58-61 Entgiften

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58-61 Entgiften
Gesünder leben
mit Zimmerpfl
Grünlilie, Einblatt und Co. verbessern nicht nur das Raumklima, sondern fördern auch das psychische Wohlbefinden.
Text: Stella Cornelius-Koch
W
ir modernen Menschen
sind regelrechte Stubenhocker geworden: Etwa 90
Prozent der Zeit verbringen wir in Innenräumen. Und das birgt
zugleich viele Gesundheitsprobleme: So
ist die Innenraumluft häufig nicht nur
mit Schadstoffen belastet, sondern auch
Klimaanlagen oder trockene Heizungsluft
beeinträchtigen unser Wohlbefinden und
können zu Kopfschmerzen, Atemwegsproblemen oder sogar Allergien führen.
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Fotos: René Berner
Pflanzen bauen Schadstoffe ab
Dabei lässt sich das Raumklima ganz einfach mit Zimmerpflanzen verbessern. Dies
konnten auch australische Forscher von der
Technischen Universität Sydney in einer
aktuellen Studie nachweisen. Sie hatten die
Wirkung von Topfpflanzen auf flüchtige
organische Verbindungen (Volatile Organic
Compounds, VOC) untersucht, zu denen
unter anderem Benzin, Benzol, Alkane,
Aldehyde, viele Ester und Tetrachlorethen
(Perchloräthylen, PER) gehören. Die Stoffe
werden vor allem in neu eingerichteten
Räumen aus Teppichen, Möbeln oder
Wandfarben freigesetzt und können zahlreiche Gesundheitsbeschwerden verursachen.
Wie die Auswertung zeigte, konnte die
Schadstoffbelastung durch Pflanzen ab einer VOC-Konzentration von über 100 ppb
(parts per billion) um 50 bis 70 Prozent
verringert werden. Bei geringeren Belastungen fanden sich kaum Unterschiede
zwischen Büros mit und ohne Pflanzen.
Die Wissenschaftler schliessen daraus,
Naturheilkunde GESUNDHEIT
Pflanzen (drei beziehungsweise sechs Drachenbäume von 1,30 Metern Wuchshöhe
sowie fünf Einblatt- und eine Drachenbaumpflanze im Tischformat) geachtet.
«Es stimmt nicht, dass man einen ganzen
Regenwald braucht», resümiert Studienleiterin Margaret Burchett.
Staubbindung und Erhöhung
der Luftfeuchtigkeit
anzen
dass die VOC-Belastung erst einen gewissen Grenzwert übersteigen muss, um die
Pflanzen zu einem Schadstoffabbau anzuregen. Da der VOC-Wert in geschlossenen
Räumen durchschnittlich zwischen 200
und 400 ppb liegt, werden Zimmerpflanzen in fast allen Fällen aktiv.
Die Pflanzen wirken dabei vermutlich
wie eine grüne Leber: Spezielle Enzyme
wandeln die Giftstoffe in ungefährliche
Substanzen um. Die Schadstoffreinigung
geschieht jedoch nicht nur über die Blätter, sondern vor allem über die Wurzeln
und Mikroorganismen im Boden.
Wichtig zu wissen: Zur Luftreinigung
genügen schon wenige Pflanzen. So wurde
in den beschriebenen Versuchsreihen bewusst auf eine realistische Anzahl von
Auch wenn ein Schadstoff abbauender Effekt durch Zimmerpflanzen nachweislich
gegeben ist: Ein bereits bestehendes Gesundheitsproblem, wie zum Beispiel eine
Allergie, wird man allein durch Anschaffung von Topfpflanzen nicht lösen können,
glaubt Manfred R. Radtke von der Gesellschaft für Biotechnologie in Veithöchsheim.
«Denn dazu müsste die Pflanze fortlaufend
Schadstoffe ansaugen, was sie alleine nicht
kann.» Ausserdem haben auch Pflanzen mit
den Giftstoffen zu kämpfen. Der Biologe
und Pflanzenexperte hält daher andere Wirkungen der Pflanzen für entscheidender:
die Staubbindung und die Erhöhung der
Luftfeuchtigkeit. «Durch die trockene Heizungsluft in den Wintermonaten fliegen besonders viele mit Schadstoffen beladene
Staubteilchen herum, die eingeatmet werden und bei anfälligen Personen zu gesundheitlichen Beschwerden führen können»,
erklärt Radtke. Ein typisches Erscheinungsbild ist die so genannte «monday desease»
(Montagskrankheit): Die häufig durch
schlecht gewartete Klimaanlagen ausgelösten Beschwerden treten pünktlich mit dem
Beginn der Arbeitswoche auf, wenn die zuvor gefilterten Schadstoffe wieder in die
Büroräume geleitet werden. Das Problem:
Das Beschwerdebild wird häufig nicht diagnostiziert, da die bestehenden Grenzwerte
nicht überschritten werden. Hier können
Pflanzen eine spürbare Entlastung bringen,
da sie über den Ladungsausgleich den mit
Schadstoffen belasteten Staub binden.
Vorsicht vor Befeuchterlunge
Eine noch grössere Wirkung auf das
Raumklima haben Pflanzen nach Ansicht
des Umweltbiologen durch ihre Erhöhung
der Luftfeuchtigkeit: Zum einen zieht
Staub Wasser an. Er wird dadurch schwerer und sinkt schneller zu Boden. Zum
anderen wirkt sich eine Erhöhung der
Luftfeuchtigkeit auf Werte zwischen 40
bis 55 Prozent positiv auf die Bronchial-
schleimhaut aus. Dadurch sinkt das Risiko
für Atemwegsinfektionen bei anfälligen
Menschen deutlich.
Luftbefeuchter oder Zimmerbrunnen
erhöhen zwar ebenfalls die Luftfeuchtigkeit. Werden sie jedoch nicht mindestens
einmal wöchentlich gereinigt, können sich
gesundheitsschädigende Bakterien bilden,
die über mikroskopisch kleine Wassertröpfchen im gesamten Raum verteilt werden und einen Biofilm bilden, der selbst
mit Desinfektionsmitteln nicht zu beseitigen ist. Vor allem Luftbefeuchter, die nach
dem Zerstäuber- oder Ultraschallverneblerprinzip arbeiten, sind wahre Keimschleudern. Etwas weniger anfällig sind Verdunster und keine Probleme bieten in dieser
Hinsicht Verdampfer. In diesen Geräten
wird das Wasser aufgekocht und so in
Dampfform in die Luft übergeführt. Nachteil: Sie verbrauchen massiv mehr Strom.
Wie gefährlich das ist, zeigten jüngst
14 Fälle aus Deutschland, bei denen die
Betroffenen infolge von verunreinigtem
Wasser aus Zimmerspringbrunnen an einer entzündlichen Reaktion der Lungenbläschen oder an einer so genannten Befeuchterlunge erkrankt waren.
Psyche profitiert
von Grünpflanzen
Doch nicht nur dies spricht für Zimmerpflanzen: Sie tun auch unserer Psyche gut.
So wirkt das über das Auge wahrgenommene Grün ausgleichend auf das zentrale
Nervensystem. «Pflanzen können über die
physiologischen und psychischen Wirkungen einen wunderbaren gesundheitlichen
Vorbeuge-Effekt haben», ist Manfred R.
Radtke überzeugt. Und auch nach Erkrankungen können Pflanzen über den positiven Einfluss auf die Psyche die Genesung
fördern – eine Erkenntnis, die immer mehr
Spitäler und therapeutische Einrichtungen
nutzen. Danach reagieren Patienten allein
schon auf den blossen Anblick von Grünpflanzen – mit weniger Ängsten, Schmerzen und besseren Heilungsraten.
Auch am Arbeitsplatz können begrünte
Büros das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit spürbar erhöhen. Dass der
Anblick von Pflanzen im Büro bei der
Stressbewältigung hilft und gleichzeitig die
Gesundheit fördert, belegt eine Untersuchung der norwegischen Wissenschaftlerin
Tove Fjeld von der Landwirtschaftlichen
Universität in Oslo mit 59 Angestellten eiNatürlich | 5-2005 59
Drachenbaum
GESUNDHEIT Naturheilkunde
Welche Pflanzen
sind zur Entgiftung geeignet?
Australische Wissenschaftler vom Zentrum für Umwelttoxikologie
in Sydney haben verschiedene Pflanzen in Testzimmern mit verAloe Vera
schiedenen Schadstoffkonzentrationen konfrontiert und dabei unterschiedliche Reinigungsleistungen (Angaben in Prozent der vorhandenen Schadstoffbelastung) untereinander und im Vergleich
mit reiner Topferde ermittelt.
Pflanzen, die Formaldehyd gut abbauen (zum Beispiel
als Weichmacher und Klebstoffbestandteil in Teppichen und
Wohnraumtextilien):
Echte Aloe (Aloe barbadensis)
90 Prozent
Grünlilie (Chlorophytum elatum)
86 Prozent
Baumfreund (Philodendron selloum)
76 Prozent
Drachenbaum (Dracaena fragans «Massangeana»)
70 Prozent
Efeutute (Epipremnum aureus)
67 Prozent
Purpurtute (Syngonium podophyllum)
67 Prozent
Chrysantheme (Chrysanthemum morifolium)
61 Prozent
Gerbera (Gerbera jamesonii)
50 Prozent
Drachenbaum (Dracaena deremensis «Warneckii»)
50 Prozent
Topferde Kontrolle
33 Prozent
Einblatt
Pflanzen, die Benzol gut abbauen
(zum Beispiel in Lackfarben, Lösungsmitteln):
Efeu (Hedera helix)
90 Prozent
Einblatt (Spatiphyllum)
80 Prozent
Drachenbaum (Dracaena marginata)
79 Prozent
Efeutute (Epipremnum aureus)
73 Prozent
Drachenbaum (Dracaena deremensis «Warneckii»)
70 Prozent
Bogenhanf (Sansevieria trifasciata)
53 Prozent
Kolbenfaden (Aglaonema modestum)
48 Prozent
Topferde Kontrolle
20 Prozent
Efeu
Pflanzen, die Trichlorethylen gut abbauen
(zum Beispiel in Schaumstoffen von Sitzmöbeln):
Einblatt (Spatiphyllum)
23 Prozent
Drachenbaum (Dracaena deremensis «Warneckii»)
20 Prozent
Drachenbaum (Dracaena deremensis «Janet Graig»)
18 Prozent
Drachenbaum (Dracaena marginata)
13 Prozent
Bogenhanf (Sansevieria trifasciata)
13 Prozent
Efeu (Hedera helix)
11 Prozent
Topferde Kontrolle
9 Prozent
Pflanzen, die Kohlendioxid gut abbauen
(zum Beispiel durch Ansammlung vieler Menschen in Räumen
ohne Lüftungsmöglichkeit oder Rauchen):
Grünlilie (Chlorophytum elatum)
96 Prozent
Efeutute (Epipremnum aureus)
75 Prozent
Topferde Kontrolle
9 Prozent
Quelle: Plants for People
Grünlilie
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Naturheilkunde GESUNDHEIT
ner Ölgesellschaft. Für die Studie wurde
die Hälfte der Büroeinheiten von jeweils
10 Quadratmetern Grösse mit Pflanzen
ausgestattet. Ergebnis: Die Mitarbeiter in
den so begrünten Büros klagten seltener
über Kopfschmerzen, trockene oder gereizte Haut sowie Husten als die Kontrollgruppe ohne Pflanzen im Raum. Zudem
fühlten sich über 80 Prozent der Probanden
mit Pflanzen deutlich wohler und weniger
gestresst.
In den heutzutage oft vorhandenen
Grossraumbüros spielen Grünpflanzen
eine wichtige Rolle, zumal sie als optische
Trennungen wirken können. «Das gibt dem
Menschen ein Gefühl von Privatsphäre, wo
es eigentlich keine gibt. Für das Wohlbefinden kann dies sehr positiv wirken»,
ist Dr. Margaret Graf, stellvertretende
Leiterin des Ressorts Grundlagen Arbeit
und Gesundheit im Staatssekretariat für
Wirtschaft (seco) in Zürich, überzeugt.
Überbleibsel der Evolution
Warum sich der Mensch von Pflanzen so
angezogen fühlt, hat wahrscheinlich
mehrere Gründe: Zum einen wird Grün
in den meisten Kulturen als entspannende Farbe wahrgenommen. Zum anderen ist unsere Liebe zu Pflanzen vermutlich genetisch bedingt. Schliesslich hat
das Leben des Menschen im Laufe der
letzten zwei Millionen Jahre draussen,
also im Grünen, stattgefunden. Pflanzen
signalisierten schon unseren Vorfahren:
Hier findest Du mit hoher Wahrscheinlichkeit Wasser, Nahrung und Schutz.
Das bedeutete gleichzeitig gute Überlebenschancen. Wissenschaftler halten es
für denkbar, dass die tiefe Verbundenheit
zu Pflanzen bei uns modernen Menschen
ein Überbleibsel der Evolution ist. Und
da sich heutzutage ein Grossteil des Lebens in geschlossenen Räumen abspielt,
wächst bei vielen Menschen wieder der
Wunsch nach einem grünen Umfeld – sei
es am Arbeitsplatz oder zu Hause.
Tipps zur Auswahl und Pflege
Zimmerpflanzen können nur dann zu
einem gesunden Raumklima beitragen,
wenn sie optimal gedeihen. Was Sie bei
der Auswahl und Pflege beachten sollten:
• Überlegen Sie, zu welchem Zweck
Sie Pflanzen einsetzen möchten. Einige
Pflanzen, wie zum Beispiel Zyperngräser,
Zimmerlinde oder Banane, eignen sich
besonders zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit , während andere, wie Grünlilie,
Efeu oder Einblatt (siehe Tabellen) gut
Schadstoffe abbauen können. Ebenso
wichtig ist die psychologische Wirkung.
Daher Pflanzen auswählen, die Ihnen
gefallen.
• Zimmerpflanzen können ihre Wirkungen
nur optimal entfalten, wenn Sie ihre Bedürfnisse (Standort, Giess- und Düngebedarf) berücksichtigen. Halten Sie sich
daher genau an die Pflegehinweise und
kontrollieren Sie regelmässig, wie sich die
Pflanze entwickelt.
• Schimmelnde Blumenerde am besten
durch frisches Substrat ersetzen oder zumindest die obere Erdschicht entfernen.
Blähton (Hydrokultur) bietet im oberen
Topfbereich weniger Angriffsfläche für
Bakterien. Der Wurzelbereich sollte jedoch
regelmässig auf Fäulnis überprüft werden.
• Pflanzen müssen atmen können. Daher
die Blattoberseiten alle paar Wochen mit
einem elektrostatischen Staubwedel oder
lauwarmem Wasser reinigen.
■
Infos
– Die internationale Initiative «Plants for People»
hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die wohltuenden Wirkungen von Pflanzen in der Arbeitswelt zu informieren: www.plants-for-people.de
– Der Biologe Manfred R. Radtke hat Pflanzen, wie
Zyperngras (Cyperus), Zimmerlinde (Sparmannia)
oder Zierbanane (Musa) weiterentwickelt, die im
Vergleich zu normalen Pflanzen besonders viel
Wasser umsetzen und sich somit hervorragend als
natürliche Luftbefeuchter eignen. Seit kurzem
bietet Manfred R. Radtke auch «Grüne Wände» an.
Weitere Informationen: Gesellschaft für Biotechnologie, Telefon: +49/0931/9 73 16
Internet: www.prima-klima-pflanzen.de
Grün- und Blühpflanzen: Vorsicht vor Allergien
Allergene. Chrysanthemen können sogar
ohne Berührung Kontaktekzeme auslösen, da die Allergene auch an zerfallenen Pflanzenteilen beim Verwelken
entstehen und durch die Luft geweht
werden.
Inka-Lilie
Grün- und Blühpflanzen haben zwar
zahlreiche gesundheitsfördernde
Wirkungen, können jedoch auch
Kontaktallergien auslösen. So enthalten manche Pflanzen Allergene, die
an der Blattoberfläche mit dem Staub
in die Luft gelangen und bei empfindlichen Menschen zu Juckreiz, Fliessschnupfen und Atemnot führen. Bei
der Birkenfeige (Ficus benjamini) und
dem Gummibaum (Hevea Brasiliensis)
sind vor allem allergische Atemwegsund Hautreaktionen wie Nesselsucht,
Schleimhautschwellungen,
Bindehautentzündungen sowie
Asthma nachgewiesen. In einzelnen
Fällen kann sogar ein allergischer
Birkenfeige
Schock die Folge sein.
Becherprimel
Bei Blühpflanzen sind dagegen Primeln,
vor allem die Becherprimel (Primula
obconica), häufiger Auslöser von Hautekzemen. Verantwortlich hierfür ist das
Primin, das in den feinen Härchen an der
Unterseite der Blätter sitzt. Bei welken
Blättern befindet es sich direkt auf der
Blattoberfläche. Auch Tulpen und InkaLilien (Alstroemeria) enthalten starke
Bei einer bekannten Allergie gilt: Den
direkten Kontakt mit der jeweiligen
Pflanze unbedingt meiden oder am besten gar nicht erst in den Raum stellen.
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