Infrastruktur São Paulo: Vision impossible?

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Infrastruktur São Paulo: Vision impossible?
The Audi Urban Future Initiative
Infrastruktur São Paulo: Vision
impossible?
Neue Dimensionen der Hoffnung
In den Nachrichten von São Paulo sind Verkehrsthemen allgegenwärtig: Die E rhöhung der Buspreise, die zu Demonstrationen führte, ein Gerichtsverfahren zu
einem ungeklärten Flugzeugabsturz und neue Infrastrukturprojekte, wie beispielsweise die Ring-Autobahn „Mario Covas Beltway“, die die Stadt Millionen
kostet. Und so mancher munkelt, dass die Stadt nicht rechtzeitig bereit sein wird
– weder für die WM 2014, noch für die Ausrichtung der Olympiade 2016 oder
selbst für die Zukunft der der stetig wachsenden Bevölkerung der Metropole al lgemein. Die elementaren Probleme dieser Megacity fordern visionäres Denkvermögen – erste Anstöße gab das weltweit anerkannte Architekturbüro Urban
Think Tank im Rahmen des Audi Urban Future Award 2012.
Die Massenproteste begannen im Juni und haben die Welt darauf aufmerksam
gemacht, was den Menschen in São Paulo schon länger das Leben erschwert:
Schlimme Zustände und überhöhte Preise prägen den öffentlichen Verkehr der
brasilianischen Metropole. Die Situation zeigt auf, wie wichtig Mobilitätssyst eme nicht nur für Transportlösungen, sondern auch für die soziale Infrastruktur
einer Stadt sind. Dass Verkehr eben gerade in São Paulo für seine Einwohner eine so wichtige Rolle spielt, wundert eigentlich niemanden: Es ist die größte Stadt
des Landes, das wirtschaftliche Zentrum und gleichzeitig der bedeutendste Ve rkehrsknotenpunkt Brasiliens. Der Großraum um die Megacity gilt als siebtgrö ßtes Ballungsgebiet der Erde und ist mit etwa 12 Millionen Einwohnern auf einer
Fläche von 1523 Quadratkilometern die am dichtesten besiedelte Stadt auf der
Südhalbkugel. Im gesamten Ballungsraum São Paulo leben geschätzt 21,6 Mill ionen Menschen, die sich auf einer Fläche von 7944 Quadratkilometern befinden
– und sie müssen alles tagtäglich mobil sein.
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Die brasilianische Metropole São Paulo ist Heimat für rund 12 Millionen Menschen, im gesamten Ballungsg ebiet sind es etwa 21,6 Millionen. © Martin Lewicki
Im 19. und 20. Jahrhundert wuchs São Paulo sehr schnell, was viele strukturelle
Probleme mit sich brachte: Armenviertel, Kriminalität und dauerhaft verstopfte
Straßen. Es wird geschätzt, dass auf den Straßen von São Paulo etwa ein Viertel
des gesamten brasilianischen Autoverkehrs fährt. Pendler stehen hier im Durchschnitt zweieinhalb Stunden täglich im Stau. Kein Wunder also, dass die, die es
sich leisten können einen Ausweg suchen. Und sie haben ihn gefunden: Typisch
für São Paulos Verkehrsbild sind die Helikopter. Die Stadt verfügt über das dichteste Helikopternetz der Welt.
Die brasilianische Regierung unter Präsidentin Dilma Rouseff hat mittlerweile
reagiert. Gerade erst sicherte sie vier Milliarden US-Dollar für den Ausbau von
Transportwegen, dem Abwassersystem und den sozialen Wohnungsbau in São
Paulo genehmigt. Davon sollen etwa 1,5 Milliarden US-Dollar rein für Verkehrssysteme verwendet werden – besonders für den Ausbau der Straßen um extra
Fahrspuren für Express-Busse. Es bleibt abzuwarten, ob sich damit etwas an der
schwierigen Situation für die Mobilität der Bevölkerung ändert. Eine Herkule saufgabe, bei der sich die Frage stellt: Ist das überhaupt zu schaffen?
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In São Paulo sind in Sachen Mobilität innovative Antworten gefragt, um den g ering verfügbaren Platz nutzen zu können. Solche Antworten zu finden, diese
Aufgabe haben sich Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner von Urban
Think Tank beim Audi Urban Future Award 2012 gestellt. In ihrer Vision des
Projekts Urban Parangolé wird der urbane Verkehr zukünftig von interaktiven
Instrumenten geprägt, die die Menschen zusammenbringen. Das Verkehrssystem
der Stadt wird zu einer multidimensionalen Verkehrslandschaft, die öffentliche
mit individueller und geteilter Mobilität verbindet: Metro, Cable Cars, kleinformatige Drohnen, Elektroautos, Fahrräder, Helikopter und Motorräder. Das System ist sowohl horizontal, wie diagonal ausgelegt und nutzt somit ungenutzte
Flächen im Zentrum der Stadt optimal aus. So können zum Beispiel öffentliche
Plätze in kürzester Zeit genau zu dem Zweck umgewandelt werden, der gerade
am dringendsten gebraucht wird. Das entscheidende Element dabei ist die Ko mmunikation. Apps für mobile Endgeräte werden den Anwohnern optimale Verkehrsrouten aufzeigen und die soziale Interaktion ermöglichen. Ideen gegen den
täglichen Verkehrskollaps gibt es also durchaus. Doch was hat sich seit dem Award in São Paulo getan?
Kaum zu glauben: Die Zukunft eines Elendviertels in São Paulo könnte so aussehen. Geplant von Urban Think
Tank soll dieser Gebäudekomplex bereits Anfang 2014 realisiert werden. © Urban Think Tank press
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Tatsächlich wird zurzeit ein zentrales Projekt aus der Feder des Architekturbüros
im Südwesten von São Paulo umgesetzt: Das „Centro de Acçao Social por Música“ in Grotão, Paraisópolis, dem zweitgrößten Slum der Stadt. Das ganze Quartier ist typisch für die Favelas, die Armenviertel der Metropole. Die Regierung
hat sich weitgehend zurückgezogen. Hier regieren Banden und nicht selten das
blanke Chaos. Etwa 80,000 Menschen leben auf einem Quadratkilometer. Es ist
ein Elendsviertel ohne soziale Infrastruktur, ohne öffentlich genutzte Plätze, o hne wirtschaftliche Zukunft und ohne Verkehrssystem. Mit den Plänen von Urban
Think Tank soll sich das ändern: "Das „Centro de Acçao Social por Música“ in
Grotão, Paraisópolis, ist ein Beispiel für einen multifunktionalen Hub, ein Ve rkehrsknotenpunkt im größerem Rahmen des Projekts Urban Parangolé, das beim
Audi Urban Future Award 2012 präsentiert wurde“, sagt Urban Think Tank.
Momentan befinden sich die Architekten in der letzten Phase bei der Erstellung
der Designs, Anfang 2014 soll dann mit dem Bau begonnen werden, so das Architekturbüro.
Eine grüne Insel namens „Centro de Acçao Social por Música“ soll inmitten eines großen Elendsvier tels in
Grotão entstehen. © Urban Think Tank press
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Anders als bei vielen anderen Projekten in der Megacity São Paulo sollen in Paraisópolis die Bedürfnisse der Einwohner von Beginn an einbezogen werden.
Dabei geht es weniger um die Grundversorgung der Menschen mit sauberem
Wasser oder Strom. Diese grundlegenden Dinge gehören natürlich zu den drängendsten Problemen. Vielmehr stehen die sozialen Aspekte im Vordergrund. Es
geht um Kommunikation und Interaktion. „Das Projekt schafft direkte Formen
des sozialen und kulturellen Austauschs, während es zugleich als Mittel neuer
Formen von Vernetzung mit der umliegenden Umgebung dient“, sagt Urban
Think Tank. „Insgesamt besteht es aus stufig angelegten Grünflächen, Sportanlagen, Bildungseinrichtungen, einer Musikschule und einem Gemeindezentrum.
Diese sind alle in einem Gebäudekomplex zusammengeschlossen und in einen
neuen Verkehrsknotenpunkt integriert.“
Der Ort des Geschehens: Links das Viertel Grotão aktuell und rechts die Visualisierung der Idee des „Centro de
Acçao Social por Música“. So soll die Lebensqualität im Elendsviertel gesteigert werden. © Urban Think Tank
press
Durch die stufige Anlage ist nicht nur Schutz vor Erosion und lokaltypischen
Erdrutschen gegeben. Die Mehrdimensionalität wurde auch aus Platzgründen,
sowie für die Verkehrsanbindung und das soziale Leben geschaffen. Fahrstuh lsysteme erleichtern den Wechsel zwischen den Etagen des Multifunktionsgebäudes. Dabei übertrifft das Projekt mit Solarmodulen, Wasserspeichern und anderen
Einrichtungen sogar alle neuen Anforderungen der Stadt an die Nachhaltigkeit
von Neubauten.
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Das Projekt „Centro de Acçao Social por Música“ lädt zum Umdenken ein. Es
verspricht Besserung in einem Stadtteil, wo die Hoffnung auf die Zukunft oft das
einzige ist, was die Menschen haben und diese in der Regel enttäuscht wird. Obwohl auch Teile der Einwohner umsiedeln müssten sind die Menschen für die
Vision von Urban Think Tank offen: „Das Projekt bekommt die volle Unterstützung, sowohl vom Bürgermeister, wie auch von den lokalen Bürgern selbst.“
Und wer weiß, ob dieser Prototyp nur der Anfang ist? Vielleicht verändert sich
bald wirklich etwas in der brasilianischen Metropole São Paulo. Es wäre endlich
etwas mehr als nur die Hoffnung, selbst wenn das Projekt erst nach der Fußball Weltmeisterschaft fertig werden würde.
Nachhaltigkeit steht im Vordergrund: Die Grafik zeigt die Anlage im Detail . © Urban Think Tank press
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