Welchen Einfluss haben staatliche Garantien auf die

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Welchen Einfluss haben staatliche Garantien auf die
Jahrbuch 2006/2007 | Hakenes, Hendrik; Schnabel, Isabel | W elchen Einfluss haben staatliche Garantien auf
die Risikoübernahme von Banken?
Welchen Einfluss haben staatliche Garantien auf die
Risikoübernahme von Banken?
The impact of state guarantees on banks’ risk-taking
Hakenes, Hendrik; Schnabel, Isabel
Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Forscher am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern argumentieren, dass Garantien bei
den staatlich geschützten Banken entgegen der herkömmlichen Sichtw eise nicht unbedingt zu einer
Risikoerhöhung führen. Außerdem w eisen sie auf einen risikosteigernden Effekt von Garantien bei den
Wettbew erberbanken hin. Beide Effekte lassen sich empirisch belegen: Bei den Wettbew erberbanken ist eine
deutliche Risikoerhöhung aufgrund von Garantien zu beobachten, jedoch nicht bei den geschützten Banken.
Summary
Researchers at the Max Planck Institute for Research on Collective Goods argue that, contrary to conventional
w isdom, state guarantees do not necessarily induce higher risk-taking at the protected banks. Furthermore,
they point tow ards a risk-increasing effect of guarantees at the protected banks’ competitors. Empirical
evidence supports both predictions: Protected banks do not take higher risks in reaction to state guarantees.
In contrast, the evidence confirms that competitor banks are driven tow ards higher risk-taking.
In Deutschland gehört fast die Hälfte des Bankensystems dem Staat. Dazu gehören die Landesbanken, die
Sparkassen, die Landesbausparkassen und einige Hypothekenbanken. Dies ging bis vor kurzem einher mit
einer
vollständigen
staatlichen
Garantie
der
Verbindlichkeiten
der
öffentlich-rechtlichen
Banken
(„Gew ährträgerhaftung“) und einer Sicherung des Bestands der einzelnen Institutionen („Anstaltslast“).
Diesen Umstand beklagen die Privatbanken seit Jahren, w eil er den Wettbew erb im Bankensystem zu ihren
Ungunsten verzerre. Tatsächlich hat auch die EU-Kommission die Gew ährträgerhaftung und die Anstaltslast als
unzulässige Beihilfen gemäß Artikel 87, Absatz 1 des EG-Vertrags eingestuft. Die Folge ist ein allmähliches
Auslaufen dieser Garantien seit 2005 bis zum Jahre 2015.
Die wirtschaftspolitische Bedeutung der Garantieübernahme
Auch die w irtschaftsw issenschaftliche Literatur sieht staatliche Garantien für Banken kritisch. Allerdings hat sie
sich bislang w eniger mit dem Einfluss solcher Garantien auf den Wettbew erb als mit ihrem Einfluss auf die
Risiken im Banksektor beschäftigt. Eine erhöhte Risikoübernahme von Banken in Folge staatlicher Garantien
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kann die Stabilität des Bankensystems gefährden. Daher sind die Ausw irkungen staatlicher Garantien auf die
Risikoübernahme von Banken von großer w irtschaftspolitischer Bedeutung.
Das herkömmliche Argument besagt, dass Staatsgarantien die „Marktdisziplin“ schw ächen und somit die
geschützten Banken zu einer übermäßigen Risikoübernahme treiben. Hier w ird der folgende Mechanismus
angenommen: Grundsätzlich können die Gläubiger (also beispielsw eise die Einleger) ihre Bank für zu hohe
Risikoübernahme „bestrafen“, indem sie sich Risiken durch höhere Zinsen kompensieren lassen. Dies macht
die Risikoübernahme aus Sicht der Bank w eniger attraktiv und diszipliniert die Bank in ihrem Risikoverhalten.
Unterliegt die Bank hingegen einer staatlichen Garantie, so müssen die Einleger keine Risikozuschläge
verlangen, da sie das Risiko ja gar nicht selbst tragen, sondern es auf den Staat (das heißt, den Steuerzahler)
abw älzen können. Der disziplinierende Effekt fällt also w eg. Daher hat die Bank einen stärkeren Anreiz, Risiken
einzugehen.
Neben den erw ähnten expliziten Garantien gegenüber öffentlichen Banken, w ie w ir sie in Deutschland kennen,
w erden in der Literatur auch implizite Staatsgarantien diskutiert. Der w ichtigste Fall einer solchen impliziten
Garantie ist das so genannte „Too-big-to-fail“-Phänomen. Hierbei geht es um implizite Garantien gegenüber
großen Banken. Diese entstehen dadurch, dass der Staat sich nicht glaubw ürdig binden kann, eine insolvente
Bank nicht zu unterstützen, w enn aus dem Zusammenbruch dieser Bank große gesamtw irtschaftliche Kosten
entstünden. So erscheint es beispielsw eise in Deutschland unw ahrscheinlich, dass der Staat tatenlos zusähe,
w enn die Deutsche Bank von einer Insolvenz bedroht w äre. Dies w ird auch durch die historische Erfahrung
belegt: In der großen Bankenkrise von 1931, die im Wesentlichen eine Krise der deutschen Großbanken w ar,
erhielten alle vier Großbanken (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft, Darmstädter und Nationalbank,
Dresdner Bank und Commerz- und Privat-Bank) in erheblichem Umfang neues Kapital vom Staat, das die
Insolvenz dieser Banken verhinderte. Die konventionelle Sichtw eise besagt nun, dass die Aussicht auf eine
derartige staatliche Unterstützung diese Banken zu einer erhöhten Übernahme von Risiken bew egt. Dies
erhöht w iederum das Risiko des Eintritts einer Krise.
Die konventionelle Sichtw eise staatlicher Garantien ist in zw eierlei Hinsicht unbefriedigend. Zum einen ist die
Reaktion der geschützten Banken in Form einer Risikoerhöhung keinesw egs zw ingend. Zum anderen w ird
nicht bedacht, dass die Garantien nicht nur die Bank selbst betreffen, sondern über die Interaktionen
zw ischen den Banken auch die Wettbew erberbanken der geschützten Banken. Der zuletzt genannte Punkt
kommt dem in der politischen Diskussion vorgebrachten Argument über Wettbew erbsverzerrungen durch
öffentliche Banken am nächsten. Im Folgenden w erden beide Punkte genauer betrachtet.
Risikoverhalten geschützter Banken
Dem
beschriebenen
„Marktdisziplinierungseffekt“
steht
ein
zw eiter
Effekt
gegenüber,
der
in
die
entgegengesetzte Richtung läuft. W ird eine Bank durch eine Garantie geschützt, so kann man dies als implizite
Subventionierung ihres Geschäfts interpretieren. Die Bank kann sich nun zu günstigeren Konditionen
refinanzieren (zum Beispiel aufgrund besserer Beurteilungen ihrer Kreditw ürdigkeit durch Rating-Agenturen).
Hierdurch w ird das Bankgeschäft für sie profitabler. Dies erhöht die Margen der Bank und damit auch ihren so
genannten charter value (den Gegenw artsw ert der zukünftigen Gew inne). Dies bedeutet aber gleichzeitig,
dass die Bank im Insolvenzfall mehr zu verlieren hat, w eil sie ja dann w eder die heutigen noch die zukünftigen
Margen erw irtschaften kann. Aus diesem Grund führen höhere Margen in der Theorie zu einer geringeren
Risikoneigung bei den Banken.
Möglicherw eise vermeidet eine geschützte Bank eine übermäßige Risikoübernahme auch, um das Privileg des
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Schutzes nicht aufs Spiel zu setzen. Der risikosenkende Effekt staatlicher Garantien steht dem oben
beschriebenen risikosteigernden Effekt gegenüber. Eine eindeutige Aussage über den Zusammenhang
zw ischen Staatsgarantien und Risikoübernahme lässt sich aus Sicht der Theorie also nicht treffen. Welcher
Effekt überw iegt, ist eine empirische Frage.
Risikoverhalten der Wettbewerberbanken
Traditionell argumentierende Ökonomen vernachlässigen außerdem, dass die geschützten Banken im
Wettbew erb mit anderen Banken interagieren. Hieraus ergeben sich w eitere Effekte staatlicher Garantien.
Wenn das Bankgeschäft für geschützte Banken profitabler w ird, so lohnt es sich für sie zu expandieren. Das
führt zu einer Intensivierung des Wettbew erbs um Einlagen und Kreditkunden. Dadurch steigen die
Einlagenzinsen, und die Kreditzinsen sinken. Die Margen der anderen Banken, die nicht auf staatliche
Unterstützung zählen können, verringern sich. Aufgrund des Absinkens der Margen und, damit verbunden, der
charter values, haben diese Banken geringere Anreize, bei ihrer Kreditpolitik vorsichtig zu sein – sie haben
nicht so viel zu verlieren. Gleichzeitig w ird das Geschäft w eniger profitabel, sodass sie ihre Geschäftsvolumina
verringern. Staatsgarantien gegenüber einigen Banken (zum Beispiel öffentlichen Banken oder großen
Banken) erhöhen also tendenziell die Risikoneigung bei den übrigen Banken und gefährden so die Stabilität
des Bankensystems.
Empirische Evidenz
Die oben beschriebenen Effekte lassen sich empirisch belegen. Dazu hat eine Forschergruppe am Max-PlanckInstitut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern mit individuellen Bankbilanzdaten aus dreißig OECD-Ländern
für das Jahr 2003 eine mikroökonometrische Studie durchgeführt. Die Studie versucht zu ermitteln, w ie das
Risikoverhalten einer Bank von der Aussicht, dass sie selbst vom Staat geschützt w ird, und von der Aussicht,
dass andere Banken vom Staat geschützt w erden, beeinflusst w ird.
Das Risikoverhalten w ird durch verschiedene Bilanzkennzahlen gemessen, beispielsw eise durch den Anteil der
Problemkredite an der Bilanzsumme oder durch die Eigenkapitalausstattung. Unterschiede in diesen
Risikomaßen w erden auf Unterschiede in den Unterstützungsw ahrscheinlichkeiten zurückgeführt. Um die
Analyse
von anderen Effekten zu bereinigen, betrachtet man Banken, die
bezüglich verschiedener
Charakteristika ähnlich sind (beispielsw eise hinsichtlich ihrer Größe oder der Konzentration in ihrem
Heimatmarkt), sich aber in der Unterstützungsw ahrscheinlichkeit unterscheiden. Ähnlich verfährt man bei der
Bestimmung des Effektes des Schutzes für andere Banken.
W ie w erden nun aber diese Unterstützungsw ahrscheinlichkeiten bestimmt? Explizite Garantien, w ie sie bei
öffentlichen Banken bestehen, lassen sich in der Regel aus der Eigentümerstruktur der Banken ableiten.
Implizite Garantien lassen sich hingegen nicht unmittelbar beobachten. Die Forscher nutzen den Umstand,
dass eine der großen Ratingagenturen (Fitch/IBCA) so genannte „Support-Ratings“ veröffentlicht. Diese geben
auf einer Skala von 1 bis 5 an, für w ie w ahrscheinlich die Ratingagentur eine Unterstützung der Bank hält,
sollte diese in eine Problemsituation geraten. Die Ratings können in Unterstützungsw ahrscheinlichkeiten für
die einzelnen Banken übersetzt w erden.
Als Maß für die Aussicht, dass andere Banken vom Staat geschützt w erden, dient ein mit Marktanteilen
gew ichteter Durchschnitt dieser individuellen Unterstützungsw ahrscheinlichkeiten für das betreffende Land.
Für Deutschland ergibt sich hier ein Wert von 77 Prozent. Grob gesprochen heißt das, dass die Rating-Agentur
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bei 77 Prozent der Banken (gemessen an der Bilanzsumme) mit einer Unterstützung rechnet, nicht nur bei den
48 Prozent, die auf die öffentlichen Banken (im Wesentlichen Sparkassen und Landesbanken) entfallen. Die
Differenz erklärt sich aus vermuteten impliziten Garantien, zum Beispiel der Erw artung, dass der Staat die
Deutsche Bank nicht untergehen lassen w ird. In den USA beträgt der entsprechende Wert nur 37 Prozent.
Dieser ergibt sich vollständig aus impliziten Garantien.
Die ökonometrische Analyse zeigt, dass staatliche Garantien – entgegen der herkömmlichen Meinung – bei
den geschützten Banken keine Risikoerhöhung zur Folge haben. Ganz im Gegenteil deuten die Ergebnisse
sogar eher darauf hin, dass geschützte Banken w eniger Risiken übernehmen. Andererseits scheinen die
Garantien bei den übrigen Banken durchaus zu einer Risikoerhöhung zu führen. Je höher die durchschnittliche
Unterstützungsw ahrscheinlichkeit in einem Land ist, desto mehr Risiken übernehmen die Banken in diesem
Land.
Politische Implikationen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Staatsgarantien tatsächlich die Stabilität des Bankensystems
beeinträchtigen können, indem sie die Risikoübernahme der Banken erhöhen. Der Grund liegt allerdings nicht
in einer Risikoerhöhung der geschützten Banken. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Wettbew erberbanken
der geschützten Banken durch den verschärften W ettbew erb dazu getrieben w erden, ihr Risiko zu erhöhen.
Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass die Effekte nicht allein von expliziten Garantien (w ie bei öffentlichen
Banken) ausgehen. Implizite Garantien gegenüber Banken, die beispielsw eise „too big to fail“ sind, können
dieselben Ausw irkungen haben. Insofern beschreiben die Klagen der privaten deutschen Banken – und
insbesondere der Großbanken – nur die halbe Wahrheit. Zw ar scheint es zuzutreffen, dass Garantien
gegenüber
öffentlichen
Banken
zu
einer
Wettbew erbsverzerrung
führen,
doch
gibt
es
ähnliche
Wettbew erbsverzerrungen auch durch die Präsenz großer Bankkonglomerate. Im Gegensatz zu expliziten
Garantien lassen sich implizite Garantien jedoch nicht durch Gesetzesänderungen beseitigen.
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[1] R. Gropp, H. Hakenes, I. Schnabel:
Competition, Risk-Shifting, and Bail-out Policies.
W orking Paper, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn, 2006.
[2] H. Hakenes, I. Schnabel:
Banks without Parachutes – Competitive Effects of Government Bail-out Policies.
Preprint No. 2004-12, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn, 2004.
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