
Au s Wi l k, Mi ch a el (1 9 9 9 ) : „Ma ch t, H errsch a ft, E m a n zi p a ti o n “, Tro tzd em Verl a g i n Gra fen a u ( S. 61 )
Neben der Angst eigenständige Schritte in Richtung einer selbstbestimmten persönlichen
und gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu unternehmen, ist die negative Erfahrung des
Scheiterns bei solchen Versuchen wesentlich dafür verantwortlich, dass viele Versuche nicht
über die Ebene eines einmaligen Ansatzes herauskommen, um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden. Es dürfte in diesem Zusammenhang hilfreich sein, nicht nur weitgesteckte utopische Ziele zu formulieren, die zwar moralisch und auf der „Radikalitätsskala“
ganz oben angesetzt sind, aber für alle Beteiligten so fern sind, dass jedwedes Bemühen
diese Ansprüche umzusetzen, scheitern muss.
B esch rän kter Zu g an g zu Ressou rcen
Feh l en de G l ei ch berech ti g u n g beh i n dert di e Sel bsten tfal tu n g zu m i n dest E i n i g er oder Vi el er.
D as wi ederu m − i m Si n n e des Wech sel spi el s zwi sch en E i g en n u tz u n d G em ei n n u tz − beh i n dert wi eder al l e. I n sofern i st der g l ei ch berech ti g te Zu g an g zu g esel l sch aftl i ch en Ressou rcen ei n e Vorau ssetzu n g fü r di e Sel bsten tfal tu n g . D och davon i st di e Wel t wei t en tfern t.
Fast ü beral l i st G el d di e Vorau ssetzu n g , u m m ateri el l e Ressou rcen zu erl an g en . Wi ssen ,
1 76
3.
Wel t, Leb en , Men sch en
vor al l em das ü ber H an dl u n g sm ög l i ch kei ten , ü ber di e N etze h an dl u n g skom peten ter Person en u n d das Wi ssen ü ber den Zu g an g zu I n form ati on en u n d Kom m u n i kati on sn etze, i st
oft n i ch t ei n m al fü r G el d, son dern n u r ü ber di e Zu g eh öri g kei t zu pri vi l eg i erten Krei sen zu
erl an g en . D adu rch si n d vi el e M en sch en u n d g an ze g esel l sch aftl i ch e Sch i ch ten dau erh aft
i n i h ren H an dl u n g sm ög l i ch kei ten besch rän kt.
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D iese Gra fik en tsta n d
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E ssen . Sie l eitet a u f
da s fol g en de Ka p itel
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