pdf 390 KB - ALT-OPEL

Transcrição

pdf 390 KB - ALT-OPEL
11-0338-Alt-Opel_Broschuere_dz206:210 x 297
01.04.2011
9:47 Uhr
Seite 48
HISTORIE
Bitter, Teil 5
Vom Typ 3 in die Gegenwart
as Leben ist nicht gerecht, die
Geschichte von Erich Bitter
liefert das beste Beispiel. Wir erinnern uns: Ein Kapitel für die Rennfahrerkarriere, eins für den glamourösen CD, eins für den kühl-pragmatischen, bis heute unterschätzten SC –
und dann eins für gleich drei vergessene Bitter, von denen es einer sogar
auf eine Kleinserie gebracht hat. Der
finanzielle Aufwand, der in Entwurf
und Entwicklung eines Automobils
verschwindet, verteilt sich über die
verkauften Einheiten. Skaleneffekt
heißt das in der Sprache der Wirtschaftsleute. Die Lebenszeit, die
darin verschwindet, verteilt sich
nicht, sie kommt einfach nicht wieder
zurück. Einen Fachbegriff gibt es
dafür nicht.
Wenn auch das Ende des SC 1986
unerwartet gekommen war, ein
Massenerfolg hätte das Modell niemals werden können: Zuletzt kostete
der SC rund 150.000 DM, die komplizierte Fertigungslogistik und der
hohe Anteil an Handarbeit ließen
keinen Spielraum. Die Automatisierung der Karosseriefertigung war der
Ausweg, nur bedurfte es dazu einer
Reihe von Presswerkzeugen – oder:
Investitionen zwischen 50 und 100
Millionen DM, wie Bitter 1988 dem
heutigen Motor-Klassik-Chefredak-
D
teur Malte Jürgens in einem Interview für die Zeitschrift sport auto
sagte.
Die Rede war vom Typ 3, dem neuen
Bitter, in Größe und Preis angesiedelt
zwischen dem SC und dem GT.
Erstmals gezeigt auf der 52. IAA in
Frankfurt 1987, sollte das auf einer
auf 238 cm Radstand verkürzten
Omega-Bodengruppe aufbauende
Cabriolet wieder zum Ausgangspunkt
einer Modellfamilie mit Coupé und
Limousine werden. Zunächst war
vom Dreiliter-Zweiventiler des Omega 3000 die Rede, 177 PS stark, was
für 225 km/h Spitze und den Standardsprint in 7,6 Sekunden reichen
sollte, mit dem Fünfganggetriebe. Als
gehobene Alternative stand der von
Mantzel überarbeitete 3,9 Liter
bereit, auf den der neue Vierventilkopf auch gepasst hätte; die Hubraumvergrößerung war allein über
den Hub erfolgt. Etwa 250 PS hätte
diese Kombination erbringen sollen,
allemal genug, um dem rund 1.300
kg wiegenden Cabrio zu stürmischen
Fahrleistungen zu verhelfen. Das für
damalige Verhältnisse keineswegs
niedrige Gewicht steckte teils in der
Ausstattung (ABS, Servolenkung,
verstellbare Lenksäule, Sperrdifferential, Klimaanlage, Bordcomputer,
Soundsystem, elektrische Fensterhe-
Die Schokoladenseite des Typ 3 war das Heck mit den an Ferrari-Vorbilder
erinnernden Rückleuchten, während...
48
Clubmagazin Nr. 206
ber, Zentralverriegelung, höhenverstellbare Sitze), teils in der drastisch
verstärkten Bodengruppe: 114 zusätzliche Blechteile oder rund 3 m²
verzinktes Blech sorgten für Steifigkeit. Typisch Bitter ein solides Auto,
luxuriös ausstaffiert und eher auf
lässige Weise schnell als sportlich im
Sinne von Verzicht auf Annehmlichkeiten.
„In meinen Autos müssen
die Leute normal sitzen
können und nicht irgendwie
herumliegen.“
Erich Bitter in Start 02/88
Der Clou aber war der vorgesehene
Preis: Zwischen 75.000 und 80.000
DM sollte die Exklusivität kosten,
nur noch halb so viel wie zuvor der
SC. Um dieses ehrgeizige Ziel erreichen zu können, plante Bitter mit
wesentlich größeren Stückzahlen als
bisher: Das Gros der 10.000 Autos
pro Jahr sollten über das Händlernetz
von American Isuzu verkauft werden,
und nach dem Abtreten des Zweiradgeschäfts an Piaggio hatte SteyrDaimler-Puch in Graz ausreichende
Kapazitäten für die Realisierung der
Pläne. Dort sollte die Montage der
Rohkarossen von Maggiora in Turin
und der Innenausstattung von Salt,
ebenfalls in Turin, erfolgen.
Am 3. Dezember 1987 meldete die
Automobilrevue in Österreich, dass
noch kein Fertigungsauftrag an SteyrDaimler-Puch erteilt war. Zwei
Monate später wurde Gewissheit, was
...das Kühlergesicht mit dem kleinen
Lufteinlass manchen Betrachtern
nicht markentypisch genug erschien
11-0338-Alt-Opel_Broschuere_dz206:210 x 297
01.04.2011
9:47 Uhr
Seite 49
HISTORIE
Das überarbeitete Design wirkte
dann so maskulin, wie es die Kunden
von Bitter gewohnt waren
hinter verschlossenen Türen längst
die Runde machte: American Isuzu
war ausgestiegen, aus Gründen, die
nie ganz geklärt wurden. Vielleicht
hätte der Bitter neben den Kleinlastern im Isuzu-Verkaufsraum wirklich
deplaziert gewirkt, vielleicht spielte
auch die Übernahme des Sportwagenbauers Lotus durch GM 1986 eine
Rolle.
Bitters Freund Samuel Tucker wollte
die Finanzierung des US-Vertriebs
übernehmen, doch schon die Reaktionen auf der IAA hatten gezeigt: Was
für den US-Geschmack gedacht war,
kam in Europa nicht an. Erstmalig
wurde ein Bitter für seine Gestaltung
kritisiert. Vor allem die Frontpartie
erschien vielen Betrachtern beliebig.
Eine Ähnlichkeit zum Mitsubishi
Eclipse war unverkennbar, und das
betonte die Positionierung unterhalb
des SC in unglücklicher Weise.
Zur IAA 1989 zeigte Bitter eine bei
MGA Developments in England
überarbeitete Version und sorgte mit
dem Viertürer für Verwirrung. Der
große Typ 3 hieß zwischendurch Typ
4, dann Diplomat, schließlich wieder
Typ 3 – niemand vermochte der
Logik noch richtig zu folgen. Bitters
Pläne erschienen schließlich potentiellen Geldgebern zu ambitioniert,
und so blieb der Typ 3 in der Projektphase stecken.
Vier der fünf bei CECOMP aufgebauten Prototypen existieren noch.
Erich Bitter gründete schließlich eine
neue Firma in Braunschweig und
befasste sich vor allem mit dem Bau
von Prototypen für Volkswagen, doch
der Traum vom eigenen Auto ließ ihn
nicht los.
In zwei Exemplaren entstand 1991
der von Tom Tjaarda gestaltete Bitter
Das Coupédach stand dem Typ 3 gut,
beim...
Tasco, ein Mittelmotorsportwagen
mit Chrysler-Mechanik. Mehr Erfolg
wurde dem Bitter Berlina zugetraut,
einer Sportlimousine auf der Basis
des Omega MV6. Der elegante
Viertürer mit Klappscheinwerfern
und Rückleuchten vom Calibra
wurde 1994 in Genf vorgestellt,
scheiterte aber wie der Typ 3 an der
Finanzierung.
2004 schien Bitter plötzlich vor
einem furiosen Comeback als Automobilhersteller zu stehen. Mit dem
auf dem Genfer Salon gezeigten CD2
fand er zurück zu den Wurzeln. Das
mit Hilfe von George Gallion gestaltete zweitürige Coupé wirkte wie
eine gekonnte Neuinterpretation des
CD, und die V8-Mechanik vom
australischen Holden Monaro passte
endlich wieder zum Auftritt. Doch als
Holden-CEO Peter Hanenberger in
den Ruhestand ging, wurde Bitter auf
einen Schlag die Grundlage entzogen.
Bitter schaltete Bob Lutz und CarlPeter Forster ein, erhielt schließlich
die Genehmigung, den baugleichen
...Viertürer gerieten die Proportionen
nicht ideal
Ausgewogen präsentierte sich der
Berlina, an dessen Formgestaltung
George Gallion beteiligt war
Der CD 2 erhielt auf der IAA 2004 viel
Applaus
Der Vero erhielt gute Kritiken von der
Fachpresse, doch er kam zur Unzeit
zur Welt
„Was sind Genussrechte?“ Auf der Suche nach Investoren ging Erich Bitter
ungewöhnliche Wege – am Ende vergeblich
Clubmagazin Nr. 206
49
11-0338-Alt-Opel_Broschuere_dz206:210 x 297
01.04.2011
9:47 Uhr
Seite 50
HISTORIE
Zum Abschluss einige Fotos aus dem Familienalbum. Im Bitter-Showroom in Hollywood wurde neben den eigenen
Kreationen auch Maserati angeboten
Schnappschuss auf dem Highway:
eins der seltenen SC Cabriolets. Gut
zu erkennen die US-typischen Sicherheitsextras wie das dritte Bremslicht
über dem Kofferraumdeckel und die
zusätzlichen Blinkleuchten in den
Flanken
Blick in die Halle des Karosseriebauers Keinath, wo die offene Version
des SC gebaut wurde
Pontiac GTO als Basis zu verwenden
– der kurz darauf wegen mangelnder
Nachfrage eingestellt wurde. Damit
endete auch die Geschichte des CD2.
Vier Jahre später unternahm Bitter
mit dem Vero einen weiteren Anlauf,
ein Derivat eines GM-Achtzylinders
zu vermarkten. Die einsetzende
Wirtschaftskrise vereitelte das ehrgeizige Projekt nach zehn gefertigten
Einheiten.
Letztes Jahr überraschte Erich Bitter
die Fachwelt mit einer luxuriösen
Ausgabe des Opel Insignia, deren
Produktion inzwischen Fahrt aufgenommen hat. Den weißen Erstling
fährt Bitter selbst, weitere Pressefotos
der wachsenden Insignia-Familie gibt
es noch nicht. Zum Redaktionsschluss waren immerhin einige
private Schnappschüsse von Insignia
Die Verstärkungen der Bodengruppe waren zahlreich, das Einschweißen
kostete viele Stunden
50
Clubmagazin Nr. 206
#3 verfügbar, und die Information,
dass der erste Insignia Station Wagon
bei Bitter kurz vor der Fertigstellung
steht.
Ein Kombi von Bitter, dem womöglich ein Diesel folgen könnte? Immerhin bleiben bei diesem Anlauf die
Investitionen und damit auch die
Risiken im Rahmen, und da der
Insignia bei jedem Opel-Händler
gewartet werden kann, stehen die
Chancen heute wesentlich besser als
für den Vero und den CD2. Obwohl,
so ein richtiges eigenes Auto, mit
unverwechselbarer Karosserie, lässigem, italienisch inspiriertem
Schwung und zuverlässiger deutscher
Mechanik...
Text: Stefan Heins *1662
mit Material von Reiner Köstner
*393, Joachim Stange *1795
Fotos: Archiv Alt-Opel IG, Matthias
Göbel/ media-ruhr
Alles bleibt anders – Bitter Insignia #3

Documentos relacionados