58-61 Entgiften
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58-61 Entgiften
Gesünder leben mit Zimmerpfl Grünlilie, Einblatt und Co. verbessern nicht nur das Raumklima, sondern fördern auch das psychische Wohlbefinden. Text: Stella Cornelius-Koch W ir modernen Menschen sind regelrechte Stubenhocker geworden: Etwa 90 Prozent der Zeit verbringen wir in Innenräumen. Und das birgt zugleich viele Gesundheitsprobleme: So ist die Innenraumluft häufig nicht nur mit Schadstoffen belastet, sondern auch Klimaanlagen oder trockene Heizungsluft beeinträchtigen unser Wohlbefinden und können zu Kopfschmerzen, Atemwegsproblemen oder sogar Allergien führen. 58 Natürlich | 5-2005 Fotos: René Berner Pflanzen bauen Schadstoffe ab Dabei lässt sich das Raumklima ganz einfach mit Zimmerpflanzen verbessern. Dies konnten auch australische Forscher von der Technischen Universität Sydney in einer aktuellen Studie nachweisen. Sie hatten die Wirkung von Topfpflanzen auf flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) untersucht, zu denen unter anderem Benzin, Benzol, Alkane, Aldehyde, viele Ester und Tetrachlorethen (Perchloräthylen, PER) gehören. Die Stoffe werden vor allem in neu eingerichteten Räumen aus Teppichen, Möbeln oder Wandfarben freigesetzt und können zahlreiche Gesundheitsbeschwerden verursachen. Wie die Auswertung zeigte, konnte die Schadstoffbelastung durch Pflanzen ab einer VOC-Konzentration von über 100 ppb (parts per billion) um 50 bis 70 Prozent verringert werden. Bei geringeren Belastungen fanden sich kaum Unterschiede zwischen Büros mit und ohne Pflanzen. Die Wissenschaftler schliessen daraus, Naturheilkunde GESUNDHEIT Pflanzen (drei beziehungsweise sechs Drachenbäume von 1,30 Metern Wuchshöhe sowie fünf Einblatt- und eine Drachenbaumpflanze im Tischformat) geachtet. «Es stimmt nicht, dass man einen ganzen Regenwald braucht», resümiert Studienleiterin Margaret Burchett. Staubbindung und Erhöhung der Luftfeuchtigkeit anzen dass die VOC-Belastung erst einen gewissen Grenzwert übersteigen muss, um die Pflanzen zu einem Schadstoffabbau anzuregen. Da der VOC-Wert in geschlossenen Räumen durchschnittlich zwischen 200 und 400 ppb liegt, werden Zimmerpflanzen in fast allen Fällen aktiv. Die Pflanzen wirken dabei vermutlich wie eine grüne Leber: Spezielle Enzyme wandeln die Giftstoffe in ungefährliche Substanzen um. Die Schadstoffreinigung geschieht jedoch nicht nur über die Blätter, sondern vor allem über die Wurzeln und Mikroorganismen im Boden. Wichtig zu wissen: Zur Luftreinigung genügen schon wenige Pflanzen. So wurde in den beschriebenen Versuchsreihen bewusst auf eine realistische Anzahl von Auch wenn ein Schadstoff abbauender Effekt durch Zimmerpflanzen nachweislich gegeben ist: Ein bereits bestehendes Gesundheitsproblem, wie zum Beispiel eine Allergie, wird man allein durch Anschaffung von Topfpflanzen nicht lösen können, glaubt Manfred R. Radtke von der Gesellschaft für Biotechnologie in Veithöchsheim. «Denn dazu müsste die Pflanze fortlaufend Schadstoffe ansaugen, was sie alleine nicht kann.» Ausserdem haben auch Pflanzen mit den Giftstoffen zu kämpfen. Der Biologe und Pflanzenexperte hält daher andere Wirkungen der Pflanzen für entscheidender: die Staubbindung und die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit. «Durch die trockene Heizungsluft in den Wintermonaten fliegen besonders viele mit Schadstoffen beladene Staubteilchen herum, die eingeatmet werden und bei anfälligen Personen zu gesundheitlichen Beschwerden führen können», erklärt Radtke. Ein typisches Erscheinungsbild ist die so genannte «monday desease» (Montagskrankheit): Die häufig durch schlecht gewartete Klimaanlagen ausgelösten Beschwerden treten pünktlich mit dem Beginn der Arbeitswoche auf, wenn die zuvor gefilterten Schadstoffe wieder in die Büroräume geleitet werden. Das Problem: Das Beschwerdebild wird häufig nicht diagnostiziert, da die bestehenden Grenzwerte nicht überschritten werden. Hier können Pflanzen eine spürbare Entlastung bringen, da sie über den Ladungsausgleich den mit Schadstoffen belasteten Staub binden. Vorsicht vor Befeuchterlunge Eine noch grössere Wirkung auf das Raumklima haben Pflanzen nach Ansicht des Umweltbiologen durch ihre Erhöhung der Luftfeuchtigkeit: Zum einen zieht Staub Wasser an. Er wird dadurch schwerer und sinkt schneller zu Boden. Zum anderen wirkt sich eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit auf Werte zwischen 40 bis 55 Prozent positiv auf die Bronchial- schleimhaut aus. Dadurch sinkt das Risiko für Atemwegsinfektionen bei anfälligen Menschen deutlich. Luftbefeuchter oder Zimmerbrunnen erhöhen zwar ebenfalls die Luftfeuchtigkeit. Werden sie jedoch nicht mindestens einmal wöchentlich gereinigt, können sich gesundheitsschädigende Bakterien bilden, die über mikroskopisch kleine Wassertröpfchen im gesamten Raum verteilt werden und einen Biofilm bilden, der selbst mit Desinfektionsmitteln nicht zu beseitigen ist. Vor allem Luftbefeuchter, die nach dem Zerstäuber- oder Ultraschallverneblerprinzip arbeiten, sind wahre Keimschleudern. Etwas weniger anfällig sind Verdunster und keine Probleme bieten in dieser Hinsicht Verdampfer. In diesen Geräten wird das Wasser aufgekocht und so in Dampfform in die Luft übergeführt. Nachteil: Sie verbrauchen massiv mehr Strom. Wie gefährlich das ist, zeigten jüngst 14 Fälle aus Deutschland, bei denen die Betroffenen infolge von verunreinigtem Wasser aus Zimmerspringbrunnen an einer entzündlichen Reaktion der Lungenbläschen oder an einer so genannten Befeuchterlunge erkrankt waren. Psyche profitiert von Grünpflanzen Doch nicht nur dies spricht für Zimmerpflanzen: Sie tun auch unserer Psyche gut. So wirkt das über das Auge wahrgenommene Grün ausgleichend auf das zentrale Nervensystem. «Pflanzen können über die physiologischen und psychischen Wirkungen einen wunderbaren gesundheitlichen Vorbeuge-Effekt haben», ist Manfred R. Radtke überzeugt. Und auch nach Erkrankungen können Pflanzen über den positiven Einfluss auf die Psyche die Genesung fördern – eine Erkenntnis, die immer mehr Spitäler und therapeutische Einrichtungen nutzen. Danach reagieren Patienten allein schon auf den blossen Anblick von Grünpflanzen – mit weniger Ängsten, Schmerzen und besseren Heilungsraten. Auch am Arbeitsplatz können begrünte Büros das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit spürbar erhöhen. Dass der Anblick von Pflanzen im Büro bei der Stressbewältigung hilft und gleichzeitig die Gesundheit fördert, belegt eine Untersuchung der norwegischen Wissenschaftlerin Tove Fjeld von der Landwirtschaftlichen Universität in Oslo mit 59 Angestellten eiNatürlich | 5-2005 59 Drachenbaum GESUNDHEIT Naturheilkunde Welche Pflanzen sind zur Entgiftung geeignet? Australische Wissenschaftler vom Zentrum für Umwelttoxikologie in Sydney haben verschiedene Pflanzen in Testzimmern mit verAloe Vera schiedenen Schadstoffkonzentrationen konfrontiert und dabei unterschiedliche Reinigungsleistungen (Angaben in Prozent der vorhandenen Schadstoffbelastung) untereinander und im Vergleich mit reiner Topferde ermittelt. Pflanzen, die Formaldehyd gut abbauen (zum Beispiel als Weichmacher und Klebstoffbestandteil in Teppichen und Wohnraumtextilien): Echte Aloe (Aloe barbadensis) 90 Prozent Grünlilie (Chlorophytum elatum) 86 Prozent Baumfreund (Philodendron selloum) 76 Prozent Drachenbaum (Dracaena fragans «Massangeana») 70 Prozent Efeutute (Epipremnum aureus) 67 Prozent Purpurtute (Syngonium podophyllum) 67 Prozent Chrysantheme (Chrysanthemum morifolium) 61 Prozent Gerbera (Gerbera jamesonii) 50 Prozent Drachenbaum (Dracaena deremensis «Warneckii») 50 Prozent Topferde Kontrolle 33 Prozent Einblatt Pflanzen, die Benzol gut abbauen (zum Beispiel in Lackfarben, Lösungsmitteln): Efeu (Hedera helix) 90 Prozent Einblatt (Spatiphyllum) 80 Prozent Drachenbaum (Dracaena marginata) 79 Prozent Efeutute (Epipremnum aureus) 73 Prozent Drachenbaum (Dracaena deremensis «Warneckii») 70 Prozent Bogenhanf (Sansevieria trifasciata) 53 Prozent Kolbenfaden (Aglaonema modestum) 48 Prozent Topferde Kontrolle 20 Prozent Efeu Pflanzen, die Trichlorethylen gut abbauen (zum Beispiel in Schaumstoffen von Sitzmöbeln): Einblatt (Spatiphyllum) 23 Prozent Drachenbaum (Dracaena deremensis «Warneckii») 20 Prozent Drachenbaum (Dracaena deremensis «Janet Graig») 18 Prozent Drachenbaum (Dracaena marginata) 13 Prozent Bogenhanf (Sansevieria trifasciata) 13 Prozent Efeu (Hedera helix) 11 Prozent Topferde Kontrolle 9 Prozent Pflanzen, die Kohlendioxid gut abbauen (zum Beispiel durch Ansammlung vieler Menschen in Räumen ohne Lüftungsmöglichkeit oder Rauchen): Grünlilie (Chlorophytum elatum) 96 Prozent Efeutute (Epipremnum aureus) 75 Prozent Topferde Kontrolle 9 Prozent Quelle: Plants for People Grünlilie 60 Natürlich | 5-2005 Naturheilkunde GESUNDHEIT ner Ölgesellschaft. Für die Studie wurde die Hälfte der Büroeinheiten von jeweils 10 Quadratmetern Grösse mit Pflanzen ausgestattet. Ergebnis: Die Mitarbeiter in den so begrünten Büros klagten seltener über Kopfschmerzen, trockene oder gereizte Haut sowie Husten als die Kontrollgruppe ohne Pflanzen im Raum. Zudem fühlten sich über 80 Prozent der Probanden mit Pflanzen deutlich wohler und weniger gestresst. In den heutzutage oft vorhandenen Grossraumbüros spielen Grünpflanzen eine wichtige Rolle, zumal sie als optische Trennungen wirken können. «Das gibt dem Menschen ein Gefühl von Privatsphäre, wo es eigentlich keine gibt. Für das Wohlbefinden kann dies sehr positiv wirken», ist Dr. Margaret Graf, stellvertretende Leiterin des Ressorts Grundlagen Arbeit und Gesundheit im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) in Zürich, überzeugt. Überbleibsel der Evolution Warum sich der Mensch von Pflanzen so angezogen fühlt, hat wahrscheinlich mehrere Gründe: Zum einen wird Grün in den meisten Kulturen als entspannende Farbe wahrgenommen. Zum anderen ist unsere Liebe zu Pflanzen vermutlich genetisch bedingt. Schliesslich hat das Leben des Menschen im Laufe der letzten zwei Millionen Jahre draussen, also im Grünen, stattgefunden. Pflanzen signalisierten schon unseren Vorfahren: Hier findest Du mit hoher Wahrscheinlichkeit Wasser, Nahrung und Schutz. Das bedeutete gleichzeitig gute Überlebenschancen. Wissenschaftler halten es für denkbar, dass die tiefe Verbundenheit zu Pflanzen bei uns modernen Menschen ein Überbleibsel der Evolution ist. Und da sich heutzutage ein Grossteil des Lebens in geschlossenen Räumen abspielt, wächst bei vielen Menschen wieder der Wunsch nach einem grünen Umfeld – sei es am Arbeitsplatz oder zu Hause. Tipps zur Auswahl und Pflege Zimmerpflanzen können nur dann zu einem gesunden Raumklima beitragen, wenn sie optimal gedeihen. Was Sie bei der Auswahl und Pflege beachten sollten: • Überlegen Sie, zu welchem Zweck Sie Pflanzen einsetzen möchten. Einige Pflanzen, wie zum Beispiel Zyperngräser, Zimmerlinde oder Banane, eignen sich besonders zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit , während andere, wie Grünlilie, Efeu oder Einblatt (siehe Tabellen) gut Schadstoffe abbauen können. Ebenso wichtig ist die psychologische Wirkung. Daher Pflanzen auswählen, die Ihnen gefallen. • Zimmerpflanzen können ihre Wirkungen nur optimal entfalten, wenn Sie ihre Bedürfnisse (Standort, Giess- und Düngebedarf) berücksichtigen. Halten Sie sich daher genau an die Pflegehinweise und kontrollieren Sie regelmässig, wie sich die Pflanze entwickelt. • Schimmelnde Blumenerde am besten durch frisches Substrat ersetzen oder zumindest die obere Erdschicht entfernen. Blähton (Hydrokultur) bietet im oberen Topfbereich weniger Angriffsfläche für Bakterien. Der Wurzelbereich sollte jedoch regelmässig auf Fäulnis überprüft werden. • Pflanzen müssen atmen können. Daher die Blattoberseiten alle paar Wochen mit einem elektrostatischen Staubwedel oder lauwarmem Wasser reinigen. ■ Infos – Die internationale Initiative «Plants for People» hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die wohltuenden Wirkungen von Pflanzen in der Arbeitswelt zu informieren: www.plants-for-people.de – Der Biologe Manfred R. Radtke hat Pflanzen, wie Zyperngras (Cyperus), Zimmerlinde (Sparmannia) oder Zierbanane (Musa) weiterentwickelt, die im Vergleich zu normalen Pflanzen besonders viel Wasser umsetzen und sich somit hervorragend als natürliche Luftbefeuchter eignen. Seit kurzem bietet Manfred R. Radtke auch «Grüne Wände» an. Weitere Informationen: Gesellschaft für Biotechnologie, Telefon: +49/0931/9 73 16 Internet: www.prima-klima-pflanzen.de Grün- und Blühpflanzen: Vorsicht vor Allergien Allergene. Chrysanthemen können sogar ohne Berührung Kontaktekzeme auslösen, da die Allergene auch an zerfallenen Pflanzenteilen beim Verwelken entstehen und durch die Luft geweht werden. Inka-Lilie Grün- und Blühpflanzen haben zwar zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen, können jedoch auch Kontaktallergien auslösen. So enthalten manche Pflanzen Allergene, die an der Blattoberfläche mit dem Staub in die Luft gelangen und bei empfindlichen Menschen zu Juckreiz, Fliessschnupfen und Atemnot führen. Bei der Birkenfeige (Ficus benjamini) und dem Gummibaum (Hevea Brasiliensis) sind vor allem allergische Atemwegsund Hautreaktionen wie Nesselsucht, Schleimhautschwellungen, Bindehautentzündungen sowie Asthma nachgewiesen. In einzelnen Fällen kann sogar ein allergischer Birkenfeige Schock die Folge sein. Becherprimel Bei Blühpflanzen sind dagegen Primeln, vor allem die Becherprimel (Primula obconica), häufiger Auslöser von Hautekzemen. Verantwortlich hierfür ist das Primin, das in den feinen Härchen an der Unterseite der Blätter sitzt. Bei welken Blättern befindet es sich direkt auf der Blattoberfläche. Auch Tulpen und InkaLilien (Alstroemeria) enthalten starke Bei einer bekannten Allergie gilt: Den direkten Kontakt mit der jeweiligen Pflanze unbedingt meiden oder am besten gar nicht erst in den Raum stellen. Natürlich | 5-2005 61