Erfahrungsberichte aus Sicht des Sachverständigen

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Erfahrungsberichte aus Sicht des Sachverständigen
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Erfahrungsberichte aus Sicht des Sachverständigen
Handwerkskammer für München und Oberbayern
Schimmel in Gebäuden; Ursachen und Abhilfen
Erfahrungsberichte
aus Sicht des
Sachverständigen
Christoph J.Gebler
Dipl. Ing.
Büro für Bauphysik
Säulenmanufaktur Gebler GmbH
Pforzen-Ingenried
Informationsveranstaltung Ingolstadt 17.11.2009
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Erfahrungsberichte aus Sicht des Sachverständigen
„Aussatz an Häusern“ aus dem „Dritten Buch Mose“ Kap. 14 Verse 33-48
So soll der Priester das Haus begehen und besehen und wenn er an der Wand
grünliche oder rötliche Stellen vorfindet, die tiefer zu liegen scheinen als die
Wandfläche, soll er das Haus verschließen. Am siebten Tage komme der Priester
wieder und wenn er der Meinung ist, dass sich der Befall ausbreitet so ordne er an,
die Steine auszubrechen und hinaus vor die Stadt, an einen unreinen Ort schütten......
Der Priester ist aktuell der Sachverständige, mit den „Bunten Stellen“ sind Pilze
gemeint, Der Verschluss des Hauses bedeutet die Baustellen Stilllegung, der Abbruch
Sanierung und der unreine Ort die Deponie.
Soviel zur Auslegung des Alten Testaments....
1. Einleitung
Wie der obenerwähnten Bibelstelle zu entnehmen ist, ist Schimmel ist kein Problem der
Neuzeit. Eine Aussage, ob allgemein die Häufigkeit von Schimmel in Wohnräumen
zunimmt, lässt sich nur vermuten. In jedem Fall ist eine deutliche Sensibilisierung von
Hausbesitzern und Wohnungsinhabern gegenüber Schimmelpilzen in Wohnräumen
festzustellen. Diese Sensibilität beruht einerseits auf der Zunahme von allergischen
Erkrankungen und andererseits auf dem gestiegenen Bewusstsein für gesunde
Wohnqualität.
Die bauphysikalischen Ursachen wurden bereits im Beitrag des Vorredners
angesprochen.
Im Folgenden soll deshalb auf die Hauptursachen für die Entstehung von
Schimmelpilzen in Wohnräumen eingegangen werden. Ein zweiter Teil befasst sich mit
der Rechtlichen Situation von Mieter und Vermieter.
2. Schimmelpilzbefall in Wohnräumen
Nach dem 3. Bauschadenbericht der Bundesregierung von 1996 stellen
Schimmelpilzprobleme in Zusammenhang mit dem Austausch alter, einfach verglaster,
fugenundichter Fenster gegen isolierverglaste Fenster das häufigste Schadensbild nach
Sanierungsmaßnahmen dar. Demnach führen ca.13% aller Fensteraustauschfälle offenbar
zu einem Schimmelpilzbefall.
Bei einer bundesweiten Befragung des Bremer Energie Instituts 1996 gaben 85% der
Wohnungsunternehmen an, dass in ihrem Wohnungsbestand aktuell Schimmelpilzprobleme existieren, und zwar in 10% ihrer Wohnungen.
In den letzten 20 Jahren haben sich Bauschäden durch Schimmelbefall vor allem im
modernisierten Altbaubestand nach wissenschaftlichen Untersuchungen aus NordrheinWestfalen versechsfacht.
Eine laufende Studie des Instituts für Biologie, Bauen und Umwelt (Düsseldorf) geht davon
aus, dass bis zu 40% der Haushalte in Nordrhein-Westfalen sogenannte versteckte
Schimmelschäden aufweisen könnten.
Insbesondere die große bundesweite, repräsentative Wohnungsstudie von 2002, die von
der Uniklinik Jena zusammen mit der TU Berlin und der TU Dresden durchgeführt wurde,
konnte zu dieser Thematik weitere Erkenntnisse liefern. So wurden in 9,3% der 5.530
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zufällig ausgewählten Wohnungen Schimmelpilzschäden festgestellt. Sichtbare
Feuchtigkeitsschäden (Feuchtefleck, Stockfleck, Schimmel) wurden sogar in 21,9% der
untersuchten Wohnungen ermittelt.
Auch der hohe Stellenwert der Thematik in den umwelthygienischen Beratungsangeboten
von Gesundheitsämtern weist auf eine bedeutende Verbreitung von Feuchtigkeits- und
Schimmelproblemen in Wohnräumen hin. (Dies jedenfalls zeigt eine Erfassung von
Gesundheitsbeschwerden in Brandenburg Diagramm 1)
Sonstige
Ortstermine
Diagramm 1)
Vereinbarte Ortstermine im Land Brandenburg im Zusammenhang mit Schimmel in Wohnräumen
Wo liegen aber nun die Hauptursachen für die Schimmelbildung?
Als Hauptursachen gelten:
Tauwasserprobleme infolge
mangelhafter Wärmedämmung;
Zu hohe rel. Luftfeuchte infolge
unsachgemäßer Lüftung;
Zu hohe rel. Luftfeuchte infolge
Luftdichter Gebäudehülle;
Zu hohe Luftfeuchte (Baufeuchte
bei Bezug)
Baumängel die auf Wärmebrücken
zurückzuführen sind;
Ungünstige Möblierung
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Wachstumshäufigkeit von Schimmelpilzen innerhalb der Wohnung Diagramm 1);2)
Diagramm 2) Häufigkeit von Schimmelpilzen in
unterschiedlichen Räumen
Diagramm 3) Verteilung innerhalb der Räume
Erläuterungen zu den oben stehenden Diagrammen:
Außenwandecke: Aufgrund der Verdichtung des Wärmeflusses ergibt sich
besonders im Bereich Außenwandecke -Decke eine Reduzierung der
Innenoberflächentemperatur, was unter best. Bedingungen zu Pilzwachstum führen
kann. Diese Stellen werden als geometrische Wärmebrücken bezeichnet.
Anschluss Dach –Wand: Besonders bei Gebäuden aus den 60er und 70er Jahren
wurde bei der Außendämmung der Kniestockes häufig gespart. Die gute
Wärmeleitfähigkeit des betonierten Kniestocks und die somit reduzierte
Innenoberflächentemperatur kann zu Problemen führen.
Sockelbereich: Randdämmung der Bodenplatte fehlt oder ist zu gering
dimensioniert. Bei Fertighäusern und Holzbauten kommt es an diesen Stellen häufig
zu Wärmebrücken infolge mangelnder Luftdichte.
Fensterstürze und Laibungen: Schwächung der Außenwand, Rollladenkasten oder
betonierter Fenstersturz. Wärmebrücken bzw. Leckagen.
Möblierung: Besonders an den Außenwänden wird durch das Aufstellen von
Möbeln die Luftzirkulation vermindert oder verhindert. Das Möbelstück wirkt wie eine
Innendämmung. Die Oberflächentemperatur hinter dem Schrank sinkt.
Zum Thema Wandabstände von Möbeln existieren zwischenzeitlich zahlreiche
Gerichtsurteile, deren Behandlung den Rahmen dieser Ausführungen sprengen
würde.
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In jedem der oben genannten Fälle werden die Innenoberflächentemperaturen in
Wohnräumen derart reduziert, dass die Taupunkttemperaturen unterschritten
werden. Durch die Entstehung von Kondenswasser und der somit bedingten
Auffeuchtung der Innenwandoberfläche, ist eine Voraussetzung für Pilzwachstum
gegeben.
3. Rechtliche Situation – Wer hat Schuld
Der Vermieter ist grundsätzlich verpflichtet, die Mietsache in einwandfreiem , also
nicht gesundheitsgefährdenden Zustand zu überlassen.
Der Mieter ist zum situationsgerechten Heizen und Lüften verpflichtet.
Wodurch ist nun aber im konkreten Fall der Schimmelpilzbefall verursacht?
durch bauliche oder sonstige Mängel?
durch nicht situationsgerechtes heizen und lüften?
Die Sicht des Mieters;
Der Schimmel tritt auf, obgleich der Mieter, nach seiner Einschätzung, richtig lüftet.
Der Mieter macht eine schriftliche Mängelanzeige einschließlich Frist zur
Schadensbeseitigung und Ankündigung einer Mietminderung.
Der Vermieter wird dem Mieter in den meisten Fällen nicht situationsgerechtes Heizen und
Lüften vorwerfen. Es kommt zum Streit bis zur gerichtlichen Auseinandersetzung.
Die Sicht des Vermieters;
Es ist die Pflicht des Vermieters, die Mietsache in einwandfreiem, nicht
gesundheitsgefährdendem Zustand zu überlassen. Auf evtl. Mängel oder Problembereiche
ist bei Vertragsbeginn schriftlich hinzuweisen. Der Mieter ist über richtiges Heizen und
Lüften aufzuklären. Nach baulichen Veränderungen, z.B neue Isolierglasfenster, ist der
Vermieter verpflichtet, den Mieter auf die veränderte Situation und somit auf die nunmehr
veränderte situationsgerechte Beheizung und Lüftung hinzuweisen.
Besteht seitens des Vermieters der Verdacht, dass falsches Heizen und Lüften die Ursache
für die Schimmelbildung ist, ist der Mieter schriftlich zur Behebung des Mangels
aufzufordern. Gleichzeitig kann die Vertragskündigung bei fortgesetztem vertragswidrigem
Verhalten angedroht werden.
Klärung der Schuldfrage;
Die Praxis zeigt immer wieder langwierige und kostspielige Auseinandersetzungen
außergerichtlich oder gerichtlich. Bei derartigen Verfahren werden oftmals mehrere
Gutachter eingeschaltet.
Als Leitfaden bei derartigen Auseinandersetzungen wird folgendes empfohlen:
Das Vorliegen eines Mangels muss der Mieter beweisen ( unproblematisch
wenn Schimmel vorliegt).
Der Vermieter muss nachweisen, dass der Schaden nicht auf einen
Baumangel (fehlende Wärmedämmung, Wärmebrücken) zurückzuführen ist.
Steht fest, dass weder ein Baumangel besteht, noch sonst irgendwelche
mangelhaften Bauteile (Fenster, Türen, Heizung...) zur der Auffeuchtung
beigetragen hat, steht erneut der Mieter unter Beweiszwang.
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Der Mieter muss nun nachweisen wie oft und wie lange er gelüftet hat, wie
sein Heizverhalten aussieht, und dass die Aufstellung seiner Möbel keinen
Einfluss auf den Mangel hat.
Was ist denn nun situationsgerechtes Heizen und Lüften?
Situationsgerecht ist immer dann, wenn unabhängig von der Anzahl der Bewohner, der
Wohnungsausstattung (Pflanzen...) der Wohnungsnutzung (Waschen Duschen...) die
relative Luftfeuchte im Mittel nicht über 50- 60% steigt. Wobei Werte über 60% nicht länger
als 60 min auftreten sollten. Bei der Heizung ist im Mittel ein Wert von 19-20°C für
Wohnräume anzustreben.
Es besteht jedoch kein Heizzwang. D.h. Schlafräume brauchen nicht geheizt werden.
Allerdings ist darauf zu achten, dass auch hier die relative Luftfeuchte in den angegebenen
Werten liegt. Auf Grund der geringeren Raumtemperatur bedeutet in diesem Fall
„situationsgerecht“ möglicherweise öfter Lüften.
Die beiden folgenden Tabellen geben Anhaltspunkte zur Feuchteentwicklung und Lüftung..
Tabelle1 gibt Hinweise zum Lüftungsverhalten
Tabelle1) Luftwechselraten in Abhängigkeit von der Fensterstellung
Tabelle 2 Feuchteentstehung in Wohnräumen durch Nutzung
Emittent
Art
Emission in g/h
leichte Aktivität
30 - 60
mittelschwere Arbeit
120 - 200
schwere Arbeit
200 - 300
Bad
Wannenbad
ca. 700
Küche
Duschen
Koch- und Arbeitsvorgänge
ca. 2600
600 - 1200
Mensch
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Wäsche
freie Wasseroberfläche
Tabelle 2) Feuchteeintrag in Wohnräume
Zimmerblumen
5 - 10
Topfpflanzen
7 - 15
mittelgroßer Gummibaum
10 - 20
Wasserpflanzen
6-8
4,5 kg geschleudert
50 - 200
4,5 kg tropfnass
100 - 500
pro m²
ca.40g/m²