löwen» in vaduz - eLiechtensteinensia

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löwen» in vaduz - eLiechtensteinensia
WALSER
UND RHEINBERGER,
DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES
«LÖWEN» IN VADUZ
WIRTSCHAFTS- UND FAMILIENGESCHICHTLICHE NOTIZEN AUS VIER J A H R H U N D E R T E N
RUDOLF RHEINBERGER
Im Zuge der Renovation
des Gasthauses «Löwen»
in den Jahren 1987 bis
1989 wurde das kunstvoll
geschmiedete Wirtshausschild restauriert und neu
blattvergoldet.
WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
Die beiden Geschlechter der Walser und der Rheinberger lebten durch a n n ä h e r n d 100 Jahre in Vaduz
nebeneinander, ohne dass sie gegenseitig eine nähere Beziehung hatten. Mit Adam Rheinberger und
Maria Anna Walser fand dann durch ihre Heirat im
Jahr 1725 die erste Verbindung statt.
Das Geschlecht der Walser ist seit der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts in Vaduz ansässig. Die
Familie Rheinberger ist um 1600 aus Vorarlberg in
die Grafschaft Vaduz eingewandert. Beide Geschlechter haben gemeinsam, dass sie Nachkommen der im 13. Jahrhundert in unser Rheintal und
nach Vorarlberg eingewanderten Walliser sind.
Die «Landammann-Walser» haben ihren Beinamen dem Umstand zu verdanken, dass sie seit
der Mitte des 17. Jahrhunderts eine Reihe von Landa m m ä n n e r n des Oberlandes stellten und daher hohes Ansehen genossen. Unser erster bekannter Löwenwirt in Vaduz ist der Sohn des Landammanns
Peter Walser (um 1650-1729).
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IM S T R U D E L D E R H E X E N P R O Z E S S E
1723: A N T O N W A L S E R IST L Ö W E N W I R T
UND Z O L L E R
Die ersten in Vaduz ansässigen Mitglieder der Familie Rheinberger waren die Brüder Johann und
Mathys Rheinberger. Sie sind die Stammväter der
heute noch existierenden beiden Linien. Die Linie
des Mathys Rheinberger geriet bald in den Strudel
der damals grassierenden Hexenverfolgungen. Mathys selbst und seine Tochter Anna wurden der Hexerei verdächtigt, angeklagt, verurteilt, mit dem
Schwert enthauptet und verbrannt. Der Sohn Andreas wurde ebenfalls verfolgt und floh mit vier anderen Verfolgten im Jahr 1680 ins benachbarte
Österreich. Die Flüchtlinge richteten - zur gleichen
Zeit wie Pfarrer Valentin von Kriss aus Triesen ein Schreiben an das Gubernium in Innsbruck, in
welchem der Kaiser gebeten wurde, gegen das grausame Unwesen der Hexenprozesse einzuschreiten.
Der Kaiser reagierte unverzüglich auf diese Interventionen und verbot jegliche Hinrichtung von «Hexen». So hatte Andreas Rheinberger einen wichtigen Beitrag zur Beendigung der Hexenprozesse geleistet, was ihm auch Anerkennung bei der Bevölkerung eintrug. Schon sein Sohn Christoph war
dann Richter in Vaduz und dessen Sohn Johann
Adam Rheinberger wurde zum Landammann der
oberen Landschaft gewählt.
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Der Baukomplex des heutigen Gasthofes zum «Löwen» reicht, wie baugeschichtliche Untersuchungen ergeben haben, ins späte 14. Jahrhundert
zurück. Es bestehen kaum Zweifel daran, dass das
Gebäude von Anfang an als Gasthaus errichtet
worden war und dieses damit eine 600-jährige Tradition aufweist.
Es ist nicht bekannt, seit wann der heutige Gasthof «Löwen» seinen Namen trägt. Als erster Löwenwirt begegnet uns Anton Walser in der Rentamtrechnung vom Jahr 1723. Dieser Anton Walser ist im Jahr 1674 geboren und stammte aus der
Linie der «Landammann-Walser». Er war Zolleinnehmer in Vaduz, ein Amt, das in früheren Zeiten
häufig mit dem Beruf eines Wirtes verbunden war.
Anton Walser war verheiratet mit Katharina Lampertin. Das Ehepaar hatte sechs Kinder. Im «Aid
Steur Buch» vom Jahr 1730 ist «Anthony Walser,
Würth» mit 1675 Gulden steuerbarem Vermögen
aufgeführt. Er gehörte damit zu den vier reichsten
Bürgern der Gemeinde Vaduz und man darf annehmen, dass er nicht nur Wirt, sondern auch Besitzer
des «Löwen» war.
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1) Mathias Ospelt (Rod.): Vaduzer Familienchronik. Die alteingesessenen Bürgerfamilien von Vaduz. 9 Bde. Vaduz, 2002, hier Band IV,
S. 174. In der Folge zitiert als: Vaduzer Familienchronik.
2) Ebenda, S. 145-206.
3) Manfred Tschaikner: «Der Teufel und die Hexen m ü s s e n aus dem
Land ...». Frühneuzeitliche Hexenverfolgungen in Liechtenstein. In:
Jahrbuch des Historischen Vereins f ü r das F ü r s t e n t u m Liechtenstein
(JBL). Band 96 (1998), S. 1-197, hier S. 28 sowie S. 168 f.
4) Ebenda, S. 25-28.
5) Peter Albertin: Zur Baugeschichte des Hotels Löwen - einer jahrhundertealten Taverne. In: JBL, Band 98 (1999), S. 203-250.
6) Liechtensteinisches Landesarchiv Vaduz (LLA), Rentamtsrechnung
1723.
7) Vaduzer Familienchronik, Band VIII. S. 32 sowie S. 70.
8) Familienarchiv Rheinberger Vaduz (FamARh). B 1.
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WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
S T A M M T A F E L D E R W I R T E F A M I L I E N W A L S E R UND R H E I N B E R G E R
WALSER
RHEINBERGER
Michael Walser * um 1580
°° Ursula Frickin
I
Thomas Walser, Landammann * um 1620
°° Sara Rothenbeckin
t 2. Februar 1669
Mathys Rheinberger
* 1612
°° Maria Kind
Peter Walser, Landammann
* um 1650, t 22. Mai 1729
oo Maria Tschabrunn
t 30. August 1715
i;
Anton Walser,, Zoller, Löwenwirt
* 10. November 1674
<*> Katharina Lafnpert
* 7. Oktober 1675, t 17. April 1743
I
Maria Anna Walser * 12. Oktober 1702
Andreas Rheinberger
* um 1640
°° Magdalena Wille
Christoph Rheinberger, Richter
* um 1670, t 1717
~ Agnes Jäger
* 10. Dezember 1667, t 2. März 1746
Johann Adam Rheinberger, Landammann
* 27. November 1697, t 29..April 1738
Josef Ferdinand Leon Rheinberger,
Richter, Löwenwirt und Engelwirt
* 8. Dezember 1734, f 14. Januar 1814
1) Susanne Wächter, * 8. Januar 1735, t 14. Oktober 1785
°° 2) Franziska Seger, geborene Kyeni, t 1838
Johann Rheinberger,
Richter, Löwenwirt und Adlerwirt
* 15. März 1763, t 6. November 1815
1) Josefa Wolfinger, * 1765, t 8. Juni 1793
°° 2) Creszenz Steger, t 3.. Juni 1809
<
=
<
= 3) Barbara Neil, t 8. November 1823
Josef Anton.Rheinberger,
Löwenwirt und Advokat
* 18. Mai 1801, t 27. November 1846
Creszenz Rheinberger, geborene Schlegel
* 6. Februar 1808, t 5. September 1857
I
Alois Rheinberger,
Löwenwirt und Bürgermeister
* 24. Juni 1836, t 26. August 1901
<*> Laura. Wolfinger
17. September 1847, t 10. Januar 1918
Lukrezia Rheinberger, Löwenwirtin
* 30. September 1868
t 2. Mai 1934
Alois Rheinberger,
Löwenwirt vonl829 bis 1832
* 1808, t 5. Mai 1832
<=° Creszenz: Schlegel
* 6. Februar 1808, t 5. September 1857
I
Heinrich Rheinberger
19. Februar 1832, t'12. November 1855
Maria Irma Patscheider,
geborene Rheinberger
11. März 1870, t 28. März 1930
oo Alois Patscheider
Adele Steck, geborene Patscheider,
Löwenwirtin * 20. Februar 1904, t 27. September 1975
oo Benjamin Steck * 25. März 1902, f 5. August 1981
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ÜBERGANG ZUR FAMILIE RHEINBERGER
UND Z E I T W E I L I G E V E R P A C H T U N G
BAROCKER UMBAU DURCH JOHANN
RHEINBERGER
Maria Anna, die älteste Tochter des Löwenwirtes
Anton Walser wurde im Jahr 1702 geboren und
heiratete 1725 den Zoller und späteren Landammann Johann Adam Rheinberger (1697-1738).
Dieser starb schon mit 41 Jahren. Der jüngste Sohn
aus der Ehe des Johann Adam Rheinberger mit
Maria Anna Walser hiess Josef Ferdinand Leon. Er
wurde 1734 geboren und starb mit 80 Jahren im
Jahr 1814. Er ü b e r n a h m aus der Erbmasse seiner Mutter und deren Geschwister den «Löwen»
käuflich. Die Übernahme durch ihn erfolgte im
Jahr 1765, als er 31 Jahre alt war.
In der Zwischenzeit hatten verschiedene Pächter
den «Löwen» geführt. Zunächst war es bis 1751
der Schlossküfer Johann Guetschalk aus Schaan.
Er war der Schwiegersohn des früheren Löwenwirtes Anton Walser und hatte dessen Tochter Elisabeth geheiratet. Johann Guetschalk war durch diese Heirat auch verschwägert mit dem Landammann Johann Adam Rheinberger und war der Onkel des oben genannten späteren Löwenwirtes Josef Ferdinand Leon Rheinberger. Auf Guetschalk
folgte dann bis 1753 Johann Wächter. Von 1753 bis
1764 waren Christa Hilti und zuletzt bis 1765 Johannes Hilti Löwenpächter.
Josef Ferdinand Leon Rheinberger betrieb dann
das Gasthaus zum «Löwen» zusammen mit seiner
ersten Frau Susanna, geborene Wächter, volle
zwanzig Jahre bis zu deren Tode im Jahr 1785. Er
heiratete aber schon ein Jahr später (1786) die
Witwe des Engelwirtes Anton Seger, Katharina
Franziska, geborne Kyeni und zog in den «Engel». Josef Ferdinand Leon Rheinberger bekleidete das Amt des Richters in Vaduz und wurde auch
sonst mit vielen öffentlichen Aufgaben betraut. Er
erreichte ein Alter von 80 Jahren.
Als Josef Ferdinand Leon Rheinberger in den «Engel» übersiedelte, ü b e r n a h m sein Sohn Johann
Rheinberger (1763-1815) den «Löwen», den er sogleich einem gründlichen Umbau unterzog. Der
heutige barocke Aspekt des «Löwen» geht auf diesen tief greifenden Umbau von 1786 zurück. Johann Rheinberger führte nun die Gastwirtschaft
zusammen mit seiner ersten Frau Maria Josefa
Wolfinger aus Balzers. Doch schon anfangs des
Jahres 1791 ü b e r n a h m er pachtweise die fürstliche
Taverne zum «Adler», welche zugleich die Zollstätte für den das Land passierenden Güterverkehr
war und bessere Einnahmen versprach als der
«Löwen».
Nun wurde der «Löwen» wieder verpachtet. Der
erste Pächter war Franz Josef Wolfinger, der mit einer Schwester Johanns, Maria Anna Rheinberger
verheiratet war. Er hatte aber die Pacht des
«Löwen» nur kurze Zeit inne, da er schon bald das
väterliche Gasthaus zur «Post» in Balzers übernahm und dort auch Postmeister wurde. Er war es
auch, der den bekannten Plan von Balzers nach
dem grossen Brand von 1795 erstellte.
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B E L A S T U N G E N D U R C H DIE F R A N Z O S E N KRIEGE
Unter den weiteren Löwenpächtern finden wir
dann schon 1792 Johann Jakob Leren, der erst
im Jahr 1789 in Vaduz eingebürgert worden war.
Johann Jakob Lerch war also Pächter des «Löwen»
zur turbulenten Zeit der Franzosenkriege. Er hatte
- ähnlich wie die Wirte zum «Adler» und «Engel» Einquartierungen und Verpflegung des k. k. österreichischen und des französischen Militärs in beträchtlichem Umfang hinzunehmen. Aus den Akten
«Betreffend die Kriegserlittenheiten von 1798 bis
1 8 0 0 » geht hervor, dass die diesbezüglichen Forderungen sich für den Adlerwirt auf 10128 Gulden, für den Engelwirt auf 3049 Gulden und für
den Löwenwirt Lerch auf 4704 Gulden beliefen. Die
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WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
Franzosen hatten 1799 auch ganz in der Nähe des
«Löwen» zwei Lager aufgeschlagen, das eine im
«Quäderle» und das andere im «Oberfeld», «mit
mehreren hundert Soldaten».
Auf Johann Jakob Lerch folgte im Jahr 1801 Josef Schelldorf und auf diesen schon nach einem
Jahr Peter Matt, der den «Löwen» von 1802 bis
1804 führte. Peter Matt (1762-1821.) stammte aus
Mauren und war dort vorher Wirt auf der Taverne
zum «Hirschen» gewesen. Peter Matt wurde abgelöst von Matthäus Hämmerle, der die Wirtschaft
noch bis zum Jahr 1809 betrieb.
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1809 BIS 1827: D E B A U S S C H A N K
IM « L Ö W E N » B U H T
Im Gasthaus «Löwen» ruhte dann der Ausschank
von 1809 bis 1829 völlig. Warum dieser Unterbruch? Hatte Johann Rheinberger mit seinen Pächtern schlechte Erfahrungen gemacht? Man darf es
vermuten. Schon die oft recht kurze Pachtdauer
lässt darauf schliessen. Das Haus wurde aber auch
von zahlreichen Familienmitgliedern bewohnt. Erst
als im Jahr 1827 Alois Rheinberger den Hälfteanteil am Haus von seinem Halbbruder Josef Ferdinand gekauft hatte und dieser mit seiner Frau und
den sechs Kindern in das Rote Haus gezogen waren, gab es im «Löwen» wieder mehr Platz.
Wie bereits erwähnt, hatte Johann Rheinberger,
der Besitzer des «Löwen», schon im Jahr 1791 die
fürstliche Taverne zum «Adler» in Pacht übernommen. Der Pachtzins betrug jährlich 270 Gulden. Johann Rheinberger wurde bald ein sehr vermögender Mann. Bald wurde er auch, wie vor ihm schon
sein Vater, zum Ortsrichter bestellt. Er unternahm
auch grössere Geschäftsreisen.
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K A U F DES B O T E N H A U S E S UND
DES « A B T S W I N G E B T S »
Im Jahr 1807 kaufte Johann Rheinberger vom
Kanton St. Gallen den säkularisierten Besitz des
Klosters St. Johann im Thurtal, den dieses in Vaduz
und Mauren früher besessen hatte. Er bezahlte
dafür 17 000 Gulden. Damit war er Besitzer des
Roten Hauses samt Torkel, «Abtswingert», «Jäger»
und «Weinzierler» geworden. Das waren allein in
Vaduz Weinberge im Ausmass von zusammen 9940
Klaftern. Auch die Mühle, die Gipsmühle und die
Säge im Möliholz gehörten ihm jetzt. Somit war er
der reichste Grundbesitzer in Vaduz. War im Jahr
1804 der Engelwirt Josef Ferdinand Leon Rhein24
9) Vaduzer Familienchronik. Band VIII, S. 34.
10) l-benda. Band IV, S. 177.
11) Aufzeichnungen von A n n a Nigg-Rhcinberger, F a m A R h Ha 11.
12) Die Familie Guetschalk war seit Beginn des 17. Jahrhunderts in
Schaan ansässig. Mehrere Mitglieder der Familie waren als Schlossküfer in Vaduz tätig.
13) Klaus Biedermann: Das Rod- und Fuhrwesen in Liechtenstein.
Line verkehrsgeschichtliche Studie mit besonderer Berücksichtigung
des s p ä t e n 18. Jahrhunderts. In: J B L 97 (1999). S.1-187, hier S. 153.
14) Aufzeichnungen von Anna Nigg-Rhcinberger (1840-1888),
FamARh Ha. 11.
15) Albertin: Zur Baugeschichte des Hotels Löwen (wie A n m . 5).
S. 203-250.
16) Fridolin Tschugmell: Vaduzer Geschlechter. In: J B L 49 (1949).
S. 33-84. hier S. 64.
17) Ebenda.
IS) L L A RA 69/1.
19) F a m A R h D/18 5.
20) Fridolin Tschugmell: Vaduzer Geschlechter. In: J B L 49 (1949).
S. 33-84. hier S. 65.
21) Gustaf Alfons Matt: «Familiengeschichte der Matt». Feldkirch.
1925.
22) Alois Ospelt: Die Geschichte des Weinbaus in Vaduz. In: Vaduzer
Wein. 100 Jahre Winzergenossenschaft. Vaduz, 1996, S. 9-118. hier
S. 65. In der Folge zitiert als: Geschichte des Weinbaus.
23) LLA Reisepassverzeichnis.
24) «Abtswingert»: Weinberg unter dem Roten Haus; «Weinzierler»:
grosser Weinberg im Raclitsch: «Jäger»: Weinborg oberhalb des
Roten Hauses, benannt nach dem Landammann Jäger.
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berger mit einem Steuervermögen von 2360 Gulden vor seinem Sohn Johann noch der grösste
Steuerzahler in Vaduz gewesen, so übertraf nach
dem Kauf der St. Johanner Güter der Sohn den Vater um etliches. Dazu kam noch, dass der ehemalige Klosterbesitz zehentberechtigt war.
Johann Rheinberger starb im Jahr 1815 im «Adler» im Alter von 52 Jahren. Er hinterliess einen
grossen Besitz, der aber auch mit erheblichen
Schulden belastet war. Auf Grund des Testamentes
fiel der «Löwen» (Haus Nr. 74 mit Stallscheune
74 1/2) je zur Hälfte an die Söhne Josef Ferdinand
aus erster Ehe und an Alois aus zweiter Ehe. Die
beiden Anteile waren je auf 2850 Gulden geschätzt.
Der Sohn Johann Nepomuk aus der ersten Ehe erhielt das Haus Nr. 129 im Möliholz «samt Gips- und
Sägemühle» im Schätzwert von 3498 Gulden. Die
Gerberei fiel Johann Georg aus der zweiten Ehe zu.
Die Tochter Theresia aus erster Ehe wurde mit
Grundstücken und Geld bedacht, ebenso Josef Anton aus zweiter Ehe, welcher Jura studierte; denn
Studenten wurden in jener Zeit im Erbe regelmässig zurückgesetzt, da einerseits die Studienkosten
erheblich waren und andererseits ein Akademiker
später mit einem grösseren Einkommen rechnen
konnte.
Die Witwe Barbara, geborene Neil, erhielt als
Erbe einen Geldbetrag von 1700 Gulden. Ausserdem ging der St. Johanner Weingarten in Mauren
samt Torkel im Jahr 1816 käuflich an ihre Brüder
Josef Anton und Karl Friedrich Neil über.
Um die Schulden tilgen zu können, kamen die
Erben überein, das Rote Haus mit Torkel und Weingarten zu verkaufen. Im «Königlich Baierischen Intelligenzblatt» vom 30. Januar 1816 Hess Johann
Nepomuk Rheinberger als Wortführer der Erben
die «St. Johanner Realitäten in Vaduz» zum Verkauf an den Meistbietenden ausschreiben. Der
Schätzwert dieser «Realitäten» belief sich auf 8379
Gulden. Es meldete sich aber kein Kaufinteressent,
so dass das Rote Haus im Besitz der Erben verblieb.
W I E D E R E R Ö F F N U N G DES « L Ö W E N » U N T E R
ALOIS R H E I N B E R G E R
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A m 9. Juni 1827 trat Josef Ferdinand seinen Hälfteanteil am «Löwen» käuflich an seinen Halbbruder Alois ab, so dass dieser Besitzer des ganzen
Löwenanwesens wurde. Josef Ferdinand zog daraufhin mit seiner Familie in das Rote Haus und bewirtschaftete einen Teil der dazugehörigen Weinberge. Sein jüngster Sohn Alois, geboren 1827,
wanderte im Revolutionsjahr 1848 nach Nordamerika aus und holte seine junge Frau Margarethe,
seinen Vater Josef Ferdinand sowie seine jüngste
Schwester Anna Maria ebenfalls nach Amerika.
Alois Rheinberger wurde in Nauvoo im Staat Illinois ein bedeutender Weinbaupionier. Er ist der
Stammvater aller heute in Nordamerika lebenden
Rheinberger.
Wie schon erwähnt, hatte der Jüngste aus der
zweiten Ehe des Johann Rheinberger mit Creszenzia Steger namens Alois (1804-1832) im Jahr 1827
den Hälfteanteil des Halbbruders Josef Ferdinand
am Löwenbesitz übernommen. Alois hatte in den
Jahren 1813/1814 das Seminar St. Luzi in Chur besucht, erlernte dann aber das Gerberhandwerk. Er
heiratete mit 24 Jahren Crescenz Schlegel, eine
Tochter des Franz Josef Schlegel und der Anna Sele
aus Triesenberg. Das junge Ehepaar ü b e r n a h m
im Jahr 1829 den «Löwen» in Vaduz, in welchem
der Schankbetrieb bis dahin volle 20 Jahre geruht
hatte. Aber Alois Rheinberger erkrankte an einer
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25) Stcucrbeschriob vom Jahre 1804. Gemeindearchiv Vaduz (GAV).
261 Die Z o h e n t a b l ö s u n g erfolgte erst etwa 100 Jahre später.
27) Siehe dazu die Abhandlungsakten im L L A .
28) Rudolf Rheinberger: Alois Rheinberger - Weinbaupionier in
Illinois. In: Norbert Jansen, Pio Schurti (Hrsg.): Nach Amerika!
2 Bände. Vaduz. Zürich. 1998, Band 2. S. 175-187.
29) Siehe auch: Rudolf Rheinborger: Liechtensteiner Ärzte des
19. Jahrhunderts. In: J B L Band 89, S. 1 9-11 2. hier S. 99 f. In der
Folge zitiert als: Liechtensteiner Ärzte.
30) Geschichte des Weinbaus. S. 65.
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WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
Johann Rheinberger
(1763-1815), Richter,
Löwenwirt und Adlerwirt.
Unter Johann Rheinberger
erhielt der Gasthof
«Löwen» sein heutiges
spätbarockes Aussehen.
Creszenz Rheinberger,
geborene Steger (t 1809),
die zweite Ehefrau des
Johann Rheinberger. Die
Familie Rheinberger
verpachtete ab 1791 den
«Löwen» während mehreren Jahren und wirtete
vorübergehend in der
fürstlichen Taverne zum
«Adler», ebenfalls in
Vaduz
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Tuberkulose und starb daran schon drei Jahre später im Alter von 28 Jahren. Er hinterliess einen
Sohn Heinrich.
Seinem verstorbenen Bruder folgte als Löwenwirt der Advokat Josef Anton Rheinberger (18011846). Er hatte im Sommer 1828 das Jurastudium
abgeschlossen. Zum Zeitpunkt als er den «Löwen»
ü b e r n a h m , war er 31 Jahre alt. Anton hatte die ersten vier Gymnasialklassen in Feldkirch und von
1815 bis 1819 das «Philosophicum» in Innsbruck
absolviert. Danach besuchte er von 1820 bis 1828
der Reihe nach die Universitäten Freiburg im
Breisgau, Landshut und München. In München
hörte er noch die Vorlesungen des berühmten Josef
Görres über «Teutsche Geschichte».
In Freiburg hatte er zusammen mit dem Triesenberger Josef Hannibal Schlegel dem Studentencorps <Suevia> angehört. Josef Anton Rheinberger heiratete 1836 die Witwe seines verstorbenen
Bruders Alois, Creszenz, geborene Schlegel und
wurde so neben seinem Beruf als Advokat auch
noch Wirt zum «Löwen». Sein Studienfreund und
Corpskamerad Dr. med. Hannibal Schlegel war ein
Bruder seiner Frau.
Im November 1840 wurde vom Volk eine Delegation zum Fürsten nach Wien abgeordnet. Sie
sollte dort Klagen und Wünsche der liechtensteinischen Bevölkerung vorbringen. Dieser Delegation
gehörten Rektor Peter Kaiser, der Advokat und
Löwenwirt Josef Anton Rheinberger sowie der
Postmeister und -wirt Josef Ferdinand Wolfmger
aus Balzers an. Die Deputation legte in Wien dem
Fürsten eine Petition vor, doch war das erreichte
Ergebnis nicht befriedigend. Anfangs Dezember
1840 kehrten die Delegierten wieder nach Vaduz
zurück. Bekanntlich besuchte dann Alois II. im
Jahr 1842 als erster liechtensteinischer Fürst das
Land und hörte sich die Klagen und Begehren des
Volkes persönlich an.
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Advokat Josef Anton
Rheinberger (1801-1846)
wirtete von 1832 bis 1846
im «Löwen». Seit der
Wiedereröffnung im Jahr
1828 erlebte der «Löwen»
einen wirtschaftlichen
Aufschwung, der sich im
späteren 19. Jahrhundert
noch verstärkte.
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Sichtbares Zeichen des
florierenden Gasthauses
war die um 1880 errichtete Veranda, die an die
Südseite des Wirtshauses
angebaut wurde. Die Pläne
für diesen Anbau lieferte
der Wiener Architekt
Ignaz Banko.
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WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
AUSSCHANK VON S E L B S T G E K E L T E R T E M
V A D U Z E R WEIN
B E G I N N E N E N D E B T O U B I S M U S UND A N B A U
DEB VEBANDA
Unter Josef Anton Rheinberger und seiner Frau
Creszenz wurde der «Löwen» wieder zu einer angesehenen und viel besuchten Gaststätte. Der
«Löwen» hatte den Vorzug, selbst gekelterten Wein
aus den allerbesten Lagen von Vaduz ausschenken
zu können. Josef Anton Rheinberger erkrankte
aber, wie schon sein Bruder Alois vor ihm, an Tuberkulose und starb daran im Jahr 1846 im Alter
von 45 Jahren. Seine Witwe führte dann den Gastbetrieb bis zu ihrem Tode im Jahr 1857 weiter.
Dann ü b e r n a h m der jetzt 21-jährige Sohn Alois
die Wirtschaft, wobei er zunächst von seinen beiden Schwestern Theresia und Anna kräftig unterstützt wurde. Theresia heiratete 1863 den späteren
Hauptmann und Landestechniker Peter Rheinberger und Anna verheiratete sich mit Ferdinand
Nigg aus Balzers. Der Zeitpunkt der Übernahme
des «Löwen» erwies sich für Alois als sehr günstig,
hatte doch die fürstliche Taverne zum «Adler» im
Jahr 1856 ihre Tore geschlossen, womit der wichtigste Konkurrenzbetrieb weggefallen war. Allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt der Weinausschank auf dem Schloss Vaduz eröffnet.
Der nunmehrige Löwenwirt Alois Rheinberger heiratete im Jahr 1866 Laura Wolfinger, die Tochter
des Altpostmeisters Josef Ferdinand Wolfinger aus
Balzers, Sohn des Franz Josef Wolfinger, der zu
Ende des vergangenen Jahrhunderts einmal kurze
Zeit Pächter des «Löwen» gewesen war. In die Zeit
um 1880 fällt eine Episode, die hier erwähnt wer-
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31) Heinrich Rheinberger war im Jahr 1853 im Alter von 21 Jahren
nach Nordamerika ausgewandert. E r starb dort nach einem abenteuerlichen Wanderleben am 13. November 1855 im Staat Missouri.
Er w ä r e der Erbe des gesamten L ö w e n a n w e s e n s gewesen. Vom ihm
ist noch eine Reihe von Briefen aus A m e r i k a an seine Mutter und
seine Base Theresia vorhanden. FamAR Ha 13.
32) Zu Dr. med. Josef Hannibal Schlegel siehe: Liechtensteiner Ärzte,
S. 19-112, h i e r S . 99-107.
33) Vgl. Rupert Quaderer: Politische Geschichte des F ü r s t e n t u m s
Liechtenstein von 1815 bis 1848. In: J B L Band 69 (1969), S. 5-242,
hier S. 107-110. Siehe auch: A r t h u r Brunhart: Peter Kaiser
1793-1864. Zweite, durchgesehene und e r g ä n z t e Auflage. Vaduz.
Zürich. 1999, hier S. 129 f.
34) Peter und Theresia Rheinberger hatten vier Kinder, unter ihnen
I lermine Rheinberger, die Verfasserin des historischen Romans
«Gutenberg-Schalun», sowie der Bildhauer und Architekt Egon
Rheinberger (1870-1936).
35) Aus dieser Ehe stammt der Kunstgewerbeprofessor und Maler
Ferdinand Nigg (1865-1949).
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Alois Rheinberger (18361901), Löwenwirt und
Bürgermeister von Vaduz
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Laura Rheinberger, geborene Wolfinger (18471918), Frau des Alois
Rheinberger. Nach dem
Tod ihres Mannes führte
Laura Rheinberger den
Gastbetrieb im «Löwen»
weiter.
WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
Lukrezia Rheinberger
(1868-1934), Tochter des
Alois und der Laura
Rheinberger, war Löwenwirtin in Vaduz von 1918
bis 1934.
den muss, weil sie den Anbau einer Veranda an
den «Löwen» zur Folge hatte. Einige Jahre nach
der Eröffnung des Hotels «Quellenhof» in Bad Ragaz war dort eine reiche Bankiersgattin aus Köln
namens Deichmann zu einem Kuraufenthalt abgestiegen. Von dort aus machte sie eines Tages einen
Ausflug nach Vaduz und besuchte auch den «Löwen». Sie war sogleich von Vaduz und dem «Löwen» so angetan, dass sie bald wiederkam und im
«Löwen» die ganze östliche Zimmerflucht im ersten Stock, mit dem Blick auf das Schloss, mietete
und für sich einrichten Hess. Sie wollte jeweils längere Zeit im Jahr in Vaduz zubringen. So hatte
Löwenwirt Alois Rheinberger auch nichts dagegen,
als Frau Deichmann an der Ostwand des «Löwen»
eine zweistöckige offene Veranda anbauen wollte,
um sich auch im Freien aufhalten zu können. Die
Pläne dazu machte im Jahr 1880 der Wiener Architekt Ignaz Banko, der sich zu jener Zeit wiederholt
in Vaduz bei seinem Schwiegervater, dem Landesverweser von Hausen aufgehalten hatte. Die eigentliche Ausführung des Anbaues stand unter der Leitung des Landestechnikers Peter Rheinberger. Frau
Kommerzienrat Deichmann kam zwar noch einige
Jahre hintereinander nach Vaduz, doch erlosch ihr
Interesse am «Löwen» und bald gab sie auch ihre
Wohnung dort wieder auf.
Alois Rheinberger war einer der angesehensten
Männer von Vaduz. Er bekleidete dreimal das Amt
des Bürgermeisters von Vaduz. '' Nach seinem Tode
im Jahre 1901 führte seine Witwe Laura als tüchtige und resolute Wirtin den Gastbetrieb im «Löwen» weiter. Ein hoffnungsvoller Sohn Louis war
im Knabenalter gestorben. Frau Laura starb im
Jahr 1918.
Laura Rheinberger wurde dann als Wirtin abgelöst von ihrer Tochter Lukrezia, welche als Vorbild einer geselligen und tüchtigen Wirtin galt. Unter ihrer Führung war der «Löwen» das gehoben3
37
36) B ü r g e r m e i s t e r von Vaduz 1864 bis 1870, von 1876 bis 1879
sowie von 1888 bis 1894.
37) Zu Frau Laura Rheinberger siehe auch Rudolf Rheinberger: Die
f r ü h e s t e n Aufzeichnungen von Balzner Sagen. In: Balzner Neujahrsblätter 1997, S. 9-14.
239
Im Löwentorkel in Vaduz.
Rechts im Bild sind Adele
und Benjamin Steck zu
erkennen.
Adele Steck, geborene
Patscheider (1904-1975,
links) führte zusammen
mit ihrem Mann Benjamin
Steck (1902-1981, rechts)
den «Löwen» während
zwanzig Jahren (19341953). Adele Steck war als
Nichte der Lukrezia Rheinberger die letzte Vertreterin der Wirtefamilie Rheinberger, welche den «Löwen» bewirtete.
ste Gasthaus in Vaduz. Sie verstand es, mit den einfachen Leuten so gut wie mit den «Besseren» umzugehen, kurz, sie hatte alle Tugenden einer guten
Wirtin. Viele vornehme Herrschaften stiegen zu ihrer Zeit im «Löwen» ab. Lukrezia Rheinberger
starb im Jahr 1934. Wer sollte nun ihre Nachfolge
antreten? Da war noch der Bruder Anton, ein
Junggeselle, der lieber im Weinberg arbeitete als
im Gastbetrieb und auch nicht geschäftstüchtig genug war. Die Schwestern waren entweder verheiratet oder schon gestorben.
Da erklärte sich eine Nichte, Adele Steck, bereit,
zusammen mit ihrem Mann Benjamin Steck den
«Löwen» zu ü b e r n e h m e n . Adele Steck hatte eine
kaufmännische Ausbildung absolviert. Als umsichtige und beliebte Wirtin führte sie das Geschäft im
Sinne ihrer Tante Lukrezia weiter. Ihr Mann, der
sich früher schon gerne als Hobbykoch betätigt
hatte, bildete sich zum Hotelkoch aus und bot den
Gästen eine vorzügliche bürgerliche Küche.
Nachdem von den Geschwistern Lukrezias im
Jahr 1952 auch der Bruder Anton gestorben war,
lebte nur noch die Schwester Hedwig Hiener, geborene Rheinberger, als Alleinerbin des ganzen Löwenbesitzes. Ihr einziger Sohn war schon im Alter
240
WALSER UND RHEINBERGER, DIE WIRTEFAMILIEN
DES GASTHAUSES «LÖWEN» / RUDOLF RHEINBERGER
von vier Jahren gestorben. Nach dem Tod ihres
Bruders Anton adoptierte sie ihre Nichte Adele und
setzte sie als Alleinerbin ein.
Adele Steck führte den «Löwen» während zwanzig Jahren und verpachtete ihn dann ab 1953. Adele Steck arbeitete die kommenden 19 Jahre halbtags im Treuhandbüro von Fürstl. Kommerzienrat
Guido Feger, währenddem Benjamin Steck sich ab
1953 in der Malerei verwirklichte. Er überlebte seine 1975 verstorbene Gattin Adele um sechs Jahre.
18
38) «Mit den Augen des Herzens g e s e h e n » . Beitrag von Gerolf
Hauser zum 20. Todestag des Malers und Löwengastwirts Benjamin
Steck in Vaduz. In: LVolksblatt. 4. August 2001. - Nachruf auf Adele
Steck in: LVolksblatt, 4. November 1975 und in LVaterland. 6. November 1975. Nachruf auf Benjamin Steck in LVolksblatt, 19. August
1981 und in LVaterland, 22. August 1981.
241
BILDNACHYVEIS
S. 228: Heinz Preute,
Vaduz
S. 235: Privatbesitz Hotel
«Löwen», Vaduz. Aufnahmen: Heinz Preute, Vaduz
S. 236, 239 und 240
unten: Else Feger, Feldkirch
S. 237: Liechtensteinisches
Landesmuseum, Vaduz
S. 238: Rudolf Rheinberger, Vaduz
S. 240 oben: Olaf Walser,
Vaduz
242
A N S C H R I F T DES
AUTORS
Fürstl. Sanitätsrat Dr. med.
Rudolf Rheinberger
Beckagässli 2
FL-9490 Vaduz

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