`The Local or the Locust` Medienfusionen aus internationaler Sicht
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`The Local or the Locust` Medienfusionen aus internationaler Sicht
'The Local or the Locust' Medienfusionen aus internationaler Sicht Vortrag auf den Tutzinger Medientagen 2006 Prof. Dr. Miriam Meckel Beginnen wir biblisch: Da sprach der Herr zu Mose: Recke deine Hand über Deutschland, dass keine Heuschrecken auf Deutschland kommen, sondern alle in andere Länder fliegen, um dort alles aufzufressen, was im Lande wächst. Alles das, was die Globalisierung noch übrig gelassen hat. Sie werden unschwer bemerken, dass ich den Absatz aus dem zweiten Buch Mose (Exodus) - 'die achte Plage: Heuschrecken' - ein wenig abgeändert habe. Sagen wir, ich habe diese Bibelstelle an die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Diskussion in Deutschland angepasst. Ernsthaft: Wir haben im vergangenen Frühjahr - initiiert durch den damaligen SPDVorsitzenden Franz Müntefering - eine Debatte geführt, die als 'HeuschreckenDebatte' in die Zeitungsarchive und in den Bundestagswahlkampf eingegangen ist und auch heute immer wieder aufflackert. Als Kapitalismus-Debatte war sie (vielleicht) gedacht, aber dafür falsch angelegt. Und so haben wir über vieles diskutiert, über biblische Plagen, über die Zulässigkeit von Tiervergleichen, über schwarze Listen von Investorengruppen, über Wahlkampfrhetorik und ihre politische Substanz. Nur über eines haben wir nicht diskutiert: Über kritische Aspekte und Entwicklungen des Kapitalismus, insbesondere in Branchen, die für uns gesellschaftlich einen Mehrwert haben sollten, in dem Sinne, dass sie uns mehr wert sind als die Dinge, die wir getrost dem Markt überlassen können und wollen. 2 Franz Müntefering kritisierte damals Finanzinvestoren, die 'über Unternehmen herfallen, sie abgrasen und weiterziehen'. Beispiele, die für diese Einschätzung Zeugnis ablegen sollten, gab und gibt es viele: Von der Übernahme des deutschen Armaturenhersteller Grohe durch die Texas Pacific Group bis hin zur Beteiligung von Permira am Brillengläser und -gestelle-Hersteller Rodenstock. Permira beispielsweise war auch schon am deutschen Pay-TV-Sender Premiere beteiligt, der Schritt in die Medienindustrie ist also längst getan. Die Stossrichtung der Diskussion ist zumeist recht einseitig: Ausländische Investoren, insbesondere Hedge Fonds, übernehmen in böser Absicht deutsche Traditionsunternehmen. Schauen wir uns die Fakten an, so ist diese Sicht auf Kapitalmärkte und Transaktionen tatsächlich einäugig. Denn es sind nicht nur ausländische Unternehmen oder Kapitalgesellschaften, die Deutschland abgrasen wollen. Vielmehr sind deutsche Unternehmen ebenso aktiv im Übernahmeprozess. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2006 haben deutsche Unternehmen Zukäufe im Wert von etwa 84 Milliarden EURO angekündigt. Und die Übernahmelust der Deutschen ist auch nicht neu: Denken wir an die Übernahme von Chrysler durch Daimler Benz (1998) oder von Bankers Trust durch die Deutsche Bank (1998). Im vergangenen Jahr hat Adidas-Salomon Reebok übernommen und kürzlich war die Linde AG erfolgreich in der Übernahme der Britischen BOC-Group. Die BASF schaut begehrlich auf Engelhard, ebenso wie E.ON auf die spanische Endesa. Wenn wir also von Heuschreckenschwärmen sprechen wollen, so sind diese Heuschrecken auf den Wegstrecken der Globalisierung jedenfalls in beiden Richtungen unterwegs. Der globale Kapitalmarkt-Kapitalismus ist eine Zweibahnstrasse, auf der Verkehrsregelungen - wenn sie überhaupt funktionieren können - jedenfalls für beide Richtungen gelten müssen. Niemand wird bereit sein, in einer Richtung auf Dauer an der roten Ampel zu stehen, während diejenigen, die aus der anderen Richtung 2 3 kommen, ständig grün haben. Das aber genau ist die Grundrichtung einer Debatte, die wir in Deutschland immer wieder führen, wenn es um ausländische Beteiligungen an deutschen Medienunternehmen geht. Wir bei denen: gerne! Die bei uns: keinesfalls! Es verwundert kaum, dass die vermeintliche Kapitalismuskritik-Debatte mit ihren Angstdiskursen zur Bedrohung durch ausländische Übernahmen inzwischen auch die Medienbranche erreicht hat. Damit ich gleich einem grundsätzlichen Missverständnis vorbeuge: Es gibt sehr wohl sehr gute Gründe dafür, dass die Medienwirtschaft an manchen Stellen und in mancher Hinsicht stärker reguliert ist als andere Branchen. Ein guter Grund liegt in ihren Produkten: Medienprodukte sind meritorische Güter, die für Information und Meinungsbildung in unseren Gesellschaften verantwortlich zeichnen und daher besonderen verfassungsrechtlichen Schutz geniessen. Wenn sie aber verfassungsrechtlich besonders abgesichert sind, dann ergibt sich daraus auch zwangsläufig, dass diese Absicherung in konkrete Regelungen umgesetzt werden muss, um Fehlentwicklungen und Disfunktionen auf Medienmärkten zu vermeiden oder zumindest abzumildern. 1. Nationale Regulation im internationalen Vergleich: Ein Internationaler Vergleich zeigt, dass es in den meisten Ländern nationale Regelungen gibt, die dafür sorgen sollen, dass problematische Konzentrationsprozesse verhindert und vielfältige Medienangebote (Pluralismus) abgesichert werden. Einige Modelle begrenzen Kapital- und Stimmrechtsanteile, andere begrenzen Anteile des erreichbaren Rezipientenmarkts. Zudem existieren in einigen Ländern Grenzen bzw. Verbote crossmedialer Verflechtungen (Cross-Ownership-Rules). All diese Regelungen gelten zunächst einmal genauso für ausländische Medienunternehmer wie für inländische. 3 4 Darüber hinaus haben aber einige Länder spezifische Vorschriften über die Beteiligung ausländischer Investoren/Medienunternehmer an nationalen Medienunternehmen aufgelegt. In Spanien dürfen sich (Rechts-)Personen, die nicht in einem EULand registriert sind, nicht an privatwirtschaftlichen Fernsehunternehmen beteiligen, es sei denn, das 'Gesetz der Gegenseitigkeit' lässt eine Ausnahme zu. In jedem Fall dürfen die Beteiligungen an terrestrischen Lokalfernsehbetreibern nur maximal 25% des Kapitals umfassen. In Frankreich sind die Vorschriften noch schärfer gefasst: Nicht-EU-Ausländer dürfen maximal 20% an Kapital- oder Stimmrechten eines Fernsehunternehmens erwerben. Sogar Italien begrenzt in der Regel die Beteiligung von Nicht-EU-Ausländern an Radio und Fernsehen auf maximal 50%. Auch hier bildet die Gegenseitigkeitsregel eine Ausnahmemöglichkeit. Abgesehen davon haben uns die vergangenen Jahre des 'Systems Berlusconi' gelehrt, dass das italienische Politik- und Mediensystem nahezu jede Ausnahme möglich macht, wenn der Ministerpräsident, oberste Unternehmer und Medieninvestor des Landes dies denn so will. Erstaunlich mag für manch einen sein, dass auch einige osteuropäische Staaten ausländische Beteiligungen an nationalen Medienunternehmen begrenzen. Dazu gehören Tschechien, Zypern, Malta, Rumänien, Slowenien, die Slowakische Republik und auch die Türkei. Einige Staaten, wie beispielsweise die Schweiz, beziehen sich vordringlich auf das Gebot der gegenseitigen Investitionsmöglichkeiten und begrenzen damit die ausländischen Investitionen im nationalen Medienmarkt nur in dem Sinne, als einseitige unkontrollierbare Investitionen unerwünscht sind. Der eigentliche Schutz vor unkontrollierten Konzentrations- und Investitionsprozessen ergibt sich allerdings aus ei- 4 5 nem Faktor, der sich kaum regulieren läßt und dennoch effektiv wirkt - und das ist der Sprach- und Kulturkontext. Aber dazu später mehr. Auch Großbritannien hatte im Broadcasting Act von 1990 noch Restriktionen für ausländische Beteiligungen vorgesehen. Diese Beschränkungen sind durch den Communications Act aus dem Jahre 2003 aufgehoben worden. An diesem Beispiel läßt sich übrigens beobachten, dass sich die generelle wirtschafts- und finanzpolitische Haltung zu Übernahmen in einem Land in der Regel auch in der Medienwirtschaft widerspiegelt. Kein anderes Land in Europa ist so offen für ausländische Investoren wie Grossbritannien. Dort finden sich weder protektionistische Übernahmegesetze, noch öffentliche Diskussionen über nationale Angstzustände ob der Übernahme großer oder wichtiger Unternehmen durch ausländische Investoren. Vielmehr werden britische Unternehmen nahezu freigiebig an ausländische Investoren verkauft, ja sogar die sogenannten 'Utilities' , um deren nationale Regulationsmöglichkeiten andere EUStaaten mit der Europäischen Kommission z.B. im Zuge der Debatte um die Daseinsvorsorge heftig ringen, sind in Großbritannien längst nicht mehr sakrosankt. Die französische EDF versorgt inzwischen jeden vierten britischen Haushalt mit Strom. RWE hat bereits drei britische Stromproduzenten übernommen ebenso wie den Wasserversorger Thames Water. Von der Daseinsvorsorge zur Medienwirtschaft ist der Weg nicht weit. Und so verwundert es auch nicht, dass Rupert Murdoch seit langem intensiv im britischen Medienmarkt aktiv ist und sich auch der Kanadier Conrad Black seine Anteile am britischen Medienmarkt gesichert hat. Grossbritannien hat damit eine Wende zur Liberalisierung vollzogen und sich von Beschränkungsregelungen gegenüber ausländischen Investoren verabschiedet. Andere Länder hatten solche nie. So gibt es in Belgien, Lettland, Mazedonien, den Niederlanden, Norwegen oder Schweden keine Begrenzungen für ausländische Investoren. 5 6 Im Zuge der auch in Deutschland intensiv geführten Debatte über Beteiligungsgrenzen für ausländische Investoren an deutschen Medienunternehmen wird auch immer wieder das Beispiel USA ins Feld geführt. Tatsächlich sehen die FCC-Regelungen vor, dass kein ausländischer Akteur und keine ausländische Unternehmung mehr als 25% der Stimmrechtsanteile an einem Lizenzinhaber erwerben kann. Auch hier müssen wir uns allerdings die faktische Situation etwas genauer anschauen. Der Australier Rupert Murdoch hat nämlich auch in den USA sein Medienimperium inzwischen konsequent ausgebaut. Beginnend mit dem Kauf der New York Post, der Chicago Sun-Times und des Fernsehmagazins TV-Guide in den achtziger Jahren bis zum Erwerb der Twentieth Century-Foxfilm-Corporation und dem Ankauf verschiedener Fernsehstationen von Metromedia zur Gründung des Fox-TV-Networks hat Rupert Murdoch ein Mediennetzwerk aufgebaut, das ob der zitierten Begrenzung erstaunlich erscheint. Möglich war dies dadurch, dass Rupert Murdoch im September 1985 amerikanischer Staatsbürger wurde, bevor er die grossen Käufe amerikanischer Medienunternehmen vornahm. Im Ergebnis möchte ich festhalten: Die gerade ob der geplanten, nun aber nicht realisierten Übernahme von Pro7-Sat1 durch Springer aufkommende Angst vor ausländischen Investoren und die damit verbundene Forderung nach Begrenzung der Anteile ausländischer Investoren und Medienunternehmer an deutschen Medien geht ein wenig an den Fakten vorbei, die ein interntaionaler Vergleich der Regulierung in den einzelnen Medienmärkten zu Tage fördert. Unabhängig davon, dass ein solcher Schritt hin zu neuer Regulation und Begrenzung vermutlich im internationalen Zusammenhang mit Befremden zur Kenntnis genommen würde, dürfen wir davon ausgehen, dass auch die EU-Kommission hier Einspruch anmelden wird (wie sie dies derzeit auch in den Staaten tut, die andere Wirtschaftszweige und ihre nationalen Champions vor ausländischen Übernahmen schützen wollen). 6 7 Wenn wir also über Begrenzungsmöglichkeiten sprechen wollen, dann sollten wir dies tun auf der Grundlage eines differenzierten Blicks auf die Situation in den einzelnen zitierten Ländern und auf die Entwicklung im internationalen Medienmarkt, die einen derartigen Regulierungsschritt nicht grade nahelegt. 2. Das Beteiligungsspiel internationaler Medienkonzerne: Die Karten sind gelegt Die Diskussion um Beteiligungsgrenzen mutet auch deshalb befremdlich an, weil Medienunternehmen aller Nationalitäten längst jenseits ihrer jeweiligen Heimatgrenzen recht aktiv sind. Einige Beispiele: Die Luxembourg-basierte RTL-Group hält wesentliche Beteiligungen an TV-Kanälen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, den Niederlanden, Belgien, Ungarn, Spanien, Kroatien und natürlich Luxembourg. Ein ähnliches Bild ergibt sich für das Netzwerk von Radiostationen, das sich ebenfalls über verschiedene europäische Länder erstreckt und für die Programmproduktion, bei der Freemantlemedia, die größte Fernsehproduktionsfirma Europas, jährlich mehr als 260 Programme in 39 Ländern produziert und ausstrahlt. Die schon zitierte News Corporation von Rupert Murdoch kontrolliert drei Tochtergesellschaften, die in Europa aktiv sind: BskyB-Group, Stream und Balkannews Corporation. Sie versorgen verschiedene europäische Länder mit Fernsehkanälen, so z.B. in Grossbritannien, Irland, Italien und Bulgarien. Unnötig zu erwähnen, dass Rupert Murdoch einen Grossteil seines Medienimperiums in den USA aufgebaut hat und inzwischen auch in Asien aktiv ist, so z.B. sogar in der Volksrepublik China. Die US-Firma Liberty Media, die von John Malone kontrolliert wird, besitzt eine Reihe von TV-Kanälen, die in verschiedenen europäischen Ländern und international aus- 7 8 gestrahlt werden, so z.B. auch den bei uns empfangbaren Discovery Channel,. Über Beteiligungen an der News Corporation, an AOL, an Viacom, Vivendi Universal, und Chorus Communication in Irland hat auch John Malone sich ein internationales Mediennetzwerk aufgebaut. Die Liste der Beteiligten und Beteiligungen liesse sich bis zur totalen Erschöpfung des Auditoriums fortsetzen. Auch im Zeitungssektor gibt es eine Reihe von internationalen Beteiligungsstrukturen, die der Erwähnung wert sind, um die 'Ausländer-Debatte' vom Kopf auf die Füsse zu stellen. Beschwingt durch die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen nach dem Fall der Mauer hat sich eine Reihe von deutschen Verlagen in Mittelund Osteuropa engagiert. Springer, die WAZ-Gruppe, aber auch kleinere deutsche Verlage wie die Rheinische Post, die Rhein-Zeitung oder die Passauer Neue Presse sind seit Jahren im Ausland aktiv. 3. Die deutsche Abwehrschlacht gegen ausländische Beteiligungen Was unseren Medienunternehmen und Verlagen im Ausland erlaubt ist, sollte auch umgekehrt möglich sein. Faktisch ist es dies, jedoch werden Übernahmeaktivitäten ausländischer Investoren bei uns mit großem Argwohn, ja einem Grundmisstrauen, beobachtet und von aufgeladenen öffentlichen Debatten begleitet. Das ließ sich zusetzt sehr eindrucksvoll nachvollziehen an der öffentlichen Diskussion um die Übernahme des Berliner Verlags durch den Iren David Montgomery. Er geisterte als drastisches Zerrbild durch die deutschen Medien, bezeichnet als 'Heuschrecke' und als 'Mann der Zeitungen frisst'. Um auch hier Missverständnissen vorzubeugen: Ich halte es für sehr legitim, dass eine Redaktion bei existentiellen Veränderungen ihre Interessen klar formuliert. Davon lebt unsere Medienlandschaft, davon lebt der Medienpluralismus und das gehört eben auch zur verfassungsrechtlich 8 9 verbrieften Stellung von Medien. Schwierig wird es aus meiner Sicht dann, wenn in der Debatte nicht Argumente, sondern ungeprüfte Vorurteile überwiegen, bis hin zu ausländerfeindlichen Begrifflichkeiten, die in einem solchen Diskurs nichts zu suchen haben. Wie dies anders verlaufen kann, zeigt die öffentliche Diskussion bzw. NichtDiskussion um den US-Medienunternehmer Haim Saban, der nach der Pleite der Kirch-Gruppe die Sendergruppe Pro7-Sat1 im Jahr 2004 günstig übernommen hat. Interessant ist daran zweierlei: Haim Saban hat der deutschen Medienwirtschaft in einem bemerkenswerten Spiegel-Interview im Wortsinne den Spiegel vorgehalten. Er wunderte sich damals öffentlich, wie leicht ihm die Übernahme gemacht worden war und wie wenig er für die Sendergruppe bezahlen musste: 'Wir sind allen deutschen Milliardären und Medienkonzernen sehr, sehr dankbar', höhnte er und wunderte sich pointiert, 'warum da niemand zugegriffen hat'. So deutliche Worte mag manch ein deutscher Medienunternehmer als Affront gewertet haben, tatsächlich hatte Haim Saban recht: Als der Münchner KirchKonzern 2002 vor dem Aus stand, gab es z.B. mit dem Bauer-Verlag einen potenziellen deutschen Investor, der seit Oktober 2002 nahezu exklusiv mit den Insolvenzverwaltern Kirchs verhandelt hatte und für etwas 1,9 Milliarden EURO übernehmen wollte. Kurz vor dem Zieleinlauf schwächelte Bauer und Haim Saban kam ins Spiel. Er machte dann kurzerhand das Rennen. Aus heutiger Sicht möchte ich dazu gerne eine Frage stellen: Hat die Beteiligung des ausländischen Medieninvestors Haim Saban der Pro7.SAT.1- Gruppe oder dem deutschen Medienmarkt geschadet ? Meine klare Antwort darauf lautet: Nein! Haim Saban hat es mit seinem Management geschafft, die Pro7-Sat1- Gruppe aus den roten in die schwarzen Zahlen zu führen und damit verhindert, dass eine Säule des fein austarierten viersäuligen deutschen Fernsehsystems (zweimal öffentlich-rechtlich, 9 10 zweimal kommerziell) wegbricht. Die Skeptiker können nun kommen und sagen: Aber das sagt noch nichts aus über die Qualität der Programme. Richtig, ich stimme zu. Aber: Ich möchte gerne erst einmal einen empirischen Beweis dafür geliefert bekommen, dass unter Beteiligung von Haim Saban die Programmangebote von Pro7Sat1 beispielsweise amerikanischer geworden sind. Denn das ist ja eine Hauptargumentationslinie gegen die Internationalisierung des Fernsehmarktes: Wir müssen unsere eigenen kulturellen Angebote schützen und fördern, damit die amerikanische (globalisierte) Einheitsware nicht alles überschwemmt. Ich komme auf diesen Punkt gleich noch einmal zurück. Als Zwischenfazit möchte ich zunächst festhalten: Bislang hat niemand belegen können, dass Haim Saban der Amerikanisierung des Fernsehens in Deutschland das Wort geredet oder erkennbaren Schaden angerichtet hat. Die wirtschaftliche Rettung von Pro7-Sat1 kann niemand ernsthaft problematisieren. Im Gegenteil: Sie dürfte wesentlich zur Stabilisierung des deutschen Fernsehmarktes beigetragen haben. Erlauben Sie mir nun, noch einmal einen kleinen Schritt zurückzugehen. Ich möchte gerne noch einen genaueren Blick auf die Diskussion in Deutschland zu der Zeit werfen. Ja, es hätte deutsche Medienunternehmer gegeben, wie z.B. den Bauer-Verlag, die die Pro7-Sat1 Gruppe hätten übernehmen können. Sie haben es aber nicht getan. Dafür mag es mannigfaltige Gründe geben. Fakt ist: Kirch war insolvent und es musste ein Investor her. Wenn der aus Deutschland nicht kommt, weil sich niemand traut, weil die Investition für zu teuer befunden wird oder aus welchen Gründen auch immer, dann werden ausländische Investoren aktiv. Über die haben wir dann auch ab 2002 am meisten und aufgeregtesten diskutiert. Plötzlich schien ein Schreckgespenst am Horizont auf: Ein ausländischer Medienunternehmer, womöglich der gehasste australische Medienzar Rupert Murdoch, könne grosse Teile des Kirch-Konzerns übernehmen. Nun darf ich deutlich sagen, dass die- 10 11 ses Szenario auch bei mir keine grosse Begeisterung auslöst hat. Die Debatte allerdings, die auf dieser Basis in Deutschland geführt wurde, erscheint aus heutiger Sicht nahezu absurd. Nur ein Beispiel: Im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien wurde damals allen Ernstes diskutiert, die Bundesregierung solle Anteile an der angeschlagenen Kirch-Gruppe erwerben und sich für eine Milliarde EURO mindestens eine Sperrminorität sichern. Man war also damals bereit, das hohe (und durch BverfG-Urteile abgesicherte) Gut der Staatsferne des Rundfunks locker zu opfern, nur um ausländische Investoren von einer Beteiligung abzuhalten. Das ist zumindest eine bemerkenswerte politische Linie, über die man begründet streiten kann. Anlässlich der schließlich geplatzten Übernahme von Pro7-Sat1 durch Springer gab es ähnliche Tendenzen. So hat der bayerische Ministerpräsident Stoiber gesagt: 'Das kann doch nicht sein, dass wir jetzt ausländische Unternehmer im Medienbereich in hohem Masse zusätzlich bekommen.' Und sein Generalsekretär setzt nach: 'Ausländische Konzerne können ungehemmt agieren, während deutsche Unternehmen massiv behindert werden.' Doch, all das kann sein, vor allem wenn wir uns in Deutschland darauf beschränken, öffentlich Stellvertreterkriege gegen ausländische Investoren zu führen, statt unser eigenes nationales Regulationsinstrumentarium auf den Prüfstand zu stellen und zu modernisieren. 4. Die Problematik der deutschen Medienregulation Unser diversifiziertes Regulationsmodell, das auf vielen unterschiedlichen Prüforganen und Prüfprozessen beruht, ist zu komplex und kann im internationalen Wettbewerbsgeschehen nicht mehr mithalten. Das lässt sich an verschiedenen Beispielen dokumentieren. Zum einen ist die kartellrechtliche Betrachtung im Mediensektor mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Beispiel Kabelnetz: Hätte das Kartellamt nicht die Übernahme des deutschen Kabelnetzes durch Liberty Media 2002 untersagt, viel- 11 12 leicht hätten wir heute eine Situation, die das Kabel als Plattform für Internet, Telefonie und Fernsehen längst ins digitale Zeitalter katapultiert und damit aus Wettbewerbs- und Kundensicht durchaus einen Mehrwert geschaffen hätte. Vielleicht wären wir jetzt dann auch nicht in der Situation, die Verflechtung von Kabel- und Inhalteangeboten zu akzeptieren, die in den USA aus guten Gründen immer reguliert wurden. Aber das ist eine 'Was wäre wenn' Debatte, die wir hier nicht führen müssen. Das Bundeskartellamt hat auch den Zusammenschluss von Tagesspiegel und Berliner Verlag bei der Holzbrinck-Gruppe untersagt. Auch in diesem Fall will ich mich keinesfalls dazu aufschwingen, die Argumentationslinie des Bundeskartellamtes grundsätzlich in Frage zu stellen. Schwierig allerdings wird es, wenn wir die öffentliche und politische Debatte für eine Novelle der Pressefusionskontrolle einmal nachzeichnen. Da werden über Jahre hinweg immer neue Vorschläge vorgelegt, die Verbände einbezogen, der Minister aktiviert - und dann entsteht - nichts. Das Ergebnis kennen wir nun: Der Berliner Verlag ist durch Holzbrinck an einen ausländischen Investor verkauft worden - mit der entsprechenden öffentlichen Aufregung, die ich eben schon skizziert habe. Wenn Inländer nicht wollen oder dürfen, dann kommen Ausländer. Wenn aber Inländer nicht dürfen oder wollen und Ausländer nicht können oder sollen, dann sind das Anzeichen einer Entwicklung, die regulatorisch widersinnig und für Medienunternehmen höchst problematisch ist. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland deutsche Medienunternehmen im heimischen Markt mit voller Kraft ausbremsen und gleichzeitig ausländische Investoren schon an der Grenze stoppen. Das ist medienpolitisch schizophren und kann dem Medienstandort Deutschland auf Dauer nicht gut bekommen. No Locals and no Locusts - diese Linie wird auf ob der beschriebenen Entwicklungen schwer zu verfolgen sein. 12 13 Das Beispiel Pro7-Sat1/Springer verdeutlicht aber noch mehr: Aus meiner Sicht hat hier auch das chaotische Zusammenspiel unterschiedlicher Regulationsinstanzen dazu geführt, dass die geplante Übernahme irgendwann in einer Verfahrenssackgasse stecken bleiben musste. Übrigens ganz unabhängig von wesentlichen inhaltlichen Argumenten. Es gibt gute Gründe dafür, diese Übernahme z.B. unter Gesichtspunkten von Medienpluralismus und Meinungsvielfalt abzulehnen. Sie sind nur leider in der öffentlichen Debatte kaum durchgedrungen. Zur Erinnerung: Insbesondere die Kommission zur Ermittlung der Konzentration (KEK) hat in diesem Prozess eine recht unglückliche Rolle gespielt. Sie hat den Marktanteil Springers auf schwer nachvollziehbarer empirischer Grundlage zusammengerechnet und ist auf 42% gekommen. Das ist eine mutige Festsetzung, die man hätte erklären müssen, wenn man sie hätte erklären können. Um diese 42% dann zu relativieren, hat die KEK einen bemerkenswerten Vorschlag unterbreitet. Es sollte ein Gremium geschaffen werden (als ob wir davon in Deutschland auch im Mediensektor nicht längst genug hätten), das alle wesentlichen Fragen für den Sender Sat.1 entscheiden sollte. Zur Verdeutlichung: Es ging dabei nicht nur um programmliche Fragen, sondern auch um wirtschaftliche. Wie ein solcher Vorschlag beispielsweise mit dem Aktiengesetz vereinbar ist, ist mir bislang weitgehend rätselhaft. Klar ist darüber hinaus aber: Es wäre Springer nie möglich gewesen, auf einen solchen Vorschlag einzugehen. Der Verlag hätte die Kontrolle an Sat.1 komplett abgeben müssen. Das mag manch einem als Revitalisierung des Stücks 'Enteignet Springer' durchaus als gute Idee erschienen sein. Als ernsthafter Vorschlag der wichtigsten konzentrationsrechtlichen Kommission ist es ein Witz. Die KEK hat in diesem Prozess Schaden genommen, den auch andere zu verantworten haben. Es reicht nämlich nicht, dass die KEK schwierige Vorschläge unterbreitet. Es kommt vielmehr hinzu, dass sie der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten zugeordnet ist, aus deren Kreis ein Mitglied schon frühzeitig erklärt hatte, es gäbe keine 13 14 rechtlichen Einwände gegen die Übernahme von Pro7-Sat.1 durch Springer. Wenn aber eine Prüfkommission auf der Grundlage der politischen Vorwegnahme einer Ablehnung ihres möglichen Prüfergebnisses zu arbeiten beginnt, sollten wir uns ernsthaft fragen, ob diese Konstruktion eigentlich lebensfähig ist. Gegen KEKBeschlüsse sollte ein Unternehmen gerichtlich vorgehen können. Dass die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalt sie aufheben kann, beschädigt die Bedeutung der KEK, bevor die Kommission überhaupt zu arbeiten beginnt. Doch damit noch nicht genug: Ein wichtiges Entscheidungsgremium ist die Konferenz der Ministerpräsidenten, die für den Rundfunk-Staatsvertrag zuständig ist. Auch aus dieser Runde hatte es frühzeitig Signale in die eine oder andere Richtung gegeben, die in kleinen Gesprächskreisen vorangetrieben und abgesichert wurden. Wer weiss, dass die 16 Ministerpräsidenten üblicherweise um jedes Komma des Rundfunk-Staatsvertrages umfänglich ringen, der kann sich vorstellen, dass solche Prozesse für Fragestellungen, wie sie bei Pro7-Sat1/Springer gegeben waren, nicht effektiv und effizient sein können. Wenn wir uns dies alles vor Augen führen, dann muss man zu dem Ergebnis kommen: Hier stimmt etwas nicht. Irgendwie ist die deutsche Medienpolitik im Zuge von Globalisierung, Übernahmeprozessen, technischem Fortschritt und Zentralisierung wichtiger Entscheidungen auf der Strecke geblieben. Wenn wir uns Sorgen um den Erhalt deutscher Medienunternehmen und eines funktionierenden deutschen Medienmarktes machen, dann sollten wir das ändern. Nicht durch Abwehrprozesse gegenüber ausländischen Investoren, sondern durch Klärung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland können wir diese Herausforderung gestalten. 5. Kulturelle Konzentrationsgrenzen 14 15 Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf Grenzen der Konzentration jenseits von Regulation. Wenn es um die Begrenzung der Expansion deutscher Medienunternehmen ins Ausland und ausländischer Medienunternehmen in Deutschland geht, dann liegen uns diese Grenzen auf der Zunge. Sie sind verankert in Sprache und Kultur eines jeden Landes und behindern vielerlei Expansionsaktivitäten in einem internationalen Medienmarkt. Der Kölner Stadtanzeiger wird niemals in China produziert werden, die Lausitzer Rundschau nicht in Indien. Und auch die internationalen Investorengruppen, die sich jetzt Schritt für Schritt an Übernahmen im Mediensektor versuchen, werden immer wieder feststellen, dass der Erfolg einer Zeitung und damit auch die Gewinnund Renditemöglichkeiten von der Verankerung des Medienprodukts in seinem lokalen bzw. kulturellen Umfeld abhängt. So ist beispielsweise für Hanns Peter Nehl von der Generaldirektion Wettbewerb der europäischen Kommission 'der Fortbestand nationaler Grenzen im Bereich der Printmedien, insbesondere auch wegen der damit regelmässig zusammenfallenden linguistischen und kulturellen Schranken, eine auch wettbewerbsrechtlich unumgängliche Tatsache' (epd medien 72/2004: 6). In Belgien und auch in der Schweiz zeigt sich sehr konkret, wie das aussieht: Konzentrationsprozesse bei Medien verlaufen in der Regel allein innerhalb der jeweiligen Sprachgemeinschaften. Erinnern wir uns auch einmal an die Debatte über die Amerikanisierung des Europäischen Fernsehens, die Anfang der 90-er intensiv und vehement geführt wurde. Damals lautete die Befürchtung, internationale Konzentrationsprozesse, insbesondere die Beteiligung von US-Medienunternehmen an europäischen Medienunternehmen, würden dazu führen, dass die europäische Kultur in ihrer Repräsentanz durch Medienprodukte verdrängt werde. Inzwischen gibt es eine Reihe von Belegen (wissenschaftliche Studien, aber auch die Daten der Programmforschung zur Programmak- 15 16 zeptanz), die zeigen, dass dies nur eine zeutlich begrenzte Entwicklung war. Natürlich haben wir erlebt, dass Anfang der 90-er Jahre zunehmend amerikanisches Programm in deutschen Sendern ausgestrahlt wurde. Aber diese Entwicklung hat irgendwann ihren Höhepunkt erreicht und wurde dann durch heimische Produktionen wieder zurückgedrängt. Natürlich wurden auch diese inländischen Produktionen nach internationalen Fernseh-Format-Standards realisiert, aber in lokalen Zusammenhängen und mit Anbindung an die kulturellen Kontexte der Zuschauer in Deutschland. Dieser Gedanke liegt auch der EU-Fernsehrichtlinie zugrunde, die sich derzeit im Novellierungsprozess befindet. Sie sieht eine 50%-Quote für EU-Programme in europäischen Fernsehangeboten vor sowie eine 25%-Quote unabhängiger Produzenten, um auf diesem Wege eine Produktionsnische zu erhalten, die nicht von den international geführten Konzernen besetzt werden kann. Auch für solche Quoten gilt: Sie schaffen es nicht, immer alles so zu regeln, wie die gesetzliche Grundlage es angedacht hat. Man kann z.B. selbstverständlich schlechte deutsche Produktionen anbieten, die womöglich weniger mit deutscher Kultur zu tun haben als gute USProduktionen. Im Grunde geht die EU hier aber in die richtige Richtung. Kulturelle Grenzen und Restriktionen sind manchmal im Mediensektor sehr viel wirksamer als Beteiligungsgrenzen. Anders formuliert: Die Heuschrecke, die aus dem Ausland heranfliegt und sich auf dem Dach eines deutschen Medienunternehmens niederlässt, wird im wesentlichen deutsches Futter fressen und ausscheiden müssen, wenn sie langfristig überleben will. Und noch ein letzter Gedanke: Wir leben in Zeiten der Globalisierung. Wir leben in Zeiten, in denen wir uns sachlich und fachlich mit den Herausforderungen einer zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft, des Engagements ausländischer 16 17 Unternehmen im Inland, der Fusionen und Vernetzungen auseinandersetzen müssen. Das ist ein Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Wir leben nicht mehr nur in unserem Dorf, wir leben längst im globalen Dorf und zum Teil auch in einem grenzüberschreitenden virtuellen Raum, der durch Wirtschaftsprozesse, internationalisierte Standards, globale Fragestellungen geprägt wird. Wenn dies so ist, dann erscheint es auch nahe liegend, dass sich dieser Teil der Wirklichkeit in den Medienangeboten - auch denen nationaler Medienunternehmen wieder finden muss. Vielleicht wäre ein von 'Desperate Housewife', 'Ally McBeal' und 'Sex in the City' bereinigtes Programm gar nicht wünschenswert. Schliesslich führen uns internationale Medienprodukte nicht nur diesen von mir gerade beschriebenen Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit vor Augen, sondern bieten auch Identifikations-, vor allem aber Differenzierungsmuster, die für die Formung und das 'Feintuning' unserer jeweiligen Kultur sehr hilfreich sein können. Wir schärfen unser Bewußtsein, indem wir differenzieren, Unterschiede machen auch zwischen Kulturen und ihren Medien. Die heutige medienkulturelle Herausforderung lautet daher aus meiner Sicht: Wir brauchen die richtige Mischung aus lokalen, nationalen und internationalen oder globalisierten Angeboten, denn nur eine solche Mischung reflektiert die gesellschaftliche Wirklichkeit. 5. Fazit Ich fasse meine Überlegungen in drei Thesen zusammen: 1. Medienprodukte sind und bleiben meritorische Güter. Sie verlangen und verdienen besondere Beachtung, die sich auch in Regulation ausdrücken kann und 17 18 muss. Nur so werden sie ein modernes Verständnis kultureller Vielfalt und gesellschaftlichen Pluralismus anbieten und langfristig sichern können. 2. Wir müssen die Internationalisierung der Medienmärkte zur Kenntnis nehmen und positiv gestalten. Dazu können Heuschrecken-Debatten wenig beitragen. Einen grossen Beitrag hingegen könnte eine Reform der deutschen Medienregulation liefern - weg von der föderalistischen Kleinteiligkeit hin zu klaren und zentralen Entscheidungsprozessen und -instanzen, die innerhalb unseren Landes Überzeugungs- und Legitimationskraft haben und damit dazu beitragen, dass unsere Medienunternehmen international wettbewerbsfähig bleiben. 3. Was für deutsche Medienunternehmen im Ausland erlaubt ist, muss für ausländische Medienunternehmen nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit auch in Deutschland erlaubt sein. Deutsche Medienwirschaftspolitik kann jedenfalls nicht dem Leitsatz folgen: 'No Locals, no Locusts'. 18