SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst

Transcrição

SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
Amazonas-Urwald und Weltklima
Autorin: Gudrun Fischer
Redaktion: Detlef Clas
Regie: Carola Preuß
Sendung: Montag, 16. April 2012, 8.30 Uhr, SWR2
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Dieses Manuskript enthält Textpassagen in [Klammern], die aus Zeitgründen in
der ausgestrahlten Sendung gekürzt wurden.
MANUSKRIPT
Musik
Atmo 1: Im Urwald, laute Grillen, Frösche, Wasser tropft, es rauscht ein wenig,
dazwischen kreischende Vogelrufe (ein paar Sekunden stehen lassen)
Cut 1: Andréa Arana
Emite vapor de água da atmosfera. Este vapor de água ele é transportado não só para
a própria região, nas chuvas, mas como outras regioes do Sul do Brasil por exemplo e
para outras regioes através dos movimentos convectivos globais. Aí já entram
movimentos gigantescos, tudo isto, por ela ser a maior floresta, representando mais ou
menos 40 porcento da área total de floresta do planeta, atinge o clima global
exatamente por isto. Por ainda ser uma floresta intacta e por ter estas inteferências
regionais e mais continentais. Porque o Brasil é um país continental.
Übersetzerin:
Der Amazonasurwald gibt unglaublich viel Wasserdampf in die Atmosphäre ab. Hier
stehen 40 Prozent des ganzen Urwalds der Welt und dieser Urwald ist noch intakt! Der
Wasserdampf von hier strömt nicht nur bis nach Südbrasilien, sondern geht auch in die
gigantischen Luftbewegungen über der Erde ein. Der Amazonasurwald beeinflusst das
regionale und das weltweite Klima, denn der Urwald hat kontinentale Ausmaße.
Brasilien ist ja so groß wie ein Kontinent.
Cut 2: Carina Prado
É claro que está tudo entrelaçado, muito complexo, mas o que você consegue assim
deslumbrar, já é o início de uma série de questoes que vem em seguida mas que
ajudam a gente entender melhor como este bioma interage com o clima, com outros
biomas e que formam este equilibrio climático do planeta.
Übersetzerin:
Es ist alles miteinander verbunden und unübersichtlich. Das, was wir hier am
Amazonasinstitut entdecken, führt zu immer neuen Fragen. Trotzdem verstehen wir im
Laufe der Zeit besser, wie ein Ökosystem mit dem Klima und mit anderen Ökosystemen
zusammenwirkt und wie die Welt im Gleichgewicht bleibt.
Ansage:
Amazonas-Urwald und Weltklima
Eine Sendung von Gudrun Fischer
Musik
Sprecherin:
Wie entsteht der Regen über dem Amazonasurwald? Wie wirkt sich die Abholzung auf
den Regen und das Klima am Amazonas aus? Mit diesen Fragen fahre ich in den
brasilianischen Urwald. Ich weiß, dass am Amazonasforschungsinstitut INPA in Manaus
dieselben Fragen gestellt werden. Dazu kommt ein ganz neuer Aspekt: Hat die
Klimaerwärmung Auswirkungen auf den Urwald? Sind die Trockenperioden von 2005
und 2010 Vorboten der Klimaerwärmung?
2
Ich treffe die Chemikerin Andréa Arana. Sie schreibt ihre Doktorarbeit über Aerosole am
Klimazentrum des Amazonasforschungsinstituts in Manaus. Aerosole sind kleinste
Partikel in der Luft, die für die Regenbildung unerlässlich sind. Nördlich von Manaus
liegt das Waldgebiet, in dem INPA forscht.
Cut 3: Andréa Arana
É uma área enorme, uma reserva biológica que o INPA detem e acho que cerca de 22
mil kilômetros quadrados. E são divididos em setores e um dos setores que o LBA tem
todos os experimentos lá se chama ZF2. Dentro da ZF2 tem todo uma estrutura de
alojamentos e de transportes e de pessoas lá e tem um container, dentro dele existem
vários equipamentos para medidas de aerosóis, voltados á química da atmosfera, as
VOCs também. Saindo de Manaus oitenta à cem quilómetros de estrada asfaltada e a
partir do quilómetro 50 tem um ramal de estrada de terra que você tem que adentrar a
floresta de mais uns 34 quilómetros.
Übersetzerin:
Die Fläche ist riesig, ein 22.000 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet im Urwald.
Von Manaus müssen wir erst 80 Kilometer auf geteerter Straße fahren und dann noch
mal 34 Kilometer auf Schotterpiste. Das Naturschutzgebiet ist in Planquadrate unterteilt.
In einem liegt ein Basiscamp, das zu unserer Abteilung Klimaforschung gehört. Das
Camp bietet Übernachtungsmöglichkeiten und eine Küche. Außerdem parken dort
Vierradroller; damit transportieren wir Geräte zu den hohen Mess-Türmen. Von einem
dieser Türme stammen meine Proben.
Sprecherin:
[Die Chemikerin gibt mir Tipps für meine Fahrt in das Urwaldcamp und beruhigt mich:
Es werde dort gut für mich gesorgt.] Am nächsten Morgen treffe ich vor dem Institut den
Botaniker Bruce Nelson und die Forstwissenschaftlerin Suelen Felizatto. Sie müssen
auch zum Camp, denn ihre Kamera auf dem Turm ist defekt. Ein Jeep holt uns ab.
Schnurgerade über Täler und Hügel führt die frisch geteerte Straße in Richtung Norden,
die venezuelanische Grenze liegt in einigen Hundert Kilometern Entfernung. Auf dem
letzten Abschnitt rumpelt der Jeep durch dichten, hohen Urwald. Die glitschige Straße
ist vom Regen der letzten Tage aufgeweicht. „Winter“ wird diese Zeit zwischen Oktober
und Mai in Manaus genannt. Tagsüber steigt das Thermometer auf 32 Grad, aber der
schwere Regen, der nachmittags oder abends herunterkommt, kühlt die Luft ein wenig
ab.
Atmo 2: Im Basiscamp, Schritte, Stimmen.
Unter dem nächsten Text Kreuzblende zu
Atmo 3: Motorroller, Stimmen.
Sprecherin:
Das Camp besteht nur aus einem zweistöckigen Holzhaus. Statt von Wänden wird das
Gebäude von Moskitonetzen eingehüllt. Ein Pfad führt unter Bäumen zu den
Sanitäreinrichtungen. Der Koch warnt vor Schlangen, die in der Dusche liegen könnten.
Er bietet uns einen Imbiss an, aber Bruce Nelson und Suelen Felizatto haben es eilig,
zum Forschungsturm zu kommen. Unser Fahrer startet den Vierradroller. Wir schlittern
zwischen hohen Bäumen über Planken, die über den überschwemmten Abschnitten
des Urwaldes liegen. [Um ein Haar landen wir mit all unseren Geräten im Wasser. Es ist
sicherer, die zwei Kilometer zum Turm zu Fuß zu gehen.] In diesem Urwaldabschnitt
gibt es wenig Unterholz. Mir fällt auf, wie pfeilgerade die Baumstämme nach oben
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ragen; sie tragen unten keine Äste, keine Blätter. Die Stämme sind alle weiß. Das sei
aber nicht die Farbe der Rinde, sondern Flechten, klärt mich der Botaniker auf.
Atmo 1: Im Urwald, laute Grillen, Frösche, Wasser tropft, es rauscht ein wenig,
dazwischen kreischende Vogelrufe
Sprecherin:
Der Forschungsturm ist ein 54 Meter hohes Metallgerüst. Erinnert mich an einen zu
klein geratenen Eiffelturm. Unten ist die Basis breit, nach oben werden die Plattformen,
die jeweils zwischen vier Treppenabschnitten liegen, immer kleiner. Unten am Turm ist
es laut. Grillen zirpen, Frösche quaken, Vögel schrillen. Offensichtlich machen die
kleinen Tiere im Amazonasurwald den größten Lärm. Wir steigen die steilen
Aluminiumleitern hinauf. Die Urwaldgeräusche verklingen.
überblenden zur
Atmo 4: Auf dem Turm, leises Piepsen, Klacken und Rauschen der Bäume
Sprecherin:
Der Turm ist mit Stahlseilen abgespannt. Trotzdem schwankt er ein wenig. Je höher ich
komme, desto wackliger werden meine Knie. Krampfhaft halte ich mich an der
Aluminiumverstrebung fest. Gemächlich überfliegen Vögel die Baumwipfel. Ich habe
freie Sicht über die Bäume.
Atmo 4: Auf dem Turm, leises Piepsen, Klacken und Rauschen der Bäume
Sprecherin:
Auf der obersten Plattform ist gerade mal Platz für drei Personen und ein paar Geräte.
Bis zum Horizont dehnt sich das wellige, grüne Blättergeflecht der Baumkronen. Von
oben sehen die Urwaldbäume aus wie eine weiche, moosige Matratze. Bruce Nelson
und Suelen Felizatto wollen wissen, wie der Urwald die beiden Trockenperioden von
2005 und 2010 verarbeitet hat. Sie betrachten einen kleinen Ausschnitt von etwa 50
Bäumen unterhalb des Turms. Diesen Ausschnitt fotografiert ihre fest installierte
Videokamera seit vier Monaten alle zehn Minuten. Die beiden gehen einer neuen
wissenschaftlichen These nach, die konträr zu bisherigen Vorstellungen ist: dass der
Urwald während der Trockenphase nicht weniger, sondern mehr Blätter ausbildet.
Bruce Nelson:
Atmo 5: Leise Urwaldatmo
Cut 4: Bruce Nelson
O que estimulou isto aqui é uma séria de artigos nos últimos quatro ou cinco anos
sobre o chamado „greening up“ da Amazônia. A idéia de que a Amazônia bota folhas
na estação seca sugere que ela é mais resistente á seca do que alguns possam
imaginar. Significa que a floresta tem uma certa resistência as secas mais prolongadas
que são previstas pelos modelos de mudança climática.
Übersetzer:
In den letzten fünf Jahren erschienen diverse Artikel über das sogenannte „greening
up“, das Ergrünen des Amazonaswaldes. Das Thema interessierte uns. Hinter der
Vermutung, dass der Urwald in Trockenzeiten mehr Blätter entwickelt, steht die These,
dass der Urwald viel resistenter ist als gedacht. Dass er gegen längere
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Trockenperioden, die wegen der Klimaerwärmung zu erwarten sind, sehr gut
gewappnet ist.
Atmo 5: Leise Urwaldatmo
Cut 5: Suelen Felizatto
É a savanização da Amazônia. Tendo mudanças no clima podem ter eventos mais
extremos de seca. Então como a floresta vai responder a esta seca? Ela vai ser
savanizada ou ela vai até produzir mais e absorver mais CO2 da atmosfera.
Übersetzerin:
Es gibt die Theorie der Savannifizierung bestimmter Gebiete im Amazonasurwald. Doch
wird aus Urwald wirklich Steppe werden? Oder wird der Wald im Gegenteil einfach
wachsen und noch mehr CO2 als bisher aus der Atmosphäre aufnehmen?
Sprecherin:
Das Stichwort „Savannifizierung“ des Urwaldes beunruhigte in den letzten Jahren die
wissenschaftliche Gemeinde. Der Amazonasurwald ist die grüne Lunge des Planeten
und bildet Sauerstoff. Zusätzlich gilt er auch als sogenannte „CO2-Senke“. Denn er
nimmt – so ist die gängige Lehrmeinung – eine große Menge des menschengemachten,
klimaschädlichen CO2 aus der Atmosphäre auf und bindet den Kohlenstoff in seinen
Blättern und seinem Holz. Wenn aus dem Urwald eines Tages Savanne wird, kann er
dann seine Klimaaufgaben noch übernehmen? Botaniker Bruce Nelson denkt, ja.
Atmo 5: Leise Urwaldatmo
Cut 6: Bruce Nelson
Talvez tendo menos chuva e mais sol, a floresta pode ser que ela cresça mais. Mesmo
com a estação seca mais intensa.
Übersetzer:
Ist der Amazonaswald eher vom Licht oder eher vom Regen abhängig? Wenn er mehr
vom Licht abhängt, könnten Trockenperioden das Wachstum beschleunigen.
Atmo 5: Leise Urwaldatmo
Cut 7: Suelen Felizatto
Está fundamentado na idéia de que a radição ela vai consegueir penetrar mais e
chegar até a superfície porque tem menos nuvens para bloquear. Então as plantas
estariam aproveitando esta fase com folhas mais jovens e com metabolismo mais alto
para aproveitar esta energia que está chegando em maior quantidade.
Übersetzerin:
Unsere Theorie ist, dass während der trockenen Phasen die Lichtstrahlen besser zu
den Bäumen gelangen, weil es weniger Wolken gibt. Dann können die Bäume mehr
Energie umsetzen und neue, junge Blätter ausbilden. Sie würden die stärkere
Sonneneinstrahlung ausnutzen und wachsen.
Atmo 5: Leise Urwaldatmo
5
Sprecherin:
Suelen Felizatto ist zufrieden mit dem Zustand ihrer Kamera. Weder Regen noch
Insekten haben sie beschädigt. Die Störungen, die sie in Manaus auf den über Satellit
übertragenen Fotos sah, sind Lichtstreuungen. Nun misst sie mit einer Laserkamera die
Abstände zu den fotografierten Bäumen. [Ich habe viel Zeit, die grüne Matte unter mir
genauer zu betrachten. Erst nach und nach unterscheide ich die einzelnen Kronen.
Jede Baumkrone hat ein eigenes Blättermuster und einen eigenen Grünton.
Zwischendurch ragen weiße, trockene Äste empor.] Ein Baum ist rötlich. Das sind rote,
bohnenartige Früchte, sagt Bruce Nelso.
Cut 8: Bruce Nelson
A temperatura da Amazônia tem aumentado. A temperatura do mundo todo está
aumentando.
Übersetzer:
Die Temperaturen im Amazonasgebiet sind gestiegen. Wie überall auf der Welt wird es
auch hier wärmer.
Cut 9: Suelen Felizatto
Não tem tantos dados ainda. Mas as pessoas que moram aqui dizem que está mais
quente. Que está mais seco.
Übersetzerin:
Wir haben noch nicht genug Daten, aber alle Leute hier sagen, dass es heißer und
trockener geworden ist.
Kreuzblende zu
Atmo 6: Urwaldatmo mit lautem Regen, Grillen und Rauschen
Sprecherin:
Nach drei Stunden kündigt sich mit grauen Schwaden und einem lauten Rauschen eine
Regenfront an. Schnell verpacken Bruce Nelson und Suelen Felizatto ihre Geräte. Die
beiden sind zufrieden mit ihren Messungen, wissen aber, dass ihre Beobachtungen zur
Untermauerung ihrer These nicht ausreichen. [Sie hängen die Gerätetaschen oben in
den Seilzug. Langsam gleitet die Fracht hinab. Ein Gewitter auf dem Turm wäre
gefährlich. Da es nicht donnert und blitzt, warten wir mit dem Abstieg.] Nach einer
halben Stunde ziehen die Wolken weiter, die Sicht klart auf. Aus allen Mulden im
Blätterdach steigt Wasserdampf nach oben. Ein Regenbogen legt sich über die grüne
Pracht.
Atmo 1: Im Urwald, laute Grillen, Frösche, Wasser tropft
Sprecherin:
Am Abend setzt starker Regen ein und die Temperaturen sinken auf kaum über 20
Grad. Frosch- und Grillengesänge begleiten mich in den Schlaf.
Atmo 1: Im Urwald, laute Grillen, Frösche, Wasser tropft
Sprecherin:
Am Morgen regnet es immer noch. Ich denke über mein Gespräch mit Paulo Artaxo
nach, das komplett im Widerspruch steht zur These von Bruce Nelson und Suelen
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Felizatto. Paulo Artaxo, einer der bekanntesten Klimaforscher im Amazonasurwald, ist
von Haus aus Physiker und lehrt an der Universität in São Paulo. Mindestens einmal im
Monat fliegt er die 3.000 Kilometer in den Norden nach Manaus.
Cut 10: Paulo Artaxo
Nós tivemos uma seca muito intensa em 2005, uma outra seca intensa em 2010. Agora
vejam bem com dois eventos é impossível você atribuir estas secas ou as mudanças
climáticas globais ou à atção do homem direto. Sim, nós observamos locais de seca, o
experimento tem 15 anos sómente e não é possível em 15 anos dada a enorme
variabilidade climática do dia a dia, de ano para ano, dizer com certeza e com boa
estatística de que olha, choveu menos ou choveu mais ou choveu de maneira diferente.
Übersetzer:
Ja, wir hatten hier im Amazonasgebiet 2005 und auch im Jahr 2010 eine extreme
Trockenheit. Aber zwei einzelne Ereignisse können wir nicht der globalen
Klimaerwärmung oder menschlichen Einflüssen zuschreiben. Zugegeben, wir finden
neu ausgebildete Trockengebiete. Doch ich muss warnen: Nach nur 15 Jahren
Klimaforschung in der Amazonasregion können wir statistisch nicht belegen, ob es
weniger oder mehr oder anders geregnet hat. Dass Temperaturen und Niederschläge
hier extrem schwanken, ist normal.
Sprecherin:
Kurz vor dem Mittagessen betreten die Physikerin Lívia Oliveira und ihr Fahrer das
Camp. Sie geht schnurstracks zum Forschungscontainer, in dem Motoren dröhnen.
Atmo 7: Im Urwald beim Container. Grillen, Motoren dröhnen
Cut 11: Lívia Oliveira
Esta é a torre onde é colocado os inlets, onde são captados, está vendo as coisas
pendurado nela, aquele tubinho branco lá, em várias alturas. Estes são aonde são
capturadas as massas de ar que são levadas para os instrumentos. Aí que são feitas
as medidas dos instrumentos. Uns 40 e pouquinho. Aqui também temos uma mini
estação meterológica, ela é automática, fica toda justada, só la dentro via computador
bate os dados.
Übersetzerin:
Hier steht unser kleiner Forschungsturm. Die weißen Röhrchen dort oben am Gerüst
sind in unterschiedlichen Höhen angebracht. Durch diese Röhrchen wird die Luft über
dem Urwald angesaugt, hier runtergeleitet und durch einen Filter gepresst. So fangen
wir Aerosole aus der Luft auf; das sind feinste Schwebeteilchen, die zur Regenbildung
beitragen. Parallel dazu erheben wir meteorologische Daten. Drinnen im Container
speichern Computer die Daten ab.
Sprecherin:
Lívia Oliveira schaut am Forschungsturm hinauf. Ein Bündel Kabel und Schläuche führt
von den Messinstrumenten an der Spitze des Turms in Höhe der Baumkronen hinunter
zu den dröhnenden Maschinen. Die Physikerin öffnet einen Messapparat und entnimmt
zwei runde, wattierte Filter. Durch diese Filter ging die Luft von unterschiedlichen Höhen
aus dem Urwald und hinterließ in der Watte die Aerosole. Aerosole entstehen meist
durch natürliche Prozesse und dienen als Kondensationskerne für Wasser in der
Atmosphäre, erklärt sie.
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Atmo 7: Im Urwald beim Container. Grillen, Motoren dröhnen
[Cut 12: Lívia Oliveira
São muito pequenos, são da órdem de nanometros. Esse aqui você vê que ele está um
pouco amarelado. O próximo que eu vou colocar você vai poder ver que ele está bem
branquinho. Ele já vem montado, preparado de São Paulo. Oh, está branquinho. É o ar
daqui, do arredor.
Übersetzerin:
Sie sind sehr klein, nur nanometergroß. Hier, schauen Sie, dieser gebrauchte Filter ist
ein wenig gelb von den Aerosolen und dieser andere ganz weiß. Die Leute aus São
Paulo schicken die Filter fertig zugeschnitten hierher. Jetzt setze ich die neuen Filter
ein.
Atmo 7: Im Urwald beim Container. Grillen, Motoren dröhnen
Sprecherin:
Lívia Oliveira wickelt die gebrauchten Filter in Alu-Papier. Sie kommen in eine Kühlbox,
damit keine Bakterien oder Feuchtigkeit sie verschmutzen. Kompressoren trocknen die
eingesaugte Luft, bevor das Messgerät sie aufnimmt.] Die feuchten Winde, die vom
Atlantik Richtung Manaus wehen, überqueren auf einer Strecke von 1.500 Kilometern
den Urwald, ohne in Kontakt mit Luftverschmutzung zu kommen. Die Luft über dem
Amazonasurwald ist fast überall immer noch so sauber wie die Luft in vorindustrieller
Zeit. Deswegen ist sie so interessant für die Forschung.
Atmo 1: Überblenden in die Urwald-Atmo ohne Kompressorenlärm, laute Grillen,
Frösche, Wasser tropft, es rauscht ein wenig, dazwischen kreischende Vogelrufe
Sprecherin:
Mehr als tausend Forscherinnen und Forscher aus allen Ländern erheben an 15 im
Amazonasgebiet verteilten Türmen Daten. Sie arbeiten für das „LBA“, das sogenannte
„großflächige Biosphären-Atmosphären Experiment“ mit Sitz im
Amazonasforschungsinstitut in Manaus. Die Forschungstürme stehen viele Hundert
Kilometer voneinander entfernt in verschiedenen Urwaldregionen.
Atmo 1: Im Urwald, laute Grillen, Frösche, Wasser tropft, es rauscht ein wenig,
dazwischen kreischende Vogelrufe
Sprecherin:
Gleich holt Lívia Oliveira noch die Regenwasserproben von einer anderen Messstelle
im Urwald. Dann bringt ihr Fahrer uns in die Millionenstadt Manaus zurück. Diese
legendäre Urwaldstadt liegt am Rio Negro. Kurz hinter Manaus fließen Rio Negro und
Solimoes zum Amazonas zusammen. 20 Prozent des Süßwassers der Welt
transportiert dieser Strom zum Atlantik. Bei Manaus ist er immer noch so tief, dass
Hochseeschiffe am Hafen anlegen. Obwohl die Stadt so groß ist wie Berlin, führen nur
zwei Straßen nach Manaus.
Musik
8
Sprecherin:
Ich begleite Lívia Oliveira zum Klimazentrum im Amazonasforschungsinstitut. Sie
überbringt der Chemikerin Andréa Arana in ihrem Labor Aerosolproben.
Atmo 8: Laboratmo
Cut 13: Andréa Arana
O professor Artaxo tem trabalho deles da década quando eu nasci. (lacht) Na década
de oitenta. Na Amazônia dos últimos dez anos que tem se intensificado mais. O que a
floresta estava emitindo, estas particulas sólidas como por exemplo fungos, bactérias,
pólen, pedacinhos microscópics de folhas, emfim, tudo isto vai para a atmosfera, fica
em suspenção além de um transporte atmosférico que existe do Oceano Atlântico são
compostos na atmosfera muito ricos em sódio e cloro.
Übersetzerin:
[Mein Doktorvater Paulo Artaxo begann mit seinen Arbeiten über Aerosole schon in den
Achtzigerjahren. Das war, bevor ich auf die Welt kam! Aber] in den letzten zehn Jahren
haben wir hier am Amazonas die Aerosolforschung intensiviert. Wir fanden heraus,
dass der Wald selbst feste Teilchen in die Luft abgibt. Das sind Spuren von Pilzen, von
Bakterien, Pollen, mikroskopisch kleine Bruchstücke von Blättern. Das alles schwebt in
der Atmosphäre. Dazu kommen Salze vom Atlantik, Chlor und Natrium.
Atmo 8: Laboratmo
Sprecherin:
Der Regen kommt zum Teil von der feuchten Luft, die vom Atlantik zum
Amazonasgebiet zieht. Ein weiterer Teil des Regens besteht aus der Feuchtigkeit, die
der Wald selbst produziert. Dass der Urwald nicht nur Feuchtigkeit, sondern biogene
Aerosole abgibt, die zur Regenbildung beitragen, [sagt Andréa Arana, ist eine neue
Erkenntnis aus dem Klimazentrum des Amazonasinstituts. Das] bedeutet, dass der
Urwald einen sich selbst regulierenden Regenkreislauf hat. Die Chemikerin kartiert die
biogenen Aerosole nördlich von Manaus. Weil die Artenzusammensetzung der Bäume
sich von Urwaldregion zu Urwaldregion unterscheidet, bildet die
Aerosolzusammensetzung fast so etwas wie einen Fingerabdruck für jede Region, sagt
die Wissenschaftlerin. Obwohl ohne Aerosole kein Regen entsteht, kann eine zu hohe
Teilchen-Dichte schaden.
Cut 14: Andréa Arana
Já ha imagens de satélites e outros trabalhos também mostram claramente uma
grande quantidade de aerossóis proveniente de queimadas que inhibe a formação da
nuvem.
Übersetzerin:
Satellitenbilder und auch andere Arbeiten zeigen enorme Mengen von AscheAerosolen, die bei Waldbränden in die Luft geschleudert werden. Sie verhindern die
Regenbildung.
Atmo 8: Laboratmo
9
Sprecherin:
Jeder Tropfen Wasser, erklärt mir Andréa Arana, steigt mindestens drei Mal vom
Urwald in die Wolken auf, bevor er über die Flüsse das Amazonasgebiet verlässt. Vom
Amazonasurwald sind bereits 20 Prozent abgeholzt und jede Abholzung war begleitet
von Waldbränden. Was das Feuer bewirkt, untersuchte Paulo Artaxo.
Cut 15: Paulo Artaxo
Fizemos experimentos em regioes da Amazônia perturbadas pela ação do homem, por
exemplo em Rondônia, onde cerca 40 porcento do estado já foi desmatado. E nós
observamos propriedades de nuvens radicalmente diferente das propriedades das
nuvens naturais. Na atmosfera natural da Amazônia nós temos cerca de 300 partículas
por centímetro cúbico. No centro da Europa este número é da ordem de 10.000 à
quinze mil partículas por centímetro cúbico. Em Rondônia ela é da ordem de sete mil à
dez mil partículas centímetro cúbico. Isto tem uma consequencia: Tendo mais
partículas e tendo a mesma quantidade de vapor dágua, as gotas de nuvens que se
formam são muito menores em tamanho e elas acabam evaporando antes de se
precipitarem. Então elas não chovem.
Übersetzer:
Wir machten Versuche in Regionen, die von Menschen zerstört worden sind, zum
Beispiel im südlichen Amazonasstaat Rondônia, wo bereits 40 Prozent des Urwalds
abgeholzt sind. Wir fanden heraus, dass die Wolken dort völlig andere Eigenschaften
hatten als gewöhnliche Wolken. Normalerweise hat die Atmosphäre im
Amazonasgebiet 300 Aerosole pro Kubikzentimeter. In Rondônia sind es 7.000 bis
10.000 Teilchen. Wenn es bei gleichbleibender Luftfeuchtigkeit mehr Partikel gibt,
verringert sich die Größe der Regentropfen, die an den Partikeln kondensieren. Sie
verdunsten und verwehen, bevor sie abregnen. In der Folge entsteht über abgeholzten
Flächen kaum Regen.
Atmo 8: Laboratmo
Sprecherin:
Dunkle Rußpartikel aus Waldbränden nehmen mehr Sonnenenergie auf als helle
Aerosole. Dadurch wird die Luft um die Rußpartikel wärmer. Auch deswegen verdunstet
die an Rußpartikeln kondensierte Feuchtigkeit, anstatt schwere Regentropfen zu bilden,
erklärt der Physiker. Seit vielen Jahren fotografiert Brasilien als einziges Land der Welt
per Satellit die illegale Abholzung. [Im Park des Amazonasforschungsinstituts treffe ich
unter Bäumen den Agraringenieur Arnaldo Carneiro. Er erklärt anhand von
Satellitenfotos auf seinem Laptop das Problem der Entwaldung. Die abgeholzten
Flächen werden in Weiden und Felder verwandelt und erscheinen auf den
Satellitenbildern rosa. Arnaldo Carneiro deutet auf einen rosarot gefärbten Bogen. Er
umschließt am Südrand die dunkelgrüne Fläche des Amazonasgebiets.
Atmo 5: Unter dem vorangegangenen Text überblenden in die leise Urwaldatmo
Cut 16: Arnaldo Carneiro
A geografia do desmatamento está concentrado nas porçoes sul, sudeste da Amazônia
e ele acabou gerando ao longo desses últimos 30 anos de desmatamento, uma forma,
que a gente chama do arco do desmatamento. Ele não está espalhado por todo
Amazônas, Amazônia central, mesmo o norte da Amazônia não tem tanto
desmatamento.
10
Übersetzer:
Die Abholzung konzentriert sich auf den Süden und Südosten des Amazonasgebiets.
Im Laufe der letzten 30 Jahre entstand ein sogenannter Abholzungsgürtel am Südrand
des Urwalds. Viel weniger Abholzung haben wir im Zentrum oder im Norden. Das heißt,
das Entwaldungsproblem ist nicht gleichmäßig auf den Urwald verteilt.
Atmo 5: Leise Urwaldatmo
Sprecherin:
In Brasilien beobachten Wissenschaftler wie Arnaldo Carneiro mit Besorgnis das, was
sie “das Vordringen der Agrarfront” nennen. In den Jahren zwischen 1995 und 2004 fiel
jedes Jahr eine Urwaldfläche fast so groß wie Belgien den Kettensägen zum Opfer.
Cut 17: Arnaldo Carneiro
Como é o caso da soja, ela ocupou área de pecuária tradicional e empurrou alguns
setores da pecuária para as frentes de desmatamento novamente. Então,
indiretamente a soja contribui para o aumento da taxa de desmatamento.
Übersetzer:
Sojaplantagen besetzen ehemalige Weidegebiete. Als Ersatz für diese verlorenen
Viehweiden werden neue Flächen im Urwald gerodet. So verlagern sich Viehweiden
Richtung Norden und so trägt der Sojaanbau indirekt zur Abholzung bei.]
Atmo 5: Leise Urwaldatmo, Überblende zu
Musik
Sprecherin:
Die Abholzung ist in Brasilien inzwischen zurückgegangen, denn die Umweltbehörde
kann mithilfe der Satellitenbilder schneller Tatorte und Täter identifizieren. Einige Male
schickte die Regierung sogar das Militär in den Urwald, um illegale Sägereien zu
schließen. [Trotzdem können die Abholzungszahlen wieder zunehmen, was auch vom
Preis für Soja auf dem Weltmarkt abhängt.]
Ich frage nach dem Klimawandel: Ist das Amazonasgebiet bereits sein Opfer? Stirbt der
Urwald wegen der Erderwärmung immer mehr ab? Oder nimmt die Biomasse zu, weil
mehr Sonneneinstrahlung zu mehr Wachstum führt? Niemand am
Amazonasforschungsinstitut will mir diese Frage beantworten. Es sei noch zu früh, es
gäbe noch zu wenige Forschungsergebnisse.
Ich fliege in den Süden Brasiliens, in die Nähe von São Paulo. Dort liegt das
Raumfahrtinstitut INPE, das die Satellitendaten zur Abholzung im Amazonasgebiet
veröffentlicht. Ich treffe den Biologen und Umweltanalytiker Dalton Valeriano.
Atmo 8: Laboratmo
Cut 18: Dalton Valeriano
Trabalhos que são feitos estão mostrando que tem risco de ter sido contaminação por
nuvens, tem risco de ter sido só a perda de folha no período seco que é uma coisa que
se espera das árvores emergentes. E com isso você causa uma mudança das
qualidades óticas na floresta. A floresta colocar folha no período seco para aproveitar a
maior quantidade de radiação solar, num lugar onde a radiação solar não é o limite,
11
está muito engraçado. Eu acho que a sociedade tem que ficar um pouco meio alerta
em relação a esta ansiedade do cientista de produzir científicamente.
Übersetzer:
Neue Arbeiten zeigen, dass diese angeblich grüneren Urwaldsatellitenbilder Artefakte
sind. Wolken verfälschen die Fotos, der Wald wirkt nur dunkelgrüner. Eine weitere
Fehlerquelle sind die aus dem Urwaldschirm herausragenden Bäume. Sie verlieren in
der Trockenzeit Blätter, was normal ist. Auch das verändert die Farbe der Fotos. Es ist
wirklich eine gewagte These, dass der Urwald in der Trockenzeit mehr Blätter ausbildet,
weil er dann das Sonnenlicht besser ausnutzen kann. Im Amazonasgebiet ist das
Sonnenlicht nie ein begrenzender Faktor! Ich halte viele Publikationen zu dem Thema
für übereilt. Wir wissen doch, es gibt einen enormen Druck, schnell Ergebnisse zu
veröffentlichen.
Sprecherin:
Dalton Valeriano verwirft die Greening-up-Theorie. Aber auch die Theorie der
Savannifizierung hält er für falsch. Trotzdem gibt der Biologe zu, dass häufigere
Trockenzeiten den Urwald schädigen können.
Atmo 8: Laboratmo
Cut 19: Dalton Valeriano
O clima na borda da Amazônia mudaria de um clima florestal para um clima savánico,
em 2070, negócio assim. E que com isto se propôs uma hipótese de que haveria um
processo de savanização da floresta. É difícil isto aí. O próprio pessoal que fala de
savanização hoje fala de uma secundarização que eles dizem. Ou seja, a floresta vai
se tornar mais frágil, mais sujeita á incêndios, a floresta primária seria então eliminada
pelos incêndios e com isto haveria um empobrecimento de espécies.
Übersetzer:
Das Klima im Abholzungsgürtel und auch das in der Nachbarschaft könnte sich bis zum
Jahr 2070 von einem tropisch-feuchten in ein Savannenklima ändern. Das wäre dann
wirklich eine Savannifizierung. Aber heute bevorzugen die Leute, die die Theorie der
Savannifizierung entwickelten, den Ausdruck „Sekundärwaldentwicklung“. Der Wald am
Rande des Abholzungsgürtels wird anfälliger, er gerät schneller in Brand. So nehmen
Primärwälder und die Artenvielfalt ab.
Atmo 8: Laboratmo, geht über in
Musik
Sprecherin:
Eine teilweise Savannifizierung des Amazonas könnte drohen. Dieses vage Ergebnis
nehme ich aus Brasilien mit. Zurück in Deutschland lese ich, dass der Amazonasurwald
im Trockenjahr 2010 nicht mehr als Kohlenstoffsenke gedient hat. Ein weiteres
Katastrophenszenario? Bleibt der Welt dann noch weniger Zeit, ihr CO2-Problem zu
lösen? Ich fahre nach Mainz und spreche mit Meinrat Andreae, Direktor der Abteilung
Biogeochemie am Max Planck Institut für Chemie. Er gibt Entwarnung: Neuen
Messergebnissen nach zu schließen, wurde die Senkenwirkung des Amazonasgebiets
bisher völlig überschätzt. Seine Forschungsgruppe machte vom Flugzeug aus
Messungen zur vertikalen Verteilung von Kohlenstoff über dem Amazonasurwald.
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[Atmo 9: Unter dem vorangegangenen Text wechselt die Musik zur leisen Atmo eines
niedrig fliegenden Flugzeugs
Cut 20: Meinrat Andreae
Ich habe schon viele, viele Flugstunden über dem Amazonas zugebracht. Als
Wissenschaftler immer spannend, wenn man die Daten sieht, wenn sie so frisch aus
den Instrumenten kommen. Zum anderen macht es einfach auch Spaß im touristischen
Sinn, so viel Urwald zu sehen. Ich bin immer wieder gerne im Forschungsflieger. Das
wird auch nie langweilig.]
Sprecherin:
Über einer Wüste, erklärt der Geowissenschaftler, bleibt der CO2-Gehalt in der Luft
stabil. Weil keine Vegetation da ist, wird weder Kohlenstoff aufgenommen, noch
abgegeben. Es gibt also bei einer vertikalen Messung keinen Unterschied der
Kohlendioxidkonzentration. Allerdings, betont Meinrat Andreae:
Cut 21: Meinrat Andreae
Wenn Sie nun unten eine aktive biologische Fläche haben, die Kohlenstoff aufnimmt,
dann frisst sie sozusagen aus diesem vertikalen Profil Kohlenstoff heraus, das heißt es
müsste unten weniger da sein als oben. Genau dieses Experiment haben wir in den
letzten paar Jahren gemacht und beobachtet, dass [zumindest in den zwei Mal drei
Wochen, in denen wir das Experiment gemacht haben,] der Atmosphäre kein
Kohlenstoff gefehlt hat. Das hießt also, dort war keine Aufnahme von Kohlenstoff zu
beobachten und zwar auf einem Gebiet, das geht von der Küste, Staat Pará, Belém, bis
rein fast an die Westgrenze von Brasilien. Wenn es eine große Aufnahme gäbe, hätten
wir sie eigentlich mit dem Experiment beobachten müssen, so wie es mit derselben
Technik über den nördlichen USA, Kanada beobachtet wurde.
Sprecherin:
Die Überschätzung der Senkenwirkung des Amazonasurwaldes kam daher, dass immer
nur lokal und von den Forschungstürmen der CO2-Haushalt gemessen wurde, so der
Max-Planck-Wissenschaftler.
Cut 22: Meinrat Andreae
Gehen wir zurück zu diesem Messturm; der misst ganz toll meine Kohlenstoffaufnahme
durch das Wachstum während des Tages. Nachts atmet nun dieser Wald, und der
Boden gibt sein CO2 ab und dieses CO2 fließt nun gemeinerweise nicht nach oben,
sondern das geht am Boden entlang und geht dann in die Senken rein und fließt dann,
also die Luft in der Nacht, die relativ kalt und schwer ist, fließt praktisch so wie Wasser
so die Täler runter und sammelt sich dann in den tiefen Lagen ab. Das heißt, Sie haben
eben nicht einen lokalen Kohlenstoffkreislauf, sondern eher einen regionalen
Kohlenstoffkreislauf, und das ist der Vorteil von unserem Flugzeugexperiment, dass es
eben über große Flächen integriert, wir fliegen mit diesem Flieger auf diesen 100 bis
1000 Kilometern Skalen.
Atmo 9: die leise Atmo eines niedrig fliegenden Flugzeugs geht unter dem nächsten
Text über in die laute Urwaldatmo mit Regen (Atmo 6) und bleibt bis zum letzten O-Ton
Sprecherin:
Nach Meinung des Geowissenschaftlers Meinrat Andeae ist der Klimawandel im
Amazonasgebiet noch nicht angekommen. Eine klare Aussage. Der Nachweis, dass der
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Urwald nicht so viel von dem von Menschen gemachten CO2 aufnimmt wie früher
gedacht, macht ihm keine Sorgen. Feind Nummer Eins für den Kohlenstoffhaushalt der
Welt ist seiner Meinung nach immer noch die Abholzung. Die Menge Kohlenstoff, die im
Urwald gespeichert ist, dürfe keinesfalls durch Abholzung und Brände in die Luft
gelangen. Deswegen müsste die Regierung Kontroll-Maßnahmen verstärken, betont er.
Atmo 6: laute Urwaldatmo mit Regen, steht kurz frei
Sprecherin:
Ich gehe ins Nachbarbüro zu Jürgen Kesselmeier, Botaniker am Max Plack Institut in
Mainz. Er ist gerade von einem Besuch in Manaus zurück. Im Jahr 2011 fiel im
Amazonasgebiet reichlich Regen, berichtet er.
Cut 23: Jürgen Kesselmeier
Als ich jetzt da war, war der Wasserstand 1,5 Meter höher als im Jahr vorher. [Das zeigt
aber nur die relative Höhe, denn im letzten Jahr war ein besonders niedriger Tiefstand.]
Der Wasserstand in Manaus geht regelmäßig um 15 Meter rauf und runter zwischen
Trocken- und Regenzeit. [Das ist ein völlig normaler Vorgang und die großen
Überflutungen, die man zwischendurch mal hatte, liegen insgesamt alle im Rahmen der
letzten 50 oder 100 Jahre, die bisher beobachtet wurden. Und] wenn ich die Daten
sehe, die man da hat über die vielen Jahre, wenn man die grafisch darstellt, da sieht
man, dass diese Jahre, auch 2005, nicht besonders rausfallen.
Atmo 6: laute Urwaldatmo mit Regen, steht kurz frei
Sprecherin:
Auch wenn alle abwiegeln: Dass es in den letzten Jahren zwei Trockenzeiten gab und
dass der Urwald in den Trockenjahren kein CO2 aufgenommen hat, sind für mich
Warnungen. Doch in der Wissenschaft geht es um Zahlen, Daten, Beweise. Und für
Beweise ist die Forschungslage im Amazonasgebiet offensichtlich zu dünn, das Gebiet
zu groß und unübersichtlich. Nicht von ungefähr träumen viele von einem Messturm
über dem Amazonasdach in der Höhe des Eiffelturms. Um den Bau dieses Turms
voranzutreiben, war Botaniker Jürgen Kesselmeier in Manaus.
Cut 24: Jürgen Kesselmeier
Der wird über 300 Meter hoch sein. Die „site“ ist festgelegt, die liegt bei 150 Kilometer
nordöstlich von Manaus, 150 Kilometer aus der Einflusssphäre von Manaus heraus.
Und hat mit den Sonden und Instrumenten, die man auf dieser Höhe montieren kann,
eine Sicht in das Land, die über viele Hundert Kilometer geht. [Man kann also
Transportprozesse von Gasen, von Partikeln, beobachten, die ihren Ursprung mehrere
100 Kilometer weit entfernt haben.] Man ist also nicht mehr so dringend angekoppelt an
den Wald und kommt aus diesen Tagesrhythmen heraus und kann dadurch lange
Entwicklungen beurteilen. [Dann geht es vor allen Dingen um CO2, Methan, CO, Ozon
ist dabei, also verschiedene Gase, die für den Treibhauseffekt untersucht werden.]
Musik
Sprecherin:
Auf diesen Turm wird die Wissenschaft noch lange warten müssen, unüberbrückbar
scheint im Moment die brasilianische Bürokratie.
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Musik
Sprecherin:
Wenn die Klimaforschung am Amazonas nicht so wichtig wäre, könnte man denken,
das Amazonasgebiet sei Spielwiese für Abenteurer, die nur so tun als würden sie
forschen. Dabei wäre es sinnvoll, wenn Forschungsergebnisse untermauern, wie bitter
nötig der Schutz des Amazonasurwalds ist. Ein neues Waldgesetz wird vermutlich sehr
bald die Motorsägen im Urwald heiß laufen lassen.
Atmo Urwald
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