Die Rechtschreibkrüppel kommen
Transcrição
Die Rechtschreibkrüppel kommen
AUSGABE 46 Winter 2011/12 12. Jahrgang – 4 ISSN1439-8834 (Ausgabe für Deutschland) Kostenloser Aufkleber Bestellen Sie auf Seite 5! Demokratie Der Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Eduard Oswald, betont die Verantwortung der Politik für die Sprache. Seite 5 Bildung Wolfgang Hildebrandt schreibt über die bildungspolitischen Hintergründe der fehlenden Sprachtreue. Seite 7 Gesichtserker Thomas Paulwitz entlarvt ein uraltes Märchen, das aus den Reihen der Verharmloser stammt. Seite 9 Masuren Rominte van Thiel erklärt, warum man nicht „in die Masuren“ fahren kann. Seite 12 Rettungsschirm? E inen staatlichen „Rettungsschirm“ wie für Banken und überschuldete Staaten gibt es für die deutsche Sprache nicht. Daher danken wir sehr für Ihre Spende! Sie ermöglichen damit, daß die DEUTSCHE SPRACHWELT trotz zunehmender Teuerung weiterhin viermal im Jahr erscheinen kann. Wir begrüßen außerdem mehr als zweitausend neue Leser, die in diesem Jahr zu uns gestoßen sind. Herzlich willkommen! Ihre Stimme zählt! x x Wer wird Sprachwahrer? Kleine Leserbefragung Seite 10 Die Rechtschreibkrüppel kommen Wie lautgetreues Schreiben die Schreibsicherheit zerstört Von Thomas Paulwitz A uf dieses Wiedersehen mit „Opa Günta“ hätte ich gern verzichtet: Die erste Fibel für meinen Sohn wurde verfaßt „unter wissenschaftlicher Beratung von Günther Schweisthal“. Mit Grausen lese ich diesen Hinweis, als ich das Buch das erste Mal in die Hand nehme. Jener Mann ist für mich kein Unbekannter. Ich lernte ihn auf der Leipziger Buchmesse 2007 kennen. Er war Akademischer Direktor am Institut für Phonetik der Universität München und ist mitverantwortlich dafür, daß bayerische Grundschulen seit dem Schuljahr 2001/2002 das lauttreue, das sogenannte „Phonetische Schreiben“ unterrichten. Dabei handelt es sich um den bayerischen Ableger der in ganz Deutschland verbreiteten Methode „Lesen durch Schreiben“ (LdS). Schweisthal befindet sich zwar seit Jahren im Ruhestand, seit 2007 jedoch zieht er als „Opa Günta“ durch die Lande (siehe „Schraip widu schprichsd?“ in DSW 28, Seite 1). Er verkauft Übungsmaterial, in dem zum Beispiel solche Sätze zu lesen sind: „Di Buchstabentafel dea Erwaksenen haist Alfabet du brauchst si späta in dea Schule bai dea Ortografi oda Rächtschraibung.“ Damals forderte ich: „Schickt Opa Günta bitte aufs Altenteil.“ Leider spukt Opas Ungeist jedoch weiter, eben auch in der Fibel meines Sohnes, Gott sei Dank lediglich beratend. Nicht auszudenken, wenn „Opa Günta“ auch die Texte geschrieben hätte. Trotzdem reicht das Werk bei weitem nicht an die didaktische Qualität der Fibel von Anni Leißl und Ali Mitgutsch heran, die wir vor dreißig Jahren in der Schule verwenden durften. Neu ist eben nicht immer auch besser. „Lesen durch Schreiben“ bedeutet, daß während der ersten beiden Schuljahre statt der traditionellen Fibel und eher als lästig erachteten Rechtschreibregeln eine sogenannte „Anlauttabelle“ im Mittelpunkt des Unterrichts steht. Schulanfänger sollen zunächst so schreiben, wie sie sprechen. Das lateinische Abece kann jedoch für die durchgesetzt, die auf den Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen (1939 bis 2009) zurückgeht. Dieser warb für LdS mit Hilfe des „Hamburger Instituts für Lehrerfortbildung“. Reichen fand gelehrige Schüler, die sein radikales Werk in zum Teil etwas abgeschwächter Form durchsetzten. Einer davon ist Hans Brügelmann. In einem Nachruf auf Reichen jubelte er, daß es gelang, „500 Jahre Fibeltradition“ zu überwinden. Brügelmann nennt seine Weiterentwicklung „Spracherfahrungsansatz“. Weitere LdS-Ableger sind „Tinto“ von Rüdiger Urbanek und die „Rechtschreibwerkstatt“ von Norbert Sommer-Stumpenhorst. Karikatur von Bernd Zeller deutsche Sprache keine Lautschrift sein, weil die Buchstaben nicht für die deutsche, sondern eben für die lateinische Sprache entwickelt wurden. Dehnungs-h oder Dehnungs-e, Buchstabenverdoppelungen und so weiter hört man nicht; auch nicht, ob zum Beispiel ein gehörtes „F“ als „V“ oder tatsächlich als „F“ zu schreiben ist. Daher gelingt das Schreiben nach Gehör nur bei einzelnen Wörtern. Schreibfehler sind unvermeidlich. Besondere Schwierigkeiten haben überdies diejenigen, die nicht genau nach der Schrift sprechen, sondern eine von der Mundart geprägte Sprache oder gebrochenes Deutsch. Die Kinder bekommen mit LdS zwar einen schnelleren Zugang zur Schrift, machen jedoch mehr Fehler. In Verbindung mit dem sogenannten „Freien Schreiben“ entfaltet LdS eine geradezu zerstörerische Wirkung auf die Rechtschreibsicherheit. Lehrer und Eltern dürfen nach der reinen LdSLehre Falschschreibungen nicht verbessern, um die Schreibbegeisterung der Schüler nicht zu beeinträchtigen. Statt dessen prägen sich die Fehler ein. Jedes Kind entwickelt seine eigene Rechtschreibung, die logischerweise meistens leider nicht mit der normierten übereinstimmt. Ab der dritten Klasse, spätestens jedoch am Ende der Grundschulzeit, kommt dann das böse Erwachen, wenn Lehrer plötzlich das Einhalten von Regeln verlangen. Auf diese Weise verlagert sich ein Teil des Rechtschreibunterrichts ins Elternhaus. Die Eltern müssen berichtigend eingreifen. Erfahrungsgemäß sind Kinder eher dankbar, wenn man ihnen behutsam, aber deutlich, die richtige Schreibweise zeigt und Sicherheit gibt. Etwas richtig geschrieben zu haben, ist ein Erfolgserlebnis, das man nicht vorenthalten darf. Kinder von Bildungsfernen, Einwanderern oder ohne Elternbetreuung (aufgrund der Ganztagsschule) haben also ein größeres Risiko, zum Rechtschreibkrüppel zu werden. Glück haben Eltern, wenn sie es mit einem Lehrer zu tun haben, der kein Anhänger der reinen LdS-Lehre ist. Von Bundesland zu Bundesland und von Schule zu Schule schwankt die LdSGläubigkeit. Ein Berliner Vater etwa klagt: „Meine Tochter hatte diesen LdSQuatsch die ersten beiden Schuljahre. Nach dem zweiten Schuljahr bekam sie eine neue Lehrerin. Auf dem ersten Elternabend teilte diese mit, daß ein Arbeiten im Deutschunterricht nicht möglich sei, die Kinder hätten allesamt zu viele Defizite in der Rechtschreibung.“ In ganz Deutschland hat sich mit Hilfe der Kultusministerien eine Idee Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT Schreibschrift: Sprachstraße: Schlecker-Brief: Erste Unterschriften übergeben Arbeitsgemeinschaft erweitert Entrüstungssturm entfacht Unsere Aktion „Rettet die Schreibschrift“ feierte einen ersten Zwischenerfolg. Gemeinsam mit der „Aktion Deutsche Sprache“ übergab die DEUTSCHE SPRACHWELT die ersten Unterschriften an die Kultusministerkonferenz (KMK). Am 9. Dezember überreichten wir 2.108 Unterschriften an KMK-Präsident Bernd Althusmann. Wir sammeln weiter! Fordern Sie bitte Unterschriftenlisten bei uns an. Danke für Ihre Mithilfe! Siehe Seite 6. Das dritte Arbeitstreffen der Arbeitsgemeinschaft (AG) „Straße der deutschen Sprache“ fand am 17. November in der Goethestadt Bad Lauchstädt statt. Mittlerweile arbeiten ein Dutzend Orte in der AG an der Planung der neuen Ferienstraße, deren Kern in Mitteldeutschland entsteht. Ein Dutzend weiterer Orte ist interessiert. Die AG tauschte sich unter anderem über ein Vermarktungskonzept aus. Siehe Seite 4. Am 22. Oktober veröffentlichten wir im Facebook-Auftritt der DEUTSCHEN SPRACHWELT ein Antwortschreiben der Drogeriekette „Schlecker“, das seinen Spruch „For You. Vor Ort“ mit dem vermeintlich „niedrigen Bildungsniveau“ der Schlecker-Kunden rechtfertigte. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung aus, der das Unternehmen zu mehreren Stellungnahmen zwang – ein herber Schlag für alle Dengländer. Siehe Seite 3. Die Mängel von LdS sind wissenschaftlich längst erwiesen. So gab das Hessische Kultusministerium eine Untersuchung in Auftrag, die die Vorzüge der „Rechtschreibwerkstatt“ von Sommer-Stumpenhorst beweisen sollte. Doch die Untersuchung „Schriftsprach-Moderatoren“ – auch als „Marburger Studie“ bekannt – lieferte nicht das gewünschte Ergebnis. Unabhängigen Lehrern gelang es nämlich, in die Untersuchung eine Vergleichsgruppe aufnehmen zu lassen, die traditionell mit einer Fibel (mit dem Namen „Lollipop“) unterrichtet wurde. Ende 2004 lagen die Ergebnisse vor: Der Anteil der rechtschreibschwachen Kinder lag in der LdS-Gruppe am Ende der 1. Klasse bei 16 Prozent, am Ende der 2. Klasse bei 23 Prozent. In der FibelGruppe hingegen waren nach dem ersten Schuljahr sechs Prozent, nach dem zweiten sogar nur noch fünf Prozent der Schüler rechtschreibschwach. Das waren eindeutige Ergebnisse, die das Hessische Kultusministerium jedoch zurückhielt. Statt dessen gab es eine neue Untersuchung in Auftrag. Eine Arbeitsgruppe an der Universität Gießen um Ulrich Glowalla sollte prüfen, wie gut sich Lese-RechtschreibSchwierigkeiten durch SommerStumpenhorsts Methode verhindern lassen. Diese Studie konnte endlich das gewünschte Ergebnis bereitstellen, denn: „Professor Glowallas Ehefrau ist Geschäftsführerin der Lerndesign GmbH, die Material für die ‚Rechtschreibwerkstatt‘ herstellt und dieses über den Collishop von Diplom-Psychologe Norbert-Stumpenhorst im Internet vertreibt“, wie die „Frankfurter Rundschau“ herausfand. Bayern hat soeben damit begonnen, seinen Grundschullehrplan bis zum Schuljahr 2014/15 zu überarbeiten. Dazu hat das Kultusministerium in einem ersten Schritt 3.500 Grundschullehrer befragt. Nur 17,9 Prozent der Befragten stimmten dabei nicht der Aussage zu, daß lautgetreues Schreiben „eine nachlässige Haltung bezüglich einer korrekten Rechtschreibung“ fördert. Ob dieses klare Ergebnis sich im neuen Lehrplan widerspiegeln wird? Es ist zu wünschen, aber nicht sicher. „Lesen durch Schreiben“ ist ein Irrweg, der zurückgegangen werden muß. Leserbriefe Seite 2 Glanzlichter der deutschen Sprache ach zwei Tagen Autofahrt kommen wir von Berlin tief in den Süden Italiens, an den Knick der Stiefelspitze, dort wo Odysseus der Sage nach ans Ufer gespült wurde. Aus dem Stapel der in den letzten Augenblicken vor der Abfahrt zusammengesuchten Bücher ergreife ich eins. Das hatte ich schon einmal in der Hand, allerdings in der Geschäftigkeit des Berufsalltags nur kurz: „Sternstunden der deutschen Sprache“, herausgegeben von Walter Krämer und Reiner Pogarell (IFB-Verlag, Paderborn 2003, 431 Seiten, 24,90 Euro). Nun, im Urlaub, zieht es mich in seinen Bann. Ich vertiefe mich darin. In feinsinnig formulierten und gestalteten Beiträgen werde ich an einem farbenfreudigen Faden durch das Geflecht deutscher Geschichte geführt. Die ausgesuchten und kommentierten Glanzlichter deutscher Sprache sind außerordentlich lehrreich und anregend. Viele von ihnen werden der Dunkelheit und Vergessenheit entrissen und dürfen wieder im Sternenhimmel unserer Sprache und Geschichte leuchten! Ich fühle mich von den Autoren mannigfaltig bereichert, belehrt und beschenkt. Möge diese Sammlung zu einem Standardwerk deutscher Geschichte werden! Erhard Bohr, Berlin Analphabetismus wird gefördert Zur geplanten Abschaffung der Schreibschrift D ie Abschaffung der Schreibschrift wirft auch in Naturwissenschaft und Technik Probleme auf. Bei (kleinbuchstabigen) Abkürzungen für physikalische Größen werden die im Druck vorgeschriebenen Kursivbuchstaben auf Schultafeln oder Projektionsfolien durch Schreibschriftbuchstaben ersetzt, während die Einheitenabkürzungen in Grundschrift gesetzt oder mit Druckbuch- staben geschrieben werden. Auf diese Weise werden etwa „Masse“ von „Meter“ oder „Millisekunde“ von „Masse mal Strecke“ und anderes mehr auseinandergehalten. Die angedachte „Schriftreform“ wird also auch den Analphabetismus der künftigen Ingenieure und Physiker befördern, aber die benötigt man hierzulande ja ohnehin nur für Lippenbekenntnise. Dr. E. Schmidt, Bad Schönborn Was hat Ihnen gefallen? Was hätten wir besser machen können? Worauf sollten wir stärker eingehen? Schreiben Sie uns, wir freuen uns auf Ihre Meinung! Auch wenn wir nicht jeden Brief beantworten und veröffentlichen können, so werten wir doch alle Zuschriften sorgfältig aus. Bei einer Veröffentlichung behält sich die Redaktion das Recht vor, sinnwahrend zu kürzen. Auf diese Weise wollen wir möglichst viele Leser zu Wort kommen lassen. Schreiben Sie bitte an: DEUTSCHE SPRACHWELT Leserbriefe Postfach 1449, D-91004 Erlangen [email protected] Einfach lächerlich! Zum Beitrag „Schreiben wie in Holzpantoffeln“ von Karin PfeifferStolz in DSW 45, Seite 3 K arin Pfeiffer-Stolz’ Artikel fand ich ganz ausgezeichnet. Es ist ja wirklich absurd, daß nach der für die deutschen Schulkinder so problematisch verlaufenen Rechtschreibreform jetzt auch noch diese neue Marotte zur Diskussion steht. Einfach lächerlich! Allerdings ist in den USA etwas ganz Ähnliches geplant. James Werner Fuchs, Buenos Aires Wiener Chinesen brauchen kein „SALE“ Zum Beitrag „Deutschland schafft seine Sprache ab“ (Teil 1) von Wolfgang Hildebrandt in DSW 44, Seite 3 D as einzige Auslagenfenster (auf binnendeutsch würde man wohl eher Schaufenster sagen) in Wien, wo ich während der letzten Monate eine Ankündigung AUSVERKAUF gelesen habe – nicht das auch in Österreich allgegenwär- tige SALE, noch den da und dort manchmal angekündigten ABVERKAUF – befindet sich im „Hongkong Haus“ im siebenten Stadtbezirk, wo eine chinesische Familie, ohne Mitwirkung irgendeiner einheimischen „Kraft“, tausenderlei Heilkraft aus dem Baumarkt? Liebe Leser! Zum Buch ,,Sternstunden der deutschen Sprache“ N Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 im Reich der Mitte hergestellte Erzeugnisse feilbietet, vom Fingerhut bis zur meterhohen Porzellanvase. Dr. Franz Rader, Obmann (Vorsitzer) des Vereins „Muttersprache“, Wien Von Dagmar Schmauks F ehlgriffe bei Fremdwörtern sind bekanntlich eine unerschöpfliche Quelle des Frohsinns – natürlich nur für Linsenzähler, ergänzen die eher unbekümmerten Sprachbenutzer diesen Satz. Neulich wurde in einem Nachruf jemand als „Mensch hoher PRÄZESSION“ beschrieben – er trudelte also zu Lebzeiten wie ein Kreisel? Hoffentlich nicht ausgerechnet während der Fronleichnams-Präzession! Die abgebildete Fundsache zeigt sehr schön, wie leicht man Wörter gleicher Aussprache verwechselt, wie also sachlich nicht Zusammengehöriges sich trotzdem lianenartig umeinander wickelt. Bild: Schmauks „Akupunktur“ – ein Kunstwort aus lateinisch „acus“ (Nadel) und „pungere“ (stechen) – heißt das traditionelle chinesische Verfahren, den gestörten Fluß der Lebensenergie durch Nadelstiche zu behandeln. Bei der „Akupressur“ massiert man die entsprechenden Stellen mit den Fingerspitzen. Moderne „Power-Patienten“ verschmähen aber offenbar diese sanften Maßnahmen, bei ihnen wirkt nur noch geballte Energie (lat. „accumulare“ = anhäufen). Jeder Heimwerker kennt Akku-Schrauber, -Schleifer und -Sägen sowie die durchdringende Kraft und Lärmentwicklung dieser Geräte. Vor unserem beklommenen geistigen Auge wirft eine stämmige Masseurin mit Gehörschutz ein klobiges Gerät an, der Hochleistungsmotor heult auf, und der tausendmal in der Minute rotierende Aufsatz nähert sich unaufhaltsam unseren Fußsohlen … Dazwischen Es gibt Menschen, die verweilen – Aus guten Gründen – zwischen den Zeilen. Und jeder, der dies ausprobiert, Ist plötzlich besser informiert! Günter B. Merkel, Wilhelmsfeld Einstieg in die dichterische Merkelwelt: Günter B. Merkel: Große Sprüche vom gnadenlosen Dichter, SWP-Buch-Verlag, Wilhelmsfeld 2007, 128 Seiten, fester Einband, 9,50 Euro. Bestellung unter Telefon 06220/6310. www.merkel-gedichte.de Briefe an uns und unsere Leser (Rechtschreibung im Original) „Ladies After Work Party ‚Lounge in the City‘ powered by CSU“ Sehr geehrter Herr H., ist es hier, mehr Mitsprache und mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für Frauen in der CSU zu schaffen. Mit neuen Veranstaltungsformen, wie der Ladies After-Work Veranstaltungsreihe, wollen wir insbesondere neue weibliche Zielgruppen ansprechen, um eine stärkere Repräsentanz von Frauen in der CSU zu erreichen und die Attraktivität der Partei für weibliche Wähler zu erhöhen. vielen Dank für Ihre E-Mail vom 1. August 2011, in dem Sie insbesondere den Titel der CSU-Veranstaltungsreihe „Lounge in the City“ ansprechen. 2011 ist das „Jahr der Frau“ in unserer Partei. Unser Ziel Wir haben für die Einladung zu unserer ersten Frauenveranstaltung den bereits eingeführten Begriff „Ladies After Work“ verwendet, um gerade die großstädtischen Frauen anzusprechen. Mit großem Erfolg – Wir haben mit CSU-Landesleitung Franz-Josef-Strauß-Haus Nymphenburger Straße 64 80335 München 10. Oktober 2011 genau dieser Art der Einladung bei unserer ersten Veranstaltung in München rund 600 Gäste, darunter auch zahlreiche Nicht-CSU-Mitglieder, erreichen können. Die Veranstaltung, ebenso wie die Folgeveranstaltungen in Nürnberg, Regensburg, Augsburg und Rosenheim, Neu-Ulm und Erlangen hat auch in den Medien und im Internet eine breite und für die CSU sehr positive Berichterstattung gefunden. Darüber hinaus konnten wir bereits auf der Veranstaltung neue Mitglieder für die CSU und für die Frauen-Union gewinnen. Unsere Frauenveranstaltung war zudem so erfolgreich, weil Veranstaltungsort und Ziel der Veranstaltung ein stimmiges Gesamtbild ergaben. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Bezeichnung „Lounge in the City“ neu und ungewohnt erscheinen mag. Unser Erfolgsrezept als Partei war es jedoch stets, offen zu sein für Neues, wo es nötig und erfolgreich ist. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen alles Gute. Mit freundlichen Grüßen Julia Gschrey Leiterin Referat Bildung, Kultur, Senioren Landesgeschäftsführerin SEN, AKH, AKS Volkswagen: Anglizismen sind „unumgaenglich und sogar Zielfuehrend“ [email protected] 30. August 2011 Sehr geehrter Herr B., vielen Dank fuer Ihre Anmerkungen und Fragen zum zunehmenden Gebrauch englischer Ausdruecke im Rahmen der Namensgebung von Volkswagen. Grundsaetzlich sind wir bestrebt, fuer unsere Produkte Namen zu entwickeln, die der Produktpositionierung, der Zielsetzung des Produktes und der „Kundenerwartung“ beziehungsweise dem Kundenverstaendnis gerecht werden. In diesem Zusammenhang entwickeln wir Namen und Bezeichnungen fuer Fahrzeugprojekte, Fahrzeugfunktionen und Aktionen, die mit den entsprechenden Schnittstellen im Unternehmen abgestimmt werden. Ziel ist eine korrekte und einheitliche Kommunikation dieser abgestimmten Namen und Bezeichnungen, um eine moeglichst erfolgreiche Bekanntmachung der Produkte im Markt zu erreichen, um Vertrauen aufzubauen und die Kaufentscheidung positiv beeinflussen zu koennen. Wir als global agierender Konzern moechten bei den besonders wichtigen Produktbestandteilen international einheitlich auftreten. Die Internationalisierung von Produkten und Technologien fuehrt dazu, dass Produkte und Technologien weltweit gleich benannt werden, um eine einheitliche Marktdurchdringung, Bekanntheit zu erreichen. Eine Zielsetzung der neuen Namensstrategie ist es, die Produktmarken und -bestandteile weltweit durch gleiche Namen fuer gleiche Produkte nachhaltig zu staerken. Daher wurde beispielsweise bei den Antriebsarten oder Motoren versucht, Namen zu kreieren, die als Marke schuetzenswert sind und international eingesetzt werden koennen. Beispiele sind „4Motion“, „BlueMotion“, „TSI“ und „TDI“ und ganz aktuell „Think Blue.“. „BlueMotionTechnologies“ ist die Dachmarke fuer alle Produkte und Technologien, die unsere Fahrzeuge schon heute effizienter machen. Sie steht fuer das Zusammenspiel vieler Innovationen wie zum Beispiel „BlueMotion“, „BlueTDI“ und „TSI EcoFuel“. „BlueMotion“ heisst nicht nur „blaue Bewegung“ – „BlueMotion“ ist eine Konzeptmarke, die sowohl fuer „nachhaltige Mobilitaet“ steht, aber auch als das Guetesiegel fuer Umweltorientierung und Nachhaltigkeit der Marke Volkswagen PKW verstanden wird. Zukuenftig wird diese im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie der Marke Volkswagen PKW verstaerkt ihren Einsatz finden. Economy wird in Ihrem geschilderten Zusammenhang als Oekonomie, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit als Eigenschaften unserer zukunftsorientierten Innovationen, die allen zugaenglich gemacht werden sollen, verstanden. Nachhaltigkeit ist bei Volkswagen mehr als nur eine edle Absicht: es ist ein Unternehmensziel! Fahrzeuge zu bauen, die wenig CO2 ausstossen, ist hierbei nur der Anfang. Im Zuge der Internationalisierung und der verstaerkten Ansprache internationaler Kunden sind Anglizismen unumgaenglich und sogar Zielfuehrend. Diese Namen und Bezeichnungen sollten allerdings leicht verstaendlich und international einsetzbar sein. Wir hoffen, dass wir auf Ihre Anmerkungen in vollem Umfang eingegangen sind und dass wir Ihre Fragen vollstaendig und zufriedenstellend beantworten konnten. Fuer weitere Fragen und Anregungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfuegung. Mit freundlichen Gruessen Ihr Volkswagen Dialog Center VOLKSWAGEN AG Gegründet im Jahr 2000 Erscheint viermal im Jahr Auflage: 25.000 Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro. Für Nicht- und Geringverdiener ist der Bezug kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind sehr willkommen. Bundesrepublik Deutschland Verein für Sprachpflege e. V. Stadt- und Kreissparkasse Erlangen Bankleitzahl 763 500 00 Kontonummer 400 1957 BIC: BYLADEM1ERH IBAN: DE63763500000004001957 Republik Österreich Verein für Sprachpflege e. V. Volksbank Salzburg Bankleitzahl 45010 Kontonummer 000 150 623 Bitte bei der Überweisung vollständige Anschrift mit Postleitzahl angeben! ISSN 1439-8834 (Ausgabe für Deutschland) ISSN 1606-0008 (Ausgabe für Österreich) Herausgeber Verein für Sprachpflege e. V. Sammelanschrift Deutsche Sprachwelt Postfach 1449, D-91004 Erlangen Fernruf 0049-(0)91 31-48 06 61 Ferndruck (Fax) 0049-(0)91 31-48 06 62 [email protected] [email protected] Schriftleitung Thomas Paulwitz [email protected] Gestaltung und Satz moritz.marten.komm. Claudia Moritz-Marten [email protected] Anzeigen moritz.marten.komm. Hans-Paul Marten Fernruf 0049-(0)22 71-6 66 64 Ferndruck (Fax) 0049-(0)22 71-6 66 63 [email protected] Sprachwelt-Mitarbeiter Ursula Bomba, Lienhard Hinz (Berlin), Rominte van Thiel, Dagmar Schmauks, Wolfgang Hildebrandt, Diethold Tietz, Jürgen Langhans, Ulrich Werner, Klemens Weilandt, Andreas Raffeiner (Bozen/Innsbruck) Druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH Wiener Straße 80, A-3580 Horn Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Das gilt besonders für Leserbriefe. Die 47. Ausgabe erscheint im Frühling 2012. Redaktions- und Anzeigenschluß sind am 31. Januar 2012. Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 Hintergrund Seite 3 Denglisch ist für Dumme Der Fall „Schlecker“ – ein Lehrstück für den Widerstand gegen die Sprachverhunzung Von Thomas Paulwitz Z weimal brachte die DEUTSCHE SPRACHWELT (DSW) im Jahr 2011 Personen des öffentlichen Lebens auf die Titelseite der BILD-Zeitung, Deutschlands größter Tageszeitung. Am 10. März war es Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, am 27. Oktober erwischte es Florian Baum, den Pressesprecher der Drogeriekette „Schlecker“. Während sich der erste darüber sicher gefreut haben dürfte, hat sich der zweite vermutlich eher geärgert. Beide fanden nämlich Erwähnung in der Rubrik „Gewinner/Verlierer“, allerdings in unterschiedlichen Spalten – Ramsauer auf der Gewinner-, Baum auf der Verliererseite. Was war geschehen? Ramsauer hatte sich als „Sprachwahrer des Jahres“ einen Namen gemacht, weil er in seinem Ministerium systematisch entbehrliche Anglizismen vermeidet. So machte er unter anderem das „Travel Management“ wieder zur „Reisestelle“. Außerdem setzte er durch, daß die Deutsche Bahn nach und nach an allen Bahnhöfen den „Service Point“ in „DB Information“ umbenennt: „BILD meint: Deutsche Sprache, klare Sprache!“ „Im Ton vergriffen!“ Das Unternehmen „Schlecker“ hingegen hatte einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen, nachdem es seine Vorliebe für Denglisch begründet hatte. Florian Baum, „Leiter der Unternehmenskommunikation“, hatte in einem Brief an einen DSW-Leser mit ungeschickten, aber entlarvenden Worten den Spruch „For You. Vor Ort“ verteidigt. Er rechtfertigte ihn gar mit dem „niedrigen Bildungsniveau“ seiner Kunden: „BILD meint: Im Ton vergriffen!“ Der Fall verursachte einen beträchtlichen Ansehensschaden nicht nur für „Schlecker“, sondern auch allgemein für denglische Werbesprüche, denn er bestätigte die Vorbehalte gegenüber deutsch-englischen Sprachmischungen. „Jetzt ist es amtlich: Denglisch ist für Doofe“, jubelte daher Walter Krämer in den „Sprachnachrichten“. Doch betrachten wir den Fall von vorn. Mitte Mai 2011 gab sich die Drogeriekette „Schlecker“ im Rahmen ihres Programms „Fit for Future“ ein neues Erscheinungsbild. Infolgedessen führte das Unternehmen den neuen Leitspruch ein: „For You. Vor Ort“. Schon bald erreichten die DEUTSCHE SPRACHWELT Zuschriften entsetzter Bürger. Einer schrieb entgeistert: „Ich dachte, so etwas wäre heute nicht mehr möglich“. „Das schleckert nicht“ Erfunden hat den Spruch die bekannte Düsseldorfer Werbeagentur Grey, die schon des öfteren mit den von ihr entwickelten Werbesprüchen kräftig danebengelangt hat. Es erstaunt, welchen Flurschaden ein einziges Unternehmen in der Werbesprache in Deutschland hinterlassen kann. So ist Grey unter anderem verantwortlich für „Ruhrn TeamworkCapital“ als Marke für das Ruhrgebiet, für den Karstadt-Spruch „Schöner shoppen in der Stadt“ und für die Aufforderung „Love Odol“, die das bisherige „Küß mit“ des Mundwasserherstellers ersetzte. Und nun schuf Grey „For You. Vor Ort“. „Das schleckert nicht“, warnte frühzeitig Bernd M. Samland in seinem Netztagebuch www.markenecho.de. Der Geschäftsführer der Markenagentur „Endmark“ spottete: „Besonders interessant ist der Sprachmix Englisch-Deutsch; wahrscheinlich für die anglophil-angehauchte typische Schlecker-Kundin – oder für die Internationalität ‚vor Ort‘?“ Außerdem gebe es bereits 285 „For you“-Marken, dazu kommen 82mal das noch blödere „4U“ und 56 „Vor Ort“-Marken, so Samland weiter. Es gab also sehr gute Gründe, „Schlecker“ in der Sommer-Ausgabe der DEUTSCHEN SPRACHWELT in die Sprachsünder-Ecke zu stellen (vergleiche DSW 44, Seiten 1 und 10). „Schlecker geht uns auf den Wecker“, meinten wir. Wie immer forderten wir zu Beschwerdebriefen auf. Unser Leser Dr. Paul W. ließ sich das nicht zweimal sagen und schrieb am 23. Juli einen geharnischten Brief ins „Schleckerland“ nach Ehingen: „Was soll dieser englisch-deutsche Sprachmischmasch?“ fragte er und rief zu mehr Verständlichkeit und Selbstbewußtsein im Gebrauch der Muttersprache auf. Um dem Schreiben Nachdruck zu verleihen, ließ es Dr. W. von rund zwei Dutzend Sprachfreunden unterzeichnen: „Wir protestieren gegen diese sprachliche Selbstverleugnung und bitten Sie dringend, in Zukunft deutsche Formulierungen zu verwenden.“ „Der Stiltugend der Latinitas verpflichtet“ Am 1. September antwortete „Schlecker“ mit einem Schreiben, das Baum verfaßt hatte. Der Unternehmenssprecher hatte sich Zeit genommen und erfreulicherweise nicht – wie sonst leider häufig üblich – eine aus Textbausteinen zusammengesetzte, mit leeren Worthülsen zusammengestückelte Blabla-Antwort geschrieben. Statt dessen schlug er einen überraschend anbiedernden Ton an und versuchte angestrengt, mit seiner eigenen Bildung zu beeindrucken. Er selbst, so Baum, fühle sich ja „im privaten Sprachgebrauch der Stiltugend der Latinitas verpflichtet“, prahlte er. Daher sehe er „die Bestrebungen des Vereins Deutsche Sprache mit großem Wohlwollen“. Den Protest nehme er also „mit Sympathie zur Kenntnis“. Das neue Unternehmensmotto sollte jedoch „die durchschnittlichen SchleckerKunden, die niederen bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen sind, ansprechen.“ Zielgruppe seien also „nicht die vielleicht 5 % der Bevölkerung, zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner gehören (nämlich promovierte Akademiker, Philologen und andere reflektierte Sprachverwender) – sondern die übrigen 95 %.“ So offen und ehrlich hatte bislang noch kein Unternehmen zugegeben, wie hochmütig es über seine Kunden denkt. 95 Prozent der Bevölkerung denken also nicht über die Sprache nach, belehrt uns „Schlecker“ – was nicht stimmt, wie Umfragen zeigen. Sprachmischungen sind, wenn wir „Schlecker“ folgen, am besten dazu geeignet, um Ungebildete zu beeindrucken. Baum selbst spricht privat freilich nicht so, denn er zählt sich gab. Meist berichten Zeitungen nämlich erst dann über Aktionen, wenn eine Nachrichtenagentur etwas gemeldet hat. Diesmal ist es umgekehrt. Aufgrund der zahlreichen Presseveröffentlichungen, die bereits erschienen sind, sieht sich die Deutsche Presseagentur (dpa) verpflichtet zu berichten (siehe Kasten). offenbar zu den erlesenen fünf Prozent der Bevölkerung. Daher versäumte er auch nicht, neben seine Unterschrift die Abkürzung „M.A.“ – Magister Artium – zu setzen. Dieses Schreiben fanden wir so bemerkenswert, daß wir es in der Herbst-Ausgabe der DEUTSCHEN SPRACHWELT veröffentlichten (DSW 45, Seite 2). Darüber hinaus luden wir am 22. Oktober auf Bitten eines Lesers eine Ablichtung des Schreibens auf unsere Facebook-Seite hoch und kommentierten: „Schlecker verteidigt seinen Spruch ‚For You. Vor Ort‘ mit dem ‚niedrigen Bildungsniveau‘ seiner Kunden.“ Außerdem verbreiteten wir einen Hinweis über den Kurzmitteilungsdienst „Twitter“. „Ideal für Doofe“ Mit dem Einspeisen in die elektronischen Medien lösen wir ein Lauffeuer aus, das wir so nicht für möglich gehalten hatten und „Schlecker“ in höchste Erklärungsnöte bringt. Rund 1.000 Facebook-Nutzer setzen den Brief auf ihre Facebook-Seite, wo er wiederum von vielen anderen gelesen werden kann. Über 400 Kommentare erscheinen unter dem Brief. Binnen kurzem steigt die Zahl der Sprachwelt-Leser auf Facebook von 7.000 auf über 8.000. Schnell werden Twitter-Nutzer aus der Werbebranche aufmerksam und geben den Brief an ihre zahlreichen Leser („Follower“) weiter. Eine Lawine entsteht. Die einschlägigen Fachzeitschriften für Werbung bemerken dies als erste und berichten. Das Magazin „Meedia“ titelt am 25. Oktober: „Neuer SchleckerClaim: ideal für Doofe“. Am selben Tag berichtet „W&V“ („Werben und Verkaufen“). „Schlecker“ sieht sich zu einer ersten öffentlichen Stellungnahme gezwungen, bleibt jedoch uneinsichtig, vergreift sich dabei im Ton und beschimpft Kritiker sogar als „unverschämt und arrogant“: „Ansonsten stellen wir uns gerne einer echten Diskussion, ob ein kreatives Unternehmensmotto mit einer Kombination aus deutschen wie englischen Begriffen Sprache allgemein weiter entwickelt oder degeneriert.“ Unterdessen erreicht der Fall „Schlecker“ die wichtigsten deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Bei der DEUTSCHEN SPRACHWELT melden sich unter anderem BILD, „Frankfurter Allgemeine“ und „Spiegel Online“. Am 26. Oktober berichten „Süddeutsche“ („For You. Vorsicht“), „Handelsblatt“ („Schlecker nennt Kunden ungebildet“), „Financial Times Deutschland“ („Schlecker hält eigene Kunden für blöd“) und viele andere. „Schlecker-Claim löst Shitstorm aus“ Besondere Wirkung entfaltet ein Beitrag in „Spiegel Online“, in dem Jochen Brenner spöttisch feststellt: „Jeder Schlecker-Kunde, der die Prozentrechnung beherrscht, hat nun schwarz auf weiß, daß belesene Schöngeister ihr Klopapier bei Drogerie Müller einkaufen.“ Am Tag darauf zieht „Welt Online“ mit einem eigenen Artikel nach, der den Titel trägt: „Schlecker ist die FDP im Einzelhandel. Nur peinlich“. Beide Medien sprechen von einem „PR-Desaster“, also von einer katastrophalen Öffentlichkeitsarbeit der Drogeriekette. Zahllose Kommentare werden an den verschiedensten Orten im Netz geschrieben. Überall ist das mißlungene Motto im Gespräch. Die Zeitschrift „Meedia“ betitelt daher einen Beitrag: „Schlecker-Claim löst Shitstorm aus“. Auf unserer Facebook-Seite übersetzen wir: „Schlecker-Spruch entfacht Sturm der Entrüstung.“ „Meedia“ ändert später die Überschrift in „Eiertanz um ‚doofe‘ Kunden“. Sogar Werbeleute versuchen nun offenbar, nicht allzu sehr mit Denglisch um sich zu werfen, um nicht in die SchleckerEcke zu geraten. Als dann die BILD-Zeitung am 27. Oktober den „Schlecker“-Sprecher zum „Verlierer“ des Tages kürt, veröffentlicht „Schlecker“ die zweite Stellungnahme: „Brief führte zu Mißverständnissen“. Diesmal spart sich „Schlecker“, Kritiker zu beschimpfen. Der Brief des Pressesprechers sei „unglücklich formuliert“ gewesen: „Jede Art von Mißverständnis bedauern wir sehr.“ Nun geschieht etwas, was es in der Pressearbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT bisher noch nicht „Schlecker“ setzt auf Türkisch Was bleibt? Nahezu eine Woche lang war der Fall „Schlecker“ im Gespräch. Er wird aber auch über diese Aufregung hinaus nachwirken. Wer künftig einen denglischen Werbespruch einsetzt, muß mit dem Vorwurf rechnen, er halte wohl seine Kunden für dumm. „Finger weg von denglischen oder englischen Claims! [Werbesprüchen]“, empfiehlt daher ein Berater für Rufpflege. Für die tatkräftigen Sprachschützer bleibt die Genugtuung, daß auch ein kleiner Beschwerdebrief wirken kann. Beschweren lohnt sich also! Indem wir den Einsatz gedruckter und elektronischer Medien verknüpften, kamen wir zum Erfolg. Diese Erkenntnis ist wegweisend für unsere Spracharbeit. Bei „Schlecker“ indes scheinen Hopfen und Malz verloren. Das Unternehmen will trotz dieser Erfahrung vorerst an seinem mißlungenen Spruch festhalten. Es arbeite jedoch daran, so „Schlecker“-Sprecher Patrick Hacker am 4. November zur „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, seine Kunden in einer Sprache anzusprechen, die sie verstehen. Daher verbreitet „Schlecker“ seit November in Duisburg Prospekte für Kunden „in ihrer Landessprache“ – nämlich Türkisch. Im Erfolgsfall will „Schlecker“ Türken deutschlandweit gezielt auf türkisch ansprechen. Etwas Deutschklingendes findet sich dann zumindest noch im Werbespruch: „For You. Vor Ort“. Die DSW in der Presse Die Nachrichtenagentur dpa meldete am 27. Oktober 2011: Schlecker tappt in Kommunikations-Fettnapf Von Johannes Wagemann hingen (dpa) – Die Zeiten der Negativschlagzeilen schienen doch eigentlich vorbei zu sein. Vor rund einem Jahr übernahm die jüngere Generation das Ruder bei der Drogeriekette Schlecker – und vor allem die Verantwortung für die Außendarstellung. Seitdem krempelten Meike und Lars Schlecker den Konzern ihres Vaters Anton ordentlich um. Neben der Umgestaltung hunderter Filialen gab es einen neuen Werbespruch. „For You. Vor Ort“, entwickelt von der renommierten Werbeagentur Grey, soll den Aufbruch verdeutlichen. … Diskussionen über den neuen Slogan gab es bereits seit dessen Einführung im Frühjahr. Doch dann veröffentlichte der „Verein für Sprachpflege“ einen kritischen Artikel über den Werbespruch in seiner Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“. Ein Sprachkritiker wandte sich ob des „Denglisch“ direkt an die Drogeriekette. Ein seit Jahren für das Unternehmen tätiger Sprecher antwortete – und das so, daß Schlecker nun ein echtes Kommunikationsproblem hat. Der Wortlaut des im Internet veröffentlichten Schreibens hat es in sich. Zum einen distanziert sich der Sprecher vom Werbespruch und verweist darauf, er fühle sich „der Latinitas verpflichtet“ – und sehe die Aktivitäten der Sprachschützer „mit Wohlwollen“. Was aber für hämische bis wütende Kommentare in etlichen Internetforen führt, ist die Argumentation für den Slogan der Ehinger. Das Motto solle durchschnittliche Schleckerkunden ansprechen, die „niederen bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen“ seien, so der Sprecher. Und das ist nicht alles: Diese Massenzielgruppe zähle eben nicht zu den „reflektierten Sprachverwendern“, zu denen sich der Sprecher selbst genauso wie die Sprachschützer zählt. … Sprachpolitik Seite 4 Schwarze Woche im Bundestag Die deutsche Sprache soll nicht ins Grundgesetz, aber raus aus dem Gericht Von Thomas Paulwitz D er Deutsche Bundestag beschäftigte sich Anfang November in einer Woche gleich zweimal mit der politischen Stellung der deutschen Sprache. Am 7. November beriet der Petitionsausschuß über die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz. Am 9. November sprach der Rechtsausschuß über den Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung von Englisch als weiterer Gerichtssprache in Deutschland. Zumindest das Zustandekommen der ersten der beiden Sitzungen schien zunächst ein Erfolg zu sein: Obwohl die Petition für „Deutsch ins Grundgesetz“ mit 5.165 Mitzeichnern das für eine Anhörung erforderliche Quorum von 50.000 bei weitem verfehlt hatte, lud der Petitionsausschuß des Bundestags die Petenten ein – den Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) und den Verein Deutsche Sprache (VDS). Doch schon die zusätzliche Einladung eines Gegenpetenten, der noch weniger Unterstützer hinter sich scharen konnte, machte stutzig. Der Hamburger Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch hatte in einer Gegenpetition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ 3.189 Stimmen gesammelt und durfte ebenfalls zur Anhörung erscheinen und seinen Standpunkt darlegen. So nahm eine der lächerlichsten und unwürdigsten Veranstaltungen zur deutschen Sprache ihren Lauf. Die Ausschußmitglieder nahmen den Petenten Walter Krämer (VDS) sogleich ins Kreuzverhör. Die wichtigste Frage des Grünen Memet Kilic war, wie man denn das Wort „Marketing“ auf deutsch ausdrücken könne. Dabei kam sich der Abgeordnete offenbar sehr schlau vor. Die Linke Agnes Alpers schwadronierte von der multikulturellen Gesellschaft, für die wohl jeder sein müsse, und holte den Allgemeinplatz von der „Sprache im Wandel“ aus dem Keller der gesammelten Totschlagargumente. Peter Röhlinger von der FDP begleitete sie auf diesem Weg hinunter, kramte das Blendwort „Globalisierung“ aus einer verstaubten Schublade und verlieh seiner Befürchtung Ausdruck, die Betonung der deutschen Sprache in Deutschland könne ausländische Fachkräfte abschrecken. Stefanowitsch hingegen hatte es leicht; er rannte offene Türen ein. Kein Wohlwollen im Petitionsausschuß Krämer war darauf nicht vorbereitet. Er wiederholte zwar die bekannten Argumente, begab sich jedoch aufs Glatteis der Ausländerpolitik und griff dann sogar den Gegenpetenten an, weswegen ihn die Ausschußvorsitzende ermahnen mußte. Dadurch verschlechterte er seine ohnehin schwache Stellung. Krämer hätte wissen können, daß er im Ausschuß kaum mit Wohlwollen zu rechnen hat. Bereits im Mai 2009 – also in der vergangenen Gesetzgebungsperiode – hatte sich der Petitionsausschuß der Haltung des Bundesinnenministeriums angeschlossen: „Eine Ergänzung des Grundgesetzes um den Passus ‚Die Sprache der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch‘ bzw. die Schaffung sonstiger Vorschriften zum Schutze der deutschen Sprache werden […] nicht für erforderlich gehalten.“ Der Bundestag folgte damals der Empfehlung des Ausschusses und beschloß am 14. Mai 2009, die Petitionen dem Bundesministerium des Innern und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zu überweisen, sowie den Fraktionen des Deutschen Bundestages lediglich zur Kenntnis zu geben. So wird es auch diesmal gehen. Die Straße in der Presse Das dritte Treffen der Arbeitsgemeinschaft „Straße der deutschen Sprache“ (AG SddS) fand am 17. November 2011 in Bad Lauchstädt statt. Die Mitteldeutsche Zeitung schrieb darüber am 19. November: Richtiges Deutsch statt „Denglisch“ „Straße der deutschen Sprache“ geplant Von Elke Jäger I mmer mehr Menschen ärgert der oft nachlässige Umgang mit der deutschen Sprache. Da wird von shoppen gesprochen statt von einkaufen, heißt es performance statt Vorstellung, und der gute alte Hausmeister trägt gar die Bezeichnung facility manager. „Denglisch“ nennt man inzwischen solcherart Sprachgemisch. Das muß nicht sein, meinen Sprachpfleger und suchen nach Möglichkeiten, gutes Deutsch wieder stärker ins Bewußtsein zu rücken. Zum Beispiel mit einer „Straße der deutschen Sprache“, die durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen führen soll. Im März gründete sich in Köthen eine Arbeitsgruppe, die inzwischen zum dritten Mal tagte, und zwar in Bad Lauchstädt. „Mit unserer Tradition stehen wir regelrecht in der Pflicht, uns an einem derartigen Vorhaben zu beteiligen“, erklärt Bürgermeisterin Ilse Niewiadoma (FDP). Altmeister Goethe läßt grüßen … Bisher haben rund ein Dutzend Orte ihre Bereitschaft erklärt, an dem Projekt mitzuarbeiten. Noch einmal so viele hätten Interesse bekundet, sagte Thomas Paulwitz, Sprecher der Arbeitsgruppe, gegenüber der MZ. Zu den aktiven Mitgliedern zählten unter anderem Merseburg, Köthen, Bad Lauchstädt, Meißen oder Schleiz. Die Arbeitsgruppe agiert unter dem Dach der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Köthen. Die Gesellschaft sieht sich in der sprachpflegerischen Tradition der Fruchtbringenden Gesellschaft des 17. Jahrhunderts und will in der Öffentlichkeit ein Bewußtsein für den Wert der deutschen Sprache schaffen. „Wir denken an eine Ferienstraße, die Sprachpflege und Tourismus verbindet“, beschreibt Paulwitz die bisherigen Vorstellungen. Die einzelnen Orte müßten entsprechende Stätten benennen, die man – das sei Voraussetzung – auch besichtigen könne. Das wären für Merseburg die Zaubersprüche, für Bad Lauchstädt das Goethe-Theater und das Schillerhaus, aber auch das Festspiel der deutschen Sprache im Goethe-Theater. Man wolle nichts Neues erfinden, sondern bestehende Angebote vernetzen. Darauf sollte mit geeigneten Mitteln hingewiesen werden. Während der Zusammenkunft in Bad Lauchstädt beschäftigte sich die Arbeitsgruppe unter anderem mit einem Marketingkonzept und einem einheitlichen Logo. Nun ist ein politischer Vorstoß für die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz erst wieder nach der nächsten Bundestagswahl 2013 möglich. Doch eine Frage wurde damals wie heute nicht gestellt: Wie kann es sein, daß nach repräsentativen Umfragen über zwei Drittel der Deutschen hinter dem Anliegen der Petition stehen, von diesen Deutschen aber keiner im Petitionsausschuß des Deutschen Bundestags zu finden ist? Volkswille und Abgeordnetenwille klafften wieder einmal meilenweit auseinander. Warum darf der deutschen Sprache kein Verfassungsrang zugestanden werden? Eine mögliche Erklärung gab es zwei Tage nach der Sitzung des Petitionsausschusses, als der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags über den Gesetzentwurf des Bundesrats zur Einführung von Englisch als weiterer Gerichtssprache beriet. Übergewicht von Englischbefürwortern im Rechtsausschuß Diesem Vorhaben, die Stellung der deutschen Sprache weiter zu untergraben, stände eine Ergänzung des Grundgesetzes entgegen. Vorab hatte der Rechtsausschuß Gutachten von sechs Befürwortern und Lobbyisten, aber nur von einem Gegner eingeholt – von Wolfgang Ball, dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof. Dieser kommt in seiner Ausarbeitung unter anderem zu den folgenden Ergebnissen: „Englisch als Gerichtssprache bringt einer englischsprachigen Partei in einem Zivilprozeß vor einem deutschen Gericht keinen nennenswerten Vorteil. Der ‚Sprachbruch‘, den der Entwurf zu vermeiden sucht, ist nicht zu vermeiden. Er besteht in jedem Fall zwischen der englischen Vertrags- und der deutschen Gesetzessprache, gleichviel, ob in der Vertrags- oder in der Gesetzessprache mündlich verhandelt wird. … Die gerade bei der Auslegung des fremdsprachigen Vertragstextes virulente Gefahr von Fehldeutungen wird nicht beseitigt, sondern im Gegenteil verstärkt, wenn Auslegungsfragen nicht in deutscher Sprache geklärt werden, sondern darüber in englischer Sprache verhandelt wird.“ Ein weiterer Kenner konnte nur als Zaungast erscheinen. Der emeritierte Rechtsprofessor Axel Flessner hat den Gesetzentwurf des Bundesrats in einem Beitrag für die „Neue Juristische Online-Zeitschrift“ unter die Lupe genommen (NJOZ 47/2011, 17. November 2011, Seite 1913 bis 1953). Er kommt zu dem Schluß: „Der staatliche Zivilprozeß auf englisch in Deutschland verstößt gegen Verfassungsrecht und Europarecht und ist rechtsstaatlich praktisch undurchführbar.“ Flessner wertet den Gesetzentwurf als „deutlichen Zwischenerfolg für die Englischpolitik“, gibt aber, auch mit Hinweis auf den Verein Deutsche Sprache und die DEUTSCHE SPRACHWELT, einen zuversichtlichen Ausblick: „Es ist zu erwarten, daß der soziale Widerstand gegen diese Sprachpolitik nicht nachlassen und das vom Bundesrat begehrte Gesetz als fatales Signal werten wird.“ Die Empfehlung des Rechtsausschusses stand jedoch bei dem ungleichen Verhältnis von Befürwortern und Gegner (Einzahl!) unter den Sachverständigen bereits vorher fest. So meldete der Deutsche Bundestag nach der Sitzung ein „Ja zu englischsprachigen Gerichtsverhandlungen“. Diese Novemberwoche mit diesen beiden Ausschußsitzungen im Bundestag war wirklich eine schwarze Woche für die deutsche Sprache. Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 Rechtschreibrat schiebt Lehrern die Schuld zu D er Rat für deutsche Rechtschreibung hat nun entdeckt, wer für den allgemeinen Niedergang der Rechtschreibleistungen verantwortlich ist: Lehrer und Schulbuchverlage. Ihnen gelinge es nicht, die reformierten Rechtschreibregeln verständlich zu vermitteln. Am 29. November ließ der Rat über eine Pressemitteilung verlauten: „Der Rat weiß um die Schwierigkeiten, die bereits in der Vermittlung von Rechtschreibung liegen: Didaktisch an die jeweiligen Jahrgangsstufen angepaßte Konzepte sind rar, oftmals wird der betreffende Sachverhalt eins zu eins aus dem amtlichen Regelwerk in die Schulbücher kopiert. Das ist nicht im Sinne der Ersteller des amtlichen Regelwerks: Das amtliche Regelwerk ist von seiner Anlage her mit einem Gesetzestext vergleichbar, der für die einzelnen Benutzergruppen adäquat aufbereitet werden muß.“ Mit anderen Worten: Die Rechtschreibreform ist großartig, doch Schulbuchverlage und Lehrer sind leider zu dumm, sie zu verstehen und zu erklären. Daß dies möglicherweise an der mißlungenen Reform selbst liegen könnte, auf diesen Gedanken kommt der Rat nicht. Zu Recht empörte sich daher tags darauf Dankwart Guratzsch in der „Welt“ über Hans Zehetmair, den Vorsitzenden des Rechtschreibrats: „Wenn er jetzt erklärt, daß mit der Orthographie ‚nachlässig‘ umgegangen werde und daß dies eine Ursache dafür sei, ‚daß ungefähr zwanzig Prozent eines Jahrgangs der 15jährigen als Analphabeten gelten müssen‘, kommt dies einer Bankrotterklärung gleich. … Ein Regelwerk, das nicht vermittelbar ist, kann … zu einer Erleichterung niemals beitragen.“ Auch die Lehrer beschwerten sich über Zehetmairs Watsch’n. Gerhard Brand, der baden-württembergische Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), wies den Tadel zurück: „Lehrer halten sich an die Vorgaben der Bildungspläne“. Wenn der Rat etwas ändern wolle, müsse er bei den Lehrplänen ansetzen. Außerdem sei noch viel zu tun, damit richtiges Schreiben wieder als wertvoll angesehen werde. Derzeit sei die Rechtschreibung „nicht einmal zweitrangig, sondern völlige Nebensache“. Schuld daran sei zum Beispiel, so der VBE, daß die bundesdeutsche Schulpolitik in den 1970er Jahren den Thesen des englischen Soziologen Basil Bernstein verfiel. Dieser sprach von schichtspezifischen Ebenen der Sprache: dem „elaborierten Code“ der Ober- und Mittelschicht und dem „restringierten Code“ der Unterschicht. Infolgedessen sei der Wert von Rechtschreibung immer mehr in Frage gestellt, das Mündliche gegenüber dem Schriftlichen bevorzugt worden. In den „Hessischen Rahmenrichtlinien“ von 1972 ging es den Urhebern bekanntlich darum, Sprache und Rechtschreibung als „Ausübung von Herrschaft“ zu begreifen, weswegen die „Unterwerfung der Schule unter herrschende Normen“ überwunden werden müsse. Schriftliche Diktate wurden als Teufelszeug angesehen. Diese Einstellung wirkt bis heute fort. In Hamburg zum Beispiel dürfen Lehrer Diktate derzeit nicht benoten. Es gibt viele weitere Gründe dafür, warum es mit den orthographischen Fähigkeiten bergab geht. Dazu zählen auch die zahlreichen Reformen, die den Deutschunterricht in den Grundschulen erschüttert haben: vom phonetischen Schreiben bis zur Rechtschreibreform. Diese Reformen haben nicht die Lehrer, sondern die Kultusminister auf den Weg gebracht. Als bayerischer Kultusminister (1986 bis 1998), als Präsident der Kultusministerkonferenz und als Vorsitzender des Rechtschreibrats (2004 bis heute) ist Zehetmair einer der Hauptverantwortlichen für die mißlungene Rechtschreibreform. Er ist auch mitverantwortlich dafür, daß Beliebigkeit einzog und viele Menschen Rechtschreibung nicht mehr als wichtig erachten. Im Jahr 2004, als die Rechtschreibreform kurz vor dem endgültigen Aus stand, war es Zehetmair, der die Aufgabe übernahm, die Neuregelung durch eine erneute Reform zu retten. Es wirkt daher besonders unverfroren, wenn ein ehemaliger Kultusminister nun den Lehrern den Schwarzen Peter unterzujubeln versucht. (pau) Anzeigen Kleinanzeige 900 Jahre Zisterzienser – 900 Jahre literarisches Schaffen Für Sie als Autor die besondere Gelegenheit, uns Ihr Manuskript anzuvertrauen, denn unser bewährtes Verlags-Management wird Ihr Werk bekannt und absatzfähig machen! Bernardus-Verlag in der Verlagsgruppe Mainz, jetzt beheimatet in der Abtei Mariawald: 52396 Heimbach, Tel.02446.950615; Zentrale: Süsterfeldstr. 83, 52072 Aachen, Tel. 0241.873434; www.bernardus-verlag.de Hintergrund Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 „Jugendwörter“ Kommentar der Neuen Osnabrücker Zeitung S ie checken nicht, was „Swag“ bedeutet? Dann sind Sie leider ziemlich out und sollten das Jugendwort des Jahres schnell googeln. „Swag“ ist eine lässig-coole Ausstrahlung, und die hat nun mal nicht jeder. Fast hätte es der Begriff „Fail“ auf Platz eins geschafft. Das englische Wort für „Versagen“ als deutsches Jugendwort 2011? Das ist nicht voll krass, sondern echt schlimm. Denn wenn das so weitergeht, bleibt von der deutschen Sprache nicht viel übrig. Ob Johann Wolfgang Goethe angesichts der Anglizismen-Flut immer noch reimen würde: „Ich hör es gern, wenn auch die Jugend plappert / Das Neue klingt, das Alte klappert“? Dabei ist auch ohne Englisch Potential vorhanden: Das Verb „guttenbergen“ (abschreiben) wählte die Langenscheidt-Jury auf Platz drei. Der Begriff ist witzig, ein bißchen politisch, und ihn versteht nur, wer die Nachrichten verfolgt. Ist doch schön, daß die swagge Jugend clever ist. Bitte mehr davon, und weniger linguistischer Fail! (ots) Die Langenscheidt-Verlagsgruppe hat Anfang Dezember 2011 die „Jugendwörter des Jahres“ festgelegt: 1. Swag (lässige Ausstrahlung), 2. Fail/Epic Fail (grober Fehler, Versagen), 3. guttenbergen (abschreiben), 4. Körperklaus (Tolpatsch), 5. googeln (suchen, nachschlagen). Seite 5 Demokratie lebt von der Sprache Auch die Politik muß sich für die deutsche Sprache einsetzen Von Eduard Oswald, MdB S prache ist nicht nur das Fundament der individuellen Freiheit jedes einzelnen, Sprache ist Voraussetzung, um an gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen teilhaben zu können. So lebt gerade die Demokratie von der Sprache. Der deutsche Sprachraum bildet geographisch gesehen das Zentrum der Europäischen Union und ist das prägende wie auch verbindende Element der Identität und Kultur der dort lebenden Menschen. Die Vielfalt und Schönheit der deutschen Sprache zeigt sich nicht zuletzt in den großartigen Werken der deutschsprachigen Literatur. Dabei hat das Deutsche eine wechselvolle Geschichte hinter sich und mußte sich stets behaupten. Während der Zeit der Aufklärung ging es darum, die deutsche Sprache allen Bevölkerungsschichten als Verständigungsmittel verfügbar zu machen. Niemand sollte mehr wegen seines mangelnden sprachlichen Verständnisses von öffentlichen Angelegenheiten ausgeschlossen werden. Man trat für ein klares und verständliches Deutsch ein, da ein hoher Anteil an Elementen des Französischen für nicht zu unterschätzende Verständnisprobleme bei einem Großteil der Bevölkerung sorgte. Heute entsteht ein ähnliches Problem durch ein Übermaß an englischen Begriffen. So besteht die Gefahr, daß in Bezug auf die deutsche Sprache ganze Handlungszusammenhänge verlorengehen. Denken Sie beispielsweise an Begrifflichkeiten rund um moderne Techniken oder neue Kommunikationsformen. Deswegen gilt es, für die kulturelle und sprachliche Selbstachtung sowie für einen entsprechend selbstbewußten Umgang mit der deutschen Sprache in unserer weltoffenen und europäisch orientierten Gesellschaft einzutreten. Deutsch ist eine schöne Sprache. Auch im Zeitalter der weltweiten Vernetzung müssen im Alltag nicht immer englische Wörter verwendet werden. Eduard Oswald Wir gehen zu einem „Event“ und meinen Ereignis. Wir kaufen Fahrkarten und sagen „Tickets“. Wir könnten Stellungnahme sagen statt „Statement“. Oder Salatsoße statt „Dressing“. Die Liste ließe sich wohl endlos erweitern. Anglizismen werden immer häufiger verwendet, ohne den Gewinn zusätzlicher Ausdrucksmöglichkeiten oder einer gesteigerten Verständlichkeit. Warum gehen wir in unserem täglichen Leben nicht sorgfältiger mit unserer Sprache um? In einer Erhebung des Institutes Allensbach aus dem Jahr 2008 gaben 65 Prozent der Befragten an, sie befürchteten, daß die deutsche Sprache immer mehr „verkomme“. Als Gründe nannten die Befragten unter anderem, daß heute weniger als früher gelesen werde, daß der Einfluß anderer Sprachen auf die deutsche stark zunehme und daß bei der Korrespondenz mit modernen Kommunikationsformen wie elektronischer Post zu wenig auf eine gute Ausdrucksweise geachtet werde. Hinzu kommt die Dominanz des Englischen im Bereich der Unterhaltungsmusik, die vor allem junge Menschen anspricht. Dabei gibt es eine Vielzahl an deutschen Künstlern, die ihre Stücke auch in deutscher Sprache veröffentlichen. Hier gilt es, sich darauf auch einzulassen und diese Künstler in der öffentlichen Wa h r n e h m u n g stärker zu honorieren. Aber das Beherrschen der deutschen Sprache spielt auch im Zusammenhang mit dem Erlernen einer Fremdsprache eine herausragende Rolle. Ich fordere gerade junge Menschen immer wieder auf, mehrere Fremdsprachen zu lernen. Durch Fremdsprachenkenntnisse findet eine Förderung des Verständnisses anderer Kulturen statt. Doch die Voraussetzung dafür ist das Beherrschen der Muttersprache. Das Ersetzen der deutschen Sprache durch die englische in Forschung, Wissenschaft und Technik sowie in der Wirtschaft führt leider zu einem kulturellen Verlust und einem nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsnachteil. Zahlreiche europäische Ausschreibungen etwa werden nicht mehr ins Deutsche übersetzt. Daneben muß Deutsch auch als Fremdsprache attraktiver gemacht werden, was im Hinblick auf unseren Wirtschaftsstandort und den Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte von großer Bedeutung ist. schen Einsatzes dafür, daß Deutsch als Amts- und Arbeitssprache in der Europäischen Union die angemessene Anwendung findet. Schließlich ist Deutsch die meistgesprochene Muttersprache in der EU. Es sollte ein Nebeneinander der Weltsprache Englisch und der jeweiligen Muttersprache praktiziert werden, da die beschriebenen Entwicklungen ja nicht nur auf die deutsche Sprache zutreffen. Deshalb sollten die europäischen Institutionen mit gutem Beispiel vorangehen und die gleichberechtigte Verwendung der deutschen Sprache als Arbeitssprache akzeptieren und auch in die Praxis umsetzen. Weiterhin müssen wissenschaftliche Publikationen in deutscher Sprache noch stärker gefördert werden, um den Bedeutungsverlust der Wissenschaftssprache Deutsch aufzuhalten. Eduard Oswald ist Vizepräsident des Deutschen Bundestages und war im Kabinett Kohl Bundesbauminister. Anzeige Das einzige Lehrbuch Insgesamt kann jeder einzelne seinen Beitrag für den richtigen Umgang mit der deutschen Sprache leisten. Aber natürlich bedarf es auch des politi- Unterstützen Sie bitte die Deutsche Sprachwelt! Spenden Sie bitte Bestellen Sie bitte Sichern Sie die Zusendung der Zeitschrift und Aktionen für die deutsche Sprache! Bezug – kostenlos! Überweisung Bitte nutzen Sie den beigelegten Zahlschein (Bankverbindungen umseitig). Dauerauftrag Einzugsermächtigung Zur Erhaltung der DEUTSCHEN SPRACHWELT möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V. regelmäßig unterstützen. Darum ermächtige ich diesen Verein, einmalig - vierteljährlich - halbjährlich - jährlich Nichtzutreffendes bitte durchstreichen einen Betrag von Euro von meinem Konto abzubuchen. Diese Einzugsermächtigung kann ich jederzeit widerrufen. Bitte deutlich schreiben! Bank Bankleitzahl Kontonummer Datum und Unterschrift Einfacher Bezug: Bitte senden Sie mir regelmäßig kostenlos und unverbindlich die DEUTSCHE SPRACHWELT. Ich verpflichte mich zu nichts. Bei Gefallen werde ich spenden. Ich kann sie jederzeit abbestellen. Mehrfachbezug: Ich habe die Gelegenheit, die DEUTSCHE SPRACHWELT auszulegen, um für die deutsche Sprache zu werben (z. B. Arztpraxis, Friseursalon, Museum). Bitte schicken Sie mir daher von jeder neuen Ausgabe _____ Stück. Empfehlen Sie bitte Bitte senden Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT auch an: Bitte deutlich schreiben! 1 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 2 Name, Vorname Frühere Ausgaben – kostenlos! ______ x DSW-Nummer ______ ______ x DSW-Nummer ______ ______ x DSW-Nummer ______ Straße, Postleitzahl und Ort 3 Name, Vorname Werbematerial – kostenlos! ______ x Faltblatt „Rettet die deutsche Sprache“ ______ x Aufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf“ gegen SALE (9,5 x 14,5 cm) ______ x Aufkleber „Freie Fahrt“ gegen Denglisch (5,2 x 7,4 cm) ______ x Aufkleber „Schreibschrift ist schön!“ (5,2 x 7,4 cm) Die Aufkleber sind witterungsbeständig (Abbildungen umseitig) Sie Ihre Bestellung an: DEUTSCHE SPRACHWELT Meine Anschrift Schicken Postfach 1449, D-91004 Erlangen, [email protected] Straße, Postleitzahl und Ort 4 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 5 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 6 Name, Vorname Geburtsdatum Straße Postleitzahl und Ort Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort Hintergrund Seite 6 Von Thomas Paulwitz I hr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“ Dieser Spruch Gerhard Schröders über die Arbeitseinstellung der Lehrer, den er 1995 als niedersächsischer Ministerpräsident gegenüber einer Zevener Schülerzeitung losließ, sorgte seinerzeit für große Aufregung und Empörung. Vielen beherzten Pädagogen tat Schröder damals gewiß unrecht. Doch einige Lehrer in Baden-Württemberg, Bremen und Bayern schicken sich derzeit an, dem Vorurteil des faulen Lehrers gerecht zu werden. Sie wollen keine Schreibschrift mehr unterrichten, weil sie daran gescheitert seien, wie viele von ihnen zugeben. Freimütig gesteht Lehrerin Nicole Fink von der Häusel-Grundschule in Zuzenhausen gegenüber dem Mannheimer Morgen das Scheitern ihrer pädagogischen Bemühungen: „Viele sind frustriert, wenn sie Schreibschrift lernen müssen.“ Oft könnten die Kinder ihre geschwungenen Buchstaben selbst nicht richtig lesen, verzweifelt sie. Auch die Konrektorin der Härtenschule in Mähringen, Viviane Glora, ist augenscheinlich überfordert: Das Ergebnis ihrer Versuche, den Kindern die Schreibschrift beizubringen, Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 Retten wir die Schreibschrift – jetzt! In einem Jahr könnte es vielleicht schon zu spät sein sei mitunter „katastrophal“, klagt sie gegenüber dem Reutlinger GeneralAnzeiger. Die Rektorin der Esslinger Herderschule, Margarete Teuscher, wirft sich sogar eine Form von Kindesmißhandlung vor. Mit den Worten „Schreibschrift macht unglücklich“ räumt sie gegenüber den Stuttgarter Nachrichten ihr Scheitern ein. Wir können es nicht, also lassen wir es Wie sieht der Schluß aus, den all diese Lehrer ziehen? Schämen sie sich? Hängen sie ihren Lehrberuf an den Nagel? Legen sie vermehrten Fleiß an den Tag, um die Scharte wieder auszuwetzen? Versuchen sie wenigstens, sich besser zu qualifizieren? Nichts von alledem! Ihre Lösung heißt: Die Schreibschrift muß weg! Sind diese Lehrer also tatsächlich zu faul zum Unterrichten? Nein, diese Lehrer sind nicht faul. Vielmehr verbirgt sich dahinter die Ideologie der „Erleichterungspädagogik“ (Josef Kraus), die vieles abschafft und durch hanebüchenen Unsinn ersetzt. In diesem Fall ist der Grundschulverband schuld. Dieser bereitet den größten Anschlag auf den Deutschunterricht seit der Rechtschreibreform vor. Er treibt die Abschaffung der Schreibschrift voran und hat sogar bereits erste Kultusministerien überzeugt, dies zu prüfen. In Baden-Württemberg sind es 16, in Bayern fünf und in Bremen „einige wenige“ Grundschulen, die statt der Schreibschrift eine Druckschrift erproben, die sogenannte „Grundschrift“ des Grundschulverbands. In Hamburg steht es den Schulen seit diesem Schuljahr sogar schon frei, ob sie ihren Schülern noch die Schreibschrift beibringen wollen. Eltern, die die Abschaffung der Schreibschrift nicht wollen, müssen die Schule wechseln. Die Erfinder begutachten ihre eigene Erfindung Die Kinder werden als Versuchskaninchen mißbraucht, weil noch keine Untersuchung den Nutzen der Grund- schrift bewiesen hat. Eine wissenschaftliche Begleitung sei auch nicht geplant, so das baden-württembergische Kultusministerium. Das Bayerische Kultusministerium hingegen hat ein Gutachten über die „Grundschrift“ in Auftrag gegeben. Gutachterin ist Prof. Dr. Angelika Speck-Hamdan, Professorin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik. Speck-Hamdan ist allerdings gleichzeitig „Fachreferentin für Bildungsgerechtigkeit“ des Grundschulverbandes, der die Einführung der Grundschrift fordert. Das Ergebnis des Gutachtens dürfte somit von vorneherein feststehen. Vom Bayerischen Rundfunk darauf angesprochen, antwortete Kultusminister Ludwig Spaenle rundheraus: „Daß derselbe Verband an verschiedenen Stellen eines solchen Prozesses mitwirkt, halte ich für vertretbar.“ Mit derselben Einstellung könnte Spaenle verordnen, daß sich Schüler künftig ihre Noten selbst Umstrittene Grundschrift wird nicht verordnet Von Rolf Zick KMK-Präsident Bernd Althusmann nimmt Protest-Unterschriften entgegen M it der Übergabe von 2.108 Unterschriften an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), Bernd Althusmann, erreichte die Aktion „Rettet die Schreibschrift“ am 9. Dezember 2011 einen wichtigen Zwischenerfolg. Die DEUTSCHE SPRACHWELT (DSW) und die Aktion Deutsche Sprache (ADS) hatten die Unterschriften seit dem Tag der deutschen Sprache 2011 gesammelt. Bei der Übergabe im niedersächsischen Landtag in Hannover sprach der ADS-Vorsitzende Hermann Neemann die Bitte aus, diesen in den Unterschriften manifestierten Bürgerprotest gegen die Einführung der Grundschrift in der nächsten Sitzung der KMK auf die Tagesordnung zu setzen und die Kultusminister der anderen deutschen Bundesländer aufzufordern, nach der verunglückten Rechtschreibreform die Schulen anzuhalten, die Schreib- schrift beizubehalten und nicht durch eine Druckschrift, die sogenannte „Grundschrift“, zu ersetzen. 2 108 Unterschriften für die Rettung der Schreibschrift nahm Bernd Althusmann (links), Präsident der Kultusministerkonferenz, am 9. Dezember 2011 im Niedersächsischen Landtag entgegen. An der Übergabe in Hannover nahmen der ADS-Vorsitzende Hermann Neemann (rechts), DSW-Mitarbeiter Wolfgang Hildebrandt (2. von rechts) und ADS-Schriftführer und -Pressesprecher Rolf Zick (2. von links) teil. Die Unterschriftenaktion geht weiter. ← Bestellschein umseitig! Aufkleber Kleben Sie den Sprachverderbern eine! Unsere Arbeit ist abhängig von Ihrer Spende! Verein für Sprachpflege e.V. Bundesrepublik Deutschland Stadt- und Kreissparkasse Erlangen Bankleitzahl 763 500 00 Kontonummer 400 1957 BIC: BYLADEM1ERH IBAN: DE63763500000004001957 Anti-Sale-Aufkleber Auflage: 35 500 Republik Österreich Volksbank Salzburg Bankleitzahl 45010 Kontonummer 000 150 623 Faltblatt Freie-Fahrt-Aufkleber Auflage: 20 000 Lieferbare Ausgaben 46 Winter 2011/12 45 Herbst 2011 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Rettet die Schreibschrift! / Briefe an uns und unsere Leser / Karin Pfeiffer-Stolz: Schreiben wie in Holzpantoffeln / FrankMichael Kirsch: Das Schwedische verteidigen / Wolfgang Hildebrandt: Deutschland schafft seine Sprache ab (2) – Psychologische Hintergründe der fehlenden Sprachtreue / Ota Filip: Glanz, Gloria und Elend des Exils (Rede zur deutschen Sprache) / Rolf Kamradek: Kafka vertritt die deutsche Position / Dietrich Scholze: Die Sorben – gering an Zahl, doch sprachbewußt / Neues zur Straße der deutschen Sprache / Thomas Paulwitz: Sprachpolitik in Baden-Württemberg / Sprachsünder-Ecke: VW up! / Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin / Richard Albrecht: „Executive Summary“ als Bumerang / Günter Körner: Überhaupt – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher Sicht (8) / Karin Pfeiffer-Stolz: Zum Teufel mit dem Teufel / Modehaus Nikolaus greift die Anti-SALE-Aktion der DSW auf / Wolfgang Hildebrandt: „Neudeutsch“ (Anglizismenmuffel) 44 Schreibschrift-Aufkleber Auflage: 10 000 Auflage: 27 500 Sommer 2011 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Werber, Werber, Sprachverderber / Briefe an uns und unsere Leser / Wolfgang Hildebrandt: Deutschland schafft seine Sprache ab (1) – Wissenschaftler und Politiker als Sprachverräter / Straße der deutschen Sprache: Die Bauarbeiten haben begonnen / Gespräch mit Michael Olbrich: geben. Nachdem sich allerdings die Beschwerden häufen, äußert sich das Ministerium nun zurückhaltender. Sein Sprecher Ludwig Unger erklärt: „Sicher werden wir eine zweite wissenschaftliche Position berücksichtigen. Für eine Entscheidung wird Bayern auch die Entwicklung in den anderen Bundesländern beobachten, die derzeit höchst uneinheitlich ist.“ Halten wir die Abschaffung der Schreibschrift auf! Es besteht folglich noch Hoffnung, die Schreibschrift in Bayern zu retten, bevor der neue Lehrplan beschlossen wird, der ab dem Schuljahr 2014/15 gelten soll. Dazu sind viele Aktionen in ganz Deutschland notwendig. In Bremen zum Beispiel hat sich die CDU-Fraktion eindeutig zur Schreibschrift bekannt. In einer Kleinen Anfrage stellt sie fest: „Die Aufgabe des Erlernens der Schreibschrift in der Grundschule als einer der wichtigsten Kulturtechniken überhaupt ist verantwortungslos und wird zu einer modernen Form des funktionalen Analphabetismus führen.“ An einer Schule in Schleswig-Holstein haben Eltern jetzt erfolgreich die Einführung der Grundschrift verhindert. Eine betroffene Mutter schrieb der DEUTSCHEN SPRACHWELT: „Der Druck, den wir Eltern aufgebaut hatten, reichte aus, um die Schulleitung zu einem Rückzieher zu bewegen. Nun wird in den zweiten Klassen weiterhin die Schulausgangsschrift gelehrt. Immerhin! Trotzdem wäre mir die Lateinische Ausgangsschrift lieber …“ Der niedersächsische Kultusminister Althusmann erklärte dazu, in Niedersachsen gebe es diesen Streit nicht. Die Schulen behielten die Schreibschrift bei: „Es gibt keine Vorgabe des Kultusministeriums, die umstrittene Grundschrift einzuführen. Das werden wir auch nicht tun. Wir lassen den Schulen zwar freie Hand, aber ich persönlich halte die Schreibschrift für durchaus sinnvoll, nicht nur zur Erhaltung unserer Schreibkultur, sondern auch, weil sie die Motorik unserer Kinder beim Schreibenlernen stark beeinflußt.“ In Niedersachsen gebe es keinen zwingenden Handlungsbedarf. Der Minister setze aber auch stark auf das Fachwissen der Lehrkräfte: „Im Moment ist das für uns kein Politikum.“ Wir haben es also in der Hand, ob wir dieser Entwicklung tatenlos zusehen wollen oder nicht. Wer den Irrsinn nicht mitmachen will, sollte sich an der Aktion „Rettet die Schreibschrift“ beteiligen und sich schleunigst in die Unterschriftenliste eintragen. Oder wollen Sie etwa als „fauler Sack“ gelten? Aktiengesellschaften verklagen? / Dirk Herrmann: Zur Sprachkritik von Christian Weise / Franz Neugebauer, Harald Süß: 60 Jahre Bund für deutsche Schrift und Sprache / Wieland Kurzka: Vermeintliche Sprachkultur der ERGOVersicherung / Rolf Stolz: Franz Kafka, ein tschechischer Klassiker? / Margund Hinz: Die Abschaffung der Schreibschrift droht / Sprachsünder-Ecke: Schlecker / Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin / Rolf Zick: Preise für gute deutsche Marken- und Produktnamen / Günter Körner: „Wegbrechen“ bis zum Erbrechen – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher Sicht (7) / Ehrung für Peter Ramsauer / Dagmar Schmauks: Der Mütos lebt / Jürgen K. Klimpke: Schleizer Bücherwurm / Wolfgang Hildebrandt: Sprachliche Kernschmelze (Anglizismenmuffel) nern gepackt! – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher Sicht (6) / Reingard Böhmer und Diethold Tietz: „Sprache ist Heimat“ – Kongreß der Unionsfraktion im Bundestag / Thomas Paulwitz: Ali schlägt Mohammed / Rominte van Thiel: Wir Deutsche oder wir Deutschen? / Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin / Wolfgang Hildebrandt: Die Weichen stellen? (Anglizismenmuffel) 43 Frühling 2011 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Bundesverkehrsminister und Deutsche Bahn wollen wieder mehr Deutsch / Briefe an uns und unsere Leser / Lienhard Hinz: Anliegen und Arbeit eines Sprecherziehers / Straße der deutschen Sprache: Merseburg / Leserbefragung: 97 Prozent sind für die Straße / Horst Meyer: Berlinisch / Lienhard Hinz: Berliner Kongreß zu Regional- und Minderheitensprachen / Johannes Heinrichs: Sprachpolitische Thesen (Teil 2) / Elmar Tannert: Fehlerhafte Wörter ziehen fehlerhafte Dinge nach sich / Thomas Paulwitz: Einzelheiten zur winzigen Rechtschreibreform 2011 / Sprachsünder-Ecke: Niedersächsisches Kultusministerium / Sprachwahrer des Jahres 2010 / Hartmut Heuermann: Steckt hinter Denglisch eine Ideologie? / Günter Körner: Den Fokus an den Hör- Helfen Sie mit! Sammeln Sie Unterschriften, bekennen Sie Farbe! Versorgen Sie sich dazu mit unseren kostenlosen Aufklebern (Seite 5). Fordern Sie bei uns Unterschriftenlisten an. Mit Ihrer Unterschrift fordern Sie die Kultusminister dazu auf, dafür zu sorgen, daß an den Schulen weiterhin Schreibschrift unterrichtet wird. Verhindern wir gemeinsam die Abschaffung der Schreibschrift! Unsere Aktionsseite: www.facebook.de/ Schreibschrift 42 Winter 2010/11 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Englisch darf in Deutschland nicht zur Gerichtssprache werden / Leserdiskussion (2): E-Mail oder E-Post? / Helmut Delbanco: Paul Gerhardt – der größte deutsche Sprachmeister nach Martin Luther / Straße der deutschen Sprache: Gräfenhainichen / Andreas Raffeiner: Südtirol spricht immer noch Deutsch (2) / Johannes Heinrichs: Das wichtigste nationale Kulturprojekt: die Sprache (Sprachpolitische Thesen, Teil1) / Ursula Bomba: Hildebrandts zweiter Glossen-Band „Mal ganz ehrlich“ / Robert Mokry: Der Löwenzahn und sein Traum (Ausgewählter Beitrag aus dem Schülerwettbewerb „Schöne deutsche Sprache“ 2010) / Sprachsünder-Ecke: ZDF / Lienhard Hinz: Schlagabtausch zwischen GfdS und VDS in Berlin / Gespräch mit Werner Kieser: „Die Sprache eines Unternehmens ist ein Qualitätsmerkmal“ / Lienhard Hinz: Bericht aus Berlin / Günter Körner: Flüssig oder fließend? – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher Sicht (5) / Wolfgang Hildebrandt: Staatssprache Deutsch: Wohin geht die Reise? (Anglizismenmuffel) Lieferbar sind auch noch alle früheren Ausgaben. Die In- haltsverzeichnisse sämtlicher Ausgaben finden Sie unter www.deutsche-sprachwelt.de/archiv/papier/index.shtml Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 Hintergrund Seite 7 Deutschland schafft seine Sprache ab Von Wolfgang Hildebrandt Teil 3: Bildungspolitische Hintergründe der fehlenden Sprachtreue K ritischen Fachleuten war längst bekannt, was die PISA-Studien an die Öffentlichkeit brachten: Eine beängstigende Anzahl von Schülern in Deutschland kann keine Texte mehr verstehen und erkennt Sachzusammenhänge nicht mehr – um es grob zusammenzufassen. Wie konnte es zu solch einem, wenn auch schleichenden, Sprachverlust kommen? Seit Jahren untersuchen Schulpsychologen, Kinderärzte, Erzieherinnen und Grundschullehrer die sprachliche Bildung von Kindern. Immer wieder lesen wir in den Zeitungen erschreckende Nachrichten. So stieg in Bielefeld der Anteil der Schulanfänger, deren Sprache gefördert werden müsse, in den vergangenen drei Jahren um ein Viertel, meldete die „Neue Westfälische“ am 9. Juli 2011. Jedes dritte Kind bedürfe der Förderung, hieß es. Radio Bremen meldete am 11.August: „Mehr als jedes zehnte Kind im Landkreis Cuxhaven ist zu dick. Das haben die diesjährigen Schuleingangs-Untersuchungen ergeben.“ Etwa ein Drittel der Kinder zeige Sprachstörungen. Dabei wird die Sprachentwicklung unserer Kinder genau überwacht. Sprachstandserhebungen, Schuleingangsuntersuchungen und das kinderärztliche Früherkennungsprogramm (U1 bis U9) prüfen die sprachliche Bildung der Jüngsten. Am besten dokumentiert sind die Sprachstandserhebungen für Kindergartenkinder. Diese unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, da verschiedene Prüfverfahren angewendet werden. Dementsprechend schwanken die Ergebnisse. Bayern etwa prüft nur Kinder, bei denen beide Elternteile nicht deutschsprachiger Herkunft sind. 75,7 Prozent dieser Kinder im Alter zwischen 4 und 6 Jahren wiesen 2008/2009 sprachliche Entwicklungsrückstände auf. In anderen Bundesländern nehmen alle Vorschulkinder an der Sprachstandserhebung teil. Da es keine einheitliche Prüfmethode gibt, sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich. Außerdem finden die Untersuchungen teils ein Jahr, teils sogar zwei Jahre vor der Einschulung statt, so daß Kinder in unterschiedlichen Entwicklungsphasen teilnehmen. Als sprachförderungsbedürftig wurden in diesen Ländern 2008/2009 eingestuft: in Baden-Württemberg 13,4 Prozent, in Berlin 16,5 Prozent, in Brandenburg 19,7 Prozent, in Hamburg 26,8 Prozent, in Nordrhein-Westfalen 23,3 Prozent und im Saarland 12,6 Prozent der Vorschulkinder. Auffällig hohe Werte gibt es für Bremen (52,6 Prozent) und Bremerhaven (44,6 Prozent), während in Niedersachsen die Kleinen scheinbar besser sprechen (12,9 Prozent). Aufschlußreich war für mich allerdings ein Gespräch mit der Konrektorin einer Grundschule im Kreis Cuxhaven, der unmittelbar an Bremen grenzt. Sie führte in ihrer Schule die Sprachstandserhebung durch. Ich bat sie, mir die aktuellen Zahlen der Schüler zu nennen, die über große sprachliche Defizite verfügten. Das seien etwa zwölf Prozent, antwortete sie, doch fügte sie hinzu, daß die Werte ihrer Ansicht nach um ein Vielfaches höher lägen, hätte Niedersachsen das Niveau der Tests nicht so niedrig angesetzt. Diese Mängel werden in der Primarstufe in vielen Bundesländern durch das phonetische Schreiben noch wei- Briefwechsel zweier Schüler, die sich während des Unterrichts über ihren Lehrer austauschten. Bild: Hildebrandt ter verstärkt. Dabei sollen die Schüler die Wörter so schreiben, wie man sie hört. Dadurch wird nicht nur die Rechtschreibung unzulänglich gelernt, sondern auch das Lesen – und damit die gesamte Sprachkompetenz minimiert. In der FAZ vom 1. September dieses Jahres berichtete Heike Schmoll, mit welchen Defiziten die Schüler am Ende der vierten Klassen zu kämpfen haben. In zwei vierten Klassen aus Bremen habe es nicht einen einzigen Schüler gegeben, der fehlerlos schreiben konnte. Daß die weiterführenden Schulen diese Sprachdefizite kaum mehr ausgleichen können, liegt wohl auf der Hand. Dieser Ansicht ist auch Josef Kraus, der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes. Gegenüber der Nachrichtenagentur ddp beklagte er im Februar 2007, daß immer mehr Kinder mit erheblichen Sprachdefiziten in die Schule kämen. Sie könnten keine vollständigen Sätze bilden und hätten Probleme mit der Ausdrucksfähigkeit. Statt jedoch diesen Schwächen entgegenzuwirken, passe sich die Schulpolitik in ihrem Leistungsanspruch an: „Wurde den Kindern vor zehn Jahren noch am Ende der vierten Klasse ein Grundwortschatz von 1100 Wörtern abverlangt, so sind es heute nur noch 700 Wörter.“ Eine Besserung ist angesichts der Einschnitte im Deutschunterricht nicht in Sicht. In seinem Buch „Der PISASchwindel“ schreibt Kraus auf Seite 208, daß die Deutschen „ihrer Muttersprache als Schulfach zwischen der 1. und 10. Klasse nur ganze 16 Prozent der Wochenstunden“ gönnen, „dagegen die Polen 22, die Schweden 24, die Franzosen 26 und die Chinesen 26 Prozent.“ Es ist logisch, daß im Vergleich dazu bei uns mehr Schulabgänger die Schule mit erheblichen Mängeln in der Muttersprache verlassen. Schüler aus anderen Nationen haben bis zum Ende ihrer Schulzeit nämlich bis zu einem Jahr mehr muttersprachlichen Unterricht. Wie aber kann sich in dieser schwierigen schulischen Lage ein gesundes Verhältnis zur deutschen Sprache entwickeln? Wie kann bei diesen widrigen Zuständen eine Identifizierung mit der Muttersprache entstehen? Das wäre nämlich unter anderem auch eine Voraussetzung dafür, sich der ständigen Übernahme von Angloamerikanismen für banalste Begrifflichkeiten zu erwehren? Woraus soll jemals die Fähigkeit erwachsen, neue (deutsche) Wörter mit Hilfe des deutschen Wortschatzes zu schaffen? Bei diesen Voraussetzungen verwundert es nicht, daß es auch um die fachlichen Fähigkeiten vieler Deutschlehrer nicht gut bestellt ist. Auf einer Podiumsdiskussion der Wirtschaftsjunioren in Frankfurt am Main zum Thema „Ich habe fertig mit Goethe – Ist unsere Sprachausbildung noch zeit- gemäß?“ im Herbst 2003 berichtete Professor Horst-Dieter Schlosser: „Ich habe es an der Universität mit angehenden Deutschlehrern zu tun, die reihenweise Rechtschreibfehler machen und beispielsweise noch nie etwas von Vorvergangenheit, dem Plusquamperfekt, gehört haben.“ Zu seinen geplanten Objekten gehöre ein Buch mit dem Titel „Deutsch für Deutschlehrer“. Dieses notwendige Buch ist bis heute nicht erschienen. Der mittlerweile emeritierte Professor hat das Projekt leider inzwischen aufgegeben, wie er mir persönlich mitteilte. Im Wintersemester 2006/2007 wurden an allen bayerischen Universitäten mehr als 1.000 Studienanfänger im Fach Germanistik über die Grundlagen der Schulgrammatik befragt. Der Test brachte katastrophale Ergebnisse zutage. Die Befragung ergab ein schulgrammatisches Grundlagenwissen, das dem Stand von Fünft- und Sechstkläßlern entspricht. Mehr als ein Drittel der Studenten schloß den Kurztest mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ab, weniger als zehn Prozent erhielten „befriedigend“ oder besser. So erkannten beispielsweise 77 Prozent der Teilnehmer „käme“ nicht als Form des Konjunktivs Imperfekt, 88 Prozent bestimmten „manche“ nicht als Fürwort (Pronomen), 87 Prozent „dort“ nicht als Umstandswort (Adverb). Dabei spielte es bei den Ergebnissen keine Rolle, aus welchem Bundesland die Teilnehmer stammten. Lediglich Studenten aus Österreich schnitten deutlich besser ab. Professor Mechthild Habermann von der Universität Erlangen-Nürnberg schrieb dem bayerischen Kultusminister daraufhin: „Der Anteil des Grammatikunterrichts in der Schule muß unbedingt erhöht, der Umfang der Grammatikausbildung für die Lehramtsstudierenden aller Schularten ausgeweitet werden.“ Aus Jugendlichen werden Erwachsene: Eine Studie des „Aktionsbündnisses für Alphabetisierung“ vom März 2011 ergab, daß in Deutschland 2,3 Millionen Menschen keine ganzen Sätze verstehen und schreiben können. Sie sind Analphabeten im engeren Sinn. Etwa 7,5 Millionen gehören zu den funktionalen Analphabeten, also zu den Menschen, die einzelne Sätze lesen oder schreiben können, aber keinen zusammenhängenden Text, zum Beispiel eine schriftliche Arbeitsanweisung, verstehen. 58 Prozent der Analphabeten sind deutsche Muttersprachler! Zusätzlich haben 21 Millionen Menschen Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung. Hier liegt nun die Hauptursache des Niedergangs unserer Muttersprache: Wenn Kinder, Jugendliche, Erwachsene nur über geringe grammatische Kenntnisse und einen kleinen Wortschatz verfügen, der für eine umfassende Verständigung nicht ausreicht, dann bleibt ihnen die Reichhaltigkeit der deutschen Sprache verschlossen. Es kann also nur eine logische Folgerung geben: Man bedient sich fremder Wörter – eben Fertigwörter aus der englischen und amerikanischen Leitsprache. Das gleiche gilt für Grammatik und Redewendungen, die immer öfter importiert werden – ein ständiger Prozeß der Verkümmerung unserer Muttersprache und der Entfremdung von ihr! Wie reagiert nun die Schule, auf die in dieser Situation alle Augen hoffnungsvoll gerichtet sind? Nun, so erschütternd es auch klingen mag – so gut wie gar nicht! Wer wie ich jahrelang in der Schule versuchte, Lehrer zu mobilisieren, sich aktiv für die Erhaltung der deutschen Sprache und damit gegen den inflationären Gebrauch von vollkommen überflüssigen Angloamerikanismen einzusetzen, wird wissen, daß dies ein fast aussichtsloser Kampf ist. Wer ist schon bereit, seine eigenen Sprachgewohnheiten zu überdenken und dann auch noch zu verändern! Um Mißverständnisse nicht aufkommen zu lassen – ich spreche von den Lehrern, nicht von den Schülern! (Vergleiche den Beitrag „Sprachnotstand in der Schule“ in DSW 18, Seite 10 – noch lieferbar!) Haben Sie, liebe Leser, schon einmal einen Aufschrei gehört, sei es der Hochschulrektorenkonferenz, der Kultusministerkonferenz oder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)? Wo ist der Widerstand der rund 800.000 Lehrer in Deutschland? Und sollten davon nur zehn Prozent Germanisten sein – wo ist der schon aus berufsethischen Gründen zu verlangende Aufstand der 80.000 Anständigen? Wo sind deren Vorschläge für entsprechende Lehrplanänderungen oder Lernin- halte? Wo findet sich ein Schulleiter, der die Erlaubnis verweigert, Plakate aufzuhängen, die sich mit englischsprachigen Aufrufen an Schüler richten? Man denke an Zumutungen wie „Be smart, don’t start“ und „Take care of your ears“ und viele andere mehr. Dagegen fällt mir der Spruch eines Deutschlehrers ein: „Ich glaube nicht, daß die deutsche Sprache etwas so Bedeutendes darstellt, daß man sie unbedingt erhalten müßte.“ (Siehe DSW 21, Seite 1.) Ich höre schon die Proteste aus der Lehrerschaft, doch bin ich sicher, daß sich eine ganz kleine Gruppe daran nicht beteiligen wird. Es handelt sich um die wenigen Lehrer, die sich für die Erhaltung unserer Sprache innerhalb und außerhalb der Schule einsetzen. Jene wissen genau, daß sie zu einer Minderheit gehören, und leiden daran, „einsamer Fels in der Brandung“ zu sein. Im Rahmen einer Lehrerfortbildung bot ich ein Seminar sowohl im Lehrerfortbildungsinstitut der Stadt Bremerhaven als auch in einem solchen in Bad Bederkesa (Niedersachsen) an. Das Thema hieß „Denglisch in der Schule“. Beide Kurse mußten aufgrund mangelnder Beteiligung ausfallen. Da solch ein Kursus noch nie – auch nicht von mir – angeboten worden war, konnte es nicht am Referenten liegen … Womit erklären nun die im Sprachkampf untätigen Deutschlehrer – meiner Schätzung nach gut 95 Prozent – ihr Nichtstun? Die meisten benutzen das Standardargument, Sprache habe sich (!) immer schon verändert. Das beruhigt, zumindest die Sprecher solcher Ausreden, wollen sie doch damit sagen, nichts daran ändern zu können, weil dieser Vorgang eben aus sich heraus (vielleicht sogar vom lieben Gott geführt?) abläuft. Tatsächlich aber geben sie damit nur zu erkennen, daß sie gar nichts unternehmen wollen. Ein kleiner Teil derer, die nach ihrer Aktivität für die Spracherhaltung gefragt werden, gibt an, im Deutschunterricht schließlich gutes Deutsch zu vermitteln. Das reiche doch wohl! Tatsächlich? Reicht es wirklich aus, lediglich seiner dienstlichen Pflicht nachzukommen, einer Pflicht, die zudem bezahlt wird? Stellen Sie sich vor, ein Polizist würde beim Bankraub zuschauen und auf Befragen antworten, er habe jetzt Feierabend, aber in seiner heutigen Schicht schon genug gegen das Verbrechen getan. – Kann eine Antwort noch skurriler und abstruser ausfallen? Der langen Rede kurzer Sinn: Die Schule hat sich leider in die Reihe der Totengräber unserer Muttersprache begeben, Rettung ist von ihr derzeit nicht zu erwarten! Und die Reaktion der Politiker? Die haben – wie sollte es anders sein – die Lösung des Problems gefunden, quasi das Ei des Kolumbus, und schnell gehandelt: Sie fordern den Englischunterricht in der Grundschule, am besten jedoch schon im Kindergarten! Damit jedoch – ob gewollt oder nicht– wird den Kindern zwar eine Fremdsprache nähergebracht, die eigene Muttersprache aber entfremdet – ein weiterer Schritt zu ihrer Abschaffung. Fortsetzung folgt. „Be smart, don’t start“: Aushang in einer Schule Bild: Hildebrandt Wolfgang Hildebrandt war Lehrer für Englisch und Technisches Werken (Sekundarstufe I) in Bremerhaven. Besprechungen Seite 8 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 „Ein besonders lebensnahes Zeitdokument“ Von Eberhard Grünert Z um 21. Jahrestag des Mauerfalls ist unter dem Titel „Der Fall“ Peter Fischers neuer Roman erschienen. Er ist als zweiter Teil einer als Trilogie angelegten Nachkriegschronik über eine Jugend im geteilten Deutschland anzusehen. Der erste Teil der Chronik, der Roman „Der Schein“, verfolgte exemplarisch den Lebensgang der Hauptfigur Michael Sahlok in der DDR über Schule und Studium (siehe DSW 21, Seite 8). Er endete mit der Verhaftung Sahloks durch die Staatssicherheit und seinem Freikauf durch die Bundesregierung. Daran anschließend scheint im Roman „Der Fall“ in der Biographie Michael Sahloks eine entscheidende Hürde genommen zu sein: Er lebt nach einer kurzen Zwischenstation, die er im Notaufnahmelager Gießen verbringt, im Westteil Berlins und arbeitet als Redakteur. Doch bald muß er erkennen, daß Vergangenheit sich nicht einfach löst, sich nicht abstreifen läßt wie eine Peter Fischer legt den zweiten Band seiner Nachkriegstrilogie vor übergestülpte Haut. Sie bleibt haften, Berühmte Zeitgenossen kreuzen Misie prägt Lebenszeit, formt Gefühle, chael Sahloks Lebensweg und prägen fixiert Denkgewohnheiten: sie gerät seine Ansichten neu: Reiner Kunze, der zudem zum Maßstab für Vergleiche Dichter, Willy Brandt, der vormalige mit der neuen Lebenswirklichkeit. Die Kanzler, auf den er über einen obskuren Bedrängnisse der Haftzeit wirken auf politischen Zirkel trifft, namhafte Jourimmer neue Weise nach, sie stehen ge- nalisten und ein Künstler, ein Maler, gen neu gewonnene Eindrücke: Breit der nicht nur gehörig klugen Abstand gestreuter Wohlstand zu den Mächtigen der muß nicht unbedingt Epoche wahrt, sondern zu größerer SolidariSahloks Blicke auf die tät führen, Phantasie Dinge der Welt zu weiund Empfindsamkeit ten weiß. steigern. Vorurteile und Desinformation Plötzlich taucht eine sind auch hier keiJugendfreundin aus neswegs fremd. Was Thüringen auf. Sie Peter Fischer treibt schließlich Westdeutsche um, bittet um Fluchthilfe für ihren Mann. was wissen sie über den sogenannten Lange vor den spektakulären Fluchten Arbeiter- und Bauernstaat, der immer vom Sommer 1989 taucht der Fluchtstärker durch die vielfältigsten Wi- willige auf einen Rat Michael Sahloks dersprüche in seinem Fortbestehen hin in der westdeutschen Botschaft in erschüttert wird, und seine Bewoh- Warschau auf. Doch es gibt ungeahnner? Die Ära kurz vor 1989 ist voller te Schwierigkeiten. Günter Gaus, der Widersprüche, Spannungen, Hoffnun- Ständige Vertreter der Bundesrepublik gen. Doch die Kräfte der Vergangen- bei der DDR, wird eingeschaltet, der heit bleiben noch wirkmächtig. sucht die Gunst Erich Honeckers … Dem Autor gelingt es, durch die Vielzahl der exemplarisch handelnden Personen Zeitgeschichte so zu verdichten, daß daraus ein Bild jener Epoche vor 1989 entsteht, in deren Gefolge sich das Gesicht Europas entscheidend veränderte. Dabei beschränkt sich der Schriftsteller nicht so sehr auf die äußerlich offensichtlichen Geschehnisse jener Ära, sondern spürt in äußerst einfühlsamer Weise den Inneneinsichten jener Menschen nach. Er verfolgt ihre widersprüchlichen, oft gegenläufigen Gefühle und Regungen an scheinbar nebensächlichen Objekten, die er schließlich so zu weiten versteht, daß daraus ein nuancenreiches und farbiges Bild jener Epoche entsteht, das Schatten keineswegs ausspart. Peter Fischer, geboren in Suhl, Jahrgang 1943, erfolgreich auch als Lyriker („Ananke“), Lyrikpreisträger der Zeitschrift „Dulzinea“, ist mit seinem Roman ein großer belletristischer Wurf gelungen. Der Dichter Reiner Kunze urteilte nach der Lektüre des Romans, daß es sich um ein „besonders lebensnahes Zeitdokument“ handelt, und lobte, „so detailgenau … wird bald niemand mehr über jene Zeit berichten können“. Peter Fischer: Der Schein. Roman, Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2004, 179 Seiten, 22,00 Euro. Peter Fischer: Der Fall. Roman, Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2011, 174 Seiten, 22,00 Euro. Schwedisch schätzen, schützen, schenken Von Jürgen Honig D as Englische dringt immer schneller in die Nationalsprachen ein. Das Unbehagen dagegen schwillt an; nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden, das auch sonst dem „Neumodischen“ so sehr zugewandt ist. Vor knapp zehn Jahren fanden sich zahlreiche Schweden zusammen, von der Liebe zu ihrer Sprache angetrieben. Sie gründeten das Netzportal „Språkförsvaret“ – www.sprakforsvaret.se – auf deutsch am besten mit „Sprachwehr“ übersetzt. Im Laufe weniger Jahre hat sich daraus ein Netzwerk entwickelt, eine Art Lobbyisten-Plattform, die sich wortgewaltig für die Eindämmung des im Muttersprachgebiet wild wuchernden Englischen einsetzt. Vorrangiges Anliegen der Sprachfreunde war bislang das Zustandekommen eines schwedischen Sprachgesetzes, das am 1. Juli 2009 in Kraft trat. Professor Frank-Michael Kirsch hat in der DEUTSCHEN SPRACHWELT („Das Schwedische verteidigen“, DSW 45, Seite 4) Beweggründe und Auftreten der Sprachwehr-Aktivisten eingehend und anschaulich dargestellt. Jetzt hat „Språkförsvaret“ unter Federführung des Vorsitzenden Per-Åke Lindblom und seines Stellvertreters Arne Rubensson die aussagestärksten netzwerkeigenen Schriften zu einer Anthologie zusammengestellt: „Svenskan – ett språk att äga, älska och ärva“, also „Schwedisch haben, lieben, erben“ oder in Alliteration wie im Original: „… schätzen, schützen, schenken“. In zehn Hauptkapiteln und 33 Einzelbeiträgen sowie einem Manifest arbei- „Språkförsvaret“ hat einen anspruchsvollen Sammelband herausgegeben ten die Sprachwehr-Autoren so gut wie lückenlos alles ab, was derzeit ihrem Urteil nach die eigene Muttersprache gefährdet; und was die Folgen sein könnten, wenn – wehret den Anfängen – dem nicht Einhalt geboten wird. Den Gegner verorten sie auf vielen Gebieten des täglichen Lebens. Beharrlich ist er auf dem Vormarsch: in der Wirtschaft, allen voran deren willige Helfer, die Werbe-Fuzzis; in den Druck-, Ton- und Bildmedien, wo das Angelsächsische geradezu grassiert; in den Behörden aller Ebenen, wo man sich ohne Not des Englischen befleißigt; in der Bildung, die ebenfalls gern die angelsächsische Karte spielt. Das sind ausnahmslos Entwicklungen, wie sie auch im deutschen Sprachraum nur allzu bekannt sind. Die Autoren versichern wiederholt – und durchaus glaubhaft –, nicht auf einer fremdenfeindlichen Welle zu schwimmen. Überdies verkennen sie keineswegs, daß das Englische meist gar nicht als Angreifer daherkommt, sondern ihm wie einem Trojanischen Pferd geflissentlich Einlaß gewährt wird. Warum? fragen wir. Aus Einfalt? Bequemlichkeit? Hochstapelei? Aus Angst, im mörderischen globalen Wettbewerb nicht mithalten zu können? Aus Neigung, dem jeweils stärksten Häuptling nachzueifern? Beredtes Beispiel sind Hörfunk und Fernsehen in Schweden. Zugegeben, bei knapp neun Millionen Einwohnern können die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht aus Mitteln schöpfen, wie sie ARD, ZDF, ORF, SR und anderen zur Verfügung stehen. Dementsprechend mager ist die Schar der Berichterstatter, die zudem fast nur des Englischen mächtig sind. Die fatale Folge: Pidgin A fragt, Pidgin B antwortet. An groben Unfug grenzt es dabei, daß erst die englische Aussage kommt und danach das Ganze noch einmal auf schwedisch. Und im Fernsehen sind vor allem die privaten Sender reine Abspielstationen für durchgehend nicht-synchronisierte US-Filme. Das klingt übertrieben und böswillig. In Wirklichkeit haben wir es aber mit einem höchst bedenklichen Phänomen zu tun: Es bleibt immer etwas hängen. So sickern denn fast unmerklich die für Schweden kulturfremde Sprache und Denkweise ein und breiten sich aus. Die Leute hören nichts anderes, und dann wollen sie auch nichts anderes, denn dann kennen sie auch nichts anderes. Solche Mißstände prangert das Buch an und wird so zu einer vorbildlichen ideegebenden Mustersammlung für all jene, die mit einem ähnlichen Anliegen am Werke sind. Besonders fesselnd sind die Bemühungen der Sprachwehr, die entscheidend zum Zustandekommen des schwedischen Sprachgesetzes beigetragen haben. Einige vermeidbare Schwachpunkte sollen hier nicht verschwiegen werden: Es mindert die Aktualität, daß die abgedruckten Texte meist älteren Datums sind. Außerdem druckt die Sprachwehr zwar den von ihr erarbeiteten Entwurf eines schwedischen Sprachgesetzes im Wortlaut ab. Das letztlich am 1. Juli 2009 ausgefertigte Gesetz suchen wir jedoch vergeblich. Verwunderlich ist auch, daß das Sprachwehr-Manifest etwas versteckt erst am Ende der Anthologie steht. Wünschenswert wären auch mehr Hinweise auf konkrete Erfolge der Sprachwehr-Arbeit. Das Buch bietet des weiteren zwar hervorragende Zustandsdiagnosen, doch deren Ursachen werden zu wenig erörtert. Warum hat es das Englische so leicht, andere Sprachen zu infizieren? Das Schwedische ist keine Sprache der Technik, keine der philosophischen Erörterung, keine der Bankleute. Schwedisch, in dem sich noch eine Menge Altgermanisches erahnen läßt, ist die Sprache der Lyrik, die der wild lodernden Gefühle. Zu Recht ist Tomas Tranströmer 2011 mit dem Nobelpreis belohnt worden, verschlingen die Leute die Bücher Henning Mankells und Stieg Larssons. In einer solchen Sprachwelt findet das auf einzelnen Gebieten kolossal praktische Englisch einen guten Resonanzboden. Auch solche Überlegungen hätten in das Buch hineingehört. So ist dieses anspruchsvolle Werk trotz seines schönen Titels für ausländische Beobachter, die immer wieder auf das „große Vorbild“ Schweden verweisen, nur bedingt empfehlenswert. Die Zustandsanalysen sind für ausländische Leser eher traurig. Dennoch sind die Artikel, Denkschriften und so weiter durchaus geeignet, Sprachwahrern außerhalb Schwedens brauchbare Anregungen zu geben. Anzeigen Das Buch ist vor allen Dingen von dem guten Willen getragen, der schleichenden Durchdringung der schönen hochkulturellen Sprache Schwedisch mit Angelsächsischem entgegenzutreten. Dieses Unterfangen ist aller Ehren wert, und die Netzwerker des Språkförsvaret werden diesem Vorsatz meisterlich gerecht. So bleibt zu wünschen, daß das Buch zahlreiche schwedische Leser wachrüttelt, so daß diese ihre Sprache schätzen, schützen und ihren Nachfahren schenken können. Jürgen Honig ist Übersetzer und lebt in Schweden. Språkförsvaret, Per-Åke Lindblom und Arne Rubensson (Herausgeber): Svenskan – ett språk att äga, älska och ärva. En antologi från Språkförsvaret (Schwedisch schätzen, schützen, schenken), Stockholm 2011, 153 Seiten, ISBN 978-91-6339292-4. Bezug über den Netzbuchhandel oder unmittelbar beim Herausgeber (sprakforsvaret@yahoo. se) zum Preis von 10 Euro zuzüglich Versandkosten. Anzeige 'UPHG5DLPXQGYRQ+HOGHQ *HVXQGLQVLHEHQ7DJHQ (UIROJHPLWGHU9LWDPLQ'7KHUDSLH (LQ/HLWIDGHQIUGLH3UD[LV +\JHLD9HUODJ Egal ob auf Deutsch, Englisch oder Denglisch: KENNEN SIE DIE W���EN �OLGEN DE� POPUL$�EN MUSIK& Klaus Miehling: Klaus Miehling: Gewaltmusik Lautsprecher aus! Populäre Musik und Werteverfall >wangsbeschallung contra akustische Selbstbestimmung epubli, Berlin / 352 S., € 27,10 ISBN: 978-3-86931-605-5 epubli, Berlin / 248 S., € 22,43 ISBN: 978-3-86931-606-2 Populäre Musik erweist sich als der eigentliche Urheber und Motor des Werteverfalls. Die Sozialisation unserer Jugend mit dieser Musik muss aufhören, wenn wir eine ehrlichere und friedlichere Gesellschaft wollen. Dieses Buch verleiht den Opfern der Spaßgesellschaft eine Stimme, enthüllt skandalöse Behördenpraktiken und dokumentiert die verstreuten Paragraphen zum Schutz vor (Musik-)Lärm sowie über 200 Gerichtsentscheide. bei www.epubli.de und im Buchhandel Vitamin-D-Mangel ist die Ursache vieler Erkrankungen und kann zu Muskelschmerzen führen, zu Krämpfen, Zuckungen, zu Schlafstörungen, Unruhe, Erschöpfung, Depressionen, Rücken- und Kopfschmerzen, Kältegefühl in Händen und Füßen sowie Kreislauf- und Durchblutungsstörungen. Gesund in sieben Tagen Taschenbuch, 118 Seiten 14,80 Euro Portofreier Versand in Deutschland Hygeia-Verlag www.hygeia.de Fax: 0351- 476 46 05 Tel.: - 421 66 18 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 Literatur Seite 9 Der „Gesichtserker“ – eine „Propagandalüge“ Von Thomas Paulwitz E Am Ende drehen die Sprachschützer den Ahnungslosen eine Nase s sei „die genialste Propagandalüge aller Zeiten“, sagte ein Sprachpfleger einmal. Seit 300 Jahren wird den Sprachschützern der „Gesichtserker“ als mißlungener Verdeutschungsversuch unter die Nase gerieben. Ausgerechnet am „Tag der Muttersprache“ 2011 wiederholte der Literaturkritiker Hellmuth Karasek das anscheinend unausrottbare Märchen. Dabei sah er sich wohl in der Rolle des Beschwichtigenden, des Besonnenen, des Belesenen. In Wirklichkeit war Karasek allerdings ein Märchenonkel, denn weit her ist es mit seiner Belesenheit – auf schlecht denglisch „Literacy“ – offensichtlich nicht. vorne an: Erstens gab es im Mittelalter keine Sprachgesellschaften. Sie sind eine Erfindung der Neuzeit. Die erste Sprachgesellschaft, die „Fruchtbringende Gesellschaft“ entstand 1617. Zweitens gibt es keinen einzigen Beleg dafür, daß jemals eine solche Gesellschaft gefordert hätte, das Wort „Nase“ durch „Gesichtserker“ zu ersetzen. Drittens ist „Nase“ kein Fremdwort, sondern ein Erbwort, und hat mit dem lateinischen „nasus“ lediglich eine gemeinsame Wurzel. Das Wort „Erker“ hingegen ist aus dem nordfranzösischen „arquiere“ (Schießscharte) entlehnt, das von dem lateinischen „arcus“ („Bogen“) stammt. Karasek schwadronierte naseweis: „Ich denke [glaube], daß die deutsche Sprache eine wunderbare Sprache ist, die keine Beschützer braucht. […] Die deutschen Sprachgesellschaften im Mittelalter versuchten, das Lateinische auszuschließen. Sie übersetzten das Wort Nase, das wir als Fremdwort noch in dem Wort ‚nasal‘ erkennen, durch ‚Gesichtserker‘. Diese Eindeutschung hat sich […] Gott sei Dank nicht durchgesetzt. Man kann aber im Deutschen immer noch allen Sprachverbesserern gerne eine lange Nase drehen.“ Das tat Karasek zum Beispiel am Stand der DEUTSCHEN SPRACHWELT auf der Leipziger Buchmesse 2011: „Englisch wird von selbst verschwinden“, beschied er uns. Stecken wir die Nase in die Bücher! Die Wortherkunft von „Erker“ und „Gesichtserker“ ist im „Kluge“, einem etymologischen Wörterbuch, nachzulesen. Hätte Karasek doch einen Blick hineingeworfen! Dort steht, daß der „Gesichtserker“ nicht, wie oftmals behauptet, von dem Sprachreiniger Philipp von Zesen (1619 bis 1689) vorgeschlagen wurde. Der erste Beleg ist laut Kluge erst im Jahre 1795 bei dem Schriftsteller Friedrich von Matthisson zu finden. Keine Sprachgesellschaft forderte jemals den „Gesichtserker“ An Karaseks Behauptungen ist eine ganze Menge falsch. Fangen wir von „Risum teneas, carissime!“ Wir begeben uns auf Spurensuche. Matthisson veröffentlichte seine Erinnerungen als Reisebegleiter der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau. (Zufälligerweise entstammt mit Fürst Ludwig das erste Oberhaupt der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ der Nebenlinie Anhalt-Köthen.) Matthisson hatte 1812 den dritten Band seiner Erinnerungen herausgegeben Ein unausrottbares Märchen Auf diese Weise pflanzte sich das Märchen bis in die heutigen Tage weiter fort. Das ist auch die Erklärung dafür, daß Karasek, wie Unzählige vor ihm, das Märchen einfach ungeprüft übernommen hat, weil es ihm eben in den Kram paßte. So ist das Wort „Gesichtserker“ ein schönes Beispiel dafür, wie immer wieder der eine vom anderen abschreibt, ohne nach der Quelle zu fragen. Ironischerweise taucht der Irrtum sogar in einem 2009 erschienenen Buch auf, das den Titel trägt: „1.000 Irrtümer der Allgemeinbildung – aufgedeckt und richtig gestellt“. Der Verfasser hat den Irrtum als beflissener Untertan der Reformschreibung womöglich „richtig gestellt“, aber leider nicht „richtiggestellt“. und darin einen auf 1795 datierten Brief an einen anderen Schriftsteller veröffentlicht. In diesem Schreiben, in dem es mehr auf Anekdoten als auf Wissenschaftlichkeit ankommt, berichtet Matthisson von einem nicht namentlich genannten Puristen: „Dieser wollte nämlich das ehrliche, in jedem Familienkreise, besonders wo viele Kinder sind, täglich vielleicht mehr als zwanzigmal erschallende Nennwort Nase, der hochverpönten römischen Abstammung wegen, nicht als reindeutsch anerkennen, und brachte dagegen, risum teneas, carissime! das ganz unerhörte: Gesichtserker, in Vorschlag.“ Matthissons Erinnerungen erschienen in mehreren Auflagen. Möglicherweise begünstigten sie die unkritische Wiedergabe dieser Geschichte in den Nachschlagewerken und Enzyklopädien des 19. Jahrhunderts. „… auch Steine können sprechen“ Aufruf zum sechsten Schülerwettbewerb der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Z um sechsten Mal rufen die Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt (NFG) und die Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache (TMS) zum Schülerwettbewerb „Schöne deutsche Sprache“ auf. Ziel des Schreibwettbewerbs ist es diesmal, einen literarischen Text zum Thema „… auch Steine können sprechen“ zu verfassen. Die literarische Form ist frei wählbar, so können beispielsweise Gedichte, Geschichten, Satiren, Essays und dialogische Umsetzungen verfaßt werden. Das Thema bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten: So können Beispiele der Baukunst, Denkmäler oder auch historische und sprachliche „Stolpersteine“ in den Mittelpunkt gerückt werden. Ebenso sind aber auch Phantasiegeschichten und Märchen zu „sprechenden Steinen“ möglich.. Die NFG will Schüler dafür begeistern, ihre Sprache schöpferisch einzusetzen und kleine literarische Werke zu verfassen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt wieder vier Teilnahmekategorien: Schüler der Klassen 3 und 4, 5 und 6, 7 bis 9 und 10 bis 13. Schüler der Klassen 3 bis 6 können sowohl Einzel- als auch Zweierarbeiten einreichen, Schüler der Klassen 7 bis 13 werden gebeten, nur Einzelarbeiten abzugeben. Die Texte sollten höchstens zwei DIN-A4-Seiten lang und möglichst maschinengeschrieben sein. Außerdem sollten sie folgende Angaben enthalten: Name, Alter, Schule, Schulform, Klassenstufe, Anschrift und Rufnummer. Die zwölf Gewinner des Schreibwettbewerbs (die besten drei Arbeiten je Altersstufe) werden anläßlich des Tags der deutschen Sprache am 15. September 2012 im Rahmen einer Festveranstaltung mit Urkunden und Geldpreisen ausgezeichnet und dürfen ihre Werke vortragen. Außerdem ist wieder eine Sprechwerkstatt geplant. Die „Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e. V. – Vereinigung zur Pflege der deutschen Sprache“ wurde am 18. Januar 2007 als Sammelbecken für Sprachfreunde und Sprachvereine gegründet und zählt mehr als 250 Mitglieder in ganz Deutschland. Am letzten Schreibwettbewerb der NFG und der TMS beteiligten sich rund 1.000 Schüler. (dsw/nfg) Einsendeschluß ist der 31. März 2012. Weitere Auskünfte unter www.fruchtbringende-gesellschaft.de. Einsendungen für den Schreibwettbewerb sind zu richten an: Neue Fruchtbringende Gesellschaft „Schreibwettbewerb“ Schloßplatz 5 D-06366 Köthen/Anhalt schreibwettbewerb@ fruchtbringende-gesellschaft.de Selbst Professoren und Doktoren tragen das Märchen von Generation zu Generation weiter, ohne freilich dabei um ihren akademischen Grad fürchten zu müssen; etwa Frau Prof. Dr. Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Goethe-Instituts. Sie stellt in ihrem Buch „Hat Deutsch eine Zukunft?“ erfreut fest, daß das „gut eingebürgerte Fremdwort“ „Nase“ im Fremdwörterlexikon gar nicht mehr auftauche. Welches Wunder! So dient der „Gesichtserker“ schon seit Jahrhunderten so unaufgeregten wie ahnungslosen Zeitgenossen dazu, von hoher Warte einen beschwichtigenden, besonnenen, belesenen Eindruck zu vermitteln. Wahre Kenner Zesens jedoch wie etwa der Literaturhistoriker Otto Leixner von Grünberg (1847 bis 1907) werden wohl weiterhin mit Mißachtung gestraft. Dieser meinte in seiner „Geschichte der Deutschen Literatur“ über das Märchen vom Gesichtserker: „Es wäre Zeit, daß man nach zweihundert Jahren wenigstens diesen Fleck von dem Bilde des Mannes entfernte, der viel gearbeitet, ernst gestrebt, wenn auch oft geirrt hat.“ Der „Gesichtserker“ als Bereicherung Dabei ist der „Gesichtserker“ älter als von 1795. So schreibt der Sprachpfleger Heinrich Braun 1772 in der Einführung zu seiner „Anleitung zur deutschen Dicht- und Versekunst“: „Es könnte gar wohl wiederum einige Mißgönner geben, welche die Haarkrebsen, Gesichtserker, Dachnasen, u. d. gl. in diesem Werkchen suchen werden“. Braun wollte „wenigstens im Schreiben und Drucke eine Gleichförmigkeit mit den meisten übrigen deutschen Provinzen“ herbeiführen, wie er in seiner „Sprachkunst“ von 1761 schrieb. Damals wie heute ist so ein Anliegen in gewissen Kreisen verdächtig. Wahrscheinlich hat es den „Gesichtserker“ sogar schon zu Lebzeiten Zesens gegeben. Unterdessen hat dieses Wort, das ursprünglich dazu ausersehen war, die Arbeit der Sprachschützer lächerlich zu machen, eine Lücke geschlossen und unseren Wortschatz bereichert. Häufig finden wir es nämlich nicht mehr im Einsatz als „Propagandalüge“, sondern einfach nur als scherzhafte Bezeichnung für einen eben besonders eindrucksvollen Zinken. Am Ende sind es doch die Sprachschützer, die den ach so Besonnenen eine Nase drehen können. Bitte deutlich schreiben! Neue Fruchtbringende Gesellschaft Bitte schicken Sie mir kostenlos und unverbindlich: Unterlagen für eine Mitgliedschaft in der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Terminhinweise für Veranstaltungen der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Ich bestelle gegen Rechnung, zuzüglich Versandkosten: die Broschüren zum Schülerwettbewerb „Schöne deutsche Sprache“ 2007 (4 Euro) 2008 2009 2010 2011 (je 5 Euro) „Unsere Sprache – Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der deutschen Sprache“ Band 1 (2008) „Im Anfang war das Wort“ ist zur Zeit vergriffen. Band 2 (2009) „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“: Beiträge von Thomas Paulwitz, Gabriele Ball, Michael Mühlenhort, Josef Kraus, Hartmut Heuermann und Rudolf Wachter. Themen: Rede zur deutschen Sprache 2008, die Fruchtbringer Diederich von dem Werder und Christian Gueintz, Denglisch, Empfehlungen der Schweizer Orthographischen Konferenz für eine einheitliche Rechtschreibung (100 Seiten, 6 Euro) Band 3 (2010) „Allen zu Nutzen!“: Beiträge von Uta Seewald-Heeg, Andreas Herz, Thomas Paulwitz, Werner Pfannhauser, Kurt Reinschke und Monika Plath. Themen: Rede zur deutschen Sprache 2009, Spracharbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft, 400 Jahre organisierte Sprachpflege, Deutsch als Wissenschaftssprache, Wege zur Lesemotivation von Kindern (82 Seiten, 6 Euro) Band 4 (2011) „Verstand zeigt sich im klaren Wort“: Beiträge von Lienhard Hinz, Hans Joachim Meyer, Jurij Brankačk, Hermann H. Dieter und Michèle Dieter, Margund Hinz. Themen: Rede zur deutschen Sprache 2010, Frühkindlicher Spracherwerb, Bilinguale Erziehung, Die preußischen Kleinkinderschulen (62 Seiten, 6 Euro) Name, Vorname Straße Postleitzahl und Ort Elektronische Post Datum, Unterschrift Schicken Sie Ihre Bestellung an: Neue Fruchtbringende Gesellschaft, Schloßplatz 5, D-06366 Köthen/Anhalt Telefon und Telefax +49-(0)3496-405740 [email protected] Werkstatt Seite 10 Sprachsünder Ecke Hamburg macht sich klein und will Weltstadt spielen s ist ein „Vorzeigeprojekt internationaler Waterfrontentwicklung“, schwärmt die „HafenCity Hamburg GmbH“, eine 100prozentige Tochter der Freien und Hansestadt Hamburg. Mit „Waterfrontentwicklung“ ist Stadtplanung in unmittelbarer Nähe zum Wasser gemeint. Dieser Anglizismus ist jedoch kein Ausrutscher. Es geht um die „HafenCity“, errichtet von der Stadt Hamburg. Sie wird die Hamburger Innenstadt um 40 Prozent erweitern und soll mit bis zu 150 Meter hohen Turmhäusern der deutschen Hauptstadt den Rang ablaufen. Allein das Viertel „Elbbrücken“ soll so groß werden wie das Gebiet um den Potsdamer Platz in Berlin. Dieses Viertel erhält einen großen Platz, der „den zentralen öffentlichen Raum“ bilden soll. Der Name dieses Platzes lautet: „Chicago Square“. Auch die Endhaltestelle der U4 wird diesen Namen tragen. dieses „provinzielle Weltstadtgehabe“: „Jedes Dorf gibt sich weltläufig, wenn es die Kirmes zum Event aufbläst, jede Klitsche spielt Weltunternehmen, wenn sie nur noch aus CEOs, Senior- und Content-Managern besteht. Nur wirkt das nicht international, sondern albern.“ Das sehen offenbar die meisten Bürger genauso. In einer Umfrage derselben Zeitung stimmten 89 Prozent der Leser dafür, diesem Platz lieber einen deutschen Namen zu geben. (dsw) „Für einen Platz inmitten von Hamburg ist das eine sprachliche Entgleisung.“ Das findet nicht nur das Hamburger Abendblatt. Darin schimpfte Matthias Iken in einem Kommentar vom 8. November über Sprachsünder Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Rathausmarkt 1, D-20095 Hamburg, Telefon +49-(0)40-42831-2411, [email protected] Liegt Hamburg an der Elbe oder am Michigansee? Warum gibt die Stadt ihrem neuen zentralen Platz nicht einen ortstypischen Namen oder nennt ihn wenigstens „Chikagoer Platz“? Warum „Chicago Square“? Fragen Sie Hamburgs Ersten Bürgermeister und lassen Sie uns bitte ein Doppel zukommen: Florian-Baum-Gedächtnis-Textbaustein Ein verlockendes Angebot an Denglisch-Sünder A Deutsche Wortwelt An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind, und rufen unsere Leser zum Protest auf „Chicago Square“ an der Elbe E Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 ls Dienstleistung für Sprachsünder bietet die DEUTSCHE SPRACHWELT – nur jetzt! – den folgenden Florian-Baum-GedächtnisTextbaustein an. Benannt ist dieses praktische Hilfsmittel nach dem legendären Sprecher der sympathischen Drogeriekette „Schlecker“, der damit den mißlungenen Werbespruch „For You. Vor Ort“ rechtfertigte. Dieser ausgefeilte Text hilft jedem sprachunempfindlichen Unternehmen, Beschwerdebriefe über Denglisch schnell und ohne nachzudenken zu beantworten: „Dieses Motto [oder: diese Bezeichnung, Nichtzutreffendes streichen] sollte die durchschnittlichen [hier den Namen des Unternehmens einsetzen]-Kunden, die niederen bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen sind, ansprechen. Wir haben renommierteste Marketing- und Marktforschungsagenturen beauftragt, unter diesen Gesichtspunkten eine optimale Parole [oder: Bezeichnung, Nichtzutreffendes streichen] für uns zu finden. Der so zustande gekommene Vorschlag ‚[hier den be- anstandeten Werbespruch/Namen einsetzen]‘ machte am Ende vor allem deshalb das Rennen, weil er beim für unsere Haupt-Zielgruppen repräsentativen Testpublikum am besten abschnitt.“ Sollte dem Unternehmen allerdings daran gelegen sein, seine Kunden an sich zu binden und in ihrer Sprache anzusprechen, sei ihm geraten, es doch bitte einmal auf deutsch zu versuchen. (dsw) Das entbehrliche Fremdwort Eurobonds Die immer wieder geforderten sogenannten „Eurobonds“ wären gemeinsame Schuldverschreibungen, welche die mangelnde Kreditwürdigkeit hochverschuldeter EUStaaten auf Kosten der besser eingestuften Mitgliedsländer ausgleichen sollen. In jüngster Zeit ist sogar von „Stabilitätsbonds“ die Rede. Das Wort „Schuld“ vermeiden die Europapolitiker sicher nicht zufällig in ihrer Wortwahl. Eindeutiger wäre es, von „EUAnleihen“ oder „EU-Schuldverschreibungen“ zu sprechen. Für das Letztere sprachen sich in einer Umfrage die Facebook-Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT aus. Es gab aber auch andere Vorschläge wie „Ramschanleihen“ oder „Eurobombs“. Diese Bezeichnungen wären allerdings wohl zu eindeutig. Das richtig geschriebene Wort widerspiegeln Ein häufiger Fehler ist die Verwechslung von „wieder“ und „wider“ – sofern überhaupt bekannt ist, daß es zwei verschiedene Schreibweisen mit unterschiedlichen Bedeutungen gibt. „Wieder“ bedeutet „nochmals“ oder „zurück“. „Wider“ heißt indes so viel wie „gegen“. Wer etwas erwidert, entgegnet etwas. Wenn ich jemanden wieder spreche, dann rede ich nochmals mit ihm. Wenn ich jemandem jedoch widerspreche, dann rede ich gegen seine Worte. Beim „Widerspiegeln“ fällt ein Lichtstrahl gegen einen Spiegel. Möglicherweise entsteht für viele eine Schreibunsicherheit dadurch, daß der Strahl eben „wieder“ zurück- geworfen wird, also „wieder“ zurückkommt. Das Bild des Erwiderns hat sich allerdings in der Rechtschreibgeschichte gegen das Bild des Zurückkommens durchgesetzt. Das treffende Wort erstklassig / erstklassisch Wenn etwas die höchste Stufe erreicht hat, ist es „erstklassig“. In jüngster Zeit taucht jedoch immer wieder das Wort „erstklassisch“ auf. Dabei handelt es sich manchmal um ein Wortspiel, wenn beispielsweise klassische Musik besonders zu loben ist. Oft ist es jedoch eine Falschschreibung von „erstklassig“. Mancherorts begünstigt möglicherweise die dort übliche Mundart diesen Fehler. Das wiederentdeckte Wort Brosame Die Brosame ist ursprünglich etwas Zerriebenes, Zerbröckeltes. Verkleinert wird sie zum Brösel („Brosämlein“). In den Grimmschen Märchen finden wir Brosamen bei Hänsel und Gretel. Sie sollen den beiden Kindern helfen, wieder aus dem Wald herauszufinden. Allerdings picken Vögel die Brotbrocken auf, so daß sich die Kinder verirren. In der Bibel-Übersetzung von Martin Luther begegnen uns die Brosamen bei dem armen Lazarus. Dieser „begehrte sich zu sättigen von den Brosamen, die von des Reichen Tische fielen“ (Lukas 16, 21). Wann haben Sie das letzte Mal Brosamen geschätzt? Welche weiteren Wörter sollten in dieser Wortwelt stehen? Schreiben Sie uns! GESUCHT: Kleine Leserbefragung Die Sprachwahrer des Jahres 2011 Soll der Schreibschriftunterricht an den Grundschulen abgeschafft werden? Liebe Leser, wie heißt Ihr Sprachwahrer des Jahres? Mit Ihrer Hilfe möchten wir wieder vorbildlichen Einsatz für die deutsche Sprache auszeichnen. Sie können entweder einen unserer Vorschläge ankreuzen oder selbst jemanden vorschlagen. Nehmen Sie bitte an der kleinen Leserumfrage ebenfalls teil. Einsendeschluß für beide Befragungen ist am 31. Januar 2012. Wolfgang Bosbach: Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages setzte den unflätigen Ausdrücken des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla („Wenn ich so eine Scheiße höre wie Gewissensentscheidung“) sein gepflegtes Deutsch entgegen und setzte damit ein starkes Zeichen gegen die Verwahrlosung des Sprachgebrauchs in der Politik. Hilse: Der SPD-Politiker und Verleger brachte als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses zahlrei Torsten che Initiativen für die deutsche Sprache auf den Weg. Sein letzter Antrag lautete „Deutsche Sprache als Kulturgut pflegen und fördern!“ und wurde im September mit knapper Mehrheit abgelehnt (Drucksache 16/4207). Nikolaus: Das Rostocker Bekleidungsgeschäft schloß sich der Anti-SALE-Aktion der DEUTSCHEN Modehaus SPRACHWELT an und plakatierte in seinen Filialen die Forderung „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache“. Computer Club: Die Vereinigung von Hackern veröffentlicht Texte in traditioneller Rechtschreibung und Chaos vermeidet auf diese Weise auf ihren eigenen Netzseiten ein Rechtschreibchaos. Der Humorist hat die deutsche Sprache geprägt und bereichert. Er hat es darüber hinaus nicht an kriti Loriot: schen Bemerkungen zur Entwicklung seiner Muttersprache fehlen lassen. Seine Aussprüche leben in uns weiter und machen ihn unsterblich. Michael Olbrich: Der Leiter des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes fand her aus, daß die englische Wortwahl in Geschäftsberichten der „DAX 30“-Unternehmen vermutlich gesetzeswidrig ist und gegen Handelsgesetzbuch und Aktiengesetz verstößt. Tolksdorf und Wolfgang Ball: Der Präsident des Bundesgerichtshofs Tolksdorf warnte vor der Zulas Klaus sung von Englisch als Gerichtssprache an Handelskammern in Deutschland: „Es drohen Fehlurteile.“ Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Ball lehnte als einziger geladener Sachverständiger vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats ab. Raabe: Der Bariton-Sänger und Gründer des „Palast-Orchesters“ ist ein gewandter Sprecher und glü Max hender Bewunderer der deutschen Sprache. Im August schwärmte er: „Je weiter ich mich wegbewege, um so mehr schätze ich, mich zu Hause in der Muttersprache zu bewegen. Hier kann ich mich wie ein Ferkelchen im Konjunktiv suhlen, aus jeder Silbe alles herausholen.“ Hape Kerkeling: Der Schauspieler und Unterhalter spricht mehrere Fremdsprachen fließend, kann aber auch die deutsche Sprache meisterhaft einsetzen. Im Juni bekannte er: „Ich schätze an der deutschen Sprache die Präzision, mit der sich Gefühle ausdrücken lassen. Andere Sprachen bleiben da eher vage, unpräzise.“ Jemand anders: ______________________, weil ________________________________________________ Ja Nein Unentschieden Ist der Englischunterricht an den Grundschulen sinnvoll? Ja Nein Unentschieden Soll das lautgetreue/phonetische Schreibenlernen („Lesen durch Schreiben“, „Schraip widu schprichsd“) an den Grundschulen wieder abgeschafft werden? Ja Nein Unentschieden Nennen Sie uns bitte Ihre Anregungen und Vorschläge für den Deutschunterricht in der Grundschule: __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ __________________________________________________________ Bitte einsenden an: DEUTSCHE SPRACHWELT, Postfach 1449, D-91004 Erlangen, Telefax +49-(0)9131-480662, [email protected] __________________________________________________________ Name, Vorname __________________________________________________________ Straße, Postleitzahl und Ort __________________________________________________________ Datum, Unterschrift Anstöße Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 Bericht aus Bozen Von Andreas Raffeiner F ür Süd-Tirol ist der neue Ministerpräsident Mario Monti nicht schlecht, aber bestimmt kein Heilsbringer. In den Jahren, in denen Italien von Silvio Berlusconi Bild: Roshan-Kofler und seinem „Volk der Freiheit“ (PdL) regiert worden war, war das Klima zwischen dem Staat und der deutschen Minderheit in Süd-Tirol erkaltet – trotz der föderalistisch ausgerichteten „Lega Nord“ in der Regierungsmehrheit. Mit Berlusconis Rücktritt und dem Antritt der Techniker-Regierung um Mario Monti schaut Süd-Tirol nun hoffnungsvoll nach Rom. tion bedingt: Zu lange ist in den letzten Wochen und Monaten der vierten Berlusconi-Regierung nichts weitergegangen. Fehlender Reformwillen und zunehmender Flügelstreit haben einen ganzen Staat gelähmt und sind schließlich für die ganze Europäische Union (EU) zu einem Risikofaktor geworden. Nun ist in Süd-Tirol auch in den Reihen der Minderheiten eine Aufbruchsstimmung zu verspüren, endlich notwendige finanzpolitische und verfassungsbedingte Reformen anzugehen, um den Staat Italien einigermaßen an zeitgemäße und somit moderne Anforderungen anzupassen. Sinkt nämlich das italienische Staatsschiff, geht auch der Süd-Tiroler mit unter. Was umgekehrt in diesem Sinn Italien rettet, tut auch der ihm einverleibten Minderheit gut. So gut wie alle Vertreter des offiziellen Süd-Tirols haben der Übergangsregierung um den Wirtschaftsprofessor Rosen gestreut. Und in einem ersten Treffen hat der neue Ministerpräsident Süd-Tiroler Vertretern auch zugesichert, „ein Auge auf die Belange der Autonomen Provinzen“ zu haben. Der Optimismus ist einerseits durch die allgemeinpolitische Situa- Anders schaut es hinsichtlich der Autonomie aus. Seit Jahren geht in den Verhandlungen über die (deutschen und ladinischen) Ortsnamen, über die Konzession zur Brennerautobahn und vor allem bei der Debatte über die Finanzgebarung des Landes Süd-Tirol kaum etwas weiter. Mario Monti steht nun einer aus der Not des Staates heraus geborenen Übergangsregierung Von Lienhard Hinz I ch hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm, ich hab so Sehnsucht nach meinem Berlin!“ sang Hildegard Knef (1925 bis 2002), als sie von ihren Auslandsgastspielen zurückkehrte. Das war vor fünfzig Jahren. In diesem Jahr war der 125. Geburtstag des Kurfürstendamms, weil am 5. Mai 1886 die Dampfstraßenbahnlinie vom Bahnhof Zoo nach Halensee eröffnet wurde. Drei Jahre hatte damals der Ausbau und die Verbreiterung der dreieinhalb Kilometer langen Straße auf Anregung des Reichskanzlers, Fürst Otto von Bismarck, gedauert. Die danach entstandene Villenkolonie Grunewald stiftete ihm das überlebensgroße Bronzestandbild am Bismarckplatz nahe dem Kurfürstendamm in der Hubertusallee. Wir erblicken einen nachdenklichen Spaziergänger mit Schlapphut und Stock und seine auf den Hinterbeinen sitzende Dogge. In Wirklichkeit geht die Entstehung der berühmten Straße auf das Jahr 1542 zurück, als das Jagdschloß Grunewald erbaut wurde. Unter Kurfürst Joachim II. (1505 bis 1571) entstand für die kurfürstlichen Reiter ein Verbindungsweg zum Berliner Schloß. Von dort führt der damalige Reiterweg heute über Unter den Linden, Brandenburger Tor, Straße des 17. Juni (Tiergarten), Großer Stern mit Siegessäule, Hofgartenallee, Stülerstraße, Budapester Straße, vor, für die mit Ausnahme der Lega Nord alle parlamentarischen Parteien eine gemeinsame Mehrheit bilden. Die Berlusconi-Mandatare oder deren noch nationalistischer geprägte Konkurrenz werden einen Fortschritt im Sinne eines minderheitenfreundlicheren Ausbaues der Autonomie nicht zulassen. Und was noch schwerer wiegt: Die Übergangsregierung Monti hat vorerst andere Probleme: das Eindämmen der Staatsschuld, ein dringend nötiges Ankurbeln der Volkswirtschaft, um aus der Rezession zu kommen, und längst überfällige Reformen des Staatswesens – all das ist eine Herkulesaufgabe, die dem Ausmisten des berühmten Augiasstalles gleichkommt, und mit der das Kabinett Monti sicher bis zum Ende seiner Amtszeit im Frühjahr 2013 beschäftigt sein wird. Und es ist vor allem notwendig, um Italien dauerhaft im europäischen Verbund halten zu können. Demzufolge wird alles andere untergeordnet werden. Der SVP-Parlamentarier Siegfried Brugger hatte es bei Montis Amtsantritt auf den Punkt gebracht: „Ich bin optimistisch für Italien, aber gegen Euphorie bezüglich Süd-Tiroler Fragen“. antiquarische Bücher Liste für 1,45 € in Briefmarken A. Neussner D-37284 Waldkappel Hochschulrektoren für Sprachenvielfalt A ufgrund der zunehmenden Vorherrschaft der englischen Sprache in Forschung und Lehre kommen immer mehr nicht-deutschsprachige Wissenschaftler und Studenten nach Deutschland. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Prof. Dr. Margret Wintermantel, erklärte daher Ende November in Berlin: „Wir müssen dafür sorgen, daß die lebendige Kommunikation zwischen den Hochschulmitgliedern nicht eingeschränkt wird. Es ist auch ein Problem, wenn nichtenglischsprachige wissenschaftliche Veröffentlichungen immer weniger berücksichtigt werden. Dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen, die wir nicht hinnehmen können.“ Wenn die Hochschulen ausschließlich auf englischsprachige Kommunikation in Forschung, Lehre und Lernen setzten, gehe dies zu Lasten anderer Sprachen und des Deutschen und gefährde damit die Sprachenvielfalt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Mitgliederversammlung der HRK in einer vierzehnseitigen Empfehlung Bericht aus Berlin Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Kurfürstendamm, S-Bahnhof Halensee, Koenigsallee, zum Jagdschloß Grunewald. „Alles was gut war, das kommt mal zurück, wenn darüber auch Zeit vergeht“, sang die Knef in der geteilten, entwidmeten deutschen Hauptstadt. Dies bewahrheitet sich angesichts des für Stadtrundfahrten erschließbaren „Reiterweges“ zwischen den Schlössern. Die Restaurierung und Instandsetzung des Jagdschlosses mit der Jagdgeschichte der preußischen Herrscher und einer Galerie deutscher und niederländischer Gemälde des 15. bis 19. Jahrhunderts wird mit Parkplatz und Waldweg im Dezember abgeschlossen. Begonnen hat der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, denn in der Bauhütte Spandau meißelt ein Heer von Steinbildhauern die originalen Fassadenelemente. Im Mai war die umfassende Renovierung der Siegessäule und der Göttin Viktoria beendet. Am 2. September 1873 hatte Kaiser Wilhelm I. sie eingeweiht. Am 1. September 1895 wurde die neoromanische Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche eingeweiht als ehrendes Denkmal für Kaiser Wilhelm I. – Bomben zerstörten sie im November 1943. An einen Wiederaufbau ist nicht zu denken. Geblieben ist nur noch der Turm, der als Ruine ständig mit Spenden baulich erhalten wird. Dafür feiert man 50 Jahre Egon-Eiermann-Bau. Zu den Feierlichkeiten gehörte ein Volksfest „Bei uns um die Gedächtniskirche rum“ mit Erbsensuppe, Kuchen und Getränken sowie ein Sonderpostamt im Turm. „Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm, Berliner Tempo, Betrieb und Tamtam!“ 125 der Kastenvitrinen im Bauhausstil bildeten bis Oktober eine Ausstellung zur Geschichte des Kurfürstendamms. Die Vitrinen trennen seit dem Wiederaufbau des zerbombten Kurfürstendamms – nach einer Idee der 1930er Jahre – einen Fußgängerweg an der Straße von einem Ladenweg entlang der Geschäfte. In den wiedererstandenen prächtigen Gründerzeithäusern haben alle namhaften internationalen Modemarken ihre Geschäfte. Gasthäuser und Straßencafés zahlreicher Nationalitäten werben um Gäste. Über die blanken Fassaden der Hochhausbaustellen zum Tauentzien hin gibt es nichts Besucherfreundliches zu berichten. Vom berühmten Caféhaus Kranzler, in dem auch Hildegard Knef auftrat, ist nur ein Rest im oberen Rundbau des Bekleidungskonzerns Gerry Weber übriggeblieben. Gegenüber auf dem Joachimstaler Platz steht die denkmalgeschützte Verkehrskanzel. Sie diente nach ihrer Stillegung 1962 zur Beobachtung der Demonstrationen der 68er Bewegung. Die auch heute beliebte Proteststrecke genießen wir auf einem Spaziergang von dort in Richtung Halensee nach einem Blick in den Alt Berliner Biersalon. Der jahrhundertalte einstige „Spezialausschank für Berliner Lagerbier“ hatte seine Blütezeit in den 1960er Jahren, als Theaterbesucher und Schauspieler einkehrten. Auch Inge Meysel (1910 bis 2004) trank hier oft eine Molle. Den „letzten Schrei“ der Filmtheater erleben Sie dann in der „Astor Film Lounge“ – ein Haus mit einer langen „Kinoge- Anzeigen 7000 Seite 11 Bücher von Johannes Dornseiff Rechte Notizen Der Verfasser der Bücher Tractatus absolutus (2000), Recht und Rache (2003), Sprache, wohin? (2006) und Kant (2009) legt als eine Art Nachlaß zu Lebzeiten seine politischen Notizen aus der Zeit seit 1993 vor, als Anhang zu seinem Neuen Deutschlandlied („Deutschland, Deutschland, bist verblichen ...“). – Mehr als Notizen sind es tatsächlich nicht. Aber vielleicht doch so treffend, daß die Vertreter des Gutmenschentums und der „ political correctness“ daran Anstoß nehmen werden. Von den (von sich selbst) so genannten Antifaschisten ganz zu schweigen. 136 Seiten • 10,00 € • ISBN 978-3-940190-66-6 • Vertrieb: xlibri.de Buchproduktion, Tel.: 08243 / 99 38 46, E-Mail: [email protected] Inhaltsangaben und Auszüge der Bücher des Verfassers unter www.johannesdornseiff.de schichte“. Zu empfehlen ist dann der beste Kudammblick von der Terrasse des „Reinhard’s“ im Kempinski. Ein zweites Kino, das „Cinema Paris“, im Haus der französischen Kultur schließt sich an. Das Maison de France zeigt bis Ende Januar 2012 eine Ausstellung des Pariser bildenden Künstlers Richard Tronson. Schritte entfernt empfangen uns Theater und Komödie am Kurfürstendamm, geleitet von Martin Woelffler in der dritten Generation der Familie. Stücke des Berliners Horst Pillau und Schauspieler, wie Judy Winter und Walther Plate, ziehen noch immer. Wir überqueren die 53 Meter breite Straße, um vor dem Adenauerplatz die letzte Kneipe am Kudamm mit durchgehendem 24-Stunden-Betrieb, „Bei Mo“, in Augenschein zu nehmen. Hier feiern Sportler und Fußballklubs. An ein geschichtliches Ereignis auf dem Kurfürstendamm erinnert die lebensgroße KonradAdenauer-Skulptur auf dem Adenauerplatz. Im August 1963 begleitete Bundeskanzler Konrad Adenauer den Präsidenten John F. Kennedy bei seinem Berlinbesuch. Die Bronzestatue von Helga Tiemann zeigt einen entschlossen voranschreitenden Adenauer mit wehendem Mantel und Hut in der Hand. Unser Blick fällt auf das Handtuchhaus mit seiner Stahlglasfassade des Architekten Helmut Jahn. Davor hebt sich eine der prächtigen schmiedeeisernen zur „Sprachenpolitik an den deutschen Hochschulen“ dafür ausgesprochen, Mehrsprachigkeit sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene in der Wissenschaft zu fördern. Die Hochschulen wollen sich dafür einsetzen, ein verstärktes Bewußtsein für sprachenpolitische Fragen zu schaffen und einen bewußten Einsatz unterschiedlicher Sprachen im Hochschulalltag zu fördern. Die Sprachenvielfalt soll sowohl zur Erhaltung des Deutschen als Wissenschaftssprache beitragen als auch den qualifizierten Erwerb und Einsatz anderer Sprachen unterstützen. Damit dies gelingt, wünschen sich die Hochschulrektoren mehr Personal, mehr Sprachenforschung und Sprachenzentren und mehr Übersetzungen und Dolmetscher für Wissenschaftler. Die HRK fordert darüber hinaus europäische „bibliometrische Instrumente“ (also Veröffentlichungsverzeichnisse) für nicht-englischsprachige Publikationen, damit die Forschung diese besser wahrnehmen kann. (hrk) Kohlenbogenleuchten ab, die auch heute noch den gesamten Boulevard erhellen. Gehen wir nun ein letztes Mal durch die Platanenreihen auf die andere Straßenseite zum Lehniner Platz. Hier macht die Schaubühne von sich reden. Ihr Künstlerischer Leiter, Thomas Ostermeier, führt jedes Jahr ein Shakespeare-Stück auf. Premiere hatte „Maß für Maß“ mit dem Wiener Burgschauspieler Gert Voss. Die letzte Kulturoase vor dem Bahnhof Halensee ist der Henriettenplatz, gewidmet der Kurfürstin Luise Henriette. Das Kurfürstenehepaar Luise Henriette (1627 bis 1667) und Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 bis 1688), der Große Kurfürst, ist auf Reliefs des dreiseitigen Gedenksteins zu bewundern. Rätselnd stehen die Betrachter vor dem Medusenhaupt-Brunnen des französischen Künstlerehepaares Anne und Patrick Porier. Medusa, die schöne Tochter griechischer Meeresgottheiten, wurde von Pallas Athene aus Eifersucht in ein geflügeltes Ungeheuer verwandelt und enthauptet. Dieses Medusenhaupt, das feindliche Krieger zu Stein erstarren ließ, verhalf zum Sieg. Die seltsame Brunnenfigur vor der Tanzschule Traumtänzer schreckt die Tanzlustigen nicht ab. Musik zum Tanzen ist auch das Kudammlied der Hildegard Knef: „Und seh’ ich auch in Frankfurt, München, Hamburg oder Wien die Leute sich bemüh’n, Berlin bleibt doch Berlin.“ Anzeige Weltweite Verständigung durch die internationale Sprache Ido Kulturelle und sprachliche Vielfalt ist ein Reichtum der Menschheit – doch der Prozess des Sterbens von Sprachen dauert an, auch in Europa. Helfen Sie beim Erhalt der Sprachen und Kulturen: Mit der neutralen Zweitsprache, geschaffen von einer internationalen Wissenschaftlergruppe, schützen wir auch unsere Muttersprache. Informieren Sie sich über eine der leichtesten Sprachen der Welt. Lernen Sie Ido in kostenlosen (Fern-)Kursen Ido-Freunde-Berlin, FB 8, Köpenicker Straße 30, 10179 Berlin [email protected], Telefon 030-4256744 ntffe se Info + Literatur: Deutsche Ido-Gesellschaft, Archiv ö e r 37284 Waldkappel-Bu./ [email protected] tenlosO-Kuäßig Weitere Informationen gegen 55 Cent in Briefmarken, Kurzkursus 2,50 Euro. s ID m t! Koliche regel stat en erlin find in B Bunte Seite Seite 12 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 46_Winter 2011/12 „Wo sich aufhört die Kultur …“ Wer sind die Masuren? – Eine sprachliche Spurensuche Von Rominte van Thiel S nach der Säkularisierung des Ordensstaates und der Einführung der Reformation nochmals Siedler aus Masowien ein, polnische Kleinadlige, auch geflüchtete Leibeigene und bereits reformierte Polen. eit einiger Zeit begegnet einem manchmal Merkwürdiges . Reiseveranstalter bieten Fahrten nach Ostpreußen mit Ausflügen „in die schönen Masuren“ oder Ferienhäuser „in den Masuren“ an. In der „Welt“ vom 8. Juni 2011 schrieb Henryk M. Broder von einem ausgewanderten Polen, der zurückkehrte, um in „Szczytno in den Masuren“ zu studieren. Jeder Kenner Ostpreußens weiß aber, daß „die Masuren“ die Bewohner Masurens waren und sind. Wenn man es genau nimmt, sind die heutigen Masuren auch nicht gleichzusetzen mit den früheren Masuren. Masuren war und ist eine geographisch nicht genau begrenzte Landschaft im Südosten der früheren Provinz Ostpreußen auf den ehemaligen Stammesgebieten der prußischen Galinder und Sudauer. Schon im 13. Jahrhundert wurde Masuren Teil des Ordensstaates, der entstanden war, nachdem Herzog Konrad von Masowien sich wegen der prußischen Überfälle 1226 hilfesuchend an den Deutschen Orden gewandt hatte. Dieser ließ sich unter Hermann von Salza vom Staufer Friedrich II. und dem Papst die Souveränität über die eroberten Gebiete zusichern. Das bedeutendste Bauwerk des Deutschen Ordens ist die bekannte Marienburg. Zum Schutz vor Überfällen wurden auch in Masuren Burgen gebaut, in deren Umkreis dann Siedlungen deutscher Kolonisten entstanden. Im 14. Jahr- Deutschpflicht als Menschenrechtsverletzung? „Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte. So etwas verletzt uns.“ Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am 1. November 2011 in der „BILD“-Zeitung über Bedingungen für nachziehende Ehefrauen von Einwanderern. „So wie Erdogan vor kurzem im Interview sagte, daß erst die Muttersprache Türkisch gelernt werden sollte, so hat es mein Vater genau andersherum gesehen. Erst Deutsch, das ist die Muttersprache, denn wir leben in Deutschland, und dann können die beiden Türkisch lernen.“ Der Komödiant Kaya Yanar am 7. November 2011 in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Masure hundert errichtete Ortulf von Trier die Ortulfsburg, aus der die Stadt Ortelsburg entstand, das heutige, oben erwähnte Szczytno. Bis zum 14. Jahrhundert waren die Siedler vorwiegend deutsch neben den alteingesessenen Prußen. Dann strömten neue Siedler vorwiegend in den westlichen Teil des Ordenslandes. Um den Osten nicht veröden zu lassen, waren dem Orden masowische Siedler willkommen. Die andere Sprache und das andere Volkstum spielten damals keine Rolle. Wichtig war die christliche Religion. Diese Siedler nannten sich „mazur“ (Masure) nach ihrer Heimat Masowien. Sie brachten ihre westslawische Sprache mit. Im 15. Jahrhundert strömten Durch die Reformation wurde die Gemeinsamkeit mit den Bewohnern anderen Volkstums enger. Die masurische Sprache mischte sich mit deutschen und altpreußischen Elementen, bewahrte aber den Stand der Sprache Masowiens aus der Zeit der Einwanderung, so daß sie die Entwicklung der polnischen Sprache nicht mitmachte. Das Masurische war je nach Region unterschiedlich, im Westen mehr mit deutschen Elementen gemischt, im Osten auch mit litauischen. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde es noch gesprochen, die Amts- und Schriftsprache war jedoch Deutsch. Dies war wohl auch der Anlaß, daß in Ostpreußen über Masuren gewitzelt wurde, so mit dem Spruch „Wo sich aufhört die Kultur, da sich anfängt der Masur“, der auf den teils reflexiven Gebrauch der entsprechenden slawischen Wörter anspielt. Das Prußische starb übrigens im 17. Jahrhundert aus, obwohl noch im 16. Jahrhundert Luthers Katechismus in diese Sprache übersetzt wurde; sie ist aber noch in ostpreußischen Personen- und Ortsnamen erkennbar. Ein Kulturbruch war 1938 die gewaltsame Eindeutschung ostpreußi- scher (prußischer, litauischer, polnischer) Ortsnamen, in denen sich die Geschichte, nicht unbedingt jedoch die ethnische Zusammensetzung widerspiegelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte man es umgekehrt. Im Polen zugewiesenen Teil, zu dem Masuren gehört, wurde alles polonisiert, wobei man zum Teil auf alte Namen zurückgreifen konnte; im russischen Teil bekamen die Orte unhistorische Phantasienamen. Kurzum, der Landschaftsname Masuren wurde im Deutschen genauso gebildet wie Hessen, Bayern, Franken, Westfalen, Polen, Schwaben, Pommern, und diese Form ist identisch mit der Pluralform des Namens ihrer Bewohner. Man lebt also in Masuren, in Hessen, in Westfalen, in Polen, man fährt nach Masuren, nach Bayern, nach Franken, und in diesen Ländern oder Landschaften leben die Masuren, Schwaben, Pommern. Tritt noch ein Adjektiv hinzu, fährt man ins stille Masuren, ins ländliche Westfalen, ins romantische Franken und schaut sich Masurens, Hessens, Bayerns Bauwerke oder Natur an. Daß heutzutage so viele „in die Masuren“ fahren wollen, was zu der Zeit, als Ostpreußen deutsch war, keinem Menschen eingefallen wäre, mag daran liegen, daß „Mazury“ im Polnischen ein Plural ist. So hat das Politische sprachliche Unkenntnis hervorgerufen. Siegfried Lenz stammt indes unzweifelhaft aus Masuren, genauer aus Lyck in Masuren. Sprachspiele Nicht nur für Kinder! (1) Teekesselchen Ziel Zu erraten ist ein Hauptwort, das zwei Bedeutungen hat, also zum Beispiel „Blatt“ ( Pa p i e r b l a t t / B a u m b l a t t ) , „Mutter“ (Elternteil/Schraubenmutter), „Fliege“ (Tier/ Kleidungsstück). Ein solches doppeldeutiges Wort wird als „Teekesselchen“ bezeichnet. Eigennamen und Fremdwörter sind nicht erlaubt, sonst kann es zu schwer werden. Ablauf Zwei Spieler unterhalten sich abwechselnd über ihr „Teekesselchen“ und umschreiben es auf diese Weise. Die anderen müssen das Wort erraten. Dabei können auch zwei Mannschaften gegeneinander antreten. Beispiel Spieler 1: „Mein Teekesselchen steht im Stadtpark.“ – Spieler 2: „Mein Teekesselchen wechselt Geld.“ – Spieler 1: „Mein Teekesselchen ist gemütlich.“ – Und so geht es immer weiter, bis jemand das Lösungswort „Bank“ errät. Was zieht uns an – Smoking oder Fracking? Kennen Sie Sprachspiele, die wir hier vorstellen sollten? Dann schreiben Sie uns bitte! schon einmal passieren – wie kürzlich in den USA – daß aus dem Trinkwasserhahn auch Erdgas strömt. Dann sollte es in der Küche oder im Bad tatsächlich „No smoking“ heißen, allerdings nur in den USA, denn bei uns heißt es immer noch „Bitte nicht rauchen“; zumal bei Küchenarbeiten keiner einen Smoking trägt … DasLetzte W er einen Smoking trägt, darf sich dennoch in einem Raum aufhalten, der mit „No smoking“ gekennzeichnet ist. Erst wenn dort „No tuxedo“ (ausgesprochen: taxido) oder „No dinner jacket“ geschrieben stände, müßte der Träger draußen bleiben oder sich umziehen, denn diese beiden Wörter sind das amerikanische oder englische Wort für die deutsche Wortschöpfung aus dem Englischen, die kein Engländer kennt; Denglisch pur – und das schon seit vielen Jahrzehnten! Wer aber jetzt seinen Smoking mit einem Fracking tauschen will, hat nun gar nichts verstanden. Schließlich handelt es sich hierbei nicht um ein Bekleidungsstück, sondern um einen technischen Prozeß für die Erdgasgewinnung. Dabei kann es DSW-Silbenrätsel Übrigens handelt es sich beim Fracking (ausgesprochen: fräcking) um ein hydraulisches Aufbrechen eines erdgasspeichernden Gesteins mit Hilfe von Chemikalien, Sand und viel Wasser. Das klingt so gefährlich, wie es ist. Da wird verständlich, warum man uns wieder das englische Wort aufpfropft, bei dem keiner so recht weiß, was es bedeutet. Wenigstens das sollten wir wissen! Die Redaktion der DEUTSCHEN SPRACHWELT wünscht Ihnen allen, daß in dieser Zeit zu Hause nur weihnachtliche Düfte in die Nase steigen und Ihnen ein explosives neues Jahr erspart bleibe. Ihr Anglizismenmuffel Wolfgang Hildebrandt Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz ehrlich – denglischst du noch oder sprechen Sie schon?, Band 2, ISBN 978-3-929744-52-1, 6,00 Euro. Bestellungen: Wolfgang Hildebrandt, Am Steingrab 20a, D-27628 Lehnstedt, Telefon +49-(0)47461069, Telefax +49-(0)4746-931432, [email protected] Verrückte Sprachwelt Dooden slammt Unter dem Motto „Sprache ist Wandel“ und zum Gedenken an den 100. Todestag Konrad Dudens veranstaltete der Dudenverlag am 23. November 2011 den „WORD UP! Poetry Slam“ zum Thema deutsche Sprache. „Duden slammt!“ verkündete der Verlag stolz. (dsw) Von Dagmar Schmauks auf – bar – be – blut – boh – bro – brunst – che – chen – chen – chen – chen – dach – den – der – dich – dra – e – ei – er – er – ers – fel – feld – feu – fla – fleiß – floh – fol – fürst – ga – gang – ge – ger – ger – gold – grup – haus – hen – her – hirn – kärt – kel – ken – kis – knos – lei – los – mä – mann – mer – mies – mu – nie – pan – park – pe – pen – pen – rat – re – ren – ren – ri – scha – scharf – sche – schein – schel – schlach – schlap – schleu – schmacks – se – sel – sen – sen – spros – stun – ten – ten – ter – ter – thron – tier – tof – ton – trä – u – ur – wahl – wal – wei – zer Lösungen: 1. Wahlschlappen – 2. Dichterfürst – 3. Kissenschlachten – 4. Rechenaufgabe – 5. Blutgruppe – 6. Goldesel – 7. Thronfolger – 8. hirnlos – 9. Feldflasche – 10. erbrochen – 11. eimerweise – 12. Parkschein – 13. Schleudergang – 14. Dachschaden – 15. Feuersbrunst – 16. Geschmacksknospen – 17. Fleißkärtchen – 18. rattenscharf – 19. Pantoffeltierchen – 20. urbar – 21. Flohwalzer – 22. Tonträger – 23. Miesmuschel – 24. Leitersprossen – 25. Henkelmann – 26. erstunken – 27. Mäher – 28. bohren – 29. urinieren – 30. Hausdrache 1. Hausschuhe zum Aussuchen – 2. undurchlässiger Adliger – 3. Töten von Kopfpolstern – 4. Job für eine Harke – 5. Interessengemeinschaft von Vampiren – 6. wertbeständiges Tragtier – 7. jemand, der hinter einem Herrschersitz hergeht – 8. Lotterieschein eines Denkorgans – 9. Dummkopf auf dem Acker – 10. von Vorfahren übernommener Knorpelfisch – 11. Melodie eines einhenkligen Gefäßes – 12. Leuchten einer Grünfläche – 13. mit Zwillen bewaffnete Bande – 14. wenn die Oberseite des Hauses kaputt ist – 15. Paarungsbereitschaft eines Naturelements – 16. wohlschmeckende junge Blüten – 17. arbeitswilliges kleines Pappstück – 18. würzig wie ein Nagetier – 19. kleines Lebewesen mit Hausschuhen – 20. allererstes Nachtlokal – 21. Tanzmusik für Blutsauger – 22. jemand, der Material zum Töpfern herbeischafft – 23. abscheuliches Weichtier – 24. Keime einer Steighilfe – 25. männliche Person mit Griff daran – 26. die Kröten ganz vorne – 27. Steigerung eines Schafsblökens – 28. zweitklassige Hörorgane – 29. Ausscheidungsorgane eines Schweizer Urkantons – 30. feuerspeiendes Kriechtier für die Freizeit Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft von den Zeichen.