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Quarterly Science Newsletter
Evonik-Innovationspreis 2011
And the winner is ...
Gedruckte Elektronik
Transistormatrix aus der Lösung
Ausgabe 1|2012
2 Inhalt
6
Titelmotiv
Messplatz für Dünnschichttransistoren im Rahmen
des Projekts „Gedruckte Elektronik“
NEWS
28
4 4 5
5
Evonik baut für rund 500 Millionen € Methionin-Komplex in Singapur
Mehr Kapazitäten für Polyamid 12 in Deutschland und Asien
Kapazität für PLEXIGLAS® Formmassen in Schanghai verdoppelt
Neue Produktionsanlage für Kosmetikrohstoffe in Brasilien geplant
Evonik-Innovationspreis 2011
6 And the winner is ...
Kategorie neues Produkt/neue Systemlösung
8 Dauerhafter Schutz für Photovoltaikmodule
Kategorie neuer oder verbesserter Prozess
12 Ein Katalysator für den Erfolg
NEWS
17 Pumpenimplantat aus VESTAKEEP® PEEK hilft gegen Aszites
17 Tego Innovationszentrum in Singapur und Schanghai eröffnet
34
Gedruckte Elektronik
18 Transistormatrix aus der Lösung
NEWS
26 PEEK-Polymer der nächsten Generation
26 25 Jahre Superabsorberproduktion in Krefeld
27 Labor- und Produktionskapazität für hochpotente Wirkstoffe erweitert
Standortmanagement
28 Neues Infracor-Verfahren zur Wasserbehandlung mit Chlordioxid
INNOVATIONSMANAGEMENT
34 Netnography: Auf Volkes Stimme hören
NACHWUCHSFÖRDERUNG
42 Im Klassenzimmer der Zukunft
news
46 Evonik meets Science Japan
46 Barrierefolie FLEXOSKIN® schützt flexible Photovoltaik
47 Partnerschaft mit der Universität Minnesota
elements38 Ausgabe 1|2012
47 Impressum
E d itorial 3
Chemie 2.0
Wollten Sie schon immer mal wissen, wie Sie Schweißflecken vermeiden können?
Wie nützlich ein Gebissreiniger sein kann, wenn Sie das Wassersystem Ihres Wohn­
mobils einer Generalreinigung unterziehen wollen? Oder wie Sie das vergilbte
Gehäuse Ihrer Waschmaschine wieder weiß kriegen? Dann sollten Sie in Blogs und
Internetforen stöbern. Sie können sicher sein, dass fast jedes Problem, und sei es
noch so schräg, im Netz nicht nur diskutiert, sondern auch auf verblüffend kreative
Weise gelöst wird. Das ist nicht nur für die User, sondern auch für Forscher inter­
essant, weil sich das im Netz gesammelte Wissen der Verbraucher für die Suche
nach Innovationen nutzen lässt. Wir haben es mit Hilfe der Netnography – das Wort
leitet sich aus „Internet“ und „Ethnography“ ab – ausprobiert und sind so zu neuen
Ideen für die Anwendung von Wasserstoffperoxid gekommen.
Und das, obwohl Wasserstoffperoxid eines unserer ältesten Produkte ist. Doch
sein Innovationspotenzial ist längst noch nicht ausgereizt. Zum Beispiel ist es uns
mit dem HPPO-Verfahren zur Herstellung von Propylenoxid aus Propen und Wasser­
stoffperoxid gelungen, einen zusätzlichen Markt für Wasserstoffperoxid zu schaf­
fen. Welche Bedeutung das Verfahren für uns hat, lässt sich auch an unserem Inno­
vationspreis ablesen, den wir wie jedes Jahr kurz vor Weihnachten unternehmens­
intern vergeben haben. Er ging an einen neuen Prozess, der die Herstellung des
für das HPPO-Verfahren benötigten Katalysators TS-1 umweltfreundlicher macht.
Der zweite Preis in der Kategorie neues Produkt bzw. neue Systemlösung ging
übrigens an unser Polyamid VESTAMID® für die Rückseitenabdeckung von Photo­
voltaikmodulen, das die Module dauerhaft schützt. Beide Projekte stellen wir
Ihnen in dieser Ausgabe ausführlich vor.
Die Netnography am Beispiel von Wasserstoffperoxid zeigt, welcher Nutzen
sich aus dem Internet ziehen lässt, wenn man mit der Technologie umzugehen
weiß. Ein Wissen, mit dem unsere Kinder wie selbstverständlich aufwachsen. Wer
Jugendliche beim Umgang mit Spielkonsole, Tablet-PC oder Smartphone beobachtet,
kann nur staunen, wie sie diese Geräte intuitiv bedienen, ohne auch nur einen Ge­
danken an Bedienungsanleitungen zu verschwenden.
Diese Leichtigkeit im Umgang mit moderner Technik wollen wir nutzen, um
bei Kindern Freude und Interesse an Naturwissenschaft und Technik zu wecken.
Zum einen mit der neuen Lernplattform der Evonik Stiftung im Internet: Hier
können Grundschulkinder der Zeichentrickfigur Professor Proto in die Reagenz­
gläser schauen und dabei spielerisch eine ganze Menge über Chemie erfahren.
Zum anderen mit dem Cyber Classroom, einer innovativen 3-D-Lern- und -Lehrum­
gebung, die älteren Schülern komplexe Inhalte anschaulich vermittelt. Wir haben
jetzt vier Schulen mit Cyber-Classroom-Stationen ausgestattet, zu denen neben
Hard- und Software auch mehrere Chemie-Module gehören, die für diesen Anlass
neu ent­w ickelt wurden. Der Cyber Classroom setzt da an, wo das eigene Vorstel­
lungsvermögen die Schüler im Stich lässt, indem er zum Beispiel chemische Reak­
tionen zum dreidimensionalen Erlebnis macht – interaktiv und ebenso intuitiv
zu bedienen, wie die Schüler das von ihrer Spielkonsole kennen. Für die Jugend­
lichen ist das eine Art Chemie 2.0, die sie ermutigen soll, ihren natürlichen Drang,
Neues auszupro­bieren, auch in den MINT-Fächern zu realisieren.
Patrik Wohlhauser
Mitglied des Vorstandes der
Evonik Industries AG
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4
N e ws
Evonik baut für rund 500 Millionen € Methionin-Komplex in Singapur
Mit der bisher größten Chemieinvestition
stärkt Evonik das Kerngeschäft mit essen­
ziellen Aminosäuren für die Tierernährung:
Der Konzern wird in Singapur einen
Methionin-Komplex mit einer Jahreskapazität
von 150.000 Tonnen errichten und dafür
rund eine halbe Milliarde € investieren. In
dem vollständig rückintegrierten Komplex
auf Jurong Island wird Evonik nicht nur die
für die Tierernährung gefragte Aminosäure
Methionin produzieren, sondern auch sämtliche dafür strategisch wichtigen Rohstoffe.
Das neue Werk soll bereits im zweiten
Halbjahr 2014 den Betrieb aufnehmen und
mehrere hundert Mitarbeiter beschäftigen.
Wesentliche Engineering- und Rohstoff­
verträge sind inzwischen vergeben und die
Vorarbeiten zum Baubeginn gestartet.
Mit dem Neubau sowie dem Ausbau der
vier bestehenden Produktionsanlagen für
Methionin will Evonik ab 2014 auf eine jährliche Gesamtkapazität von 580.000 Tonnen
kommen – dies ist ein Plus von gut 60 Prozent
innerhalb von fünf Jahren (2010: 360.000
Tonnen). „Methionin ist eines unserer Kern­
geschäfte, das wir mit dieser Großinvestition
nun auch im Wachstumsmarkt Asien deutlich
stärken wollen. Wir wollen damit auch in
In modernen Ernäh­
rungskonzepten
für Geflügel,
Schweine und Fische
wird der Einsatz
von MetAMINO®
immer wichtiger
Asien nah bei unseren Kunden und ein langfristig zu­verlässiger und starker Partner
sein“, erläuterte Dr. Klaus Engel, Vorstands­
vor­sitzender von Evonik Industries. Evonik
versteht sich als Weltmarktführer für Me­thio­
nin, das unter dem Namen MetAMINO®
vermarktet wird.
Dr. Reiner Beste, Leiter des Geschäfts­
bereichs Health & Nutrition, ergänzte: „Mit
dem Schritt nach Singapur sind wir dann in
den wichtigen Weltregionen mit modernen
und hocheffizienten Produktionsstätten präsent. Wir haben unsere bestehenden Anlagen
in Nordamerika und Europa bereits konsequent ausgebaut, um den steigenden Bedarf
zu bedienen und unsere führende Wett­­be­werbs­position zu sichern.“
DL-Methionin ist eine unverzichtbare
Aminosäure für die gesunde und umweltfreundliche Tierernährung. Besonders in
modernen Ernährungskonzepten für Geflü­gel,
Schweine und Fische spielt der aus­gewogene
Einsatz von MetAMINO® eine zunehmende
Rolle. Wesentlicher Treiber hierfür ist die
An­nahme, dass der Fleisch­konsum durch steigenden Wohlstand weltweit auch langfristig
weiter steigen wird. Dies erfordert sowohl
unter ökologischen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine effizientere Ver­
sorgung der Tiere mit Nährstoffen.
Mehr Kapazitäten für Polyamid 12 in Deutschland und Asien
Eine noch junge Anwendung für Polyamid 12
von Evonik sind Gasrohre, wie sie beispielsweise
in städtischen Verteilernetzen im Druckbereich
zwischen 10 und 20 bar zum Einsatz kommen
elements38 Ausgabe 1|2012
Evonik Industries beabsichtigt, die Kapa­
zitäten für den Spezialkunststoff Polyamid 12
auszubauen. Zum einen erweitert der
Konzern die bereits bestehende Anlage in
Marl spürbar. Zum anderen hat der Vorstand
jetzt der Vor- und Basisplanung einer neuen
großen Anlage für Polyamid 12 in Asien zugestimmt. Die um 5.000 Tonnen erweiterte
Produktionskapazität in Marl soll 2012 in
Betrieb gehen. Der mit 20.000 Tonnen sehr
deutliche Ausbau in Asien soll innerhalb von
drei Jahren abgeschlossen sein. Er bedarf
noch der Zustimmung der Gremien.
Dr. Dahai Yu, im Evonik-Vorstand für das
Segment Specialty Materials zuständig,
sagte: „Mit dem beabsichtigten deutlichen
Kapazitätsausbau wollen wir unsere führende
Position bei Polyamid 12 langfristig absichern.
Dabei setzen wir auf das Wachstum sowohl
in den etablierten Märkten als auch in den
aufstrebenden Regionen wie Asien.“ Poly­
amid 12 wird in innovativen und hochwertigen Produkten im Automobilbereich, in
Elektrik und Elektronik, für Haushaltsgeräte,
bei Sport­artikeln sowie in der Industrie eingesetzt. Darüber hinaus hat Evonik gemeinsam mit Kunden neue Anwendungen in der
Öl- und Gasförderung sowie in der Gasver­
teilung entwickelt.
„Als einziger integrierter Hersteller
von Polyamid 12 verfügt Evonik über eine
wettbewerbsfähige und ausgezeichnete
Tech­no­logieplattform“, betonte Gregor
Hetz­ke, Leiter des Geschäftsbereichs Per­
for­mance Polymers. Evonik produziert
Poly­amid 12 ausgehend von Butadien über
verschiedene Zwischenstufen zum Mono­
mer Laurinlactam, das zum Polyamid 12
poly­merisiert.
Dieses verarbeitet das Unternehmen
zu sogenannten Compounds weiter, in
denen dem Basispolymer für die verschiedenen Spezialanwendungen Zusatzstoffe
beigemischt werden. Evonik vermarktet
Polyamid 12 als Konstruktionswerkstoff
unter dem Markennamen VESTAMID® und
als Be­schichtungspulver unter dem Namen
VESTOSINT®.
Ne ws
5
Kapazität für PLEXIGLAS® Formmassen in Schanghai verdoppelt
Im letzten Quartal 2011 wurde die zweite
Ausbaustufe der PMMA-Anlage von Evonik
in Schanghai abgeschlossen und in Betrieb
genommen. Damit wird die regionale Kapa­
zität für Formmassen aus Polymethyl­
methacrylat (PMMA) auf ca. 40.000 Tonnen
verdoppelt.
Mit der PMMA-Anlage, Teilstück eines
World-Scale-Methacrylatkomplexes, startete
2008 die Produktion von PLEXIGLAS® Form­
massen für den chinesischen und übrigen asiatischen Markt. Evonik hatte mit dem
Methacrylatkomplex und einem Gesamt­
investitionsvolumen von mehr als 200 Mil­
lionen € frühzeitig sein Engagement in der
Region deutlich gemacht.
Die jetzt erfolgte Kapazitätserweiterung
trägt dem ungebrochenen Wachstum des
Marktes Rechnung und stellt einen weiteren Schritt in der langfristigen Asien-Stra­
tegie des Unternehmens dar. „Mit der Maß­
nahme wollen wir unsere Position als einer
der weltweit größten Anbieter von Spezial­
polymeren ausbauen und unseren Standort
Schang­hai stärken “, so Gregor Hetzke, Lei­
ter des Geschäftsbereichs Per­formance
Polymers von Evonik.
Unter dem Namen PLEXIGLAS® genießen PMMA-Formmassen von Evonik international eine hohe Bekanntheit. Die Produkte
werden als umfassendes Sortiment an
PLEXIGLAS® Formmassen in die unterschiedlichen Industriezweige wie beispielsweise die
Automobil-, Beleuchtungs- und Elektronik­
branche geliefert. Der jetzt erfolgte Ausbau
der PMMA-Anlage trägt auch dem stei­
genden Bedarf in Europa Rechnung und be­­
deutet für Kunden außerhalb Asiens eine
erhöhte Versorgungssicherheit hinsichtlich
PLEXIGLAS® Formmassen.
Neue Produktionsanlage für Kosmetikrohstoffe in Brasilien geplant
Evonik treibt die Planung für eine neue
Produktionsanlage voran, die in Americana
im brasilianischen Bundesstaat São Paulo eine
große Bandbreite von Inhaltsstoffen für die
Kosmetik- und Konsumgüterindustrie produzieren soll. Das Investitionsvolumen soll im
mittleren zweistelligen Millionen-EuroBereich liegen. Die Anlage soll eine
Jahreskapazität von mehr als 25.000 Tonnen
haben und Anfang 2014 mit der Produktion
beginnen. Das Gesamtprojekt bedarf noch
der Zustimmung der Gremien.
„Ziel des Projektes ist es, über eine
Produktion in Americana den Markt in
Brasilien und Südamerika vor Ort noch besser zu bedienen“, betonte Patrik Wohlhauser,
der im Vorstand von Evonik für das Segment
Consumer, Health & Nutrition und für die
Region Südamerika zuständig ist. Kunden in
der Region beliefert Evonik bereits über ein
eigenes Service- und Logistikzentrum in
Guarulhos (Brasilien). Auch diese Aktivitäten
sollen künftig verstärkt werden.
„Mit einer Produktionsanlage in Brasilien
wollen wir unser globales Produk­tions­
netzwerk für die Konsumgüterindustrie stär-
ken. Evonik will damit auch Südamerika als
interessantes Wachstumsfeld für sich
erschließen“, erklärte Dr. Claus Rettig, Leiter
des Geschäftsbereichs Consumer Specialties.
Evonik verfügt über Produktionsstandorte für
Kosmetikrohstoffe in Europa, den USA und
Asien. Für Asien hat Evonik zudem Ende
März 2011 den Bau einer weiteren Anlage zur
Produktion von Inhaltsstoffen für die
Kosmetik und Haushaltskonsumgüter angekündigt: Die Produktion in Schanghai (China)
mit einem Investitionsvolumen im oberen
zweistelligen Millionen-Euro-Bereich soll
etwa in zwei Jahren in Betrieb gehen.
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E vonik-Inn ovations preis 2011
And the winner is ...
VESTAMID® für die Rückseitenabdeckung von Photovoltaikmodulen und das neue Misch­
oxidverfahren zur Herstellung des Katalysators TS-1, der unter anderem beim HPPOVer­fahren zum Einsatz kommt: Das sind die Gewinner des unternehmensinternen EvonikInnovationspreises 2011. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Klaus Engel und Vorstandsmitglied
Patrik Wohlhauser ver­lieh­en am 21. Dezember 2011 in Essen bereits zum elften Mal in
Folge den begehrten Preis, mit dem einmal im Jahr Mitarbeiterteams für herausragende
Entwicklungen ausgezeichnet werden. Das Preisgeld in Höhe von jeweils 30.000 € geht in
der Kategorie neues Produkt/neue Systemlösung an ein Team des Geschäftsbereichs
Performance Polymers und in der Kategorie neuer oder verbesserter Prozess an ein Team aus
den Bereichen Inorganic Materials und Advanced Intermediates.
Sechs Teams – je drei pro Kategorie – hatten zuvor den Einzug ins Finale geschafft und
damit gute Chancen, den Innovationspreis zu gewinnen. „Sie alle haben mit Ihren Projekten
Originalität, Kreativität, technische Kompetenz und vor allem ein gutes Gespür für den
Markt und seine Bedürfnisse bewiesen“, lobte Wohlhauser. „Das sieht man daran, dass alle
nominierten Projekte den Sprung vom Labor in den Markt bereits erfolgreich vollzogen
haben. Mit dem Preis würdigen wir die Besten der Besten dieses Jahres.“
Vierzehn Teams hatten sich diesmal um den Preis beworben – neun in der Kategorie neue
Produkte/neue Systemlösungen und fünf in der Kategorie neue oder verbesserte Prozesse.
Anfang Oktober hatte eine Jury die sechs Finalisten anhand von Kriterien wie wirtschaft­
liche Bedeutung, ökologische Vorteile und gesellschaftlicher Nutzen ausgewählt. In einer
abschließenden Sitzung am Tag der Preisverleihung wählte eine zweite Jury, der neben
Wohlhauser und Dr. Peter Nagler, Leiter Corporate Innovation Strategy & Management,
drei Geschäftsbereichsleiter sowie drei Professoren angehörten, die Gewinner aus. Zuvor
hatten die nominierten Teams noch einmal Gelegenheit, der Jury ihr Projekt zu präsentieren
und sie im persönlichen Gespräch vom Nutzen und wirtschaftlichen Potenzial ihrer Ent­
wicklung zu überzeugen. „Denn“, so Wohlhauser, „Innovation ist ohne Sales und Marketing
nicht möglich.“
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E vonik-Inn ovati onspreis 2011
Der Preis in der Kategorie
neues Produkt/neue Systemlösung
geht an:
Der Preis in der Kategorie
neuer oder verbesserter Prozess
geht an:
Dr. Franz-Erich Baumann, Bernd Beckmann, Claudia Behrens,
Michael Beyer, Dr. Harald Häger, Martin Himmelmann,
Reinhold Steiner, Dr. Andreas Pawlik, Dr. Martin Wielpütz
Geschäftsbereich Performance Polymers
Dr. Kai Schumacher, Dr. Christian Schulze Isfort,
Dr. Steffen Hasenzahl, Dr. Helmut Mangold, Dr. Andreas Hille,
Dr. Martin Mörters, Dr. Wolfgang Lortz, Dr. Reinhard Vormberg,
Rainer Loutschni, Friedhelm Collmann, Dr. Stefan Wieland,
Dr. Michael Grün, Dr. Jörg Pietsch, Kurt-Alfred Gaudschun
Geschäftsbereich Inorganic Materials
Für das Projekt:
VESTAMID® für die Photovoltaik
7
Dr. Bernd Jäger, Tibor Kovacs
Geschäftsbereich Advanced Intermediates
Für das Projekt:
Die Mischung macht’s: Neues Verfahren macht Herstellung
des Katalysators TS-1 umweltfreundlicher
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E vonik-Inn ovations preis 2011 K ategorie neue s produk t/N eue s ys temlös un g
Dauerhafter Schutz für
Photovoltaikmodule
Rückseitenfolien aus Polyamid – eine leistungsstarke fluorfreie Alternative
Das Dobratsch-Gipfelhaus
(Alpenvereinshütte in Kärnten,
Österreich) in einer Höhe
von 2.143 m
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Mit Rückseitenfolien auf Basis von VESTAMID® lassen sich Solarmodule dauerhaft
vor Umwelt- und Witterungseinflüssen bewahren, mit zusätzlichen Vorteilen gegen­
über klassischen Lösungen. Der Geschäftsbereich Performance Polymers bekam
für diese Entwicklung, die sich bereits im Markt etabliert hat, den Evonik-Innova­
tionspreis 2011 in der Kategorie neues Produkt/neue Systemlösung verliehen.
Alle Szenarien prognostizieren einen weiteren
drastischen Anstieg des künftigen Weltenergie­
bedarfs im Lauf dieses Jahrhunderts. Neben dem
wachsenden Bedarf der Industrienationen werden
vor allem die Schwellenländer einen gewaltigen
Energiehunger entwickeln. Bereits im Jahr 2003 wies
der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung
Globale Umweltveränderungen“ darauf hin, dass nur
Photovoltaik und Solarthermie den entscheidenden
Beitrag zur künftigen Deckung des Weltenergie­
bedarfs leisten können.
Vor allem in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhun­
derts wird die Rolle der Sonnenenergie in diesem
Szenario drastisch an Bedeutung gewinnen. Fossile
Energieträger, Kernenergie, aber vermehrt auch
erneuerbare Energien aus Wasserkraft, Wind oder
Geothermie liefern zwar ebenfalls wichtige Beiträge,
aber verglichen mit der Menge der jährlich zu uns
gelangenden Sonneneinstrahlung verblassen alle
anderen Energiereserven im wahrsten Sinne des
Wortes.
Diese Ausgangssituation erklärt das große Inte­
resse an der Erzeugung von Strom aus Sonnenlicht.
Vor allem die Photovoltaikindustrie legte in den ver­
gangenen Jahren ein rasantes Wachstum hin. Ein jähr­
liches Marktwachstum von mehr als 30 Prozent war
nichts Ungewöhnliches. Der zunehmende Wett­
bewerb in der Branche und die Innovationen bei
Prozessen und Materialien führen dazu, dass parallel
die Preise für Solarmodule in der jüngsten Vergan­
genheit drastisch gesunken sind: im Schnitt jährlich
um 18 Prozent, im vergangenen Jahr gab es teils sogar
Preisstürze in Höhe von 40 Prozent.
Alle Marktbeobachter gehen davon aus, dass die­
ser Trend weiter anhalten wird. Selbst wenn sich in
Deutschland durch eine weiter sinkende Einspeise­
vergütung gewisse Sättigungstendenzen abzeichnen
sollten, wird die steigende weltweite Nachfrage dies
mehr als kompensieren. Die Branche spürt einen
ziemlichen Kostendruck und sucht Möglichkeiten zur
Optimierung. Einen Beitrag dazu liefert die neu ent­
wickelte fluorfreie Rückseitenfolie aus Polyamid, die
kostengünstiger hergestellt werden kann, umwelt­
freundlicher ist und dennoch alle geforderten Eigen­
schaften einer Rückseitenfolie erfüllt.
Ein herkömmliches Modul, das Sonnenlicht in
elektrische Energie umwandelt, besteht aus einer
Frontscheibe, hinter der die Solarzellen aus Silizium
liegen. Zum Schutz vor mechanischen Belastungen
sind die Zellen von beiden Seiten in Folien einge­
bettet, bei denen es sich in den meisten Fällen um
ein EVA-Copolymer (Ethylen­v inylacetat) handelt.
Auf der sonnenabgewandten Seite schließt die
Rückseitenfolie das Modul ab. Sie erfüllt zwei Auf­
gaben: Zum einen schützt sie die aktiven Elemente
vor Witterungseinflüssen, wie Feuchtigkeit oder ul­
travioletter Strahlung. Zum anderen liefert sie die
erforderliche elektrische Isolation. Seit Jahrzehnten
besteht die Rückseitenfolie aus einem FluorpolymerPolyester-Verbund. Dieses fluorierte Foliensystem
gehörte für die Branche zu einem Modul wie das
Messer zur Gabel. Und genau für dieses Foliensystem
hat der Geschäftsbereich Performance Polymers von
Evonik gemeinsam mit der Isovoltaic AG eine äußerst
wirkungsvolle Alter­­­native entwickelt, die alle gefor­
derten Aufgaben erfüllt, ohne die Nachteile der bis­
herigen Folien in Kauf nehmen zu müssen.
Die Hersteller müssen für 20, teils sogar 25 Jahre
garantieren können, dass ihre Solarmodule widrigsten
Umweltbedingungen widerstehen: hoher Luftfeuch­
tigkeit in den Tropen genauso wie einer erhöhten
UV-Strahlung im Gebirge oder einem rauen 333
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10 E vonik-Inn ovations preis 2011 K ategorie neue s produk t/N eue s ys temlös un g
Aufbau eines herkömmlichen
Solarmoduls. Für die Abdeckung
der Rückseite hat Evonik fluor­freie Formmassen aus Polyamid
entwickelt, die nicht nur recycelt
werden können, sondern auch
bessere Eigenschaften aufweisen
Frontglas
Einkapselung
Solarzellen
Einkapselung
Rückseitenfolien
Solarmodule
müssen mindestens
20 Jahre halten
Wüstenklima. Bislang gibt es keine standortspezifi­
schen Vorgaben für Solarmodule – jedes muss alle
diese Auflagen erfüllen, die die Hersteller in umfang­
reichen Tests durch unabhängige Prüfeinrichtungen
nachweisen müssen.
Angesichts dieser Anforderungen nahm die
Branche den hohen Preis des bewährten Folienver­
bunds in Kauf. Der relative Anteil der Rückseiten­folie
an den Modulkosten ist im Lauf der Zeit allerdings
immer weiter gestiegen: Lag er vor Jahren aufgrund
des damals erheblich höheren Preises für die Silizi­
umzellen bei zwei bis drei Prozent, macht er inzwi­
schen bereits sechs Prozent der Modulkosten aus. Das
ist kein Pappenstiel für einen Hersteller, der Prozesse
und Kosten optimieren muss.
Hinzu kommt, dass die Branche vor einigen Jah­
ren schmerzhaft zu spüren bekam, wie die Her­
stellung der Rückseitenfolie das Wachstum der
Solar­industrie vorübergehend limitierte: Weil die
verwendete fluorhaltige Folie nicht in ausreichenden
Mengen am Markt verfügbar war, konnte die Bran­
che nicht so viele Module fertigen, wie sie hätte ver­
kaufen können. Es war die „zweite Rohstoffkrise“ der
Photovoltaik, nachdem einige Zeit zuvor schon mal
das Silizium knapp geworden war.
Doch das klassische Rückseitenfolienmaterial hat
noch einen weiteren Nachteil: den ökologisch
bedenklichen Fluoranteil von etwa 40 Prozent. Laut
der europäischen Richtlinie für Elektro- und Elekt­
ronik-Altgeräte, die im Jahr 2005 in Kraft getreten
ist, müssen die Hersteller ihre Module am Ende des
Lebenszyklus zurücknehmen und recyceln oder fach­
gerecht entsorgen. Der Fluorgehalt der Rückseiten­
folie erschwert ein Recycling ziemlich – die Entwick­
elements38 Ausgabe 1|2012
lung einer fluorfreien Alternative für Rückseitenfo­
lien stellt somit einen unschätzbaren Wert dar. So gab
es für die Modulhersteller also inzwischen genügend
Gründe, sich nach Materialalternativen für die Rück­
seitenfolie umzuschauen.
Hier setzte der Geschäftsbereich Performance
Polymers von Evonik in Zusammenarbeit mit dem
Partner Isovoltaic an. Evonik verfügt über ein um­
fangreiches Polymer- und Extrusions-Know-how,
während Isovoltaic über das entsprechende Knowhow für die Herstellung und Anwendung von Folien
verfügt. Die im österreichischen Lebring ansässige
Isovoltaic AG ist der Marktführer für Entwicklung
und Produktion von Rückseitenfolien für Solarmo­
dule, hat also direkten Zugang zu den Kunden. Für
Evonik wiederum waren Polymere für diese Art der
Anwendung Neuland.
Als Ausgangsmaterial für eine neue Rückseiten­
folie dient das etablierte VESTAMID®, ein Hoch­
leistungspolyamid, das sich bereits in vielen Anwen­
dungen bewährt: zum Beispiel in Pumpenrädern,
geräuschfreien Getrieben, Sportschuhen oder Off­
shore-Ölleitungen. Da der Werkstoff eine hohe
Chemikalienbeständigkeit besitzt, was gleichzeitig
auch Witterungsbeständigkeit bedeutet, und eine
hohe mechanische Belastbarkeit, lagen seine Eigen­
schaften gar nicht so weit weg von dem geforderten
Eigenschaftsprofil. Allerdings war es unerlässlich, das
Polyamid 12 zu modifizieren.
Polyamid – fluorfrei
und leistungsfähig
Mechanische Prüfung
(links) und optische
Kon­trolle (Mitte) von
Rückseitenfolien für
Solarmodule bei der
Isovoltaic AG, um sicher­
zustellen, dass die
Folien die Solarzellen
lang­fristig und zuver­
lässig schützen und
iso­lieren. Folienlami­
nierung – eine von
zwei Aufbau­varianten
(rechts)
Durch die gezielte Optimierung einzelner Bausteine
wie auch durch die Anpassung und Nutzung von
Syner­­gien einzelner Füllstoffe und Stabilisatoren ge­
lang es dem Geschäftsbereich Performance Polymers,
beispielsweise die Hafteigenschaften von VESTAMID®Folien gegenüber herkömmlichen fluoridhaltigen
Rückseitenfolien signifikant zu erhöhen sowie selbst
für den Hochleistungswerkstoff VESTAMID® bemer­
kenswerte Temperatur- und UV-Stabilitäten zu erzie­
len. Gleichzeitig konnten die Reflexionseigenschaften
dieser Folien drastisch erhöht werden, was je nach
Aufbau der Solarmodule einen erhöhten Wirkungs­
grad der Module ermöglicht.
Der Teufel steckt dabei allerdings im Detail: Die
Mischung dieser einzelnen Bausteine zu einem maß­
geschneiderten Compound stellte eine weitere
enorme Herausforderung dar. Hier gelang es dem
Geschäftsbereich Performance Polymers, durch Ein­
satz und gezielte Optimierung neuester Filtra­t ions­
technologien sowie durch Weiterentwicklung und
Übertragung der bestehenden Compoundiertechno­
logien auf neue Produktionsstraßen einen neuen
Standard zu setzen bei der Formmassequalität – zum
Beispiel in Bezug auf verringerte Agglomerate sowie
Gele. Aufgrund des hohen Qualitätsanspruchs kann
diese Formmassequalität dem Partner Isovoltaic repro­
duzierbar und ohne Chargenschwankungen zur
Verfügung gestellt werden. Daraus kann Isovoltaic
extrem dünne Folien herstellen.
Auf Basis der von Evonik entwickelten Formmas­
sen hat der Partner Isovoltaic zwei Aufbauvarianten
für neue Rückseitenfolien entwickelt. Der erste Auf­
bau orientiert sich in der Herstellung sehr stark an
der klassischen Rückseitenfolie: Dazu wird eine
dünne VESTAMID®-Folie extrudiert und beidseitig
auf eine Trägerfolie aus PET (Polyethylentereph­
thalat) auflaminiert.
Der zweite Aufbau kommt dagegen ganz ohne
Laminierung aus. Dazu bedient man sich der gleich­
zeitigen Co-Extrusion von drei Polyamidschichten.
Wer sich Extrusionsverfahren vergegenwärtigt,
Zwei
Aufbauvarianten
entwickelt
bekommt schnell eine Vorstellung von der Komple­
xität dieser Aufgabe: Das Kunststoffgranulat jeder
Schicht wird zunächst durch Scherung und
Temperatur­zufuhr zu einer hochviskosen Formmasse
auf­geschmolzen, die dann als breiter Schmelzevor­
hang auf eine Walze abgelegt wird – und das für drei
Schichten gleichzeitig.
Die Co-Extrusion ermöglicht somit, durch die
gezielte Optimierung der einzelnen Schichten diese
direkt, das heißt ohne den Einsatz von vernetzenden
Klebstoffen, miteinander zu verbinden. Dieser Auf­
bau bietet eine fluorfreie und darüber hinaus rein
thermoplastische Rückseitenfolie und ermöglicht so
neue Dimensionen in Bezug auf einfaches Recycling
der Module am Ende des Lebenszyklus.
Beide beschriebenen Aufbauten der Rückseiten­
folie sind fluorfrei, kostengünstiger als die klassi­
schen Rückseitenfolien und diesen in ihren Eigen­
schaften mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar
leicht überlegen.
Isovoltaic hat diese neuen Rückseitenfolien 2009
als ICOSOLAR® APA bzw. ICOSOLAR® AAA mit
großem Erfolg am Markt eingeführt. Es sieht so aus,
als ob die Solarbranche nur darauf gewartet hat, ihre
grüne Technologie fluorfrei und damit „noch ein biss­
chen grüner“ zu machen. 777
kontakt
Dr. Martin Wielpütz
Geschäftsbereich Performance
Polymers
+49 2365 49-86725
[email protected]
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12 E vonik-Inn ovations preis 2011 K ategorie neuer od er v er be ss erter Proz e ss
Ein Katalysator für den Erfolg
Katalysen sind dann besonders erfolgreich, wenn Prozess und Katalysator ein perfekt
eingespieltes Team bilden. Für die Synthese von Propylenoxid haben Evonik-Experten
Katalysatorherstellung und Produktionsverfahren entscheidend verbessert – mit
einem großen Plus für Wirtschaftlichkeit und Umwelt. Dafür erhielt das Team den
Evonik-Innovationspreis 2011 in der Kategorie neuer oder verbesserter Prozess.
Herstellung von Titansilikalit 1 durch
Hydrothermalsynthese. Dabei werden
die Katalysatorrohstoffe gemeinsam
mit einem Templat in wässriger
Lösung unter Hitze und Druck zum
fertigen Zeolith auskristallisiert
elements38 Ausgabe 1|2012
Struktur von Titansilikalit 1
In Lehrbüchern sehen katalysierte Reaktionen
meist ganz einfach aus: Sie folgen häufig dem simp­
len Schema
[Katalysator]
A+B
C+D
Mit der Realität hat diese Formel leider wenig zu tun.
Denn Katalysatoren sind keine Wundermittel per se.
Sie funktionieren in der großtechnischen Anwendung
nur dann ausreichend effizient und selektiv, wenn
fachübergreifend Katalysator-Spezialisten und Ver­
fahrenstechniker gemeinsam Prozess und kataly­
tische Reaktion perfekt aufeinander abstimmen. Ein
besonders gelungenes Beispiel dafür ist die großtech­
nische Herstellung von Propylenoxid mit Hilfe von
Titansilikalit 1.
Titansilikalite (TS) sind kristalline Molekularsiebe
der Zusammensetzung (SiO2)1-X(TiO2)X, in denen Ti­
tan-(IV-)Zentren wenige Prozent der Siliziumzentren
im Kristallgitter ersetzen. Sie ermöglichen selektive
Oxidationen mit Wasserstoffperoxid. Durch Ko­or­
dination an die Titan-(IV-)Zentren wird Wasserstoff­
peroxid aktiviert und kann in diesem Zustand leicht
ein Sauerstoffatom an zu oxidierende Verbindungen
übertragen. Neben der Synthese von Lac­tamen und
Phenolderivaten ist die bedeutendste großtechnische
Anwendung die Synthese von Propylenoxid aus Pro­
pen und Wasserstoffperoxid. Propylenoxid ist eine
Schlüsselkomponente unter anderem für Polyure­
thane (PU). Polyurethane gehören zu den wichtigs­
ten Kunststoffen weltweit: Sie dienen als
besonders leichte und strapazierfähige Werkstoffe
im Automobilbau etwa für Sitzpolster oder Arma­
turenbretter, und mit PU-Schäumen werden Gebäude­
fassaden und Kühlgeräte gedämmt und hochwertige
Kaltschaummatratzen gefertigt.
Mit der wachsenden Nachfrage nach energie­
sparenden Dämmstoffen und Leichtbaustoffen wächst
auch der Bedarf an Propylenoxid. 2008 wurden welt­
weit rund 5,5 Millionen Tonnen der farblosen, hoch­
reaktiven und leichtflüchtigen Flüssigkeit hergestellt,
2010 waren es bereits über 6,5 Millionen Tonnen. Bis
2015 könnte der globale Bedarf auf schätzungsweise
10 Millionen Tonnen anwachsen.
Evonik beschäftigt sich mit Propylenoxid schon
seit den 1990er Jahren. Und zwar auf zwei Ebenen:
zum einen mit der großtechnischen Umwandlung von
Propylen zu Propylenoxid mit Wasserstoffperoxid als
Oxidationsmittel, zum anderen mit der Entwicklung
des TS-1 als maßgeschneiderten Katalysators für die
dafür notwendige selektive Oxidation. Zum KernKnow-how von Evonik gehört unter anderem die
Bereitstellung von perfekten Katalysatorrohstoffen.
Dabei gilt: Die Ausbeute der Reaktion sollte ein
Maximum zeigen, gleichzeitig muss die Bildung mög­
licher Nebenprodukte minimiert werden. Genauso
bedeutend ist, dass der Herstellungsprozess für den
Katalysator ökonomisch und ökologisch optimiert ist:
Je weniger Nebenprodukte, je weniger Abfälle, je ge­
ringer der Energieverbrauch, umso nachhaltiger ge­
staltet sich der Prozess.
Für die Herstellung von TS-1 existieren mehrere
Wege. Herkömmliche Verfahren nutzen als Quellen
für Silizium und Titan komplexe Ester-Verbindungen,
daher spricht man hier von der Ester-Route. Nachteil
dieser Verfahren: Die Rohstoffe für die Herstellung
des Katalysators sind teilweise sehr kostspielig, weil
die eingesetzten Alkoxide eine sehr hohe Reinheit
aufweisen müssen. Außerdem entsteht bei der Aus­
bildung der Kristalle ein Hydrogel aus Titandioxid
und Siliziumdioxid. Dabei setzen die Estergruppen
große Mengen Ethanol frei, die entsorgt oder ver­
wertet werden müssen.
Eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung des
Kristallgitters spielt das sogenannte Templatmolekül.
Dabei handelt es sich um ein recht großes und sper­
riges Ionenpaar. Es wirkt wie eine Art molekulare
Know-how für
maßgeschneiderte
Katalysatoren
Schablone, die Form und Größe der reaktiven Poren
im Katalysatorgitter vorgibt. Bei der Kristallisation
unter Druck und erhöhten Temperaturen – der
sogenannten Hydrothermalsynthese – reagieren die
Rohstoffe um dieses Templatmolekül herum und
bilden innerhalb von einigen Stunden das Gerüst für
den katalytisch wirksamen Zeolith. Das Salz wird
nach der Kristallisation entfernt.
Evonik produziert TS-1 bereits seit den 1990er
Jahren, weil das Unternehmen damals schon er­
kannte, dass sich mit diesem Katalysator viel verspre­
chende neue Märkte und Anwendungen für das 333
elements38 Ausgabe 1|2012
14 E vonik-Inn ovations preis 2011 K ategorie neuer od er v er be ss erter Proz e ss
Abbildung 1
Evonik ist es gelungen, die pulver­
förmigen Katalysatorrohstoffe
ohne Zugabe von Fremdstoffen
in eine gebrauchsfertige Dispersion
zu überführen, die durch das
Templatmolekül (TPAOH)
stabi­lisiert wird. In der Kataly­sa­tor-Produktion wird mit der
Dispersion in der nachfolgenden
Hydro­thermalsynthese eine
optimale Kristallisation des
Zeolithen erreicht
pH
TPA+ + OH –
TPAOH
Stabilisierung
Scherung
Abbildung 2
Vorteile der neuen MOX-Route
sind unter anderem die hohe
Katalysatorausbeute bezogen auf
das Reaktorvolumen sowie der
deutlich geringere Verbrauch an
Templat. Zudem sind keine
organischen Lösungsmittel nötig,
und es ent­stehen keine Produk­
tionsabfälle
Ausbeute Katalysator/
Reaktorvolumen
Euro TS-1/Enichem
Optimierte
Ester-Route (Evonik)
MOX-Route
Ausbeute Katalysator/
Reaktorvolumen
5
Abbildung 3
Der HPPO-Prozess
Templateinsatz
1,4
1,2
H3C
CH2
+
O
[TS–1]
H2O2
H2O
Schematische Darstellung
der HPPO-Technologie
4
Propen
1,0
Templateinsatz
3
0,8
H2O2
Propenrückführung
MeOHRückführung
Reaktionseinheit
0,6
2
Druckentlastung/Propenrückführung
0,4
Reinigung
Propylenoxid
1
Methanolverarbeitung
0,2
Propylenoxid
0
elements38 Ausgabe 1|2012
+
H3C
0
Abwasser
333 Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid erschließen
lassen. Evonik ist mit einer Jahreskapazität von rund
650.000 Tonnen Wasserstoffperoxid und Standorten
in Europa und vielen außereuropäischen Ländern ein
bedeutender Hersteller des umweltfreundlichen
Bleich- und Oxidationsmittels.
Seit Ende der 1990er Jahre produziert Evonik TS-1
nach einem selbst entwickelten Verfahren: Anstelle
der Si- und Ti-Esterverbindungen werden – mit Hilfe
des AEROSIL®-Verfahrens – maßgeschneiderte Si-TiMischoxide als Katalysatorrohstoffe eingesetzt. Dabei
werden Silizium- und Titanverbindungen als Gemisch
in einer Flamme hydrolysiert. Diese Reaktion erzeugt
Siliziumdioxid und Titandioxid in einer
Zusammensetzung, wie sie auch der katalytisch wirk­
same Zeolith am Ende benötigt.
Die Vorteile dieser Mischoxid-(MOX-)Route
liegen auf der Hand: Die eingesetzten Rohstoffe sind
von hoher Reinheit, sie sind schwermetall- und alka­
limetallfrei und schleusen damit keine unerwünschten
Störstoffe in den Prozess. Alkalimetalle beispiels­
weise stören die Ausbildung der Poren im Kristall­
gitter, das würde die katalytische Wirkung stark min­
dern. Bei der MOX-Route entstehen zudem keine
Nebenprodukte wie beispielsweise Alkohole. Daher
liegt die Ausbeute an Katalysator im Vergleich zur
Ester-Route deutlich höher.
Mit dem Verfahren von Evonik lässt sich TS-1
deshalb einfacher und umweltschonender erzeugen.
Der hochreine Katalysator erhöht zudem die Ausbeu­
ten bei der späteren Propylenoxid-Synthese, denn
bereits kleine Verunreinigungen durch zum Beispiel
Eisenverbindungen würden die Selbstzersetzung des
Oxidationsmittels beschleu­nigen.
Die pulverförmigen Katalysatorrohstoffe, die bei
der MOX-Route entstehen, können in verschiedenen
Formulierungen großtechnisch eingesetzt werden.
Standardmäßig würde dieses Pulver bei der Hydro­
thermalsynthese gemeinsam mit dem Templat in
wässriger Lösung unter Hitze und Druck zum fertigen
Zeolith auskristallisiert. Allerdings gibt es dabei ein
entscheidendes Problem: Das nötige Einbringen grö­
ßerer Mengen Pulver in Wasser ist recht umständlich,
langwierig und erfordert spezielles Know-how.
Ein großer Fortschritt ist daher die Optimierung
der Katalysatorherstellung, die Evonik-Experten aus
unterschiedlichen Geschäftsbereichen gemeinsam
entwickelt haben. Spezialisten der Geschäftsgebiete
Catalysts und Silica gelang es, das sonst übliche Pul­
ver in eine gebrauchsfertige Dispersionen zu über­
führen. Das erleichtert Umgang und Handhabung der
Rohstoffe bei der Katalysatorsynthese enorm.
Gebrauchsfertige
Dispersion statt Pulver
Dispersionen müssen für eine sichere und großtech­
nische Anwendung stabil sein. Auch hier erzielte Evo­
nik einen wesentlichen Fortschritt: Es werden keine
zusätzlichen Additive als Stabilisatoren eingesetzt,
die die Kristallisation stören könnten. Damit kann
man auch hochkonzentrierte Formulierungen mit 15
bis 50 Prozent Feststoffgehalt erzeugen, die direkt in
der nachfolgenden Hydrothermalsynthese eingesetzt
werden können. Dies erlaubt in der Hydro­
thermalsynthese eine optimale Kristallisation des
Zeolithen, die einen perfekten Katalysator für den
großtechnischen Einsatz in der Propylenoxid-Pro­
duktion ergibt.
Da das MOX-Pulver sehr fein verteilt und hoch­
konzentriert vorliegt, wird der Verbrauch an Tem­
plat reduziert – auch das trägt zur Wirtschaftlichkeit
der MOX-Route bei. Nach der Kristallisation wird der
Zeolith getrocknet, kalziniert und durch geeignete
Formgebungsverfahren in eine für den Einsatz im
Reaktor benötigte Struktur gebracht.
Das HPPO-Verfahren:
sauber und direkt
Zum maßgeschneiderten Katalysator gehört der
passende Prozess. Üblicherweise wird Propylenoxid
in der Großchemie durch Verfahren hergestellt,
die gewichtige Nachteile haben. Pro Tonne Produkt
entstehen zwei Tonnen Nebenprodukte wie beispiels­
weise Kalziumchlorid oder Phenylethanol, das zu
Styrol weiterverarbeitet werden kann. Diese Stoffe
müssen teuer entsorgt oder separat vermarktet wer­
den. Außerdem sind bei herkömmlichen Verfahren
die Investitionskosten für die Anlagen recht hoch.
Die Prozesse erzeugen zudem viel Abwasser und
haben einen hohen Energieverbrauch.
Daher hat Evonik gemeinsam mit Uhde das
Hydrogen-Peroxide-to-Propylene-Oxide-Verfahren,
kurz HPPO, entwickelt und patentiert. Beim HPPOVerfahren dient Wasserstoffperoxid als Oxidations­
mittel und als Nebenprodukt der Reaktion fällt nur
Wasser an. Diese Variante benötigt eine vorgeschal­
tete Anlage zur Herstellung von Wasserstoffperoxid,
im Gegensatz zu anderen Verfahren aber keine
Märkte oder Entsorgungsstrukturen für Neben- oder
Koppelprodukte. Abwassermenge und Energie­
verbrauch sind deutlich reduziert. Sauberer und
direkter kann ein Verfahren kaum sein. Im Vergleich
zu herkömmlichen Herstellungsverfahren bietet
HPPO also entscheidende Vorteile hinsichtlich Wirt­
schaft­lichkeit und Umweltverträglichkeit.
Auch für das Verfahren gilt: Was einfach klingt,
ist in Wirklichkeit eine Herausforderung für die
großtechnische Umsetzung. Die katalytische Her­
stellung von Propylenoxid ist eine partielle
Oxidation. Die Kunst der Verfahrenstechnik
besteht darin, ein Sauerstoffatom an die Doppel­
bindung des Propylens zu addieren und gleich­ 333
elements38 Ausgabe 1|2012
16 E vonik-Inn ovations preis 2011 K ategorie neuer od er v er be ss erter Proz e ss
Wasserstoffperoxid­­anlage
der Evonik Degussa
Peroxide Korea Co., Ltd.
in Ulsan (Korea). Sie
beliefert die SKC, die in
unmittelbarer Nachbar­
schaft Propylen­oxid nach
dem HPPO-Verfahren
von Evonik und Uhde
produziert
333 zeitig zu verhindern, dass das Kohlenstoffgerüst
zu Aldehyden, Säuren oder sogar zu Kohlendioxid
oxidiert wird. Nach der Öffnung der Doppelbindung
muss das Propylenoxid quasi der Reaktion entzogen
werden.
Hier zeigt sich das perfekte Zusammenspiel zwi­
schen Verfahren und Katalysator: Das Besondere am
maßgeschneiderten TS-1 von Evonik ist seine Struk­
tur, die dafür sorgt, dass nach der partiellen Oxida­
tion die Reaktion gestoppt wird. Seine Hohlräume im
Kristallgitter sind groß genug für die Ausgangsstoffe
Propylen und Wasserstoffperoxid. Die Verfahrens­
weise ist patentiert und ein wichtiger Schlüssel zur
erfolgreichen großtechnischen Umsetzung des Ver­
fahrens.
Seit 2008 betreibt das koreanische Unternehmen
SKC in Südkorea die weltweit erste großtechnische
Anlage zur Herstellung von Propylenoxid nach dem
HPPO-Verfahren von Evonik und Uhde. Die Kapazi­
tät der Anlage liegt bei 100.000 Tonnen jährlich.
Erfolgreiche Groß­­produktion gestartet
Eine zweite Anlage ist bereits in Planung. Die chine­
sische Jishen Chemical Industry Co., Ltd. hat mit
Evonik und Uhde ein Abkommen zur Lizenzierung der
HPPO-Technologie abgeschlossen und wird im Nord­
osten Chinas, in der Provinz Jilin, Propylenoxid nach
diesem Verfahren herstellen. Evonik wird in unmit­
telbarer Nachbarschaft eine neue Produktionsanlage
für Wasserstoffperoxid errichten und das Wasser­
stoffperoxid über eine Pipeline direkt in die künftige
benachbarte Propylenoxidanlage der Jishen Chemical
Industry liefern. Die Wasserstoffperoxidanlage, die
voraussichtlich bis Ende 2013 fertig gestellt sein soll,
wird eine Jahreskapazität von 230.000 Tonnen haben.
Experten gehen davon aus, dass neue Anlagen für die
Propylenoxidsynthese künftig ausschließlich das
HPPO-Verfahren nutzen. Evonik ist das einzige
elements38 Ausgabe 1|2012
Unternehmen, das die Prozesstechnologie für das
Verfahren, den dafür nötigen Katalysator und auch
den Ausgangsstoff Wasserstoffperoxid aus einer
Hand liefern kann. Paketlösungen dieser Art sind in
einer globalisierten Welt mit ihren hohen Ansprü­
chen an Wirtschaftlichkeit der Verfahren und Qua­
lität der Produkte eine für alle Beteiligten gewinn­
bringende Option. Damit das möglich wurde, waren
gleich auf zwei Ebenen Quantensprünge notwendig:
zum ersten bei der Entwicklung der Mischoxid-Route
für die wirtschaftliche und nebenproduktarme Her­
stellung des Katalysators, zum zweiten bei Entwick­
lung und Umsetzung des HPPO-Verfahrens für eine
wirtschaftliche und umweltverträgliche Propylen­
oxid-Herstellung in großtechnischem Maßstab.
Erworbenes Know-how dient nur selten aus­
schließlich einem einzigen Zweck. Das ist auch bei
TS-1 nicht anders: Die Erfahrungen, die Evonik mit
der Herstellung hochreiner Zeolithe und der Formu­
lierung konzentrierter und gebrauchsfertiger Dis­
persionen gemacht hat, sind in Zukunft auch für an­
dere Anwendungen wertvoll – beispielsweise immer
dort, wo natrium- und erdalkalifreie Rohstoffe für
siliziumreiche Zeolithsynthesen benötigt werden.
Mit diesem Know-how will Evonik künftig die Wün­
sche und Anforderungen seiner Kunden individuell
bedienen und gleichzeitig herkömmliche Prozesse
durch innovative neue Ansätze ablösen. 777
kontakt
Dr. Andreas Hille
Geschäftsbereich Inorganic Materials
+49 7623 91-7262, [email protected]
Dr. Reinhard Vormberg
Geschäftsbereich Inorganic Materials
+49 6181 59-13292, [email protected]
Dr. Stefan Wieland
Geschäftsbereich Inorganic Materials
+49 6181 59-8706, [email protected]
Tibor Kovacs
Geschäftsbereich Advanced Intermediates
+49 6181 59-3833, [email protected]
Ne ws 17
Pumpenimplantat aus VESTAKEEP® PEEK hilft gegen Aszites
Das neu entwickelte ALFAPump™-System
von SequanaMedical (Schweiz) hilft Patien­
ten, die an überschüssiger Flüssigkeit im
Bauchraum leiden: Das batteriebetriebene
Pumpenimplantat basiert auf dem PEEKPolymer VESTAKEEP® von Evonik Industries
und hat die CE-Zulassung erhalten. Es pumpt
die überschüssige Flüssigkeit aus der Bauch­
höhle in die Blase, von wo sie vom Patienten
auf natürlichem Weg ausgeschieden werden
kann. Bisher musste das Wasser bei regel­
mäßigen Arztbesuchen durch schmerzhafte
Parazentese abgesaugt werden. Insbesondere
Patienten mit Lebererkrankungen, konges­
tiver Herzinsuffizienz und bestimmten Krebs­
arten sind von Aszites betroffen.
Das neuartige System besteht aus einer
subkutan implantierten Pumpe und einem
Katheter­sys­tem: Ein Katheter verbindet den
Bauch­raum mit der Pumpe, ein anderer die
Pumpe mit der Blase.
Möglich wird die neue Technologie durch
die Verwendung von VESTAKEEP® PEEK,
einem Polyetheretherketon, das sich insbesondere durch seine Biokompatibilität und
Biostabilität auszeichnet. Im Gegensatz zu
Metall liegt der Ionengehalt von VESTAKEEP®
PEEK bei nahezu null, wodurch Wechsel­
reaktionen mit dem Körper vermieden werden. Zudem ist das PEEK-Implantat deutlich
leichter als ein vergleichbares Metallimplantat.
Die VESTAKEEP® PEEK iGrades sind speziell
an den dauerhaften Verbleib im mensch­lichen
Körper angepasst und können bei Bedarf
auch röntgentransparent eingestellt werden,
so dass sie keine Artefakte auf dem Rönt­gen­
bild bilden.
„Das ALFAPump™-System verbessert
nicht nur die Lebensqualität des Patienten,
sondern stellt auch eine kostengünstige
Lösung dar“, so Dr. Noel Johnson, Geschäfts­
führer von SequanaMedical. Marc Knebel,
Director Business Management VESTAKEEP®
Medical & Implants, ergänzt: „Das ALFA­
Pump™-System zeigt exemplarisch die zahlreichen Vorteile von PEEK gegenüber Metall
in diesem Bereich. Auch andere Bereiche wie
zum Beispiel Wirbelsäulenimplantate profitieren von diesen Vorteilen.“
Für den Einsatz von PEEK spricht auch die
gute Verarbeitbarkeit: VESTAKEEP® PEEK
Polymer lässt sich sowohl im Spritzguss- als
auch in spanabhebenden Verfahren her­
stellen und unterstützt damit die Design­
freiheit bei der Entwicklung neuer Implantat­
tech­no­logien.
Tego Innovationszentrum in Singapur und Schanghai eröffnet
Evonik Industries hat sein erstes Forschungsund Entwicklungszentrum für Additive im
Bereich Lacke und Farben im asiatischen
Markt eröffnet. Das Tego Innovationszentrum
umfasst die beiden Standorte Singapur und
Schanghai und wird Teil des globalen EvonikInnovationsnetzwerks sein. Das Investment
beläuft sich auf einen einstelligen MillionenUS-Dollar-Betrag.
Von Singapur und Schanghai aus wird
Evonik Hersteller der Lack- und Farben­indus­
trie in Indien und Asien betreuen. Ziel der
Zusammenarbeit ist es, vor Ort mit individuellen Lösungen die Wettbewerbs- und Inno­
vationsfähigkeit der asiatischen Kunden zu
stärken. Die Forschung richtet sich an den
lokalen Bedürfnissen aus. Im Mittelpunkt
stehen dabei zukunftsweisende, umweltfreundliche Lacksysteme und damit der Me­­
ga­trend Ressourceneffizienz.
„Für die Lack- und Farbenindustrie erwartet Evonik in den nächsten Jahren in Asien das
höchste Marktwachstum weltweit“, so Dr.
Thomas Haeberle, im Vorstand von Evonik
zuständig für das Segment Ressource Effi­
ciency, zu dem auch der Geschäftsbereich
Coatings & Additives gehört. „Mit der höchsten Nachfrage rechnen wir dabei im Segment
der umweltfreundlichen Lacke. Unser neues
Tego Innovationszentrum adressiert exakt
diese Wachstumsmärkte. Mit unserem Know-­
how und unserem internationalen For­schungs­
netzwerk sind wir für die Wettbewerbs­er­
fordernisse unserer Kunden hervorragend
aufgestellt.“
Das Tego Innovationszentrum an den beiden Standorten Singapur und Schanghai soll
eine noch engere Zusammenarbeit mit asia-
tischen Herstellern ermöglichen. Deshalb
setzt Evonik dort auf Forscher und Spezia­lis­
ten aus der Region. Zu Anfang werden etwa
20 bis 25 Mitarbeiter beschäftigt sein.
Mitarbeiter aus Indien, Südostasien sowie
Nordasien werden von Singapur aus ihre
Heimatmärkte betreuen. In Schanghai werden chinesische Fachkräfte arbeiten. Neben
der Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern
wird ein besonderer Schwerpunkt auf
Forschungskooperationen mit lokalen Spit­
zen­universitäten liegen. Dieser ständige
Austausch soll die lokalen und asiatischen
Anforderungen bestmöglich bedienen.
Die drei Laborgruppen an den Standorten
decken zusammen alle Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten in Bezug auf Addi­
tive für Farben und Lacke ab: Im Syn­theseLabor werden chemische Struk­turen für
potenzielle neue Produkte entwickelt. Eine
Vorauswahl (Screening) sowie das vorläufige
Produktdesign übernimmt das Labor zur
Formulierungsentwicklung. Die Entwicklung
der Endprodukte sowie deren Vermarktung
liegen im Kompetenzbereich des Labors für
strategische Marktentwicklung.
elements38 Ausgabe 1|2012
18 GEDRUCKTE ELEKTRON IK
Transistormatrix aus
der Lösung
Mit einer grundlegend neuen Technologie lässt sich die Ansteuerungselektronik von
Flüs­sig­kristalldisplays sehr viel günstiger fertigen. Evonik zeigt Displayherstellern
damit gleich­zeitig einen Entwicklungspfad zu künftigen Fertigungsverfahren der
gedruckten Elektronik auf. Nach der Entwicklung im Science-to-Business Center
Nanotronics der Creavis hat der Evonik-Geschäftsbereich Coatings & Additives dieses
Innova­tionsp­rojekt, das den Namen „Electronic Solutions“ trägt, sowie die insgesamt
rund 20 Projektmitarbeiter zum Jahres­anfang übernommen. Seit Creavis angetreten
ist, um neue Geschäftsfelder zu entwickeln, ist damit zum ersten Mal ein Projekt
dieses Umfangs in einen Geschäftsbereich übergegangen.
[TEXT: Dr. Ralf Anselmann, Dr. Jürgen Steiger]
In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich eine
Revolution in der Welt der Bildschirme vollzogen.
Nachdem jahrzehntelang die Kathodenstrahlröhre
Bauform und Bildqualität von Fernsehern und Com­
putermonitoren geprägt hat, ist die Bautiefe der Dis­
plays inzwischen immer weiter geschrumpft, wäh­
rend die Bildschirmgröße immer weiter zugenommen
hat. Gleichzeitig haben in den vergangenen Jahren
kleine, hochauflösende Displays durch Smartphones
massiv an Bedeutung gewonnen und stellen nach
Stück­zahl inzwischen das mit Abstand größte Seg­
ment des Display-Markts dar. Ein Ende der technolo­
gischen Entwicklungen ist derzeit nicht abzusehen:
Industrie und Verbraucher verlangen nach weiteren
Innova­t ionen.
Realisieren lassen sich Displays mit verschiedenen
Verfahren, die sich nach der Anwendung und den
zulässigen Kosten richten – selbstverständlich auch
nach dem technisch Machbaren. Laut dem US-Markt­
forschungsunternehmen Display Search haben Flüs­
sigkristallbildschirme (LCDs) als Technologie dabei
den mit Abstand größten Marktanteil. Sie stehen für
rund 80 Prozent des Markts mit Fernsehgeräten,
Notebooks und Smartphones als typischen Einsatz­
bereichen. Daneben gibt es noch weitere Display-
elements38 Ausgabe 1|2012
Technologien, die einen nennenswerten Marktanteil
haben. Beispiele sind elektrophoretische Verfahren,
wie sie in den meisten E-Book-Lesegeräten zum Ein­
satz kommen, oder organische Leuchtdioden (OLEDs),
unter anderem bei Smartphone-Displays.
Gemeinsam ist allen Bildschirmtechnologien, dass
die Pixel in der Regel einzeln ansteuerbar sind.
Möglich macht das eine Matrix aus Dünnschichttran­
sistoren (Thin Film Transistors, TFT), die als TFTBackplane bezeichnet wird. Da jedes Pixel zur Farb­
darstellung aus drei Subpixeln in den Grundfarben
Rot, Grün und Blau aufgebaut ist, sind für die elekt­
ronische Steuerung eines einzigen Pixels drei Tran­
sistoren erforderlich. Und weil HDTV-taugliche Fern­
seher, inzwischen der Standard bei Neugeräten, mit
1.920 mal 1.080 gut zwei Millionen Pixel besitzen,
stecken in ihrer Backplane rund sechs Millionen
TFTs.
Bilddiagonalen von mehr als einem Meter sind bei
Flachbildfernsehern heute nichts Ungewöhnliches
mehr, jedoch sind 0,75 m der Standard. Daher müssen
die Display-Hersteller TFT-Backplanes groß­flächig
herstellen können, um entsprechende Kostenziele
und Qualitäten zu erreichen. Schon denkt die Bran­
che über Bildschirme mit der vierfachen HDTV- 333
Rubr ik 19
Reinraum in Marl: Hier arbeitet Evonik an neuen
oxidischen Halbleitern für Dünnschichttransistoren,
die statt mit Vakuumtechniken einfach aus Lösung
auf das Substrat aufgebracht werden können. Die
so produzierten Dünnschichttransistoren sollen die
Herstellung von Flachbildschirmen nicht nur einfacher und kostengünstiger machen, sondern auch
dem hoch aufgelösten Fernsehen der Zukunft den
Weg ebnen
Aufbau eines LCD-Bildschirms. Moderne HDTVGeräte haben eine Auflösung von 1.920 mal 1.080
Pixel, die zur Farbdarstellung aus den Grundfarben
Rot, Grün und Blau von jeweils drei TFTs ange­
steuert werden. Ein solches Gerät enthält damit
6.220.800 Dünnschichttransistoren
Polarisator
Glasplatte
RGB-Farbfilter
Elektroden
Orientierungsschicht
Distanzhalter
Flüssigkristalle
Orientierungsschicht
Dünnschichttransistor (TFT)
Elektroden
Glasplatte
Polarisator
Lichtquelle
elements38 Ausgabe 1|2012
20 GEDRUCKTE ELEKTRON IK
Evonik-Mitarbeiter
bei der Erfassung von
Mess­daten. In den
Reinräumen werden
Materialien für Dünn­
schichttransistoren
unter Reinraumbedin­
gungen nicht nur
aufgebracht, sondern
auch elektronisch
vermessen. Die Beur­
teilung der elektronischen Messergebnisse
direkt nach der Her­
stellung ist dabei ein
wichtiger Faktor für
eine schnelle Rückmel­
dung an die Material­
entwickler
333 Auf lösung nach – oder gar noch mehr. Ein
treibender Grund sind 3-D-Displays, die oft mindes­
tens die doppelte Pixelzahl erfordern, um HDTV-Auf­
lösungen erreichen zu können. Schließlich müssen
sie jedem Auge eine hochauflösende Ansicht bieten.
Die Backplanes müssen dann entsprechend mehr
Dünnschichttransistoren unterbringen, um mit der­
selben Technologie die Pixel zu steuern – zum Bei­
spiel gut 24 Millionen bei Quad-HD-Auflösung. Und
da die Bildwiederholraten ebenfalls steigen sollen,
müssen die TFTs sich auch noch deutlich schneller
schalten lassen. Es ist fraglich, ob das mit dem heute
am häufigsten eingesetzten Transistormaterial, dem
amorphen Silizium, gelingt.
Steigende Ansprüche
an die Auflösung
durch 3-D-Displays
Ein Maß für die Schaltbarkeit eines Dünnschichttran­
sistors ist die Ladungsträgermobilität des verwende­
ten Halbleiters. Für elektrophoretische Displays, wie
sie in E-Book-Readern wie etwa im Kindle von Ama­
zon zu finden sind, reichen Ladungsträger­mobilitäten
von deutlich weniger als einem Quadratzentimeter
pro Volt und Sekunde aus: Schließlich müssen die Le­
segeräte keine bewegten Bilder oder schnelle Bild­
wechsel wiedergeben können. Für LCD-Fernseher
sollten die Ladungsträgermobilitäten dagegen zwi­
schen 1 und 10 Quadratzentimeter pro Volt und Se­
kunde liegen – je nach Qualitätsanspruch. Die höhe­
ren Werte sind mit amorphem Silizium nicht oder
nur mit einem sehr hohen Aufwand für die Steue­
rungselektronik zu erreichen.
elements38 Ausgabe 1|2012
Displays aus organischen Leuchtdioden, wie sie in
verschiedenen Smartphones verbaut sind, erfordern
sogar Halbleiter mit Ladungsträgermobilitäten von
mehr als zehn Quadratzentimeter pro Volt und Se­
kunde. Heute verwenden die Hersteller dafür vor al­
lem Transistoren aus polykristallinem Silizium, weil
dieses eine deutlich höhere Ladungsträgermobilität
aufweist.
Allerdings verursachen kristalline Materialien na­
turgemäß Inhomogenitäten, die die Größe der pro­
duzierbaren Backplanes limitieren. Denn an den
Grenzflächen, die durch die Kristallisation entstehen,
sinkt die Beweglichkeit der Ladungsträger. Amorphes
Silizium hat gerade den Vorteil, dass es sich aufgrund
seiner Struktur sehr homogen auf große Flächen auf­
bringen lässt. Zwar gibt es heute Silizium, sogenann­
tes LTPS (Low-temperature Polycrystalline Silicon),
das sich durch eine sehr hohe Ladungsträgermobilität
auszeichnet, allerdings ist die Produktion von TFTBackplanes damit recht aufwändig.
Eine Alternative zum amorphen Silizium, die
deutlich höhere Ladungsträgermobilitäten verspricht,
sind amorphe Metalloxidhalbleiter wie Indium-Gal­
lium-Zink-Oxid (IGZO). Die Ladungsträgermobilitä­
ten dieser Materialklasse liegen im Bereich von zehn
Quadratzentimeter pro Volt und Sekunde – genug
also, um auch künftigen Schaltanforderungen in LCDund OLED-Bildschirmen gerecht zu werden. Ver­
schiedene Hersteller haben in den vergangenen Jah­
ren auf Fachkonferenzen bereits entsprechende Pro­
totypen präsentiert. Diese Halbleitermaterialien gel­
ten als sehr viel versprechend, weshalb die
Display-Hersteller derzeit Anlagen und Prozesse qua­
lifizieren und auswählen.
Auftragen lassen sich solche Metalloxide und
amorphes Silizium zum Beispiel durch Sputtern. Bei
diesem Verfahren, auch Kathodenzerstäubung
genannt, lösen energiereiche Ionen einzelne Atome
aus einem Siliziumfestkörper heraus. Die Silizi­ 333
GEDRUCKTE ELEKTRONIK 21
EU-Projekt oricla
Maßstab für gedruckte RFID-Logistik
Die Arbeitsgruppe zur gedruckten Elektronik im Science-toBusiness Center Nanotronics hat im Rahmen eines Forschungs­
projekts zusammen mit Partnern auch Materialien für eine
RFID-Technologie entwickelt, die als Benchmark in der Szene
gelten dürfte: einen bidirektionalen Schaltkreis auf der Basis
von organischen und metalloxidischen Halbleitern in komplementärer Logik – also in der Technologie, die heute in allen
gängigen Computerchips Verwendung findet. An dem EUgeförderten Projekt mit Namen ORICLA wirkten das belgische
Forschungsinstitut IMEC, die Niederländische Organisation
für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO)
sowie PolyIC, ein Pionier der gedruckten organischen
Elektronik, mit.
Die Idee der RFID (Radio Frequency Identification) ist die
eindeutige, automatische Identifikation von Waren auf der
Ebene von Produkt- oder Verpa­ckungs­einheiten. Der Schalt­
kreis, den Evonik mit den drei Partnern hergestellt hat, ist in der
Lage, nicht nur Daten wie zum Beispiel den standardisierten
Euro­pä­ischen Pro­duktcode (EPC) an ein Lesegerät auszugeben,
sondern tatsächlich mit dem Reader zu kommunizieren. So
lassen sich zum Beispiel unterschiedliche Artikel auf einem
Förderband strukturiert identifizieren. Die Übertragungsrate
des Chips liegt derzeit bei 10 Kilobit pro Se­­kun­­­de und soll bis
Ende des Projektes auf 25 Kilobit pro Sekun­de ansteigen. Die
RFID arbeitet derzeit bei der HF-Frequenz von 13,56 Mega­hertz.
Bis Ende des Pro­jek­tes soll eine RFID bei 867 Megahertz realisiert werden – das wäre ein weiteres Novum im Bereich der
orga­nischen und groß­flächigen Elektronik. Das Pro­jekt ist –
ebenso wie die lösemittelbasierte Prozessierung von oxidischen
Halb­lei­tern für Dünn­schichttransistoren – Anfang 2012 zum
Geschäfts­gebiet Coatings & Additives übergegangen.
elektronisches papier mit lösung von creavis
Prototyp E-Paper
Der Prototyp des elektronischen Papiers von Toppan Printing mit
Dünnschichttransistoren aus oxidischen Halbleitern von Evonik
Dass das Verfahren von Evonik, oxidische Halbleiter für Dünn­
schichttransistoren aus Lösung zu verarbeiten, funktioniert, hat
sich bereits vor gut zwei Jahren anhand eines ersten Demons­
trators gezeigt: eines Prototyps für elektronisches Papier, den
die Toppan Printing Co., Ltd., einer der weltweit größten Druck­
konzerne mit Sitz in Tokio, entwickelt hat. Für diesen Prototyp
erzeugte Toppan Printing die Oxid-Halbleiter-Schicht der TFTs
mittels eines aus Lösung verarbeitbaren oxidischen Halbleiters
von Evonik. Dieser wurde in einem vakuumfreien, lösemittel­
basierten Prozess durch Spin Coating aufgebracht; die anderen
Schichten entstanden in einem Standard-Beschichtungsverfahren.
Gemeinsam konnten Toppan Printing und Evonik die Verarbei­
tungstemperatur des Halbleiters auf 270 °C senken – ein Wert,
der damals um 100 °C niedriger lag als bei den bisher bekannten, aus Lösung verarbeitbaren oxidischen Halbleitern. Bei einer
La­­dungs­trägerbeweglichkeit von 0,5 Quadratzenti­meter pro
Volt und Sekunde beträgt das Ein-aus-Verhältnis der TFTs 105
und ist damit vergleichbar der Ladungsträgerbeweg­lichkeit und
dem Ein-aus-Verhältnis eines konventionellen amorphen
Silizium-TFT. In der Zwischenzeit konnte die Ladungs­
trägerbeweglichkeit bei dieser Verarbeitungstem­peratur sogar
noch um den Faktor 10 gesteigert werden.
elements38 Ausgabe 1|2012
22 GEDRUCKTE ELEKTRON IK
Lösemittelbasiertes
Verfahren für einfache
und kostengünstige
Herstellung von TFTs
umatome schlagen sich dann kontrolliert auf dem
Substrat nieder, auf dem die TFT-Backplane entste­
hen soll. Dünne Schichten aus amorphem Silizium
lassen sich alternativ auch mit der chemischen
Gasphasen­abscheidung (CVD) erzeugen, bei der an
der Oberfläche eines erhitzten Substrats aufgrund
einer chemischen Reaktion Silizium aus der Gasphase
abgeschieden wird.
Beide Verfahren, Sputtern und CVD, funktionie­
ren nur im Vakuum, so dass die Display-Hersteller
für die Anlagen hohe Investitionen tätigen müssen.
Doch es geht bei Metalloxiden auch anders. Wissen­
schaftler des Science-to-Business Center Nanotronics
der Creavis haben ein Verfahren entwickelt, wie sich
Metalloxid-TFTs mit einem lösungsmittelbasierten
Prozess fertigen lassen.
Während die funktionalen Schichten heute mittels teurer
Vakuumtechnik aufgebracht werden, lassen sich die Materialien
von Evonik einfach aus Lösung aufbringen. In Zukunft sollen
diese Materialien mittels eines Druckverfahrens direkt struk­
turiert aufgebracht werden. Dadurch entfällt die aufwändige
Strukturierung mittels Photolithographie
Aufbringung (CVD oder Sputtern)
Beschichten
Drucken
Heute
Morgen
Übermorgen
Prozessschritte, die für die konventionelle Strukturierung
einer Halbleiterschicht derzeit benötigt werden und die in Zukunft
durch einen einzigen Druckschritt ersetzt werden könnten
UV
Belacken
Ausheizen
Halbleiter
Substrat (SiOx)
Belichten
Entwickeln
Reinigen
Entfernen des Photolacks
(Resist Stripping)
elements38 Ausgabe 1|2012
Nassätzen
GEDRUCKTE ELEKTRONIK 23
Diese Technologie hat gleich mehrere Vorzüge ge­
genüber Sputtern oder CVD. Erstens ist für das
Beschichtungsverfahren kein Vakuum erforderlich,
was die Investitionen für eine entsprechende Anlage
auf einen kleinen Teil der Summe senkt, die für eine
CVD-Anlage erforderlich ist.
Zweitens ist die Abscheidung aus der Flüssigkeit
technisch eher leicht zu skalieren: Vereinfacht
gesprochen müsste eine Beschichtungsanlage nur
verbreitert werden. Doch das sind noch nicht alle
Vorteile. Denn mit einer Abscheidung aus der flüssigen
Phase kann ein Hersteller bereits heute die Weichen
für die Zukunft der gedruckten Elektronik stellen:
Sowohl bei der Prozessierung des Halbleiters aus
einer Flüssigkeit als auch beim Druck kommen neu­
artige lösemittelbasierte „Halbleiter-Tinten“ zum Ein­
satz – der Übergang von der Vakuumbeschichtung zur
lösungsmittelbasierten Beschichtung erscheint so als
logischer Schritt auf dem Weg zum hoch aufgelösten
Druck elektronischer Schaltkreise in der Zukunft.
Mehr noch: Für zukünftige flexible Displays müs­
sen die Hersteller das heute verwendete Glassubstrat
durch eine Kunststofffolie als Träger ersetzen. Die
meisten heutigen Halbleitermaterialien erfordern
allerdings Temperaturen von weit über 250 °C, damit
sie sich verarbeiten lassen. Dagegen lassen sich 333
Neues Verfahren auch
für Substrate aus
Kunststoff geeignet
Messdaten einer Schicht. Jeder Transistor im Flachbildschirm
funktioniert wie ein elektrischer Schalter und steuert die
Helligkeit des Bildpunktes. Für einen schnellen Bildaufbau und
einen guten Kontrast des angezeigten Bildes sind dabei ein
hoher Strom im An-Zustand und ein großes Verhältnis zwischen
An- und Aus-Zustand des Transistors wichtig. Beides erfüllen
die Materialien von Evonik
Aus-Zustand
An-Zustand
Drain-Strom
[Ampere]
Schaltbereich
Messplatz zur Kontak­tierung
eines Test­sub­stra­tes
1m
100 µ
10 µ
1µ
100 n
10 n
1n
100 p
10 p
1p
–20
–15
–10
–5
0
5
10
15
20
25
30
Gate-Spannung [Volt]
elements38 Ausgabe 1|2012
24 GEDRUCKTE ELEKTRON IK
von der wissenschaft zum geschäft
Wechsel von Creavis zu Coatings & Additives
Der Übergang des Projekts gedruckte Elektronik von Creavis
zum Geschäftsbereich Coatings & Additives am 1. Januar 2012
war eine Premiere für Evonik. Es war der erste Transfer eines
im Rahmen des Science-to-Business-(S2B-)Konzepts aufge­
bauten Geschäfts­feldes zusammen mit allen Mitarbeitern und
der ent­wickelten Forschungs- und Anwendungstechnik in
einen Geschäftsbereich.
„Für Creavis ist die Überführung dieses Innovationsprojekts
ein großer Erfolg“, sagte Dr. Harald Schmidt, Leiter der Creavis.
„Als strategische Forschungs- und Entwicklungseinheit ist es
unsere Aufgabe, neue Geschäftsgebiete für Evonik aufzubauen
und zukunfts­weisende Technologieplattformen zu entwickeln.
Das haben wir mit der gedruckten Elektronik eindrucksvoll
umgesetzt.“ Dr. Ulrich Küsthardt, Leiter des Geschäftsbereichs
Coatings & Additives, betonte: „Wir sind fest davon überzeugt,
dass wir mit unserer Kompetenz bei Coatings auf der einen
Seite und dem Wissen über den Aufbau von Geschäften auf
der anderen Seite genau die Richtigen sind, um das Geschäfts­
elements38 Ausgabe 1|2012
feld in diesem Zu­­kunfts­markt zu platzieren und weiterzuentwickeln. Wir können uns vorstellen, dass wir für die Nutzung
von Coatings-Systemen und Additiven im Bereich der Elek­
tronik völlig neue Anwendungs­gebiete erschließen.“
Nanotronics war das erste S2B-Center der Creavis; es
startete 2005. Bearbeitet wurden hier neben der gedruckten
Elektronik die Projekte Low Cost Flexible Solar Cells und
Smart Coatings. Das Solarprojekt wird innerhalb der Creavis
weitergeführt. Die Ergeb­nisse des Projektes Smart Coatings –
Formulierungen, Know-how, Kundenkontakte – werden von
externen Partnern verwertet. Der­zeit laufen Lizenzverhand­
lungen mit verschiedenen Unternehmen.
Darüber hinaus unterhält Creavis noch die beiden S2BCenter Biotechnologie und Eco², die sich mit weißer Biotech­
nologie bzw. Energieeffizienz und Klimaschutz beschäftigen,
sowie das „Advanced Project House Light & Electronics“ in
Taiwan und das Projekthaus Systemintegration, das kurz vor
dem Abschluss steht.
GEDRUCKTE ELEKTRONIK 25
Charakterisierung von
Dünnschichttransistoren
333 mit den lösungsmittelbasierten Metalloxiden der
Creavis die Temperaturen so weit senken, dass auch
Kunststofffolien als Träger genutzt werden können.
Ein weiterer Pluspunkt in Sachen Zukunftssicherheit
für die neue Technologie.
Die Wissenschaftler aus dem Science-to-Business
Center Nanotronics haben für den Flüssigprozess
Wege gefunden, damit nach dem Auftragen und spä­
teren Verdunsten des Lösungsmittels homogene
amorphe Metalloxidschichten mit möglichst wenigen
inneren Grenzflächen zurückbleiben. In der flüssigen
Phase durfte es zudem zu keiner Sedimentation kom­
men. Nur so lassen sich sehr dünne Schichten auf
Flächen mit mehreren Metern Seitenlänge her­stellen,
bei denen die Kenndaten der Dünnschichttransis­toren
im Betrieb nur um wenige Prozent voneinander
abweichen.
Der Geschäftsbereich Coatings & Additives hat
zum Januar 2012 die rund 20 Mitarbeiter sowie die
Ausrüstung des Nanotronics-Projekts komplett in
die Bereichsforschung übernommen. Ein Schritt,
den es in diesem Ausmaß im Konzern zuvor noch
nie gegeben hat. Die aktuellen Geschäftspläne sehen
vor, die Entwicklung in den kommenden Jahren in
ein Geschäft umzusetzen, welches das Potenzial einer
Produktlinie oder gar eines Geschäftsgebiets errei­
chen könnte. Das Team von „Electronic Solutions“
arbeitet hierfür mit einigen der weltweit führenden
Display-Hersteller zusammen.
Im nächsten Schritt geht es darum, die Entwick­
lung den prozessspezifischen Anforderungen der
Hersteller anzupassen. Für Evonik wäre dies ein völ­
lig neuer Markt, für den das Chemieunternehmen
bislang nichts im Produktportfolio führt. 777
Dr. Ralf Anselmannn leitet seit dem 1. Januar 2012
im Geschäftsbereich Coatings & Additives den Bereich
Electronic Solutions. Er studierte Chemie an der Uni­
ver­sität Kaiserslautern. Nach der Promotion 1986
begann er seine berufliche Laufbahn bei der Merck
KGaA in Darmstadt in der Sparte Pigmente. 1988 ging
er für fünf Jahre nach Savannah (Georgia, USA), um
dort am Produktionsstandort für Pigmente eine lokale
For­schungs- und Anwendungstechnikeinheit aufzubauen. Nach der Rückkehr arbeitete er in verschiedenen Funktionen der Forschung und des technischen
Mar­ketings in Darmstadt. 2001 wechselte er aus der
operativen Verantwortung für R&D/AT Cosmetic
Pigments in die Zentrale Geschäftsentwicklung Chemie
mit Verantwortung für die Geschäftsent­wicklung der
Nanomaterialien der Merck KGaA. 2004 wechselte er
von Merck zu Evonik und baute dort als Leiter das
Science-to-Business Center Nanotronics mit den Pro­
jekten „Printed Electronics“, „Low Cost Flexible Solar
Cells“ und „Smart Coatings“ auf.
+49 2365 49-7279, [email protected]
Dr. Jürgen Steiger ist seit dem 1. Januar 2012 im
Geschäftsbereich Coatings & Additives im Bereich
Electronic Solutions für die gedruckte Elektronik
verantwortlich. Er studierte Physik und Material­wis­sen­
schaft in Freiburg i. Br., London, Heidelberg und
Darmstadt. Nach der Promotion 2001 arbeitete er
zunächst über drei Jahre bei einem Start-up-Unter­
nehmen in Frankfurt am Main im Bereich organischer
Leuchtdioden. Er beschäftigte sich dabei vor allem
mit dem Ink-Jet-Druck von Polymeren für Displays
und war für die technische Betreuung verschiedener
Display­­hersteller zuständig. 2004 wechselte er zum
Science-to-Business Center Nanotronics der Creavis
in das Projekt Printed Electronics, das er seit 2007
leitet. Im Jahr 2005 vollendete er ein berufsbeglei­ten­
des MBA-Studium.
+49 2365 49-5933, [email protected]
elements38 Ausgabe 1|2012
26 N e ws
PEEK-Polymer der nächsten Generation
VESTAKEEP® Ultimate ist ein verbessertes Polyethe­r­
etherketon (PEEK) von Evonik, das eine um 25 Prozent
höhere Schlagzähigkeit besitzt als Standard-PEEK und
damit die Lebensdauer von dynamisch belasteten
Formteilen verdoppelt. Diese technische Weiterent­
wicklung ermöglicht bestimmte Hochleistungslösungen
und kann so zur ersten Wahl für PEEK-Polymer-Fragen
in vielen Anwendungen werden.
Im Automobil- und Flugzeugbau beispielsweise
sorgt VESTAKEEP® Ultimate für mehr Beständigkeit
gegenüber stetig steigenden Belastungen von Kunst­
stoffteilen. So profitieren Sensoren oder Kugellager
von der hohen Abriebbeständigkeit. Auch tief unter
dem Meeresboden bietet VESTAKEEP® Ultimate
Vorteile: Als Dich­tungs­material eingesetzt, hält es den
hohen Temperaturen in vielen hundert Metern Tiefe
stand. Die sehr guten mechanischen Eigenschaften sorgen so für mehr Zuverlässigkeit bei der Förderung von
Erdöl aus besonders tief gelegenen Quellen. Und
VESTAKEEP® Ultimate steigert die Prozesssicherheit
in der Halbleiterfertigung, beispielsweise bei der
Produktion von Siliziumwafern. Grund dafür sind die
hohe Tem­pe­ra­turbeständigkeit und der besonders
geringe Ionengehalt von VESTAKEEP®.
Doch nicht nur in den Anwendungen, auch bei der
Verarbeitung hat VESTAKEEP® Ultimate Vorteile: Dank
seiner hohen Schmelzefestigkeit lassen sich unter anderem Rohre mit großem Durchmesser besser verarbeiten.
„Mit VESTAKEEP® Ultimate zeigen wir, dass die Spitze
der Kunststoffpyramide noch lange nicht erreicht ist“, so
Dirk Heinrich, Director Business Management
VESTAKEEP®. „Und die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen: Wir arbeiten weiterhin intensiv an der Ver­
besserung unserer Produkte, um den steigenden
Anforderungen Rechnung zu tragen.“
VESTAKEEP® Ultimate (oben)
besitzt eine um 25 Prozent
höhere Schlagzähigkeit als
Standard-PEEK (unten)
25 Jahre Superabsorberproduktion in Krefeld
Ruhigere Nächte für Millionen von Kindern
und Eltern, weniger Tränen und mehr Kom­
fort – das sind die trockenen Fakten, für die
ein Stoff aus der Chemie sorgt: der Super­­ab­sorber. Er ist das technologische Geheim­
nis, das hinter dem weltweiten Erfolg von
Ein­wegwindeln steckt.
Seit 25 Jahren werden am Standort Kre­
feld Superabsorber großtechnisch produziert.
Die Kügelchen können bis zum 500-Fachen
ihres Eigengewichts an Flüssigkeit aufnehmen und verwandeln diese in ein Gel. Selbst
unter Druck – wenn sich das Baby auf die
Windel setzt – wird die Flüssigkeit, anders als
beim Schwamm, nicht wieder abgegeben.
Aufgrund ihrer Saugkraft sind Superabsorber
ein begehrtes Produkt im Hygienebereich
elements38 Ausgabe 1|2012
und werden in Babywindeln, Damenhygieneund Inkontinenzprodukten eingesetzt. Evonik
ist einer der weltweit größten Hersteller von
Superabsorbern mit Krefeld als zentralem
Produktionsstandort für Europa.
Im Jahr 1986 wurde die erste Großpro­
duktionsanlage für Superabsorber in Krefeld
in Betrieb genommen. Sie kennzeichnet den
internationalen Durchbruch für die Super­
absorbermarke FAVOR®. Mit der Forschung
an Superabsorbern hatte man am Standort
Krefeld schon in den 1970er Jahren begonnen. Heutzutage sind FAVOR®-Super­ab­
sorber in mehr als 40 Milliarden Windeln
jährlich enthalten. Dass Windeln um mehr als
die Hälfte kleiner und dünner wurden – von
über 100 Gramm in den 1980er Jahren auf
heute nur noch etwa 40 Gramm –, zählt mit
zu den fortschrittlichen Errungenschaften.
Und die Entwicklung geht weiter. Auch wenn
Baby­windeln nur ein paar Stunden getragen
werden: Sie müssen hohe Erwartungen er­­
fül­len.
Ein guter Grund also für fortwährende
Innovationen der FAVOR®-Superabsorber.
Eng zusammen mit führenden Herstellern
von Hygieneprodukten arbeitet ein Team von
Forschern und Anwendungstechnikern in
den Laboren von Evonik an neuen, noch besseren Superabsorbern und den Trends von
morgen. Der Trend geht eindeutig zu immer
weniger Zellstoff. Ziel sind ultradünne Hygie­
neprodukte, die für noch besseren Trage­kom­
fort, weniger Verpackung und auch weniger
N e ws 27
Abfall sorgen. Dafür muss zum Beispiel die
Aufnahmekapazität der Super­absorber weiter erhöht oder die Flüs­sig­keits­verteilung
noch exakter den Anfor­derungen der Kunden
angepasst werden.
Am Ende der derzeit absehbaren Ent­
wick­lung stehen Superabsorber mit noch
mehr Speichervolumen, die die Produktion
von erheblich dünneren Einwegwindeln
er­­lauben und den Herstellern eine deutliche
Verringerung des Rohstoffeinsatzes und da­mit
eine Reduzierung der Herstellungs­schritte,
Produktions- und Transportkosten ermöglichen. Gut denkbar, dass künftig kein Unter­
schied mehr zwischen normaler Unter­wäsche
und einer Windel zu erkennen sein wird.
Nach der Anlage in Krefeld wurde ein Jahr
später, 1987, eine Anlage in Greensboro
(North Carolina, USA) in Betrieb genommen.
In den Jahren 1992 und 1999 folgten weitere
Anlagen in Krefeld, 1993 und 2000 weitere
Anlagen in Greensboro. Im Jahr 1996 kamen
Anlagen in Garyville (Louisiana, USA) und
2006 in Rheinmünster hinzu. In SaudiArabien hat Evonik im August 2011 einen
Joint-Venture-Vertrag mit der Saudi Acrylic
Acid Company (SAAC) zur Produktion von
Superabsorbern abgeschlossen. Die Anlage
mit einer jährlichen Kapazität von 80.000
Tonnen soll Ende 2013 in Betrieb gehen.
Damit geht Evonik einen wichtigen Schritt im
attraktiven Markt Mittlerer Osten.
Labor- und Produktionskapazität für hochpotente Wirkstoffe erweitert
Evonik Industries hat in Hanau ein Labor für hochpotente Wirkstoffe
(HPAPI, Highly Potent Active Pharmaceutical Ingredients) in Betrieb
genommen und gleichzeitig bei Tippecanoe Laboratories am Standort
Lafayette (Indiana, USA) seine cGMP-Kapazitäten für diese Wirk­
stoffe im Kilo­gramm­maßstab erweitert.
Mit dem neuen Labor kann das Unter­nehmen nun auch in
Deutsch­land Synthesen für derartige Wirkstoffe entwickeln und
optimieren. Mit der Kapazitäts­er­weiterung verfügt Evonik über
ein Reak­tor­volumen für HPAPI von insgesamt 170 Kubikmetern.
Davon entfallen ca. 135 Kubik­meter auf die Produktion der HPAPI
im Ton­nenmaßstab und ca. 35 Kubikmeter auf die Kleinmengen­
produktion und die Herstellung von Entwick­lungsmengen. „Damit
decken wir bei der Exklusivsynthese das ganze Spektrum der
Herstellung hochpotenter Wirkstoffe von der klinischen Phase bis
hin zur Kom­merzialisierung ab“, betont Dr. Klaus Stingl, Leiter der
Produktlinie Exklusivsynthese im neu geschaffenen Geschäfts­
gebiet Health Care.
Hochpotente Wirkstoffe sind pharmazeutische Wirkstoffe,
die bereits in sehr niedrigen Konzentrationen wirken. Maximal
0,2 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht oder 10 Milligramm
pro Tag genügen, um einen signifikanten therapeutischen Effekt hervorzurufen. Zu den HPAPI zählen unter anderem Hormone, Peptide
und Zytostatika zur Behandlung von Krebserkrankungen. „Die Nach­
frage nach Syntheseentwicklung und Kleinmengenproduktion von
HPAPI für die klinische Phase hat in den vergangenen Jahren deutlich
zugenommen“, begründet Stingl die Investition in Hanau und Tip­pe­
­canoe. Gründe dafür seien unter anderem neue Entwicklungen in
der Behandlung von Tumoren und endokrinen Erkrankungen.
Wegen ihrer hohen Wirksamkeit müssen bei der Handhabung
der HPAPI allerdings besondere Maßnahmen zum Schutz von
Um­welt, Labor- und Produktionsmitarbeitern ergriffen werden. Alle
HPAPI-Einrichtungen von Evonik sind so ausgelegt, dass auch
Wirkstoffe gehandhabt werden dürfen, für die die erlaubte Arbeits­
platzkonzentration (TWA, acht Stunden) bei nur 0,1 Mikro­gramm
pro Kubikmeter Luft liegt.
„Derzeit gibt es weltweit nur wenige Unternehmen, die überhaupt mit hochpotenten Wirkstoffen arbeiten dürfen“, sagt Kevin
Haehl, am Evonik-Standort Tippecanoe verantwortlich für die
Exklusivsynthese von Wirkstoffen. „Evonik gehört dabei zu den leis-
Labor für hochpotente Wirkstoffe
tungsstärksten Anbietern, weil wir als eines der ganz wenigen
Unternehmen auch derart niedrige Arbeitsplatzgrenzwerte einhalten
können. Das heißt, wir können auch solche Wirkstoffe sicher handhaben, die wegen ihrer extrem hohen Wirksamkeit beispielsweise
bei der Zerstörung von Krebs­tumoren für den gesunden Menschen
möglicherweise schädlich sind.“
Schwerpunkt der Exklusivsynthese von hochpotenten Wirkstoffen
ist der Standort Tippecanoe, den Evonik Anfang 2010 von dem amerikanischen Pharmaunternehmen Eli Lilly erworben hat. Die rund 650
Mitarbeiter des Standorts besitzen mehr als 20 Jahre Erfahrung in
Handhabung, Synthese­ent­wicklung und Produktion der HPAPI. Mit
der Etablierung eines entsprechenden Labors in Hanau steht ein Teil
dieses speziellen Know-hows nun auch in Europa zur Verfügung.
elements38 Ausgabe 1|2012
28 s tandortm anagement
Neues Infracor-Verfahren zur
Wasserbehandlung mit Chlordioxid
Mit einem neuen Verfahren auf Basis von Chlordioxid hat die Infracor GmbH,
die als Tochter von Evonik Industries den Chemiepark Marl versorgt,
die Biozidbehandlung von Kühlwasser sicherer und wirtschaftlicher gemacht.
[ text Hans Duve, Dr. Beate Kossmann, Dr. Franz-Josef Peveling ]
elements38 Ausgabe 1|2012
s tandortm anagement 29
Im Chemiepark Marl arbeiten rund 10.000 Menschen.
Das Gelände erstreckt sich über eine Fläche von rund 6,5 Qua­
drat­kilo­meter. Das Foto links zeigt die Nasskühltürme
Die Infracor GmbH versorgt in Marl einen der gro­
ßen Chemiestandorte Deutschlands. Die Versorgung
des Standorts mit Kühlwasser erfolgt über 16 Rück­
kühlwerke mit einer Umwälzleistung von ca. 80.000
m³/h. Die Kühlsysteme gehören zur Gruppe der
kreislaufgeführten Nasskühltürme. Als Kühlturm­
zusatzwasser wird Wasser aus dem Wesel-DattelnKanal verwendet, das nach der Aufbereitung in Form
einer Teilentkarbonisierung in den Kühlsystemen
mehrfach eingedickt wird. Die Fahrweise ist schwach
alkalisch. Die chemische und mikrobiologische Qua­
lität des Kühlwassers unterliegt einer engmaschigen
Steuerung und Überwachung.
Kühlwasser in Rückkühlwerken bietet ideale
Bedingungen für die Vermehrung von Mikroorga­
nismen. Mikrobielles Wachstum in Kühlsystemen
ist immer mit der Bildung von Biofilmen verbunden,
die alle wasserführenden bzw. feucht gehaltenen
Oberflächen eines Kühlsystems in unterschiedlicher
Dicke bedecken. Biofilme bestehen aus einer Vielzahl
unterschiedlichster Arten von Mikroorganismen, die
sich in eine Matrix aus extrazellulären polymeren
Substanzen (EPS) einbetten. Innerhalb eines Biofilms
gibt es völlig unterschiedliche Lebensräume, die je
nach Nährstoffangebot, Sauerstoffkonzentration oder
anderen Einflüssen von unterschiedlichsten Konsor­
tien von Mikroorganismen bewohnt werden.
Für Mikroorganismen bietet das Leben im Biofilm
vielfältige Vorteile wie zum Beispiel:
• Schutz gegen Biozide und anderen Stress,
•stabile Mikro-Lebensräume mit hoher Zell­
dichte,
•einen reichhaltigen Genpool und einen er­leich­
terten Gentransfer, der die Adaption an verän­
derte Lebensumstände vereinfacht,
•den Austausch von Stoffwechselprodukten bzw.
die Wiederverwendung von Nährstoffen.
Für ein Kühlsystem ist der Aufbau von Biofilmen
immer mit gravierenden Nachteilen verbunden:
Biofilme verursachen eine deutliche Verschlechte­
rung des Wärmeübergangs (Tab. 1), führen zu 333
Mikrobielles Wachstum
in Kühlsystemen
elements38 Ausgabe 1|2012
30 s tandortm anagement
333 mikrobiell beeinflusster Korrosion (MIC) und sind
die Basis für das Wachstum von Legionellen und
damit die Ursache einer ständigen Rekontamination
des Kühlwassers mit Legionellen. Zur Kontrolle des
mikrobiellen Wachstums in Kühlsystemen ist deshalb
eine effiziente Biozidbehandlung unverzichtbar.
Die Kühlwasserdesinfektion im Chemiepark Marl
erfolgt derzeit überwiegend durch eine Biozid­
behandlung mit einer Kombination aus Chlor, Natri­
umbromid und einem nichtionischen Tensid. Die
desinfizierende Wirkung des Chlors beruht im
Wesentlichen auf seiner Eigenschaft als Oxidations­
Tabelle 1
Wärmeleitfähigkeit einiger Metalle und Verbindungen
Material
Wärmeleitfähigkeit (W/m*K)
Kupfer
380,0
Kohlenstoffstahl
45,0
Rostfreier Stahl
15,0
Kalziumcarbonat
2,6
Biofilm
0,6
Literatur: Aquaprox, Kühlwasserbehandlung, Springer Verlag, 2007, S. 64
Abbildung 1
Anteil der freien Säuren HOCl und HOBr in Abhängigkeit vom pH-Wert
HOCI
H+ + OCl –
HOBr
H+ + OBr –
Anteil freie Säure [%]
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
4
5
6
7
8
9
10
11
12
pH
mittel. Wirksames Agens ist die undissoziierte hypo­
chlorige Säure, die in Abhängigkeit vom pH-Wert
unter Bildung von Hypochlorit-Ionen dissoziiert. Die
pH-Werte des Kühlwassers liegen mit Werten bis
ca. pH 7,8 – je nach Fahrweise des spezifischen Rück­
kühlwerks – in einem Bereich, in dem Chlor allein
keine ausreichende Wirkung mehr besitzt.
Zur Verbesserung der bioziden Wirksamkeit wird
Chlor daher in Kombination mit Natriumbromid an­
gewendet, wodurch aufgrund der Bildung von hypo­
bromiger Säure die biozide Wirksamkeit im relevan­
ten pH-Bereich verbessert wird. Diese Zusammen­
hänge sind in Abbildung 1 dargestellt. Sie zeigt die
Anteile der freien hypochlorigen (HOCl) und hypo­
bromigen Säure (HOBr) und deren ionisierter Formen
in Abhängigkeit vom pH-Wert.
Führungsgröße für die Biozidbehandlung des
Kühlwassers ist das Redoxpotenzial, das daher kon­
tinuierlich gemessen wird. Das Redoxpotenzial eines
Wassers ist charakteristisch für die Geschwindigkeit
der Keimtötung durch oxidierende Desinfektions­
mittel, wobei gilt: je höher das Redoxpotenzial, desto
schneller die Keimtötung, und umgekehrt. Die Bio­
zidbehandlung erfolgt stoßweise, indem beim Unter­
schreiten bestimmter Redoxwerte die Chlorungs­
anlage startet und beim Überschreiten bestimmter
Schaltpunkte wieder stoppt.
Der entscheidende Nachteil einer Kühlwasser­
desinfektion mit Chlor/Bromid ist deren stark ein­
geschränkte Wirksamkeit gegenüber Mikroorganis­
men im Biofilm. Außerdem wird die Veralgung der
Kühlturmeinbauten nicht in ausreichendem Maße
verhindert. Je nach Situation – beispielsweise bei
massivem Algenbewuchs der Kühlturmeinbauten
oder bei erhöhten Legionellenbefunden – ist daher
der zusätzliche Einsatz von Peressigsäure als ergän­
zende Maßnahme unverzichtbar. Peressigsäure hat
neben desinfizierenden auch belagslösende Eigen­
schaften.
Die Kühlwasserdesinfektion mit Chlordioxid bie­
tet im Vergleich zu den überwiegend eingesetzten
oxidierenden Bioziden wie Natriumhypochlorit,
Chlor oder Chlor/Bromid substanzielle Vorteile hin­
sichtlich mikrobiozider Wirksamkeit und Umwelt­
verhalten. Die chemischen Eigenschaften von Chlor­
dioxid unterscheiden sich grundlegend von denen
des Chlors. Chlordioxid ist ein sehr gut wasserlös­
liches Gas; es dissoziiert nicht, sondern liegt als freies
Radikal in Wasser vor. Dadurch ist seine Desin­
fektions- bzw. Oxidationswirkung unabhängig vom
pH-Wert.
Chlordioxid: ideales
Biozid zur Kühlwasserdesinfektion
elements38 Ausgabe 1|2012
s tandortm anagement 31
Chlordioxid löst überdies Biofilme bzw. verhindert
deren Entstehung und begrenzt so eine fortwährende
Rekontamination des Wassers beispielsweise mit
Legionellen. Im Gegensatz zu Chlor führt es nicht zur
Bildung von Trihalogenmethanen, und die Bildung
organisch gebundener Halogene (AOX) oder anderer
unerwünschter organischer Desinfektionsbeipro­
dukte ist ebenfalls fast vollständig ausgeschlossen.
Diese Eigenschaften machen Chlordioxid zu einem
idealen Biozid bzw. Oxidationsmittel in der Wasser­
behandlung. Chlordioxid ist zur Trinkwasserdesin­
fektion zugelassen.
Trotz der substanziellen Vorteile in Bezug auf
Wirkung und Umweltverhalten ist die Anwendung
von Chlordioxid insbesondere in der Kühl- und Pro­
zesswasserdesinfektion eher selten. Ein Grund hier­
für ist der hohe Aufwand hinsichtlich Anlagentech­
nik, Betrieb, Wartung und Personalschulung sowie
für die Überwachung zur Vermeidung des Risikos
einer Chlordioxidemission oder -explosion – ein Auf­
wand, der beim Betrieb von Chlordioxidanlagen nach
dem heutigen Stand der Technik erforderlich ist.1
Chlordioxid ist ein giftiges Gas mit einem Arbeits­
platzgrenzwert von 0,1 ppm bzw. 0,3 mg/m³. Ober­
halb einer Konzentration von 10 Volumenprozent in
der Gasphase kann Chlordioxid explodieren. Eine
solche Chlordioxidkonzentration stellt sich bei 20 °C
oberhalb einer wässrigen Chlordioxidlösung von
8 g/l ein. Die Gefahr eines Zerfalls wässriger Lösun­
gen besteht oberhalb einer Konzentration von 28 g/l.
Aufgrund dieser Eigenschaften kann Chlordioxid
nicht in den benötigten Mengen gelagert oder trans­
portiert werden, sondern muss immer direkt am Ein­
satzort erzeugt werden. Die Erzeugung von Chlor­
dioxid für die Wasserbehandlung erfolgt überwie­
gend in Natriumchlorit-basierten Prozessen, wobei
der Säure-Chlorit-Prozess zu chlorfreiem Chlor­
dioxid führt (Abb. 2).
1
O
n-Site Chlorine dioxide: A Review of uses, safety and new
processes; Nowosielski; Official Proceedings – International Water
Conference (2004), 65, S. 213–225.
Abbildung 2
Prozesse zur Erzeugung von Chlordioxid zur Wasser­behand­
lung. Sie basieren überwiegend auf Natriumchlorit, wobei beim
Säure-Chlorit-Prozess chlorfreies Chlordioxid entsteht
Chlor-Chlorit-Prozess:
2ClO2 + 2 NaCl
2 NaClO2 + Cl2
Säure-Chlorit-Prozess mit Mineralsäuren, z. B. HCl:
4 ClO2 + 5 NaCl + 2 H2O
5 NaClO2 + 4 HCl
Chlordioxidanlagen nach dem Stand der Technik sind
wie folgt gekennzeichnet:
•Die Aufstellung in personenbegangenen Räumen
erfordert komplexe Sicherheitsvorkehrungen zur
Absicherung der mit dem Prozess verbundenen
Risiken einer Chlordioxidemission oder -explo­sion.
•Die Chlordioxidsynthese aus verdünnten Edukten
führt zu einer langsamen, temperaturabhängigen
Reaktion mit unvollständiger Umsetzung (85 bis
90 Prozent Ausbeute). Die maximale Chlordioxid­
konzentration im Reaktor wird auf 20 g/l be­
grenzt. Die Reaktoren müssen her­metisch ver­
schlossen sein und sind häufig Druckbehälter.
•Lange Reaktionszeiten erfordern große Reak­
torvolumina, die beträchtliche Mengen Chlor­
dioxid beinhalten. Liegt die Erzeugungs­kapa­zität
der Anlage beispielsweise bei 1 kg Chlordioxid pro
Stunde, befinden sich im Reaktor ca. 160 g Chlor­
dioxid.
Um dennoch die Vorteile von Chlordioxid nutzen
zu können, hat die Infracor ein neues Verfahren ent­
wickelt, zum Patent angemeldet und in der Praxis
zum Einsatz gebracht. Es schließt die Betriebsrisiken
von Chlordioxidanlagen nach dem Stand der Technik
aus und ermöglicht eine sichere und wirtschaftliche
Anwendung von Chlordioxid.
Beim Infracor-Verfahren (Tab. 2, Abb. 3, S. 32) wird
das Chlordioxid ausschließlich im zu behandelnden
Wasser erzeugt, und bis zur Reaktion bleiben die
Edukte strikt voneinander getrennt. Die Chlordioxid­
synthese erfolgt dabei unter optimierten Reak­t ions­
bedingungen aus konzentrierten Edukten und resul­
tiert in einer schnellen, temperatur­unabhängigen 333
Infracor-Verfahren:
gravierende Vorteile bei Sicherheit und Wirtschaftlichkeit
elements38 Ausgabe 1|2012
32 s tandortm anagement
Tabelle 2
Vergleich der Chlordioxiderzeugung nach dem Stand der Technik
und nach dem Infracor-Verfahren
Parameter
Konventionelle Technik
Ort der ClO2-Erzeugung
Personenbegangene Räume
Infracor-Verfahren
Im zu behandelnden Wasser
Konsequenz
Primäre Ursache für das
Risikopotenzial (ClO2Emission oder -Explosion)
Umfangreiche Sicherheits­
technik notwendig
Möglichkeit zur
Prozessoptimierung
Chemische Reaktion – Reaktorbedingungen
Zu steuernde Edukte
25%ige NaClO2-Lösung,
30%ige HCl und
Verdünnungswasser
25- oder 31%ige
NaClO2-Lösung, 30%ige
HCl
ClO2-Konzentration
20 g/l
> 80 g/l
Reaktionszeit
≥ 600 sec,
temperatur­abhängig
5 sec,
nicht temperatur­abhängig
Ausbeute
85–95 %
> 98 %
Spezifisches Reaktorvolumen
(Kapazität 1 kg ClO2/h)
8.000 ml
16 ml
Vorhandene Menge an ClO2
(Kapazität 1 kg ClO2/h)
160 g ClO2 in personen­
begangenen Räumen
1,4 g ClO2 im zu behandelnden Wasser
Reaktordesign
Geschlossen,
häufig Druckbehälter
Offen, Reaktionszone
in direktem Kontakt zum
Prozesswasser
Verdünnung
Zielkonzentration,
z. B. 0,5 ppm
Direkt oder über
Verdünnungstank
Direkt
Abbildung 3
Prinzipskizze des Infracor-Verfahrens zur Wasserbehandlung mit Chlordioxid.
Die Chlor­dioxid­erzeugung erfolgt ausschließlich im zu behandelnden Wasser
5
6
3
4
HCI
NaCIO2
1
2
7
8
9
1 und 2: Chlordioxiderzeugung aus konzentrierten Edukten; diese werden außerhalb
des zu behandelnden Wassers strikt getrennt gehalten
3 und 4: Dosierpumpen
5 und 6: Edukte werden über Schlauch-in-Schlauch-Leitungen zum Reaktor geführt
7: Der Reaktor zur Chlordioxiderzeugung befindet sich direkt im zu behandelnden
Wasser. Die optimierten Reaktionsbedingungen sind gekennzeichnet durch sehr kurze
Reaktionszeit, Ausbeute größer 98 Prozent, Temperaturunabhängigkeit, hohe
Chlordioxidkonzentration. Das spezifische Reaktorvolumen ist um den Faktor 500
minimiert, die enthaltene Menge Chlordioxid auf unter ein Prozent reduziert
8: Injektor, verbunden mit Steigleitung des Kühlturms zur sofortigen Verdünnung
und Verteilung der Chlordioxidlösung
9: Chlordioxidlösung mit einer Konzentration von kleiner oder gleich 3 g/l
elements38 Ausgabe 1|2012
333 Reaktion mit Ausbeuten von mehr als 98 Prozent.
Die Chlordioxidkonzentration im Reaktor beträgt
80 g/l. Das spezifische Reaktorvolumen ist um den
Faktor 500 verkleinert, die darin enthaltene Chlor­
dioxidmenge auf unter ein Prozent reduziert. Der
Reaktor ist direkt zum umgebenden Wasser geöffnet.
Der Vorteil: Hat die Anlage beispielsweise eine Er­
zeugungskapazität von 1 kg Chlordioxid pro Stunde,
beträgt die Menge an Chlordioxid im Reaktor nur ca.
1,4 g, und diese wird infolge des direkten Austauschs
mit dem umgebenden Wasser sofort auf eine unbe­
denkliche Konzentration verdünnt. In Tabelle 2 sind
die Parameter der Chlordioxid­erzeugung nach dem
Stand der Technik und nach dem Infracor-Verfahren
im Vergleich dargestellt.
Entscheidende Vorteile der Chlordioxiddesin­
fektion wurden im Chemiepark Marl bereits in der
Praxis verifiziert. Dazu gehören das Ablösen von
Biofilmen bzw. Belägen, die auch noch nach der Ver­
rieselung bestehende Wirksamkeit und damit die
Verhinderung einer Veralgung der Kühlturmeinbau­
ten sowie die Reduktion der AOX auf Werte unter
50 µg/l.
Bei der Umstellung von Chlor/Bromid auf Chlor­
dioxid kann in der Anfangsphase über einen Zeitraum
von einigen Monaten der Verbrauch an Chlordioxid
um ein Vielfaches zunehmen und die DOC- und AOXWerte steigen (DOC: gelöster organischer Kohlen­
stoff). In dieser Phase werden vorhandene Biofilme
abgelöst. Das führt unter anderem zur Freisetzung
der darin abgelagerten chlororganischen Verbindun­
gen und damit zu erhöhten AOX- und DOC-Werten
und verursacht eine erhöhte Chlordioxidzehrung
(Abb. 4, 5).
Der anfängliche Chlordioxidverbrauch in einem
umgestellten Rückkühlwerk betrug etwa 220 kg pro
Woche und reduzierte sich im Verlauf von etwa sechs
Monaten auf 28 bzw. 13 kg pro Woche. Bei der
Umstellung auf Chlordioxid stiegen die AOX-Werte
zunächst auf fast das Doppelte an. Parallel zur
Abnahme des Chlordioxidverbrauches reduzierte
sich die AOX-Konzentration auf Werte unter 50 µg/l.
Die Umlaufleistung des betrachteten Kühlsystems
betrug ca. 3.500 m³/h, die Dosierung zur Einstellung
eines Redoxpotenzials zwischen 330 und ca. 500 mV
variierte zwischen 0,7 und 0,3 ppm.
Ein weiteres Rückkühlwerk wurde über einen
Zeitraum von 1,5 Jahren ausschließlich mit Chlor­
dioxid desinfiziert. Entgegen der Annahme, dass
Chlordioxid bei der Verrieselung vollständig ausstrip­
pen würde und damit die Kühlturmeinbauten unbe­
handelt wären, blieben die Kühlturmeinbauten
während dieses Zeitraumes sauber bzw. algenfrei.
Parallel zum Einsatz in der Kühlwasserdesinfek­
tion im Chemiepark Marl wurde das Infracor-Verfah­
ren an Ashland Hercules Water Technologies, eines
der weltweit führenden Unternehmen auf dem Markt
der Wasserbehandlung, lizenziert und ist mittler­
weile in zahlreichen industriellen Kühlsystemen in
Europa im Einsatz. 777
s tandortm anagement 33
­ Abbildung 4
Verlauf des Chlordioxid­ver­
brauchs und der AOX-Werte
nach Umstel­lung der Kühl­
wasserdesinfektion von
Chlor/Bromid auf Chlordioxid
(Rückkühlwerk F)
AOX
AOX [% zu vor CIO2]
200
CIO2-Verbrauch [kg/Woche]
Umstellung auf CIO2
250
189 %
221 kg
169 %
150
200
216 kg
149 %
CIO2-Verbrauch
150
100
119 kg
100
80 kg
50
50
27 %
28 kg
0
13 kg
15. März
Abbildung 5
Auszug aus der Online-Analytik
des Rückkühlwerks F nach Um­­
stellung der Biozidbehand­lung
auf Chlordioxid. Direkt nach der
Umstellung steigt der online
gemessene Indikatorwert für den
DOC-Gehalt des Kühlwas­sers
an, während das Redoxpo­tenzial
stagniert bzw. sogar abfällt,
obwohl die hier anfänglich eingesetzte Chlordioxid­menge
ca. 20fach höher ist als die –
nach diesem Reinigungsschritt –
notwendige Dosiermenge.
Dies ist darauf zurückzuführen,
dass durch Ablösung des Biofilms
die Zehrung des Chlordioxids
stark erhöht ist
18. März
19. April
13. Mai
15. Juni
20. Juli
17. Aug.
16. Sep.
Redoxpotenzial [mV]
DOC-Gehalt [dimensionslos]
3,00
0
12. Okt.
700
Umstellung auf CIO2
DOC
Redoxpotenzial
150
0,00
18.03.2010
03:20:56
Hans Duve leitete bis zu
seinem Ruhestand im
Herbst 2011 den Betrieb
Wasserreinigung des
Geschäftsgebiets Verund Entsorgung des
Geschäftsbereichs Site
Services von Evonik.
18.03.2010
03:34:05
18.03.2010
23:47:14
19.03.2010
10:00:23
Dr. Beate Kossmann
arbeitet im Bereich
Kälte-, Wasser-, Druck­
luft­versorgung und
Abwärmenutzung des
Geschäftsgebiets Verund Entsorgung des
Geschäftsbereichs Site
Services von Evonik.
+49 2365 49-6139
beate.kossmann@
infracor.de
19.03.2010
20:13:32
20.03.2010
06:26:42
Dr. Franz-Josef
Peveling leitet die
Betriebe Kälte-, Wasser-,
Druckluftversorgung
und Abwärmenutzung
des Geschäftsgebiets
Ver- und Entsorgung des
Geschäftsbereichs Site
Services von Evonik.
+49 2365 49 2822
franz-josef.peveling@
infracor.de
elements38 Ausgabe 1|2012
34 INNOVATI ONSMANAGEMENT
Netnography
Auf Volkes Stimme hören
Wasserstoffperoxid ist eine schon seit bald 200 Jahren bekannte Verbindung, für
die es heute viele wichtige Anwendungen gibt. Evonik, als einer der großen
Hersteller dieser Chemikalie, geht nun bei der Suche nach weiteren Märkten neue
Wege. Das Unternehmen nutzt dazu das Wissen der Massen – ein Schatz, der in
Blogs und sozialen Netzwerken schlummert. Diesen Schatz hat Evonik mit Hilfe
von Hyve gehoben, einem Unternehmen, dessen Spezialität es ist, via OnlineCommunities unverfälschte, alltagsnahe Einblicke in die Welt der Konsumenten
und Verbraucher zu geben.
[ text Andreas Beer, Constanze Casper, Robert Katzer, Dr. Yücel Önal ]
elements38 Ausgabe 1|2012
INNOVATI ONSMANAGEMENT 35
Die klassische Anwen­
dung von Wasser­stoff­peroxid ist das
umweltschonende
Bleichen von Papier
und Zellstoff
Wasserstoffperoxid ist eine eher unscheinbare
Flüssigkeit, farblos, dem Wasser nicht unähnlich.
Es findet vor allem in der Papier- und Zellstoffindus­
trie breite Anwendung. Bei Evonik gehört Wasser­
stoffperoxid seit Jahrzehnten fest zum Portfolio. Mit
einer Kapazität von rund 650.000 Tonnen ist das
Spezialchemieunternehmen weltweit ein bedeuten­
der Hersteller des umweltfreundlichen Bleich- und
Oxida­t ionsmittels. Und obwohl Wasserstoffperoxid
eines der ältesten Produkte des Konzerns ist, ist es
noch immer ein höchst innovatives. Denn das Ziel
von Evonik ist es, neben den klassischen Anwen­
dungen neue Märkte für den Produkt-Oldie zu
erschließen.
Dass dies immer wieder gelingt, zeigt zum Bei­
spiel die jüngste Innovation: das HPPO-Verfahren
(Hydrogen Peroxide to Propylene Oxide), das Evonik
gemeinsam mit dem in Dortmund ansässigen Ingeni­
eur-Unternehmen Uhde für die Herstellung von Pro­
pylenoxid entwickelt hat. Die Idee dahinter: Evonik
wendet das Verfahren nicht selbst an, sondern vergibt
Lizenzen, liefert das Wasserstoffperoxid und er­
schließt sich so eine Anwendung, die es in dieser
Form bislang nicht gab: der großtechnische Einsatz
von Wasserstoffperoxid in der chemischen Synthese.
Ein Plan, der voll aufgegangen ist: Evonik hat das
HPPO-Verfahren mittlerweile zum zweiten Mal in
Asien lizenziert und damit seinen Anteil am Wasser­
stoffperoxidmarkt in dieser Region erheblich gestei­
gert. Propylenoxid ist ein Vorprodukt für Polyurethan­
schäume, mit denen etwa Kühlschränke oder Häu­ser
isoliert werden, um Energie zu sparen. Im Vergleich
zu herkömmlichen Produktionsverfahren für Propy­
lenoxid erfordert die HPPO-Technologie deutlich ge­
ringere Investitionen. Gleichzeitig lassen sich mit ihr
hohe Ausbeuten erzielen, und im Gegensatz zu den
konventionellen Verfahren entstehen außer Wasser
keine Nebenprodukte in nennenswerten Mengen.
Die Entwicklung des HPPO-Verfahrens folgte
einem klassischen Ansatz, der Expertenwissen vor­
aussetzt: Was ist technisch machbar, was verlangt der
Markt und wie lässt sich beides für das Unternehmen
gewinnbringend in Innovation übersetzen? Zwar hat
diese Herangehensweise auch künftig ihre volle
Berechtigung, doch reicht sie heutzutage nicht mehr
aus. Gerade um neue Märkte zu erschließen, kann es
auch sinnvoll sein, nicht den Experten auf die Suche
nach Innovationen anzusetzen. Denn der kompetente
Fachmann mit seinem umfangreichen Wissen denkt
zwangsläufig in Kategorien, die ihm vertraut sind.
Auf der Suche nach Innovationen kann es aber hilf­
reich sein, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und
völlig neue Quellen anzuzapfen. Ein solcher Ansatz,
den der Geschäftsbereich Advanced Intermediates
bei der Suche nach neuen WasserstoffperoxidAnwendungen verfolgt hat, ist die Netnography.
Das englische Kunstwort aus „Internet“ und „Eth­
nography“ ist eine qualitative Methode, die zu einer
vorgegebenen Fragestellung die Kommunikation in
Quellen wie Blogs, Foren, Ratgeberportalen und so­
zialen Medien erfasst, kategorisiert und auswertet.
Wichtig bei der Herangehensweise ist, dass die
Zuhören statt diskutieren
Beobachtung der Community keinen Einfluss auf Art
und Inhalt der Kommunikation nimmt. Es geht also
nicht darum, mit Anwendern zu diskutieren oder ihre
Meinung zu einem bestimmten Thema einzuholen,
sondern darum, einfach zuzuhören. Sozusagen „listen
to the community“ statt „listen to the customer“.
Die Idee dahinter ist simpel: Menschen lösen Pro­
bleme oft dadurch, dass sie Produkte oder Verfah­
ren für ihre Bedürfnisse zweckentfremden. Sie pro­
bieren einfach so lange herum, bis es klappt. Dass
die Lösung funktioniert, können die Nutzer oft gar
nicht rational begründen; der Erfolg gibt ihnen aber
recht.
Allerdings gleicht die Netnography der berühm­
ten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Eine
der größten Herausforderungen besteht ja gerade
darin, den ungeschliffenen Diamanten zu entdecken
– die relevantesten und innovativsten Kommentare
der Nutzer. Strukturiert lässt sich dieses Ziel nur
durch einen softwareunterstützten Ansatz erreichen.
Zunächst müssen die richtigen Stichworte festgelegt
und die richtigen Quellen identifiziert werden. Dann
folgt die eigentliche Phase der Beobachtung. Sie
liefert erste Ergebnisse, die Experten dann katego­
risieren müssen, um eventuell weiterführende Beob­
achtungen und Analysen anschließen zu können. Das
kann so weit gehen, dass mit Anwendern, die beson­
ders kreative Ideen haben, vertiefende Gespräche
stattfinden. Die Bereitschaft dieser Nutzer, ihr Wis­
sen mit anderen zu teilen, ist übrigens erstaunlich
hoch. Oft freuen sie sich darüber, dass ihnen endlich
jemand zuhört. 333
elements38 Ausgabe 1|2012
36 INNOVATI ONSMANAGEMENT
Die Netnography-based Ideation
Blogs
Review
sites
Usergenerated
content
Communication
platforms
Social
networks
Forums
1
Identifikation und Auswahl
von Online-Quellen
2
Recherche und Identifikation
von Anwendungsfehlern
Netnography auch für
exotische Themen geeignet
Für Evonik hat der Münchner Spezialist Hyve eine
„Netnography-based Ideation“ für Wasserstoffper­
oxid durchgeführt. Die Hyve AG, gegründet im Jahr
2000, ist als Urheber des Begriffs „Customized Inno­
vation“ Pionier im Bereich Open Innovation und Web
2.0. Ihr Anliegen ist es, den Verbraucher von Anfang
an – von der Idee bis zur Produktion – in die Pro­
duktentwicklung einzubeziehen, um die Unterneh­
men dabei zu unterstützen, noch erfolgreichere und
verbrauchergerechtere Innovationen auf dem Markt
zu etablieren. Das Internet bietet dabei ideale Vor­
aussetzungen, um die Bedürfnisse, Wünsche und das
Produktwissen hunderter und sogar tausender Men­
schen in die Marketing- und Entwicklungsabteilun­
gen innovierender Unternehmen zu integrieren. Mit
intelligenten webbasierten Verfahren und Tools wird
die Innovationskraft von Communities ausgeschöpft.
Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiede­
ner Professionen wie Marktforscher, Social-MediaExperten und Designer identifiziert Hyve dabei un­
verfälschte Consumer Insights und beantwortet diese
mit und für Endverbraucher sowie B2B-Kunden in
Form von Ideen, Konzepten und Produkten.
Dass der Ansatz von Hyve nicht nur eine vage
Hoffnung ist, sondern tatsächlich funktioniert, hat
zum Beispiel der Konsumgüterhersteller Beiersdorf
erfahren dürfen. Das Unternehmen hat mittels Net­
nography sein Deo „Invisible for Black & White“ ent­
elements38 Ausgabe 1|2012
3
Interdisziplinäre
Ideation
wickelt, das gelbe Flecken auf Weiß und weiße Rück­
stände auf Schwarz verhindert.
Wer Zweifel daran hat, dass das Verfahren im B2BBereich genauso gut funktioniert wie im B2CBereich, wird durch das Internet schnell eines
Besseren belehrt: Tatsächlich scheint das Netz groß
genug zu sein, um auch zu solchen speziellen
Themen ausreichend viele Nutzer in Communities
zusammenzuführen. Für den einen oder anderen mag
es auch schwer vorstellbar sein, dass sich Menschen
im Internet intensiv über Schweißflecken und ihre
Vermeidung austauschen. Genau das findet
jedoch aufgrund der wahrgenommenen Anonymität
auch zu intimeren Themen sehr offen statt – und in­
spirierte Beiersdorf zu dem neuen Deodorant.
Für die Analyse des Themas Wasserstoffperoxid
kombinierte Hyve die bewährte Methode der
Netnography mit einer Kreativphase zu einer
Netnography-based Ideation, um die gewonnenen
Einsichten mit den Technologien und Interessen von
Evonik abzustimmen und neue Anwendungsfelder
darzulegen.
In einem ersten Schritt wurden geeignete Quellen
im Internet identifiziert, die sich mit Wasserstoffper­
oxid auseinandersetzen. Dabei wurden sowohl Kon­
sumentenbeiträge in Online-Communities als auch
Fachartikel in die Analyse eingeschlossen. So konnten
47 Einsatzgebiete von Wasserstoffperoxid identifi­
ziert werden, die über die bereits abgedeckten Ein­
satzfelder von Evonik hinausgingen und sich in vier
Themenblöcke gliederten: Bleiche, Desinfektion,
Treibstoff und Energie sowie Sauerstoff und freie
Radikale.
INNOVATI ONSMANAGEMENT 37
4
Vertiefende
Detailrecherche
5
Ideen- und
Konzeptvisualisierung
Diese Ideen aus dem Internet lieferten die Inspi­ra­t ionsbasis für einen interdisziplinären Kreativ­
workshop mit Produktdesignern, in dem sowohl
Nutzerideen weiterentwickelt als auch initiale Pro­
duktlösungen als Antwort auf teilweise verdeckt
kommunizierte Bedürfnisse erarbeitet wurden. So
entstanden an einem halben Tag rund 110 Ideen und
Konzepte, von denen etwa zehn Prozent für die finale
Betrachtung ausgewählt und aufbereitet wurden.
Diese analysierten Evonik und Hyve in einem weite­
ren Schritt genauer.
Neben einer zweiten netnographischen Phase, die
tiefer in die identifizierten Gebiete eintauchte, such­
ten sie wissenschaftliche Studien zu der jeweiligen
Anwendung und charakterisierten den möglichen
Markt. So ergab sich mit dem Projekt eine Mischung
aus interessanten Anwendungsfeldern von Nutzern
in Online-Communities ebenso wie weiterent­
wickelte Konzepte durch Hyve, die, getreu dem
Motto „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, alle­
samt zur einfachen und plakativen Kommunikation
von den Produkt- und Industriedesignern auf ver­
schiedenste Art visualisiert wurden.
Dabei ist die Community bei der Nutzung von
Wasserstoffperoxid verblüffend einfallsreich. Das
Anwendungsspektrum der Bastler reicht von der 333
Im Netz kursieren zahlreiche Rezepte,
wie sich wertvolle Metalle aus
Elektronikschrott zurückgewinnen
lassen – unter anderem mit einer
Mischung aus Salzsäure und dreiprozentigem Wasserstoffperoxid
elements38 Ausgabe 1|2012
38 INNOVATI ONSMANAGEMENT
Für Internetnutzer
könnte auch die
Frisch­wasserversorgung
im Wohnmobil ein
Fall für Wasserstoff­
peroxid sein
Verblüffender Einfallsreichtum
Goldgewinnung über den Antrieb von selbst gebau­
ten Hubschraubern bis hin zur Reparatur von
Fahrradreifen. Beispielsweise tauschen sich HobbyGoldwäscher in Foren über die neusten Verfahren
aus, wie sich aus Elektroschrott besonders wirkungs­
voll das darin enthaltene Gold gewinnen lässt, ohne
große Mengen unerwünschter Nebenprodukte zu
bekommen – immerhin stecken in 300 Gramm Elek­
troschrott bis zu fünf Gramm Gold. Verschiedene
Rezepte sehen eine Mischung aus Salzsäure und drei­
prozentigem Wasserstoffperoxid vor, wie es zum Bei­
spiel in der Apotheke erhältlich ist. Auch bei der
Rückgewinnung von Metallen wie Platin oder Silber
nutzen die „Goldwäscher“ Wasserstoffperoxid, für
Silber zum Beispiel in Verbindung mit Natriumhyd­
roxid.
Eine ebenfalls sehr aktive Gruppe sind Besitzer
von Wohnwagen oder Wohnmobilen. Sie diskutieren
im Internet immer wieder darüber, wie sich die
Frischwasserversorgungsanlage effektiv reinigen
lässt. Vom Gebissreiniger bis zu Wasserstoffperoxid
kommen dabei ganz verschiedene Mittelchen zum
Einsatz. Diese Diskussion hat Hyve auf weitere Out­
door-Anwendungen übertragen, etwa die Wasser­
aufbereitung in Katastrophengebieten oder ganz all­
gemein die Reise in Ländern mit schlechten sani­tären
Verhältnissen.
Ein anderes Thema, das die Community bewegt,
ist die Verringerung von Dieselemissionen. Aus
elements38 Ausgabe 1|2012
Berechnungen zur Rußkinetik von Dieselmotoren ist
bekannt, dass der überwiegende Teil des Rußes noch
innerhalb des Zylinders wieder oxidiert wird. Bei den
hohen Temperaturen, die während der Verbrennung
im Motor herrschen, ist es vor allem das Hydroxyl­
radikal, das zur Rußoxidation beiträgt. Durch eine
Einspritzung von Wasserstoffperoxid lässt sich die
Hydroxylkonzentration in einer späten Phase der
Verbrennung erhöhen, wodurch sich bei idealer
Mischung die Rußbildung erheblich reduzieren lässt.
Zu dieser Thematik gibt es sogar Promotionen.
Da das Feld der Tüftler im Bereich der Antriebe
besonders groß ist, überrascht es nicht, dass die Net­
nography auch hier fündig wurde. Die Community
treibt sowohl selbst gebaute einsitzige Hubschrauber
mit Wasserstoffperoxid an als auch Raketenautos
oder Zusatztriebwerke für Fahrzeuge mit gewöhn­
lichem Verbrennungsmotor. Selbst detaillierte Ideen,
wie der Antrieb einer Armprothese mittels Wasser­
stoffperoxid und katalytischer Düsen kursieren im
Internet.
Eine Weiterentwicklung dieser Gedanken brachte
das Hyve-Team auf die Idee, Wasserstoffperoxid als
Treibmittel in einem Reparatursatz für Fahrradreifen
einzusetzen: Der Fahrer würde dann einfach eine
kleine Kartusche mit Wasserstoffperoxid und dem
Dichtmittel aufs Ventil aufsetzen und in den Reifen
blasen.
Warum, so eine weitere Idee aus dem Kreativ­
workshop, könnte man Wasserstoffperoxid nicht
auch einer Wandfarbe beimischen? Schon heute ver­
wenden Menschen Wasserstoffperoxid, um Schim­
melflecken von Wänden zu entfernen. Es hat den
INNOVATIONS MANAGEMENT 39
Wasserstoffperoxid, das als Bestand­
teil der Wandfarbe vor Schimmel
schützt – auch diese Idee leitete sich
von Erfahrungen ab, die Nutzer
in Blogs und Diskussionsforen im
Internet austauschen
Eine von vielen entwickelten Ideen:
Wasserstoffperoxid als Treibmittel in
einem Reparatursatz für Fahrradreifen
Vorteil, dass es im Vergleich zu manch anderem Mit­
tel weniger aggressiv ist und sich daher gut an porö­
sen Materialien wie Tapeten oder Textiloberflächen
verwenden lässt. Das zunächst geschützt als Partikel
in die Farbe eingebrachte Wasserstoffperoxid könnte
durch den ultravioletten Anteil des Sonnenlichts
seine bleichende Wirkung dann an der Wand entfal­
ten. Das intensive Weiß nach dem Anstrich würde so
für einen längeren Zeitraum erhalten bleiben.
Ein anderes Problem, mit dem sich die Internet­
gemeinde auseinandersetzt, ist die Reinigung von
Kunststoff, da weiße Gartenstühle, Waschmaschinen
oder Computergehäuse und -monitore im Lauf der
Zeit zum Vergilben neigen, wenn sie ultraviolettem
Licht oder Wärme ausgesetzt sind. Besitzer von his­
torischen Computern haben wohl durch Zufall her­
ausgefunden, dass Kunststoffgehäuse durch Abreiben
mit einer 30-prozentigen Wasserstoffperoxidlösung
wieder wie neu aussehen.
Sie beließen es jedoch nicht bei einer eher
unhandlichen Flüssigkeit, sondern entwickelten in
gemeinsamer Zusammenarbeit eine Paste mit weite­
ren Inhaltsstoffen, die sich einfach auf Geräte auftra­
gen lässt und in Verbindung mit Sonnenlicht optimale
Ergebnisse liefert. Betroffene Kunststoffe wie Poly­
propylen, High-Impact-Polystyren oder AcrylnitrilButadien-Styrol sind heutzutage in vielen Anwen­
dungen im Einsatz. Gleichzeitig ist es für Anwender
derzeit aus Sicherheitsgründen nicht ohne Weiteres
möglich, so hoch konzentriertes Wasserstoffperoxid
für den Privatgebrauch zu kaufen.
Zugegeben, das sind teils schräge Ideen, teils Ideen,
die nicht ganz neu sind. Aber entscheidend ist, 333
Akquisition
Wasserstoffperoxidgeschäft
in Kanada gekauft
Evonik Industries hat das Wasserstoffperoxidgeschäft der Kemira Chemi­
cals Canada Inc. erworben. Die Transaktion umfasst die Produktions­
stätte in Maitland (Ontario, Kanada) und das Kundenportfolio. Auch die
Mitarbeiter wechseln zu Evonik.
„Mit dieser Transaktion gehen wir einen weiteren Schritt in unserer
globalen Wachstumsstrategie für Wasserstoff­peroxid“, erklärte Jan
Van den Bergh, Leiter des für Wasser­stoffperoxid verantwortlichen
Geschäfts­bereichs Advanced Intermediates bei Evonik. „Unsere Wachs­
tumsstrategie baut auf neue Technologien wie im chinesischen Jilin,
wo wir eine Anlage zur chemischen Direktsynthese von Propylenoxid
mit H2O2 beliefern werden, und auf gezielte Akquisitionen wie jetzt
in Kanada“, führte Van den Bergh weiter aus. Die Produktion in Maitland
wird vor allem die nordamerikanische Zellstoff- und Papierindustrie mit
H2O2 als umweltfreund­lichem Oxidationsmittel beliefern.
Durch die Neuakquisition ist Evonik einer der Markt­führer für Was­
serstoffperoxid in Nordamerika (Kanada und USA). Mit der Über­nahme
erhöht das Unternehmen seine Kapazitäten für H2O2 in Nordamerika
um 44.000 auf über 200.000 Jahrestonnen. Dort produziert der Konzern
bereits heute H2O2 an den beiden Standorten Gibbons (Alberta, Kanada)
und Mobile (Alabama, USA).
elements38 Ausgabe 1|2012
40 INNOVATI ONSMANAGEMENT
H 2 O 2 in der Treibstofftechnologie
Hoch konzentriert ins All
Am 21. Oktober 2011 hat eine russische Sojus-ST-Trägerrakete
vom Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guyana) zum
ersten Mal einen Satelliten des Galileo-Satel­litennetzwerks in
den Orbit gebracht. Für den nötigen Schub sorgte auch eine
Spezialität von Evonik: PROPULSE™, ein hoch konzentriertes, 82,5-prozentiges Wasserstoffperoxid. Damit wurde zum
ersten Mal Wasserstoffperoxid von Evonik in der Treibstoff­
technologie einer Weltraumrakete eingesetzt. Es treibt die
Turbopumpen an, die die eigentlichen Treibstoffe, das Kerosin
und den flüssigen Sauerstoff, in die Raketen­trieb­werke drücken. Mehrere Tonnen H2O2 werden dabei während der
Startphase innerhalb weniger Minuten verbraucht.
Der neue Weltraumbahnhof in Kourou ist in einer Zusam­
menarbeit westeuropäischer Staaten mit Russland unter
Führung der europäischen Raumfahrtbehörde ESA erbaut
worden. Hinter dem ehrgeizigen Projekt steht eine multi­
nationale Zusammenarbeit, wie sie noch vor Jahren kaum
denkbar gewesen ist. Nach Auflösung der Sowjetunion hatte
die russische Weltraumbehörde Roskosmos engeren Kontakt
zur ESA gesucht. Nach­dem sich ESA und Roskosmos auf eine
Zusammenarbeit bei Sojus-Starts in Französisch-Guayana
geeinigt hatten, suchte das russische Unternehmen TsENKI,
Dienstleister für Rake­tenstarts und für deren Versorgung mit
Treibstoffkompo­nenten, auf dem weltweiten Markt nach
kompetenten und zuverlässigen Partnern.
Bei hoch konzentriertem Wasserstoffperoxid fiel die Wahl
auf Evonik, weil das Spezialchemieunternehmen über breites
Know-how nicht nur bei Produktion und Einsatz, sondern
auch bei Transport und Lagerung verfügt. Hier gilt es, die
Nei­gung von H2O2, sich bei Wärme oder in Gegenwart von
Schwermetallen zu zersetzen, zu unterdrücken – zum einen
wegen der Sicherheit und zum anderen, um dem Kunden die
gewünschte Qualität gleichbleibend und verlässlich liefern
zu können. Darüber hinaus benötigt gerade die Anwendung
in Raketen ein besonders reines Wasserstoffperoxid. Ver­un­
reinigungen würden den Katalysator deaktivieren.
Für den Transport von hoch konzentriertem H2O2 hat
Evonik besondere, speziell zugelassene Behältnisse ent­
wickelt. Die Innenwände dieser Thermo-Container werden
zunächst in einem aufwändigen Verfahren gebeizt, danach
wird eine schützende Passivierungsschicht aufgetragen
und mit Wasserstoffperoxid behandelt. Dazu kommen Druck­
entlastungssysteme sowie Temperatur- und GPS-Über­
wachung. Derart sicher verpackt gelangt das Wasserstoff­
peroxid vom badischen Produktionsstandort Rheinfelden auf
der Schiene zum Verschiffungshafen an der Nordsee und
dann weiter über den Atlantik nach Französisch-Guayana in
Südamerika.
elements38 Ausgabe 1|2012
Hoch hinaus: Das hoch
konzentrierte H2O2 –
82,5 Prozent – zersetzt
sich an einem Schwer­
metallkatalysator unter
großer Hitzeentwicklung.
Es entstehen gasförmiger
Sauerstoff und Wasser­
dampf. Gemeinsam treiben sie die Turbopumpen
an, die mit 20.000 bis
30.000 Umdrehungen
pro Minute durch Schau­
felräder das Kerosin und
den flüssigen Sauerstoff
in die Raketentriebwerke
drücken, um den nötigen
Schub zu erzeugen
INNOVATI ONSMANAGEMENT 41
333 dass die Wirtschaft sie bislang nicht oder nur ein­
geschränkt als Markt identifiziert und bearbeitet hat.
Evonik hat inzwischen aus den intensiver analysier­
ten Anwendungsideen drei ausgewählt, die ein Pro­
jektteam nun weiter evaluieren wird.
Diese Zahl mag vielleicht zunächst klein erschei­
nen, aber auf keinem dieser drei Anwendungsfelder
sind Evonik und seine Kunden bislang aktiv und
haben entsprechend auch keine Kompetenzen. Mit
anderen Worten: Es wäre sehr unwahrscheinlich ge­
wesen, diese möglichen Innovationen auf klassischem
Wege zu entdecken. Angesichts einer Dauer der
Netno­graphy-based Ideation von nur zwei Monaten
bei überschaubaren Kosten hat sich dieser Innovati­
onsansatz als sehr effiziente Methode zur Ideenfin­
dung erwiesen, die nun auch andere Bereiche bei
Evonik erproben wollen. 777
Auf einen Blick
Das Wasserstoff­peroxid­
geschäft von Evonik
Evonik hat global eine Kapazität von rund
650.000 Tonnen Wasserstoffperoxid. Eine neue
Anlage für weitere 230.000 Jahrestonnen baut
Evonik in Jilin (China). Dort soll das H2O2 als
umweltfreundliches Oxidationsmittel für die
chemische Direktsynthese von Propylenoxid
eingesetzt werden. Produk­tionsstätten gibt es
bereits in Deutschland, Belgien, Öster­reich, den
USA, in Kanada, Brasilien, Korea, Indonesien,
Neuseeland und Südafrika.
Das Einsatzspektrum von H2O2 ist sehr breit.
Die größten Mengen gehen noch in die Zellstoff­
bleiche und in die Waschmittelindustrie.
Zunehmend nutzt die chemische Industrie Was­
serstoffperoxid aber auch als umweltfreundliches
Oxidationsmittel in der chemischen Synthese.
Weitere Anwendungen liegen beispielsweise im
Umwelt­schutz, bei Verpackungen sowie in der
Elektronikindustrie. Oder in Antriebssystemen
für Weltraumraketen, wie der Raketenstart in
Kourou gezeigt hat.
Andreas Beer, Diplom-Produktdesigner (FH),
arbeitete nach seinem Studium der Produkt- und Um­­
weltgestaltung an der HfG Schwäbisch Gmünd als
Leiter für ein Investitionsgüterprojekt bei neunzig°
design in Stuttgart. 2005 wechselte er zum InnovationDesign-Team der Hyve AG, wo er vor allem Kunden
der Bereiche Electronic Goods und Capital Equipment
betreut. Sein Aufgabenschwerpunkt bei Hyve sind
Ideation und Konzeption sowie klassisches Industrie­
design. Als geprüfter Patentreferent betreut er zudem
das in den Projekten erzeugte geistige Eigentum hinsichtlich gewerblicher Schutzrechte bis in die Unter­
nehmen der Kunden hinein.
+49 89 189081-413, [email protected]
Constance Casper verstärkt seit 2010 das Netno­
graphy-Team der Hyve AG. Neben ihren Aufgaben als
Projektleiterin beschäftigt sie sich mit der Weiterent­
wicklung der Netnography-Methode und der Kombi­
nation des quantitativen Monitorings mit der qualita­
tiven netnographischen Analyse. Nach Informatik- und
Japanologiestudium sowie mehrjährigen Auslandser­
fahrungen in Japan und Schweden absolvierte sie den
auf Konsumentenforschung fokussierten Master­stu­
die­ngang Consumer Science mit Schwerpunkt auf
Open Innovation und Lead-User-Forschung im Nach­
haltigkeitsbereich. Anschließend beschäftigte sie sich
als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU München
mit der Konsumentenintegration in nachhaltige Ent­
wicklungen im Mobilitäts- und Wohnbereich.
+49 89 189081-208, [email protected]
Robert Katzer arbeitet als Strategiereferent im
Bereich Controlling & Strategie des Evonik-Geschäfts­
bereichs Advanced Intermediates. Nach dem Studium
des Chemieingenieurwesens an der Fried­rich-Alexan­
der-Universität Erlangen absolvierte er ein Projekt­
kompetenz-Studium in Berlin mit Abschluss Master
of Business and Engineering; parallel arbeitete er bei
der Gambro Dialysatoren GmbH & Co. KG in der
Anla­gen­planung. 2000 kam er zu Evonik. Nach verschiedenen Stationen in der Fluidverfahrenstechnik
im Service­bereich Verfahrenstechnik & Engineering
und im Projekthaus Process Intensification der Creavis
übernahm er Anfang 2009 seine aktuelle Aufgabe.
+49 6181 59-12655, [email protected]
Dr.-Ing. Yücel Önal arbeitete seit Sommer 2010 im
Bereich Innovation Management des Evonik-Geschäfts­
bereichs Advanced Intermediates an strategischen
Projekten; seit dem 1. Februar 2012 leitet er die
Prozessentwicklung im Geschäftsgebiet Agrochemicals
& Polymer Additives von Advanced Intermediates
am Standort Jayhawk in Galena (Kansas, USA). Önal
studierte Chemie und promovierte an der Technischen
Universität Darmstadt, wobei er während seines
Studiums zahlreiche Preise erhielt, unter anderem den
DECHEMA-Studentenpreis für effizientes Studium
und den Young Scientist Prize der International
Association of Catalysis Society. 2005 startete er seine
berufliche Laufbahn bei Evonik als Projektleiter im
Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering.
+1 620 783-3123, [email protected]
elements38 Ausgabe 1|2012
42 NACH WUCHSFÖRDERUNG
Im Klassenzimmer der Zukunft
Im Raum schwebende Moleküle, chemische Reaktionen und Prozesse in Form
dreidimensionaler Bilder: An der Elsa-Brändström-Realschule in Essen wird
Chemie seit Kurzem zum Erlebnis. Denn in dem von Evonik Industries gesponserten Cyber Classroom sind die Schülerinnen und Schüler im Unterricht nicht nur
dabei, sondern mittendrin. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Elsa-Brändström-Real­schule in
Essen ist eine von bundesweit vier
Schulen, die Evonik mit Cyber-Class­­
room-Statio­nen ausgestattet hat.
Von links: Chemielehrer und stellvertretender Rektor der Realschule
Andreas Roy-Werner,
Eissa Rashed Nasraalla und
Ravi Frewer
elements38 Ausgabe 1|2012
NACH WUCHSFÖRDERUNG 43
Auf den ersten Blick scheint es so, als ob Ravi
Frewer ein neues Spiel an einer Konsole ausprobiert.
Ausgestattet mit einer 3-D-Brille bewegt er den Con­
troller in seiner Hand vorsichtig zur Seite und wieder
zurück, neugierig und zugleich kritisch beäugt von
seinen Klassenkameraden. Und von Lehrer Andreas
Roy-Werner. Denn der 15-jährige Schüler steht nicht
etwa in seinem eigenen Zimmer und er steuert auch
keine Figur durch einen virtuellen Parcours. Viel­
mehr befindet er sich in einem Klassenraum der Es­
sener Elsa-Brändström-Realschule und bewegt einen
dreidimensionalen Zeigestock. Mit dem soll er nun
die auf einer Leinwand zur Verfügung stehenden
Chlor- und Natriumatome so zusammenstellen, dass
daraus Natriumchlorid entsteht. Das besagt jedenfalls
die Aufgabenstellung im rechten Teil des Splitscreens,
die Ravi Frewer auch dazu auffordert, die entspre­
chende Reaktion im Funktionsraum durchzuführen.
Ob er das richtig macht, sagt ihm die Reaktions­
gleichung unterhalb des Funktionsraums. Begeht er
einen Fehler, leuchtet ein rotes „Reset“ auf und er
muss das Ganze noch einmal neu anfangen.
Andreas Roy-Werner sieht den Versuchen von
Ravi Frewer schweigend zu. Schließlich ist die Vor­
gehensweise in dem virtuellen Klassenraum selbst
erklärend, die Bedienung intuitiv. „Und wie das
Ganze gesteuert wird, wissen die Jugendlichen von
ihren Spielkonsolen – oft besser als ich“, lacht der
Chemielehrer, der zugleich stellvertretender Rektor
der Realschule ist. Bereits während des Pilotversuchs
hat er festgestellt, dass sich durch den Cyber Class­
room die Motivation seiner Schüler erhöht und das
Verständnis von chemischen Prozessen und Reak­
tionen gesteigert hat. „Weil wir nun leichter von der
stofflichen Ebene aus dem Labor in die atomare Welt
wechseln können.“
Die Elsa-Brändström-Realschule in Essen ist eine
von bundesweit vier Schulen, die Evonik mit solchen
Cyber-Classroom-Stationen ausgestattet hat, zu
denen neben Hard- und Software (und den erforder­
lichen 3-D-Brillen) auch mehrere neu entwickelte
Chemiemodule gehören. In die (Weiter-)Entwicklung
der Inhalte wurden und werden die beteiligten Schu­
len einbezogen. Während Evonik Hilfestellung in
Sachen Chemie gibt, wird die Umsetzung von der
Visenso GmbH in Stuttgart durchgeführt, die diese
neuartige 3-D-Lehr- und -Lernumgebung entwickelt
hat. Für Chemielehrer Roy-Werner besonders wich­
tig: „Wir können auf diese Weise eigene Themen in
die Module einbringen.“ So wurde beispielsweise
schon ein kleiner Film über die im Labor durch­
geführte Verbrennung von Eisenwolle in das Modul
eingestellt. Ein Versuch, der im virtuellen Chemie­
raum nun von der visuellen Ebene in die Molekülund Theorieebene verlegt wird.
Für die Elsa-Brändström-Realschule mit ihren ins­
gesamt rund 600 Schülerinnen und Schülern stellt
der Cyber Classroom eine ideale Ergänzung des
Chemieunterrichts dar. Zum einen, weil es nur einen
richtigen Chemieraum gibt. Zum anderen, weil man
sich davon erhofft, mehr Schüler für den Chemie­
unterricht gewinnen und begeistern zu können. „Wir
könnten so etwas als Schule nicht, dafür fehlt uns das
Geld, aber auch die Struktur“, weiß Andreas RoyWerner.
Umso erfreuter ist er darüber, dass seine Schule
in das Sponsoring-Projekt von Evonik aufgenommen
wurde. Zumal er sieht, wie das Konzept von seinen
Schülern angenommen wird. Gerade hat Eissa
Rashed Nasraalla den Controller übernommen und
dreht ein Kugelteilchen-Modell dreidimensional um
seine eigene Achse.
Während er damit bestens klarkommt, findet er
etwas anderes doch gewöhnungsbedürftig: „Der
Unterricht läuft jetzt fast ohne Lehrer ab.“ Für
schlimm hält er das nicht, nur eben für anders und
neu. Das ist der Cyber Classroom bei aller Begeiste­
rung für die Bereicherung seines Unterrichts aller­
dings auch für Lehrer Roy-Werner. Er gibt im Hin­
blick auf den problemlosen und schnell erlernten
Umgang seiner Schüler mit der Station offen und mit
einem leichten Augenzwinkern zu: „Das funktioniert
glücklicherweise langsam genug, dass auch wir
Lehrer noch mitkommen.“ Der Cyber Classroom ist
das Klassenzimmer der Zukunft. Nicht nur in Chemie.
Das Natriumchlorid­
gitter im Cyber Class­
room. Mit Hilfe der
3-D-Technik werden
Moleküle, chemische
Reaktionen und
deren Anwendungen
visu­alisiert
elements38 Ausgabe 1|2012
44 NACH WUCHSFÖRDERUNG
Interview
Drei Fragen an Prof. Dr. Dr.-Ing. Jivka Ovtcharova
Cyber Classrooms:
Lernen als emotionales Erlebnis
Prof. Dr. Jivka Ovtcharova beschäftigt sich mit dem
Management komplexer Informationen in EngineeringProzessen und ihrer Visualisierung: Seit 2003 leitet sie das
Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen
(IMI) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und
ist Direktorin im Bereich Intelligent Systems and Produc­
tion Engineering des Forschungszentrums Informatik
(FZI). Sie ist außerdem die Gründerin des Lifecycle Engi­
neering Solutions Center (LESC), eines Virtual-RealityZentrums am KIT, das Einblicke in die Welt von morgen
ermöglicht. Hier kann beispielsweise mit Hilfe virtueller
Prototypen der Lebenszyklus eines in der Entwicklung
befindlichen Produkts interaktiv erzeugt, bewertet und
optimiert werden. Aber nicht nur Forschern, sondern auch
Kindern steht das Zentrum offen. Das LESC war das erste
C³-Lab in Deutschland, ein zertifizierter Cyber Classroom,
wo zum Beispiel chemische Prozesse in dreidimensionale
Bilder verwandelt und so erlebbar werden. Kinder und
Lehrer können diese dreidimensionale Lernumgebung am
LESC kennenlernen und testen.
Prof. Dr. Jivka Ovtcharova im Lifecycle Engineering
Solutions Center, einem Virtual-Reality-Zentrum
am KIT. Hier lassen sich Eigenschaften und
Funktionen von zukünftigen Produkten realitätsnah
darstellen und wahrnehmen
elements38 Ausgabe 1|2012
Was können und sollen Kinder im dreidimensionalen Cyber
Classroom lernen, das sie mit herkömmlichen zweidimensionalen Lehrmitteln – also Schulbüchern – nicht lernen können?
Innovative Visualisierung von Lehrinhalten wird durch den
Einsatz von Virtual-Reality-Technologien zum emotionalen
Erlebnis, wodurch sich die Wissensinhalte besser vermit­
teln lassen. Der Cyber Classroom, die virtuelle 3-D-Lernund -Lehrumgebung, erfüllt alle Anforderungen an den
modernen Unterricht, denn komplexe, bislang nicht darstell­
bare oder nur schwer erklärbare Unterrichtsinhalte lassen
sich mit Hilfe von 3-D-Echtzeitmodulen besser darstellen
und vermitteln. So können beispielsweise Moleküle im
Raum bewegt oder Proteine verschoben werden.
Ist es erwiesen, dass Kinder im Cyber Classroom tatsächlich
mehr lernen? Und welche Fächer sind am besten geeignet?
Dass der Einsatz von 3-D-Inhalten nicht nur die Motivation
und Lernbereitschaft der Schüler steigert, sondern sich
auch positiv auf ihr Lernverhalten auswirkt, belegt eine
europäische Studie von Texas Instruments. An dieser Studie
nahmen zwischen Dezember 2010 und Mai 2011 insgesamt
740 Schüler im Alter zwischen 10 und 13 Jahren und 47 Leh­
rer aus 15 Schulen in Deutschland, Frankreich, Italien, den
Niederlanden, der Türkei, Großbritannien und Schweden
teil. Dabei wurde untersucht, ob der Einsatz von futuristi­
schen dreidimensionalen Unterrichtstechniken einen Mehr­
wert gegenüber klassischen (2-D-)Lehrmethoden erbringt.
Das Ergebnis spricht für sich: Im Durchschnitt traten bei
86 Prozent der Schüler durch den 3-D-Unterricht höhere
Lernerfolge ein als bei der Anwendung zweidimensionaler
Lernmethoden (52 Prozent). Der Cyber Classroom verfügt
über Lernmodule für unterschiedliche Lehrbereiche, zum
Beispiel in den Fächern Biologie, Physik, Chemie, Mathe­
matik, Kunst und Sport.
Nutzen Sie Virtual Reality auch in Ihren Vorlesungen als
Lehrmittel?
Im Virtual-Reality-Praktikum, das unter anderem an mei­
nem Institut im Lifecycle Engineering Solutions Center ange­
boten wird, entwickeln die Studierenden selbstständig einen
Fahr­simulator in Virtual Reality. Mit visuellem Programmie­
ren und Parameteränderungen können sie die Auswirkung
von physikalischen Größen untersuchen und, unterstützt
mittels moderner Virtual-Reality-Lösungen, am Fahrsimula­
tor live erleben. Die Studierenden können auf diese Weise
durch Vernetzung von Denken, Handeln und Intuition Fähig­
keiten zum Erkennen und Lösen von interdisziplinären Prob­
lemen auf dem Gebiet der MINT-Fächer (Mathematik, Infor­
matik, Naturwissenschaften und Technik) entwickeln.
NACH WUCHSFÖRDERUNG 45
Chemie für Kinder
Probieren und
Experimentieren
im Internet-Labor
der Evonik Stiftung
Chemie so spannend wie nie:
www.professor-proto.de
ZEI TMA SCH INE
Wie wird aus Kartoffeln Klebstoff? Und
wie macht man eigentlich Geheimtinte?
Antworten auf diese und andere span­
nende Fragen gibt Professor Proto im
Internet in seinem Fantastischen Institut.
Neugierige Nachwuchswissenschaftler
dürfen ihm in seinem virtuellen Labor in
die Reagenzgläser schauen. Denn bei der
neuen Lernplattform der Evonik Stiftung
ist Nachmachen ausdrücklich erlaubt.
Aber Vorsicht: Es besteht Spaßgefahr.
1884
Rosa Pausbäckchen und wuscheliges Haar:
Der knuffige Professor soll über die Inter­
net-Plattform der Evonik Stiftung schon
Grundschulkinder für Chemie begeistern.
Damit die jungen Menschen spielerisch
mit den MINT-Fächern (Mathematik, In­
formatik, Naturwissenschaften und Tech­
nik) vertraut werden, können sie am In­
ternet-Institut die wunderbare Welt der
Wissenschaft entdecken. Auf www.pro­
fessor-proto.de erleben Kinder die Ge­
schichte der Chemie anhand praktischer
Beispiele: Wie wirkt Backpulver, wie ent­
stand Porzellan? Faszinierende Versuche
zum Selbermachen hält Proto für die klei­
nen Besucherinnen und Besucher eben­
falls bereit.
Bisher hat die Evonik Stiftung aus­
schließlich Studierende der Naturwissen­
schaften am Ende ihrer akademischen
Laufbahn gefördert. Gemeinsam mit ihnen
ist das Fantastische Institut entstanden.
Zum Jahrestreffen 2010 durften die Sti­
pendiaten in Erinnerungen an ihre ersten
Versuche schwelgen und dabei Konzepte
erarbeiten, um Kinder spielerisch an
Naturwissenschaften heranzuführen.
Die Gruppe von Michael Werhahn, KarlSebastian Mandel, Johannes Wehner und
Boris Burger hatte dabei die Idee zu der
Lernplattform im Internet. Burger weiß,
wie wichtig es ist, möglichst früh die
Freude an der Forschung zu wecken: Er
sagt: „Ich selbst habe früher gerne eine
TV-Sendung gesehen, in der spannende
Experimente spielerisch aufbereitet
wurden. Das hat mich fasziniert und in die
Naturwissenschaft gezogen. Ich denke,
das kann auch bei anderen Kindern funk­
tionieren.“ Ist das Grundinteresse einmal
geweckt, sei die Neugier nach Wissen
programmiert, meint Boris Burger.
Auch die Jurymitglieder der Evonik
Stiftung hat das Konzept der Lernplatt­
form sofort inspiriert. Der Evonik-Vor­
standsvorsitzende, Dr. Klaus Engel, sagt:
„Die Evonik Stiftung hat sich auf die Fahne
geschrieben, Kinder für Naturwissen­
schaft zu begeistern, und das Internet ist
ein sehr gutes Medium dafür, denn es ist
für alle jungen Menschen zugänglich und
interaktiv.“ Ab sofort ist das Fantastische
Institut für alle geöffnet, die schon Spaß
an Chemie haben oder ihn noch bekom­
men möchten. Professor Proto jedenfalls
freut sich schon auf viele neugierige Be­
sucher in seinem Labor.
Was man jetzt auf den Seiten des
Fan­t astischen Instituts findet, soll der
Auf­takt zu einer stetig wachsenden Lern­
plattform sein. Die Geschäftsführerin
Erika Sticht möchte die Plattform ge­­­­
meinsam mit Kindern, Eltern und Leh­
rern weiterentwickeln: „Wir freuen uns
auf das erste Feedback von unseren
Nutzern und hoffen auf viele Ideen für
weitere Experimente.“
Professor Proto jedenfalls steht bereit.
Und für alle besonders Wissbegierigen
lüftet er schon jetzt das Geheimnis, woher
er seinen Namen hat: Der ist seinen Erfin­
dern eingefallen, als sie über Protonen
nachgedacht haben; das sind kleine Teil­
chen, die mit viel Energie und einer posi­
tiven Einstellung in der Welt unterwegs
sind – eben genau so wie Professor Proto.
Engagement für bildung
P r o f e s s o r P r o to’s
Fantastisches Institut
Chemie für coole Leute
Cyber Classroom
Die Zukunft des
Chemieunterrichts
Evonik Industries hat vier Schulen in Essen, Born­heim,
Frei­gericht und Rheinfelden mit je einem Cyber Classroom
ausgestattet. Anlässlich der ersten „Evonik-Cyber-Class­room-Convention“ am Strittmatter-Gymnasium in St. Georgen
im Schwarz­wald sagte Evonik-Chef Dr. Klaus Engel: „Die
3-D-Lernumgebung ermöglicht es den Schülern, die kom­
plexen Inhalte der Chemie in Theorie und Praxis anschaulich
zu erleben und so besser zu verstehen.“ Engagement für
Bildung und Ausbildung ist ein Kern­anliegen von Evonik.
Engel dazu: „Wir wollen bei den Schülern Freude und
Interesse an Naturwissenschaft und Tech­nik wecken, denn
gerade in diesen Fächern benötigt das Indus­trieland Deutsch­
land mehr talentierten und engagierten Nach­wuchs.“
Die erste „Evonik-Cyber-Classroom-Convention“ nutzten
Lehrer der Elsa-Brändström-Realschule Essen, der Europa­schule
Bornheim bei Wesseling, der Kopernikusschule Freigericht
bei Hanau und der Gewerbeschule Rheinfelden zum Erfah­
rungs­­austausch mit Kollegen des Strittmatter-Gymna­siums. Die
Schule in St. Georgen wendet die Technik des virtuellen
Klassen­zim­mers bereits seit mehr als zwei Jahren in mehreren
Fächern an.
Entwickelt hat diese neuartige 3-D-Lern- und -Lehrumge­
bung die Visenso GmbH aus Stuttgart. Technologien, die bis­
lang vor allem beispielsweise in der Automobilindustrie oder
auch im Anlagen­bau genutzt wurden, hat Visenso für den
Unterricht an Universitäten und Schulen weiterentwickelt und
so zugänglich gemacht.
elements38 Ausgabe 1|2012
46 N e ws
Evonik Meets Science Japan
Im kalten, aber sonnigen Tokio richtete Evonik Ende vergangenen Jahres das Wissenschaftsforum Evonik Meets
Science Japan 2011 aus. Mehr als 20 Teilnehmer aus der
akademischen Welt Japans und 30 des Konzerns folgten
der Einladung des japanischen Technologie-ScoutingTeams, des Innovations-Netzwerks und des Bereichs
Kommunikation, um sich mit dem Themenschwerpunkt
Katalysatoren zu befassen. Dr. Georg Oenbrink vom
Bereich Corporate Innovation Strategy & Managment
begrüßte mit Prof. Dr. Akira Suzuki von der Hokkaido
University den Nobelpreisträger für Chemie des Jahres
2010 als Auftaktredner. Suzuki referierte über „Kreuz­
kupp­lungsreaktionen von Organoborver­bin­dungen – eine
einfache Methode für C-C-Bindungen“.
Chief Innovation Officer Dr. Peter Nagler hieß die
Teilnehmer des Symposiums am zweiten Tag willkommen. Neben Prof. Stefan Buchholz, Leiter des Inno­
vations­managements des Geschäftsbereichs Advanced
Intermediates, der einen Vortrag zur Katalysatoren­for­
schung von Evonik hielt, präsentierten eine Reihe führender japanischer Universitätsprofessoren ihre Beiträge.
Es folgte eine lebhafte Diskussion zwischen Vertretern
aus Industrie und Wissenschaft.
Ulrich Sieler, Regional President Japan, erklärte: „Von
der engen Kommunikation und dem Dialog mit japanischen Universitäten werden sowohl Evonik als auch die
Wissenschaftler Japans im Hinblick auf zukünftige
Entwicklung profitieren. Japan und Deutschland haben
einen ähnlichen Hintergrund. Beide Länder zeichnen sich
durch herausragende Technologie und Innovationskraft
aus. Diese Veranstaltung war ein Meilenstein in unserem
Bestreben, uns mit höchstqualifizierten japanischen
Forschern zusammenzuschließen, und öffnete darüber
hinaus eine Tür für junge und begabte japanische
Wissenschaftler.“
Prof. Dr. Akira Suzuki
(rechts), der 2010 mit
dem Nobelpreis in
Chemie ausgezeichnet
wurde, und Dr. Peter
Nagler, Chief Innova­
tion Officer von Evonik
Bis zu 100 Millionen € für Venture-Capital-Aktivitäten
Dr. Bernhard Mohr,
Leiter Corporate
Venturing von Evonik
elements38 Ausgabe 1|2012
Evonik Industries will seine Inno­va­tions­
fähigkeit mittel- und langfristig weiter stärken und baut dazu eine neue Organisations­
einheit „Corporate Venturing“ innerhalb des
Innovation Managements des Konzerns auf.
Über Corporate Venturing will Evonik in
vielversprechende Start-ups und führende
spezialisierte Venture-Capital-Fonds mittelfristig ein Gesamtvolumen von bis zu 100
Millionen € investieren. Diese Investitionen
sollen ihren Schwerpunkt in Europa, den USA
und Asien haben.
„Evonik verfolgt eine ambitionierte
Wachstumsstrategie“, sagte Patrik Wohl­
hauser, Vorstandsmitglied von Evonik. „Cor­
porate Venturing bietet eine ideale Ergänzung
zu den bestehenden Inno­vations­prozessen
und -strukturen des Konzerns. Das Ziel unserer Innovationsmaßnahmen ist die langfristige Erhaltung und der Ausbau unserer hohen
Technologiekompetenz. Mit Corporate
Venturing ergänzen wir unseren Ansatz von
Open Innovation und schaffen ausgezeichnete Möglichkeiten, die Entwick­lung neuer
Geschäfte zu beschleunigen und zukünftige
Wachstumsfelder zu erschließen.“
„Unsere Venture-Capital-Investitionen in
innovative Ideen und Lösungen werden sich
an den für Evonik wichtigen Megatrends
Ressourceneffizienz, Gesundheit, Ernährung
und Globalisierung ausrichten. Zusätzlich
wird unser Corporate Venturing neue, strategisch relevante Sachgebiete prüfen“,
erklärte Dr. Peter Nagler, Chief Innovation
Officer von Evonik.
„Die Stärken von Evonik beinhalten ein
ausgewogenes Spektrum an Geschäfts­ak­ti­
vitäten und Endmärkten, die enge Zusam­
menarbeit mit den Kunden und eine marktorientierte Forschung und Entwicklung“,
sagte Dr. Bernhard Mohr, Leiter Corporate
Venturing von Evonik. „Dadurch wollen wir
als verlässlicher Partner für unsere VentureInvestments auftreten und deren erfolgreiches Wachstum nicht nur finanziell, sondern
auch mit technischem Know-how und strategischen Erkenntnissen unterstützen. Davon
wollen auch wir profitieren.“
Ne ws 47
Partnerschaft mit der University of Minnesota
Im Rahmen der Veranstaltung Evonik Meets
Science in Pittsburgh (Pennsylvania, USA)
unterzeichnete Evonik eine Vereinbarung mit
der University of Minnesota für die erste strategische Hochschulpartnerschaft des Unter­
nehmens in Nordamerika. Durch die Verein­
barung wird der Konzern ein offizielles Mit­
glied der industriellen Partnerschaft der
Universität zur Forschung in Grenzflächenund Werkstofftechnologie, kurz IPRIME
(Industrial Partnership for Research in Inter­
facial and Materials Engineering).
Die University of Minnesota ist eine der
größten US-amerikanischen Universitäten
und wurde von Evonik aufgrund der hervorragenden Leistungen in ihrer wissenschaft­
lichen und ingenieurtechnischen Forschung
und Lehre als erste Partnerhochschule außerhalb Deutschlands ausgewählt. Diese Part­
nerschaft ermöglicht dem Konzern den
Zu­­gang zu modernsten Forschungsein­rich­
tungen, Technologien und Hochleis­tungs­
geräten. Forschungsuniversitäten wie die
University of Minnesota sind vielversprechende Quellen für innovative Technologien,
spezielles Fachwissen, potenzielle Mitarbeiter
und fruchtbare Forschungsgemeinschaften.
„Die Partnerschaft bietet Evonik nicht nur
den Zugang zu innovativen wissenschaft­
lichen Forschungseinrichtungen, sondern
auch die ausgezeichnete Möglichkeit, talentierte Ingenieure und Wissenschaftler zu fin­
den. Hier liegt auch das Potenzial für neue
Technologien zu den drei bekannten Mega­
trends von Evonik: Ressourceneffizienz,
Gesund­heit und Ernährung sowie Globa­li­
sierung“, so Tom Bates, Regional President
Nord­amerika.
Vier Studiengänge der University of Min­
nesota sind für Evonik von großem Interesse:
Biokatalyse und Biopolymere, Grundlagen
von Beschichtungsprozessen, Mikrostruk­
turierte Polymere und Erneuerbare Rohstoffe
zur Energiege­winnung.
Die Partnerschaft mit der University of
Minnesota passt zum Bestreben des Teams
von Cor­porate Innovation Strategy & Man­
age­ment, die Beziehungen zur US-ameri­ka­
nischen Forschungsgemeinschaft zu stärken
und Evonik systematisch auf der „chemischen
Landkarte“ der Region zu verankern. „Wir
sind sehr stolz darauf, dem IPRIME-Pro­
gramm der University of Minnesota beitreten
zu dürfen, das Zugang zu Forschungs­­pro­
grammen und -gemeinschaften ermöglicht“,
so Dr. Georg Oenbrink, Global Head von
In­­no­­vation Networks & Communications.
Das Team von Corporate Innovation
Strategy & Management wird in der Region
weiterhin nach Universitäten in der Nähe
großer Standorte von Evonik suchen, die eine
enge Verbindung zwischen Chemie, chemischer Verfahrenstechnik und Werkstoffkunde
bieten, und so dabei helfen, Kontakte
zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren
herzustellen.
Die 1851 gegründete University of
Minnesota umfasst fünf verschiedene
Universitätsgelände und beschäftigt
25.000 Mitarbeiter. Derzeit studieren
hier rund 65.000 Studenten
Impressum
Herausgeber
Evonik Industries AG
Corporate Innovation
Strategy & Management
Rellinghauser Straße 1–11
45128 Essen
Wissenschaftlicher Beirat
Dr. Norbert Finke
Corporate Innovation
Strategy & Management
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Redaktion
Dr. Karin Aßmann
(verantwortlich)
Evonik Services GmbH
Konzernredaktion
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