Folge 5

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Folge 5
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SERIE: DER VATIKAN – FOLGE 5
Nr. 31 || 2. 8. 2015
Der Sonntag
Eine Kirche der Superlative
VAT I K A N
KOMPAKT
TEIL 5
EINE SERIE VON FRANZ HASENHÜTL
DER VATIKAN
Fotos: wmc_cc_ Mathias Kabel
UND DIE GRÖSSTE KIRCHE DER WELT
Kaiser Konstantin begann bereits
im Jahre 324 mit der Errichtung
einer Basilika. „Alt-St. Peter“ sollte
bis zum Neubau im 16. Jahrhundert
über 1000 Jahre Bestand haben.
Blick in die Kuppel. Auf vier Pfeilern lastet die Kuppel mit einem Gewicht von etwa 56.000 Tonnen.
Sie hat einen Durchmesser von 42 Metern und wurde nach den Plänen Michelangelos errichtet.
D
anderem durch den Verkauf von Ablassbriefen finanziert. Gegen solche Missbräuche
des Ablasswesens wandte sich in der Folge
der Reformator Martin Luther.
Gottes Thronsaal
Alt-St. Peter wurde in 100 Jahren bis 1606
Stück für Stück abgerissen. Papst Julius II.
legte im April 1506 den Grundstein für einen Neubau. 18 Päpste und 120 Jahre später
konnte schließlich Neu-St. Peter 1626 eingeweiht werden. Eine Vielzahl große Meister
– unter ihnen etwa Bramante, Raffael oder
Michelangelo – hatte am Neubau mitgewirkt.
Während das Bauwerk an sich im Wesentlichen ein Kind der Renaissance ist, gestalteten unzählige Künstler den Innenraum vorrangig im barocken Stil. Als irdisches Abbild
des himmlischen Thronsaales Gottes sollte
die Basilika nicht nur Grabeskirche des Apostels Petrus, sondern auch Papst- und Krönungskirche sowie Gotteshaus für Gläubige
aller Länder sein.
Die kostspieligen Arbeiten wurden unter
▶ Am 9. August lesen Sie:
Der Vatikan und seine Bibliothek
Ewige Baustelle
Ein derart gigantisches Bauvorhaben scheint
nie beendet zu sein. Schon seit 500 Jahren
sorgt die Dombauhütte (Fabbrica) von St.
Peter für die Bewahrung des alten Glanzes:
So wurde etwa die Nasenspitze der weltberühmten Pietà des Michelangelo aus Kunstharz neu ergänzt, nachdem sie ein Verwirrter
1972 mit einem Hammer abgeschlagen hatte. Zudem überwachen Mitarbeiter die Risse
im Mauerwerk der Basilika. Diese resultieren
daraus, dass die Kirche des hl. Petrus nicht
nur auf Fels, sondern zum Teil auf sehr weichem Untergrund steht und daher ständig
„in Bewegung“ ist. Der Bau steht über dem
ehemaligen Circus des römischen Kaisers
Nero, wo Petrus vermutlich sein Martyrium
erlitt, und einer antiken Totenstadt (Nekropole).
Heutzutage kümmern sich rund 120 Personen, vom Restaurator über den Statiker
bis hin zum Tischler, um die Erhaltung der
Kirche. Dass die Kuppel und weitere Teile
der Basilika bei einem Bombenangriff im
November 1943 nur knapp ihrer Zerstörung
entgingen und die Geschosse in den Vatikanischen Gärten dahinter einschlugen, darf
wohl als Unterstützung „von oben“ bei dieser
Aufgabe interpretiert werden.
Interview
Gudrun Wieser
ie Basilika St. Peter ist zwar nicht die
Pfarrkirche im Vatikan (das ist die
Kirche St. Anna). Sie ist auch nicht
die „Mutter aller Kirchen“ oder die Bischofskirche des Papstes als Bischof von Rom (beides ist die Lateranbasilika). Sie gilt aber als
der wichtigste Kirchenbau der Christenheit
und als „Herz der katholischen Kirche“ (Benedikt XVI.).
MMag. Josef Pfeifer ist
Prof. für Latein und
Griechisch am Bischöflichen Gymnasium in Graz.
Er ist Autor des Buches
„Mein Rom – Bausteine
der Ewigen Stadt“.
▶ Beschreiben Sie das „Herz der katholi-
schen Kirche“ aus ihrer Sicht!
Der Petersdom ist ein Sakralbau von ungeheurer innerer Kraft, der in den künstlerischen Dimensionen herausragend sowohl
Gläubige als auch kirchlich Fernstehende
anzieht, sie die Begrenztheit des bloß
Menschlichen erfahren lässt und ihnen den
Blick in das Unermessliche ermöglicht.
▶ Was sollte man sich bei einem Besuch
nicht entgehen lassen?
Besondere Empfehlungen: Ruhe finden in
der Sakramentskapelle oder eine Führung
(nur mit Vorreservierung) durch die Nekropole. Ich empfehle ein Buch als Anregung
und Begleiter: Robert Fischer, „St. Peter in
Rom“ (kurz und übersichtlich)..
▶ Wann sollte man den Petersdom besuchen?
Um 7 Uhr in der Früh, wenn die Kirche
geöffnet wird. Da ist es ruhig und beschaulich, man erspart sich die WartezeitenIch
habe die vatikanischen Einrichtungen als
sehr effizient erlebt. Es gelang zum Beispiel der vatikanischen Post, Briefe rasch
ins Ausland zu liefern trotz eines Streiks
bei der italienischen Post.
Der Sonntag
10. August 2014
2. 8. 2015 || Nr. 31 INFOGRAFIK
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Der PetersDom in BilDern
Pietà des Michelangelo.
Maria mit dem Leichnam
Jesu. Michelangelo
vollendete dieses Meisterwerk im Alter von
25 Jahren (links).
Foto: wmc_cc_ Stanislav Traykov
Kathedra-Altar. Im
Zentrum steht der vermeintliche Lehrstuhl
(cathedra) des hl. Petrus.
Auf diesem sitzend, soll
er das Volk unterwiesen
haben. Auf Petrus geht
das Lehramt des Papstes
zurück. Darüber der Heilige Geist in Form einer
Taube.
Foto: wmc_CC_BY-SA 3.0_Dnalor 01
Zahlen und Fakten
Basilika
Umfang
1778 m
Länge
211 m
Höhe (inklusive Kreuz)
133 m
Du bist Petrus, und
auf diesen Felsen
werde ich meine Kirche
(Mt 16,18)
bauen.
Fassade
Petersplatz. Gian Lorenzo Bernini über-
nahm die Gestaltung des Platzes. Die Kolonnaden bestehen aus 284 Säulen und 88 Pfeilern. Mit ihnen solle die Peterskirche „wie mit
mütterlich ausgebreiteten Armen die KatholiFoto: wmc_cc
ken aufnehmen“.
Höhe
45 m
Breite
114,7 m
Säulenhöhe
Höhe der Statuen
27 m
ca. 5,7 m
Kuppel
Fläche (außen)
6152 m2
Höhe der Laterne
17,8 m
Durchmesser (innen)
42,5 m
Gewicht der Abdeckung (Blei)
Dauer des Baus der Kuppel
Arbeiter (Tag- und Nachtschichten)
334 t
22 Monate
800
Innenraum
Länge des Hauptschiffs
186,4 m
Breite des Hauptschiffs
25,9 m
Höhe bis zum Gewölbe
Bronzestatue des hl. Petrus. Die berühmte
Petrusstatue befindet sich im Hauptschiff. Ihr
rechter Fuß ist bereits stark abgeflacht, denn
die Berührung des Fußes soll Segen bringen.
Angeblich wurde der Fuß im Laufe der Jahrhunderte mehrmals ersetzt. Die Bronzefigur
wurde von Arnolfo di Cambio gefertigt.
Foto: wmc_CC_BY-SA 3.0_ Alberto Luccaroni
Fläche
46,2 m
15.160 m2
Verschiedenes
Grabstätten
148 Päpste
6 Frauen
Anzahl der Statuen
ca. 400
10.000 m2
Fläche der Mosaike
Papstaltar mit Baldachin. Über dem Grab
des Apostels Petrus befindet sich der Altar, an
dem der Papst zelebriert. Der italienische Barockkünstler Gian Lorenzo Bernini schuf darüber in
neunjähriger Arbeit den 29 Meter hohen Baldachin. Die Mithilfe seines Konkurrenten Francesco
Foto: wmc
Borromini verschwieg er später.