MIR NACH! - Politikorange
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MIR NACH! - Politikorange
»Sozial?« »Parteitagshausen« »Fürs Leben« Auf der Suche nach dem sozialen Gewissen der CDU. 3 Beobachtungen aus der Stadt von 1001 Delegierten. 8 politikorange-Gespräch mit JUChef Philipp Mißfelder. 11 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig Zeitung zum CDU-Bundesparteitag politik orange MIR NACH ! Ohne große Aufregung vollzieht die CDU in Leipzig die Kehrtwende in der Steuerund Sozialpolitik. Von Eva Kopytto und Hans Heyn >> Neuer Kurs: Unter Angela Merkels Regie schnürte die CDU in Leipzig das größte Reformpaket ihrer Geschichte. Als Norbert Blüm das Podium betrat, wehte ein letzter Hauch von Sozialdemokratie durch die Messehalle 2 in Leipzig. Die Delegierten fröstelten. Ihm, dem früher die sozialen Herzen der Partei zuflogen, dem Ovationen vertraut waren, plätscherte spärlicher Applaus entgegen. Seine „RambaZamba“-Rede gegen Merkel, Merz und Herzog bildete den Höhepunkt, den Gipfel des Spannungbogens des 17. CDU-Parteitags nach der Wende. Nein, spannend war er nicht der Leipziger CDU-Parteitag. Zu keiner Zeit deutete sich eine wirkliche Kontroverse, ein Bruch in der Parteitagsregie an. Abwinken und nach Hause fahren, zwischendurch ein paar Häppchen und ein sächsisches Pils. Das war‘s. Sagen auch Kenner der Partei. Gerhard Pfeffermann, ehemalige Staatssekretär im Bundespostministerium mit einer Erfahrung von weit über dreißig Parteitagen, meinte: „Spannend ist der Parteitag nicht, aber entscheidend.“ Entscheidend war er wirklich. Für die Union und vielleicht auch für Deutschland, sollte die CDU 2006 die Regierung Schröder ablösen können. Der Parteitag zählt zu den bedeutendsten in der CDU-Geschichte. Mit ihm vollzieht die Partei die große Kehrtwende in der Steuergesetzgebung sowie der Gesundheits- und Sozialpolitik. Mit den Beschlüssen der CDU und der Agenda 2010 der SPD marschieren die beiden großen Parteien nun auf unterschiedlichen Wegen in dieselbe Richtung, die, so fürchten nicht wenige, zum Ende des Sozialstaats führt. Die CDU-Führung sieht das anders und setzt bewusst auf Eigenverantwortung der Bürger. Seit dem Parteitag wird sie von der Christlichen Demokratischen Arbeitnehmerschaft unterstützt, die es nach eigener Aussage geschafft hat, die Herzog-Vorschläge soweit abzumildern, dass die >> Eisiger Wind: Bei Norbert Blüms Rede sozial Schwachen nicht fröstelten die Delegierten. benachteiligt werden. Niemand soll mehr als 15 Prozent vor der Union. Das wissen auch die seines Bruttolohnes für die Gesund- Delegierten. Eher mechanisch als heit aufbringen müssen. Wie das enthusiastisch winkten sie Hunderte die CDU finanzieren will, hat sie in von Reformanträgen durch. Für viele war es ein Arbeitsparteitag, für Angela Leipzig nicht verraten. Doch die Zahlen interessieren nicht, Merkel „das größte und umfassendwenn es, so zumindest der Reformer ste Reformpaket“, das die CDU je Friedrich Merz, um ein „Ende der geschnürt hat. Ein Reformpaket, das Vollkasko-Mentalität“ und einen ebenso notwendig wie richtungwei„grundlegenden Mentalitätswechsel“ send ist. Und für Norbert Blüm war es wahrgeht. Die Junge Union folgt im Gleichschritt und lobt gerne das scheinlich der letzte große Auftritt auf Prämienmodell, wenn Herr Merz im einem CDU-Parteitag. Spektakulärer wäre sein Abgang nur gewesen, hätte Raum ist. Das Tor ist zwar auf diesem Partei- er beim Sachsenabend noch auf der tag geöffnet worden, aber der lange Tanzfläche zu „Killing me softly“ Weg der Umsetzung liegt erst noch seinen Abschied getanzt. 02 konzentrat politik orange saftig Ungewöhnliche Geständnisse am Rande des CDU-Parteitags: Peter Hintze will in Zukunft weniger Lebkuchen essen. Auch Roland Koch gibt zu, dass er schlanker werden muss. Laurenz Meyer weiß, dass er mit dem Rauchen aufhören sollte. Und Jürgen Rüttgers braucht noch ein Dreivierteljahr, um endlich fünf Lampen und ein Brett im Badezimmer anzubringen. Manchmal muss man einfach nur die richtigen Fragen stellen, dann geraten die Politiker ins Plaudern. Offenbar den Nerv getroffen haben die 20 jungen Medienmacher, die auf dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig eine Jugendpresselounge veranstalteten. „Was muss bei Ihnen zuhause reformiert werden?“ wollten die 15- bis 25-Jährigen in ihrer Umfrage wissen - und erhielten die zitierten, offenherzigen Antworten. Den jungen Redakteuren aus ganz Deutschland ging es aber nicht nur darum, private Einsichten zu gewinnen - sie wollten vor allem einen Parteitag einmal live vor Ort erleben, wollten die politischen Themen besser verstehen, um sie dann journalistisch bearbeiten zu können. „politikorange“ heißt die Veranstaltungszeitung der jungen Redakteure für (nicht nur) junge Leser, die in einer Auflage von 20.000 Stück erschienen ist und an Interessierte - vor allem Schülerzeitungsredakteure - in der ganzen Republik verschickt wurde. Organisiert hat diese Jugendpresselounge die Jugendpresse Deutschland in Kooperation mit der Pressestelle der CDU, der Journalistenakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Jungen Union. Die Institution der Jugendpresselounge ist jedoch überparteilich. So wurde auch auf dem SPD-Parteitag in Bochum und auf der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen eine Lounge erfolgreich organisiert. Die Redaktion konnte deshalb auch unabhängig arbeiten und ihre eigene, jugendlich kritische Herangehensweise an den Parteitag finden (eine Auswahl der politikorange-Artikel ist auch unter http:// cdu.yaez.de nachzulesen). So suchte Jan Hendrik Peters das soziale Gewissen der CDU und fand den Slogan: „Sozial ist, was Arbeit schafft!“ So musste Hans Heyn feststellen, dass der Kinderhort auf dem CDUParteitag weitgehend ungenutzt ist. Tobias Hentze versuchte, die Gesundheitsprämie zu verstehen. Und Stefanie Blohmer traf die Les- ben- und Schwulenunion, die erstmals auf einem Bundesparteitag mit einem eigenen Stand vertreten war. In der Jugendpresselounge - einem großen Redaktionsraum in der Pressehalle - fanden sich auch pro- minente Politiker zum Interview ein. JU-Chef Philipp Mißfelder forderte Chancengleichheit für seine Generation und erfuhr anschließend aus dem Munde von Friedrich Merz, dass der doch relativ wenig Angst vor der Jungen Union hat - vermutlich, weil er selbst mal drin war. Mehr Infos sind unter www.jugendpresse.de und www.politikorange.de zu finden. multivitamin 03 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig ANGIE IM CHE GUEVARA-SHIRT Jan Hendrik Peters sucht das soziale Gewissen der CDU >> Auf der Suche nach dem sozialen Gewissen der CDU: Vielleicht versteckt es sich unter der Treppe (links), vielleicht in der Mülltonne (oben), vielleicht findet es sich auch bei der Suchmaschine google. Der Ort: Leipzig Die Zeit: 1./2. Dezember 2003 Die Aufgabe: Finde das soziale Gewissen der CDU! Gesagt, getan. Aber wo soll ich zuerst suchen? Am besten, ich frag erstmal `n paar Lobbyisten und Delegierte. Sehr sinnvoll das Ganze. Die tun gerade so, als ob sie noch nie was vom sozialen Gewissen der CDU gehört hätten! Sie denken teilweise sogar, ich wollte sie veräppeln. Ist die Frage wirklich so abwegig? Vielleicht kann mir der Typ am Infostand der CDU weiterhelfen. Auf meine Frage, wo ich das soziale Gewissen finde, drückt er mir `n leeren Block in die Hand. „Dadrin“ sei es, sagt er mir. In `nem leeren Block. Also mit Geheimtinte geschrieben, unsichtbar für harmlose Nachwuchsjournalisten? Sicher. Das Gewissen muss doch hier irgendwo auf dem Parteitag sein! Also suche ich weiter. Im Namen der Presse. Für die Allgemeinheit. Für eine bessere Welt. Ja, wir sind schon toll, wir Journalisten. Ist es vielleicht bei der CDA? Am Stand angekommen, werd ich zunächst schief angeguckt. OK, ich trag keinen Anzug, sondern `nen roten Pullover, aber bin ich deswegen gleich verdächtig? Ich stell meine Frage. Eine einzige, harmlose Frage. Der Lohn ist ein halbstündiger Vortrag über Sozialpolitik. Das für mich Relevante lässt sich dabei auf einen Satz reduzieren: Die CDA selbst und Nobbi Blüm sind soziales Gewissen der CDU! Sind das schon alle? Nein, weit gefehlt. Laut Pressestelle ist der ganze CDU-Vorstand soziales Gewissen. Der Delegierte Jochen-Konrad Fromme fasst das Ganze noch ein ganz klein wenig weiter. Auf meine Frage nach dem sozialen Gewissen drückt er mir ein Büchlein mit sämtlichen Bundestagsabgeordneten in die Hand. Der ganze Bundestag also soziales Gewissen der CDU. Ach so. Klar. Petra Pau soziales Gewissen der CDU. Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen? Hier auf dem Parteitag scheint alles und jeder ein ausgeprägtes soziales Gewissen zu haben. Man munkelt, sogar Friedrich Merz hätte eins. Was sagen Sie? Ich soll nicht so übertreiben? Okay, okay, ich seh‘s ja ein. Aufgrund meiner Recherche frag‘ ich mich allerdings, warum das neue Logo der CDU orange und nicht knallrot ist - so sozial wie hier alle drauf sind... Angie im Che-Guevara-Shirt, das wär doch mal was... Was? Sie wollen wissen, was „sozial“ überhaupt ist? Also wirklich, schämen Sie sich! Das wird doch alle Nase lang verkündet! Sozial ist, was Arbeit schafft! Sprayer müssten nach dieser Definition absolut sozial veranlagt sein. Es ist schließlich extrem arbeitsaufwändig, die Graffitis wieder zu entfernen. Der Ruf nach weniger Bürokratie hingegen ist demnach absolut ungerechtfertigt. Im Gegenteil, mehr Bürokratie brauchen wir! Die Rechnung ist doch ganz einfach: Je mehr Bürokratie, desto weniger blickt der einzelne durch. Da er aber auf viele Sachen angewiesen ist, bedarf es Sachverständiger, die ihm bei diversen Anträgen, Erklärungen usw. helfen. Je mehr Sachverständige, desto mehr Arbeitsplätze. Ergo: je mehr Bürokratie, desto mehr Arbeitsplätze. In Sachen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind Politiker im übrigen Vorbild. In diversen, oft sinnlosen Kommissionen beschäftigen sie sich immer wieder selbst und rechtfertigen so ihr Gehalt. Doch ich schweife schon wieder ab. Thema ist ja das soziale Gewissen. Da in der CDU ja ohnehin alles und jeder soziales Gewissen zu sein scheint, ist es selbstverständlich, dass Versuche der CSU, die CDU links zu überholen, von der CDU entrüstet zurückgewiesen werden. Es ist schlichtweg nicht möglich, die CDU links zu überholen! So sozial wie sie ist. Die PDS ist nichts dagegen! Doch halt - müssen wir uns Sorgen machen? Das Herzog-Papier wird von nicht wenigen als unsozial bezeichnet. Droht also der Suizid der sozialsten Partei aller Zeiten? Nein. Denn wir erinnern uns: Sozial ist, was Arbeit schafft. Das tut das Herzog-Konzept ja. Angeblich! Alles klar also, wir brauchen uns nicht zu sorgen. Nicht jetzt und nicht in Zukunft. Denn auch der Nachwuchs steht ganz im Zeichen des Sozialen. Beispielsweise der JU-Bundesvorsitzende Philipp Mißfelder. Sie erinnern sich: der Junge, der die Hüftgelenksdiskussion entfachte. Interessant wäre die Meinung seiner Oma dazu... Egal. Auch er bezeichnet sich selbst wie sollte es anders sein - als soziales Gewissen. Fazit: Keine Bange. Die CDU ist ein einziges soziales Gewissen und wird wohl auch weiter für soziale Politik kämpfen. In diesem Sinne: Helau und Alaaf, hoch lebe die Karnevalszeit! 04 obststand politik orange >> Von hier wird die Stadt regiert, in der 1675 Stunden im Jahr die Sonne scheint: das Neue Rathaus von Leipzig, oder auch „Lipzi“, wie die Stadt früher hieß. HIER BEI MIR IN LEIPZIG Eine Stadt wird bevölkert von schwarzen Männern und Frauen und freut sich über gute Werbung in schweren Zeiten. Von Pia Dangelmayer 51 Grad nördlicher Breite, 12 Grad östlicher Länge. In einer Tieflandsbucht im nordwestlichen Gebiet des Freistaates Sachsen. Da liege ich, und das nun schon seit 1015. Anfangs war ich noch unter dem Namen Lipzi bekannt, aber in letzter Zeit habe ich meine Identität nicht mehr verändert. Jedenfalls nicht namentlich. Ich bin es, Leipzig. Mit 1675 Stunden Sonnenschein im Jahr. Rund eine Millionen Füße betreten täglich meinen Boden, mein Territorium, das 297,5 km² umfasst. Macht 3361 Füße pro Quadratkilometer. Ohne all die Touristen natürlich, die seit der Wende meine Attraktionen umlagern. Dort ist die Dichte der Füße natürlich sehr viel höher. Vor allem im Moment, denn im Dezember beherberge ich immer einen Weihnachtsmarkt. Mitten in meinem Herzen hat er seinen Platz, eingerahmt vom Rathaus, der Thomaskirche, der alten Börse und einer Baustelle. Dort auf meinem Weihnachtsmarkt habe ich sie auch zum ersten Mal entdeckt, die schwarzen Männer und Frauen. Sie kamen in dunklen Anzügen und warmen Mänteln, schick sahen sie aus, manche mit erstem Blick, als wären sie auf einer wichtigen Mission. Es waren bestimmt zweitausend von ihnen unterwegs auf meinen Straßen, und mit ihnen im Schlepptau kamen mehr als tausend Menschen, zweitausend Hände, bewaffnet mit Zettel und Stift, mit Aufnahmegeräten und sogar mit Kameras. Ich war auf einen Schlag ausgebucht - wow, 3000 Betten in 25 Hotels, in denen nun lauter fremde Menschen schliefen. Und einer meiner Gäste verriet mir sogar: „Ich habe mich erst letzte Woche entschieden zu kommen und konnte nur noch ein Hotel 14 Kilometer außerhalb finden“. Wahnsinn. Ist denn schon Olympia? Nein, so schnell ging das nicht. Es war Parteitag. Bundesparteitag der CDU. Hier bei mir. Hier in mir. In Leipzig. Die CDU im Osten? Warum nicht? „Das ist schon der zweite CDU-Parteitag hier in Leipzig“, höre ich Walter Ebert, Projektleiter der Sonderveranstaltungen der Leipziger Messe, sagen. Meine Messe hat einen guten Ruf, und es gäbe viele Gründe, die mich attraktiv machen, erlausche ich auch bei Heinrich Tim- merherm von BMW, die mir im nächsten Jahr ein Werk schenken werden. „Die Fähigkeiten des Arbeitsmarktes und der Ausbildungsstand sprechen eindeutig für Leipzig“, erzählt er weiter. Und es gäbe 95.000 Bewerbungen auf 5.500 Stellen! Ich bin ja ganz schön beliebt … Das ehrt mich natürlich, denn in letzter Zeit hatte ich es nicht immer leicht. Viele Gerüste und Baustellen, so mancher bezeichnete mich als düstere Stadt - und dann, auf der Höhe meiner Karriere als Bewerber für die Olympischen Spiele 2012, kam schon wieder der Fall. Es wurde schlecht von mir gesprochen, über meine Qualitäten und die Organisationsprobleme. Aber so ein Parteitag sei super fürs Image, hat man mir gesagt. „Das ist eine Top-Veranstaltung mit einer immensen Multiplikationswirkung“, meint auch Ebert. Klingt gut, finde ich. Und immerhin bin ich mehrere Tage hintereinander in den Nachrichten! Das tut meinem Ego natürlich gut. Und außerdem gibt es kaum eine billigere Werbung für mich. Auch mein Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee freut sich sehr über den Parteitag auf meiner Messe, „denn das zeigt, dass sich die Delegierten beim letzten Mal hier sehr wohl gefühlt haben, und sie können mit eigenen Augen sehen, was aus Leipzig geworden ist und was noch geschehen muss“. Aber nutzt mir diese Werbung auch wirklich? Ich habe aus Neugierde ein paar Delegierte belauscht, was sie so über mich wissen und denken (ich weiß, eigentlich macht man das nicht…). „Hier drehte sich alles um Bücher und um die Pelzindustrie“, erzählte ein älterer Herr, „die Stadt ist aufgeblüht, hier pulsiert das Leben“, ein anderer. „In Leipzig waren die Montagsdemos“, weiß ein Jüngerer, „die Völkerschlacht in Leipzig steht für Machtpolitik“, „Leipzig für Olympia“. Unglaublich, so viele große Ereignisse. Wer weiß? Wenn ich in ein paar Jahren noch mal heimlich lausche, denken die Menschen vielleicht zurück an diesen Parteitag. Die Reformen der CDU, ein Parteitag mit „historischer Bedeutung“, wie CDU-Generalsekretär Laurenz Mayer sagte. Doch vor allem werden sie an mich denken, da bin ich mir sicher, an mich, vor allem an mich. LONELY JOHANNES Im Kinderhort des Parteitags ist doppelt so viel zu tun wie beim letzten Mal: statt einem sind dort nun zwei Kinder! Von Hans Heyn Johannes Giger zu finden ist nicht einfach. Abseits des Trubels und gut abgeschirmt von der Öffentlichkeit versteckt er sich im ruhigen zweiten Stock des Gebäudes. Er ist allein, bewacht von nur einer Person, anscheinend ganz zufrieden mit der Welt, dem Parteitag und der Rede von Philipp Mißfelder, die im Hintergrund auf dem Fernseher läuft. Johannes liegt strampelnd auf einem improvisierten Wickeltisch; um ihn herum etwas Spielzeug, eine Krabbelecke und der vor sich hin brummelnde Fernseher mit Live-Übertragung in den Plenarsaal. Mit einem halben Jahr ist Johannes der jüngste Teilnehmer des Bundesparteitages der CDU. Sein Sitzungsraum ist der Kinderhort. Mehr Kinder braucht das Land, heißt es in den Reden von Merkel über Herzog bis zu Meyer, doch Johannes ist einsam. Nur die Hortmutter und der einjährige Lukas leisten ihm Gesellschaft. Warum das so ist, wird bei einem Blick ins Plenum klar. Die meisten der Delegierten sind Männer jenseits der 40. Frisch gebackene Familienväter sehen anders aus. Die Suche nach Frauen mit kleinen Kindern gestaltet sich schwierig. Den Grund dafür kennt Marie-Therese Kastner, selbst Landtagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen und vierfache Mutter. Sie beschreibt den Konflikt zwischen Kindern und Parteiarbeit als „existent, aber überwindbar“. Trotzdem würde sie ihre Kinder nie dem Stress eines Parteitages aussetzen. Muss sie auch nicht: In ihrem Haushalt hat der Mann die Hausschlappen an und „schmeißt den Laden alleine“. Johannes‘ Papa hat dagegen nicht so viel Zeit. Trotzdem kann Mama Giger engagierte Politikarbeit und Familie verbinden. Die ausgebildete Krankengymnastin hat noch zwei weitere Kinder zu Hause und versteht sich nicht nur als Mutter, sondern mehr als Familienmanagerin. Politik läuft bei ihr eben nicht nur „so nebenbei“. Dieses Mal, so klärt die Hortmutter auf, seien auch schon zwei Kinder angemeldet, eines mehr als beim letzten Mal. Die Augen der Bürokauffrau im Dienste der CDU mit dem großen Herz einer Kindergärtnerin funkeln. Eine Steigerung um 100 Prozent! obststand 05 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig VÖLLIG LOSGELÖST Christian Natterer (22), Student aus Freiburg, ist zum ersten Mal stimmberechtigt auf einem CDU-Parteitag. Von Eva Kopytto Viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Aber auch in die Politik. Warum nicht mal aus Trotz zu seinem linksorientierten Bruder in die CDU eintreten? Dachte sich zumindest Christian Natterer und trat vor fünf Jahren in die Junge Union ein. Was anfangs Protest war, ist für den 22-jährigen VWL-Student aus Freiburg heute vor allem eines: Spaß, Spaß und nochmal Spaß. Natürlich, so sagt er, will er auch etwas bewegen, „ein Stück weit“ zumindest. In Ravensburg ist er immerhin Kreisgeschäftsführer der JU Ravensburg. Aber als Delegierter des Bundesparteitages ist er, wie alle anderen auch, nur „ein kleines Licht“. Da macht sich Christian nichts vor. Sonntag, Leipzig Hauptbahnhof. Auch wenn der Parteitag offiziell erst Montag beginnt, steckt Christian bereits mitten im politischen Geschehen. Auf dem Weg ins Hotel reicht die Zeit nur für ein paar kurze Blicke in Leipzigs Straßen. Denn: Die Delegiertenbesprechung der Jungen Union wartet. Anschließend kurz ins Rathaus; Gemeindefinanzreform besprechen. Friedrich Merz ist auch dabei. Nach einer Auszeit am Weihnachtsmarkt, Glühwein inbegriffen, geht es weiter: Delegiertenbesprechung des Landesverbandes Baden-Württemberg. Und am Abend zum großen Presseempfang im Bayrischen Bahnhof... . Montag, 9.30 Uhr. Vor den Leipziger Messehallen ein gellendes Pfeifkonzert. Polizisten und Soldaten protestieren gegen Stellenkürzungen. Sie werden jedoch kaum beachtet von den Delegierten, die mit Limousinen vorfahren. Die Chauffeure halten die Tür auf, tragen die Koffer hinterher - ein klassisches Bild in den Abendnachrichten. Nicht ganz. Denn unter lauter ernsten, älteren Delegiertengesichtern sticht eines hervor. das von Christian. „Klasse, hier zu sein!“ Er sieht aus, als würde er die ganze Zeit denken: „Klasse, hier zu sein!“ Es ist zwar nicht der erste Parteitag für ihn. Aber er ist etwas Besonderes: zum einen als ohnehin spannendes „Event“, wie Christian sagt; zum zweiten, weil es der erste Parteitag ist, bei dem Christian stimmberechtigt ist. Für ihn eine gewissenhafte Aufgabe. Und er ist dankbar, als jüngster Delegiertere des Kreisverbandes Ravensburg dabei sein zu können. Vor allem, weil „dieser Parteitag ganz besonders auf Inhalt und Neuorientierung ausgelegt ist“, so Christian. Doch er weiß: Auch die Verpackung zählt. „Eine Show ohne gute Inhalte ist genauso wenig überzeugend wie gute Inhalte ohne Show.“ Es ist dieser Cocktail aus Inszenierung und Inhalt, der den jungen Politiker immer wieder reizt, Kneipe oder Hörsaal gegen politische Debatten einzutauschen - auch wenn das Studium für ihn vorgeht. Großer Plenarsaal,10:30. Smalltalk mit Delegierten aus dem Landesverband. Dann blättert Christian nochmal in dem dicken Stapel Änderungsanträge und wartet auf den ersten Höhepunkt: Angela Merkels Aufbruch-Rede. „Gut und richtungsweisend“, resümiert Christian im Anschluss an Merkels Vortrag. Danach macht er sich auf zum Mittagstisch. Und freut sich bereits auf Roman Herzogs Rede. Zusammen mit Lothar Späth, Wolfgang Schäuble und Friedrich Merz zählt Herzog zu seinen persönlichen Favoriten innerhalb der Union: „Die haben Visionen für unser Land“. Zurück im Plenarsaal. Roman Herzog spricht. Und Christian ist begeistert: „Der redet Klartext, und dazu noch mit Witz“. Auch wenn Christian noch nicht weiß, ob er tatsächlich später in die Politik geht - seine Maximen hat er bereits abgesteckt: Klartext reden, ehrlich sein und zu seiner Meinung stehen. In der Messehalle glänzt zwischen diversen Werbeständen ein silberner Audi A8. Am Steuer: Christian. Probesitzen in der neuen Luxuskarosse kann manchmal doch spannender sein als >> „Nur ein kleines Licht“: Christian Natterer sieht seine Rolle als einer vom 1001 Delegierten realistisch. politische Debatten, gerade wenn sich die Änderungsanträge häufen. Pünktlich zur Abstimmung ist er jedoch wieder im Plenarsaal - und hebt die rote Stimmkarte für Herzog. Nach dem Mund reden will er der Partei dennoch nicht, auch wenn er sich mit deren Grundsätzen durchaus identifizieren kann. „Aufpassen, was man sagt“ Die Politik hat Christian geprägt: „Ich bin selbstbewusst geworden, habe eine viel bessere Menschenkenntnis erworben, meinen Horizont und Weitblick erweitert.“ Rhetorisch gesteigert habe er sich auch. Hatte Christian noch zu Schulzeiten Probleme, sich im Unterricht zu melden, freut er sich nun jedes Mal darüber, vor großem Publikum sprechen zu können. „Allerdings muss man in der Politik stets aufpassen, was man sagt“, so Christian über die Tücken dieser Branche. Auch wenn Politik ihm noch so viel Spaß bereitet, sein Lebenselixier ist es nicht. „Privates und Freunde sind mir sehr wichtig, und ich versuche dies auch immer von Politik zu trennen“. Sachsenhalle Leipzig am Abend: Der erste Konferenztag ist vorbei. Auf der Bühne spielt die Hamburger Band „Undercover“. Ihr Lied ist aus den 80ern: Major Tom. Refrain: „Völlig losgelöst“. Und das ist auch Christian jetzt. 06 obststand politik orange PARTEITAGHAUSEN Beobachtung aus der Stadt von 1001 Delegierten. Von Rebecca Beerheide >> Fragen über Fragen: Welcher Landesverband darf wo sitzen? Wer hat die beste Sicht? Und was gibt‘s zu essen? Der Parteitag erfordert eine Menge Organisationsaufwand. Ein Parteitag ist wie eine Kleinstadt, in der es drei Gruppen gibt: Die, die bestimmen; die, die zuhören und abstimmen, und die, die das ganze Beobachten. Also Klartext: Parteiführung, Delegierte und Medienvertreter. Damit die alle ohne Probleme miteinander arbeiten können, gibt es noch eine vierte Gewalt: die Organisatoren. Diese vierte Gruppe teilt sich auf in das „Eventmanagement“, also diejenigen, die über Bühnen, Farben und Sitzordnungen entscheiden, diejenigen, die sich um das leibliche Wohl der Kleinstadt kümmern und diejenigen, die auf die Sicherheit achten. Die Eventorganisatoren sind extrem gefragt. Das Handy von Ulf Leisner, des Bereichsleiters des Eventmanagements der CDU, steht nie still. Seit einem Jahr plant er, wie die Bühne, also in einer Kleinstadt der Rathausvorplatz, aussehen soll, welche Farben am besten ankommen und wer wie wo sitzen soll. Das wird streng gehandhabt, nach Wichtigkeit und nach Alphabet, Kompromisse gibt es nicht. Streitigkeiten natürlich auch nicht, sagt er. Was bei dem anwesenden Volk, bzw. bei den Volksvertretern allerdings anders ist. Da schaut jeder genau, welcher Landesverband wo sitzen darf und die beste Sicht hat. Besonders stark ist das Gefühl der Sicherheit. Zwar kann sich niemand in der Kleinstadt Parteitag vorstellen, dass irgendjemand was Böses will, aber man weiß ja nie. Damit kein Unwohlsein aufkommt, gibt es die Personenschützer der Wichtigen und eine Wach- und Schließgesellschaft für die anderen. In vorherigen Sicherheitsgesprächen wurde die Horrorvorstellung schon mal ausgedacht: Irgendjemand lässt einen Koffer unbeaufsichtigt stehen oder gibt eine Drohung am Telefon durch. Aber eigentlich ist noch alles ruhig in der Kleinstadt, besonders weil es sogar Sicherheitsschleusen vor den Toren der Kleinstadt gibt. Alles, damit sich das Volk - die Delegierten - und seine Vorsitzenden - das Präsidium - wohlfühlen. 450 Salate, 800 Stück Kuchen Und noch eine andere Gruppe in dieser Kleinstadt möchte sich wohlfühlen: Die Journalisten. Da springt großmütig ein „Privater“ ein, der in die Kleinstadt eingeladen wurde. Die Phillip Morris Presselounge. Hier wird jeden Tag ein „Essensballett“ aufgeführt, erklärt der Chefchoreograph Rudi Geiger. Alles ist genau durchgeplant: Wann gibt es welches Essen, was passiert, wenn alle auf einmal eintreffen, was, wenn es Schlangen gibt. „Bei einer Schlange werden für die Wartenden kleine Häppchen gereicht, damit niemand Grund zum Meckern hat“. Der Essensplan für die Journalisten ist auch strukturiert: Mittags warm und leicht, am Nachmittag was Süßes, abends was einfaches, aber herzhaftes. Dazu Getränke ohne Ende, ab sechs auch Bier und Wein. Täglich werden so 450 Salate, 800 Nachspeisen und 800 Stück Kuchen auf etwa 600 Quadratmeter verputzt nur von den Medienvertretern. In der Kleinstadt herrscht hektisches Treiben. Die Sicherheit macht Vorschläge, wo die VIP‘s mit ihrem Auto vorfahren können, die Küche bereitet das Mittagessen vor, damit keiner verhungert, der Parteitags-Eventmanager überlegt noch, ob ein weiterer Aussteller die Geschäftsbereiche des Markplatzes bevölkern darf. Und: Der Vergleich mit einer Kleinstadt hinkt nicht: Der Parteitag verschlingt so viel Strom, wie eine Kleinstadt an einem Tag. ausgepresst 07 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig >> Zeigt her, eure Karten: Angela Merkel und Christian Wulff stimmen ab. ICH, A 12 Ein armer Antrag aus Herne wird in Leipzig abgelehnt. Von Rebecca Beerheide Guten Tag, darf ich mich vorstellen? Ich heiße A 12, komme aus dem Kreisverband Herne und wohne auf Seite 9 eines 328 Seiten starken Buches. Dieses Buch, also mein Haus, ist das wichtigste auf dieser Veranstaltung: Alle aus meiner Familie sind hier eingetragen, Anträge ohne Ende. Wir heißen alle „Antrag“ mit Nachnamen und unterscheiden uns nur durch Herkunftskreisverband und Kennungsbuchstaben, quasi unser Vor- name. Ach ja, und natürlich auch durch unseren Inhalt. Bei mir geht‘s um die Ablehnung der Gesundheitsprämie. Aber das ist nicht so wichtig. Da ich meinen Nachnamen nicht wirklich mag, nenne ich mich selber nur A 12. Meine Väter und meine Mütter, die mich im Kreisverband Herne ausgearbeitet haben, fanden mich richtig gut, bis zum Parteitag. Und das kam so: Bis Ende Oktober konnte jeder dieser Kreisverbände einen Teil der großen Familie „Antrag“ ausarbeiten und einreichen. Viele von uns waren damals aktuell. Nur wer Glück hat, ist auch heute noch aktuell. Denn der Zahn der Zeit nagt auch an uns. Wir von der Antragsfamilie leiden sehr unter der neuen Schnelllebigkeit der Politik. Heute toll, morgen tot. Das ist ein Leben! xxx >> Vor kurzem noch gewollt, jetzt nicht mehr: der Antrag A 12 des Kreisverbandes Herne. Über toll und tot entscheidet aber nicht nur die Zeit, sondern auch eine Art von Gericht. Die Politiker nennen es „Antragskommission“; für uns sind das die „Todesurteil-Vorschlager“. Hartes Wort, aber wir emp- finden das so. Wir werden von unseren Erstellern eingereicht. Dann beginnt die Kommission - ich bleibe bei dem politisch korrekten Namen - mit ihrer Arbeit, sie ordnet und sortiert unsere Familie vor. Diese Kommission arbeitet aber später als die Kreisverbände, die Zeit hat allen einen Streich gespielt. Die Kommission muss den Inhalt von allen aus meiner Familie durchlesen und veraltetes aussortieren. Damit brachte die Arbeit vieler Erschaffer nichts. Das war auch bei mir so. Mein Inneres, der Text aus dem ich bestehe, war Anfang Oktober gut und politisch gewollt, jetzt nicht mehr. Daher das Urteil über mich: „abzulehnen“. Das schlechte: Die Arbeit des Kreisverbands war umsonst. Sie sind aber nicht mehr traurig darüber, Antragsproduktion ist eine Zeitpunktfrage, sagen sie. Das Gute: Meine Familienmitglieder und mich vereint ein Gedanke! Wir sehen das ganz nach der olympischen Idee: Dabei sein ist alles! SCHAUSTEHEN UND HÄPPCHEN FASSEN Auf dem Presseempfang vor Beginn des Bundesparteitags reden Politiker mal ein bisschen anders. Von Pia Dangelmayer, Kira Mörke und Tobias Hentze Wie ein Schrank baut er sich auf. Mehr als ein Blick durch die Fensterscheiben ist für die neugierig lauernde Meute nicht drin. Laurenz Meyer entscheidet über rein oder nicht rein. Er spielt den Türsteher auf dem Presseempfang am Vorabend des CDU-Bundesparteitages - dabei wie immer im Dienste seiner Vorsitzenden Angela Merkel. Die sitzt hinter der Tür und scherzt bei Wein und Bier mit Parteifreunden und Journalisten. CDU-Generalsekretär Meyer gibt sich ähnlich gut gelaunt und erzählt aus seinem Leben: „In den Hintergrundgesprächen werden Stimmungslagen ausgetauscht“, verrät er. Das wissen auch die Journalisten: „Politiker reden bei solchen Empfängen einfach ein bisschen anders“, sagt Werner Sonne, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio. Die Stimmung sei entspannter als bei offiziellen Terminen . Doch der Eintritt in den Merkel-Raum ist exklusiv. „Nur für geladene Gäste“, erklärt Meyer. Also schiebt sich die Masse weiter durch den engen Flur. Flüchtiges Zunicken beim Anblick bekannter Gesichter und immer weiter vorwärts Richtung Bar. Auf einer Bank in einer Ecke sitzt der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze und stochert auf seinem Tellerchen herum. Zwei Happen, und der Teller ist leer „Wegen der schlechten Konjunkturlage muss wohl beim Büffet etwas gespart werden“, witzelt Hintze. Diesen Eindruck hat man allerdings beim Anblick der voll beladenen Tische nicht: Die sächsischen Spezialitäten sehen nicht nur gut aus, sondern schmecken auch so: „Sächsische Kartoffelsuppe“, „Tafelspitzsülzchen“ oder „Leipziger Allerlei“ - hier ist für jeden etwas dabei, und die Bedienungen schleppen stapelweise Teller vom Büffet zur Küche und wieder zurück. Während die Gäste sächsische Häppchen um Häppchen verschlingen, bleibt das obergärige Leipziger „Gose“-Bier auf dem Tresen stehen. Schwarzbier läuft einfach schneller und besser. Wen wundert`s. Trotzdem bleiben die Krawattenknoten fest, das Lächeln zuckrig, die Bewegungen steif. Das Schaulaufen ist ein Schaustehen. Nur die Jazz-Band zieht tanzend mit Trompete und Tuba durch die Säle. „So bunte Vögel wären vor ein paar Jahren auf einem CDU-Parteitag noch nicht denkbar gewesen“, meint Rainer Hartmann vom Südwestdeutschen Rundfunk. Die neuen Töne kommen an. Applaus. 08 konzentrat politik orange OHREN AUF EMPFANG >> Routinierter Mann am Mikro: Korrespondent Wolfgang Kapust berichtet für die ARD vom CDU-Parteitag. Für den WDR-Korrespondenten Wolfgang Kapust sind Parteitage kein Zuckerschlecken. Von Anne-Katrin Schneider Angela Merkels Rede ist zu Ende, und der Magen knurrt. Während seine fünf Kollegen auf dem Weg in die Presselounge zum Mittagessen sind, muss Wolfgang Kapust vor dem Übertragungsmonitor die Stellung halten. Prompt kommt es zum Eklat. Der nordrhein-westfälische Delegierte Leo Lennartz kritisiert den Parteiausschluss des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. Annette Schavan und Jürgen Rüttgers halten scharf dagegen. Kapust weiß: Jetzt muss er die wichtigsten O-Töne sammeln für den Beitrag am Abend. Als die Anderen vom Essen zurückkehren, sitzt Kapust schon wieder ruhig an seinem Arbeitsplatz. Für ihn sind Parteitage längst Routine, seit 20 Jahren ist er im Geschäft. Kapust gehört zu den besten deutschen Radio-Reportern. Als WDRKorrespondent im Hauptstadtstudio muss er Technik, Organisation, Inhalt und Sprache perfekt beherrschen. Und das auch in Leipzig. Schließlich sind „Parteitage kein Zuckerschlecken“, wie Kapust meint. Sechs Redakteure und zehn Übertragungswagen hat die ARD auf den CDU-Parteitag nach Leipzig geschickt, um von dort aus für sechs Sender nicht nur über die Inhalte zu berichten, sondern auch die Stimmung unter den Delegierten einzufangen. Die Eröffnungsrede von Angela Merkel steht dabei im Mittelpunkt. „Bei der Rede von Angela Merkel geht es nicht um Details, sondern um den Gesamteindruck. Und da hat Frau Merkel klar zugelegt“, sagt Kapust. Er vermutet, dass Merkel 2006 Kanzlerkandidatin wird. „Aber das ist nur ein Gefühl. Ich weiß nicht, was die dort hinter den Kulissen ausklüngeln.“ Als Journalist versuche er daher einfach, so viel wie möglich zu recherchieren und zu begreifen. Kapust hat schon als Kind Radio gehört und liebt dieses Medium wegen seiner Lebendigkeit und Tiefe. „Ich habe fünf Jahre als Zeitungsredakteur gearbeitet. Aber nur zwischen Papier und Text - da fühle ich mich einfach eingezwängt.“ Obwohl ein Radiobeitrag in der Regel nicht mehr als zweieinhalb Minuten dauert, müssen die Redakteure den ganzen Tag Ohren und Augen offen halten, um die wichtigsten Botschaften und Aussagen einzufangen. Dabei hilft jeder jedem. Während seine Kollegin Christa Cloppenburg auf dem Monitor eine Rede verfolgt, schreibt Kapust die Moderationstexte für den nächsten Beitrag. Um 17 Uhr ist der nächste Sendetermin. Doch neben aller Hektik geht es um Inhalte. Kapust ärgert sich darüber, wie Merkel und Schröder das Wort „Patriotismus“ verwenden. „Wenn man über Patriotismus in Deutschland diskutiert, muss der Begriff von den Wurzeln auf analysiert werden.“ Doch zur Analyse bleibt keine Zeit. Der nächste Tag muss geplant werden. Interviews und Beiträge warten - und vielleicht auch der nächste Eklat. fruchtfleisch | was ist bei ihnen persönlich reformbedürftig? „Ich mache mir keine Vorsätze, die halte ich sowieso nicht ein. Vielleicht sollte ich mit dem Rauchen aufhören, da bin ich ein schlechtes Vorbild.“ Laurenz Meyer, Generalsekretär „Ich müsste schlanker werden - wie der Staat.“ Roland Koch, Ministerpräsident Hessen „Ich muss noch fünf Lampen an der Decke und ein Brett im Badezimmer anbringen. Dafür brauche ich aber noch ein Dreivierteljahr.“ „Bei uns muss das Rederecht am Küchentisch reformiert werden, die Kinder werden einfach zu laut. Außerdem muss das Recht auf Durchschlafen wieder eingeführt werden. Die Opposition setzt alle parlamentarischen Regeln außer Kraft, sie besetzt nämlich mein Bett. Ich führe eine Minderheitsregierung.“ Ursula von der Leyen, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit in Niedersachsen Jürgen Rüttgers, NRW-Landesvorsitzender „Ich sollte weniger Lebkuchen und mehr Obst essen. Zuhause bügle ich, wasche ich, wickle die Kinder, ziehe sie an und mähe den Rasen - eenn ich gerade mal zuhause bin.“ Peter Hintze, MdB, Generalsekretär a.D. konzentrat 09 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig BISMARCK KOMMT AUFS ABSTELLGLEIS Warum die Kopfpauschale jetzt Gesundheitsprämie heißt und die CDU dahinter das große Glück vermutet. Von Tobias Hentze „Ich müsste mir mehr Zeit für Sport nehmen, außerdem brauchen wir eine neue Küche. Mit meiner Opposition bilde ich eine große Koalition, die Reformvorhaben waren bisher aber leider noch nicht realisierbar.“ heitswesen überbot sich die Politik gegenseitig. Plötzlich reden alle von dringend notwendigen Reformen: Zu teuer und ineffektiv sei das System in Zeiten, in denen die Schulden des Staats die höchsten Wachstumsraten aufweisen. Zu ungerecht, dass sich manche gar nicht und einige anders versichern müssen als andere. Und zu schädlich für die Wirtschaft, die mit dem bisherigen Prinzip nicht so viele neue Arbeitsplätze schaffen könne. Da haben die Delegierten auf dem Parteitag schier endlos geklatscht und diesem Prämienmodell zugestimmt, das Alt-Bundespräsident Roman Herzog mit ein paar weiteren klugen Köpfen in langen Nächten erarbeitet hatte. Nur Norbert Blüm, der für seinen Ausspruch „Die Rente ist sicher“ erst vergöttert, später verspottet wurde, plus einige wenige Unverbesserliche wollten nicht. Vielleicht haben die zu wenig Erfahrungen mit Payback-Punkten gesammelt oder kennen niemanden, den sie für ein Zeitungs-Abo werben können. Bei den meisten aber hat das Prinzip des Ausmalens einer rosaroten Zukunft voller Gesundheit und Prämien geklappt. Und alles scheint so einfach: „Jeder zahlt den gleichen Betrag“, sagt „Ich lasse reformieren! Handwerker verlegen gerade eine neue Abwasserleitung bei mir zuhause.“ Werner Sonne, TV-Korrespondent im ARD Hauptstadtstudio Berlin „Ich sollte mehr Sport treiben und regelmäßiger einkaufen. Meine Opposition hat keine Probleme damit.“ Elfriede Benedix, Delegierte aus Rheinland-Pfalz „Ich als ehrenamtliche Politikerin müsste meinen Zeitplan zwischen Arbeit und Politik optimieren. Außerdem müsste ich meinen Computer auf den aktuellen Stand bringen.“ Kathrin Schulz, Delegierte aus Schleswig-Holstein „Mein Gartenteich ist sehr reformbedürftig.“ Lothar Riebsarmen, Delegierter aus Baden-Würtenberg Klaus-Peter Flosbach, ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen. Also doch sozialistisch oder nur gerecht? Im Endeffekt gehe es allen - und hier folgt der Unterschied zum Sozialismus - besser als vorher. Und das ist dann für alle Generationen gerecht. In der Sprache der Politik heißt das dann „Generationengerechtigkeit“. Sogar die Arbeitgeber haben Grund zur Freude. „Lohn und Krankenkassenbeitrag werden voneinander entkoppelt“, erklärt Tim Peters, der zu den jüngsten Delegierten zählt. Womit man nicht länger nur Züge entkoppeln kann. Das geht also auch mit Löhnen und Krankenkassenbeiträgen. Und da die dann sozusagen auf getrennten Schienen rollen, haben sie nicht mehr viel miteinander zu tun. Die Löhne bleiben Löhne, und die Krankenkassenbeiträge fahren direkt aufs Abstellgleis. Als Ersatz kommen diese Gesundheitsprämien daher. Wieso da nicht schon früher jemand drauf gekommen ist, dass die Bürger lieber für Gesundheit als für Krankheit zahlen? Aber nochmal zurück zu den Arbeitgebern: Weil jeder Erwachsene die Gesundheitsprämie von etwa 200 Euro pro Monat einzahlt, müssen die Firmen nichts mehr zur Gesundheitskasse beisteuern. Das freut die natürlich - und auch die Arbeitslosen sollen Heribert Prantl, Innenpolitikchef Süddeutsche Zeitung „Mehr Zeit für die Familie!“ Einheitsmeinung unter Politikern, u.a. Annette Schavan, Friedrich Merz, Christian Wulff, und Georg Milbradt. Die Stimmen sammelten Jan Peters und Rebecca Beerheide Grausige Vorstellungen grassieren da durchs Land: Kopfgeld für jeden Patienten, der sich noch zum Arzt traut? Und pauschale Gleichmacherei wie einst zu Blütezeiten des Sozialismus? Das passt doch zu einer christlichen und demokratischen Volkspartei so wenig wie Dieter Bohlen zum Papst. Die CDU wollte die Krankenversicherung durch „Kopfpauschalen“ ersetzen. Ein Wort als Ungetüm, das durch die Republik geisterte. Doch dann hat es „Klick“ gemacht: Auf dem Leipziger Parteitag hat die Partei stattdessen nun eine Gesundheitsprämie beschlossen was das Gleiche ist, aber viel freundlicher klingt. Gesund sein ist schließlich das höchste Gut im Leben, und Prämien erfreuen sich sowieso immer größerer Beliebtheit. Das ist wie bei Payback oder der Vermittlung eines Zeitungs-Abos. Prämien kassieren und es sich gut gehen lassen - das perfekte Glück. Etwa 120 Jahre lang sahen fast alle Politiker die Krankenversicherung, so wie sie einst vom Reichskanzler Bismarck eingeführt wurde, als Glücksfall. Jeder zahlt einen Prozentsatz seines Gehalts in die Kasse ein. Gerecht, sozial, ausgewogen - in Lobeshymnen für das deutsche Gesund- jubeln, finden die CDU-Parteigänger. Denn glückliche Firmenbosse stellen viele Arbeitslose ein, die dadurch dann auch wieder glücklich werden. Noch eine Prämie in diesem Modell. Da der Staat die Armen bei der Zahlung unterstützen will, hat sich Friedrich Merz in seinem Steuer-Konzept Gedanken über Finanzierung und Ausgleich gemacht. Herzog und Merz im Doppelpassspiel. So ungefähr sieht der Weg zum Glück aus. Ganz genau wissen das aber selbst die noch nicht, die das beschlossen haben. „In jeder Detailfrage ist hier wohl kaum jemand fit“, meint Johanna Dollak, Delegierte aus Baden-Württemberg, während sie über ihren Unterlagen zu dem Thema brütet. Die Gesundheitsprämie finden bei der CDU jedenfalls fast alle gut. Sogar besser als diese Kopfpauschale. Dass die beiden Begriffe eigentlich ein und dasselbe sind, verkommt da zur Randerscheinung. Was Worte für Wunder bewirken können. Nur die politische Konkurrenz hält von den Vorschlägen überhaupt nichts. Ändern will aber auch Rot-Grün einiges. Der Reformeifer grassiert, heißt das dann. RotGrün favorisiert eine Bürgerversicherung. Klingt auch toll. Und soll viel gerechter und zukunftsweisender sein als das CDUModell. Meinen Sozis und Grüne. Die CDU sagt das genau umgekehrt. So wie das fast immer in der großen Politik ist. So schnell passiert dann nichts. Obwohl die Zeit immer mehr drängt. 10 geschält politik orange „IST ORANGE IHRE FARBE ?“ Die CDU überrascht ihre Mitglieder mit einem neuen Logo. Von Annika Heinz und Alexander Bode >> Die einen finden‘s hässlich, die anderen frisch und warm: Die CDU setzt auf Orange als neue Farbe. Orange! Überall Orange! Die Fahnen am Eingang zum Parteitag sind ungewohnt. Was kaum einer wusste: Die CDU hat ein neues Logo - rote Buchstaben, weiße Schutzzone. Und der Eyecatcher: ein orangener Hintergrund. Dass man sich ausgerechnet für den Farbton unserer Zeitung „politikorange“ entschied, lässt sich leicht erklären: Orange ist bislang von keiner Partei belegt. Während unsere Zeitung damit ihre Unabhängigkeit zum Ausdruck bringen möchte, will die CDU damit eindeutig identifiziert werden. Generalsekretär Laurenz Meyer findet orange „total in“. Doch einige Delegierte reagieren erschrocken. „Orange ist nicht meine Farbe“, ist dabei noch die gut gemeinte Reaktion eines BadenWürttemberger Delegierten. Es fallen sogar Begriffe wie „hässlich“ oder „schrecklich“. Auch bei Pressevertretern wird das neue Logo diskutiert. Orange sticht ihnen zwar ins Auge, wird jedoch als neue Farbe der CDU nicht wahrgenommen. Susanne Höll von der Süddeutschen Zeitung bringt es auf den Punkt: „Orange ist bei Apfelsinen schön, als Band jedoch gewöhnungsbedürftig“. „Alles nicht so schlimm“, wiegelt der Leiter des Projekts „Neues Logo“, Olaf Dembinski, ab. Orange sei lediglich eine Ergänzung des neuen Erscheinungsbildes der CDU. Es soll lediglich dezent eingesetzt werden. Auch Dembinski war zu Beginn skeptisch, ob die Farbe gut DIE COCKTAILCONNECTION >> CDU-Abgeodneter Jens Spahn: „Auch als junger Mensch hat man alle Chancen, etwas zu verändern.“ FOTO: NILS ENTNER Jens Spahn ist jüngster CDU-Abgeordneter im Bundestag und sucht nach Visionen für Deutschland. Greta Taubert, Stefanie Blohmer, Nawid Nadzaah und Guido Ulm Er weiß, was er kann. Er weiß, was er will. Mit locker verschränkten Armen steht Jens Spahn vor dem CDU-Logo, sein Blick ist wach und durchdringend, seine Worte gewählt. Er wirkt zu erwachsen für einen 23-Jährigen. Aber vielleicht wird man das ja auch schneller, wenn man sich als Jugendlicher für den Konservativismus entscheidet. „Ich bin statt in einen Sportverein in die Junge Union eingetreten“, sagt er mit ernstem Gesicht. Das war vor acht Jahren. Am Anfang sei alles noch ein Spiel gewesen, „Jugend im Parlament“ hieß das Projekt. Jetzt ist aus dem Spiel wirkt. Jetzt findet er das Gesamterscheinungsbild aber sehr gelungen. Besonders betont er den Wiedererkennungswert des CDU-Schriftzugs. „Ausgiebige Tests mit Fokusgruppen haben uns gezeigt, dass die roten Buchstaben mittlerweile ein festes Markenzeichen geworden sind, die wir deshalb künftig beibehalten werden“, sagt Dembinski. In den ersten 30 Jahren wechselte die CDU 24-mal ihr Logo. Erst in den Siebzigern entwickelte man die drei roten Buchstaben, die bis heute für die Partei stehen. Nur im direkten Vergleich fällt auf, dass der Schriftzug überarbeitet worden ist. Er ist schlanker und nicht mehr so kursiv. Die leichte Schrägstellung vermittelt aber weiterhin die Dynamik, die die CDU verkörpern möchte, so Dembinski. Nach einigen Stunden Parteitag gewinnt das neue Design immer größere Zustimmung. Einige CDUMitglieder müssen sich noch an die Farbe gewöhnen. Dennoch attestieren die meisten dem orangenen Farbton „Frische“ und „Wärme“. Uwe Götze, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion Berlin, freut sich über die neue helle Farbe der Bundes-CDU: „Unsere Fraktion verwendet Orange bereits seit über einem Jahr im Internet.“ für Jens Spahn Ernst geworden. Er sitzt als jüngster CDUAbgeordneter im Bundestag. Wenn er von seinen Zielen redet, fallen Worte wie „Generationengerechtigkeit“ und „Kapitalrücklagen“. Er wolle ein „Bewusstsein für den sozialen Wandel schaffen.“ Das heißt konkret: Kindergärten statt Pflegeheime! Perspektiven für die kommende Generation! Das kann man nur schaffen, wenn man ein neues Politikverständnis entwickelt: „Wir müssen vernünftig miteinander umgehen.“ Wenn unterschiedliche Fraktionen gleiche Ziele haben, sieht Spahn keinen Grund zur BlockadePolitik. Deshalb trifft er sich mit den jüngsten Abgeordneten von SPD, FDP und Grünen wöchentlich in einer kleinen Bar in Berlin Mitte. Bei Mochito und Cuba Libre diskutiert er mit Sabine Bätzing (SPD), Daniel Bahr (FDP) und Anna Lührmann (Grüne) eine gemeinsame Linie. Ein Thesenpapier und ein Buch über „Visionen für Deutschland“ will das Vierer-Gespann entwickeln. Einen lebenslangen Sitz im Bundestag strebt Spahn nicht an, er wolle nicht als ausgebrannter Berufspolitiker enden. Aber eine zweite Legislaturperiode wird er noch brauchen, um seine Ziele einzubringen. Spahn ist sich sicher: „Auch als junger Mensch hat man alle Chancen, etwas zu verändern. Hinter einer konservativen Schale verbirgt sich eben manchmal auch ein idealistischer Kern. ausgepresst 11 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig „DAS SCHULT FÜRS GANZE LEBEN“ Philipp Mißfelder ist mit 24 Jahren der bislang jüngste Vorsitzende der Jungen Union und er ist sehr schnell bekannt geworden: mit der Forderung, älteren Menschen keine künstlichen Hüftgelenke mehr zu bezahlen. Sein Lieblingsthema ist die Generationengerechtigkeit! Mit Mißfelder sprachen Jochen Markett und die politikorange-Redaktion werden die wichtigen Erntscheidungen getroffen und so können wir uns direkt bei der Entscheidungsfindung einbringen. Bei der Herzog-Kommission hat mein Stellvertreter Johannes Pöttering mitgewirkt. Und das Konzept der HerzogKommission hat das zum Ausdruck gebracht, was unser zentrales Anliegen in den letzten Jahren war: das Thema Generationengerechtigkeit. Ich habe aber gestern auch Kritik daran geübt bei der Antragsdiskussion, als es da um die Rente ging. Das geht uns nicht weit genug, weil da keine spürbare Entlastung für junge Menschen da ist, sondern die Probleme da nur in die Zukunft verschoben werden. Geht es Euch nur um die Sache oder habt ihr bei Eurer Arbeit auch eine Parteikarriere im Auge? Wie viel Angela Merkel steckt in Philipp Mißfelder? Ich würde das eher umgekehrt sehen. Mittlerweile liegt mehr Programmatik der Jungen Union in dem, was Angela Merkel sagt. Das, was wir gestern auf dem Parteitag beschlossen haben und worüber wir uns sehr freuen als Junge Union, ist, dass die Reformen endlich angepackt werden. Wir haben dabei eine Debatte gehabt, die in den letzten Jahren gar nicht denkbar gewesen wäre. Man hat es ja gestern gesehen, versinnbildlicht in der Person Norbert Blüm, der kaum Applaus bekommen hat - das war schon fast gespenstig, als er oben auf der Bühne stand. Ich kann mich noch gut an die Parteitage erinnern, die ich als Schülerunionsvorsitzender bereist habe, und auf denen Norbert Blüm bejubelt worden ist, für das, was er gesagt hat. Die Zeiten sind vorbei, und ich bin sehr froh darüber, dass wir endlich Abkehr von dieser Sozialkuschelromantik genommen haben, weil die einfach zu Lasten unserer Generation gegangen ist. Wo liegt denn in der Reformdebatte das Profil der Jungen Union? Der Punkt ist, dass man nicht nur über Sozialtechnik reden darf. Wir wissen jetzt alle ganz genau, wie das funktioniert mit der Kopfpauschale und der Gesundheitsprämie und was der Unterschied zwischen der Bürgerversicherung und den einzelnen anderen Modellen ist. Aber wir haben in den letzten Monaten viel zu wenig darüber geredet, was eigentlich Sozialpolitik ist. Wir müssen noch klarer als CDU sagen, warum wir die Reformen machen, wofür das Ganze sein soll. Wir machen es für die Großelterngeneration, weil die auch ein Interesse daran haben müssen, dass die Enkelgeneration, also wir, auch noch etwas von dem Wohlstand haben, den sie uns erarbeitet haben und den sie für uns aufgebaut haben. Wir haben als Jüngere natürlich ein vitales Interesse daran, überhaupt noch Zukunftschancen zu haben. Unsere Generation hat ein massives Problem, überhaupt erstmals Arbeit und Ausbildungsplätze zu finden, und das hängt ganz entscheidend damit zusammen, dass zu viele Reformprojekte versäumt worden sind. Wir müssen darüber reden, dass diese Generation wieder Chancen und die Möglichkeit zur Teilhabe an dieser Gesellschaft bekommt. Habt Ihr dabei eine Vision oder geht es auch Euch erstmal nur darum, die Sozialsysteme zu entlasten - egal wie? Es geht gar nicht zu sehr darum, wie entlaste ich an welchen System, an welcher Stellschraube etwas, sondern wir brauchen einen grundlegenden Mentalitätswechsel. Wenn man sich so umschaut, dann gibt es häufig die Vollkaskomentalität. Das heißt, man setzt sehr viel auf den Staat und sagt, der Staat soll die großen und kleinen Risiken alle abdecken. Vom Studium bis zur Krankenkasse - alles läuft irgendwie, nur niemand macht sich drüber Gedanken, was das eigentlich für ihn bedeutet, was für einen Beitrag er dazu leisten kann. Wir müssen mal abseits der Umverteilungsdebatte darüber reden, was eigentlich Solidarität bedeutet. Welche Möglichkeiten habt Ihr denn, in der CDU Eure Positionen durchzusetzen? Wir sitzen mit vier Leuten im Bundesvorstand der CDU und mit einer Person, meiner Vorgängerin Hildegard Müller, im CDU-Präsidium. So stark war die Junge Union noch nie im Bundesvorstand vertreten, und das ist das Gremium, von dem aus die Partei geleitet wird. Dort Wenn man politisch etwas umsetzen will, wenn einem das wirklich ein Herzensanliegen ist und man da fast seine gesamte Freizeit reinsteckt, dann will man das natürlich auch in Funktionen machen, wo man besonders viel Einfluss hat. Und dazu gehört für mich die Mitgliedschaft im Bundesvorstand der CDU genauso wie die Mitgliedschaft im Bundestag. Die Junge Union ist ja für die CDU das Reservoir, wo man dem Nachwuchs herausrekrutiert. Fast die gesamte Führungsebene der CDU kommt ja aus den Jungen Union. Wird der Nachwuchs der CDU denn genug gefördert? Der Nachwuchs wird in der CDU zwar gefördert, aber man muss sich schon durchsetzen. Ich glaube auch, dass es auch zum Charakterbild dann nachher dazugehört, dass man sich durchgesetzt hat. Wenn man alles geschenkt bekommt und eingeladen wird, mitzumachen in den Führungsgremien und man dort hingesetzt wird, dann ist man nichts anderes als ein Quotenjugendlicher. Wenn man sich den Platz aber erkämpft hat, dann kann man auch auf die eigene Leistung stolz sein. Wir müssen uns immer durchsetzen als Junge Union, und das schult für später, das schult fürs Leben. 12 quietschorange politik orange AUFHÖREN, AUFHÖREN Die CDU wird die Affäre Hohmann nicht so schnell los, wie sie es gerne hätte. Auch auf dem Parteitag kritisieren Delegierte den Umgang mit Martin Hohmann. Von Guido Ulm Vielleicht hatte Angela Merkel gehofft, dass das Gespenst Martin Hohmann auf dem Parteitag nicht mehr herumspuken würde. Doch Leo Lennartz machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Der Delegierte aus Euskirchen beklagte das Verhalten seiner Partei gegenüber Hohmann als unfair. Er verteidigte dessen umstrittene Rede: „Niemand hat sich für sein Denken zu rechtfertigen“. Die Delegierten, die nach Merkels Rede noch nicht zum Essen aufgebrochen waren, machten sich mit Zwischenrufen Luft: „Aufhören, aufhören!“ Jürgen Rüttgers, der CDU-Landesvorsitzende von NordrheinWestfalen, wurde besonders deutlich. Er rief dem Delegierten Lennartz aufgebracht zu: „Ich will mit solchen Leuten wie ihnen nicht in einer Partei sein“. Rüttgers unterstrich gegenüber politikorange, seine Äußerung sei „genauso scharf gemeint, wie sie angekommen ist“. Lennartz habe schlicht „ein Problem mit seiner Persönlichkeit“. Die CDU verstehe in dieser Sache keinen Spaß. Dennoch war die Sorge der Delegierten in der Halle spürbar, die Aussprache könnte eskalieren und die wichtigen Reformthemen in den Schatten stellen. Lennartz blieb zwar der einzige „Störenfried“. Sein Auftritt reichte aber, um Spiegel online oder auch die Süddeutsche Zeitung von einem „Eklat auf dem Parteitag“ schreiben zu lassen. Die CDU hat mit der Affäre auch anderweitig zu kämpfen. Inzwischen haben auf einer Unterschriftenliste für Martin Hohmann mehr als 4000 CDU-Mitglieder unterschrieben. Hohmann selbst will wahrscheinlich gegen den bevorstehenden Parteiausschluss klagen. Der hessische Generalsekretär Michael Boddenberg schloss nicht aus, dass das Parteiausschlussverfahren ein Jahr dauert. Er bezeichnete den Widerstand gegen Hohmanns Ausschluss durch CDUKreisvorsitzende in Hessen als Aussagen einzelner Personen, hinter denen aber keine Basis stünde. Eben einer dieser Kreisvorsitzenden, nämlich der Landtagsabgeordnete HansJürgen Irmer aus Lahn-Dill, widersprach dieser Einschätzung. Mit seiner Meinung: „Martin Hohmann hätte eine zweite Chance verdient gehabt“, wisse er die Mehrheit der Mitglieder in seinem Kreis hinter sich. Allerdings schwang bei ihm schon etwas Resignation mit. Die Entscheidungen in Fraktion und Landesvorstand seien gefallen. Begonnen hatte die Affäre Hohmann mit einiger Verzögerung. Seine Rede zum Tag der deutschen Einheit sorgte erst nach fast vier Wochen für Aufregung, als sie im Internet entdeckt wurde. Der Bundestagsabgeordnete Hohmann hatte darin versucht, geschichtliche Fakten zu relativieren, bis hin zu der immer wieder herausgegriffenen Aussage, dass selbst Juden auch „Täter“ waren. Medien >> Verfolgt die CDU: Martin Hohmann. und die Regierung schlachteten das Thema aus. In der CDU selber wurde zuerst von „zweiter Chance“ und „Bewährung“ für Martin Hohmann gesprochen. Hohmann entschuldigte sich und wurde aus dem Innenausschuss abgelöst. Dann allerdings wurde doch der Fraktionsausschluss erwogen und schließlich auch umgesetzt - allerdings mit der großen Zahl von 28 Gegenstimmen. Vor diesem Hintergrund kam Spannung auf, wie Angela Merkel auf dem Parteitag die Affäre thematisieren würde - totschweigen konnte sie sie nicht mehr. Merkel verband untrennbar mit ihrer Partei die Anerkennung des Holocausts als einmaliges Verbrechen und die Einsicht, das die Aussöhnung immer noch nicht vollkommen abgeschlossen sei. Damit widersprach sie den verschwommenen Thesen Hohmanns. Während sein Appell zum Patriotismus mit dem Mief von Geschichtsverdrehung behaftet war, stellte Merkel klar, dass Patriotismus sich nicht nur auf Geschichtsbewusstsein gründet. Ausführlich ging sie auf die Wurzeln ihrer Partei auch im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ein und bezeichnete es als unverdient, ihrer Partei dann Diskussionen um die Benachteiligung Deutschlands „aufdrängen zu lassen“. Wer an den von ihr genannten Werten zweifeln würde, müsse zwar gehört werden, aber die Konsequenzen tragen, wenn die Zweifel nicht „in angemessener Zeit“ ausgeräumt wären. :::<$(='( Anzeige <$(=LVWLPPHUDXI GHU6XFKHQDFK MXQJHQ$XWRUHQ UHGDNWLRQ#\DH]GH -XJHQG]HLWXQJXQG2QOLQHPDJD]LQ ausgepresst 13 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig EIN TIGER RÜTTELT AN DER TÜR! Die Türken in der CDU fordern eine baldige Aufnahme ihres Heimatlandes in die EU. Von Florian Kubsch Was machen türkische Muslime ausgerechnet in der Christlich Demokratischen Union? Bülent Arslan hat seinen Platz jedenfalls genau dort gefunden. Der 28-jährige Unternehmensberater ist nicht nur einer von etwa 2.000 Türken in der CDU, sondern sitzt seit 1997 auch dem Deutsch-Türkischen Forum (DTF) der Partei vor. Für ihn stellt die „C-Grundlage“ der Union dabei kein Problem dar. „Das C symbolisiert für mich die Werte des Christentums, die ja auch mit denen des Islam übereinstimmen können,“ sagt er in akzentfreiem Deutsch. „Als konservativ-liberaler Mensch sehe ich meine Wertvorstellungen am ehesten in der CDU vertreten.“ Da liegt der Unternehmensberater nicht ganz im Mainstream seiner türkischen Landsleute in Deutschland, die tendenziell die SPD und die Grünen bevorzugen. Aber immerhin kann die Union auf etwa 2.000 Türken verweisen, die das schwarze Parteibuch haben. 300 von ihnen sind im DTF aktiv. Der Stand der Interessengruppe auf dem Parteitag scheint es sich zur Aufgabe gemacht haben, besonders auf die positiven Aspekte eines EUBeitritts der Türkei hinzuweisen. Sein Land könne zum Tiger unter den EU-Staaten werden, sagt Arslan, nicht ohne Stolz. „Aber wir sehen das realistisch,“ fügt er hinzu, „der Beitritt kann erst in der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts erfolgen.“ In dem Punkt ist die Parteilinie mit ihm d‘accord. Sogar Angela Merkel wich in ihrer Rede an der gewissen Stelle vom Manuskript ab und schloss eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU nicht ausdrücklich aus. Stattdessen bekamen die Delegierten dann zu hören: „Die EU ist nicht in der Lage, die Türkei in absehbarer Zeit aufzunehmen“, was mit auffallend starkem Applaus honoriert wurde. Auch nach den Terroranschlägen in Istanbul und der damit einhergehenden „gerade jetzt“-Mentalität vor allem des Außenministers Fischer, rufen die Konservativen zur Besonnenheit auf. „Die Türkei ist ein befreundetes Land, mit dem wir besonders in der NATO gut zusammenarbeiten,“ stimmt Hans-Gert Pöttering, der Spitzenkandidat der Union für die Europawahl 2004, zu. „Aber bei aller Solidarität können die Attentate nicht die Frage der EU-Mitgliedschaft berühren. Die Türkei muss erst einmal mit ihren Reformbemühungen vorankommen und für die EU ihrerseits gilt es in den nächsten Jahren, die anstehende Osterweiterung zu verkraften.“ Fragt man die anwesenden Türken selbst, so stößt dies bei ihnen auf Unverständnis. Wieso nimmt die Europäische Union ausgerechnet Staaten, in denen mit der Unterstützung der Türkei noch vor 15 Jahren der Kommunismus bekämpft wurde, herzlicher auf als den Verbündeten selbst? Auch die mehrdeutigen Signale aus Deutschland werden kritisch beäugt. Alaverdi Turhan von der türkischen Zeitung „Hürriyet“ drückt es so aus: „Das Gerede von einer guten Ehe nach langer Verlobung ist ja gut und schön, aber wenn es letztendlich nicht zur Hochzeit kommt, bringt uns das auch nichts.“ Ein möglicher Gottesbezug in der Präambel der EU-Verfassung sei laut Turhan kein Problem: „Die Türkei ist seit dem Staatspräsidenten Atatürk aus dem Jahre 1923 ein Land, in dem die Gesetze nicht auf dem Koran, sondern auf der Verfassung basieren. Und das Zusammenleben mit den Christen klappt in Deutschland schließlich auch.“ >> Meldung auf der Webseite der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in einem „SPIEGEL“-Interview bekräftigt, dass er eine EUMitgliedschaft der Türkei befürworte. HOFFNUNG AUF MEHR WÄRME Die Lesben- und Schwulenunion darf sich zum ersten Mal auf einem Bundesparteitag präsentieren. Von Stefanie Blohmer und Greta Taubert Sie sind schwarz, schwul und schwer aus der Bahn zu werfen: Vier elegant gekleidete CDU-Mitglieder haben einen kleinen Stand gleich neben der Presselounge aufgestellt. Eine Schale „Haribo Colorado“ auf der Theke und eine Auswahl an verschiedenen Flyern sollen Passanten zum Anhalten und die CDU in Bewegung bringen. Es sind Mitglieder eines ganz besonderen Arbeitskreises der Christlich-Demokratischen Union: der Lesben-Schwulen-Union, kurz LSU. Zum ersten Mal dürfen sie sich auf einem Bundesparteitag präsentieren. „Die CDU ist zwar konservativ, aber sie öffnet sich endlich für Trends“, sagt Andreas Möhring von der LSU München. Seit fünf Jahren versuchen er und mehr als 250 LSU-Mitglieder bundesweit das Schwarz der CDU mit Regenbogen-Farben aufzuhellen. Mit Erfolg: Sogar der bayerische Staatsminister des Inneren, Günther Beckstein, der in CDU-Kreisen als stockkonservativ gilt, zollt der LSU große Anerkennung: „Die LSU wirkt dem verzerrten Bild, das Rot-Grün von der Union in der Gesellschaftspolitik zu erreichen pflegt, entgegen.“ Soviel lobende Worte gibt es nicht immer. Obwohl seit 1999 ein Gesetz zur eheähnlichen Lebenspartnerschaft in Deutschland existiert, dürfen Homosexuelle in vielen unionsgeführten Ländern nicht im Standesamt, sondern nur notariell heiraten. Beispiel Brandenburg: Laut dem LSU-Bundesvorsitzenden Rolf Ohler lasse sich der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm nicht mal auf eine Diskussion ein. „Schönbohm will die strikte Trennung zwischen der Institution Ehe und einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Gegen Homosexuelle habe er aber nichts.“ Das aber will ihm Ohler nicht recht glauben. Kritische Stimmen tauchen immer wieder auf. Auch auf dem Bundespar- teitag. Da werden den vier schwarzen Querschlägern abfällige Worte an den Kopf geworfen wie: „Das ist Schweinkram, krank und abnormal.“ Das prallt ab. „Futter braucht die Gemeinde“, fällt Ina Helstab von der LSU-Marketing-Abteilung dazu nur ein. Die LSU wird unerbittlich weiter gleiche Rechte für Homosexuelle einfordern: in erster Linie den rechtlichen Anspruch auf Adoption und das Ende des Ehegattensplittings. Aber homosexuelle Patch-WorkFamilien und das traditionelle Familienbild der CDU, wie geht das zusammen? „Die Familie ist eine auf Dauer angelegte Partnerschaft, die generationsübergreifend Verantwortung übernimmt“, so die Definition nach Ohler. Damit gehe es der LSU wie der CDU - und das sei das Entscheidende - um das Wohl der Kinder. Der Vorsitzende des offiziellen Arbeitskreises der CDU Berlin, Jan Kaysers, appelliert: „Überall dort, wo Familie stattfindet, muss das Geld hinfließen.“ So bleibt die Hoffnung, dass es in der CDU jeden Tag ein bisschen wärmer wird . >> Kein Arbeitskreis wie jeder andere: Die Lesben- und Schwulenunion freut sich, dass sich die CDU für Trends öffnet. 14 my orange politik orange politikorange – frisch, fruchtig, selbstgepresst [email protected] > Wer ist politikorange? DU bist politikorange! Du und viele andere engagierte junge Menschen, die daran interessiert sind, Medien selber zu machen und ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Bisher unterstützen die Jugendpresse Deutschland, die Servicestelle Jugendbeteiligung, das Hausaufgabenheft „Häfft“, die KinderRÄchTsZÄnker und die BundesschülerInnenvertretung die aktiven Jugendlichen im Netzwerk. Darüber hinaus arbeitet politikorange mit vielen anderen Initiativen und Verbänden zusammen. Wenn DU dabei sein willst, egal ob als Einzelperson oder als Initiative, bist du herzlich willkommen. > Was ist politikorange? > politikorange.de - die Plattform für politikinteressierte, junge Menschen mit Datenbanken mit interessanten Projekten und Organisationen, Hilfen bei der Projektorganisation und Diskussionsforen. > politikorange - das Magazin. Erschienen zum Beispiel als Magazinbeilage in der Berliner Tageszeitung „taz“- mit Artikeln aus Politik, Lifestyle, Szene, Medien und vielen Infos zu Beteiligungsmöglichkeiten. Du bist dabei: Als Redakteur, Layouter oder Fotograf! > politikorange - die Zeitung. Bei verschiedenen Veranstaltungen entsteht innerhalb weniger Tage eine Zeitung, die das Event kommentiert und begleitet. Noch vor Ort erhal- Diese Zeitung zum CDU-Bundesparteitag ist ein Projekt des bundesweiten Netzwerkes „politikorange“. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Verantwortung für die Anzeigen obliegt unseren Anzeigenpartnern und spiegelt nicht die politische Meinung der Redaktion wieder. ten die Teilnehmer die fertige Zeitung. Eine davon hältst du gerade in der Hand. Auf www.politikorange.de erfährst du, wo die nächste politikorange entsteht und wie du teilnehmen kannst. Aktuelle Infos über die nächsten Veranstaltungen erhältst du auch per Email. Einfach an [email protected] schreiben! > politikorange - die Veranstaltungen. Events, die von Jugendlichen selbst organisiert und konzipiert sind, sollten nicht länger nebeneinander stattfinden, sondern in einen Zusammenhang gestellt werden. politikorange hat einen politischen Anspruch, will Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich eine Meinung zu bilden und diese natürlich frei zu äußern. Wenn du diese Ideen spannend findest und Lust hast, dich mit einzuklinken, melde dich einfach bei [email protected] Alle Ideen sind willkommen! Bis bald, Euer politikorange-Netzwerk KONTAKTANFRAGE Die Politiktage der Bundesregierung im März 2002 werden wohl niemals in Vergessenheit geraten. Weil sie so super organisiert waren? Das nicht, aber weil 20 junge Medienmacher aus ganz Deutschland aus der Idee, einer begleitenden Zeitung zur Veranstaltung, eine eigene, jugendliche Beteiligungsbewegung ins Leben riefen: politikorange - von Jugendlichen für Jugendliche, politikorange- das Netzwerk zur Demokratieoffensive mit den Schlagworten informieren, motivieren und aktivieren. impressum Herausgeber und Redaktion: politikorange - Netzwerk Demokratieoffensive c/o Jugendpresse Deutschland e.V. (JPD) Grolmanstraße 52, 10623 Berlin Tel. (030) 450 865 - 50, Fax (030) 450 865 - 59 [email protected], www.politikorange.de Chefredaktion (V.i.S.d.P): Ingmar Cario, Jochen Markett, Björn Richter, Greta Taubert Onlineberichterstattung: Michael Hartung Redaktion: Rebecca Beerheide, Stefanie Blohmer, Alexander Bode, Pia Dangelmayer, Nawid Hadzaad, Annika Heinz, Tobias Hentze, Hans Heyn, Eva Kopytto, Florian Kubsch, Kira Mörke, Jan-Hendrik Peters, Janina Rogge, Anne-Katrin Schneider, Guido Ulm, Alexandra Wrann Bildredaktion: Matthias Heinekamp Layout: Maximilian Kall Druck: Gruner + Jahr Berliner Zeitungsdruck GmbH Auflage: 20.000 Exemplare Unser Dank geht an: CDU-Pressestelle, Netzwerk Recherche, Süddeutsche Zeitung, Jugendmagazin „yaez“ Vorname / Nachname Straße / PLZ / Ort Telefon / Handy / Fax / E-Mail Medium Ich engagiere mich bei? Ich möchte weitere Informationen über politikorange. Ich möchte bei euch mitmachen, bitte ruft mich zurück. Ich möchte weitere Informationen über die Jugendpresse. Bitte schicke dieses Formular per Post oder Fax an die Jugendpresse Deutschland, Grolmanstraße 52, 10623 Berlin, Fax 030 / 39 69 736. Infos auch unter www.jugendpresse.de oder [email protected]. Du erreichst uns auch persönlich unter 030 / 39 69 519. konzentrat 15 Zeitung zum CDU-Bundesparteitag 1. bis 2. Dezember 2003, Leipzig MERKELS MUT >> Hat gut lachen: Angela Merkel sitzt so fest im Sattel wie noch nie. In der Kanzlerfrage der Union wird Angela Merkel immer mehr zur Favoritin. Von Janina Rogge sind ähnlicher Ansicht. „Wenn Angela Merkel keine Fehler mehr macht, wird sie das Rennen für sich entscheiden, auch wenn ich persönlich Roland Koch bevorzuge“, erklärt der junge BadenWürttemberger Peter Wick. „Stoiber hatte seine Chance“, meint Dirk Fischer, der Landesvorsitzende der CDU Hamburg. Aber auch wenn viele Delegierte eine persönliche Meinung haben - entschieden wird laut dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Union, Markus Klein, frühestens 2005: „Das werden wir in aller Ruhe klären.“ Dies ist sicherlich die offizielle Linie der Union, dennoch kann man nicht leugnen, dass dieser Parteitag beeinflussend für viele Delegierte war. So sieht Richert Meng, Redakteur der „Frankfurter Rundschau“, den geringeren Applaus für Stoiber als Anzeichen, das die Delegierten ihn nicht als Kanzlerkandidaten sehen wollen - schon eher als Bundespräsidenten. Der Applaus am Montag war sicherlich nicht überwältigend. Dennoch kam Angela Merkel, die Parteivorsitzende der CDU, auf dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig weitaus besser an als ihr Contrapart Edmund Stoiber (CSU). Das lag sicherlich daran, dass sie wegweisend wurde. Viele Delegierte schätzten diese Nüchternheit und die Konzentration auf das Wesentliche. Nach Meinung von Thomas Roth (Leiter des ARD-Hauptstadtstudios) ist es Merkel gelungen, die Partei hinter sich zu bringen. „Man kann nun nicht mehr sagen, dass die Union kein Konzept hat“, sagt Veronika Bellman, sächsische Delegierte. „Nun sollte auch klar sein: Wer Merkel schlachtet, schlachtet die Union.“ Auch Volker Liepeld aus Berlin hat die Rede gefallen. Und auch er sieht Merkel als Kanzlerkandidatin, da sie „ihre Führungsstärke ausgebaut hat und sich strategisch gut und mutig verhält.“ Viele Delegierte jugendpresse-infos | www.jugendpresse.de PRAKTIKA LEICHT GEMACHT „Praktika-Knigge“ ab sofort zu bestellen Um erfolgreicher Journalist zu werden, müsst ihr viele Praktika machen. So tönt es überall doch wie komme ich an ein Praktikum, welche Redaktion ist die beste für mich, wie lange soll das Praktikum dauern und was sind die rechtlichen Grundlagen, auf die ich aufpassen muss? Diese und viele weiteren Fragen beantwortet der „Praktikaknigge“, der kürzlich in Buchform erschienen ist. Der Autor Stefan Rippler (Projektleiter pla- net- praktika.de) ist ebenfalls noch ein Jugendpressler, der hervorragend versucht Fragen zu beantworten und Tipps zu geben. Die Broschüre ist für eine Gebühr von 1,00 Euro (zzgl. Versandkosten) bei der Jugendpresse Deutschland unter 030/450 86 550 oder [email protected] zu erhalten. MIT DEN MEDIEN IN DIE PAMPA Jugendmediencamps Zu Pfingsten geht die Jugendpresse zelten und das nun schon zweifach. So findet neben dem traditionellen Jugendmediencamp zwischen Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nun auch ein Jugendmediencamp zwischen Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein statt. Dabei wird auf einem Zeltplatz für fünf Tage eine Zeltstadt aufgebaut, die von hunderten Jugendmedienmacher bevölkert wird. Diese können bei den Workshops zur Campzeitung, Kabarett, PlakArt u.v.m. ihr Fähigkeiten unter Beweis stellen und ausbauen. Wer schon jetzt bei der Organisation mithelfen möchte oder einfach die Berichte von diesem Jahr sucht, findet mehr Infos unter www.jugendmediencamp.de oder www.jmc-nw.de. MIT DER JUGENDPRESSE INS FERNSEHEN „Schreinemakers“ sucht Schülerreporter Es ist unsere Generation, die den Kopf hochhebt und gelangweilt den ganzen Pessimisten entgegen ruft: „Guten Tag, ich will mein Leben zurück!“ Es sind die Kämpfer und Idealisten, die hinter ihren Schulbänken sitzen, einer Ausbildung frönen oder als Student ihr Wissen nicht nur aus Nüssen mit Rosinen beziehen. Und trotzdem hat unsere Generation ein schlechtes Image. Die Jungen beachten die Alten zuwenig, spucken auf den Boden und generell ist unser Auftreten mehr als unnormal. Kurz: „Wir sind verdorbene, verlorene Schlüsselkinder. Wir spielen Computer und zocken Spielekonsolen, sprechen offen über Sex und Globalisierung - haben aber auch nichts gegen das neue Parfüm von Naomi Campbell.“ Die ARD-Sendung „Schreinemakers“ mit der beliebten Moderatorin, Journalistin und leidenschaftlichen Mutter Margarethe Schreinemakers sucht gemeinsam mit der Jugendpresse Deutschland, Jugendliche die sich für ihre Generation einsetzen. Jungs und Mädels wie Ihr, die sich nicht zu schade sind etwas von Ihrer Motivation und Erfolgen der Republik zu vermitteln. Wer also Lust hat einmal als Schülerreporter für die Sendung Schreinemakers unterwegs zu sein, oder ein spannendes Projekt oder Thema kennt, der ist eingeladen mitzumachen! Unter http:/ /schreinemakers.jugendpresse.de findet Ihr weitere Info´s oder einfach eine Mail an schreinemakers@ jugendpresse.de senden. 16 quietschorange politik orange GEREIFTE PRODUKTE IM SONNENLICHT >> Das Kind im Manne: Auch ein Parteitagsdelegierter kann nicht immer nur Antragsbücher wälzen. Eine Orange versucht im Sponsoringbereich des Parteitags vergeblich, Porsche zu fahren. Von Kira Mörke Adventszeit ist Orangenzeit. Was die Obstindustrie für selbstverständlich hält, ist für uns nur Zeichen eines starken Geburtenmonates. Unsere zweibeinigen Freunde haben dagegen mit ihren Geburten so einige Probleme. In der Fachsprache nennen sie das demographischen Wandel. Und weil ihr ganzer Reife- und Ernteprozess eine Schlechtwetterperiode durchmacht, werden wir zur mentalen Unterstützung der Delegierten nach Leipzig zum Bundesparteitag der CDU geschickt. Wir sind unparteiische Profis und wussten, was uns erwartet. Dennoch war insbesondere der Weg zum Plenarsaal schwer zu kullern, führte er doch durch die Sponsorenhalle. Das fanden wir aus orangener Sicht komisch, da es bei uns keine Aussteller mit Werbegeschenken, smartem Lächeln und souveräner Fragetechnik gibt. Haben die Zweibeiner mit ihrem Ernteproblem nicht schon genug zu tun? Gern erinnert man sich an den Kieler Bundesparteitag, wo im Jahre 1975 lediglich ein „Aussteller“ den Delegierten Gutes tun wollte. Das waren noch Zeiten. In diesem Jahr sind es 72 Aussteller, die auch vitaminös einen guten Eindruck machen. „Die Aussteller bewerben sich bei uns im Vorfeld. Meist basiert diese Zusammenarbeit auf einer langjährigen Kooperation“, verrät der vielbeschäftigte Organisationsleiter Ulf Leisner. Fast ein Orangenleben davor, genauer neun Monate, starten die Verhandlungen. Stände werden verteilt, Plätze gebucht und Vorfreude geschürt. Entspannte Orangenhaut An einigen Ständen kann man(n) einfach nicht vorbei. Wenn Verbände der Automatenwirtschaft zum Shuffleboard einladen, werden aus steifen Anzugträgern kleine Spitzensportler mit Siegeswillen. Auch ErnstReinhard Beck, Bundestagsabgeordneter und Oberst der Reserve im Verteidigungsausschuss, kann beim simulierten Kugelstoßen per Joystick nicht widerstehen. Wir hingegen haben Mitleid mit den in Plastik gegossenen Babyorangen in der knallbunten Konsole der Spielautomaten. „Das Kind im Manne ist einfach zu stark. Hier war zufällig frei, und ich muss doch informiert sein, was die Jugend heute so macht“, kommentiert der junggebliebene Beck, dessen Orangen immer vom Jetlag klagen. Wir trösten unsere Kollegen und wünschen ihnen eine entspannte Orangenhaut im Regierungsalltag. Des weiteren weist Beck auf die Lichtprobleme in der CDU-Plantage hin: „Die Dunkelheit im Plenum macht einen ganz müde.“ Der clevere Aussteller reibt sich in diesem Moment die Hände. Produkte im Sonnen - bzw. wie die Zweibeiner sagen, Rampenlicht - vermitteln einfach bessere Werbebotschaften. Die kleine „Messe“ erfreut sich sichtlich an der guten Stimmung der Passanten, und wir kugeln uns schon fast vor Lachen in den freudig geschwungenen Taschen und Täschchen. Mitten im Saal kitzelt plötzlich der Geruch von Neuem in der Nase. Bei Porsche wären die Standtüren schon eingerannt, wenn es welche gäbe. Nur leider ist das beste Stück weder Probe zu sitzen, geschweige denn zu fahren. „Der Messewagen vom Modell Carrera GT wird nur in Ausnahmefällen geöffnet“, so die 26-jährige Werksangestellte Sandra Reiche. Augenzwinkernd lächelt sie ihrem Kollegen zu, bevor ihr Blick wieder zum eigenen Ausstellungsobjekt schwenkt. Ein kleiner Spalt im Fenster hätte für uns gereicht, den Sprung ins Innere zu machen. Aber wir resignieren. Die VIP‘s hingegen genießen ihren Status. Laurenz Meyer und Peter Hintze geben sich hier die frischpolierte Autotür in die Hand. Das gehört dazu. Die Region der hiesigen Zweibeiner mit ihren süßen Aussprachefehlern kann sich freuen, da ihnen die mediale Präsenz wichtig ist. Firmen wie Wurzener nutzen die Gelegenheit, die eigene Produktpalette in ihrer gesamten Fülle vorzustellen. Produkte der neuen Bundesländer schaffen so den Sprung zum Absatzmarkt der alten Republik. So tun sich Partei wie Region etwas Gutes. Dem gemeinen Besucher bleibt jedoch die wahre Wohltätigkeit vergönnt. Hinter den Kulissen regiert der Philip Morris Presseservice - ein Tummelplatz für unsereins. Journalistenherzen schlagen höher bei diesem „All-Inclusive-Angebot“. Es soll an nichts fehlen, sogar für die Zigarette danach ist gesorgt. Pressesprecherin Antje Köhler, die die gesamte Orangenorganisation mit überraschender Gelassenheit sieht, will Wohlbefinden verbreiten. Kommunikativ ist sie immer am Ball und vergisst bei der ganzen Anonymität nicht, liebevoll mit den Journalisten ins Gespräch zu kommen. Dabei gilt ihr Credo, dass guter Service die Basis guter Arbeit ist. Wenn Sponsoring so einfach ist, sollten auch wir Orangen über die Erfindung dieser Marktlücke debattieren, um sie anschließend zu schließen. Die Zweibeiner erklären uns in diesem Atemzug, was es heißt, Lobbyismus zu betreiben. Ständige Gesprächspartner sind nun einmal die wertvollsten. Wir werden diesbezüglich in naher Zukunft zusammenrollen und darüber entscheiden, ob eine Teilfinanzierung unserer ROLL-INs und smarte Verkäufer mit Honig in den Haaren die Inhalte und Visionen der Vereinigten Saaten von Obstsorten voranbringen. Gedankenvoll rollen wir schließlich vom Parteitagsgelände und sinnieren über die vielzitierten Worte von Henry Ford: „Die Hälfte des Geldes, die ich für Werbung ausgebe, gebe ich umsonst aus. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“