PDF 26 - Deutsche Sprachwelt

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PDF 26 - Deutsche Sprachwelt
AUSGABE 26
Winter 2006/07
7. Jahrgang – 4
ISSN1439-8834
(Ausgabe für Deutschland)
Kulturverlust
bei VW
Achtung, Sprachpolizei!
Geert Teunis berichtet, wie er
auf den Aktionärsversammlungen der Volkswagen AG
eine Lanze für die deutsche
Sprache bricht.
Seiten 3 und 4
Nachäffen bringt
Nachteile
Hans Kaegelmann fordert ein
Ende der Vorherrschaft der
englischen Sprache in den
Wissenschaften.
Seite 6
Sprache schafft
Identität
Wolf Schmid blickt auf die
deutsche Geschichte und leitet
aus ihr ab, daß wir für unsere
Sprache Verantwortung übernehmen müssen.
Seite 7
Vom Sprachgefühl
Karl-Heinz List läßt Maria Kuttner verblüffende Gleichklänge
in Todesanzeigen und Arbeitszeugnissen aufspüren.
Seite 12
Ihre Stimme zählt!
Die DEUTSCHE SPRACHWELT ist
eine Zeitung, die Wert auf die Meinung ihrer Leser legt. Nehmen Sie
deswegen bitte zahlreich an unseren
Abstimmungen teil.
x
Mehr Zusammenarbeit in der
Sprachpflege?
Seite 10
x
Wer wird
Sprachwahrer?
Seite 10
Wie das Deutsche zensiert werden soll: mit Verboten und Selbstgerechtigkeit
Von Thomas Paulwitz
N
eusprech sollte nicht nur ein
Ausdrucksmittel für die …
gemäße Weltanschauung und Geisteshaltung bereitstellen, sondern
auch alle anderen Denkweisen unmöglich machen … Dies erreichte
man zum Teil durch die Erfindung
neuer, hauptsächlich aber durch die
Eliminierung unerwünschter Wörter
… Wenn Altsprech ein für allemal
verdrängt worden war, würde das
letzte Bindeglied zur Vergangenheit
durchtrennt sein. Die Geschichte war
bereits umgeschrieben worden.“
So steht es in den „Grundlagen des
Neusprech“, die George Orwell in seinem Buch „1984“ niedergeschrieben
hat. Der „Münchner Merkur“ meinte
vor einigen Jahren, „Orwell hätte sein
berühmtes Buch auch ‚2000‘ nennen
können.“ Denn die Anhänger eines
Neusprech treiben auch heute noch
ihr Unwesen, beispielsweise in Dudens „Deutschem Universalwörterbuch“ (DUW). In der neuesten Auflage (2006) geben die Herausgeber
Anweisungen, welche Wörter nicht
gebraucht werden sollten.
So ist das „Unkraut“ vernichtet worden. Das Wörterbuch rät, „auf die
Bezeichnungen ‚Wildkräuter‘ oder
‚wild wachsende Pflanzen‘“ auszuweichen. Es geht weiter: „Wegen der
Anlehnung an die diskriminierende Bezeichnung ‚Neger‘ sollte das
Wort ‚Negerkuss‘ ebenfalls vermieden und durch ‚Schokokuss‘ ersetzt
werden.“ Und: Das Wort „türken“
sollte, obwohl die Wortgeschichte
unklar ist, „im öffentlichen Sprachgebrauch unbedingt vermieden werden“, da es „von türkischstämmigen
Mitbürger(inne)n als diskriminierend empfunden“ werde. So solle
man auch nicht mehr „Mohammedaner“ sagen, sondern „Moslem“ oder
„Muslim“. Das Wort „Rasse“ möge
Das Wörterbuch ist kein Einzelfall für
Sprachverbote. Unter der Aufsicht des
linksextremen Duisburger Instituts für
Sprach- und Sozialforschung (DISS)
will der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), Interessenverband und
Gewerkschaft der Journalisten, eine
„Sprachfibel“ herausgeben, als „unverzichtbares Werkzeug für den
journalistischen Alltag“ und „um die
durch „Menschen anderer Hautfarbe“, „Ausländer“ durch „ausländische Mitbürger“ ersetzt werden,
so der Wille der selbsternannten
Sprachpolizisten.
Sprache zu reinigen“. In der Fibel
werden Wörter aufgezählt, die verboten sein sollen, weil sie angeblich
den „Rassismus“ begünstigen. So
will das DISS den Begriff der Rasse
„dekonstruieren“, um mit dem Verbot
des Wortes „Rasse“ „die Deutung eines gesellschaftlichen Sachverhaltes
grundsätzlich zu verändern“. Auch
das Wort „Gutmensch“ wollen die
Gutmenschen tilgen. Gleichzeitig geben sie Meldebögen zur Denunziation
aus. So können wachsame Mitbürger
dem DJV die Verwendung verbotener
Wörter anzeigen. Die Sprachpolizisten
wollen also ein Bevormundungs- und
Bespitzelungssystem errichten. Wir
sollen aus Angst den Mund halten.
Journalisten sollen die Schere schon
im eigenen Kopf zuschnappen lassen.
Die vermeintlichen Frauenrechtler
in der DUW-Wörterbuchredaktion
haben außerdem bereits in der Auflage des Jahres 2003 mehr als 5.000
weibliche Formen wie „Bausparerin“
und „Vizeadmiralin“ aufgenommen.
Da der Umfang insgesamt nicht zunehmen sollte, mußten im Gegenzug Tausende scheinbar unwichtiger
Wörter gestrichen werden. Wie nicht
anders zu erwarten, verzeichnet das
DUW nur noch den Neuschrieb, obwohl die bewährte Rechtschreibung
noch in zahlreichen Büchern und
Veröffentlichungen anzutreffen ist.
„Universal“ ist das Universalwörterbuch damit jedenfalls nicht.
Die „Bibel in gerechter Sprache“,
die am diesjährigen Reformationstag
Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT
Sprachsünder:
Auszeichnung:
Fußball-Engleutsch:
Rüttgers verspricht Journalistenpreis
Deutsche Wörter
besseres Deutsch
entgegengenommen weltweit beworben
Die Proteste der Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT gegen das
Sprachgebaren der nordrhein-westfälischen Minister zeigte Wirkung.
Die Regierung will offenbar raus aus
der Sprachsünder-Ecke. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wies seine
Minister an, „auf das bislang verwendete ‚Denglisch‘ künftig zu verzichten.“ Bei kommenden Maßnahmen
werde auf eine verständliche Sprache
geachtet, versprach Rüttgers.
Siehe Seite 10.
„In Anerkennung seiner herausragenden Verdienste für einen engagierten
unabhängigen Journalismus“ erhielt
der Schriftleiter der DEUTSCHEN
SPRACHWELT, Thomas Paulwitz,
am 3. Dezember in Berlin den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten. Der Preis wird von der Witwe
Ingeborg Löwenthal und der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ vergeben. Den Ehrenpreis erhielt Elisabeth
Noelle-Neumann.
Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.
Weltweite Aufmerksamkeit von
Südafrika bis Brasilien erhielt die
DEUTSCHE SPRACHWELT mit
ihrer Transferliste für Fußball-Anglizismen. In Zusammenarbeit mit
www.woerterfinden.de, der Wortdatenbank für besseres Deutsch, wählte
die DSW mehrere Auswechselwörter aus, die sie auf die Ersatzbank
schickte. Die englische Presse titelte
reißerisch: „Germany declares war
on English soccer terms“.
Siehe Seite 4.
veröffentlicht wurde, ist ein weiterer
Anschlag der Sprachpolizei auf die
deutsche Sprache. 400.000 Euro hat
es gekostet, daß mehr als 50 Verfasser über fünf Jahre lang die Bibel umgeschrieben haben. Aus „Vater unser“
werden „Vater und Mutter unser“. Jesus hat nun – historisch falsch – nicht
nur Jünger, sondern auch Jüngerinnen.
Er verkündet in der Bergpredigt nicht
mehr „Ich aber sage euch“,
sondern ganz bescheiden
und unverbindlich: „Ich
lege euch das heute so aus“.
Die Propheten dürfen, aus
Rücksicht auf die Gefühle
der heutigen Juden, Israel nicht mehr
ein Strafgericht Gottes androhen: Statt
„reif zum Ende“ ist das Volk Israel
nur noch „reif“. Aus Gott, dem Herrn,
wird „die Heilige“ und „die Ewige“,
aus dem Heiligen Geist die „Heilige
Geistkraft“. Das „Forum Lebendige
Kirche“ bezeichnet diese Entstellung
des Gotteswortes denn auch als „Bibel in selbstgerechter Sprache“.
Die sogenannte „Political Correctness“ will Probleme lösen, indem sie
Bezeichnungen aus dem Verkehr zu
ziehen oder zu verändern versucht.
Diese Wortverleugnung erschwert
aber das Denken und Sprechen über
diese Probleme, so daß sie nicht
gelöst, sondern verdrängt werden,
bis schließlich das böse Erwachen
kommt. Die „Bibel in gerechter Sprache“ mag lächerlich wirken; die Idee
jedoch, die dahintersteckt, darf man
nicht unterschätzen. Letztlich handelt
es sich um den Versuch einer Minderheit, die Mehrheit umzuerziehen.
Was tun? Es ist wichtig, Bestrebungen, unsere Sprache zu manipulieren,
sofort im Keim zu ersticken. Das geht
nur durch tätigen Widerstand. Die
Vernichtung Tausender deutscher
Wörter durch die zahllosen Getrenntschreibungen der Rechtschreibreform
konnten die Befürworter der traditionellen Rechtschreibung gerade noch
abwehren. Sollten Sprachpolizisten
versuchen, ein Wort durch Stigmatisierung zu verbieten, sollten wir es
erst recht verwenden; nicht nur, um
das Wort zu retten, sondern auch, um
das Denken über schwierige Sachverhalte weiterhin zu ermöglichen.
Das ist gut für Neger, Zigeuner, Ausländer und Gott, den Herrn.
Leserbriefe
Seite 2
Oberflächliche
Sprachbeherrschung
Zum Beitrag von Thomas Paulwitz, „Warum die feurige Giuliana über ein
Sprachgesetz nachdachte“, in DSW 24, Seite 10:
D
aß Petra Pau, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende
der Linkspartei im Bundestag, nicht
nur töricht ist, sondern auch die deutsche Sprache nur sehr oberflächlich
beherrscht, hat sie mit ihrer „konsequenten
Deutschschreibpflicht“
bewiesen. Sonst wüßte sie, daß viele Deutsche keineswegs „Bulette“
sagen, sondern „Fleischklöpschen“.
Und wenn sie für „Baby“ das Kunstwort „Kleinstkind“ vorschlägt, so ist
das nur ein Beweis dafür, wie aussagekräftige deutsche Wörter aussterben, wenn nur noch die aus anderen
Sprachen eingeschleppten Wörter
gebraucht werden. Denn sie scheint
das einst ausschließlich in Deutschland gebrauchte Wort „Säugling“
überhaupt nicht mehr zu kennen!
Und dafür kämpfen wir doch gerade,
daß jetzt nicht massenweise deutsche
Wörter verlorengehen, weil aus Angeberei nur noch englische Wörter
verwendet werden: bike, nicht mehr
Fahrrad, highlight, nicht mehr Höhepunkt, job, nicht mehr Arbeit oder
Stelle und so weiter.
Dr. Gisela Spieß, Regionalvorsitzende des Vereins Deutsche Sprache
Eine geniale Idee
Zum „Denkmal für die Urheber der Rechtschreibreform“
in DSW 25, Seite 4:
A
ls frühes Mitglied des Vereins
Deutsche Sprache (seit April
1998) brauche ich nicht weiter zu
betonen, daß mich die Entwicklung
unserer Sprache und somit auch Ihre
Zeitschrift interessieren. Mit großer
Aufmerksamkeit und viel Sympathie
verfolge ich vor allem Ihren unermüdlichen Kampf gegen die Absurditäten
unserer politischen Kaste, die sich als
Sprachreformer geriert. Dieser Spezies ein Denkmal zu setzen, ist eine
geniale Idee! Wichtig ist mir, daß
Sie in Ihrem Bemühen, dem Verfall
der Sprachkultur Einhalt zu gebieten,
nicht nachlassen. Ihre sachkundigen
Artikel beleuchten viele Aspekte des
Phänomens und halten das Interesse
an einer kultivierten Sprache wach.
Mit populären Aktionen erreichen
Sie auch eine breite Öffentlichkeit.
Die vielfach in Ihren Ausgaben genüßlich zitierten beispielhaften Ungereimtheiten zeitigen ebenfalls ihre
beabsichtigte Wirkung. An ihnen läßt
sich überzeugend der Schwachsinn
so mancher Neuerung festmachen.
Gleiches gilt auch für die exemplarische Gegenüberstellung gleichgelagerter Begriffe mit dennoch unterschiedlicher Schreibweise, wie auf
Seite 6 der Ausgabe 25 geschehen.
Aus meiner Erfahrung kann ich bestätigen, daß auch die sogenannte
schweigende Mehrheit das Theater
um den Neuschrieb mit Aufmerksamkeit verfolgt. Dessen Protagonisten
haben sich in der Öffentlichkeit keine Bonuspunkte eingehandelt. Daß
der Kampf nicht nutzlos ist, beweist
die teilweise Rücknahme unsinniger
Regeln zum 1. August dieses Jahres.
Dieser Erfolg sollte alle anspornen,
in dem Bemühen um eine stimmige,
konsistente und eindeutige Sprache,
die einer Kulturnation würdig ist,
nicht nachzulassen. Zeigt doch nicht
zuletzt die Sprache die geistige Verfaßtheit eines Volkes.
Jürgen Jacob
Nur englische
Lieder
Zum Beitrag von Thomas Paulwitz,
„Deutsch – eine starke Sprache“,
in DSW 25, Seite 1:
W
enn Deutsch eine starke
Sprache wäre, warum werden dann im öffentlichen Rundfunk
fast nur englische Titel gespielt? Ich
schreibe täglich E-Briefe an RBB
88,8 und Antenne Brandenburg und
bitte um mehr deutsche Titel; leider
ohne Erfolg. Es wäre die Aufgabe
des Vereins für Sprachpflege, hier
mehr tätig zu werden.
Hans-Dieter Bieseke
FAZ knickt ein
D
ie deutschsprachigen Nachrichtenagenturen wollen zum 1. August 2007
vor allem bei der Getrennt- und Zusammenschreibung wieder zahlreiche traditionelle Schreibweisen einführen. Während die Agenturen also weiter
Reformregeln abbauen, geht die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) den
entgegengesetzten Weg. Sie knickt ein, führt bereits zum 1. Januar eine eigene
Hausorthographie ein und vergrößert damit das Rechtschreibchaos. Lediglich
bei einer Handvoll Wörtern („Stängel“, „rauh“), insgesamt sind es elf, will die
FAZ den Regeln der Rechtschreibreform widersprechen. Als Begründung für
ihren Schritt gab die FAZ an, ihn „um der Einheitlichkeit willen“ zu tun. Eine
Einheitlichkeit ist jedoch nicht einmal innerhalb der Rechtschreibreform vorhanden, denn nach der jüngsten Reform der Reform gibt es Tausende Schreibweisen, die nicht eindeutig geregelt sind. Die beiden führenden Reformwörterbücher Duden und Wahrig widersprechen sich in ihren Empfehlungen, welche
Schreibung verwendet werden soll. Eine Flut von Bezugskündigungen und
Protestbriefen erreicht die FAZ. Ein wichtiges Sprachrohr der Reformkritik
scheint verlorenzugehen. Wenn auch Sie den Herausgebern dieser Tageszeitung Ihre Meinung schreiben wollen, wenden Sie sich an die untenstehende
Anschrift. Über ein Doppel Ihrer Schreiben freuen wir uns. (pau)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hellerhofstraße 2-4, D-60327 Frankfurt am
Main, Telefax +49-(0)69-7591-1743, [email protected]
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Ausflug in die deutschfeindliche Politik
Liebe Leser!
Was hat Ihnen gefallen?
Was hätten wir
besser machen können?
Worauf sollten
wir stärker eingehen? Sch
reiben Sie uns,
wir freuen uns auf Ihre
Meinung! Auch
wenn wir nicht jeden Bri
ef beantworten
und veröffentlichen kön
nen, so werten
wir doch alle Zuschriften
sor
Bei einer Veröffentlichun gfältig aus.
g behält sich
die Redaktion das Recht
vor, sinnwahrend zu kürzen. Auf diese
Weise wollen
wir möglichst viele Leser
zu Wort kommen lassen. Schreiben Sie
bitte an:
DEUTSCHE SPRACHWE
LT
Leserbriefe
Postfach 1449, D-91004
Erlangen
schriftleitung@deutsche-s
prachwelt.de
Weinekarte?
Zum Beitrag von Dagmar
Schmauks, „Man i(s/ß)t deutsch“,
in DSW 25, Seite 12:
A
uch ich liebe sehr die deutsche Sprache und ärgere mich
oft über den Gebrauch von Fremdwörtern aus Wichtigtuerei. Ich ärgere mich aber auch über den Ausdruck
„Speisekarte“, den Frau Schmauks
jetzt wieder auf Seite 12 benutzt. Ich
meine, eine Speisekarte ist doch keine Karte zum Essen!? Und deshalb
muß es richtig heißen „Speisenkarte“, auf welcher verschiedene Speisen angeboten werden. Oder liege
ich da falsch?
Heinz Laux
Anmerkung der Schriftleitung:
Im Falle der „Speisenkarte“ empfehlen wir die Schreibweise „Speisekarte“. Bei zusammengesetzten Hauptwörtern deutet nämlich das erste nur
die Gattung an, nicht die Mehrzahl.
So heißt es auch nicht „Weinekarte“ oder „Äpfelkuchen“. Das „n“
in Fällen wie „Birnenkuchen“ oder
„Pflaumenkompott“ ist nicht wegen
der Mehrzahl, sondern wegen des
Wohlklanges eingeschoben.
Zu verschiedenen Beiträgen in DSW 25:
A
us einigen Beiträgen gewinne
ich den Eindruck, daß Sie im
politisch korrekten Meinungsstrom
der BRD mittreiben. Die Beiträge
auf den Seiten 9 und 10 (Hermann H.
Dieter und Victoria Grigorian) dienen dem Anliegen einer wirksameren Integration „unserer Neubürger“
durch die Beseitigung von allerhand
Schwächen der offiziellen Integrationspolitik. Mit der unkommentierten
Aufnahme dieser Beiträge beweisen
Sie Ihre grundsätzliche Zustimmung
zur Einwanderung und Integration
von Kulturfremden und Fremdrassigen. Damit bringen Sie Ihre Zeitung
in Einklang mit der grundgesetzwidrigen und deutschfeindlichen Politik
der herrschenden Parteien. Wenn Sie
nicht hinter dem Verfassungsauftrag
stehen, die Identität des deutschen
Volkes zu wahren, dann kann Ihr
Verhältnis zur deutschen Sprache nur
ein ästhetisches sein. Jede Sprache
ist aber – wie jede Kulturschöpfung
Entschleunigung
Zur Kolumne von Holger Holzschuher, „So wird’s richtig“,
in DSW 25, Seite 10:
O
b mit Holzschuhers Kommentar das Wort „Entschleunigung“ richtig wird, läßt sich nur aus
dem Zusammenhang ersehen. Nach
meinem Sprachgefühl würde ich bei
diesem Begriff nämlich nicht an ein
Verlangsamen oder Verzögern denken, sondern an das Vermindern einer
Beschleunigung: Die Geschwindigkeit wird nicht herabgesetzt, sondern
erhöht sich weniger stark als vorher
oder bleibt mindestens konstant (erhöht sich gar nicht mehr).
Dr. Peter Löhr
Groß-Gruppen-Glotzen
Leserstimmen zur Aktion gegen „Fußball-Engleutsch“ (siehe Seite 4)
D
anke für Ihre Aktion, die
längst überfällig war, da von
offizieller Seite anscheinend kein Interesse an diesem Problem besteht.
In letzter Zeit stört mich bei jeder
Übertragung, bei der „David“ Odonkor mitspielt, daß David nurmehr mit
D-e-i-vid betitelt wird. Ein weiterer
Schritt, auch die Vornamen langsam
zu „anglisieren“.
Manfred Becker
Eine gute Idee! Sie sollten auch die
Kosmetik- und die Fahrradbranche
einmal näher untersuchen!
Rolf Falkowski
Wie ich sehe, wollen Sie englische
Begriffe aus dem Fußball-Vokabular verbannen. Dies kommt einer
Verleugnung des Ursprungs und der
Erfinder dieses Sports gleich. Auch
ohne sprachliche Entfremdung hat
sich der Fußball leider schon weit
genug vom Geist seiner Gründer
entfernt. Die „Eindeutschung“ der
Sprache sollte mit mehr Vorsicht
und Fingerspitzengefühl betrieben
werden, sonst haben wir dann wieder
die Verhältnisse jener unseligen Zeiten, als die Bananen „Schlauchapfel“
heißen sollten (und Menschen meiner Konfession im KZ endeten). Die
deutsche Sprache bewahrt sich von
selbst durch ihren Gebrauch genügend. Es wird sicher nie jemand auf
die Idee kommen, vom „Brandenburger Goal“ zu sprechen.
Jonathan Bodenheimer
Die verschiedenen Anleitungen,
um wieder Deutsch und nicht einen
Mischmasch zu sprechen, sind sehr
löblich.
Helmut Müllner
Im vergangenen Sommer haben wir
in unserer evangelischen Kirchengemeinde statt Public Viewing ein
Groß-Gruppen-Glotzen veranstaltet.
Harald Schilbock
Eine sehr lobenswerte und sehr schöne Aktion! Erst vor kurzem habe ich
mich über diesen Herrn Beckmann
geärgert. Der meinte, Borussia Dortmund sei – als sie Tabellenfünfter
wurden – seit etlichen Monaten mal
wieder unter den „Top Feif“. Dümmer und primitiver geht’s nun wirklich nicht!
Frank Kerkhoff
– nach allgemeinem Verständnis aus
dem Wesen der Völker oder Volksstämme hervorgewachsen. Wenn Sie
unsere Sprache erhalten wollen, dann
müssen Sie zuerst unser Volk erhalten
wollen. Abgesehen davon, daß unser
seelisch krankes und kinderarmes
Volk zur Integration der Einwandererströme ohnehin zu schwach ist, kann
eine Integration aus naturhaften Gründen nirgends gelingen. Die offizielle
Integrationspolitik ist als versuchter
doppelter Völkermord einzustufen,
an den Deutschen und an den einwandernden Volksgruppen. Die politische
Gegenposition besteht in der Forderung, den Eingewanderten ihre Sprache, Kultur und Religion möglichst
zu erhalten, damit die Verbindung
zur ihrer Herkunft nicht abreißt und
sie die Möglichkeit zur Rückwanderung nicht verlieren. Ihr lobenswerter
Einsatz für die Sprache ist letztlich
ein politischer; wenn es um unsere
deutsche Sprache geht, dann geht es
um die deutsche Identität und folglich
um deutsche Politik. Ich hoffe, ich
konnte klarstellen, warum ich die beanstandete Ausgabe der „Sprachwelt“
als einen Ausflug in die herrschende
deutschfeindliche Politik betrachte,
die dem internationalen Kapitalismus
dient und die Zerstörung der gewachsenen Völker zum Ziel hat.
Alois Mitterer
Gegründet im Jahr 2000
Erscheint viermal im Jahr
Auflage: 22.000
Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro.
Für Nicht- und Geringverdiener ist der
Bezug kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind
sehr willkommen.
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Sprachwelt-Mitarbeiter
Astrid Luise Mannes, Rominte van Thiel,
Irmela van Thiel, Dagmar Schmauks, Wolfgang Hildebrandt, Diethold Tietz, Klaus
Däßler, Werner E. Oemke, Frank Fehlberg,
Jürgen Langhans, Fritz-Jürgen Schaarschuh
Druck
Ferdinand Berger & Söhne GmbH
Wiener Straße 80, A-3580 Horn
Die 27. Ausgabe erscheint im Frühling
2007. Redaktions- und Anzeigenschluß
sind am 1. Februar 2006.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Hintergrund
Seite 3
VW gesteht Kulturverlust ein
Wortbeiträge auf Volkswagen-Hauptversammlungen
Ein Erfahrungsbericht von Geert Teunis
D
ie Hauptversammlung ist das
Beschlußorgan einer Aktiengesellschaft und dient der Unterrichtung der Aktionäre über die
Entwicklung und die Pläne des Unternehmens. Ein wichtiger Punkt
auf der Tagesordnung sind die Entlastungen des Aufsichtsrats und des
Vorstands. Hat ein Sprachschützer
auf solchen Veranstaltungen die
Möglichkeit, etwas zu einem vermeintlich weniger wichtigen Thema
wie „zu viel Englisch in der Unternehmenssprache“ zu sagen?
Er hat! Die einzige Voraussetzung ist,
mindestens eine Aktie des Unternehmens zu besitzen; die Einladung zur
Teilnahme an der Hauptversammlung „flattert“ dann einmal jährlich
ins Haus. Der Eingeladene darf dann
in der Versammlung zuhören, abstimmen und sich auch zu Wort melden.
Am 3. Mai dieses Jahres habe ich als
Kleinaktionär wieder an der Hauptversammlung der Volkswagen AG
teilgenommen und zum Thema „Englisch bei Volkswagen“ gesprochen.
Trotz des ansprechenden deutschen
Werbespruchs „Aus Liebe zum Automobil“ werden – seit zehn Jahren
immer häufiger – für die Produkte
und ihre Beschreibungen übermäßig
viele und für Kunden unverständliche
englische Bezeichnungen verwendet.
Zu den VW-Hauptversammlungen
kommen bis zu 5000 Besucher. Alle
Reden werden auf Großbildschirme
in mehrere Säle und in die Vorhallen übertragen und gleichzeitig ins
Netz gestellt. Es ist klar, daß die
große Zahl der unterschiedlichen
Zuhörer – Klein- und Großaktionäre,
Mitglieder des Aufsichtsrats (Kapitaleigner und Arbeitnehmer) und des
Vorstands, Pressevertreter, Gäste im
Saal und weltweit an den Bildschirmen – eine sorgfältige Vorbereitung
des Manuskripts erfordert.
Akribische
Vorbereitung
Das Sammeln von Material beginnt
schon Monate vorher. Die Hauptquellen sind die Produktbeschreibungen, zum Beispiel für den Volkswagen-Passat, die Produktwerbung,
die monatlich erscheinende Mitarbeiterzeitschrift „autogramm“, die
Braunschweiger Zeitung und Besuche in der Wolfsburger „Autostadt“
und bei Volkswagenhändlern.
Die Rede vor großem Publikum darf
nicht langweilig sein. Sie muß aber
auch überzeugend darstellen, daß das
Englische bei Volkswagen übermäßig zugenommen hat und daß Kunden
bei vielen Beschreibungen an und in
ihrem Fahrzeug nur noch „Bahnhof
verstehen“. Dazu sind ein guter Einstieg, fundierte Aussagen und ein guter Schluß erforderlich. Ein roter Faden darf auch nicht fehlen. Ich habe
in diesem Jahr „Kaufen und Fahren
eines Volkswagen-Passats“ gewählt.
Sehr wichtig ist, daß der Wortbeitrag
Fragen an den Vorstand enthält. Dieser ist nach deutschem Aktienrecht
verpflichtet zu antworten. Und genau
diese Antworten sind von großer Bedeutung. Das Manuskript kann fast
immer noch verbessert werden, indem es noch einmal von anderen begutachtet wird. Als Berater für „rich-
tiges Englisch“ steht mir Hartmut
Heuermann, emeritierter Professor
für Amerikanistik, zur Seite. Aber
auch die kritischen Durchsichten einer Journalistin und meiner Ehefrau
sind sehr hilfreich.
Warten auf
den Auftritt
Der Tag der Hauptversammlung ist
mit Spannung geladen. Nach der Personen- und Gepäckkontrolle werden
die Versammlungsunterlagen einschließlich des Stimmkartenblocks
ausgehändigt. Nun geht es hurtig zum
Vortragssaal. Auf der Treppe werde
ich von einem mir unbekannten Herrn
angesprochen: „Guten Morgen, Herr
Dr. Teunis! Es freut mich, daß Sie
auch wieder da sind. Sie werden doch
sicher wieder sprechen!?“
Im Vortragssaal geht es schnurstracks zum Wortmeldetisch in der
ersten Reihe. Das Vorlegen des
Stimmkartenblocks ist der Nachweis
für den Aktienbesitz. Anders als in
den Vorjahren wird nicht gefragt, zu
welchem Tagesordnungspunkt man
zu sprechen gedenkt. Ich bitte darum,
mir nach der Hauptversammlung das
Redeprotokoll zuzuschicken. Dieses
Protokoll enthält nicht nur das „gesprochene Wort“, sondern auch die
Antworten des Vorstandes auf Fragen, die in der Hauptversammlung
gestellt worden sind.
Nun beginnt eine Zeit der großen
Ungewißheit. Kleinaktionäre wie ich
müssen die Rechenschaftsberichte
des Aufsichtsrats und des Vorstands
und die ersten Reden der Großaktionäre abwarten, bis sie zu Wort
kommen – oder auch nicht. Diese
Entscheidung richtet sich nach der
Zahl der Wortmeldungen und der
Festlegung der Rednerreihenfolge
durch den Versammlungsleiter. Dies
ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats,
Ferdinand Piëch.
Die Zeit wird lang, auch wenn aufschlußreiche Berichte über die Unternehmenslage von Piëch, vom
Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder und vom Finanzvorstand
Hans Dieter Pötsch vorgetragen werden. Auch durch das stille Wiederholen des Manuskripts vergeht die Zeit
nicht schneller. Nach dem Auftreten
der ersten zehn Redner des Großkapitals muß ich auf der Hut sein. Es
kann ja sein, daß ich als nächster
aufgefordert werde. Während ich
auf den letzten Hauptversammlun-
gen stundenlang warten mußte, sagt
Piëch heute bereits nach dem elften
Redner: „Ich bitte Herrn Dr. Teunis,
Braunschweig, ans Pult.“
liger Vorstandsvorsitzender eines Industrieunternehmens in der Region
Braunschweig, spricht mich an: „Ihr
Beitrag hat mir gut gefallen.“
„Über Ihr VW-Protokoll habe ich
mich sehr gefreut. Wir machen was
daraus!“ Eine Weile passiert jedoch
gar nichts.
„Große Heiterkeit
und Beifall“
Nach etwa drei Stunden geht Pischetsrieder in einem ersten „Antwortenblock“ auf meine Fragen ein.
Zunächst dankt er für den unterhaltsamen Beitrag. Seine Aussage,
„wenn das Englische vom Kunden
nicht verstanden wird, solle er in
der Betriebsanleitung nachlesen“,
ist natürlich unbefriedigend. Zu meinen Beispielen („MUTE“, „DEST“,
„NAV“, „MAP“, „ON/OFF|DUAL“,
„ENGINE|START/STOP“
oder
„PASSENGER AIR BAG OFF”)
meint er, daß „manche Abkürzungen
international genormt seien“.
Anfang Oktober erscheint dann eine
Samstagsausgabe der Braunschweiger Zeitung mit dem Aufmacher
„Deutsch als Fremdsprache bei
Volkswagen“ auf der Titelseite. Auflage der Zeitung: 210.000! Auf der
dritten Seite stehen die beiden Artikel
„Das ist nicht kundenfreundlich“ und
„Leicht verständliche Wort-Kreationen“. Der Leitartikel „Deutsch
ist schön“ auf der vierten Seite enthält zehn „Bemerkungen über unsere deutsche Sprache“. Im Kulturteil
wird in einem Beitrag „Sex ist gut
für uns, Fast Food nicht“ die Aktion
Ich habe „Muffensausen“; vor mir
haben fast ausschließlich Finanzund Aktienfachleute gesprochen, die
Milliardenbeträge oder Zigtausende
Aktionäre vertreten, in brillantem Finanzdeutsch und mit entsprechend
hochkarätigen Fragen. Ob alle Zuhörer
die Ausführungen verstanden haben,
ist zu bezweifeln. Während der Beiträge herrschte Ruhe im Saal, Beifall gab
es jeweils nur am Ende des Vortrags.
Und nun ich mit „Deutsch-Englisch
bei Volkswagen“? Ich bin sehr unsicher, wie die Zuhörer meine Ausführungen aufnehmen werden. Meine
Bedenken sind unbegründet: Den ersten Beifall gibt es bereits nach meinem zweiten Satz! Das macht Mut.
Und so geht es weiter. „Große Heiterkeit und Beifall“, wie es später im
Protokoll vermerkt sein wird, erntet
mein Vorschlag, den Betriebsrat nun
doch in „Work Council“ mit der Abkürzung WC umzubenennen.
Mit insgesamt 16 Beifallsbekundungen liege ich mit großem Abstand an
der Spitze aller Redner. Zeitlebens
habe ich noch nie so viel Beifall und
zustimmende Pfiffe für eine so kurze
Rede bekommen. Für mich war das
eine bisher noch nicht erlebte Bezeugung, daß die Mitbürger „die Schnauze voll“ haben vom überflüssigen
Englisch nicht nur bei Volkswagen.
Bevor ich zum Trinken, Suppe- und
Würstchenessen eilen kann, spricht
mich der Stenograph an, der den
Ablauf der Hauptversammlung aufzeichnet. Er erbittet – wie in vergangenen Jahren – wieder mein Manuskript, da er „einiges Englische“
nicht richtig verstanden habe oder
nicht weiß, wie es richtig geschrieben wird. In diesem Jahr habe ich
eine Kopie für ihn vorbereitet.
VW-Chef:
„Englisches im
Deutschen ist
Kulturverlust“
Der Vorstand beantwortet Fragen
zusammenfassend nach zehn bis
15 Wortbeiträgen, da in der Regel
gleichartige Fragen von verschiedenen Rednern gestellt werden. Es ist
also wieder geduldiges Warten angesagt. Beim Essen und Trinken in der
Vorhalle werde ich von vielen Zuhörern angesprochen: „Das haben Sie
fabelhaft gemacht.“ – „Sie haben mir
aus der Seele gesprochen.“ – „Endlich mal einer, der gegen das Denglische angeht.“ Das größte Lob wird
mir auf der Herrentoilette zuteil. Ein
Herr im dunklen Maßanzug, ehema-
Viele Produktbezeichnungen bei VW sind auf englisch.
Sprachverwirrung bei VW: Mit „Fourmotion“ oder „4Motion“ wird der Allradantrieb bezeichnet, während ein Leistungssteigerungsprogramm für VW-MitarBild: Teunis
beiter „Formotion“ heißt.
Immerhin sagt er, „daß die allzu intensive Verwendung der englischen
Sprache im Deutschen nicht nur im
Automobilbereich ein gewisser Kulturverlust ist.“ Dies ist eine allgemeine, wichtige Aussage, aber natürlich
noch keine Aufforderung an die Mitarbeiter, das Englische bei Volkswagen zu vermeiden oder auf ein Normalmaß zurückzuschrauben.
Volltreffer
mit der
Braunschweiger
Zeitung
Beifall und Lachen der Hauptversammlung vergehen schnell. Nun
ist es wichtig, „Informationsvervielfacher“ einzubeziehen. Denn erst
viele Bündnispartner garantieren
den Erfolg. Ich versuche es über die
Presse und schicke mein Vortragsmanuskript zunächst an die Redaktion der Braunschweiger Zeitung. Sie
veröffentlicht einen Artikel mit dem
Titel „Design auf Denglisch – Was
ein Sprachschützer der VW-Führung
vorhielt“ im Kulturteil. Es gibt Leserbriefe und viele Anrufe. Zustimmung erhalte ich auch von vielen
Mitgliedern des Vereins Deutsche
Sprache (VDS), die das Manuskript
über einen internen Verteiler erhalten haben.
Das Redeprotokoll mit einem offiziellen Anschreiben von Volkswagen erhalte ich
erst im Juli. Dieses
Dokument verteile ich in meinem
Umfeld. Auch die
Braunschweiger
Zeitung erhält eine
Kopie.
Chefredakteur
Paul-JoBild: pau
sef Raue schreibt:
„Lebendiges Deutsch“ der „Stiftung
Deutsche Sprache“ vorgestellt. Und
im Lokalteil macht eine Glosse unter „Hallo Braunschweig“ auf die
„Bastian-Sick-Schau“ in der Stadt
aufmerksam. Diese Artikel sind eine
Riesenüberraschung und unterstützen meine weiteren geplanten Volkswagen-Aktivitäten.
In der Braunschweiger Zeitung werden über eine Woche lang Leserbriefe
mit durchweg positiven Stellungnahmen veröffentlicht. „Warum lassen
wir uns veräppeln?“ wird gefragt,
und aus Volkswagen möge bei dem
vielen Englisch doch „People-car“
sowie aus Wolfsburg „Wolfs-Castle“
werden. Im Rahmen der „DenglischWelle“ gerät auch der Braunschweiger Oberbürgermeister ins Kreuzfeuer der Kritik, weil er sich für eine
„Bank mit Retail-Geschäft“ stark
macht. Das große Leserinteresse an
Denglisch setzt sich fort bei einer
Diskussion mit einer Leserumfrage
zu dem Begriff „Factory-Outlet“.
Der provozierende Titel „Deutsch
als Fremdsprache bei Volkswagen“
macht auch vor den Toren von VW
nicht Halt. Er löst auf allen Hierarchieebenen des Unternehmens Diskussionen aus. „Der Teunis hat ja
völlig recht“, ist eine häufig zu hörende Meinung. Andere fragen: „In
wie viele Sprachen sollen wir denn
alles übersetzen?“ Neben Sprachkultur wird auch Wirtschaftlichkeit
erörtert. Ein VW-Experte sagt: „Eine
klare Unternehmenssprache für die
interne und externe Kommunikation
spart Kosten.“
Geert Teunis war jahrelang VW-Mitarbeiter in der Informationstechnik.
Auszüge seiner Rede vor der Aktionärsversammlung finden Sie auf der
folgenden Seite.
Sprachpolitik
Seite 4
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Vom Kundendienst zum After Sales Service
Geert Teunis auf der Hauptversammlung der Volkswagen-AG am 3. Mai 2006 in Hamburg
H
err Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich vertrete eigene Aktien. Bei erfolgreicher Werbung für Automobile ist
das Wichtigste die Interaktion von
Sprache und Bild. Allerhöchste Priorität muß der Verständlichkeit und
Eingängigkeit der Botschaft zukommen. Bei Volkswagen wird dieser
werbepsychologische Grundsatz seit
Jahren verletzt, und zwar dadurch,
daß für Produkt- und Funktionsbeschreibungen zunehmend englische
Bezeichnungen und Kunstworte
Verwendung finden. (Beifall)
Ich habe vor einigen Monaten einen
Passat bestellt und dabei erfahren,
daß man fundierte Englischkenntnisse braucht, um alles zu verstehen,
was angeboten wird. Bei der Ausstattung kann man wählen zwischen
Trendline, Highline, Sportline und
Comfortline. Bei den Motoren gibt
es unter anderem TDI und FSI. Was
FSI bedeutet, weiß der Berater nicht
genau; es heiße wohl Full Selected
Injection oder so. In Wirklichkeit
heißt es natürlich Fuel Stratified Injection.
Es gibt weiterhin den FSI-4MOTION. Meine Nachfrage nach der Bedeutung von „4MOTION“ lautet:
„Das ist doch klar: unser Allradan-
trieb!“ Der Berater weiß nicht, daß
die korrekte Übersetzung für Allradantrieb „Four wheel drive“ ist.
„4MOTION“ ist eine grammatikalische Unmöglichkeit und stellt eine
böse Verstümmelung der englischen
Sprache dar. Denn „Motion“ für Bewegung kann morphosyntaktisch
nicht mit einer Zahl kombiniert werden. Im Englischen ist das genau so
unmöglich, wie es „4Bewegung“ im
Deutschen wäre.
Bei den Farben ist es so bunt, daß
es mir wegen der vielen englischen
Qualifizierungen einfach zu bunt
wird, bei denen man sich offenbar
nicht die Mühe gemacht hat, nach
deutschen Äquivalenten zu suchen.
Ich darf wählen aus Candy-Weiß,
Granite Green, Arctic Blue Silver,
Wheat Beige, Shadow Blue, United
Silver und so weiter. Gibt es wirklich
keine treffenden deutschen Namen
für unser deutsches Produkt? Wo
bleibt die Kreativität unserer Werbeabteilung? (Beifall) […]
Es gibt nicht nur die unverständlichen Abkürzungen, sondern unter
dem Navigationssystem prangt ein
Satz: PASSENGER AIR BAG OFF.
– zu Deutsch, frei übersetzt: Passagier Luft Sack aus. (Heiterkeit) Ohne
Englischkenntnisse und intensives
Studium des Bordbuches kommt man
nicht mehr zurecht! Warum steht
auf dem Zündschloß der Schriftzug
„ENGINE Start/Stop“? Es ging doch
Jahrzehnte ohne diesen völlig überflüssigen und unverständlichen Hinweis! Nach der Übergabe des Fahrzeugs war früher der Kundendienst
für mich zuständig. Nun ist er umbenannt worden in After Sales Service.
(Heiterkeit) Das ist absolut nicht
einzusehen. Das ist nicht nur rücksichtslos, sondern es erscheint mir
auch verkaufsstrategisch gesehen als
dumm, so mit deutscher Kundschaft
umzugehen. (Beifall) […]
Herr Dr. Pischetsrieder, ich habe
abschließend zwei Fragen und einen Vorschlag. Meine erste Frage:
Beabsichtigen Sie, im deutschen
Volkswagen-Konzern, der bereits
seit Jahrzehnten global agiert, jetzt
zunehmend englische Bezeichnungen einzuführen, insbesondere auch
dann, wenn es gute deutsche Wörter
gibt? Meine zweite Frage: Ist schon
einmal geprüft worden, welche Haftungsrisiken bestehen, falls ein des
Englischen nicht mächtiger Kunde den im Zweifel lebenswichtigen
Warnhinweis „PASSENGER AIR
BAG OFF“ nicht berücksichtigen
konnte? Und nun mein Vorschlag:
Herr Dr. Pischetsrieder, Sie haben
Fußball-Engleutsch auf
die Ersatzbank
Wörterliste der DEUTSCHEN SPRACHWELT löst weltweites Echo aus
D
ie DEUTSCHE SPRACHWELT hat im Oktober 2006
eine Transferliste für Fußball-Anglizismen eröffnet. In Zusammenarbeit
mit der Aktion www.woerterfinden.
de, der Wortdatenbank für besseres
Deutsch, hatten wir zunächst elf Auswechselwörter ausgewählt, die wir
auf die Ersatzbank schicken wollen.
Inzwischen befinden sich zwanzig
Auswechselwörter auf der Liste. Wir
wollen mit dieser Aktion zum Nachdenken über den oft überbordenden
Gebrauch von Anglizismen anregen.
Häufig gibt es bereits geeignete deutsche Entsprechungen. Die Liste ist
keine Verbots-, sondern eine Empfehlungsliste. Die Rote Karte wird
nicht einzelnen Wörtern gezeigt,
sondern vor allem den öffentlichen
Sprachsündern, die mit dem Einsatz
von Fremdwörtern übertreiben. Wer
deutsche Wörter verwendet, zeigt
Sprachtreue und fördert die Einheitlichkeit in der Sprache. Das ist wiederum eine wichtige Voraussetzung
dafür, daß möglichst viele Mitglieder
einer Sprachgemeinschaft einander
verstehen können.
Wollen Sie weitere Fußball-Anglizismen auf unsere Ersatzbank schicken?
Schreiben Sie an die DEUTSCHE
SPRACHWELT!
Die „Transferliste“ hat im In- und
Ausland Wellen geschlagen. Die
Nachrichtenagentur Reuters verbreitete eine Meldung im englischen
Sprachraum und in Brasilien und titelte reißerisch: „Germany declares
war on English soccer terms“. Auch
dpa und die Schweizer Agentur sda
berichteten. Der europäische Fußballverband UEFA veröffentlichte
einen Bericht auf englisch und auf
portugiesisch.
vor gut einem Jahr einen neuen Namen für unseren deutschen Volkswagen-Konzern gesucht, um eine
Abgrenzung zu „Volkswagen-Aktiengesellschaft“ zu erreichen. Ich
habe auf der letzten Hauptversammlung „People’s Wagon Group“ vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde
abgelehnt. (Beifall) Zwischenruf von
Bernd Pischetsrieder: Das müßte
doch ganz in Ihrem Sinn gewesen
sein, Herr Teunis! (Heiterkeit)
Ich versuche es heute mit einem anderen Vorschlag. Falls Sie eine englische Bezeichnung für unseren Betriebsrat suchen sollten, habe ich ein
Angebot: „Work Council“ mit der
Abkürzung „WC“. (Große Heiterkeit
und Beifall) […] Meine Damen und
Herren, ich bedanke mich für Ihre
Aufmerksamkeit und wünsche allen
Volkswagen-Fahrern eine gute Zusammenarbeit mit ihrem After Sales
Service. (Heiterkeit und Beifall)
„Ein Kulturverlust“
Antwort des Vorstandsvorsitzenden
Bernd Pischetsrieder
Herr Dr. Teunis, Ihre Anregungen zur
Verwendung der deutschen Sprache
finde ich so unterhaltsam, wie auch
Sie, verehrte Aktionäre, sie fanden.
Es ist so, daß manche der Bezeichnungen, die Sie im Fahrzeug finden,
tatsächlich international genormt
sind. Ihre spezielle Frage: Was passiert denn mit dem Hinweis „Airbag
off“ für den Fall, daß jemand nicht
Englisch lesen kann? – In der Betriebsanleitung ist genau beschrieben,
was das auf deutsch heißt. Ich glaube trotzdem – das sage ich durchaus
aus Überzeugung –, daß die allzu intensive Verwendung der englischen
Sprache im Deutschen nicht nur im
Automobilbereich ein gewisser Kulturverlust ist. (Beifall)
Die DSW in der Presse
Die Nachrichtenagentur dpa meldete am 11. Oktober 2006:
Aktion gegen Fußball-Anglizismen
rlangen (dpa) – Der „Keeper“ und der „Goalgetter“ sollen künftig
auf der Ersatzbank Platz nehmen: Das fordert die in Erlangen erscheinende Sprachzeitung „Deutsche Sprachwelt“. Mit einer „Transferliste für
Fußball-Anglizismen“ will sie die zunehmende Verwendung englischer
Begriffe in der Fußballsprache bekämpfen. Auf deutschen Fußballplätzen
sollen in Zukunft wieder der Torwart und der Torjäger stehen, meint die
Zeitung. Auch Anglizismen, die erst seit der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaft in aller Munde seien, stehen auf der Liste, zum Beispiel das
„Car-Flag“ (Autofähnchen) oder das „Public Viewing“, für das die Redaktion den Begriff „Freiluftfernsehen“ vorschlägt. Die Aktion solle zum
Nachdenken über den oft überbordenden Gebrauch von Anglizismen anregen, hieß es in einer Mitteilung weiter. Häufig gebe es geeignete deutsche
Entsprechungen. Um die Liste zu erweitern, rief die Zeitung die Bürger
dazu auf, ihr weitere Fußball-Anglizismen zu nennen.
Die Nachrichtenagentur Reuters verbreitete am 11. Oktober 2006
diese Meldung:
Germany declares war
on English soccer terms
ERLIN, Oct 11 (Reuters) – A German magazine has declared war
on English-language terms that have infiltrated the country’s soccer
in recent years and urged Germans to banish some of the Anglicisms that
have been creeping into the game. The Deutsche Sprachwelt magazine published on Wednesday a list of 11 German terms it said German soccer
coaches and players should use instead of popular English terms.
The language guardians recommend that Germans use „Torwart“ (goal
guard) rather than „der Keeper“, „Torjaeger“ (goal hunter) instead of
„der Goalgetter“ and „Spielbeobachter“ (match observer) rather than „der
Scout“. The Erlangen-based quarterly, with a circulation of 80,000, also
wants to see „der Referee“ replaced with the German term „Schiedsrichter“
(judge) and „der Teamspirit“ should be Germanised into „Mannschaftsgeist“. „Der Topscorer“ should revert to „Torschuetzenkoenig“ (goal shooting king) and „der Shootout“ has served Germany well in its German orginal „das Elfmeterschiessen“ (11 metre shooting).
Alemanha declara guerra aos termos
em inglês no futebol do país
ERLIN (Reuters) – Uma revista alemã declarou guerra aos termos de
língua inglesa que invadiram o futebol do país nos últimos anos e pediu que os alemães abandonem certos anglicanismos no esporte. A publicação Deutsche Sprachwelt trouxe nesta quarta-feira uma lista de 11 termos
em alemão e disse que os técnicos e jogadores do país deveriam usá-los em
vez das palavras em inglês.
A linguagem sugerida pela revista inclue „Torwart“ em vez de „der Keeper“ para goleiro e „Spielbeobachter“ em vez de „der Scout“ para observador. A revista, com circulação de 80.000 exemplares, também quer que
„der Referee“ seja substituído pela palavra em alemão „Schiedsrichter“
para árbitro e que artilheiro seja chamado „Torschuetzenkoenig“, em vez
de „der Topscorer“.
Weitere internationale Schlagzeilen:
Leserdienst
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Wolf Schneiders „Handbuch für attraktive Texte“ / Thomas Paulwitz:
Die DEUTSCHE SPRACHWELT
bei der Bild-Zeitung zur Blattkritik /
Sprachsünder-Ecke: Norisbank / Ralf
Häder: „Fußball. Alphabetisierung.
Netzwerk“ / Rolf Zick: Die neue Aktion Deutsche Sprache in Hannover
/ Thomas Paulwitz: Sport ist Wort:
DSW-Nachwuchswettbewerb für Fußballkommentierung
Was wird aus der
deutschen Sprache?
Lieferbare Ausgaben
W
26 Winter 2006/07
ir können nicht in die Zukunft sehen, aber wir wissen, daß unsere Sprache viele Freunde braucht, wenn sie sich behaupten
soll – und eine vernehmbare Stimme,
die sich für sie einsetzt. Die DEUTSCHE SPRACHWELT versteht sich
als eine Stimme der Sprachgemeinschaft: unabhängig, uneigennützig,
sprachtreu.
Helfen Sie mit!
M
it nur geringen finanziellen
Mitteln und viel freiwilliger
Mitarbeit bieten wir den Sprachverderbern die Stirn, frei nach dem
Brecht-Motto: „Wer kämpft, kann
verlieren, wer nicht kämpft, hat
schon verloren.“ Zugleich loben wir
vorbildlichen Sprachgebrauch. Bitte
helfen Sie mit, daß wir weitermachen
können. Mundpropaganda, Leserbeiträge und nicht zuletzt Spenden –
womit Sie uns auch unterstützen: Sie
helfen damit nicht nur Ihrer Sprachzeitung, sondern auch Ihrer Sprache.
Bitte unterstützen
Sie unsere Arbeit
mit einer Spende.
Verein für Sprachpflege e.V.
Bundesrepublik Deutschland
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Republik Österreich
Volksbank Salzburg
Bankleitzahl 45010
Kontonummer 000 150 623
25 Herbst 2006
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Deutsch – eine starke Sprache / Ergebnisse der Befragung zur deutschen Sprache 2006 / Denkmal für
die Urheber der Rechtschreibreform
/ Alexander Glück: Kurzlebiges
Reformwörterbuch oder dauerhaftes
Normalwörterbuch? – Duden und
Wahrig im Vergleich mit Mackensen und Ickler / Thomas Paulwitz:
Anglizismen und Anglizismenkritik
der 1990er Jahre werden erforscht
/ Dieter J. Baumgart: Ein Kuss ist
kein Kuß / Hermann H. Dieter: Unglaubwürdige Integrationsdebatte /
Victoria Grigorian: Sprachintegration ohne Plan / Sprachsünder-Ecke:
die Minister Nordrhein-Westfalens /
Klaus Däßler: Die Spirale der Entsprachlichung / Dagmar Schmauks:
Man i(s/ß)t deutsch / Wolfgang
Hildebrandt: Wenn die Analysten
wüßten (Anglizismenmuffel)
24 Sommer 2006
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Schwarz-Rot-Gold tut gut / Werner
Kieser: Die Kraft der Sprache / Erika Steinbach: Deutsch – ein Fall für
den Verbraucherschutz / Neuigkeiten zur Deutschpflicht für Politiker /
Irmela van Thiel: Ein Gespräch mit
der Verlegerin Karin Pfeiffer-Stolz
/ Frank Fehlberg: Osteuropäische
Autoren fordern stärkere Deutschpolitik / Sprachwelt-Elf auf der Leipziger
Buchmesse / Arbeitskreis Wissenschaftssprache: Sieben Thesen zur
deutschen Sprache in der Wissenschaft
/ Karim Akerma: Die Entschlüsselung der DNA / Jürgen Langhans:
Falsch ist richtig / Rominte van Thiel:
21 Frühling 2006
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Erst sprachlos – dann arbeitslos /
Staatsministerin Maria Böhmer: Die
Deutschpflicht auf Schulhöfen ist richtig / Thomas Paulwitz: Der Rechtschreibrat ist gescheitert / Gerhard
Bauer: „Rettet das Lutherdeutsch“! /
Deutsch als Feierabendsprache: Ministerpräsident Günther Oettinger verteidigt sich gegen Vorhaltungen der
DSW-Leser / Schillers „Demetrius“ –
zu Ende geführt / Alexander Glück:
Zum 200. Todestag von Johann Christoph Adelung / Sprachsünder-Ecke:
Robert-Koch-Institut / Sprachwahrer
des Jahres: Was Benedikt XVI. mit
dem Papsthasser Müntzer verbindet
/ Fast 90 Prozent der DSW-Leser für
die bewährte Schreibweise / Reiner
Kunze: Verantwortung bedeutet Zurückweisung / Dagmar Schmauks:
Auf der Sprachmüllkippe
Seite 5
Heitere
Grammatik
Sprachspielereien
Der englische Austauschschüler zu
seinen Gasteltern: „Ist ‚prügeln‘
und ‚schlagen‘ dasselbe?“ – „Ja.“
– „Und warum lachen dann die Leute, wenn ich sage: ‚Es hat zwölf Uhr
geprügelt‘?“
Treffen sich zwei Taschendiebe.
„Wie geht’s?“ fragt der eine. „Na
ja“, erwidert der andere, „wie man’s
nimmt …“
„Fräulein Hilde, könnten Sie sich
vorstellen, mein Los zu teilen?“ –
„Aber sicher, wieviel haben Sie denn
gewonnen?“
Lehrer: „Wenn ich fünf Eier auf den
Tisch lege, und du legst noch zwei
dazu, wie viele Eier sind es dann zusammen?“ – Stottert Fritz: „Ich kann
ja gar keine Eier legen!“
„Herr Ober, ich möchte gern dinieren.“ – „Tut mir leid, mein Herr, die
Nieren sind ausgegangen.“
„Sag mal ‚Postbote‘ ohne O!“ –
„Pstbte.“ – „Falsch – ‚Briefträger‘!“
Im Biologieunterricht fragt der Lehrer: „Welchen anderen Ausdruck
kennt ihr für ‚Staubgefäße‘?“ – Swen
meldet sich: „Mülleimer!“
„Ich bin vielleicht vergebens zu Ihnen gekommen“, sagt der Arzt zum
Patienten, der sich unerwartet viel
besser fühlt, „aber nicht umsonst.“
Die Mutter kehrt vom Einkaufen zurück und fragt Paulchen: „Ist jemand
gekommen?“ – „Ja!“ – „Wer?“ –
„Du!“ – „Nein, ich meine, ob jemand
hier war?“ – „Ja!“ – „Wer?“ – „Ich!“
Aus: Hans Fink, Heitere Grammatik. Wie man mit Wörtern spielen
kann, IFB-Verlag, Paderborn 2006,
296 Seiten, 16,50 Euro. In reformierter Rechtschreibung.
Zu bestellen über den Buchdienst auf
Seite 8.
22 Winter 2005/06
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Hoffnungslicht Dresdner Frauenkirche
/ Adalbert Stifter: Das Streben zum
Ganzen führt zur Größe / Wolfgang
Hildebrandt: Fragen an die Rechtschreibrebellin Josephine Ahrens /
Heinrich P. Koch: Böhmen als Wiege des Neuhochdeutschen / Wolfgang
Hildebrandt und Alfred Becker:
Mehr Spracherziehung an den Schulen
/ Rominte van Thiel: Wortschneider
und die vielen Geiselein / Sprachsünder-Ecke: Günther Oettinger / Richard
von Weizsäcker: Schillers Stücke
sind an Größe unerreicht / Dietrich
Lade: Gelernte Tautologen
Lieferbar sind auch noch alle früheren Ausgaben. Die Inhaltsverzeichnisse sämtlicher Ausgaben finden Sie unter
www.deutsche-sprachwelt.de/
archiv/papier/index.shtml.
Die zehn sprachpolitischen Forderungen
1. Deutsch muß im öffentlichen Raum die vorrangige Sprache sein.
2. Die Unterrichtssprache in Schulen und Hochschulen ist Deutsch.
Deutsch muß nationale Wissenschaftssprache sein.
3. Die deutsche Rechtschreibung muß einheitlich geregelt sein.
4. Deutsch muß in der Europäischen Union Arbeits- und Veröffentlichungssprache sein.
5. Die deutschen Mundarten und die deutsche Schrift sind besonders
zu schützen.
6. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Voraussetzung für
Einbürgerung und langfristigen Aufenthalt.
7. Bildung und Familie müssen gefördert werden, um die deutsche
Sprache zu stärken.
8. Die deutsche Sprache muß auch im Ausland gefördert werden.
9. Die deutsche Sprache ist vor politischem Mißbrauch zu schützen.
10. Ein neuer Deutscher Sprachrat betreut die Erfüllung dieser
Forderungen.
Mehr auf unserer Netzseite www.deutsche-sprachwelt.de/forderungen.shtml
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von Daueraufträgen freuen wir uns sehr.
Grundsätzlich geben wir die Zeitungen kostenlos ab,
doch bitten wir um eine Spende zur Deckung unserer
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Bitte senden Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT auch an:
Einzugsermächtigung
regelmäßiger Bezug
Zur Erhaltung der DEUTSCHEN SPRACHWELT
möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V.
regelmäßig unterstützen. Darum ermächtige ich
diesen Verein,
Bitte senden Sie mir regelmäßig die DEUTSCHE
SPRACHWELT. Ich verpflichte mich zu nichts.
Wenn mir die Zeitung gefällt, werde ich sie mit
einer Spende unterstützen. Ich kann sie jederzeit
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Diese Einzugsermächtigung kann ich jederzeit
widerrufen.
Ich besitze eine Arztpraxis oder habe eine andere
Gelegenheit, die DSW auszulegen. Bitte schicken
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Bankleitzahl
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2
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
3
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
4
Name, Vorname
Stück der Ausgabe(n) Straße, Postleitzahl und Ort
Bitte liefern Sie mir kostenlos Stück der
Sonderausgabe zur Leipziger Buchmesse 2003.
Schicken Sie den ausgefüllten Bestellschein bitte an:
DEUTSCHE SPRACHWELT, Postfach 1449, D-91004 Erlangen
5
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
6
Name, Vorname
Geburtsdatum
Straße
Postleitzahl und Ort
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
Wissenschaft
Seite 6
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Schluß mit der Alleinherrschaft
Von Hans Kaegelmann
F
rüher wurde Wissenschaft, auch
literarisch, im Rahmen von Religion betrieben. Diese Wissenschaft
betraf Fundamentalprobleme. Andere
Wissenschaft wurde zu technischen
Zwecken betrieben, jedoch nicht literarisch aufgezeichnet. Seit dem 7.
Jahrhundert vor Christus präzisierten
Griechen Fundamentalwissenschaft
logisch und erkenntnistheoretisch als
Philosophie = mit Liebe zur Weisheit
betriebene Wissenschaft. Im gleichen
7. Jahrhundert trat auch ein geistiger
Entwicklungsschub in indischer und
chinesischer Hochreligion ein.
Aristoteles erweiterte die fundamentalwissenschaftlich
ausgerichtete
Philosophie auch auf realwissenschaftliche Detailforschung. Mit der
Entwicklung von Philosophie war
Griechisch die Wissenschaftssprache. Die dann militärisch, politisch
und juristisch führenden Römer
schlossen sich an die griechische
Philosophie an und entwickelten sie
mäßig weiter. Mit Zusammenbruch
des Römischen Reiches ging dessen politische Macht auf die geistige
Macht der christlichen Religion und
ihrer Kirchen über.
Latein als
Wissenschaftssprache
Die stärkste christliche Kirche, die
auch in Rom zentrierte römisch-katholische, übernahm die lateinische
Sprache der Römer in mäßig abgewandelter Form als Kirchenlatein.
Dies Latein wurde auch während des
Mittelalters bis in die beginnende
Neuzeit international verbindliche
Wissenschaftssprache. Latein eignete sich dafür durch seine klare Diktion in der Ausdrucksweise. Latein
hatte für Wissenschaftler den großen
Vorteil der Möglichkeit zu direkter
Verständigung.
Doch ergaben sich auch einige Nachteile: Vieles konnte nicht so elegant
nuanciert in Latein ausgedrückt werden wie in der seit Kindheit geübten
Muttersprache. Nichtlateinsprechende, wie politisch führende Fürsten,
waren aus Wissenschaft und damit
Erkenntnisfortschritten ausgeschlossen. In einer Übergangszeit wurden
wissenschaftliche Texte sowohl in
Latein als auch in einer Nationalsprache geschrieben.
René Descartes, der als Vater der
neuzeitlichen
Philosophie
gilt,
Für eine Zukunft von Deutsch als Wissenschafts- und Verkehrssprache
(Teil 1)
schrieb seine erste wegweisende
Schrift 1637 in französischer Sprache: „Discours da la méthode pour
bien conduire la raison et chercher
la vérité dans les sciences“. Die weiteren Schriften verfaßte er in Latein.
Christian Thomasius hielt als erster
deutscher Universitätsprofessor seit
1688 Vorlesungen in deutscher Sprache. Von da an kam der Gebrauch
von Nationalsprachen für Wissenschaft rasch auf und verschwand Latein als Wissenschaftssprache.
Deutsch hierfür etwas ergiebiger.
Ein deutlicher Unterschied ist jedoch
in der Philosophie als Fundamentalwissenschaft zu verzeichnen. Hier
überragte Deutsch die anderen drei
erheblich, was auch weiter so geblieben ist. Danach kann auch Deutsch
als die erfolgreichste Wissenschaftssprache bezeichnet werden, zumindest als die geistig ergiebigste
Sprache. Für diese Beurteilung des
Deutschen kommt noch seine hohe
Ergiebigkeit in der Dichtung hinzu.
Nationalsprachen
als Wissenschaftssprachen
Nach dem Zweiten Weltkrieg ergab
sich jedoch ein anderes Ungleichgewicht: ein machtpolitisches. Die
Staaten mit englischer Sprache wurden zu den mächtigsten, voran die
Vereinigten Staaten von Amerika,
die nach Beendigung des Kalten
Krieges zwischen der Sowjetunion
und den liberalen Staaten 1990 zur
Supermacht aufstiegen. Dieser Aufstieg des englischen gegenüber dem
deutschen Bereich ergab sich nicht
nur machtpolitisch, sondern auch
durch die Folgen der nationalsozialistischen Zeit.
Im Gegensatz zu den vielen Nationalsprachen als Volkssprachen im
jeweiligen eigenen Land war die
Verwendung von Nationalsprachen
als Wissenschaftssprachen sehr ungleich. Als solche dominierten Italienisch, Französisch, Englisch und
Deutsch. Dies blieb ungefähr so bis
zum Ende des Zweiten Weltkrieges
1945, für fast drei Jahrhunderte.
Italienisch war anfangs als Wissenschaftssprache sowohl für Philosophie als auch für Natur- und Geisteswissenschaften stark im Gebrauch,
ging dann jedoch dafür gegenüber
den drei anderen Wissenschaftssprachen zurück, wurde statt dessen zur
erstrangigen Sprache für die Kunst,
besonders für die Musik. Seit dem 18.
Jahrhundert trat als viel gebrauchte
Wissenschaftssprache Russisch hinzu und überrundete Italienisch.
Asiatische Sprachen blieben in ihren Ländern weiter auch als Wissenschaftssprachen in Gebrauch, so
Chinesisch, Japanisch, Arabisch und
indische Sprachen, doch kamen solche Sprachen zu keinen internationalen Verwendungen außerhalb des
jeweiligen Sprachraums.
Französisch,
Englisch, Deutsch,
Russisch
So blieben bis vor 60 Jahren Französisch, Englisch und Deutsch gleichberechtigte Wissenschaftssprachen,
zuzüglich Russisch. Für Naturwissenschaften war die Ergiebigkeit
dieser vier ziemlich gleich; für Geisteswissenschaften ergaben sich
auch keine wesentlichen Unterschiede; vielleicht waren Englisch und
Aufschwung und
Nachteile des
Englischen
Durch diese Entwicklungen wurde
Englisch sowohl zur internationalen
Verkehrssprache als auch zur internationalen
Wissenschaftssprache
im Gefolge des früheren Lateins erhoben. Für viele gilt seitdem in der
Wissenschaft nur, was in Englisch
veröffentlicht wurde. Viele wissenschaftliche Kongresse werden nur in
englischer Sprache abgehalten, sogar manche nationalen Kongresse,
in denen sich nur Wissenschaftler
der jeweiligen Nationalsprache artikulieren. Jedoch ist solche kuriose
Praxis erst in der Minderzahl in Gebrauch. Meist werden nationale und
regionale Kongresse innerhalb eines
Landes immer noch in der jeweiligen
Landessprache abgehalten.
Die Vor- und Nachteile einer internationalen
Wissenschaftssprache
gelten für Englisch wie für Latein.
Jedoch kommen für Englisch noch
weitere Nachteile hinzu. Während
sich das mittelalterliche Kirchenund Wissenschaftslatein durch seine klare Diktion sehr gut für den
Wissenschaftsgebrauch
eignete,
trifft dies für Englisch nicht so zu.
Englisch hat zwar den Vorteil kurzer Wörter, doch ist die Aussprache
Nachäffen schafft kein Wissen.
nicht klar; es fehlt die Übereinstimmung von einem Sprachlaut mit einem Buchstaben. Vielmehr werden
im Englischen viele Buchstaben in
einer Übergangsfolge verschiedener
Laute lautmalerisch gesprochen, wie
dies im Deutschen auch vielfach in
Dialekten üblich ist, nicht so in der
deutschen Hochsprache. So haben
Englisch und Deutsch verschiedene
Vor- und Nachteile in ihrer Eignung
als Wissenschaftssprache.
Einen weiteren keineswegs unwesentlichen Nachteil hat Englisch noch
mit Latein gemeinsam. Beide sind zu
ihrer jeweiligen Zeit die Sprachen der
stärksten imperialistischen Mächte,
welche die meisten Völker schlimm
unterdrückten. Offensichtlich ethikwidrig ist, die stärkste Imperialmacht
auch noch damit zu belohnen, ihre
Sprache zur internationalen Verkehrs- und Wissenschaftssprache
zu erheben. Damit geht Weltmacht
in Weltsprache über, überwältigt
unethische Macht geistige Kultur.
Solche Erhebung ist reine Folge von
Macht, steht damit zur Ethik in unvereinbarem Widerspruch.
Kunstsprachen
Damit dies nicht geschieht, wurden
seit 1879 entwickelte Kunstsprachen
vorgelegt: zunächst Volapük, 1887
Esperanto, die inzwischen meistverwendete Kunstsprache, seitdem über
einhundert weitere Kunstsprachen,
1908 Ido, das vorrangig als Wissenschaftssprache angeboten wurde, so
besonders von dem berühmten Kolloidchemiker, Energetiker, Natur- und
Kulturphilosophen Wilhelm Ostwald,
der auch den Monistenbund nach dessen Gründer Ernst Haeckel führte.
Bild: obs/Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Kunstsprachen haben gegenüber gewachsenen Nationalsprachen ganz
erhebliche Vorteile: Sie sind gegenüber den Völkern neutral. Kein Volk
wird durch ein anderes Volk übervorteilt, wenn eine Kunstsprache als internationale Sprache verwendet wird,
wie das der Fall ist, wenn eine Nationalsprache zur internationalen Sprache „erhoben“ wird. Nur mittels einer
Kunstsprache kann das leidige Konkurrenzdenken ausgeschaltet werden.
Es kann tatsächlich so friedliches
Miteinander entstehen und gehässiges Gegeneinander vermieden werden. Dies zu erreichen ist so wichtig,
daß Kunstsprachen Nationalsprachen
für den internationalen Gebrauch
vorgezogen werden sollten.
Daß dies nicht längst geschehen ist,
liegt nur daran, daß die Machtpolitiker nicht ihre Nationalsprachen zugunsten von ausgleichend wirksamen
Kunstsprachen zurückstufen lassen
wollen. Im übrigen sind zumindest
auch alle größeren Nationalsprachen
Kunstsprachen, denn sie wurden aus
Dialekten zusammengestückelt, oder
ein Dialekt wurde künstlich als Nationalsprache über andere Dialekte
der jeweiligen Sprache erhoben.
Fortsetzung folgt.
Hans Kaegelmann wurde am 8. Mai
1917 bei Berlin geboren. Er ist Arzt
und Philosoph und Ehrenpräsident
der Internationalen Gesellschaft für
interdisziplinäre
Wissenschaften
(INTERDIS). 1960 flüchtete er in die
Bundesrepublik Deutschland. Seit
seiner Berentung 1979 ist er als Universal-Wissenschaftler und Schriftsteller tätig.
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(nur Deutschland) liegt ein
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Freiheit, Berlin, bei.
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Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Sprachgeschichte
Seite 7
Aufstieg und Niedergang der Sprache
Ist die deutsche Sprache ohne Anglizismen antiquiert?
Von Wolf Schmid
V
erlust der Muttersprache? Muttersprache, welch ein antiquierter Begriff, so höre ich schon viele
sagen! Denn, wenn man der Mehrheit der heutigen Meinungsträger in
Deutschland folgt, ist Deutsch im
Zuge der Globalisierung nicht mehr
„in“. Diese Auffassung ist im Grunde nichts Neues, denn solche Entwicklungen hat es in der Geschichte
schon immer gegeben. Ganze Abläufe der Menschheitsgeschichte haben
sich immer wieder in irgendeiner
Form wiederholt, ganz so wie in der
klassischen Musik das Grundthema
die einzelnen Sätze eines sinfonischen Werkes in den verschiedensten
Variationen beherrscht. Es gibt unzählige Beispiele, wie Aufstieg und
Niedergang der Völker unserer Erde
mit der Entwicklung ihrer Sprache
verbunden sind.
Zwar sind historische Abläufe nie
identisch, aber in ihrem Entwicklungsraster doch vergleichbar: ethische
Grundwerte als Fundament für den
Aufstieg eines Volkes, dann ein Erfolg,
der auf diesen Grundwerten beruht,
und schließlich der allmähliche Verfall dieser Grundwerte aus Neigung
zu einem übersteigerten Liberalismus,
wobei der Begriff Liberalismus nicht
politisch, sondern in seiner klassischen
Definition zu verstehen ist.
Verfall des Lateins als Weltsprache
Ein gutes Beispiel hierfür war das
römische Weltreich. Die Sprache der
Römer, ursprünglich der Latiner, war
das Latein. Seit dem 3. Jahrhundert
vor Christus breitete sich Latein über
ganz Italien aus und wurde Verkehrsund Amtssprache des römischen
Weltreiches. Das klassische Latein,
das heute auf unseren Gymnasien gelehrt wird, war die kunstvolle Schriftsprache eines Cicero, die nach strengen Sprachgesetzen gegliedert ist.
Im Gegensatz stand hierzu das sogenannte „Vulgärlatein“, die ungepflegte Sprache des Volkes. In der römischen Kaiserzeit drang dieses Latein
allmählich auch in die Literatur ein.
Aus ihr entwickelten sich später in den
westlichen Provinzen, also in Gallien
und Spanien, die romanischen Sprachen, auf denen das heutige Französisch und Spanisch beruhen.
Mit dem Untergang des weströmischen Reiches im ausgehenden 5.
Jahrhundert verschwand dann allmählich das Latein als Volkssprache. Eine Ausnahme war lediglich
die katholische Kirche, die sich
schon früh des Lateins als Amts- und
Liturgiesprache bediente. Als späteres „Mittellatein“ war es vor allen
Dingen die Sprache der scholastisch
Gebildeten des Mittelalters, in der
sich Geistliche, Diplomaten und Juristen bis in die Neuzeit verständigten. Der Geist des Humanismus und
der Renaissance führte dann zu einer
vorübergehenden Wiederbelebung
des klassischen Lateins Ciceroscher
Prägung, um das inzwischen zum sogenannten „Küchenlatein“ abgefallenen „Mittellatein“ des ungebildeten
niederen Klerus abzulösen.
Mittelhochdeutsch war keine
Gemeinsprache
Und im Deutschland des Mittelalters? Das Mittelhochdeutsche mit
seinen Anfängen in der Zeit der
Kreuzzüge war eine Weiterentwicklung des Althochdeutschen und
wurde in seiner Dialektvielfalt die
Sprache des hohen Mittelalters bis
zum Beginn der Reformation. Es
handelte sich bei ihm also um keine
Gemeinsprache. Lediglich in ihrer
schriftlichen Aufzeichnung wurden
auffallende mundartliche Eigenheiten vermieden, was vor allen Dingen
an den Reimen der mittelalterlichen
Dichtung sichtbar ist.
Im 14. Jahrhundert entwickelte sich
hieraus eine „Kanzleisprache“, die
besonders in Prag und später in Kursachsen neben dem Lateinischen
gepflegt wurde. Luther benutzte
diese „Kanzleisprache“ für seine
Bibelübersetzung, um daraus eine
neuhochdeutsche Sprache zu entwickeln. Somit schuf er die Wurzeln für unser Hochdeutsch. Aber es
sollte noch lange dauern, bis es sich
in allen Schichten der Bevölkerung
durchsetzten sollte.
Literatur in der Kleinstaaterei
Zwischen Reformationszeit von der
weit in das 18. Jahrhundert war die
deutsche Literatur nicht hoch einzuschätzen. Warum blieb sie gegenüber der italienischen, spanischen,
englischen und französischen so weit
zurück? An Talenten hat es sicher
nicht gefehlt. Aber die damalige Zeit,
durch den Religionsstreit der Reformation geprägt, vermochte keinen
Genius frei von diesen Zwängen zu
schaffen, der sich mit einem menschlich freien Ideal identifizierte, so wie
es später ein Lessing, Schiller oder
Goethe in ihrer Sprache taten.
Der traurige Höhepunkt dieser
Entwicklung wurde mit dem Dreißigjährigen Krieg eingeleitet, der
schließlich 1648 zu einer Kleinstaaterei in Mitteleuropa führte. Die
wenigen Mahner, wie ein Friedrich
von Logau, der das Literaturschaffen seiner Landsleute mit dem Ausspruch „Die Welt ist rund und dreht
sich ’rum, Drum sind die Leute
schwindeldumm“
zusammenfaßte, wurden kaum beachtet, und die
beiden Schlesischen Dichterschulen
trugen mit der einerseits ernsten und
langweiligen Dichtung eines Martin
Opitz oder einer schwülstigen, dem
damaligen Zeitgeist huldigenden
eines Hoffmannswaldau oder Lohenstein wenig dazu bei, den kultu-
rellen Niedergang aufzuhalten. Als
Spiegelbild ihrer Zeit fanden sie mit
ihren Werken nur geringe Beachtung.
Literarischer Lichtblick war damals
lediglich ein Grimmelshausen mit
seinem „Abenteurlichen Simplicius Simplicissimus“, der als erster
deutschsprachiger Roman bezeichnet
werden darf.
Mangelndes Selbstbewußtsein
Wir alle erleben täglich, welch großen Einfluß die Medien heutzutage auf unsere Sprache haben. Das
mangelnde Sprachgefühl vieler
Journalisten und Moderatoren, das
oftmals gedankenlose Nachplappern
der Werbe-Anglizismen vieler Meinungsträger unserer Gesellschaft sind
die Wegbereiter eines Niederganges
der deutschen Sprache, nicht zuletzt
auch gefördert durch ein mangelndes
Selbstbewußtsein in allen Schichten
unserer Bevölkerung. Die schrecklichen zwölf Jahre des 20. Jahrhunderts lähmen jedes gesunde Nationalbewußtsein. Denn die Angst davor, in
die rechte Ecke gestellt zu werden, ist
einfach noch viel zu groß.
Ähnlich die Situation zu Beginn des
16. Jahrhunderts. Das damalige deutsche Zeitungswesen bestand in erster
Linie aus deutschsprachigen Flugblättern und war schon bald einer
Zensur der Herrschenden unterworfen, die noch bis in die neueste Zeit
vorherrschen sollte. Bis Ende des 16.
Jahrhunderts überwog bei weitem
das Lateinische in den herausgegebenen Büchern. In den Anfängen
des 17. Jahrhunderts und besonders
nach dem Dreißigjährigen Krieg
entwickelte sich in den deutschen
Fürstenhäusern eine Bewunderung
der französischen Hofhaltung, deren
positive Begleiterscheinungen wir
in den prachtvollen Schlösserbauten
des Barocks noch heute bewundern
können. Französische Lebenshaltung des dortigen Adels, französische Mode und Sprache wurden bis
auf wenige Ausnahmen das Vorbild
der deutschen Fürsten. Die deutsche
Sprache blieb dem einfachen Volk
vorbehalten.
Die Rolle der Aufklärung
Diese Entwicklung sollte sich erst im
Zeitalter der Aufklärung allmählich
ändern. Ihre Wurzeln gehen bis in das
Zeitalter der Renaissance und in den
Humanismus zurück. Von Westeuropa
ausgehend entwickelte sie sich in der
Befürwortung allgemeiner Grundsätze
der Vernunft innerhalb der menschlichen Gesellschaft aus dem naturwissenschaftlich-mathematischen Weltbild eines Descartes oder Newton.
Der große Philosoph Immanuel Kant
bezeichnete die Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit“. Sie hatte
bekanntermaßen großen Einfluß auf
das politische Denken und die Literatur. Sie verfocht besonders den Gedanken religiöser Toleranz und die
Freiheit des Geistes. Ihre Grundsätze
wollte sie nicht an nationale Grenzen
gebunden sehen.
Heute wissen wir, daß die Aufklärung Wegbereiter der Französischen
Revolution und der Demokratie in
Europa war. In ihren Anfängen hatte sie bereits praktischen Einfluß auf
die Staats- und Gesellschaftsordnung eines Friedrich II. in Preußen
und eines Joseph II. in Österreich,
die den Staatsgedanken des uneingeschränkten Absolutismus von Gottes
Gnaden in den aufgeklärten Absolutismus zum Wohle der Untertanen
umgewandelt haben. So darf die
Aufklärung auch als Wegbereiter der
deutschen klassischen Dichtung gesehen werden. Toleranz und Freiheit
des Geistes führten in der Dichtung
zu einem Höhenflug der deutschen
Sprache, die im 19. Jahrhundert ihren
sprachlichen Gipfel erreichen sollte.
Man mag den Auswüchsen des deutschen Kaiserreiches skeptisch gegenüberstehen. Dabei darf aber nicht
übersehen werden, daß die Sehnsucht der europäischen Völker nach
einem nationalen Einheitsstaat auch
zu einem selbstbewußten Umgang
mit der eigenen Sprache führte. Es
darf aber auch nicht verschwiegen
werden, daß sich das deutsche Bildungsbürgertum in der Gründerzeit
gerne der französischen Sprache
bediente. Zudem galt es als fein und
erhöhte die Chancen einer standesgemäßen Einheirat, wenn die Tochter des Hauses zwecks Förderung der
Allgemeinbildung ein französisches
Internat besucht hatte.
Französische Begriffe, teilweise aus
der napoleonischen Zeit stammend,
wurden noch nach dem Zweiten
Weltkrieg häufig von der älteren
Generation benutzt, wie Trottoir für
Bürgersteig oder Parapluie für Regenschirm. Im Gegensatz zu unserer
Zeit der Anglizismen handelte es
sich bei diesem Französisch jedoch
nicht um sprachliches Allgemeingut,
das von allen Bevölkerungsschichten
verwendet wurde.
Sprache als Spiegelbild politischer
Entwicklungen
Auch in Italien hatten die dortigen
Wegbereiter des Risorgimento, des
Strebens nach einem italienischen
Einheitsstaat, die Bedeutung der
eigenen Sprache für ihre Sache erkannt. So hatte der patriotische Dichter Alessandro Mazzoni seinen Roman „I promessi sposi“ ganz bewußt
sprachlich überarbeitet und dadurch
großen Einfluß gehabt, daß sich das
toskanische Italienisch als Literatursprache in ganz Italien durchsetzen
konnte. Sein damals viel gelesener
Roman verbindet Einzelschicksale
mit der nationalen Geschichte Italiens aus religiöser Sicht. Damit hatte
Mazzoni die kulturelle Einheit der
italienischen Nation stark gefördert
und somit auch die Voraussetzungen
für den Willen zu einer politischen
Einheit geschaffen.
Auch dieses Beispiel verdeutlicht,
welchen Einfluß die Sprache auf die
Entwicklung eines Volkes hat. Die
Geschichte der Völker und damit
auch unsere deutsche Geschichte
zeigen immer wieder, daß Sprachentwicklungen ein Spiegelbild der
kulturellen, aber auch politischen
Entwicklung eines Volkes sind.
Verantwortung für die Sprache
Und was bedeutet dies für unsere
heutige Situation? Gegner der negativen Entwicklung unserer deutschen
Sprache werden heute gerne, je nachdem aus welchem Lager, plakativ
als „erzkonservativ“ oder „offen für
rechtes Gedankengut“, bis hin zu
Personen mit „rechtsextremen Neigungen“ bezeichnet. Dies führt dann
teilweise dazu, daß man völlig erstaunt ist, wenn ein bisher als stark
links anerkannter Politiker vor den
letzten Bundestagswahlen plötzlich
ähnliche Gedanken von sich gibt.
Dann wird dies mit Wählerfang vom
rechten Rand oder, wie früher schon
oft gehört, damit begründet, daß extreme Positionen vom linken und
rechten Rand ja in vielen Bereichen
deckungsgleich seien.
Auch heute ist das sprachliche Spiegelbild einem steten Wandel unterworfen. Besonders in unserem Zeitalter der Medien bleibt die Sprache
neben den bunten Bildern das wichtigste Werkzeug, um Gedanken in Worte
zu fassen. Ihre Vorreiter waren immer
die Dichter und Denker, die mit ihrem
Sprachgefühl kultureller Wegbereiter
der Sprache waren. Heutzutage aber,
wo der kulturelle Einfluß der Geistesschaffenden auf die Sprache immer
mehr von Meinungsträgern aus Politik und Wirtschaft verdrängt wird, hat
sich die Verantwortung für die Sprache verlagert.
Wir alle, die wir den Zusammenhang
des Werteverfalls unserer abendländischen Tradition mit dem Identitätsverlust unserer Sprache erkennen,
bleiben aufgefordert, gerade im Zuge
einer Globalisierung immer wieder
auf den Niedergang unserer deutschen
Sprache hinzuweisen und uns bei allen Kräften, die in der Öffentlichkeit
stehen, für ihre Erhaltung einzusetzen.
Das Europa der Regionen, wie von so
manchem Politiker propagiert, wird
auf die Dauer Illusion bleiben, wenn
die Sprach- und Mundartvielfalt nicht
erhalten bleibt. Dies gilt besonders
für unsere deutsche Sprache.
Wolf Schmid ist freier Journalist und
historischer Autor.
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ahnungslosen Leser von deren Schönheit und Großartigkeit überzeu-gen. Und es
wird vielen Zeitgenossen innerhalb des deutschen Sprachraumes, auch jenen in
Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, Augen und Ohren öffnen für die Kraft, die Fülle
– und den Wert! – unserer Sprache. (...)“ (Sprachnachrichten)
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Besprechungen
Seite 8
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Gärtner ohne Erbarmen
Heuschrecken
sprechen englisch
Von Rominte van Thiel
S
tefan Gärtner scheint mit seinem
Buch „Man schreibt DEUTSH“
eine Abrechnung mit falschem
Deutsch, hohlen Phrasen und Worthülsen zu versprechen, heißt doch
der Untertitel „Hausputz für genervte
Leser“. Im Vorwort schreibt er auch
in diesem Sinne und vergleicht seine
Sprachempfindlichkeit unter anderem
mit dem Mißempfinden, das andere
Menschen überfällt, wenn sie einen
schmatzenden Tischnachbarn haben.
Mit seinem Wunsch nach sprachlicher Vorsicht sieht er sich einig mit
Karl Kraus, der sich gegen den Vorwurf wehrte, sein Bestehen auf gutem
Deutsch sei nur intellektuell-ästhetisch. Gärtner hält die Phrasen des
zeitgenössischen Journalismus für
sprach- und damit denkzerstörend,
weil alle sie nachplappern, und meint,
daß im Gegensatz dazu vielleicht
mancher DDR-Journalist, der die
Phrase vom „Schutz der Staatsgrenze“
hörte, sie als Übersetzung für „Leute
totschießen“ begriffen haben könnte.
Weiter tadelt er falsches, unfreiwillig
komisches oder modisches Deutsch (er
wird zunehmend dünner, zunehmend
oft, vor Ort, der Schröder-Vertraute
und Kanzler-Freund). So liest man das
Vorwort wegen der vielen treffenden
Beispiele in positiver Erwartung dessen, was der Hauptteil zu bieten hat;
nicht zuletzt auch deswegen, weil das
Buch in herkömmlicher, fehlerfreier
Rechtschreibung gehalten ist.
Leider sind die folgenden Kapitel dann
ideologisch geprägte Abrechnungen
mit verschiedenen Zeitgenossen, von
Journalisten bis zu Schriftstellern.
Die Texte sind voll von assoziativsprunghaften oder auch derb-witzigen
Formulierungen, so wenn Gärtner sich
ausmalt, daß dem „Bürostuhl-Guevara“ Hans-Ulrich Jörges, der sich „ra-
dikale Entbürokratisierung“ wünscht,
die von bürokratischer Fesselung befreite Wirtschaft eine Schweinemastanlage vors Haus setzt. So wie hier,
ist auch bei anderen, die er aufs Korn
nimmt, oft nicht klar zu sehen, ob
wirklich deren Sprache das Problem
darstellt, oder ob es nicht vielmehr die
durch die Sprache ausgedrückte Haltung ist, die ihn stört. So ziemlich ohne
Erbarmen rechnet er dann, wenngleich
munter und geistreich plaudernd,
jeweils in einem Kapitel mit Durs
Grünbein, Alexander Osang und noch
verschiedenen jungen Autoren ab, die
angeblich schreiben, „wie man ihnen
die Schnäbel hat wachsen lassen“.
Leicht enttäuscht legte ich das Buch
beiseite.
Stefan Gärtner, Man schreibt
DEUTSH. Hausputz für den genervten Leser, Rowohlt, Reinbek bei
Hamburg 2006, 188 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.
Die Schule im Räderwerk
der Sprachverderber
Von Rominte van Thiel
K
lemens Weilandt ist entsetzt
darüber, daß gerade diejenigen,
deren Handwerkszeug die Sprache
ist, oft nicht einmal ein „Gesellenstück“ abliefern können. Der pensionierte Gymnasiallehrer weiß, wovon
er spricht, schließlich war er in leitender Stelle in der Schulaufsicht tätig. In seinem Buch „Deutsch – oder
so“ macht er sich zunächst Gedanken
über den Wert der Sprache als Mittel
der Verständigung und blickt dann
zurück auf die Erkenntnisse, die er in
vielen Jahren der Auseinandersetzung
mit Sprache gewonnen hat. Akribisch und sorgfältig hat er fehlerhafte
(schriftliche) Beispiele, allesamt mit
Quellenangabe, gesammelt.
Einen Grund für das schlechte Abschneiden Deutschlands in der PISAUntersuchung – leider benutzt er das
vielleicht nicht allgemein verständliche Wort „Ranking“ – sieht er darin,
daß die deutsche Sprache im Unterricht sträflich vernachlässigt und auf
das Fach Deutsch beschränkt wird.
Außerdem stünden viele Lehrer in der
Tradition eines „fatalen pädagogischen
und politischen Ansatzes“, demzufolge sprachliche Korrekturen diskriminierend und politisch nicht korrekt seien. Weilandt hält es für grundfalsch,
im Deutschunterricht – anders als im
Fremdsprachenunterricht – keinen
Wert auf die Vermittlung wesentlicher
Grammatikkenntnisse zu legen.
Bei seinen Schulbesuchen beobachtete Weilandt auch bei den Lehrern
einen allzu lässigen Umgang mit
der Sprache, sichtbar in „nicht ausformulierten Sätzen, miserabler Fragetechnik“, und bei den Schülern
entsprechend nur Antworthappen
und Satzfetzen. Er erkennt hierin das
Nachwirken von Soziolinguisten, die
in den 1970er Jahren gehobene Sprache als Herrschaftsinstrument privilegierter Schichten entlarven wollten.
Weilandt erklärt, auf das „Trauerspiel der sog. Rechtschreibreform“
nicht weiter eingehen zu wollen,
obwohl er sie für „ohne Sinn und
Verstand, wohl aber mit eindeutiger
Absicht eingeführt“ hält. Er selbst
benutzt eine ganz eigene Orthographie, nämlich die reformgemäße
Heysesche
Doppel-s-Schreibung,
aber sonst die herkömmliche Getrennt- und Zusammenschreibung,
eine im traditionellen Sinne völlig
korrekte Zeichensetzung und als einzige Merkwürdigkeit immer wieder
das Wort „platzieren“.
Als Sprachsünder entlarvt er ausgerechnet Mitarbeiter der Kultusministerien, die Hochschulen, Lehrer und
Lehrerverbände und auch die Schüler, denen falsches Deutsch in falsch
verstandener Toleranz erlaubt wurde, weiter die Medien und den Sport.
Für alle Bereiche bringt er Beispiele,
wobei ihm das Formale sehr wichtig
ist: Rückgang des Genitivs (Sinneswandel von Mommsen), falscher
Gebrauch der Kasus (ihrem Problem
annehmen), auch bei der Apposition
oder nach Präpositionen, falscher
Bezug, Subjekt und Prädikat im Nu-
merus nicht übereinstimmend (wie
sie die wachsende Zahl der Asthmatiker benutzen), Nichtbeachtung
des grammatischen Geschlechts und
falsche Deklinations- und Konjugationsendungen (vom Serienheld zum
Serienopfer; begang). Weilandt gibt
des weiteren sinnvolle Hilfe für den
Gebrauch des Konjunktivs, die ich
allerdings nicht für umfassend halte.
Ein weiteres Kapitel widmet er dem
Superlativ, auf den die heutigen
Schreiber geradezu versessen seien, so
daß sie steigern, was eigentlich nicht
mehr zu steigern ist (gemeinsamer
Konsens, mit vollstem Risiko), um
dann im nächsten Kapitel zum „weißen Schimmel“ zu kommen, auch zu
den Tautologien, die man nicht gleich
erkennt (Zwang ... zu müssen).
Weilandts Verdienst ist es, bei Sätzen
dort ganz genau hinzuschauen, wo
der Leser vielleicht mit einem Achselzucken glaubt, so irgendwie werde
es ja schon stimmen und man wisse
ja, was gemeint sei. Etwas ermüdend
ist die Fülle der Beispiele, leicht
nachzuvollziehen aber der Ärger angesichts der Fehler, die heutzutage
dem Leser zugemutet werden: Vor
wenigen Tagen fanden sich auf einer
Zeitungsseite der Tageszeitung „Die
Welt“ nicht weniger als 16 Fehler ...
Klemens Weilandt, Deutsch – oder
so. Die Schule im Räderwerk der
Sprachverderber, Leuenhagen &
Paris, Hannover 2005, 242 Seiten,
Taschenbuch, 12,90 Euro.
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DSW 26/06
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I
mmer mehr deutsche Unternehmen führen Englisch als Unternehmenssprache ein oder verwenden in ihren Produktbeschreibungen
und Verlautbarungen die englische
Sprache. Ein möglicher Grund: Die
deutsche Wirtschaft wird aufgekauft;
von ausländischen Konzernen und
von Finanzinvestoren, die als „Heuschrecken“ traurige Berühmtheit
erlangt haben. Und die Aufkäufer
sprechen Englisch, denn sie stammen fast ausschließlich aus Amerika
oder Großbritannien.
So hat der deutsche Staat einen Teil
seiner Anteile am Sprachsünder
„Deutsche Telekom“ (siehe Seite 10)
für 2,7 Milliarden Euro an den amerikanischen Finanzinvestor „Blackstone“ verkauft. Die Gruppe hat in
Deutschland bereits 16 Milliarden
Euro investiert und plant weitere
Übernahmen. Die „Frankfurter Allgemeine“ bezeichnete Blackstone als
„Herrscher der Welt GmbH“.
I
Das Handbuch Deutsche Wirtschaft
beleuchtet die wirtschaftlichen und
politischen Hintergründe des Ausverkaufs der deutschen Wirtschaft
und nennt die Gewinnler der Globalisierung. Die aktuelle Ausgabe 2007
liegt jetzt auf einer CD in der Form
einer PDF-Datei vor. Mit Hilfe der
Volltextsuche gewinnt man einen
schnellen Einblick in die Strukturen
der wirtschaftlichen Macht. Mancher
Leser wird erstaunen, wenn er erfährt,
wer die Geschicke der vermeintlich
deutschen Unternehmen in Wirklichkeit bestimmt; doch er wird manche
unverständliche Unternehmensentscheidung und manchen Sprachquark
dann in anderem Licht sehen. (pau)
Alfred Mechtersheimer, Handbuch
Deutsche Wirtschaft 2007, CDROM, Unser Land – Wissenschaftliche Stiftung für Deutschland e. V.,
Postfach 1555, 82305 Starnberg, Telefax 08151/270705, www.deutschewirtschaft.org, 2006, 14,50 Euro.
Sternstunden der Rhetorik
n den vergangenen Jahren ist die
Nachfrage aus Wissenschaft und
Öffentlichkeit nach guter Redekunst
ständig gestiegen. Ferdinand Urbaneks „Sternstunden der abendländischen Redekunst“ befriedigen diesen
Bedarf in lehrreicher Weise. Dabei
kommen nicht nur Redner deutscher
Zunge zu Wort, sondern auch griechische und römische, sowie französische, englische, italienische, amerikanische und russische – von der
Antike bis zur Gegenwart.
Bei dieser Anthologie handelt es sich
nicht um eine bloße Aneinanderreihung guter Reden, mit denen der
Leser alleingelassen wird. Statt dessen hat Urbanek einen Leitfaden entwickelt, der eine gute Orientierung
bietet. Urbanek teilt die Texte streng
nach drei Stilarten ein: niedrig/einfach, mittel/temperiert und hoch/exaltiert, abhängig von Redeweise,
Gegenstand, Wirkungsabsicht und
Affektstufe. Vor jeder Rede führt er
den Leser kurz in die Biographie des
Redners und dessen geschichtliches
Umfeld ein. Nach der Rede kommentiert Urbanek den Redeausschnitt in
Form einer rhetorischen Analyse.
Dadurch entsteht am praktischen
Beispiel eine leicht zu erfassende
Einführung in die Rhetorik. Nebenbei wird die Geschichte lebendig: sei
es durch die Rede Ludwig Uhlands
in bildkräftiger Sprache vor der
Frankfurter Nationalversammlung
1849, oder durch die musterhaft politische Rede Ferdinand Lassalles zu
Grundfragen der Verfassung 1862.
Dieses Buch lädt immer wieder dazu
ein, sich im Glanze der Sternstunden
festzulesen. (dsw)
Ferdinand Urbanek, Sternstunden
der abendländischen Redekunst.
Eine Sammlung bedeutender RedeTexte von Perikles bis John F. Kennedy, IFB-Verlag, Paderborn 2005,
414 Seiten, gebunden, 29,50 Euro.
Musik in Fraktur
M
usik-CDs sind heute oft nur
noch auf englisch bedruckt.
Anders bei unserem Leser Gerhard
Helzel: Er hat Frakturschriften in
großer Menge setzbar gemacht und
verwendet sie auch für Musik-CDs
klassischer, aber in Vergessenheit
geratener Komponisten, die er einspielt. So ist es einfacher, den deutschen Begleittext unter den anderen
Sprachen herauszufinden. Auch CDTitel sind häufig englisch, und eine
beliebte deutsche Symphonie wird
dann zur „Symphony“. Anders bei
Helzels „Edition Romana Hamburg“:
Es gibt nun 25 CDs, die alle einen deutschen Titel mit Fraktur-Beiheft haben.
Neu sind dieses Jahr dazugekommen:
Hugo Kauns 1. Symphonie „An mein
Vaterland“, die 6. CD mit Stücken des
„Thüringer Schumanns“ Arno Kleffel,
und die 3. Symphonie Hugo Rüters,
die seit der „Operation Gomorrha“
1943 als verbrannt galt. Helzel hat
sie zusammen mit anderen Werken
wiederentdeckt. Auch Filme auf DVD
über das Leben der Komponisten gibt
es mit Fraktur-Untertiteln. (dsw)
Weitere Informationen:
www.romana-hamburg.de/cds.htm
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Sprachstil
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Seite 9
Mit gutem Deutsch aus dem Kerker
Von Alexander Glück
W
ie oft kommt es vor, daß jemand irgendwelche Meriten
aus Gründen bekommt, die nicht allein mit der Leistung zu tun haben.
Bei „Wetten, daß …?“ führte genau
dies dazu, daß die Kinderkandidaten
von der Wahl zum Wettkönig ausgeschlossen sind, denn die Kleinen
wären sonst regelmäßig ganz vorn.
Auch bei Natascha Kampusch liegt
die Versuchung nahe, sie nur aus
Mitgefühl zu ehren, und dies um so
mehr, als ihre Geschichte hochgradig
geeignet ist, menschliche Gefühle zu
aktivieren – religiöse zumal, denn es
ist eine klassische Auferstehungsgeschichte, deren Hauptperson alle
Merkmale einer Heilsfigur trägt.
So ist Natascha Kampusch, die Frau
mit dem rätselhaften Schicksal, von
einer Aura der Reinheit und Unberührbarkeit umgeben, die nicht nur
alle Menschen in ihren Bann zog,
denen sie begegnet ist, sondern darüber hinaus auch noch alle, die sie im
Fernsehen sahen. Ihre Geschichte erinnert nicht nur fromme Christen an
die Heilsgeschichte: Das Verlies, in
dem sie acht Jahre lang lebte, wird
zum Grabessymbol – zumal sie zwischenzeitlich für tot gehalten wurde
–, die Tresortür aus Beton steht für
den Felsen vor dem Grab, und genau
wie Jesus stand auch Natascha Kampusch selbst aus diesem Grab auf.
Wie eine anmutige Madonna gekleidet, handelt sie auch wie eine: Nach
all dem eigenen Leid denkt sie zunächst an die Hilfe für andere, und
in ihrem wasserhellen Blick glaubt
man direkt bis ins Himmelreich zu
schauen. Das alles hat Züge des Heiligen und spricht tiefste menschliche
Affekte an. Der Autor erklärt sich
keineswegs für frei davon.
All dies wären gute Gründe, dieser Frau bedingungslos zu folgen
– aber noch kein Grund, ihr den Titel „Sprachwahrer des Jahres 2006“
zuzuerkennen. Der Einwand wurde
aber absichtlich an den Anfang dieses Vorschlags gesetzt, damit das
eine vom anderen getrennt werden
kann.
Sprachwahrer zu sein, bedeutet, sich
für die Erhaltung des Guten an der
Sprache einzusetzen. Natascha Kampusch hat Menschen und Medien
veranlaßt, sich über ihr „eigenartiges
Hochdeutsch“ zu wundern und über
ihre vermeintlich für das Alter unangemessene Gewandtheit im Ausdruck. Da wurde der von ihr häufig
verwendeten
„Mitvergangenheit“
nachgespürt, der präzisen Anwen-
Warum Natascha Kampusch Sprachwahrer des Jahres werden sollte
dung auch abgelegenerer Fremdwörter und ihrem offenkundig hohen
Bildungsstand.
Als „antiquiert“, zumindest als „altmodisch“, wurde ihre Sprache bezeichnet. Zugleich wurden ihr ein
hohes Maß an
Schlagfertigkeit sowie die
Fähigkeit und
der Wille, einen begonnenen Satz auch
nach eingeschobenen
Nebensätzen
sinnvoll zu
Ende zu bringen, bescheinigt – statt
daß man allen
anderen die
Frage stellte, wieso sie
all dies nicht
können. Der
Maßstab ist
heute
das
Mittelmaß.
Wie zu lesen war, hatte sie während
ihrer Gefangenschaft immer das Gefühl, gegenüber ihren Altersgenossen
etwas aufholen zu müssen. Deshalb
strengte sie sich an. Mit zehn Jahren
ist der größte Teil der Sprachentwicklung bereits abgeschlossen, mit
vierzehn ist
praktisch alles unter Dach
und
Fach.
Es ist leicht
vorstellbar,
daß auch das
begrenzte
intellektuelle Niveau
Priklopils bis
dahin ausgereicht haben
kann.
Wie Natascha Kampusch erklärte, war sie
bereits vor
ihrer
Entführung an
der Sprache
interessiert
Auf wen geht Der Schreibtisch der gefangenen Natascha und wurde
diese für uns Kampusch. Bild: APA-OTS/REPRO-BUNDESKRIMINALAMT sogar
von
alle vorbildliche Sprachkompetenz ihrer Lehrerin angehalten, sich simzurück? müssen wir fragen, wenn wir pler auszudrücken. Beredte Kinder
Natascha Kampuschs sprachwahren- werden von Erwachsenen nur zu
de Leistung einschätzen und würdi- oft als „altklug“ verkannt, sie sollen
gen wollen. Zunächst kommt der ver- altersgemäß sprechen – auch wenn
haltensgestörte Entführer Wolfgang manche damit unterfordert sind. Und
Priklopil in Betracht, eine Art öster- auch heute sind viele überrascht, daß
reichische Antwort auf Austin Powers Natascha Kampusch sprachlich weit
und während acht langer Jahre die mehr bietet, als „altersgemäß“ wäre.
einzige Bezugsperson. Dieser Mann Gewiß: Wenn man eine Generation
beantwortete Kinderfragen und sorg- zum Maßstab macht, der von klein
te auch für irgendeine Art von Haus- auf die sprachliche und intellektuelle
unterricht, außerdem steuerte er den Förderung versagt wurde, dann fällt
Bildungs- und Medienkonsum seiner so etwas auf.
Gefangenen. Einer Äußerung Natascha Kampuschs zufolge drückte Pri- Zum Zeitpunkt ihrer Entführung
klopil sich jedoch nicht so gewählt verfügte Natascha Kampusch also
aus wie sie heute.
bereits über Ausdrucksmittel, die
über das Normalmaß hinausreichten:
Dann kommen die Medien in Be- Am Tag der Entführung schmiß sie
tracht. Nach zwei Jahren erhielt Na- Priklopil ein „Unrecht Gut gedeihet
tascha Kampusch die Möglichkeit, nicht!“ hin. In der wesentlichen PhaRundfunk zu empfangen. Sie hörte se der Sprachentwicklung, im Alsehr häufig den vorbildlichen öster- ter von zwei bis sechs Jahren, lebte
reichischen Kultursender Ö1. Später sie nicht isoliert und hatte auch die
konnte sie auch fernsehen. Als Zei- Möglichkeit, viel zu sprechen.
tungslektüre dienten ihr einzelne Seiten aus der gehobenen Tageszeitung In der Entführungszeit hatte sie über„Der Standard“, daneben hatte sie wiegend rezeptive Möglichkeiten,
Zugriff auf Kinder- und Sachbücher. und sie wußte sie für sich zu nutzen.
Doch zu intelligenten Medien gehört Sie hörte und las eine vergleichsweiauch der passende Rezipient.
se anspruchsvolle Mediensprache:
die Sprache des intellektuellen JourZu dem Zeitpunkt, als Natascha Kam- nalismus und die Sprache der Bellepusch entführt wurde, war sie zehn tristik. Beides ist nicht die heutige
Jahre alt und Nachhilfeschülerin. österreichische Umgangssprache, die
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zum Beispiel auf den Gebrauch des
Imperfekts weitgehend verzichtet.
Auch wenn Natascha Kampuschs
Sprachgebrauch äußerst unüblich
– wenn nicht sogar einzigartig – ist,
wirkt er doch im höchsten Maße authentisch. Dies ist ihre Sprache, und
man sollte sie sich zum Vorbild nehmen, so wie die Sprache eines guten
Buchs. Daneben – und beides geht ja
Hand in Hand – weiß diese junge Frau
zu differenzieren, zu abstrahieren,
ihre Gedanken elegant abzuschatten.
Hieran wird auch die Unterschiedlichkeit zwischen gesprochener und
geschriebener Sprache erkennbar. In
den letzten Jahren haben einige Autoren den Versuch unternommen, so
zu schreiben, wie man auf der Straße spricht. Gehobene Werke kamen
dabei nie heraus. Warum aber sollte
man in Büchern eine bessere Sprache
vorfinden? Weil die literarische Ausdrucksweise die bessere ist, und weil
in ihr mehr gedankliche Tiefe liegt.
Sie ist viel präziser, schöner und
weitaus eleganter. Aber sie erfordert
es, daß der Sprecher denkt und sich
konzentriert. Von jemandem, der
sich umgangssprachlich ausdrückt,
erwartet man dies gemeinhin nicht.
Natascha Kampusch verschleift aber
auch die Diphtonge, was gerade für
das Wienerische charakteristisch ist,
und dadurch wirkt ihre Sprache echt
und natürlich.
Wenn sie spricht, dann läßt sie Bilder von so großer Schönheit entstehen, daß man den Atem anhält. Ihre
Stimme und Sprachmelodie sind rein
und unverstellt. Pausen setzt sie anscheinend ohne jede Berechnung,
aber doch mit einem solchen Gefühl,
daß man Gänsehaut bekommt. All
das macht ihre Sprache monumental.
Ein bißchen kokettiert sie mit dem
Gestus des Damenhaften, der ihr gut
steht, weil er ironisch gemeint ist. So
läßt sie die Koryphäen aus ihrem Betreuerstab auch schon einmal um ein
Glas Wasser loslaufen. Wer wollte
ihr solche Scherze nicht von Herzen
gönnen?
Die literarische und wundervolle
Sprache der achtzehnjährigen Natascha Kampusch ist, bei aller Ungewöhnlichkeit ihrer Grammatik für
die Gebrauchssprache, das eigentliche Deutsch; und so zu sprechen, ist
das Ergebnis eines großen schöpferischen Akts, den niemand anderes
vollbracht hat als Kampusch selbst.
Sie hat ihn unter grauenvollen Rahmenbedingungen durch ihre lebensund zukunftsbejahende Hinwendung
zum Schöpferischen und zur Literalität vollbracht.
Das zeugt von tiefer Demut gegenüber dem Leben und höchster Kraft
gegenüber ihrem Schicksal. In acht
Jahren der Weltverlassenheit bewahrte sich Natascha Kampusch ihre
eigene Unzerstörbarkeit, weil und in-
In diesem engen Verlies (Polizeiskizze) wurde Natascha Kampusch erwachsen.
Bild: APA-OTS/REPRO-BUNDESKRIMINALAMT
Jeder einzelne ihrer Sätze ist wie in
Stein gehauen. Jeder ihrer Gedanken
ist so ideal geformt wie eine Statue
des Phidias. Natascha Kampusch gebraucht die grammatisch richtigen
Vergangenheitsformen, und Konjunktive setzt sie wie ein Messerwerfer – oft mit gesenktem Blick.
dem sie ihre Sprache bewahrte. Deshalb – und nur deshalb – gebührt ihr
der Titel „Sprachwahrer des Jahres
2006“.
Alexander Glück ist freier Journalist
und lebt in Wien.
Werkstatt
SprachsünderE
Seite 10
cke
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Vom Saulus
zum Paulus?
An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind,
und rufen unsere Leser zum Protest auf
„Einfachere Sprache“: versprochen?
Die Deutsche Telekom hat noch immer nicht dazugelernt
L
ernunwillige Deutsche Telekom“ hatten wir im
Sommer 2005 die Vorstellung unseres ersten
Gastes in der „Sprachsünder-Ecke“ betitelt. Diese
Feststellung gilt heute leider unverändert. Nach wie
vor verhunzt der Telefonriese nicht nur mit seinen
Tarifbezeichnungen die deutsche Sprache. Es sollen rund 100 Tarifnamen sein, alle im engleutschen
Kauderwelsch. Hinzugekommen sind seit September
zum Beispiel die Tarife XXL Fulltime, Country-Flat
und Call & Surf.
Der neue Vorstandsvorsitzende René Obermann hat
nun in der Bild-Zeitung angekündigt, daß die Telekom eine „einfachere Sprache finden“ werde. Im Dezember sagte Obermann: „Unsere Kunden geben den
Herzschlag unseres Unternehmens vor. Besonders in
Deutschland werden wir uns nicht mehr fragen, was
macht T-Com und was T-Mobile, sondern was wollen unsere Kunden.“
Nehmen Sie Obermann beim Wort und fordern
Sie ihn zu einer verbraucherfreundlichen Sprache
auf. Obermann soll seine Versprechen in die Tat
umsetzen! Beschweren Sie sich über das Kauderwelsch der Telekom und lassen Sie uns bitte ein
Doppel zukommen:
Sprachsünder Deutsche Telekom, zu Händen Herrn
René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen
Telekom AG, Friedrich-Ebert-Allee 140, D-53113 Bonn
GESUCHT:
Die Sprachwahrer des Jahres 2007
Liebe Leser, wie heißt Ihr Sprachwahrer des Jahres? Mit Ihrer Hilfe möchten wir wieder vorbildlichen Einsatz
für die deutsche Sprache auszeichnen. Sie können entweder einen unserer Vorschläge ankreuzen oder selbst
jemanden vorschlagen. Bitte schicken Sie Ihre Wahl an:
DEUTSCHE SPRACHWELT, Postfach 1449, D-91004 Erlangen, Ferndruck +49-(0)9131-480662
Bitte nehmen Sie gleichzeitig auch an der Leserumfrage zur Zusammenarbeit in der Sprachpflege teil.
Einsendeschluß für beide Befragungen ist am 31. Januar 2007.
ZDF-Wetterfrösche Uwe Wesp und Dieter Walch: Die beiden Diplom-Meteorologen sagen seit über zwan Die
zig Jahren in verständlicher Sprache das Wetter vorher. Dadurch unterscheiden sie sich wohltuend von anderen
Vertretern ihrer Zunft, die selbstdarstellerisch auftreten und mit wolkigen Worten ihre Aussagen vernebeln.
die Kundenzeitschrift der Drogeriekette Rossmann: Seit Dezember 2005 ist Centaur „die erste
 Centaur,
anglizismen- und denglischfreie Kundenzeitschrift Deutschlands“. Die „Aktion Deutsche Sprache“ unter der
Leitung von Hermann Neemann prüft jede Ausgabe vor Drucklegung auf überflüssige Fremdwörter.
Moser: Die Kammersängerin stellte ein weit beachtetes „Festspiel für die deutsche Sprache“ auf die
 Edda
Beine. Sie holte am 19. Oktober Dichter und Schauspieler auf Schloß Heidecksburg nach Thüringen. Sie trugen
literarische und philosophische Texte vor, um die Schönheit und Kraft der deutschen Sprache zu feiern.
Kampusch: Nachdem die 18jährige am 23. August aus ihrem dunklen Verlies befreit wurde, in dem sie
 Natascha
von einem Geistesgestörten acht Jahre lang festgehalten worden war, erstaunte sie die Öffentlichkeit mit ihrer Sprachgewandtheit. Die Pflege ihrer Muttersprache hatte ihr offensichtlich geholfen, die schwere Zeit zu überstehen.
Rüttgers verspricht besseres Deutsch
I
n der vergangenen Ausgabe hatten wir die Minister der Landesregierung Nordrhein-Westfalens in
die Sprachsünder-Ecke gestellt. Der
Protest unserer Leser trug offenbar
Früchte! Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers gelobte Besserung und bat
seine Minister, künftig auf deutschenglischen Sprachmischmasch zu
verzichten. Künftige Maßnahmen
der Landesregierung würden auch
unter sprachkritischen Gesichtspunkten geprüft, hieß es.
Dieser Erfolg ist den zahlreichen Protestschreiben zu verdanken, die die
Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT nach Düsseldorf geschickt
haben. Wir zitieren aus zwei verschiedenen Antworten der nordrheinwestfälischen Staatskanzlei an unsere
Leser. Die ursprüngliche Rechtschreibung haben wir beibehalten:
„Ich darf Ihnen versichern, dass es
Herrn Dr. Rüttgers ein wichtiges Anliegen ist, eine für alle verständliche
Sprache zu sprechen. Deshalb hat er
die Mitglieder der Landesregierung
auch gebeten, auf das bislang verwendete ‚Denglisch‘ künftig zu verzichten.“
„Sie haben Recht damit, ein gutes
Deutsch einzufordern und der sicher problematischen Tendenz zum
‚Denglisch‘ entgegenzutreten. Sie
haben auch Recht damit, das gerade
von Prominenten zu fordern. Herr
Ministerpräsident Rüttgers bemüht
sich, ein unpassendes ‚Denglisch‘ zu
vermeiden, aber er kann natürlich nur
für sich, nicht für andere sprechen.
„Lebendiges Deutsch“: Wolf Schneider, Josef Kraus, Walter Krämer und Cornelius Sommer rufen
 Aktion
seit dem Frühjahr dazu auf, Anglizismen zu ersetzen. Sie stellen monatlich zwei im Deutschen oft verwendete,
„überflüssige, häßliche oder nicht allgemein verständliche“ englische Wörter zur Diskussion und bitten um
Vorschläge für deutsche Entsprechungen.
Hanauer: Der Münchner Sportstudent ist der Sieger des von der DEUTSCHEN SPRACHWELT ver Frank
anstalteten Nachwuchswettbewerbs für Fußballkommentierung. Mit seiner treffsicheren Sprache und seiner
Wortgewandtheit bietet er sich als Alternative zu den etablierten Dampfplauderern an.
 Jemand anders: ______________________, weil ________________________________________________
________________________________________________________________________________________
Leserbefragung zur Zusammenarbeit in der Sprachpflege
I
mmer wieder fragen Leser, warum es nicht eine einzige Vertretung für die Sprachpflege gibt und warum die
Sprachschützer nicht noch stärker zusammenarbeiten. Es gibt eine nahezu unüberschaubare Zahl von Vereinen
und Initiativen, die sich für die deutsche Sprache einsetzen. Unstrittig ist: Uneinigkeit und Zersplitterung können
wir uns nicht erlauben.
Es gibt jedoch verschiedene Ansichten darüber, wie die Kräfte am besten zu bündeln sind. Sollen sich alle Sprachfreunde in einem Verein sammeln? Das würde die Bedeutung und die Wahrnehmung dieses Vereins erhöhen. Dagegen spricht allerdings, daß unterschiedliche Vorlieben in einem Verein zur Zerreißprobe und zur Lähmung führen
können. Die Möglichkeit, mit dem „Netzwerk Deutsche Sprache“ den Vereinen eine gemeinsame Plattform zu
geben, wird seit Jahren nicht mehr genutzt.
Die DEUTSCHE SPRACHWELT und der Verein für Sprachpflege sind bereits in ein Netz gleichgesinnter Vereinigungen eingebunden. Dennoch wollen wir von Ihnen wissen, ob wir unsere Bemühungen verstärken sollen, mit
anderen eine gemeinsame Grundlage zu suchen.
Sind Sie mit der bisherigen Zusammenarbeit unter den Sprachfreunden zufrieden?


Ja.
Nein.
Soll die DEUTSCHE SPRACHWELT die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen verstärken?


Ja.
Nein.
Mit welchen Gruppen sollte die DEUTSCHE SPRACHWELT auf jeden Fall zusammenarbeiten?
____________________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________________
Name, Vorname
Datum, Unterschrift
____________________________________________________________________________________________
Straße, Postleitzahl und Ort
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H-Wort
Dr. Holger Holzschuher
Lektorat – Korrektorat
Birkenbusch 13
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Mitglied im Verband der Freien
Lektorinnen und Lektoren e. V.
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Seien Sie aber versichert, dass Ihre
kritischen Anmerkungen zu Anglizismen bei zukünftig zu treffenden
Maßnahmen der Landesregierung ‚im
Hinterkopf‘ sind und – wo es immer
möglich ist – bei der Entscheidungsfindung mit einfließen werden.“
Ein erster Schritt wäre, die Sprachverstümmelung „Call NRW“ aus
dem Briefkopf der Staatskanzlei zu
entfernen …
So wird’s
richtig
Ein Ratgeber von Dr. Holger Holzschuher
Grande Armée
Beispiel:
Das Land X schickte 1 000
Truppen in das Kampfgebiet.
Kommentar:
Und wie viele Soldaten schickte
es denn? Wie stark ist denn eine
Truppe?
Richtig:
Das Land X schickte 1 000 Soldaten in das Kampfgebiet.
Mangelhafte
Drohung
Beispiel:
In den nächsten Jahren droht
ein Mangel an qualifizierten
Arbeitskräften
Kommentar:
Lehnen wir uns also entspannt
zurück. Der Mangel droht ja
jetzt noch nicht, erst in den
nächsten Jahren. Und ob er
dann überhaupt eintreten wird,
ist auch noch nicht sicher; er
wird ja dann nur drohen.
Richtig:
Es droht ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften für die
nächsten Jahre.
Anstöße
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Sehnsucht nach
Sprachpflege
Kammersängerin Edda Moser
wird Ehrenmitglied in der ADS
M
it
ihrer
Idee, ein
„Festspiel für die
deutsche Sprache“
abzuhalten, schuf
sich die Kammersängerin
Edda
Moser unter den
Sprachpflegern viele Freunde, weil
sie damit ein beispielloses Werk für
die deutsche Sprache vollbrachte. Die
Aktion Deutsche Sprache (ADS) aus
Hannover, mit der die DEUTSCHE
SPRACHWELT zusammenarbeitet,
bot deswegen Frau Moser die Ehrenmitgliedschaft an. Erfreut nahm die
Sängerin dieses Angebot an.
um die Schönheit
und Kraft der deutschen Sprache zu
feiern. Der Mitteldeutsche Rundfunk
zeichnete
das Festspiel auf.
Die
Präsidentin
des Thüringischen
Landtags, Dagmar
Schipanski, war Schirmherrin.
Die Sopranistin Edda Moser ist
Professorin und lehrt an der Kölner
Musikhochschule. Ihre Studenten
müssen für jedes „Okay“, das ihnen über die Lippen kommt, einen
Euro in die Kasse zahlen. In einem
Brief an den Vorsitzenden der ADS,
Hermann Neemann, schreibt Moser:
„Das Echo auf meine Idee, der deutschen Sprache zur Seite zu stehen,
war überwältigend. Die Menschen
haben tiefe Sehnsucht, die deutsche
Sprache zu pflegen, und so nehme
ich in großer Dankbarkeit die Ehrenmitgliedschaft der ‚Aktion Deutsche
Sprache e. V.‘ an.“ (pau)
Das Festspiel fand am 19. Oktober
auf Schloß Heidecksburg im thüringischen Rudolstadt statt. Ursprünglich sollte es im Weimarer Nationaltheater aufgeführt werden. Weimar
sollte zu einer „Bastion“ für die
deutsche Sprache ausgebaut werden.
Doch Nike Wagner, die das Weimarer Kunstfest leitet, sagte ab: „Kein
Bedarf.“ Frau Moser ließ sich dadurch nicht entmuDie vielen Anglizismen gehen
tigen. Zusammen
meiner Meinung nach auf eine
mit dem Dichter
tief sitzende Angst vor echten
Reiner Kunze und
Gefühlsäußerungen zurück.
den Schauspielern
Die Leute meinen zwar
Mario Adorf, Jutta
„Verzeihung“, sagen aber
Hofmann und Otto
„Sorry“. Das ist viel oberflächSchenk las sie nun
licher. Aus Scheu vor Tiefe
auf der Heideckswerden Gefühle versteckt.
burg literarische
Edda Moser
und klassische philosophische Texte,
Von Julia Palus und Carolin Schneider
M
it einem Glas Bautzener
Senf schaffte es der Sprachrettungsklub Bautzen/Oberlausitz e.
V., die Sprach-„Konifere“* Bastian
Sick zu einer Lesung ans DeutschSorbische Volkstheater Bautzen zu
locken. Davon, daß sich dieser Einsatz gelohnt hat, konnten sich am 22.
September über zweihundert Sprachbegeisterte überzeugen. Zwei Stunden lang las Sick aus „Der Dativ ist
dem Genitiv sein Tod“ (Teil 1 und 2)
und stellte auch einige seiner neuen
Sprachglossen vor.
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Seite 11
Das Schrifterbe bewahren
20 Jahre „Freunde der Deutschen Kurrentschrift“ –
eine Erfolgsgeschichte
Von Stephan Scherdel
A
ls im Jahr 1983 in der Berner
Zeitung in der Schweiz eine
Frau mit einem Leserbrief Briefkontakte in deutscher Schreibschrift
suchte, konnte sie selbst noch nicht
ahnen, was sich daraus einmal entwickeln sollte. Sie erhielt Post von
18 Personen. Als nach rund drei Jahren der Kreis der Schreiber auf achtzig Personen angewachsen war, war
jene Dame mit ihrem Briefverkehr
endgültig überfordert.
Um zu verhindern, daß diese Gruppe
von Brieffreunden wieder auseinanderfällt, gründeten sich daher am 24.
Mai 1986 in der Schweiz die „Freunde der deutschen Kurrentschrift“
(DKS) als loser Zusammenschluß
von Menschen, die Brieffreundschaften in deutscher Schrift pflegen.
Sechs Regionalgruppen bildeten
sich, und Kurt Kanobel aus Ittigen
in der Schweiz wurde zum Obmann
gewählt. Er steht der DKS-Vereinigung noch heute vor und kann in diesem Jahr das 20jährige Bestehen der
DKS-Freunde feiern.
Lange Zeit waren die Kurrentschriftfreunde lediglich in der Schweiz mit
einer nennenswerten Mitgliederzahl
vertreten. Etwa seit dem Jahr 2000
kamen dann verstärkt auch Mitglieder außerhalb der Schweiz hinzu.
Im Jahr 2005 stellten die nicht in der
Schweiz beheimateten Brieffreunde
dann erstmals die Mehrheit der DKSMitglieder. Im Jubiläumsjahr 2006
ist mit 452 aktiven Schreibern im Alter zwischen 14 und 101 Jahren der
bisherige Höchststand nach der Zahl
der Mitglieder erreicht worden. Mittlerweile sind die DKS-Freunde in 19
Regionalgruppen organisiert, davon
acht in der Bundesrepublik Deutschland. Brieffreundschaften in der deutschen Schreibschrift pflegen inzwi-
schen Mitglieder aus der Schweiz,
den Niederlanden, den USA, aus
Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Argentinien, Brasilien,
Paraguay, Mexiko, Kanada, China,
Namibia und Australien.
Vierteljährlich erscheint ein Heft mit
Beiträgen der Mitglieder in deutscher
Schreibschrift.
Dank der durch die steigende Mitgliederzahl kürzer werdenden Wege
zwischen den einzelnen Mitgliedern
finden mittlerweile auch in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig
DKS-Gruppentreffen statt, bei denen
sich die Teilnehmer dann auch persönlich kennenlernen können.
Die Schriftfreunde in der Schweiz
sind durchschnittlich älter als in
Deutschland, da in der Schweiz die
deutsche Schreibschrift bereits 1930
durch die lateinische Schrift ersetzt
wurde, während in Deutschland die
deutschen Druckschriften erst durch
den noch heute faktisch wirkenden, von Martin Bormann auf Geheiß Adolf Hitlers unterzeichneten
Schrifterlaß vom 3. Januar 1941 und
die deutsche Schreibschrift durch
einen entsprechenden Erlaß vom 1.
September 1941 gleichsam verboten
wurden. Die Zahl der jungen Schreiber hat jedoch in den vergangenen
Jahren langsam, aber stetig zugenommen.
Während viele DKS-Mitglieder ihre
Freude daran haben, getreu alter Tradition mit Tintenfäßchen und Feder
ihre Briefe auch kalligraphisch ansprechend zu gestalten, nutzen andere
die Möglichkeiten moderner Technik
und verfassen ihre Kurrentschriftbriefe am Rechner. Einige Lehrer unter
den DKS-Freunden lehren die deut-
„Ewig währt am längsten!“
Deutsch-„Konifere“ Bastian Sick in Bautzen
Imperfekt, Imperativ, der Anglizismenwahn und verdrehte Sprichwörter
– Sick nahm seine Zuhörer mit auf
eine Reise quer durch die Untiefen
der deutschen Grammatik und Rechtschreibung. Dies tat er aber keinesfalls oberlehrerhaft mit erhobenem
Zeigefinger, sondern als sympathischer Sprachliebhaber, bei dem sich
auch selbst einmal ein Rechtschreibfehler einschleicht.
Witzig und locker wie seine Bücher
ist auch Sick selbst auf der Bühne.
Stilblüten wie die Werbung eines
Schützenvereins („Werde Mitglied,
lerne schießen, treffe Freunde“) oder
die Sprachgewandtheit eines Sportreporters, der Jan Ullrich mit „Fliegen
und Fahnen“ untergehen sah, ließen
das Publikum aus dem Lachen nicht
mehr herauskommen. Höhepunkt
des Abends war Sicks gesangliche
Einlage, bei der er Peter Alexander
und Mireille Mathieu parodierte.
Nach der Lesung zeigte sich Sick als
Prominenter zum Anfassen: Im Foyer
des Theaters signierte er seine Bücher
und Plakate und ließ sich mit seinen
Anhängern ablichten. Allen Sick-Begeisterten, die schon wie wir an Entzugserscheinungen leiden, sei gesagt:
Am 1. Dezember erschien der dritte
sche Schreibschrift beispielsweise im
Kunst- oder im Heimat- und Sachkundeunterricht an Schulen, andere
Schriftfreunde bieten Schriftkurse an
Volkshochschulen an.
Ein DKS-Mitglied reiste bereits
mehrmals nach South Bend in die
Vereinigten Staaten. Dort übersetzte
er den Bewohnern Briefe ihrer Vorfahren, weil die Schriftstücke für die
Nachfahren nicht mehr zu entziffern
waren. Im wesentlichen hatten nämlich Auswanderer aus Oberfranken
South Bend aufgebaut. So konnte
der Schriftfreund den heutigen Einwohnern der Stadt eine Vorstellung
von der Geschichte ihrer Stadt und
dem Wirken ihrer eigenen Familien
in früheren Generationen geben.
Über die bloße Pflege von Brieffreundschaften hinaus tragen die
„Freunde der deutschen Kurrentschrift“ damit dazu bei, die deutsche
Schreibschrift, wie sie uns in den
Handschriften älterer Menschen, in
Liebesbriefen unserer Großeltern,
in letzten Feldpostgrüßen gefallener Angehöriger, in Geburts- und
Sterbeverzeichnissen sowie in alten
Heiratsurkunden auch heute noch begegnet, aber leider häufig nicht mehr
gelesen werden kann, als Kulturgut
zu erhalten, zu schützen, das Wissen
um diese Schrift an nachfolgende Generationen weiterzugeben und damit
den Zugang zu alten Unterlagen und
dem Gedankengut unserer Ahnen zu
ermöglichen, eingedenk der Worte in
Johann Wolfgang von Goethes Faust:
„Was Du ererbt von Deinen Vätern
hast, erwirb es, um es zu besitzen!“
Anfragen an: Stephan Scherdel, Mozartstraße 12, D-95346 Stadtsteinach, Fernruf: 09225 800800, E-Post:
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Teil von „Der Dativ ist dem Genitiv
sein Tod“, und im kommenden Jahr
macht Sick mit der „Großen BastianSick-Schau“ unter anderem Halt in
Dresden. Auch Bautzen, so hat er versprochen, wird er bald wieder besuchen. In diesem Sinne, liebe Sprachfreunde: „Ewig währt am längsten!“
*Konifere (lat.) = „Zapfenträger“,
eine Bezeichnung für Nadelholzgewächse, die zuweilen verwechselt
wird mit dem Wort Koryphäe (gr.) =
herausragender Fachmann.
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Seite 12
Wenn Gefühle nicht täuschen
Vom ökonomischen Umgang mit Wörtern
Von Karl-Heinz List
efühle können täuschen, das
ist bekannt. Aber nicht immer.
Maria Kuttner konnte sich bisher auf
ihr Sprachgefühl ganz gut verlassen.
Es regt sie nicht auf, wenn sie im
„Spiegel“ von „Zelebritäten“ liest,
nur weil der Schreiber des Beitrages
es für originell hält, ein englisches
Wort wortwörtlich zu übersetzen.
Sie ärgert sich nicht, wenn sie in einer Fachzeitschrift diesen Satz liest:
Die Anforderungen an eine gute Bewerbung steigen zunehmend.
Manchmal hat Maria Kuttner das Gefühl, als hätten manche Chefs Angst
davor, der Sache nicht gerecht zu
werden, wenn sie sich einfach ausdrücken. Auffällig ist der ausladende
Stil bei Arbeitszeugnissen. Der Text
stammt oft von ausscheidenden Führungskräften selbst. Man kann auf
Anhieb nicht erkennen, ob es sich
um den Text aus einer Todesanzeige
oder einem Arbeitszeugnis handelt.
In beiden Fällen könnte es sich aber
um einen „Nachruf“ handeln.
Es fällt ihr nur auf, daß hier ein Wort
überflüssig ist. Sie mag keine langen
Wörter und keine, die aus der Behördensprache stammen, wie zum
Beispiel das Wort „Anschreiben“.
Meistens ist damit das Bewerbungsschreiben gemeint. Sie zuckt jedes
Mal zusammen, wenn ihr Chef fragt:
Haben wir schon die Abteilung deswegen angeschrieben?
Beispiel 1: „Nach Tätigkeiten im
Innen- und Außendienst und der
Leitung mehrerer Filialdirektionen
übernahm Herr Dr. XY die Verantwortung für die Direktion für befreundete Gesellschaften und leitete sie ab
1979 mit großem Erfolg. Seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war
er ein Vorbild an Einsatzfreude und
Loyalität. Er genoß aufgrund seiner
fachlichen Kompetenz höchste Anerkennung in unserem Hause, und
unsere Geschäftsfreunde schätzten
ihn als verläßlichen Partner.“
Sie liebt es kurz, außerdem spart es
Zeit. Aus dem Erwartungshorizont
werden Erwartungen, aus Fragestellungen Fragen, und Zielvorstellungen werden auf schlichte Ziele reduziert. Bei Vorstandssitzungen, wo sie
Protokoll führt, sprechen die Chefs
von Zeitkorridoren, andere von Zeitfenstern. Dann denkt sie daran, das
Fenster zu öffnen, damit frische Luft
hereinkommt und den Sprachmief
hinausweht. Bis dahin hat Maria Kuttner keine Schwierigkeiten, im Protokoll die richtigen Worte zu finden. Die
Probleme beginnen erst dann, wenn
Euphemismen auftauchen, der Personalabbau kommuniziert wird und von
Freisetzungen und Personalanpassungsmaßnahmen die Rede ist, obwohl Kündigungen gemeint sind.
Beispiel 2: „Wir verlieren in Herrn X
einen exzellenten Fachmann und eine
erfolgreiche Führungskraft. Herr X. erfreute sich bei Vorgesetzten, Kollegen,
Geschäftsfreunden und Mitarbeitern
großer Beliebtheit und Wertschätzung.
Wir danken Herrn X. für seine langjährige, hervorragende Mitarbeit und seinen selbstlosen Einsatz. Wir sind ihm
zu großem Dank verpflichtet ...“
Der Text aus dem Beispiel 1 stammt
aus einer Todesanzeige (Süddeutsche
Zeitung, 10. 12. 2005), beim Beispiel
2 aus einem Arbeitszeugnis für einen
Verkaufsleiter.
Unfall an der Autobahn: Coca-Cola warb zur Fußball-Weltmeisterschaft mit
dem Spruch „It’s your Heimspiel“. Da konnten die gewerblichen Berufsgenossenschaften, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat e. V. (DVR) nicht zurückstehen. Sie
panschten kräftig in Deutsch und Englisch und entwarfen ein Autobahnplakat,
das zu mehr Rücksicht auffordern sollte. Gegen die deutsche Sprache ließen
sie allerdings keine Rücksicht walten
DSW-Silbenrätsel
Wohin geht die Reise? Sind wir nicht
schon auf dem Weg, kürzer und verständlicher zu schreiben? Viele sind
schon dabei und folgen der englischen Grammatik. Sie sagen nicht:
„Ich rufe Sie wieder an“, sondern
knapper: Ich rufe Sie zurück (I call
you back). Man spart ein Wort, der
Anfang ist gemacht. Das läßt sich
steigern. Sie sagen nicht: „Ich kann
mich nicht daran erinnern“, sondern:
Ich erinnere das nicht (I can‘t remember that). In diesem Fall werden
zwei Wörter eingespart. Was sagt
Maria Kuttner dazu? „Eingespart“ ist
zu lang, gespart hätte genügt.
Karl-Heinz List ist freier Autor.
www.karlheinzlist-autor.de
Merry
X-Mist
Theobald Knackmandels
Sprachrätsel
Finden Sie das gesuchte Wort!
Griechisch-Lateinisches
Das Wunderwerk erfüllt so manchen Traum,
verändert hat es für uns Zeit und Raum.
Als Einzelstück zur Nutzung stets bereit,
en masse wird es zum Tyrannen unsrer Zeit.
Sein Nam’, zu aller Philologen Pein,
ein Zwitter ist’s aus Griechisch und Latein.
Da jedes lange Wort man gerne stutzt,
wird eine Kurzform heute meist benutzt.
Lösung: das Automobil
G
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 26_Winter 2006/07
Kaffee aus Togo?
Lachdrama von Josef Feneberg
1. Aufzug
die Herren A und B auf der Straße
A: Schön, daß wir uns wieder einmal gesehen haben.
B: Wie wäre es, wenn wir noch zusammen eine Tasse Kaffee trinken?
A: Ja, gut. Da ist ja ein Café-Shop.
B: Ist dir schon mal aufgefallen, daß es jetzt so viel Kaffee aus Togo gibt?
A: schaut etwas verwirrt. Wie kommst du denn darauf?
B: Da steht es doch, Kaffee to go.
A: Aber Togo schreibt man doch anders.
B: Ach was, bei der heutigen Rechtschreibung.
L
etzte Nacht hatte ich einen bösen Traum. Ich ging durchs
Einkaufszentrum – mittlerweile zum
Shopping Center mutiert und auch
schon als Mall bezeichnet – und wurde mit Jingle Bells berieselt. In einem Schaufenster lachte Santa Claus
mit seinem Ren dazu verschmitzt aus
seinen Augen, hatte er doch den alten
Weihnachtsmann und das Christkind
verdrängt. Später, in einem Baumarkt,
wurde ich von „Stille Nacht, Heilige
Nacht“ beschallt, selbstverständlich
in der englischen Fassung des in 125
Sprachen übertragenen Liedes. Auch
hier grinste Father Christmas und
mahnte, bis zum Candle-Night- und
Come-Together-Event, dem Heiligen
Abend, noch viele presents zu kaufen. Ich versuchte, die Leute auf diesen Irrsinn aufmerksam zu machen,
doch wie die Lemminge ließen sie
sich auch dieses Fest veramerikanisieren und wünschten mir fernerhin
„Merry X-mas“. Nur Amerikaner
und Engländer, die extra hierher gekommen waren, um zu erleben, wie
die Deutschen das in aller Welt bekannte Fest in ihrer Art vorbereiten
und feiern, schüttelten verständnislos den Kopf und murmelten etwas
von Unterwerfung und ähnlichem.
Schweißüberströmt wachte ich auf.
Doch war es wirklich nur ein Traum?
… fragt sich
Ihr Anglizismenmuffel
Wolfgang Hildebrandt
Neulich beim Kaffeeröster: „Schon toll, daß es jetzt auch Kaffee aus Togo
gibt.“ – „Aber Schatz, Kaffee to go ist doch englisch. Auf deutsch heißt
es: Kaffee zum Weglaufen.“ – „Wenn ich Dich nicht hätte! Schade, ich
hatte Togo gelesen. Den Togolesen hätte ich es so gegönnt.“ Bild: Tchibo
2. Aufzug
im Stehcafé, dazu Verkäuferin
A: Zwei Haferl Kaffee bitte und zwei Nußschnecken.
V: Ja, gerne.
B: Du, da oben steht Café Brasil. Fräulein, was gilt jetzt?
V: schaut etwas verwirrt
B: Draußen steht Kaffee to go, hier Brasil. Was führen Sie jetzt?
V: nach einer kleinen Pause Wollen Sie mich verarschen?
B: Nein, keineswegs, entschuldigen Sie! Hinten lachen einige Leute.
A: Laß doch, Hauptsache, der Kaffee ist gut.
3. Aufzug
wieder auf der Straße
B: Eigentlich wollte ich schon wissen, woher der Kaffee kommt.
A: Ach was, ich brauche noch eine SZ. Da ist ja ein Zeitungsstand.
B: Da steht ja auch drauf „Zeitung to go“!
Eine Zeitung aus Togo, das gibt es doch nicht.
A: Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt.
A: schlägt die Zeitung auf und blättert etwas.
Da schau her, da steht etwas Ähnliches. „Girls go Tech“.
B: Nein, das kommt nicht aus Togo.
Von Dagmar Schmauks
Lösungen: 1. Nervensäge – 2. Nesthocker – 3. Sonnencreme – 4. Tangente – 5.
Ballkleid – 6. Einsendung – 7. Stickstoff
– 8. Schuhspanner – 9. Geizkragen – 10.
abraten – 11. Dampfbügeleisen – 12. Brüssel – 13. herrenlos – 14. Medizinball – 15.
Rockstar – 16. Notbremse – 17. Pilzkultur – 20. Schlaglichter – 21. Baßtölpel
– 22. Walküren – 23. Pferdeboxen – 24.
erbrechen – 25. Handy-Mast – 26. Urteil
– 27. Weintrauben – 28. schattenhaft – 29.
Strichpunkt – 30. Piroggen
1. grobes neurochirurgisches Werkzeug – 2. Sitzmöbel für Vogelbehausung
– 3. Hautpflegemittel unseres Zentralgestirns – 4. Schwimmvogel mit Vorliebe für Wasserpflanzen – 5. Kleidungsstück eines Sportgeräts – 6. letzter
Teil der ersten natürlichen Zahl – 7. durch Nadelarbeit verziertes Gewebe
– 8. Voyeur mit Vorliebe für Fußbekleidung – 9. äußerst sparsamer Teil eines
Hemdes – 10. den Anfangsbuchstaben des Alphabets garen – 11. Gerät, um
gasförmiges Wasser zu glätten – 12. zweitklassiger Körperteil eines Elefanten
– 13. Lotterieschein für Männer – 14. Tanzfest von Ärzten – 15. Prominenter
Vogel in Damenkleidungsstück – 16. bedürftiges Stechinsekt – 17. geistige
Hervorbringungen schmackhafter Waldfrüchte – 20. Aufforderung, Helligkeitsquellen zu züchtigen – 21. Dummkopf mit tiefer Stimme – 22. einen
großen Meeressäuger auswählen – 23. Kampfsport von Reittieren – 24. von
Vorfahren überkommenes Gartengerät – 25. Mobiltelefone fett machen – 26.
allererster Bestandteil – 27. traurige Rebstockfrüchte – 28. Gefängnisaufenthalt eines schwarzen Doppelgängers – 29. ausdehnungsloser Teil der Straßenprostitution – 30. Getreidesorte einer irrationalen Zahl
ab – ball – ball – baß – ben – bo – bre – brem – brüs – bü – chen – cre
– dampf – de – di – dung – dy – ei – ein – er – ge – geiz – gel – gen – gen
– gen – haft – han – her – hok – ker – kleid – kra – kü – kul – lich – los
– mast – me – me – nen – ner – ner – nest – not – pel – pfer – pi – pilz
– punkt – ra – ren – ren – rock – rog – sä – schat – schlag – schuh – se – sel
– sen – sen – son – span – star – stick – stoff – strich – tan – te – teil – ten
– ten – ter – töl – trau – tur – ur – ven – wal – wein – xen – zin
Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft
von den Zeichen.

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