Gedenkblatt und Veranstaltungsprogramm

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Gedenkblatt und Veranstaltungsprogramm
Wilhelm Leberecht Götzinger, der Erforscher und
Entdecker der Sächsischen Schweiz
Das Götzinger-Relief im Schindergraben bei Hohnstein
Um des 250. Geburtstages Wilhelm Leberecht Götzingers zu gedenken und an sein Wirken in der Sächsischen Schweiz zu erinnern, hat
sich ein Vorbereitungskreis zusammengefunden, der eine Reihe von
Veranstaltungen initiiert hat. Zu diesem Kreis gehören:
Gemeinde Struppen, Bürgermeister Dr. Rainer Schuhmann
Kantor Eckhard Pätzold, Königstein
Nationalparkzentrum Bad Schandau, Armin Zenker
Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Manfred Schober, Sebnitz
Stadtmuseum Pirna, Manfred Hickmann,
Pfarrer i. R. Alfred Mütze, Kaukasusstube Sebnitz
Frank Richter, Dresden
Die Veranstaltungen erstrecken sich über die gesamte Saison und finden in Abstimmung mit den Götzinger-Tagen in Neustadt i. Sa. statt,
für die ein eigenes Programm erarbeitet wurde. Bei einigen der Veranstaltungen sind Nachfahren Götzingers als Ehrengäste persönlich anwesend.
Dem Neustädter Pfarrer Magister Wilhelm Leberecht Götzinger kommt
das Verdienst zu, am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts die
einzigartige Landschaft der Sächsischen Schweiz in ihrer Gesamtheit zum
ersten Male erforscht und beschrieben zu haben. Die Stadt Sebnitz verdankt
ihm außerdem die Erarbeitung und Veröffentlichung einer umfangreichen Stadtchronik. Ihren literarischen Niederschlag fanden seine heimatkundlichheimatgeschichtlichen Arbeiten in zwei Büchern, der im Jahre 1786 erschienen
„Geschichte und Beschreibung des Chursächsischen Amts Hohnstein
mit Lohmen“ und in dem 1804 (2. Auflage 1812) gedruckten Reiseführer
„Schandau und seine Umgebungen oder Beschreibung der sogenannten
sächsischen Schweiz“.
Wilhelm Leberecht Götzinger war aber nicht der erste und einzige, der um
die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert angeregt von der von Rousseau
ausgelösten schwärmerischen Hinwendung zur Natur auf die Sächsische
Schweiz und ihre Schönheiten hinwies. Schon vor ihm waren zwei aus der
Schweiz nach Dresden berufene Künstler, der Maler Anton Graff und der
Kupferstecher Adrian Zingg, von ihren Reizen begeistert worden und Zingg
hatte hier fleißig gezeichnet. 1794/1795 priesen Engelhardt und Veith in den
„Malerischen Wanderungen durch Sachsen“ die Landschaft in Wort und Bild.
Aus der Feder von Götzingers Lohmener Amtskollegen Carl Heinrich Nicolai
stammend, erschien 1801 ein „Wegweiser durch die Sächsische Schweiz“.
Und es folgten noch zahlreiche weitere Lobgesänge. „Aber an innerem Gehalt
und angemessener Darstellung“ (Meiche) konnten sie sich alle nicht mit den
Werken Götzingers messen. Dies schon deshalb nicht, weil die Verfasser dieser
Bücher ihren Stoff meist beim Durchwandern, also durch die bloße Betrachtung,
gesammelt hatten. Sie benutzten außerdem zumeist nur den damals üblichen
Hauptwanderweg.
Götzinger dagegen war die Landschaft seit seiner frühen Kindheit vertraut.
Bei Wanderungen war er selbst in die entlegensten Winkel gekommen. Dabei
lernte er nicht nur die Schönheiten des Gebietes kennen, sondern auch ihre
Menschen. Als Kind seiner Zeit strebte Götzinger eine möglichst umfassende
Bildung an. Ihn interessierten deshalb bei der Erforschung und Beschreibung
der Sächsischen Schweiz die naturwissenschaftlichen Bereiche ebenso wie
die der Geschichte und Volkskunde. Die den Büchern an vielen Stellen
eingefügten Hinweise auf geologische, botanische und faunistische
Besonderheiten zeugen von den reichen naturwissenschaftlichen Kenntnissen
des Verfassers. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Mineralogie. Seine
Gesteinssammlung war beachtlich. Adolf Traugott von Gersdorf besuchte
eigens deswegen Götzinger in Neustadt. Mit dem Freiberger Bergrat Abraham
Gottlob Werner stand der Magister fast zwei Jahrzehnte in Briefwechsel. Beiden
Gelehrten hat er interessante Gesteinsfunde aus unserem Heimatgebiet für
deren Sammlungen zur Verfügung gestellt. Wo Götzinger allerdings die
Spezialkenntnisse fehlten, wie bei der Bestimmung einiger seltener Pflanzen
und Kryptogamen, gab er dies zu und ließ sich bei der Abfassung seiner Bücher
von Fachleuten beraten.
Seine Kenntnisse über die Geschichte der Sächsischen Schweiz und ihrer
Randgebiete, insbesondere der Stadt Sebnitz, gewann Wilhelm Leberecht
Götzinger zu einem beträchtlichen Teil durch fleißiges Aktenstudium in den
Archiven. Der Geschichte des Amtes Hohnstein mit Lohmen hat er zur Untermauerung der geschichtlichen Gesamtschau einen umfänglichen Urkundenanhang beigegeben. Aber auch gedruckte Quellen wurden verwertet. Dabei
übernahm er die Angaben meist erst nach kritischer Prüfung. Schließlich
schöpfte der erfahrene Heimatforscher wertvolle geschichtliche Nachrichten
aus den Berichten von Gewährsleuten. Für uns verwunderlich dagegen ist
seine Abneigung gegenüber den im Volke überlieferten Sagen. Wir haben in
ihm aber auch einen Forscher vor uns, der sich für die Erhaltung von Bau- und
Naturdenkmälern einsetzte. In diesem Sinne missbilligte er das Abtragen der
Burg Stolpen, als ein wichtiges und merkwürdiges „Denkmal der vaterländischen Geschichte und alter schöner gothischer Baukunst“. An gleicher
Stelle wies er darauf hin, wie wichtig die Räumung des Basaltbrunnens auf
der Burg Stolpen für die Erdgeschichtsforschung sei. Eine genaue Untersuchung des Brunnens könnte seiner Meinung nach „vielleicht zur Entscheidung
des Streites der Vulkanisten und Neptunisten über die Entstehung des Basaltes
etwas beitragen“.
Ebenso wie in den Reisetagebüchern seines berühmten Zeitgenossen
Johann Wolfgang von Goethe hat Götzinger in seine Landschaftsbeschreibungen wiederholt den arbeitenden Menschen einbezogen. Er beschrieb die
schwere Arbeit und die Lebensweise der Steinbrecher, Fuhrleute und Flößer.
Mahnend wandte er sich an den Leser, Achtung vor diesen Menschen zu haben,
die ihre Arbeit häufig unter Lebensgefahr, im Falle der Steinbrecher sogar in
Voraussicht eines frühen Todes, verrichteten. Zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der kranken Steinbrecher und ihrer hinterlassenen Witwen und
Waisen regte er die Bildung einer Unterstützungskasse durch die Arbeiter an.
Eine Betrachtung über die gefahrvolle Arbeit der Flößer im Gebiet der Oberen
Schleuse bei Hinterhermsdorf, sie flößten unter anderem das Brennholz für
die Porzellanmanufaktur in Meißen, schloss Götzinger mit dem Hinweis ab:
„Wie Wenige von denen, welche sich an diesem Holze erwärmen, werden es
wissen, unter welchen Anstrengungen und mit welchen Gefahren und
Kraftaufwand ihnen dieses Holz zugebracht wird - Wie Wenige, welche sich
an dem prächtigen Porzellanservice und prächtigen Aufsätzen ergötzen, und
dabei die Geschicklichkeit und Mühsamkeit des Künstlers rühmen, werden
dabei des aufopfernden Antheils gedenken, welchen der arme Floßknecht daran
hat! -“
Götzingers Werke über die Sächsische Schweiz werteten bereits seine
Zeitgenossen als beachtliche Beiträge zur Landeskunde. Sie haben schon zu
seinen Lebzeiten und nach ihm bis zur Gegenwart viele Heimatforscher und
Schriftsteller zu Beschreibungen der Landschaft und zu weiteren Forschungen
angeregt. Auch heute noch, fast zwei Jahrhunderte nach ihrem ersten Erscheinen, sind sie für jeden ernsthaft in diesem Gebiet Forschenden trotz einiger,
zum Teil aus dem Wissensstand der Zeit erklärbarer Mängel, ein geschätztes
und unentbehrliches Quellenmaterial. Für die Freunde der Sächsischen
Schweiz ist es schließlich noch immer ein literarischer Genuß, seine in der
Zeit der klassischen deutschen Literaturperiode entstandenen Beschreibungen
von Land und Leuten unserer engeren Heimat zu lesen.
Wilhelm Leberecht Götzingers Lebenswerk als wertvolles Erbe der Heimatgeschichte in unsere Zeit zu übernehmen und zu pflegen verpflichtet vor allem
zur Weiterführung der allseitigen Erforschung der Sächsischen Schweiz und
zum Einsatz für die Erhaltung ihrer Naturschönheiten.
Manfred Schober (1983)
Wilhelm Leberecht Götzinger (1804)
„Man mag sich, fast wo man will, auf einem hohen Berge befinden, so
sieht man beinahe um den ganzen Horizont herum eine große und reizende
Landschaft vor sich liegen, daß man das Auge nicht wieder wegwenden will,
und fast nicht weiß, welche Seite man zuerst bewundern soll. Überall erblickt
man gleichsam im Vordergrunde fruchtbare Felder, bunte Wiesen, oder lange
und grüne Thäler, durch die sich zwischen hohen Felsenwänden ein Bach
hinschlängelt und ansehnliche Dörfer vor sich, mit welchen die hin und her
zerstreuten Gehölze ein angenehmes Gemische bilden. Eine lange schwarze
Reihe von Waldungen, unter dehnen sich hier und da eine wunderbare Felsfigur
sehen läßt, zieht sich in der Mitte herab, bis sie an offenen Feldern ihren
Ausgang findet und dem Zuschauer eine neue Aussicht öffnet.
Verläßt man die Höhe und steigt in die Thäler hinab, so wird das Herz
durch eine neue Veränderung zur Bewunderung des Schöpfers erhoben. Doch
ich fühle mich zu schwach dieses alles lebhaft zu schildern. Diese reizende
Gegend will nicht beschrieben, sondern gesehen seyn.
Man mache sich gefaßt... von nun an eine ununterbrochene Reihe von
Naturschönheiten und Seltenheiten zu sehen, welche an Größe, Schönheit
und Umfang immer mehr zunehmen, je weiter man kommt... Das Auge wird
mehrere Tage lang eine Weide haben, welche für Geist und Herz die schönste
Nahrung gibt...“
Die Hirschmühle, Kupferstich von Christian August Günther aus
Götzingers Beschreibung der Sächsischen Schweiz 1804/1812
Programm zur Götzinger-Ehrung 2008
Mi 23. April 2008 19:00 Uhr Nationalparkzentrum Bad Schandau
Wilhelm Leberecht Götzinger der Entdecker der Sächsischen Schweiz
Dia-Vortrag von Frank Richter, Dresden
So 4. Mai 2008
16:00 Uhr Kuhstallhöhle / Neuer Wildenstein
Berggottesdienst mit Ehrengast Pastor Wilhelm Leberecht Götzinger
Di 13. Mai 2008
18:00 Uhr Stadtmuseum Pirna
Buchvorstellung: Götzingers Beschreibung der Sächsischen
Schweiz (Neuauflage) mit Filmvorführung Werner Kohlert:
Romantische pittoreskische Reisen durch Naturschönheiten der
Sächsischen Schweiz
So 1. Juni 2008
10:00 Uhr Hohnstein, Parkplatz Eiche
Auf Götzingers Spuren in Hohnstein Kulturhistorische Wanderung mit Dietrich Graf
Mi 2. Juli 2008
19:30 Uhr Sebnitz, Diakonat Kirchstraße
W. L. Götzinger als Pfarrer
OLKR. Dr. Christoph Münchow u. Pf. i. R. Alfred Mütze
Musik. Umrahmung: Judith Böhm (Viola) u. Titus Zöbisch (Klavier)
So 3. Aug. 2008
9:30 Uhr Neustadt i. Sa., St.-Jacobi-Kirche
Wanderung - auf den Spuren Götzingers mit Alfred Mütze
(Neustadt - Krumhermsdorf, Kluges Haus an der Wiese - Sebnitz;
Rucksackverpflegung)
Mo 1. Sept. 2008
19:30 Uhr Struppen, Kirche
Gedenkfeier mit Musik zum 250. Geburtstag W. L. Götzingers
5.-7. Sept. 08 Neustadt in Sa.
Götzinger-Tage in Neustadt mit eigenem Programm
Fr 5. Sept. 2008 19:00 Uhr Neustadt i. Sa., Neustadthalle
Festveranstaltung zu Ehren W. L. Götzingers
Sa 6. Sept. 2008 ab 15:00 Uhr Neustadt i. Sa.
15:00 Gedenkveranstaltung am Grab Götzingers, anschließend
15:30 Eröffnung Sonderausstellung „Götzinger und seine Zeit“ im
Heimatmuseum
17:00 Konzert für Violine und Orgel in der St.-Jacobi-Kirche
So 7. Sept. 2008 10:00 Uhr Götzinger Höhe bei Neustadt i. Sa.
Berggottesdienst mit Posaunenchor
So 5. Okt. 2008
Götzinger-Gedenken in Struppen
15:00 Uhr Thürmsdorf, Gasthof Reiche (Bushaltestelle)
Götzinger-Wanderung mit Frank Richter (Kleiner Bärenstein)
17:00 Uhr Struppen, Kirche
Literarisch-musikalischer Nachmittag mit Kantor Eckardt Pätzold
Almuth Hattwig und Olliver Führmann lesen Götzingers Brautbriefe
Eintritt 5,- EUR
Ab Sept. 2008 Fachübergreifendes Schulklassenprojekt
mit dem Goethe-Gymnasium Sebnitz und dem Nationalparkzentrum
Auf Götzingers Pfaden - Götzinger als Leitbild
literarisch-künstlerischer Natur- und Landschaftsbeschreibung
1802
1804
1811
1813
1813-1815
23. 4. 1818
Die Struppener Kirche
Wichtige Lebensdaten
1.9.1758
Im Pfarrhaus Struppen als Sohn des Pfarrers Johann
Carl Götzinger und seiner Ehefrau Christiane Friederika
geboren.
1758-1766
Erste Kinderjahre in Struppen. Wanderungen in die Umgebung des Ortes.
1766-1776
Kinder- und Jugendjahre in Sebnitz, wo der Vater als Pfarrer
an der Stadtkirche wirkt. Genießt zunächst Privatunterricht,
danach Besuch der Schule in Pirna.
1776-1780
Studium der Theologie an der Universität Wittenberg.
1780-1783
Im Elternhaus in Sebnitz. Von hier aus unternimmt er zahlreiche Ausflüge in die „Haide“. Sammelt in den Archiven
Material für eine Chronik von Sebnitz.
Ostern 1783 In Hohnstein als Privatlehrer bei den Kindern des Amtsinbis April 1787 spektors Scheffler und des Försters Schulze tätig.
Fortsetzung des Aktenstudiums im Archiv des Amtes Hohnstein und Studium von Werken der sächsischen Geschichte
Erarbeitung des Manuskriptes zu seinem ersten bedeutenden Werk „Geschichte und Beschreibung des Chursächsischen Amts Hohnstein mit Lohmen, insbesondere der unter
dieses Amt gehörigen Stadt Sebniz ...“. Die Arbeit wird im
Februar 1786 abgeschlossen. Das Buch erscheint noch im
gleichen Jahre im Druck.
Sommer 1787 Einige Monate im Sebnitzer Elternhaus. Unternimmt u. a. mit
einem Studienfreund eine Reise in die Umgebung von
Meißen, wo sie mineralogische Studien machen.
12. 10. 1787 Anstellung als Diakon an der St.-Jacobi-Kirche in Neustadt i.
Sachsen. Dieses Amt bekleidet er fast 24 Jahre.
28. 1. 1788
Heirat mit Charlotte Bielitz. Aus der Ehe gehen sieben
Kinder hervor.
1798
Erster brieflicher Kontakt mit dem bedeutenden Mineralogen
und Geologen Abraham Gottlob Werner (1749-1817) in
1834
Freiberg. Der Briefwechsel dauert bis zu Werners Tod an.
Adolf Traugott v. Gersdorf (1744-1807), Mitbegründer der
Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu
Görlitz, besucht Götzinger in Neustadt, um dessen ansehnliche Mineraliensammlung zu besichtigen.
Götzingers zweites Hauptwerk „Schandau und seine
Umgebungen oder Beschreibung der sogenannten sächsischen Schweiz“ erscheint in Bautzen in 1. Auflage
(2. Auflage Dresden 1812). Die Vorarbeiten für dieses Werk
begannen 1801.
Götzingers Frau stirbt. Er wird Pfarrer an der Neustädter
Kirche und siedelt aus dem Diakonat in das Pfarrhaus über.
Zweite Ehe mit Sophie Caroline Fiebiger.
Götzinger ist Mitglied einer Kommission zur Linderung der
Kriegsschäden im Amte Hohnstein.
Tod in Neustadt. Begräbnis auf dem Friedhof an der Kirche.
Der Nachlass, darunter auch die Bibliothek, wird im Januar
1819 versteigert.
Die „Schweizführer“ widmen den beiden literarischen
Erschließern der Sächsischen Schweiz, Götzinger und
Nicolai, eine Gedenktafel an der Basteibrücke. (siehe Abb.
unten)
250 Jahre
Wilhelm Leberecht Götzinger
der Entdecker der Sächsischen Schweiz
Gedenkblatt
und
Veranstaltungsprogramm