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Heft 4.2011 | G 54747 Brief Au s d er A r b eit d es En tw icklungs die ns t e s Kultur und Entwicklung > Kultursensibilität > Kultur und Identität > Wirtschaftsfaktor Kultur gizBrief 4.2011 왘 왘 INHALT SPEKTRUM THEMA Gewalt und Ungerechtigkeiten bestimmen immer noch das Leben Stefan Friedrichsen, Isabell-Kim Stoffel der Menschen in Guatemala. Doch Libanon – Dialoge fördern, Misstrauen abbauen 4 es gibt Menschen, die sich nicht in ihr Schicksal ergeben, sondern gemeinsam die Vergangenheit Daniela Baum, Jana Franke bewältigen und ihre Zukunft ge- Philippinen – Vom Mehrwert lokaler Erdnussproduktion 6 stalten wollen – Menschen wie die Bewohner von Rio Negro im Department Baja Verapaz in Guatemala. 15 Seite Jürgen Wilhelm Heide Wegat Kultur als notwendige Dimension der Entwicklungspolitik Mali – 8 Josephin Rösler, Elke Tigges Kambodscha – Weltkulturerbe Angkor Wat AIDS ist sichtbar – mach dir ein Bild davon! 23 Eva Näher 12 Algerien - … und Action! Zukunftsfaktor Kultur- und Kreativwirtschaft 26 Victor Lindemayer Guatemala – Rückgewinnung der eigenen Identität Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit mit mehr als 15 Jahren Bürgerkrieg haben eine Stimmung des gegenseitigen Misstrauens im Libanon wachsen lassen. Der ZFD fördert zivilgesellschaftliche konfessionelle Zugehörigkeiten hinweg Kooperations- und Dialogstrukturen aufbauen. Seite 4 im Interview mit Dorothee Wenner Nigeria – Das Phänomen Nollywood 29 Anna-Lisa Zug im Interview mit Peter Hauschnik Angelika Frei-Oldenburg Kolumbien – Mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein Organisationen, die über Konfliktlinien und Tanja Stumpff 15 Mali – Maskentänze der Dogon 33 18 Maider Iriarte Sara Worch Burkina Faso – Sensibilisierung einmal anders Guatemala – 20 Das Glück regnet nicht vom Himmel herab Zum zweiten Mal fand in diesem Jahr in Burkina Faso ein Kreativitätswettbewerb zum Thema Menschenrechte statt. In diesem Jahr stand das Recht auf körperliche und physische Unversehrtheit im Mittelpunkt. Mit unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen setzten sich die Teilnehmer/innen mit dem Thema auseinander und es entstanden eindrucksvolle Werke. Seite 20 36 2 3 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Kultur und Entwicklung – in welcher Beziehung stehen diese beiden Begriffe zueinander? Welche Bedeutung hat die Kultur für die Entwicklung eines Landes? Welchen Stellenwert hat die Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ)? Was wollen wir als Akteure der Entwicklungszusammenarbeit bewirken MEINUNG und wie kann uns die Kultur dabei unterstützen, Entwicklungsprozesse anzustoßen? In der Bildungs- und Aufklärungsarbeit zum Beispiel wer- Heide Wegat den kulturelle Elemente mit großem Erfolg eingesetzt. Der Zivile Friedensdienst „Kultursensibilität“ hat damit sehr gute Erfahrungen bei der Konfliktbearbeitung und Friedensförde- als elementare Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit rung gemacht. Die Rückbesinnung auf ihre Kultur hilft vielen Menschen bei der 39 Verarbeitung schlimmer Erfahrungen, stärkt ihr Selbstbewusstsein und schafft Identität und Zugehörigkeitsgefühl. Wer in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist, weiß, wie wichtig es ist, kultursensibel zu handeln: Veränderungsprozesse gelingen nur, wenn die Denkweise und die kulturelle Prägung der Menschen vor Ort bekannt sind, respektiert werden und sie als Partner Veränderungen selber gestalten können. Kultur- und Kreativwirtschaft gewinnen in vielen der GIZ-Partnerländer zunehmend an Bedeutung und sollten von der EZ gefördert werden. Kunsthandwerkliche Produkte in guter Qualität schaffen Einkommen auch für marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Die Pflege der eigenen Kultur zieht Touristen an, die eine wichtige Einnahmequelle sind. Die Kultur ist also auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Wie sieht kultursensibles Handeln in der Praxis aus? Welche Rolle können Kulturschaffende für Veränderungsprozesse spielen? Welchen Stellenwert hat Kultur für die Wirtschaft eines Landes? Diesen und weiteren Fragen gehen die Autorinnen und Autoren im vorliegenden GIZ-Brief nach. Sie verdeutlichen einmal mehr die Bedeutung der Kultur für die EntwicklungsVom Westen weitgehend unbemerkt ist in Nigeria seit den neunziger Jahren eine der größten Filmindustrien der Welt entstanden. In Anlehnung an Holly- und Bollywood taufte man das Phänomen kurzerhand Nollywood. Die Filmindustrie ist national nach der Ölindustrie der zweitgrößte Arbeitsmarkt des Landes. BLICKPUNKT KULTUR Seite 43 29 zusammenarbeit. Mit diesem Heft erscheint nun die vierte Ausgabe des GIZ-Briefes, der mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis der Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere der Arbeit der Entwicklungshelfer/innen berichtet. Wir sind gespannt, wie Sie, unsere Leserinnen und Leser, die Zeitschrift bewerten. Was finden Sie gut, was gefällt Ihnen weniger, was vermissen Sie? Schreiben oder mailen Sie uns an: GIZ Unternehmenskommunikation, Redaktion KULTUR 45 GIZ-Brief, Friedrich-Ebert-Allee 40, 53113 Bonn oder [email protected]. Wir freuen uns auf Ihre Meinung! Literatur 45 OFFENE STELLEN 47 Impressum 47 Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und alles Gute für das Jahr 2012! Maria Ehrke-Hurtado 왘 SPEKTRUM gizBrief 4.2011 Libanon Dialoge fördern, Misstrauen abbauen Der Zivile Friedensdienst im Libanon Pfadfinderleiter verschiedener Religionsgruppen bei einem Workshop über Methoden der gewaltfreien Konfliktlösung. © Maher Btaiche Pfadfinder überwinden konfessionelle Barrieren B eim Spaziergang an der Uferpromenade von Beirut trifft man sie alle, Christen, Sunniten und Schiiten. Und stolz bekräftigen viele Libanesen den Eindruck, der sich optisch gewinnen lässt: Im Libanon lebe man erfolgreich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Konfessionen zusammen. Doch dieses Zusammenleben entpuppt sich bei näherem Hinsehen mehr als ein Nebeneinander herleben, man bleibt unter sich. Wer Stellen und Aufträge zu vergeben hat, der tut das innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft. Taxifahrer bedienen Wohngebiete, deren Bewohner mehrheitlich ihrer Konfession angehören, schon das Durchfahren der anderen Wohngebiete kostet Überwindung. Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit mit mehr als 15 Jahren Bürgerkrieg haben sich wie ein Schleier als eine Stimmung des gegenseitigen Misstrauens über Beirut, den Libanon und seine zahlreichen konfessionellen Gruppierungen gelegt. Diese Stimmung des Misstrauens war Ausgangspunkt für den Einsatz des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Libanon. Dialoge fördern, Misstrauen abbauen – in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren des Libanons ist dies das Ziel des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanzierten ZFD Engagements. Auch die Pfadfinder sind im Libanon nach den unterschiedlichen Religionen und Konfessionen aufgeteilt. Sunniten, Schiiten, Maroniten, Drusen und auch die Hizbollah unterhalten jeweils eigene Pfadfindergruppen. Die Pfadfindergruppen waren während des Bürgerkrieges die Ersten, die von den jeweiligen Milizen rekrutiert wurden. Heute sind sie wieder weit von den Milizien – jedoch auch voneinander – entfernt. Auf diese Weise bleibt man unter sich, die Anderen, die kennt man kaum. In den Bergen des Libanons haben sich rund 15 Pfadfinderleiter zwischen 17 und 23 Jahren aus dem Norden und aus dem Süden des Libanons versammelt. Sie sind der Einladung des Forum for Development, Culture & Dialogue (FDCD) gefolgt, mittels eines Workshops ihr Know-how zu den Methoden der gewaltfreien Konfliklösung und -prävention zu erweitern und zu vertiefen. Allein die Teilnahme der Anwesenden ist ein Erfolg: „Einige der eingeladenen Pfandfinderleiter sind nicht gekommen, es ist nicht einfach, sie von einem interkonfessionellen Treffen zu überzeugen“, erzählt Maher Btaiche, von der GIZ unterstützte, einheimische Friedensfachkraft. Die anwesenden Schiiten, Sunniten und Christen diskutieren offen und in einem Umfeld des wachsenden gegenseitigen Vertrauens die Methoden der Konflikttransformation, ihre Wirkkraft und Funktionsweise, sprechen über Konflikte und Lösungsmöglichkeiten. Ein Erfolg für Pfadfinder, zu deren Grundausbildung teilweise auch das Waffentraining zählt. Das FDCD profitiert von der Zusammenarbeit mit dem ZFD der GIZ. Als Friedensfachkraft der GIZ arbeitet Mona Ahmed beim FDCD und berät die Organisation bei der Durchführung der Projekte. „Der Workshop ist für viele der Jugendlichen die erste religions- und konfessionsübergreifende Veranstaltung, an der sie teilnehmen und so die erste, bewusste Auseinandersetzung mit den jeweils Andersgläubigen“, erklärt Mona Ahmed. Ein großer Schritt für die Leiter der Pfadfindergruppen, die eine wichtige Rolle im Wissenstransfer und bei der Ausbildung von jüngeren Pfadfindern haben. 4 5 Im Workshop spielte die in der Gesellschaft tief verankerte Lagerbildung keine Rolle mehr. Bei einer Bergwanderung wurden Barrieren abgebaut und man half sich gegenseitig. ZFD fördert Kooperationsund Dialogstrukturen Neben dem FDCD werden vier weitere Organisationen von den Friedensfachkräften der GIZ im Libanon durch gezielte Trainings und Coachings beraten und unterstützt. Diese Organisationen sehen sich dabei, wie bereits angedeutet, einer besonderen Herausforderung gegenüber: Der Libanon ist gegenwärtig Heimat von etwa 4,2 Millionen Menschen, die 18 unterschiedlichen und stark von einander getrennten Glaubensgemeinschaften angehören. Gerade wegen der hohen Anzahl unterschiedlicher religiöser Gruppen wird der Libanon häufig als Schmelztiegel der Kulturen beschrieben. Doch diesem Bild kann er nur schwerlich gerecht werden, denn eine der wichtigsten identitätsstiftenden Komponenten ist die persönliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfessionsgruppe. Diese Zugehörigkeit bildet eine wichtige Konstante im Leben der Menschen, während Geschichte und Politik der einstigen Kolonie Frankreichs und des ehemaligen Wunschprotektorats Syriens von Unbeständigkeit geprägt sind. © Mona Ahmed Gemeinsam organisieren Mona Ahmed und Maher Btaiche im Rahmen des FDCD-Programms „Friedensförderung und Konflikttransformation“ Projekte und Veranstaltungen innerhalb des Libanons – wie etwa den beschriebenen Workshop – als Teil des Gesamtprojekts „Junge Führungskräfte in der Zivilgesellschaft“. Die Idee ist, zivilgesellschaftlichen Multiplikatoren mit Vorbildfunktion für nachfolgende Generationen, die gewaltfreien Möglichkeiten zur Konfliktlösung nahezubringen, so dass diese sie vorleben und weitergeben können. Die dadurch begünstigte Lagerbildung, die Interessenlagen sind dabei weiterhin diffus, zeichnet sich durch gut funktionierende soziale Netzwerke aus. Auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen im Libanon folgen nicht selten dem oben beschriebenen Geist und beziehen sich in ihren Aktivitäten häufig auf den sozialen Kontext, beziehungsweise das konfessionelle Umfeld, aus dem sie hervorgegangen sind. Der ZFD fördert seit 2009 zivilgesellschaftliche Organisationen, die über Konfliktlinien und konfessionelle Zugehörigkeiten hinweg Kooperations- und Dialogstrukturen aufbauen und die Methoden und Konzepte zivieler Konfliktbearbeitung in die Gesellschaft hineintragen. Auch Projekte, die auf den Abbau von Feindbildern zielen, finden Unterstützung. finderin: „Im Vorfeld sei ihr unwohl bei dem Gedanken gewesen, einen mehrtägigen Workshop auf engem Raum mit Muslimen zu verbringen. In der Reflektion allerdings habe sie sich und den anderen Teilnehmern eingestanden, dass sie sich in der Gruppe wohl gefühlt habe. Sie habe offene Teilnehmer, sowohl unter den Christen als auch unter den Muslimen, getroffen und blicke auf bereichernde Diskussionen zurück.“ Stefan Friedrichsen und Isabell-Kim Stoffel Stefan Friedrichsen ist Sozialpädagoge und seit 2010 Koordinator des ZFD im Libanon. Isabell-Kim Stoffel ist Diplom-Politologin und zurzeit Praktikantin im ZFD-Programm im Libanon. Was die Erfolge der FDCD-Friedensarbeit sind, frage ich. Für Maher Btaiche und Mona Ahmed liegt das auf der Hand und so berichten sie vom Feedback einer Pfad- 왘 SPEKTRUM gizBrief 4.2011 Philippinen Vom Mehrwert lokaler Erdnussproduktion © Jana Franke Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft stärken Gemeinden gen und sich wunderbar für den Anbau von Erdnüssen eignen würden. Mit unzureichender Quantität und Qualität von Produktionsrohstoffen sowie Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften kämpfen viele philippinische Unternehmen. Für viele Filipinos wiederum bedeutet dies verpasste Beschäftigungs- und Einkommenschancen. Das Strategic Corporate Community Partnership Program (SCOPE), das im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderte Public-Private Partnership-Programm der GIZ auf den Philippinen, setzt an diesen Schwachstellen an. SCOPE nutzt den Wertschöpfungskettenansatz zur Identifizierung und Planung von Entwicklungspartnerschaften mit der lokalen Wirtschaft. Zugang zu Wirtschaftsakteuren erhalten die SCOPE-Beraterinnen über die Partnerorganisation Philippine Business for Social Progress (PBSP), eine renommierte unternehmensgetragene Stiftung. In Zusammenarbeit mit der Möbelfirma Interior Crafts of the Islands wurde aus einem sozialen Nähzentrum ein Polstereizulieferbetrieb, der in die Wertschöpfungskette der Möbelfirma integriert ist. D ie Insel Bohol ist bekannt für ihre „Peanut Kisses“, eine süße Delikatesse aus Erdnüssen und Zucker. Ein dort ansässiger Bäcker importiert die Erdnüsse dafür aus China und Vietnam, da er vor Ort nicht die nötigen Mengen kaufen kann. Obwohl die Reisfelder auf Bohol zwischen den Ernten drei bis vier Monate brach lie- Info Corporate Social Responsibility (CSR) CSR lässt sich am besten als „gesellschaftliche Unternehmensverantwortung“ oder „verantwortungs- Ziel ist es, informelle Produzentengruppen als Zulieferer von Halbfertigprodukten oder Serviceleistungen in die Wertschöpfungsketten lokaler Unternehmen zu integrieren. SCOPE unterstützt Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Kleinstunternehmern, die als potenzielle Zulieferer in Frage kommen, und entwickelt mit beiden Partnern ein Konzept für Verbesserungsmaßnahmen. Der Wertschöpfungskettenansatz zahlt sich sowohl für das Unternehmen als auch für die Produzentengruppen aus. Die enge Vernetzung und die (Weiter-) Qualifizierung der Zielgruppen führen zu besseren Produkten und zuverlässigeren Zulieferern und somit zu einer Erhöhung von Beschäftigung und Einkommen. volle Unternehmensführung“ übersetzen. Ursprünglich verstanden als soziales Engagement philanthropischer Unternehmer, hat sich CSR weiter entwickelt zu einem strategischen Ansatz, mit dem Schritt für Schritt das Kerngeschäft eines Unternehmens an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtet Corporate Social Responsibility (CSR) statt Wohltätigkeit wird. Bessere Arbeitsbedingungen führen zu höherer Arbeitsmotivation der Belegschaft, Qualifikationsmaßnahmen für Zulieferer sorgen für bessere Produktqualität, Energieeffizienzmaßnahmen sind ein Beitrag für den Klimaschutz und reduzieren Kosten. Ökonomische, ökologische und soziale Ansprüche werden ausbalanciert und auf einem bezüglich Öko- und Sozialstandards sensibilisierten Markt entsteht somit ein Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. Unternehmen erkennen zunehmend, dass gesellschaftlich verantwortliches Handeln (Corporate Social Responsibility – CSR) einen strategischen Vorteil bietet. Der Grundgedanke ist, CSR am Kerngeschäft der Unter- 6 7 Info Der Wertschöpfungskettenansatz (WSK) In den Wertschöpfungskettenansatz werden alle Akteure einer Wirtschaftskette von der Produktion über die Weiterverarbeitung, den Handel und Markt bis hin zum Endverbraucher einbezogen, um Fördermaßnahmen zu entwickeln, die das Zusammenwirken optimieren und so zu entwicklungsrelevanten, armutsmindernden Wirkungen führen. nehmen auszurichten, so dass sowohl für die Unternehmen als auch die benachteiligten Zielgruppen ein Mehrwert entsteht. Diese Art des strategischen CSR gewinnt auf den Philippinen zunehmend an Bedeutung. Das soziale Engagement philippinischer Unternehmer ist stark ausgeprägt, fokussiert jedoch traditionell auf philanthropische Projekte. Dabei bieten strategische CSR-Maßnahmen großes Potenzial, deren betriebswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sowie Reputation zu erhöhen. der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung sowie im Umwelt- und Ressourcenschutz. Wichtig ist dabei, auch in einem wirtschaftlich schwachen Umfeld zu einem breitenwirksamen Wirtschaftswachstum beizutragen. Auf Bohol berät bereits ein Projektmanager von PBSP, Aurelio Salgados, den Bäcker, der keine Erdnüsse auf dem lokalen Markt beschaffen kann. Im Rahmen eines SCOPE-Projektes werden nun 20 Bauern im Anbau von Erdnüssen geschult, um Qualität und Quantität zu erhöhen, und bekommen außerdem Saatgut und einfache Maschinen für die Bearbeitung nach der Ernte bereitgestellt. Salgados findet das marktorientierte Konzept gut, es mache die Projekte nachhaltiger: „Das Engagement der Unternehmen wird gefördert. Das ist nachhaltiger, als nur das Geld von ihnen zu nehmen und den Armen zu geben.“ Auch der Bäcker ist überzeugt von dem Ansatz und treibt das Projekt voran. Ist es erfolgreich, will er andere Unternehmer überzeugen, mitzumachen. So können sie in Zukunft echte regionale Produkte verkaufen – „Peanut Kisses“ mit Erdnüssen aus Bohol. Daniela Baum und Jana Franke Daniela Baum ist freie Redakteurin und Beraterin. Im Juli 2011 evaluierte sie das SCOPE-Programm auf den Philippinen. Jana Franke ist Dipl. Medienmanagerin und seit 2008 Entwicklungshelferin auf den Philippinen. © Janina Wohlgemuth Dass es nur ein kleiner Schritt ist von rein sozialer hin zu betriebswirtschaftlich sinnvoller Unterstützung zeigt das Beispiel einer in Cebu ansässigen Möbelfirma. Um die gestiegene Nachfrage nach Polstermöbeln decken zu können, investierte das Unternehmen über ein PPP-Projekt in den Ausbau einer bis dahin philanthropisch unterstützten Schneiderei in einem Zulieferbetrieb für Polstereiprodukte. Strategisch in die Wertschöpfungskette der Exportfirma integriert, haben junge Männer aus sozial schwachen Schichten heute ein regelmäßiges Einkommen durch die Produktion qualitativ hochwertiger Polstermöbel. Gleichzeitig werden lokale Märkte durch einen Reparaturservice oder Sonderanfertigungen von Sitzgarnituren bedient. Ein steter Fluss von Aufträgen sichert ein geregeltes Einkommen und ermöglicht die Ausbildung weiterer Polstereifachkräfte. Der WSK-Ansatz kann in verschiedenen Sektoren angewandt werden: in der Ländlichen Entwicklung, Nachhaltige Verankerung beim Partner SCOPE zeigt den Unternehmen Möglichkeiten auf, CSR strategischer anzugehen. Seit 2004 wurden bereits über 30 Projekte erfolgreich umgesetzt und dieser marktorientierte Ansatz überzeugte auch die Partnerorganisation PBSP. Das Management fördert den Paradigmenwechsel vom bisher rein philanthropischen Ansatz hin zum strategischen CSR. Seit dem neuen Geschäftsjahr, das im Oktober 2011 begann, institutionalisiert PBSP den SCOPE-Ansatz, integriert ihn in die strategische und operative Planung und lässt ihre Projektmanager in dessen Anwendung trainieren. In einem Training lernen Reisfarmer aus Carmen/Bohol Anbaumethoden und Nacherntebehandlung von Erdnüssen. Als Zulieferer für Jojie’s Bakeshops können sich die Bauern so ein Zusatzeinkommen erwirtschaften und Jojie’s Bakeshops ist weniger abhängig von Erdnussimporten. 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Die Pflege der eigenen Kultur - wie hier in Angkor Wat in Kambodscha zieht Touristen an und schafft so Einkommen. Kultur als notwendige Dimension der Entwicklungspolitik Plädoyer für mehr Kulturbewusstsein in der Entwicklungszusammenarbeit Die Bedeutung der Kultur im globalen Entwicklungsprozess wird noch nicht ausreichend anerkannt. Fachkräfte aus der Entwicklungszusammenarbeit erfahren in ihrer Arbeit vor Ort täglich, dass ohne die Berücksichtigung der jeweiligen kulturellen Bezüge Entwicklungszusammenarbeit nicht erfolgreich sein kann. Veränderungsprozesse müssen kulturell verankert werden, nur dann gelingt nachhaltige Entwicklung. Kultur muss also eine gleichberechtigte Zielgröße für Entwicklung neben den ökonomischen, politischen, sozialen und ökologischen Zielen sein. 8 9 © Peter Beyer Kultur als Einflussgröße K ultur und Entwicklung – zwei Begriffe, die schon für sich genommen sehr facettenreich sind und Zugänge aus ganz unterschiedlichen Perspektiven erlauben. Das macht eine analytische Annäherung an das Verhältnis zwischen Kultur und Entwicklung nicht einfacher. Eine erste Einordnung bietet sich anhand folgender drei Leitlinien an: Kultur als Einflussgröße, Kultur als Entwicklungsmotor und Kultur als Interventionsfeld. Zunächst zur Kultur als Einflussgröße, und zwar auf die politische, soziale und ökonomische Entwicklung. Auf welche Weise bedingen sich Kultur und Entwicklung? Während sich entwicklungspolitische Schwerpunkte und Strategien immer wieder neuen globalen und lokalen Herausforderungen anpassen müssen, bleibt eines gleich: die Pflicht der Akteure im Schnittfeld von Entwicklungspolitik und auswärtiger Kulturpolitik zur Rücksichtnahme auf die unterschiedlichen Kulturräume, in denen sie tätig sind. Mit kultursensiblem Engagement steigt die Chance, dass Entwicklungsprozesse partizipativ angelegt sind und deshalb eine erhöhte Akzeptanz finden. Entwicklungsimpulse entfalten ihre effektivste Wirkung, wenn sie kulturelle und sozioökonomische Rahmenbedingungen beachten und auf der Basis des lokalen Wissens ihrer Zielgruppen aufbauen. Indigenes Wissen wiederum ist geistiges Eigentum seiner Träger und als solches zu respektieren und zu honorieren. Der Erhalt lokalen oder indigenen Wissens kann in unserer globalisierten Welt durchaus mehr bedeuten als lokal begrenzte Bewahrung; er kann konservativ geprägt sein, sollte aber im partnerschaftlichen Dialog, der ja auf Veränderung ausgerichtet ist, in den meisten Fällen nicht konservativ verstanden und diskutiert werden. Andererseits hat sich gezeigt, dass indigenes Wissen globalen Nutzen stiften kann. Dieser Nutzen wurde in der Vergangenheit jedoch zumeist nicht erkannt und selbst wenn dies geschah, erst in den letzten Jahren überhaupt anerkannt. Auf die damit angesprochene Frage der Kulturhegemonie der Industriestaaten kann hier nur hingewiesen werden. Diese Überheblichkeit hat eine auf Emanzipation und Selbstbestimmung angelegte Entwicklung in vielen Staaten der Welt lange Zeit behindert; zudem war sie politisch häufig kontraproduktiv. Insbesondere den Entscheidungen für militärische Interventionen der letzten Jahre wurde zu recht mangelnde kulturelle Sensibilität vorgeworfen. Die (aus der Sicht des Intervenierenden) unbefriedigenden militärischen Ergebnisse, vor allem aber der mangelhafte politische Erfolg bestätigen diese Einschätzungen. Zwar wird allerorten die dringende Notwendigkeit eines in eigenständiger Verantwortung getragenen zivilen Aufbaus unter Berücksichtigung der kulturellen Gegebenheiten etwa im Irak oder in Afghanistan betont, doch dominiert gleichwohl immer noch der kulturunsensible militärische Einsatz in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Muss es also einerseits darum gehen, Kultur als identitätsstärkendes Moment zu bewahren, so muss andererseits beachtetet werden, dass politische gizBrief 4.2011 so ist und die erstrebte Wirkung – erneut sei es betont – nicht doktrinär und ideologisch, sondern partizipativ und vor allem einvernehmlich erreicht werden soll, muss Kultur geradezu (pro-)aktiv genutzt werden, um entwicklungspolitische Ziele zu erreichen. Dazu gehört, dass Empathie und Respekt vor der anderen Kultur nicht zu einer kritiklosen Übernahme kultureller Vorstellungen des Partners führen darf. Einer solchen Überidentifikation erliegen vor allem solche Menschen, die keinen gefestigten eigenen Standpunkt innerhalb eines Wertesystems haben. Geriete der Dialog mit der anderen Kultur aufgrund dieses Mangels zur Gefälligkeit, würde der Entwicklungsprozess nicht befördert, sondern eher behindert. Außerdem wissen wir aus vielfältiger Erfahrung, dass der insoweit gleichberechtigte Partner eine solche Orientierungslosigkeit seinerseits nicht respektiert und daher den Beratungsprozessen nicht die notwendige Aufnahmebereitschaft entgegenbringt. Kulturelle Toleranz und Respekt sind also nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln. © Thomas Müller 왘 THEMA Entwicklungshelfer — hier eine Entwicklungshelferin in Peru — wissen, wie wichtig kultursensibles Handeln für den Erfolg ihrer Arbeit ist. oder mentalitätsbedingte Ausprägungen von Kultur – nicht notwendigerweise ausschließlich durch religiöse Interpretation – als Entwicklungsfaktor gleichzeitig Machtfaktoren sind, die sich entwicklungshemmend und konfliktverschärfend auswirken können. Kultur als Entwicklungsmotor Damit sind wir bei der zweiten Leitlinie: Kultur als Entwicklungsmotor, um globale Entwicklung zu fördern, sei es bei der Friedenssicherung, in der Konfliktprävention, in der Durchsetzung von Menschenrechten oder im Bereich der Förderung von Demokratie. Wenn die Kultur einer Gesellschaft soziales Handeln, Regeln und Entscheidungsprozesse beeinflusst, so ist sie als eine zentrale Größe in Entwicklungsprozessen anzuerkennen. Entwicklungspolitik führt damit per Definition zu einer Einmischung in die Kultur des Partners. Da die Entwicklungsziele zwischen autonomen Partnern verabredet wurden, können sie selbst nicht ohne weiteres aufgegeben werden, und somit ist die daraus folgende Entwicklung grundsätzlich nicht verhandelbar. Wenn das Es lässt sich vor allem im durch das Trauma der Nazizeit geprägten Deutschland eine Tendenz zu einem Kulturrelativismus feststellen, der jedwede Festlegung auf eigene Werte als inakzeptabel abqualifiziert und im entwicklungspolitischen Kontext darin Intoleranz oder gar imperialistische oder neokolonialistische Tendenzen erkennen will. Hier wird auf der Grundlage falsch verstandener Toleranz einer Bedingungslosigkeit das Wort geredet, die der Substanz internationaler Kooperation nicht gerecht wird. Kultur als Interventionsfeld der Entwicklungspolitik Kommen wir zur dritten Leitlinie: Kultur als Interventionsfeld der Entwicklungspolitik, als eigenem Sektor und nicht nur eigenem Wirtschaftszweig, der sie ohnehin ist. Die in Praxis und Wissenschaft der internationalen Politik vorzufindende geradezu stiefmütterliche Behandlung von Kultur rührt aus einem überholten Verständnis von ökonomischer Produktivität als mächtigstem Faktor einer erfolgreichen Entwicklungspolitik, und bei der Außenpolitik gilt Kultur zumeist nur als „Sahne auf dem Kuchen“. Nicht ohne Grund reden wir in Deutschland seit den 1960er Jahren im Rahmen der staatlichen bilateralen Entwicklungspolitik unverändert von nur zwei Teilen: der technischen und der finanziellen Zusammenarbeit. © Britta Radike 10 11 Ein Grund für die Haltung, dass dieser Sektor kein förderungswürdiger Fachbereich im Rahmen der Entwicklungspolitik sein kann oder soll, ist vermutlich in der verbreiteten Annahme zu finden, die Entwicklungsunterschiede zwischen armen und reichen Ländern ließen sich entlang der Maslow’schen Bedürfnispyramide systematisieren: der Mensch müsse erst seine Grundbedürfnisse wie Ernährung und Kleidung befriedigen, bevor er sich Sicherheits- und sozialen Bedürfnissen widmen könne, und erst danach sei es möglich, sich der Kultur zuzuwenden. Diese Betrachtungsweise eines rein funktionalrationalen Entwicklungsbegriffs ist unvollständig und bedarf dringend der Korrektur – einer Korrektur, die Kultur als eigenständige Entwicklungsdimension anerkennt. Der Begriff Kultur im Kontext von Entwicklung kann nicht nur das Bewahren von überkommenem Handwerk und liebenswürdiger Folklore beinhalten. Kultur umfasst weit mehr als die schönen Künste, nämlich, gemäß der UNESCO Weltkonferenz über Kulturpolitik „die Gesamtheit der verschiedenen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Charakteristika, die eine Gesellschaft oder soziale Gruppe kennzeichnen. Sie schließt nicht nur Literatur und Künste ein, sondern auch Lebensweisen, die grundlegenden Menschenrechte, Wertesysteme, Traditionen Die Kreativwirtschaft und Glaubensauffassungen.“ Was bedeutet das nun für die GIZ und die tägliche Arbeit ihrer Fachkräfte vor Ort? Ohne Einbeziehung der jeweiligen kulturellen Bezüge kann Entwicklungszusammenarbeit nicht erfolgreich sein. Die Entwicklung der Lebensumstände und der kulturelle Wandel in einem Land sind wie zwei Seiten derselben Medaille. Veränderungsprozesse müssen von unseren Partnerorganisationen kulturell verankert werden. Nur dann gelingt nachhaltige Entwicklung. Und nur dann verläuft die Entwicklungszusammenarbeit partnerschaftlich, auf Augenhöhe. Jede Entwicklung muss kulturbewusst sein, denn jede Art von Entwicklung hat kulturelle Gegebenheiten zu beachten, muss Raum für kulturelle Entfaltung geben und sich offen für den kulturellen Wandel zeigen. Prof. Dr. Jürgen Wilhelm Prof. Dr. Jürgen Wilhelm ist Vorstandsmitglied der GIZ. ist heute in vielen Ländern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dazu gehört auch das Kunsthandwerk – hier Porzellanmalerei –, wenn es gute Qualitätsstandards erfüllt. 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Kambodscha Weltkulturerbe Angkor Wat Angkor Wat ist eine der größten und eindrucksvollsten Tempelanlagen © SCU-Team Aufbau eines Steinkonservierungsteams zum Erhalt der Tempelanlage der Welt und mit über zwei Millionen Touristen im Jahr das beliebteste Touristenziel in Kambodscha. Der Tourismus schafft Arbeitsplätze und Einkünfte für die Menschen, die sehr stolz auf ihr kulturelles Erbe und die Tempel von Angkor Wat sind. Die GIZ unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Denkmalbehörde bei der Qualifizierung ihres Personals und der Ausbildung künftiger Restauratoren. Das erste Projekt: die Elefantenstatuen am Östlichen Mebon Tempel. SCU-Mitarbeiter Tec Touch trägt Steinfestiger auf. D ie Geschichte Kambodschas, Kultur und Identität sind untrennbar mit den Tempeln von Angkor verbunden. Das Khmer-Reich, mit Angkor als religiösem Zentrum, erlebte seinen Höhepunkt zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert. In dieser Epoche wurden auch die meisten Tempelanlagen errichtet. König Jayavarman II. machte es zum mächtigsten Reich des antiken Südostasiens, welches sich weit bis ins heutige Thailand, Vietnam und Laos erstreckte. Allerdings sorgten in den 70er Jahren die Khmer Rouge während ihrer nur knapp vierjährigen Schreckensherrschaft dafür, dass kulturelle Errungenschaften und die gesellschaftlichen Grundlagen der Khmer-Nation konsequent zerstört wurden. Die nationale Identität der Khmer wurde damit in Frage gestellt und an ihrer Weiterentwicklung gehindert. Die Verbrechen der Khmer Rouge haben dazu geführt, dass die Gesellschaft ein Trauma davontrug, das im Grunde bis heute nicht bewältigt wurde. Die langen Jahre des Krieges, die allgegenwärtige Armut verbunden mit den Erinnerungen an die einstige Größe des Khmer Reiches und die Rivalität zu den mächtigen, wirtschaftlich aufstrebenden Nachbarländern Thailand und Vietnam haben dazu geführt, dass das Volk der Khmer bis heute unter Minderwertigkeitsgefühlen leidet. Die Wunden heilen langsam und die Tempelanlagen von Angkor sowie die uralte Khmer Kultur haben bis in die Gegenwart hinein ihren Einfluss auf die Kunst und das Brauchtum bewahrt und tragen so einen beträchtlichen Teil zur Identitätsfindung der Kambodschaner bei. So ist Angkor Wat, der wohl bedeutendste Tempelbau Asiens, auf der kambodschanischen Flagge abgebildet. Auf so ziemlich jedem Hochzeitsfoto dient der Tempel als Hintergrund. Zigaretten- und Biermarken sowie jedes zweite Hotel in Siem Reap, der Stadt bei den Tempelanlagen, tragen den Namen eines Tempels. Viele Kambodschaner besuchen täglich die Tempel, wo sie ihre Traditionen und Religion ausüben. Wirtschaftsfaktor Weltkulturerbe Angkor Inzwischen zieht es jeden Tag Tausende Besucher zu den Tempelanlagen. Laut des kambodschanischen Ministeriums für Tourismus besuchten während der ersten sechs Monate des Jahres 2011 bereits über 1.3 Millionen Touristen das Land. Das Ministerium schätzt, dass 12 13 2011 voraussichtlich 2.8 Millionen Touristen Kambodscha bereisen werden. Verantwortung für das eigene Kulturerbe ist nicht nur identitätsstiftend, sondern schafft auch neues Selbstbewusstsein. Die Stadt Siem Reap, in der nahezu jeder AngkorBesucher nächtigt, ist der größte touristische Wirtschaftsfaktor Kambodschas. Das Ministerium für Tourismus geht davon aus, dass landesweit etwa 300.000 Menschen im Tourismussektor Arbeit finden. Diese Zahl soll sich in der Zukunft auf eine halbe Millionen erhöhen. Die Einnahmen durch Touristen tragen damit zu einem nicht unbeträchtlichen Teil zur regionalen Wirtschaftsentwicklung bei. Das von der GIZ unterstützte Team der SCU hatte in der ersten Projektphase die Aufgabe, die zur Restaurierung benötigten Materialien und Maschinen anzuschaffen, sowie ein Büro einzurichten. Mittlerweile konnten schon viele Restaurierungsmaßnahmen an unterschiedlichen Tempeln im Angkorpark selbständig geplant und durchgeführt werden. Ein System zur Datensammlung wurde aufgebaut, ein Workshop eingerichtet und die Materiallogistik etabliert. Bei internationalen Projekten wirkt die SCU als Berater und Gutachter in Sachen Steinkonservierung. Das ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe, da die Denkmalbehörde APSARA auf diese Weise Anerkennung durch die Nachfrage anderer internationaler Teams bekommt und technisch sehr gut konservierte Objekte vorzeigen kann. 1992 wurden die Tempel auf Gesuch des damaligen Königs Norodom Sihanouk von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Eine Bedingung war der Aufbau einer kambodschanischen Organisation zur Bewahrung und zum Management von Angkor. Diese wurde offiziell auf Basis eines königlichen Erlasses 1995 geschaffen. Heute hat APSARA (Nationale Behörde zum Schutz und Management von Angkor und der Region Siem Reap) mehr als 2.000 Mitarbeiter. Zu den Aufgaben der Behörde gehören der Schutz, die Konservierung und Entwicklung von Angkor, aber auch die Qualifizierung eigener Mitarbeiter. Fünfzehn verschiedene Projekte wurden in den ersten vier Jahren geplant und professionell durchgeführt. Das erste Projekt, die Restauration der monolithischen, zwei Meter großen Elefantenstatuen am Östlichen Mebon Tempel, wurde in den Jahren 2008/9 durchgeführt. Internationale Kooperationen waren unter anderem die Konservierung der Apsarareliefs am Phnom Bakheng Durch Wissenstransfer zur Selbstständigkeit Die GIZ unterstützt die Denkmalbehörde APSARA gezielt bei dem Aufbau und der Etablierung einer eigenen Steinkonservierungsabteilung (Stone Conservation Unit /SCU). Ziel des Projektes ist es, der Denkmalbehörde APSARA die Möglichkeit zu geben, eigenverantwortlich die Konservierung der stark gefährdeten Sandsteinreliefs und Statuen durchzuführen und das Wissen zu vermitteln, um Restaurierungsentscheidungen professionell zu treffen sowie langfristig die Unabhängigkeit von internationalen Teams zu erreichen. Die Übernahme von füllen eines Dübellochs an einem Nagakopf, Balustrade an der Elefanten Terrasse. © SCU-Team Eine beachtliche Anzahl internationaler Organisationen und Wissenschaftler ist seit vielen Jahren bemüht, Angkor auch für nachfolgende Generationen zu erhalten. Im Jahre 2010 wurden etwa 30 Projekte durchgeführt, an denen 16 Länder unter anderem Japan, Frankreich, China, Indien, USA und Italien beteiligt sind. Aus Deutschland arbeitet die Fachhochschule, Köln, Fakultät für Kulturwissenschaften, Institut für Restaurierungs-und Konservierungswissenschaften seit 1994 im German Apsara Conservation Project (GACP) in Angkor. Kham Kmao beim Ver- 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Temple im Auftrag des World Monuments Fund oder die Restaurierung von Sandsteinobjekten auf dem Phnom Kulen für ein französisches Archäologenteam. sche Steinkonservatoren entwickelt. Zurzeit wird es in Khmer übersetzt, da es ein Handbuch für Kambodschaner werden soll, leicht verständlich, mit vielen Fotos und Zeichnungen zur Verdeutlichung und Attraktivität. Das Buch wird zweisprachig erscheinen, in Khmer und Englisch, um auch die Zusammenarbeit mit internationalen Teams zu vereinfachen. Als Juniorfachkraft der GIZ, entwickle ich, Josephin Rösler, zurzeit in Zusammenarbeit mit den einheimischen Fachkräften – den zukünftigen Ausbildern – die Trainingsmodule und stelle die Lehrmaterialien zusammen. Auf Basis eines Kooperationsabkommens finanziert APSARA die Bürostruktur der Abteilung, die Materialien für Konservierungsmaßnahmen an den Tempeln und einen Teil der Gehälter der einheimischen Fachkräfte. Das kleine SCU-Team besteht bisher aus drei einheimischen Fachkräften, die über viele Jahre Arbeitserfahrung in Steinkonservierung in dem deutschen Projekt GACP sammelten. Seit 2007 werden sie von mir, Elke Tigges, in Projektplanung und Management weitergebildet, ihr fachspezifisches Wissen wurde von zwei Entwicklungsstipendiaten, die studierte Restauratorinnen sind, erweitert. Zukünftig sollen die Restauratoren dann selbständig und eigenverantwortlich Restaurierungsarbeiten durchführen und so für den Erhalt des kulturellen Erbes auf hohem restauratorischen Niveau sorgen. Ein langfristiges Ziel ist es, dass kambodschanische Restauratoren eigene Fachkräfte ausbilden und so in Zukunft immer mehr Eigenverantwortung für den Erhalt ihrer Tempelanlagen übernehmen können. Qualifizierung und Ausbildung Das SCU-Team. Von links nach rechts: Kham Kmao, Tec Touch, Josephin Rösler, Elke Tigges und Demnächst wird die Konservierungsabteilung um zehn kambodschanische Mitarbeiter erweitert. Diese sollen in einem zweijährigen Trainingsprogramm zu qualifizierten Restauratoren ausgebildet werden. Dazu wurde bereits im letzten Jahr von der Juniorfachkraft Karin Schinken ein Trainingshandbuch für kambodschani- © SCU-Team Long Nary. Gerade für Kambodscha ist die Ausbildung von Fachkräften zu einer wichtigen Aufgabe geworden. In den 70iger Jahren tötete die Khmer Rouge beinahe die gesamte intellektuelle Elite Kambodschas. So ging auch das Wissen, wie die Tempel für die Nachwelt erhalten werden können, verloren und muss nun wieder aufgebaut werden. Bis heute gibt es in Kambodscha keine Ausbildungsmöglichkeiten oder Studiengänge für den Beruf Restaurator. Die Ausbildung einheimischer Fachkräfte im Bereich Steinkonservierung und der Aufbau einer permanenten Steinkonservierungsabteilung innerhalb APSARA sichert den nachhaltingen Schutz des Weltkulturerbes Angkor und damit das ungebrochene Interesse der Kambodschaner und Touristen aus allen Teilen der Welt. Nicht zu letzt trägt der Erhalt der Tempel auch zur ökonomischen und politischen Stabilität in der Region bei. Josephin Rösler und Elke Tigges Josephin Rösler ist Dipl. Restauratorin, M.Sc. Denkmalpflege und seit Mai 2011 im Rahmen des Nachwuchsförderungsprogramms in Kambodscha. Elke Tigges ist Dipl. Ing. (FH) Architektin, Schwerpunkt Baudenkmalpflege, und seit März 2007 Entwicklungshelferin in Kambodscha. 14 15 Guatemala Rückgewinnung der eigenen Identität © Victor Lindenmayer Das Geschichts- und Bildungszentrum von Rio Negro Preisverleihung im ICC: Gewalt und Ungerechtigkeiten bestimmen immer noch das Leben der Menschen in Guatemala. Doch es gibt auch Lichtblicke, Menschen, die sich nicht in ihr Schicksal ergeben, sondern gemeinsam die Vergangenheit bewältigen und ihre Zukunft gestalten wollen – Menschen wie die Bewohner von Rio Negro im Department Baja Verapaz in Guatemala. M it berechtigtem Stolz und offenkundiger Freude nahmen Sebastian Iboy und Sucely Ical den Preis „To Do! 2010”, der ihnen im Rahmen der 45. Internationalen Tourismusbörse (ITB) im Internationalen Congress Centrum in Berlin (ICC) im Beisein des Botschafterehepaares und des Direktors der nationalen Tourismusbehörde Guatemalas überreicht wurde, entgegen. Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V. zeichnet damit herausragende Beispiele von sozialverantwortlichem Tourismus aus, der auf kulturelle und gesellschaftliche Bedürfnisse Rücksicht nimmt und sie nicht unternehmerischen Interessen opfert. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld versehen, über dessen Verwendung später die gesamte Gemeinde von Rio Negro entscheiden wird, die Sebastian Iboy hier vertritt. „Die Bewohner von Rio Negro haben den To Do!-Preis uneingeschränkt verdient, weil sie ein positives Beispiel für menschenrechtliche Vergangenheitsbewältigung und gemeinschaftliche Organisation des Tourismus mit absolut gerechter Verteilung aller Einnahmen sind.“ So lautete das Fazit der Begründung für die Preisverleihung. Die Rede ist vom Centro Historico y Educativo Riij Ib’ooy, dem Geschichts- und Bildungszentrum von Rio Negro, das man ebenso gut als Gedenk- und Begegnungsstätte bezeichnen könnte. Es wurde 2007 von den Gemeindemitgliedern selbst geplant, entwickelt und errichtet. Sie besitzen und verwalten das Zentrum. Finanzielle Förderung und technische Beratung leisteten von Beginn an im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Zivile Friedensdienst (ZFD) und die GIZ. Sebastian Iboy und Sucely Ical halten stolz den Preis „To Do! 2010” in die Kameras 왘 THEMA © Christopher Mayer gizBrief 4.2011 Einweihung des Geschichts- und Bildungszentrums in Rio Negro im Frühjahr 2008. Die Kernpunkte für die Auszeichnung liegen zum einen in den organisatorischen und technischen Leistungen bei der Konstruktion und partizipativen Nutzung des Zentrums, zum anderen in seinen vielfältigen pädagogischen und touristischen Angeboten. Die Würdigung gilt aber auch den Anstrengungen der Menschen dieser Maya-Gemeinde, den Schmerz über die Gräuel der Vergangenheit in eine positive Haltung gegenüber dem Leben umzuwandeln, um daraus die Kraft zu schöpfen für den Aufbau eines gerechten Friedens, menschenwürdiger Lebensbedingungen und kultureller Selbstbestimmung. Die besinnlichen Blicke der Preisträger lassen vermuten, dass sich unter das Glücksgefühl über Laudatio und Ovationen auch Erinnerungen an die entsetzlichen Ereignisse der Vergangenheit mischen, die sie zu diesem Engagement verpflichteten. Erinnerungen an die Zeiten des Schreckens 36 Jahre Bürgerkrieg hatten die Lebensgrundlagen, den sozialen Zusammenhalt und die kulturelle Einheit vieler indigener Gemeinden im Hochland von Guatemala zerstört. Rio Negro im Landkreis Rabinal der Provinz Baja Verapaz war eine davon. Das zuvor größte und ausschließlich von Angehörigen der Volksgruppe MayaAchi bewohnte Dorf wurde im Jahre 1982 ausgelöscht, seine Bevölkerung zwangsumgesiedelt oder vernichtet. Sie hatte sich gegen den Bau des größten Staudamms des Landes gestellt, ein Vorhaben, das sie ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen und Naturreserven, ihres Pfad- und Wegesystems, ihrer sozialen Netzwerke und der Stätten ihrer historischen Wurzeln und kulturellen Selbstverwirklichung berauben würde. Ihr Protest erfolgte ausgerechnet zu einer Zeit, als sich der Bürgerkrieg auf seinem Höhepunkt befand und das Militär brutal gegen die Bevölkerung vorging. Nach vier kaltblütig geplanten, von Armee und paramilitärischen Gruppen ausgeführten Massakern war innerhalb weniger Monate die einst 113 Familien, beziehungsweise 791 Menschen zählende Maya-Gemeinde auf weniger als die Hälfte dezimiert worden. Die Überlebenden flüchteten teils in die umliegenden Berge, wo sie sich mehrere Jahre vor ihren Verfolgern versteckten, oder ließen sich in das vom Militär kontrollierte „Modell-Dorf“ Pacux am Stadtrand von Rabinal bringen. Kleine, einförmige, wellblechgedeckte Häuser reihen sich hier dicht gedrängt und planquadratisch monoton aneinander. Hier fand das selbstbestimmte Leben freier Bauern, Fischer, Jäger, Sammler, Handwerker und Künstler ein jähes Ende. Eine Maya-Gemeinde war aus dem Zentrum ihres eigenen Kosmos an den Rand einer fremden und feindlichen Gesellschaft gedrängt worden, die von den Nachfahren der europäischen Einwanderer dominiert wird, die man in Guatemala Ladinos nennt. Auch Sebastian Iboy lebte mit seiner Familie hier einige Zeit. Nach über drei entbehrungsreichen und von ständiger Gefahr geprägten Jahren, hatte er sich aufgrund körperlicher Erschöpfung dazu entschlossen, auf das trügerische Amnestieangebot von General Efrain Rios Montt einzugehen. Er verließ seinen Zufluchtsort in den Bergen und legte sein Schicksal in die Hände der Militärs, seiner Verfolger. Dass er diese Entscheidung nicht mit seinem Leben bezahlte, verdankte er allein einer Reihe glücklicher Umstände. Für viele andere hatte es den Weg in den sicheren Tod bedeutet. Aber in Pacux konnte von einem Leben in Würde keine Rede sein. Wie in vielen anderen „Modell-Dörfern“ Guatemalas präsentierte sich hier das gesamte, allzu bekannte Spektrum des gesellschaftlichen Verfalls, der häufig mit einer kulturellen Entwurzelung, sozialen Marginalisierung, wirtschaftlichen Exklusion und erzwungenen Ghettoisierung einhergeht. Die Rückeroberung Im Frühjahr des Jahres 1991, die Unterzeichnung des Friedensabkommens sollte noch über fünf Jahre auf sich warten lassen, schloss Sebastián Iboy mit dieser Form des Daseins ab. Zu Fuß und in Begleitung zweier Schicksalsgenossen kehrte er nach Rio Negro, dem Ort seiner Herkunft zurück. Seine Ausrüstung bestand aus einer Plastikplane, einer Arbeitsmachete, Schnur und Angelhaken, einem kleinen Vorrat an Maistortillas – der unentbehrlichen Nahrungsgrundlage aller Mayas – und einigen Beuteln mit Saatgut, dem Startkapital für seine neue Existenz. © Victor Lindenmayer 16 17 „Wir sehnten uns danach, wieder in der Obhut unseres Flusses zu leben, Fisch zu essen und unsere alte naturverbundene Lebensweise wieder aufzunehmen. Auch wenn alles in den Fluten des Stausees versunken ist, die Felder unserer Väter, ihre Straßen und Wege, der Fluss selbst hat uns nie im Stich gelassen. Er spendet uns Wasser zum Trinken, schenkt uns Fische zum Essen und gibt uns die Kraft, die Felder unserer Vorfahren wieder mit Mais zu bepflanzen.“ So begründen die Rückkehrer ihre Entscheidung. In den folgenden Jahren kam die Bevölkerung von Rio Negro immer häufiger in den Genuss spontaner Hilfe. Ab 2004 wurden ihre Selbsthilfebemühungen nachhaltig durch den ZFD und die GIZ unterstützt. Das Geschichts- und Bildungszentrum bildet den vorläufigen Höhepunkt all dieser Anstrengungen. Entwicklung – aber welche? Aus friedenspädagogischer und entwicklungspolitischer Sicht weist Rio Negro ein großes Potenzial auf. Nirgends besser als hier lassen sich die Schrecken des Bürgerkrieges einerseits und die mutigen und nachhaltigen Anstrengungen der Kriegsopfer im Hinblick auf Wiedergutmachung und Strafverfolgung veranschaulichen. Hier lassen sich auch die sozialen Folgen von rücksichtslos durchgeführten staatlichen Großprojekten aufzeigen und Empfehlungen für zukünftige Vorhaben ableiten. Und hier, wo eine Vielzahl der für die Mayakultur des Hochlandes bedeutender archäologischer Orte im Wasser versunken sind und vier Maya-Ethnien aneinandergrenzen, erhält das Ringen um den Erhalt der eigenen kulturellen Werte und Errungenschaften und die Ausbildung einer gemeinsamen indigenen Identität einen besonderen Stellenwert. Zu all diesen Themenbereichen wurden verschiedene didaktische Materialien ausgearbeitet und eine Reihe publizistischer Aktivitäten angestoßen, darunter Ausstellungen, Plakatserien, Bücher, Broschüren, Kataloge, Kalender, Videos, Webauftritte und anderes mehr. Aktivitäten, die stärker auf die Gegenwart und Zukunft ausgerichtet sind, als nur retrospektiv historische Ereignisse zu manifestieren. Das Geschichts- und Bildungszentrum Riij Ib’ooy von Rio Negro verfügt inzwischen über eine breite Palette von Möglichkeiten, um im Rahmen der Friedenserzeihung, der Menschenrechtsarbeit und der kulturellen Integration diverse Aufgaben übernehmen und Initiativen entfalten zu können. Sebastian Iboys Frau mit den beiden jüngsten Töchtern. Aber wie viel Zeit und Energie wollen und können die Menschen, die es leiten, überhaupt aufwenden, um all diesen Anforderungen gerecht zu werden? Sind sie den damit verbundenen Aufgaben gewachsen? Welche Pläne haben sie im Hinblick auf die Gestaltung ihres Lebens und der Zukunft ihrer Gemeinschaft? Welches sind ihre Prioritäten? Einen Hinweis darauf mag die Verwendung des Preisgeldes geben. Die Gemeinde von Rio Negro errichtete damit eine neue Gedächtnisstätte für ihre ermordeten Eltern, Großeltern und Geschwister. Das kleine Gebäude, in Form einer Kapelle, ist das einzige, das ganz aus Stein besteht. Im Giebel über dem Eingang hebt sich ein Kreuz aus weißem Mineral ab. Der Ort der Andacht steht jetzt frei und selbstsicher auf dem Gelände des Zentrums. Er ist nun nicht mehr in das große Besuchergebäude eingegliedert, wo er zuvor in einem kleinen separaten Raum im Anschluss an den Veranstaltungs- und Ausstellungssaal, neben Küche und Bad, untergebracht war. Die Darstellung ihrer Geschichte und Kultur, so lässt sich daraus schließen, ist für die Menschen von Rio Negro nicht ein Mittel, um ihr touristisches Angebot zu optimieren. Es ist im umgekehrten Sinne das Geschichts- und Bildungszentrum, das es ihnen erlaubt, ihrer historischen Verantwortung und moralischen Verpflichtung nachzukommen und ihre eigenen gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse zu verwirklichen und weiterzuentwickeln. Victor Lindemayer Victor Lindemayer ist Ethnologe und war von 2000 bis 2009 Entwicklungshelfer in Guatemala, zuletzt als Berater für Demokratieförderung. 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Kolumbien Mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein Auf dem Weg zu einer Friedenskultur © Anna-Lisa Zug Peter Hauschnik leitet das Programm „Friedensentwicklung durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft“ in Kolumbien, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert wird. Anna-Lisa Zug, Mitarbeiterin der Unternehmenskommunikation der GIZ, sprach mit ihm darüber, welche Rolle die Kultur in seiner täglichen Arbeit spielt. Herr Hauschnik, Sie leiten ein Programm, das die Friedensentwicklung in Kolumbien fördern möchte. Mit welcher Art von Konflikten haben Sie es zu tun? Die UNESCO Konvention von 1999 definiert Friedenskultur als die Gesamtheit von Wertvorstellungen, Einstellungen, Traditionen und Verhaltensweisen, die auf bestimmten Prinzipien, wie Achtung des Lebens und der Menschenrechte, beruhen. Einfacher und vielleicht etwas praktischer ausgedrückt: Gewalt ist als Mittel der Konfliktlösung ausgeschlossen. Für mich gehört daher zur Friedenskultur auch eine funktionierende „Streitkultur“, in der Argumente ausgetauscht und abgewogen werden. Je nach Betrachtungsweise gibt es in Kolumbien entweder einen bewaffneten Konflikt zwischen Guerilla und Staat, der bereits 40 Jahre anhält, oder eine lange Gewalt-„Tradition“, die fast die gesamte Geschichte Kolumbiens prägt. Die Konflikte sind daher vielfältig: Angefangen von der ungleichen Verteilung von Land und Vermögen, dem mangelnden Vertrauen der Bürger in ihren Staat, über kriminelle Banden und Drogenwirtschaft, bis hin zur Gewalt innerhalb der Familie. Überall ist Gewalt als Mittel anerkannt, um Konflikte zu lösen. „Gewaltkultur“, Friedenskultur, Streitkultur – Kultur scheint in Ihrer Arbeit eine wichtige Rolle zu spielen. Wie kann Kultur dazu beitragen, dass Menschen konstruktiv mit Konflikten umgehen? Daher spricht man zum Teil auch über eine „Gewaltkultur“, die sich in Kolumbien breit gemacht hat. Jedes Jahr findet im Städtchen Labateca ein Volksfest statt, bei dem es immer wieder zu Dieser „Gewaltkultur“ möchte Ihr Programm entgegenwirken, indem es eine Friedenskultur fördert. Was genau verstehen Sie darunter? © German Zarama Streitigkeiten kam. Kultur beeinflusst die Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen. In manchen Ländern ist es vollkommen legitim, seine Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Insbesondere dann, wenn Gewalt funktioniert und nicht geahndet wird. Und wir alle kennen die Diskussionen darüber, wie Filme, Musik und Videospiele Gewalt verherrlichen, was letztlich dazu führt, dass vor allem Jugendliche leichter gewalttätig werden. Doch es geht auch anders: In Kolumbien gibt es ermutigende Initiativen, die Kunst und Kultur einsetzen, um einen konstruktiven Dialog zu ermöglichen. Das sind zum Beispiel Jugend- und Frauengruppen oder kirchliche Vereine. Wir versuchen diese Gruppen bei ihrer Arbeit zu unterstützen und so einen konstruktiven Dialog zwischen staatlichen Instanzen und der Zivilgesellschaft zu fördern. Und wie sieht das konkret aus? Geben Sie uns bitte Beispiele für Ihre Arbeit. In Manizales, einer Provinzhauptstadt im Zentrum Kolumbiens, beraten wir ein „Netzwerk für Bürgerkultur“, in dem sich Vertreter/innen der lokalen und regionalen Verwaltung, von Universitäten und sozialen Organisationen engagieren. In einer öffentlichen Veranstaltung thematisierten die Mitglieder des Netzwerkes die Gewalt- und Mordrate in bestimmten Stadtvierteln. Symbolisch durchbrachen sie die „Mauer des Schweigens“, die sich um die Opfer aufgetürmt hatte. Wir unterstützen das Netzwerk auch dabei, öffentliche Räume wie Parks oder schwierige Stadtteilviertel durch künstlerische Aktivitäten wieder allen zugänglich zu machen. Ein zweites Beispiel sind die in Kolumbien beliebten Volksfeste. Jedes Dorf hat mindestens einmal im Jahr ein solches Fest. Wir gehen den Festkomitees dabei zur Hand, ihre Feierlichkeiten so umzudeuten, dass sie nicht im Alkoholrausch mit Mord und Totschlag enden, sondern eine friedliche Zusammenkunft aller im Dorf lebenden Menschen sind. Beim Volksfest in der Kleinstadt Labateca zum Beispiel bewerfen sich die Feiernden üblicherweise mit Mehl und Wasser, was ursprünglich Wohlstand und Zufriedenheit symbolisieren soll. Immer wieder kommt es dabei jedoch zu Prügeleien. Die Bürger nahmen sich vor, den respektvollen Umgang miteinander zu thematisieren. Und es hat gewirkt: Das Fest verlief vergangenen Februar ohne aggressive Zwischenfälle. Und zu guter Letzt: Vor gut vier Jahren habe ich in Kolumbiens Kaffeeregion junge Hip-Hop Künstler kennengelernt, die in ihren Texten an ihre gefallenen und verschwundenen Freunde erinnern. Die Musik hat ihnen ihre Sprache wiedergegeben und sie ermutigt, tabuisierte Themen anzusprechen. Diese Gruppe war Teil eines Jugendgruppennetzwerkes. Dieses Netzwerk haben wir im Rahmen eines Projektes beraten, das sich um vertriebene Jugendliche kümmert. © Thomas Ecke 18 19 „Wenn diese Flinte, die zum Töten gebaut worden ist, in ein Musikinstrument umgewandelt werden kann, warum können wir Menschen, die nicht zum Töten geboren sind, nicht auch unser Verhalten ändern?“, fragt der kolumbianische Musiker César López in einem seiner Lieder. Die erste Begegnung mit dem Musiker César López und seiner Escopetarra hat mich sehr beeindruckt und den Weg für die kulturelle Arbeit im Programm geebnet. Die Escopetarra – ein Maschinengewehr, das zur Gitarre umgestaltet wurde – symbolisiert nicht nur den Wandel vom Mordinstrument zum Musikinstrument, sondern auch die Kulturleistung: Gitarre spielen und Musik erzeugen ist weitaus schwieriger, als nur abzudrücken. In Verbindung mit den entsprechenden Texten ist dies eine wirksame „Waffe“ im Kampf gegen die Gewalt. Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit in Kolumbien? Durch die lange leidvolle Geschichte ist die kolumbianische Gesellschaft traumatisiert. Es könnte der Eindruck entstehen, die bestehenden Initiativen seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein – die Gewaltstrukturen erscheinen immer stabiler als alles andere. Daher ist die größte Herausforderung, die Hoffnung nicht zu verlieren. Wie nehmen die Menschen in Kolumbien diese kulturellen Initiativen an? Das Interview führte Anna-Lisa Zug, Mitarbeiterin der Kolumbien ist kulturell enorm vielfältig: Selbst in abgelegenen Dörfern gibt es Geschichtenerzähler oder eine jugendliche Hip-Hop Gruppe. Diese bereits vorhandene Kreativität motiviert neue Akteure, sich kulturell zu engagieren. Auch hochsensible Themen können über Fotografie, Theater oder Film angegangen werden. Sogar staatliche Instanzen nutzen mittlerweile gezielt künstlerische Instrumente, um zum Beispiel Vertriebene mit symbolischen Aktionen an ihre ursprünglichen Wohnorte zu begleiten. In der Arbeit mit traumatisierten Menschen ist der künstlerische Ansatz oft die beste Option. Unternehmenskommunikation der GIZ in Berlin. Info Kunst- und Kulturprojekte sind Türöffner für die Friedensförderung in Konfliktregionen. Damit Kulturarbeit in Krisen aber nachhaltig wirken kann, darf sie nicht nur einer kleinen Elite in den Hauptstädten zugänglich gemacht werden, sondern muss auch die Massen in den Provinzen erreichen. Zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmer/innen der Konferenz „Kunst. Kultur. Konflikt.“, die Mitte Mai 2011 in Bonn stattfand. Jetzt ist eine Broschüre Gibt es einen Moment, der Ihnen bei Ihrer Arbeit zur Friedenskultur besonders in Erinnerung geblieben ist? erschienen, die die Arbeit der Konferenz dokumentiert. Kontakt: [email protected] 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Burkina Faso Sensibilisierung einmal anders Wie ein Kreativitätswettbewerb einen wichtigen Beitrag zur Menschenrechtsarbeit in Burkina Faso leistet Zum zweiten Mal fand in diesem Jahr in Burkina Faso ein Wettbewerb zum Thema Menschenrechte statt. In diesem Jahr stand dabei das Recht auf körperliche und physische Unversehrtheit im Mittelpunkt. Mit verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen oder auch journalistischen Texten setzten sich die Teilnehmer/innen mit dem Thema auseinander, und es entstanden eindrucksvolle Werke. Veranstalter waren das Journalistennetzwerk RIJ (Réseau d’Initiatives de Journalistes) und die burkinische Menschenrechtsorganisation MBDHB (Mouvement Burkinabè des Droits de l’Homme et des Peuples) sowie die GIZ, die diese beiden Organisationen im Auftrag © Sara Worch des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt. Das Plakat des Wettbewerbs 2011. » Schau um Dich, all die leidenden Frauen in den Geburtshäusern. Es ist für sie sehr schwer, Leben zu geben. Schau Dir das rinnende Blut Deiner Tochter an, merkst Du nicht, dass sie ihr Leben verlieren kann, dass sie nicht mehr gebären kann? Und all das wegen der Exision. « S o lautet der Text des Liedes „Dale“ (Nie wieder) des burkinischen Musikers Issaka Nikiéma, das Jury und Publikum gleichsam anheizte. Auch das Gedicht „La flamme assoupie“ (Die eingeschläferte Flamme) von Pengwendé Alexis Yaméogo thematisiert auf eindrucksvolle Weise die Qualen einer beschnittenen Frau. Es ist Klagelied, Hilfeschrei und Anklage zugleich. Nein, nie wieder, nie wieder so etwas! Nein, stoppt die Exision von Frauen! Keine Exision mehr, keine Exision mehr! Die beiden Künstler sind zwei von insgesamt neun Preisträgern des Kreativitätswettbewerbs zum Thema Menschenrechte 2011, der in diesem Jahr bereits zum zwei- ten Mal stattfand. Wie letztes Jahr stieß auch der diesjährige Wettbewerb, der dazu anregen sollte, sich auf kreative Weise, zum Beispiel in Zeichnungen, Gedichten, Liedern, Zeitungsartikeln und Theaterstücken, mit dem Thema Menschenrechte auseinanderzusetzen, bei unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen und in weiten Teilen des Landes auf großes Interesse. Insgesamt wurden 215 Werke eingereicht, davon die Mehrzahl in den Kategorien Bildende Kunst und Literatur (weitere Kategorien waren: Darstellende Kunst, Musik und journalistische Produktionen). Der Großteil der Teilnehmer/innen stammt aus der Hauptstadt Ouagadougou, die für ihre pulsierende Kunst- und Kulturszene bekannt ist, aber auch aus anderen Regionen erreichten das Deutsche Haus im August zahlreiche Beiträge. Ging es im letzten Jahr um Menschenrechte allgemein, lag der Schwerpunkt diesmal auf dem Recht auf körperliche und physische Unversehrtheit. Dies ist ein Thema, das derzeit in Burkina Faso durch verschiedene Vorfälle eine besondere Brisanz hat. Der Tod des Schülers Justin Zongo, der im Frühjahr dieses Jahres von der Polizei unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten und zu Tode malträtiert wurde, wurde von weiten Teilen der burkinischen Öffentlichkeit angeprangert und führte zu einer Reihe gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Schülern und der Polizei. Dies war Ausgangspunkt für eine Welle landesweiter Proteste, bei denen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ihre wachsende Unzufriedenheit mit dem Staat und den Lebensbedingungen zum Ausdruck brachten. Nicht zuletzt ließen rebellierende Militärs, deren Proteste sich zwar insbesondere gegen die staatlichen Autoritäten richteten, die jedoch auch zu gewaltsamen Übergriffen auf die Zivilgesellschaft führten, die Bevölkerung zwischenzeitlich den Atem anhalten. Menschenrechtsarbeit mit künstlerischen Mitteln Vor diesem Hintergrund war es besonders erfreulich, dass sich einige Werke des Wettbewerbs mit dieser aktuellen Problematik auseinandersetzten. Weitere dominierende Themen waren sexuelle Gewalt, Gewalt in Gefängnissen und Kriegen und körperliche Übergriffe auf Hausmädchen. Trotz dieser Themenvielfalt ist jedoch die große Anzahl der Werke hervorzuheben, die sich dem Thema Genitalverstümmelung (auch Exision oder Beschneidung genannt) widmen. So auch das Bild „Donner la vie dans la douleur“ (im Schmerz Leben geben) von Raissa Prioux Zaré, Gewinnerin des zweiten Preises in der Kategorie Bildende Kunst. „Mit meinem © Sara Worch 20 21 Raissa Prioux Zaré, Bild möchte ich die schmerzhaften und oft verheerenden Folgen der Genitalverstümmelung für das Gebären darstellen. Das rot auf dem Bild ist Blut; Blut, das das Leben des Kindes symbolisiert, gleichzeitig aber auch das Leid und die Gefährdung durch die Beschneidung. In der Mitte des Bildes sieht man ein Kind, das geboren wird. Es drückt den Mut der afrikanischen Frau aus, die trotz dieser grausamen Praxis Leben gibt und bewahrt.“ Alle drei hier vorgestellten, wie auch die anderen eingereichten Werke, illustrieren auf beeindruckende und sehr unterschiedliche Weise die Gedanken der Teilnehmer/innen zum Thema, die sie mal direkt, mal indirekt, mal konkret oder aber eher abstrakt in ihren Beiträgen zum Ausdruck bringen. Auf der feierlichen Preisverleihung konnten sich die Teilnehmer/innen ebenso wie die geladenen Gäste hierüber ein Bild machen. Nun sollen die eingereichten Werke (wie bereits letztes Jahr) dazu genutzt werden, zum Beispiel bei Ausstellungen, Diskussionsrunden und Kinder-Malworkshops für das Thema zu sensibilisieren. Auch die Teilnehmer/innen des Wettbewerbs selbst sollen in diese Veranstaltungen einbezogen werden, um dadurch einen Dialog zwischen Künstlern und Bevölkerung anzuregen. Insgesamt ist der Wettbewerb auf bestem Wege, zu längerfristigen Synergieeffekten zwischen künstlerisch Inte- Gewinnerin des 2. Preises in der Kategorie Bildende Kunst, mit ihrem Werk. 왘 THEMA © Lina Brink gizBrief 4.2011 Dies bekräftigt auch die Koordinatorin für den Bereich Zivilgesellschaft der GIZ in Burkina Faso, Birgit Lichtenfels, und lobt noch einmal das Engagement der beiden Kooperationspartner: „Vor dem Hintergrund einer nach wie vor durch gravierende Rechtsverletzungen gekennzeichnete Menschenrechtssituation in Burkina Faso übernehmen zivilgesellschaftliche Organisation wie MBDHP oder das Journalistennetzwerk RIJ wichtige Funktionen. Mit ihren Aktionen decken sie Menschenrechtsverletzungen auf, bieten Information, Aufklärung und Beratung für Betroffene an und stellen eine breite Öffentlichkeit her. In diesen Kontext reiht sich die GIZ Förderung des Kreativwettbewerbs zu den Menschenrechten ein.“ Malwettbewerb für Kinder im Rahmen ressierten und Akteuren der Menschenrechtsarbeit zu führen und dazu beizutragen, dass neue, kreative Methoden für die Sensibilisierungsarbeit zum Thema Menschenrechte geschaffen werden können. Gerade aus diesem Grund nimmt der noch junge Wettbewerb auch für den Präsidenten von MBDHP, Chrysogome Zougmoré, bereits jetzt einen sehr wichtigen Platz in der Menschenrechtsarbeit in Burkina Faso ein. Für ihn hat Kunst – insbesondere die bildende Kunst – die Eigenschaft, den Betrachter auf ganz eigene Weise zum Nachdenken anzuregen, da sie, so Zougmoré, nicht nur die primären Sinne, sondern auch den Geist und das Be- © Ouoba Boukari des Wettbewerbs 2010. wusstsein anspricht. „Kunst drückt Gedanken von Individuen oder ganzen Gruppen aus und fordert wiederum Individuen beziehungsweise ganze Bevölkerungsgruppen dazu auf, sich mit einer bestimmten Thematik auseinanderzusetzen, in unserem Fall mit dem Recht auf körperliche und physische Unversehrtheit.“ Eine besondere Bedeutung misst er den Genres bei, die ohne geschriebenes Wort auskommen – zum Beispiel Musik, Malerei oder auch Theater. „Auch wenn man nicht lesen oder schreiben kann, kann man in diesen Werken nichtsdestotrotz ,lesen‘: mit seiner Kultur, seinem Glauben, seinen gesellschaftlichen Vorstellungen oder seinen Werten. In diesen Beiträgen – auch denen, die nicht ausgezeichnet wurden – sehe ich ein besonders großes Potential für die Sensibilisierungsarbeit.“ Der Kreativitätswettbewerb zeigt anschaulich, wie Kultur – und im hiesigen Kontext ganz konkret Kunst – genutzt werden kann, um die Entwicklung eines Landes zu fördern und wie die Zivilgesellschaft dazu angeregt werden kann, sich auf kreative Weise mit einem entwicklungsrelevanten Thema auseinanderzusetzen. Viel zu häufig werden Kulturarbeit und Entwicklungszusammenarbeit als zwei unterschiedliche Paar Schuhe betrachtet. Dass dies nicht zutrifft, zeigt das hier vorgestellte Projekt ganz deutlich. Und schon hoffen Viele, dass es den Wettbewerb ein drittes Mal geben wird. Sara Worch Der Präsident von MBDHP, Chrysogome Zougmoré, während der diesjährigen Preisverleihung. Sara Worch ist Anglistin und Ethnologin und seit Februar 2011 Entwicklungsstipendiatin der GIZ in Burkina Faso 22 23 Mali AIDS ist sichtbar – mach dir ein Bild davon! HIV und AIDS sind auch in Mali Themen, über die vor allem © Heide Wegat Ein Ausstellungsprojekt zur kultursensiblen Gesundheitsprävention Jugendliche informiert und aufgeklärt werden müssen. Die malische Nichtregierungsorganisation JIGI (Hoffnung) hat eine interaktive Ausstellung zu HIV/AIDS, Liebe und Sexualität unter dem Titel Le SIDA est visible, fais-toi une image (AIDS ist sichtbar – mach dir ein Bild davon!) entwickelt und im Kontext der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Mali über viele Jahre erfolgreich eingesetzt. Schülerinnen beim M empfunden ist. An der Konzeption waren erfahrene Mitarbeiter/innen der Gesundheitsprävention von JIGI, zwei Künstler (der Kunstfotograf Alioune Bâ und der Autor, Regisseur, Dramaturg und Musiker Lassana Justin Yao), Schüler/innen von Partnerschulen und die damals bei JIGI tätige Entwicklungshelferin des DED beteiligt. Finanziert wurde die Ausstellung unter anderem mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Ausstellung Le SIDA est visible, fais-toi une image wurde konzipiert, um vor allem Schülern und Schülerinnen unter professioneller Anleitung einen Austausch zu HIV/AIDS und darüber hinaus zu Fragen im Zusammenhang mit ihrer Sexualität zu ermöglichen. Ziel war es, einen Kommunikationsraum zu schaffen, der öffentlich zugänglich und andererseits den vertrauten Kommunikationsorten für sensible Themen nach- Die Ausstellung untergliedert sich in drei Hauptbereiche: Der erste ist die Fotoausstellung: 20 Jugendliche haben ihre Gedanken und Fragen zu HIV und AIDS über das Medium Fotografie visualisiert. Die Fotografien entstanden in einem Workshop unter Anleitung von Alioune Bâ. Der zweite Bereich sind verschiedenen Stationen, an denen die Besucher/-innen über aktive Beteiligung Wissen über HIV/AIDS erhalten und die Besuch der Ausstellung. Stoffmuster mit Motiven zur Ausstellung. © Heide Wegat ali gehört mit etwa 1,5 Prozent zu den HIV-Niedrigprävalenz-Ländern, nur sechs Prozent der Bevölkerung kennen ihren HIVSerostatus, nur etwa 20 Prozent der malischen Bevölkerung verfügen über Grundkenntnisse zu HIV und AIDS und die Kondom-Nutzung liegt bei circa einem Kondom pro Person pro Jahr. Fragen rund um die Sexualität und somit auch zu HIV/AIDS werden weiterhin tabuisiert. 왘 THEMA © Heide Wegat gizBrief 4.2011 Animatricen im Gespräch mit Schülerinnen im Lieu de tresse eigene Meinung zur Diskussion stellen können. Die geschieht zum Beispiel über Spiele wie das „Spiel der Zukunft“, das von JIGI entwickelt wurde und unter anderem die Ansteckungsrisiken verdeutlicht, oder eine Pinnwand, auf der sich die Besucher/innen mit einem eigenen Standpunkt zur Problematik HIV und AIDS ablichten lassen können. Das entstandene Motiv wird allen Besuchern und Besucherinnen zugänglich gemacht. Alle Stationen werden von erfahrenen Animateuren und Animatricen begleitet. Und der dritte Bereich, sozusagen das Herzstück der Ausstellung, ist eine den traditionellen Kommunikationsorten Grin und Lieu de tresse nachempfundenen Installationen, in denen sich die Besucher/innen niederlassen und untereinander beziehungsweise mit den erfahrenen Animateuren/Animatricen austauschen können. Grin und Lieu de tresse – Orte der Kommunikation Grin und Lieu de tresse sind in der malischen Kultur tief verankert. Bei Grin handelt es sich um männerdominierte Zusammenkünfte von Freunden, meist unter freiem Himmel, bei denen sich diese in aller Ruhe beim Tee über vielfältige Themen und intensiv auch über das andere Geschlecht und Beziehungsfragen austauschen. Das Äquivalent für Frauen stellt der Lieu de tresse dar, ein Ort, an dem in stundenlanger Arbeit die Haare geflochten und dabei Gespräche geführt werden. Der malische Kunstfotograf Alioune Bâ schuf für die Ausgestaltung von Grin und Lieu de tresse großformatige erotische Fotografien, die die Träume und Wünsche Jugendlicher beiderlei Geschlechts im Kontext ihres sexuellen Lebens widerspiegeln. Während in der Gedankenwelt der Männer, die im Grin angebracht wurden, überwiegend erotische Fotos des weiblichen Körpers dominierten, wurde die Darstellung männlicher Körper im Lieu de tresse mit der Ablichtung materieller Güter wie Telefon und Auto ergänzt. Über den Fotos wurde ein Geflecht aus miteinander verbundenen und mit bunten Flüssigkeiten gefüllten Infusionsflaschen installiert, an denen in Kondomen verpackte Alltagsgegenstände aus dem jugendlichen Alltag (zum Beispiel Handys) hingen. Vor allem diese Installation und die Fotografien waren Auslöser für Verwunderung und Ausgangspunkt, miteinander ins Gespräch zu kommen. Grin und Lieu de tresse sind während der Ausstellung mittels Stellwänden oder großen Tüchern abgeschirmte Orte, an denen eine private und vielleicht sogar intime Atmosphäre entsteht, in der es leichter fällt, Fragen zu Sexualität und HIV/ AIDS zu stellen. Als Animateure und Animatricen agieren hier vor allem HIV-positive Menschen, die von ihren Erfahrungen berichten, HIV ein Gesicht geben und Berührungsängste abbauen. Im geschützten Raum von Grin und des Lieu de tresse haben die Besucher/innen auch die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Abbildungen dem ebenfalls tabuisierten Thema Geschlechtskrankheiten zu nähern und sich mit den daraus ergebenden Fragen an die Animateure und Animatricen zu wenden. 24 25 Interview „Das war eine meiner positivsten Erfahrungen“ Heide Wegat bat Lassana Justin Yao, Autor, Regisseur, Dramaturg und Musiker (und mit seinen vielfältigen Kompetenzen Kulturmanager und Berater für Kommunikation durch Theater), der an der Gestaltung der Ausstellung „AIDS ist sichtbar – mach dir ein Bild In der Ausstellung wurden Kunstfotografien und Fotografien von Schülern und Schülerinnen verarbeitet und der Kern der Ausstellung und gleichzeitig intensivste Kommunikationsort war eine ungewöhnliche Kunstinstallation. Damit unterschied sich dieses Projekt von herkömmlichen Präventionsaktivitäten. Besonders aufschlussreich war jedoch der intensive Prozess der Auseinandersetzung und Annäherung zwischen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der lokalen Nichtregierungsorganisation (NRO) und den lokalen Künstlern, der fast unversöhnlich begann und nach intensiven gemeinsamen Arbeitswochen mit einem gegenseitigen Verständnis und Respekt endete. Es entstand ein Ausstellungskonzept mit einer gelungenen Kombination aus Erfahrungswerten bei gesundheitspräventiven Maßnahmen der NRO-Mitarbeiter/innen (die stark von ausländischen Konzepten der Sensibilisierungsarbeit geprägt waren) unter stärkerer Berücksichtigung lokaler kulturangepasster Elemente, die von den Künstlern als lokale kultursensible Kommunikationsspezialisten eingebracht wurden. So entstand auch unter Einbeziehung Betroffener ein kreativer gemeinsamer Schaffensprozess. davon!“ maßgeblich beteiligt war, um einen Rückblick auf das Ausstellungsprojekt. © Heide Wegat Kultursensible Entwicklung der Ausstellungsidee Die Künstler Alioune Bâ und Lassana Justin Yao (r.). Welches sind Deine Erinnerungen an das Ausstellungsprojekt? Mir gefiel die Arbeit des Kunstfotografen Alioune Bâ sehr gut. Die Schüler/innen wurden nicht nur in der Technik der Fotografie geschult, sondern sie erhielten vor allem die Möglichkeit, mittels ihrer Fotografien über ein tabuisiertes Thema zu kommunizieren, ohne dabei selbst verletzlich zu sein. Die meisten Fotos thematisieren Sex, den überwiegenden Weg der Ansteckung mit HIV in Mali. Für mich war das mutig und innovativ. Ich sehe viele Möglichkeiten, innovative Ideen zu entwickeln, aber natürlich braucht es dazu immer auch die entsprechenden Mittel. Zu Beginn der Arbeit an der Ausstellungsidee prallten die verschiedenen kulturellen Heide Wegat Prägungen der Mitarbeiter/innen von JIGI, der Künstler und der Entwicklungshelferin aufeinander, zum Beispiel auch hinsichtlich der Frage der Entscheidungshoheit. Aber alle Beteiligten konnten im Prozess der Zusammenarbeit über sich hinauswachsen Heide Wegat ist Rehabilitationspädagogin und Gesundheitswissenschaflerin und war von 2003 bis 2009 Entwicklungshelferin des DED in Mali und Mozambik. und ein Team bilden, welches gemeinsam diese großartige Arbeit leistete. Inwieweit unterschied sich die Zusammenarbeit von rein kulturellen Projekten zur Sensibilisierungsarbeit im Bereich der HIV/AIDS-Prävention? Die Mitarbeiter/innen von JIGI und die Künstler haben für das gleiche Ziel gearbeitet. Die Beteiligung von Künstlern hat der Ausstellung in besonderem Maße geholfen, tabuisierte Themen zu bearbeiten. Die Fotografien habe ich schon genannt, aber auch Grin und Lieu de tresse als ein bedeutsamer Teil lokaler (Kommunikations-)Kultur bilden den innovativsten Teil der Ausstellung. Die Theatergruppe „Welekan“ konnte gleichzeitig ihr Wissen zur Problematik und ihre Erfahrungen mit einer direkten und sehr offenen Kommunikation mit der Bevölkerung über ein die Ausstellung begleitendes Theaterspiel einbringen. Welche Erfahrung prägte Dich besonders bei der Zusammenarbeit? JIGI hat in ihren Interventionszonen in verschiedenen Landesteilen das Ausstellungsprojekt in mobiler Variante fortgeführt. Als Künstler und Animateur war ich an der stationären wie auch mobilen Ausstellung beteiligt und erlebte das Projekt als großen Erfolg. Ich schätze die Art und Weise, wie die Ausstellung mit ihren innovativen Anteilen konzipiert wurde. Für mich ist diese Ausstellung bis heute eine ideale Umsetzung präventiver Aufklärungsarbeit und gehört zu einer der positivsten Erfahrungen, die ich machen konnte. 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Algerien … und Action! Zukunftsfaktor Kultur- und Kreativwirtschaft Innerhalb der letzten zehn Jahren hat sich der Umsatz für Kreativgüter und -dienstleistungen weltweit nahezu verdoppelt und macht inzwischen 3,4 Prozent des Welthandels aus. In Entwicklungsländern stammen 43 Prozent der Exporte aus der Kreativbranche. Der Sektor bietet also Potenzial für die Gründung kreativer und zukunftsorientierter Unternehmen und somit Beschäftigungsperspektiven. Vor diesem Hintergrund unterstützt das GIZ-Programm für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Algerien den Sektor der Kulturund Kreativwirtschaft seit Mitte 2009 beim Aufbau eines Netzwerkes engagierter Kreativer. E © GIZ iner der ersten Meilensteine des GIZ-Programms in Algerien war die Veranstaltungsreihe Diversité 2010 (Vielfalt 2010), die vor einem Jahr im prächtig restaurierten Hafenpalast „Palais des Raïs“, dem kulturellen Herzen Algiers, stattgefunden hat. In verschiedenen Fachseminaren tauschten sich algerische Kulturschaffende und -förderer über Chancen und Hindernisse – beispielsweise die mangelnde Vernetzung der Akteure – der Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) aus. Dass die Sensibilisierung durch die GIZ-Programmaktivitäten einiges bewirken kann, zeigte sich im Nachgang an die Veranstaltungsreihe: Die algerische Kulturministerin brachte nach fast zwei Jahrzehnten der Verstaatlichung ein neues Gesetz für die Privatisierung der Kinolandschaft in Algerien auf den Weg. Auch die Bereiche Radio und Fernsehen sollen bis Ende des Jahres privatisiert werden. „Daraus ergibt sich ein enormes Potenzial für Unternehmen und Kulturschaffende, vom Maskenbildner über den Tontechniker, vom Skriptschreiber bis hin zum Kameramann. Der ganze Sektor ist von Grund auf neu zu entwickeln“, freut sich Baya Hachemi, eine der wenigen Filmproduzentinnen in Algerien, die auch während der „schwarzen Jahre des Terrorismus“ Filme gedreht hat. Mit einer Gruppe von Mitstreiterinnen gründete sie bereits vor zehn Jahren den Verband der Filmproduzentinnen Nouba. „Unser Land steht heute vor der großen Aufgabe, ein neues Bewusstsein für Kunst und Kultur herauszubilden – wir müssen neu lernen, Bilder und Kunst im Allgemeinen zu verstehen. Wir müssen die Bürger für Kunst sensibilisieren.“ Genau um diese Aufgabe kümmert sich der Verband mit verschiedenen Filmprojekten. Auf dem Filmfestival Afrikamera 2010 in Berlin beispielsweise konnte die algerische Delegation um Baya Hachemi von diesen Ansätzen berichten. „Wir profitieren sehr von der Zusammenarbeit mit der GIZ. Sie bietet uns Künstlern und Kreativen eine Plattform, um uns auszutauschen, zu netzwerken, zum Beispiel mit anderen Kunstschaffenden oder Unternehmerinnen aus der Region – eine Bereicherung. Nouba und andere Unternehmerinnenverbände werden vom GIZ-Programm für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Algerien und der Partnerorganisation „Sequa“, einer gemeinnützigen Gesellschaft der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, unterstützt. Baya Hachemi, Filmproduzentin und 2010 Mitglied der Jury des Filmfestivals Afrikamera in Berlin. „Zukünftig können wir das Gelernte für unser Land einsetzen, denn der Sektor Kultur- und Kreativwirtschaft schafft Arbeitsplätze, insbesondere auch für die junge Generation und für Frauen, und er verbessert das © Eva Näher 26 27 Mann mit Visionen: Der Fotograf Rafik Zaïdi vor seinem Bildern. Image Algeriens in der Welt. Er ist die Zukunft“, ist sich Baya Hachemi sicher und freut sich auf zukünftige Filmprojekte, in denen sie gesellschaftliche Tabus offener ansprechen darf. Studie zeigt Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft auf Insgesamt befindet sich Algeriens Wirtschaft in einem Transformationsprozess hin zu einer sozialen Marktwirtschaft. Der Sektor KKW kann dazu beitragen, Wirtschaftspotenziale außerhalb des Erdölsektors zu erschließen und Beschäftigung in neuen zukunftsträchtigen Bereichen zu schaffen. Gegenwärtig leiden viele Künstler und Kreative in Algerien jedoch unter den schwierigen Rahmenbedingungen und dem mangelnden Bewusstsein für das gesellschaftliche, ökonomische, politische und kulturelle Potenzial des Wirtschaftszweiges. Daher gab das GIZ-Programm für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung unlängst eine Studie zu diesem Thema in Auftrag. „Der koordinierte Wandel zu einer kreativen Ökonomie kann für eine nachhaltige Entwicklung der algerischen Wirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten. Wir sehen ein großes Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft in Algerien. Hierfür nutzen wir die Studie als Katalysator. Indem wir ihre Ergebnisse kommunizieren und den Dialog anregen, schaffen wir ein breiteres Bewusstsein und regen zu weiteren Aktivitäten an. Außerdem planen wir einen Deutschlandbesuch unserer algerischen Partner, der das Thema Gründungsförderung für kreative Unternehmer auf der Tagesordnung hat. Schließlich ist diese ein wichtiges Instrument und spiegelt die große Bedeutung des Sektors für die deutsche Wirtschaft wider“, so die GIZ-Programmleiterin Marita Riedel. Doch zurück zu den Kulturschaffenden im Hafenpalast Palais des Raïs: Der Fotograf Rafik Zaïdi ist seit längerem mit der GIZ in Kontakt. Im Jahr 2009 nahm er an einem Fotografen-Workshop der GIZ-Repräsentanz Berlin zum damaligen Jahresthema des Unternehmens in Johannesburg teil. In Algier schließlich gab er diese Erfahrungen an seine Fotografenkollegen weiter und realisierte gemeinsam mit ihnen eine Ausstellung im Rahmen der Veranstaltungsreihe Diversité 2010. „Ziel erreicht“, freut sich Randa Kourieh-Ranarivelo gemeinsam mit den GIZ-Programmverantwortlichen vor Ort. „Wenn es uns gelingt, mit dem Fotografen-Workshop einen Funken auszulösen, den die Teilnehmer dann in ihre Länder weitertragen, das heißt, unsere Maßnahmen im Bereich Kultur und Entwicklung gewinnbringend zu verknüpfen und Sichtbarkeit und Wirkung zu erzielen, dann sind wir auf dem richtigen Weg“, so KouriehRanarivelo, die in der GIZ-Repräsentanz Berlin für das 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Thema verantwortlich ist. Auch der algerische Fotograf erinnert sich gerne an das Projekt, war es schließlich die Initialzündung, um eine Fotografengruppe zu gründen. Inzwischen ist die Kooperative dabei, eine gemeinsame Druckerei für hochwertige Fotoerzeugnisse zu gründen und so das Angebot an moderner Druckereitechnologie in der Hauptstadt Algeriens zu verbessern. „Wir haben gelernt, in der Gruppe zu arbeiten. Der Austausch war für uns alle sehr wichtig. Wir profitieren von den Erfahrungen der anderen und entwickeln gemeinsam neue Ideen und Problemlösungen“, so Zaïdi heute. Handmade Design Algeria © Eva Näher Aktuell engagiert sich der Fotograf bei verschiedenen Ausstellungen und in mehreren Buchprojekten, um den bislang kaum existierenden Kunstmarkt in Algerien zu fördern. „Viele Künstler in Algerien müssen in kommerziellen Bereichen tätig sein, um zu überleben. Gerade der mangelnde Respekt des Urheberrechts stellt uns vor Probleme.“ Dazu, wie auch zu anderen Themen, tauscht sich Rafik Zaïdi mit anderen Kunstschaffenden aus – zum Beispiel über die Dialogplattform, die im Anschluss an Diversité 2010 ins Leben gerufen und seither vom GIZ-Programm begleitet wird. Eine der Künstlerinnen, die sich am jüngst angeregten Austausch beteiligt, ist Hassiba Boufedji. Boufedji, die ihren Abschluss als Designerin 2002 an der Universität der Schönen Künste in Algier erhielt, hat eine eigene Werkstatt für Kunsthandwerk. „In meiner Arbeit achte ich auf unser kulturelles Erbe, auf unsere geschichtlichen Ursprünge und unsere Traditionen. Ich transformiere und schaffe Objekte für die Belange des modernen Lebens – insbesondere Möbel, Lichtinstallationen und Teppichweberei.“ Hassiba Boufedji ist Mitglied von Handmade Design Algeria, einer Gruppe von Handwerkern und Designern, die sich bereits auf internationalen Messen präsentierte. Das Programm für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der GIZ unterstützt die Gruppe bei der Vorbereitung von Ausstellungen, zum Beispiel für die Internationale Designwoche „Passagen“ in Köln oder die Messe „Ambiente“ in Frankfurt. Außerdem haben die Kulturschaffenden von Handmade Design Algeria in einer Serie von Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft (EWP) Grundlegendes über den europäischen Markt lernen können, um ihr Angebot entsprechend auszurichten. So spielt die Wiederbelebung des traditionellen algerischen Teppichhandwerks beispielsweise eine wichtige Rolle. Eine EWP mit einem deutschen Teppichhändler ist seit 2010 in Vorbereitung, um algerischen Teppichproduzenten den Zugang zum deutschen Markt zu ermöglichen. „In unserem Netzwerk achten wir auf traditionelles Handwerk, Umweltaspekte, natürliche Färbetechniken und einen Austausch von tradiertem und modernem Design – die Handwerker bringen das überlieferte Know-how mit, wir das zeitgemäße Design“, beschreibt Hassiba Boufedji die Idee von Handmade Design Algeria. „Wir tauschen uns regelmäßig aus und können gemeinsam Messe- und Ausstellungsbesuche organisieren, die ein einzelner so nie realisieren könnte. Gemeinsam – und insbesondere auch mit der sich gerade etablierenden jungen Generation von Kunstschaffenden – können wir die Kultur- und Kreativwirtschaft vorantreiben.“ Eva Näher Hassiba Boufedjis Design fußt auf jahrhundertealter Tradition. Eva Näher, Mitarbeiterin im Programm für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der GIZ in Algerien. 28 29 Nigeria Das Phänomen Nollywood Der nigerianische Film erobert den afrikanischen Kontinent © pong Vom Westen weitgehend unbemerkt ist in Nigeria seit den neunziger Jahren eine der größten Filmindustrien der Welt entstanden. In Anlehnung an Holly- und Bollywood taufte man das Phänomen kurzerhand Nollywood. Wie konnte Nollywood entstehen? Warum fehlen bei uns diese Bilder, die Afrika von sich produziert? Diese und andere Fragen stellte GIZ-Redakteurin Tanja Stumpff im Oktober 2011 der Filmemacherin und Journalistin Dorothee Wenner. Sie ist Delegierte der Berlinale für Subsahara-Afrika und Indien. Ihr Dokumentarfilm „Peace Mission“ (2008) gibt einen lebendigen Einblick in die nigerianische Filmindustrie. Dorothee Wenner D ie Filmindustrie stellt national nach der Ölindustrie den zweitgrößten Arbeitsmarkt in Nigeria dar. International befindet sich Nigeria in einer Liga mit den USA und Indien (Spielfilmproduktionen: Nigeria 872, USA 485, Indien 1091 / Stand: 2009, Quelle: UNESCO). Seinen Umsatz macht Nollywood mit Billig- und Schnellproduktionen. Da eine nennenswerte Kinolandschaft in Nigeria nicht existiert, fanden die Filme zunächst auf VHS-Kassetten ihr Publikum und werden heute auf DVD und VCD ausgewertet. Außerhalb Afrikas und seiner Diasporagemeinde sind die Filme kaum erfolgreich und präsent. Das Phänomen Nollywood ist vor gut 20 Jahren scheinbar aus dem Nichts entstanden. In welchem kulturellen und medialen Umfeld ist das geschehen? Trotz der hohen Analphabetenrate gibt es in Nigeria eine starke literarische Tradition. In der Kultur der Joruba spielt das Theater eine große Rolle, das nun teilweise durch die DVD abgelöst wurde. Außerdem reden die Leute sehr gerne. Das hört sich zwar profan an, aber sie reden mit einer auffälligen Lust am dramatischen Element der Konversation. Welche politischen und gesellschaftlichen Faktoren spielten eine Rolle? Am Ende der Militärdiktatur gab es das Bedürfnis, alle Ausdrucksmöglichkeiten auszuschöpfen. Nollywood war auch eine Reaktion auf die repressiven Abacha-Jahre. Während der Diktatur von Abacha war es sogar verboten, einen Fotoapparat zu besitzen! Hinzu kommen die hohe Analphabetenrate und eine weit verbreitete Arbeitslosigkeit. Die Leute, vor allem Frauen, haben trotz des anstrengenden Alltags viel Zeit. Nollywood-Filme werden anders als bei uns rezipiert. Wie schauen die Nigerianer Filme an? In Nigeria sieht man Filme nicht alleine an. Man spricht gerne beim Schauen. Es gehört dazu, das Gesehene zu kommentieren. Es ist schwer zu sagen, ob Nollywood deswegen spezielle Schnitttechniken entwickelt hat – oder ob sich das „Reden beim Schauen“ als Reaktion darauf entwickelt hat: Ein Beispiel für solche speziellen Momente, die immer wieder auftauchen: Es klopft an der Tür, der Held steht auf, öffnet die Tür, jemand anders kommt herein und setzt sich hin. Diese Dinge würde hier jeder Schnittmeister kürzen. Im nigerianischen Film besitzen diese Momente aber eben eine Funktion. Ist diese andere Art, Filme zu schauen und dementsprechend zu gestalten, ein Grund dafür, warum Nollywood im Westen nicht erfolgreich ist? Als Delegierte der Berlinale werde ich manchmal gefragt: „Warum zeigt ihr diese Filme nicht?“ Die Antwort ist kompliziert, aber tatsächlich eignen sich viele Nollywood-Filme aufgrund ihres technischen Standards, ihrer Länge nicht für Festival-Aufführungen – und mutmaßlich würde das Publikum bald den Saal verlassen. Diese Form des Kinos braucht ein Vorinteresse. Man muss genau analysieren, für welche Märkte diese Filme wie gemacht werden. Es gibt auch Filme aus Afrika, die sehr 왘 THEMA © pong gizBrief 4.2011 Filmwerbung auf dem Alaba Market in Lagos. nuancierte Erzählformen besitzen. Sie sind aber ganz anders als die Filme aus Nigeria, die speziell für diese besonderen Rezeptionsformen entwickelt werden. Der nigerianische Film erreicht sein Publikum auf DVD/ VCD. Die Low-Budget-Produktionen sind sehr stark an der Nachfrage orientiert. Nach welchen Themen wird gefragt? Religiöse Themen funktionieren nach wie vor sehr gut. Die Kirchen spielen für die Gesellschaft eine extrem wichtige Rolle. Aus meiner Perspektive birgt das ein großes Sprengstoffpotenzial. In dem halb muslimischen, halb christlichen Land benutzen die Kirchen Filme als Seelenfänger. Die Religion ist auch ein Geschäft. Einmal war ich in einem Gottesdienst, in dem um Geld für eine neue Sound-Anlage und ein neues Schlagzeug für die Kirche gebeten wurde. Die Leute geben bereitwillig. Wie sieht die Verbindung zwischen Kirche und Film aus? Viele Kirchen besitzen eigene Filmstudios, und die Filmschaffenden bringen ihre eigene enge Bindung an diese oder jene Kirche in ihre Arbeit ein. Gibt es andere, staatliche Förderinstitutionen für Film oder Anlaufstellen für Filmschaffende? Wie sieht die Struktur der Filmindustrie aus? Die Stärke der Nollywood-Filmindustrie ist durch Unabhängigkeit und Staatsferne entstanden. Allerdings sind die Filmschaffenden in Gilden organisiert und nehmen das sehr ernst. Jeder einzelne Bereich besitzt seine eigene Gilde. Es gibt so viele Gilden, dass der oberste Chef von sich sagt: „I’m the president of presidents.“ Es gibt momentan noch keine klare Struktur. 30 31 Lässt sich im nigerianischen Kino eine Art Hoch- und Populärkultur unterscheiden wie bei uns? natürlich die Filmproduzenten das Interesse, da sie nur noch reinbuttern. Nein. Es gibt zwar einige Leute, die versuchen, einen gewissen Anspruch umzusetzen, aber man kann die Ergebnisse nicht als „Arthouse“ im westlichen Sinn bezeichnen. Es gibt einige wenige afrikanische Filmschaffende in der Diaspora, die versuchen, etwas in dieser Richtung aufzubauen beziehungsweise an ältere, klassische Formen des Filmschaffens anzuschließen. Der Filmmarkt ist zuvor zum zweitgrößten Arbeitsmarkt Nigerias nach der Ölindustrie aufgestiegen. Trotz der Größe des Marktes scheint sich an den niedrigen Budgets der Produktionen nichts geändert zu haben. Stichwort Diaspora: Auch im Ausland, zum Beispiel in Antwerpen oder in Berlin, werden Nollywood-Filme gedreht. Unterscheiden sich die Themen der Diasporagemeinde von denen in Nigeria? Es geht natürlich um Diasporathemen, aber die sind auch in den Filmen, die in Nigeria entstehen, sehr präsent. Migration ist generell ein großes Thema. Es ist unglaublich, wie viele Nigerianer nicht in Nigeria wohnen! Zwillinge sind in diesem Zusammenhang sehr populär: Ein Zwilling wächst in Amerika oder Großbritannien auf, einer in Nigeria. Nach Jahren treffen sie sich wieder, der eine ist ganz toll, der andere ganz böse geworden. Es gibt ja auch etablierte Filmfestivals wie FESPACO in Burkina Faso, die eine andere afrikanische Filmtradition pflegen. Wie sieht das Verhältnis aus? Nollywood ist sehr weit verbreitet und wird als Modell in vielen Ländern Afrikas kopiert. Andererseits versucht man im frankofonen Afrika, weiterhin das klassische afrikanische Kino aufrecht zu erhalten. Das ist schwieriger geworden, seit EU-Förderstrukturen geändert und Geldhähne zugedreht wurden. Gaston Kaboré aus Burkina Faso steht beispielsweise für diese Form des afrikanischen Kinos. Die Anzahl dieser Filme ist im Vergleich zu Nollywood verschwindend gering: Fünf oder zehn stehen einer momentan nicht mehr herauszufindenden Zahl nigerianischer Filme gegenüber. Früher waren es 2.000 jährlich. Heute sind es weniger geworden, ich schätze 700, 800. Es gibt aktuell keine verbindlichen Zahlen. Wie kam es zu dem Produktionsrückgang? Das hat mit Piraterie zu tun. Beispielsweise existieren in China zwei extrem aktive Websites, die wahrscheinlich von Nigerianern betrieben werden. Sie verbreiten die Filme, bevor sie eine kommerzielle Auswertung erfahren haben, die in die Produktion zurückfließen könnte. Wenn hauptsächlich die Piraten verdienen, verlieren Brandneue Hollywood-Ware, die in Deutschland noch nicht im Kino ist, ist in Nigeria auf den Schwarzmärkten für einen Bruchteil dessen, was nigerianische Filme kosten, erhältlich. Daran sieht man, wie populär die Filme sind. Warum sollten Filmproduzenten etwas verändern und mehr Geld investieren? Auf die Weiterentwicklung der Filmsprache hat man nicht genug Wert gelegt, denn das ist immer teuer. Um beispielsweise einen Film mit wirklich gutem Ton aufzunehmen, benötigt man beim Dreh ein Drittel mehr Zeit, ganz zu schweigen von der Postproduktion und der Tonmischung im Anschluss. Die Lebendigkeit der Industrie ist einerseits toll, andererseits auch ein Hindernis, denn natürlich sind Produzenten, die nur Geld verdienen wollen, nicht besonders innovationsfreudig. Ich habe gelesen, dass es in Nollywoodfilmen immer ein Happy End gibt. Das kann man so nicht mehr sagen, aber die Filme besitzen alle eine ausgeprägte Moral. Düstere, pessimistische Filme, wie man sie aus Europa kennt, würden in Nigeria nicht funktionieren. Der Triumph des Guten über das Böse ist eine Voraussetzung dafür, dass sich der Film kommerziell auswerten lässt. Sollte der Westen Nollywood fördern oder ist das aufgrund der eigenen Stärke unangebracht – ein Eingriff von außen, der die Eigenständigkeit behindern würde? Ich würde nicht von Eingriff sprechen und da ansetzen, wo Nigerianer und andere Afrikaner unterstützt werden möchten. Als Berlinale-Delegierte erhalte ich fast täglich derartige Anfragen von Einzelpersonen, Regisseuren oder Institutionen wie Filmschulen aus Afrika. Dabei geht es nicht um Inhalte – und das finde ich wirklich ganz toll –, sondern häufig um die Pre- und Postproduktion. Als Berlinale reagieren wir darauf zum Beispiel mit den World Cinema Fund Factories. Das ist eine vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanzierte Initiative, die wir gemeinsam mit der Deutschen Welle Akademie durchführen. In diesem Jahr gibt es zwei Pilotprojekte: 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Das erste hat schon in Burundi stattgefunden, die zweite Factory findet jetzt im Oktober 2011 in Burkina Faso statt. Gefördert werden Filme, die sowieso gemacht werden. Produzenten aus Afrika bewerben sich bei unseren afrikanischen Partnern mit ihren Projekten und beschreiben, wo sie Bedarfe sehen. Wo seid ihr? Was wollt ihr? Die Förderung funktioniert eben nicht so, dass wir hier in Berlin sitzen und sagen, was gut für Afrika ist, nach dem Motto: Jetzt macht doch mal ein paar Kurzfilme über AIDS. Auf so etwas reagieren viele afrikanische Filmemacher allergisch. Sollte die Kultur- und Filmförderung in Entwicklungsländern bei uns eine stärkere Rolle spielen? Wie funktioniert so eine Factory? Für die Factory in Ouagadougou (Burkina Faso) haben wir gemeinsam mit einer Produzentin und Regisseurin ein Training im Bereich Postproduktion und Schnitt konzipiert. Insgesamt werden zwölf Cutter aus verschiedenen Firmen zusammenkommen, aber Zentrum des ganzen Trainings ist ihr Film, den sie finanziert. Diese Schulung hatte ein Jahr Vorlauf. Wir verwenden viel Zeit, um mit unseren afrikanischen Partnern zu schauen: Früher stand der Bau von Brücken, Schulen und Krankenhäusern im Vordergrund. Kultur wurde, wenn überhaupt, unter „Verschiedenes“ auf die Tagesordnung gesetzt. Ich habe den Eindruck, dass sich das gerade ändert. Das Pentagon stellt nun Anthropologen ein! Ein Ziel in Afghanistan ist die Demokratisierung. Möglicherweise kommt man da mit einem Film weiter als mit einem Panzer. Damit bezweifele ich nicht die Wichtigkeit des Aufbaus von Schulen und Bildungskonzepten, aber die Frage ist doch: Wie mache ich das? © pong Am Nollywood Filmset. Welche Folgen hat das globale Fehlen der Bilder, die Afrika von und für sich produziert? Die Bilderlosigkeit hat sich verselbstständigt. Es ist, als wäre ein ganzer Kontinent in einem schwarzen Loch verschwunden. Sowohl für Afrika als auch für uns hat das fatale Folgen. Man kann bei dieser entsetzlichen Flüchtlingssituation anfangen, die auch darauf beruht, dass in Afrika keine oder falsche Bilder von Europa existieren. Andersherum herrscht bei uns ein immer noch von Professor Grzimek geprägtes Afrikabild: Da gibt es die Savanne, und in ihr stört der Mensch. Bis heute wird mit einer wahnsinnigen Unwissenheit über Afrika gesprochen! Wir haben zwar eine Kolonialgeschichte, aber keine Aufarbeitung derselben. Es gibt viele Ängste und Irrationalität, die verhindern, dass wir Afrika als das sehen, was es ist, und die zu Rassismen führen. Übrigens: In Subsahara-Afrika (48 Länder, 750 Millionen Einwohner, die Red.) gibt es insgesamt 28 deutsche Korrespondenten, allein in Washington D.C. 150 (siehe Lutz Mükke: Der Trend geht zum Generalisten und Feuerwehrmann. Ein Dossier zum Zustand der deutschen Auslandsberichtserstattung. nr-dossier 2/08, Seite 4). Wenn man diese Zahlen weiß, weiß man alles: Man weiß, warum keiner eine Ahnung von Afrika hat. Das Interview führte Tanja Stumpff, Redakteurin der GIZ. 32 33 Mali Maskentänze der Dogon Das Dogonland liegt im Osten Malis an der Grenze zu Burkina Faso in Westafrika. Bereits 1989 wurde das Dogonland mit seiner Fläche von etwa 4.000 Quadrat- © Angelika Frei-Oldenburg Kulturerhalt und Armutsbekämpfung durch Förderung regionalen Brauchtums kilometer und seinen 289 Dörfern von der UNESCO zum Weltkultur- und Naturerbe erklärt. Im Pays Dogon findet man in einer spektakulären Felslandschaft ein faszinierendes architektonisches Erbe. Das Dogonland konnte bisher seine traditionellen Bräuche und kulturellen Praktiken bewahren – noch, denn auch diese Region ist aufgrund des kargen Lebens von der Landflucht bedroht. Können kleine, regionale Festivals zum Kulturerhalt einer Region beitragen und zudem Einnahmen generieren? Tanz der Kanaga Masken im Ort Indellou. U m den Schutz des Kultur- und Naturerbes im Dogonland kümmert sich die Mission Culturelle de Bandiagara (MCB). Sie ist dem malischen Kulturministerium unterstellt und als technische Behörde für das von der UNESCO klassifizierte Gebiet zuständig. Bereits seit 1993 ist die MCB ein Projektpartner des DED, jetzt der GIZ und wird mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Die MCB kümmert sich um die Konservierung, Inventarisierung und Restaurierung des Kultur- und Naturerbes. Sie will die Bevölkerung für den Erhalt ihres Kulturerbes sensibilisieren und berät zum Beispiel beim Bau mit heimischen Materialien, beim Betreiben von Dorfmuseen, bei der Inwertsetzung lokalen Handwerks oder bei der Durchführung von kulturellen Veranstaltungen. So unterstützte die MCB in den letzten Jahren Dogondörfer bei der Revitalisierung alter Maskentänze. Auch im Dogonland gehen viele Bräuche und Tänze zunehmend verloren. Das Leben auf dem Plateau und in, beziehungsweise am Fuße der Felswände ist hart. Immer wieder verlassen Menschen ihre Dörfer. Damit geht aber auch ein schleichender Verfall des Kulturerbes und der Kulturlandschaft einher. Auf der anderen Seite ist in vielen Gesprächen – vor allem auch mit der jungen Dorfbevölkerung – ein tiefer Stolz auf ihre Kultur zu spüren. Hier wollten wir ansetzen: Einerseits die junge Dorfbevölkerung in ihrem Stolz stärken, andererseits Einnahmequellen für das Dorf schaffen. Die Dogon kennen ihre Kultur selbst am besten, doch sie wünschen sich Unterstützung im Umgang mit Touristen und bei Vermarktungsmöglichkeiten. Dabei funktioniert der Ablauf so, dass sich interessierte Dörfer an die MCB wenden – nicht umgekehrt. Sie sind grundsätzlich selbst für ihre Festivals verantwortlich. Seit drei Jahren werden nun schon Festivals für traditionelle Tänze in einigen Dörfern durchgeführt. Jeder Ort hat seine individuelle Programmgestaltung und Dauer. Alle gemeinsam wählten den Zeitrahmen Ende Dezember/Anfang Januar. In der vergangenen Saison im Dezember 2010/Januar 2011 waren Programmpunkte der Tanz der Frauen und der Tanz der Masken mit unterschiedlichen Varianten. Darüber hinaus gab es den Einzug der Jäger, den Tanz der Hirten und Hirten- 왘 THEMA gizBrief 4.2011 © Pierre Guindo, MCB tefragebögen, die während den Veranstaltungen an Touristen verteilt worden waren. Wichtig waren aber vor allem die Eindrücke und Erfahrungen der Bevölkerung selbst. Gemeinsam diskutierte man Möglichkeiten der Zusammenarbeit und plante die weitere Unterstützung. Interessiert verfolgen Bewohner von Nombori die Präsentation der Ergebnisse der Auswertung des Festivals 2010/2011 durch die Entwicklungshelferin. frauen, eine Präsentation der Schatztruhen der Frauen, kurze Theatervorführungen zum Alltagsleben, zu Alltagskonflikten und es wurde das Flachsspinnen vorgeführt. Jäger und Medizinmänner traten auf und Gesänge der Alten wurden vorgetragen. Es handelte sich bei diesen Festivals nicht um große Spektakel, die eine Vielzahl an Touristen anlocken, sondern um kleine, von jedem Dorf selbst organisierte Veranstaltungen. Attraktion für Touristen und Stärkung der Tradition Die Saison Dezember 2010/Januar 2011 haben wir danach näher unter die Lupe genommen und folgende Erkenntnisse gewonnen: Die MCB hat sechs Gemeinden unterstützt. Drei davon sind bekanntere Tourismusorte mit entsprechender Infrastruktur. Die anderen drei sind touristisch unbekannt Orte und teilweise schwer erreichbar. Die MCB befragte zunächst die sechs Dörfer anhand eines Fragenkatalogs nach ihren Zielsetzungen und ihrem Festivalkonzept. Die Tourismusorte hatten vor allem die Erwartung, mit den Festivals höhere Einnahmen durch Touristen zu erzielen. Primäres Interesse der unbekannten Orte war dagegen die Stärkung ihrer Tradition und das gemeinsame Feiern. Die MCB nutzte die Gelegenheit, auch Themen zum „nachhaltigen Tourismus“ anzusprechen. Ebenso war die Einbindung der Frauen in die Programmgestaltung ein wichtiger Aspekt. Die MCB konnte die Gemeinden davon überzeugen, statt der ursprünglich geplanten Einzelaktionen und Einzelplakate ein gemeinsames, professionell gestaltetes Plakat zu produzieren. Damit wurden die Festivals von den Besuchern als Teil eines gemeinsamen Festivalprogramms wahrgenommen. Die Co-Finanzierung erfolgte durch die MCB, die Kommunen haben aber den größten Teil der Finanzierung selbst getragen. Interessant war es, gemeinsam mit der Bevölkerung Bilanz zu ziehen: Die MCB präsentierte die Ergebnisse aus den Gäs- Die Tourismussaison in Mali lief im vergangenen Jahr eher schlecht. Trotzdem konnte einer der bekannten Tourismusorte durch das Festival und aufgrund der konsequenten Vermarktung weit mehr Besucher und Einnahmen verbuchen als im Jahr zuvor. Auch die anderen beiden Tourismusorte konnten eine positive Bilanz ziehen. Ein weiterer ökonomischer Effekt ergab sich für die Frauen in einem anderen der beteiligten Orte: Während der Festivalsaison hatte sich vor allem der Verkauf von Speisen und Getränken sowie Indigo-Stoffen erhöht. Stolz auf die eigene Kultur Einnahmen sind wichtig, doch ein weiterer positiver Effekt ist, dass sich der Stolz auf die eigene Kultur in nahezu allen Orten gefestigt hat. Die junge Dorfbevölkerung entdeckt die eigene Identität wieder und feiert mit den Altehrwürdigen begeistert ihre Festivals der Masken – ob mit oder ohne Touristen. Studenten aus Bamako gründen in ihren Dogon-Heimatdörfern Organisationen, um ihre Kultur und auch ihre Festivals wie- 34 35 derzubeleben. Schön ist auch, dass durch das Festival der Zusammenhalt in den einzelnen Dorfteilen erhöht wurde und das Gemeinsame stärker in den Vordergrund getreten ist. Vieles steckt noch in den Kinderschuhen und die Aussichten für die Tourismussaison 2011/2012 sind nicht rosig. Dennoch sind nahezu alle Dörfer 2011/2012 wieder dabei und auch neue Orte nehmen teil. Der MCB wird im Frühjahr 2012 einen Leitfaden herausgeben, indem die Erfahrungswerte und unterschiedlichen Ansätze für andere Dörfer aufbereitet sind. Diese Festivals sind ein Weg, den Kulturerhalt zu unterstützen. Natürlich unterliegt alles dem zeitlichen Wandel und der Verfall von Bräuchen ist ein natürliches Phänomen. Auch nicht alle Traditionen müssen erhaltenswert sein. Es ist also umso wichtiger, dass die Bevölkerung selbst entscheidet, ob ihnen die Maskentänze und die Pflege des Brauchtums in gemeinsamen Veranstaltungen wichtig ist. Angelika Frei-Oldenburg Angelika Frei-Oldenburg ist Diplom-Betriebswirtin und seit 2010 Entwicklungshelferin des DED/der GIZ in Mali. Podiumsdiskussion Vermarktung oder Chance? „Welterbe Dogon – Vermarktung einer gefährdeten Kultur oder Chance für eine nachhaltige Entwicklung?“ Dieser und anderen Fragen ging am 3. November 2011 eine Podiumsdiskussion in der Bundeskunsthalle nach. „Glaubt jemand, fliegen zu können?“ Mit dieser Frage eröffnete die Moderatorin Monika Hoegen die Diskussion und lieferte ein plastisches Bild der Lebensbedingungen der Dogon. Wie Nester hängen ihre Siedlungen in den Felsvorsprüngen und -spalten eines Sandsteinplateaus in Mali. Vor gut 500 Jahren ließ sich der Volksstamm auf der Flucht hier nieder. In der Isolation der unzugänglichen Felslandschaft ist eine reiche Kultur entstanden. 1989 wurde das Dogonland von der UNESCO zum Weltkultur- und Naturerbe erklärt. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Können die Dogon ihr Erbe nutzen? Auf dem Podium berichtete Lassana Cissé, Direktor der Mission Culturelle de Bandiagara (MCB), von drei Museen, die seine Organisation und die GIZ gemeinsam errichtet haben, um Touristen anzulocken und gleichzeitig das Erbe zu bewahren. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Gudrun Kopp, bekräftigte, dass die behutsame Förderung eines sanften Tourismus der richtige Weg sei, um das Erbe gleichzeitig wirtschaftlich zu nutzen und zu bewahren. Einwände erhielten die beiden von Stefan Schmid. Angesichts der aktuellen Reisewarnung für Mali sei der Tourismus zum Erliegen gekommen. Da falle er als Einnahmequelle weg, meinte der Afrikaforscher und Kurator mehrerer Afrika-Ausstellungen. Als Folge würden die Einheimischen ihre Kulturgüter unter Wert verkaufen. „Der internationale Markt wird geflutet“, sagte er und fürchtete den kulturellen Ausverkauf des © Angelika Frei-Oldenburg Dogonlandes. Er forderte von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, Kulturgüter für die örtlichen Museen zu erwerben, um so den Verbleib im Land zu sichern. Das Dilemma zwischen Bewahrung und Ausverkauf ließ sich auch an diesem Abend nicht lösen. Stattdessen entstand ein differenziertes Bild davon, was es bedeutet, in einem der ärmsten Länder der Welt in einem Weltkultur- und Naturerbe zu leben. Noch bis zum 22. Januar 2012 ist die Ausstellung „Dogon – Weltkulturerbe aus Afrika“ in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen. Das Begleitprogramm zur Ausstellung wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und in dessen Auftrag mit der GIZ realisiert. Tanja Stumpff, Redakteurin der GIZ Webseite zur Ausstellung: www.kah-bonn.de/ausstellungen/dogon Im Ort Gongo gehörte ein Dogon-Tanz der Frauen und Männer zum Programm. 왘 THEMA gizBrief 4.2011 Guatemala Das Glück regnet nicht vom Himmel herab Wer Entwicklung zugunsten benachteiligter Bevölkerungsgruppen © Sotz’il Jay Darstellende Kunst und sozialer Wandel bewirken will, sollte an ihrer kulturellen Identität anknüpfen, sich auf ihre Denkweise und Weltsicht einlassen. Wirklich Einblick erhält aber nur, wer auch ihre Sprache spricht. Zu dieser Erkenntnis kam die Autorin, die Kaqchikel, die Sprache einer Mayagruppe in Guatemala, erlernte. Die Sprache schloss ihr nicht nur die Herzen der Menschen auf, sondern gab ihr auch Impulse für ihre Arbeit als Entwicklungshelferin. „La danza de los nawales“ – ein Tanz der Gruppe Sotz’il. Die „nawales“ symbolisieren die Energien, die uns antreiben. » Flöhe träumen davon, einen Hund zu kaufen und die Niemand träumen davon, aus der Armut auszubrechen. Sie träumen, dass an einem magischen Tag das Glück vom Himmel regnet, von einem wahrhaftigen Wolkenbruch an Glück träumen sie. Aber das Glück regnet nicht herab weder gestern, noch heute, noch morgen, niemals. « Es tröpfelt nicht einmal vom Himmel, da hilft auch kein Rufen. (aus: „Der Niemand“ von Eduardo Galeano) I ch erinnere mich, dass das erste, was ich nach meiner Ankunft in Guatemala an die Wand hängte, eine Fotokopie des Gedichtes „Die Niemand“ von Eduardo Galeano war. Damals wusste ich noch nicht, dass diese anscheinend unbedeutende Geste sich mit der Zeit als eine Art Vorahnung herausstellen würde. Das war im Juli 2007, ich war 29 Jahre alt, und ohne es zu merken, begann für mich eine Erfahrung, die mein Leben für immer verändern würde. Sololá ist ein kleines, vorwiegend indigenes Dorf auf der Hochebene Guatemalas. All jene Touristen, die in kleine Busse zusammengepfercht und mit ihren Kameras bewaffnet, den Atitlánsee besuchen wollen, fahren unweigerlich durch Sololá. Der erste Eindruck, den sie dabei bekommen, ist, dass die Zeit dort stehen geblieben ist. Auf über 2.100 Meter Meereshöhe gelegen, erwacht Sololá jeden Tag über dem Atitlánsee, welcher 700 Meter tiefer liegt, so nah und doch so fern, umgeben von Vulkanen und eingehüllt in ein intensives Blau. Ein Ort, der mit Worten schwer zu beschreiben ist. Sololá ist auch eine der Provinzen Guatemalas, in der die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit seit geraumer Zeit in der ländlichen Wirtschaftsentwicklung arbeitet und Demokratisierungsprozesse unterstützt. Eine Provinz, in der mehr als 90 Prozent der Bevölkerung Indigene sind, in der es viel Armut und Unterernährung gibt und die Mütter- und Kindersterblichkeit sehr hoch ist. Meine Aufgabe als Entwicklungshelferin des DED war es in Sololá, eine Partnerorganisation zu beraten, die sich für eine gute lokale Regierungsführung mit einem angemessenen Genderansatz einsetzt. Das Projekt versucht Brücken zwischen den Bürger/innen und der lokalen Verwaltung zu schlagen, indem beide Seiten gestärkt werden. Der Erfolg erklärt sich aus der Tatsache, dass im Laufe der Zeit sowohl der Respekt der Verwaltung als auch wichtiger Führungspersönlichkeiten auf Gemeindeebene gewonnen werden konnte. © Sotz’il Jay 36 37 Sprache ist Brücke zu anderen Denkweisen Vielleicht weil ich Baskin bin, vielleicht auch aufgrund meiner angeborenen Neugier, war mir bei meiner Ankunft in Sololá sofort klar, dass ich die Sprache der größten Mayagruppe lernen wollte: Kaqchikel. An einem Ort wie Sololá, der durch eine hohe Analphabetismusrate und wenig allgemeine Schulbildung gekennzeichnet ist, jemanden zu finden, der mir die Sprache beibringen könnte, war kein leichtes Unterfangen. Doch schließlich erhielt ich die Telefonnummer von einem der Mitglieder des Kulturzentrums Sotz’il Jay. Das Kulturzentrum Sotz’il Jay ist eine Jugendorganisation, die sich seit dem Jahr 2000 für die Förderung und Verbreitung der präkolumbischen Mayakunst einsetzt. Die Kunst ist für die Mayas ganzheitlich: Musik, Tanz, Theater und Spiritualität fügen sich zu einem Ganzen. Das war schon immer so, seit dem Beginn dieser großen Zivilisation. Sotz’il Jay ist das Resultat eines Traums und einer Suche, der Suche des 20-jährigen Lisandro Guarcax González nach seinen Wurzeln. Vielleicht lag es an seiner unkonventionellen Natur, oder daran, dass er Visionär war: Mit dem Leben der anderen Jugendlichen konnte er sich nicht identifizieren. Stattdessen führte er lange Gespräche mit den Ältesten der Gemeinde, und so begann er sein Zugehörigkeitsgefühl und seine Identität als Maya-Kaqchikel wiederzugewinnen. Andere Jugendliche schlossen sich ihm an und es entstand das Kulturzentrum Sotz’il Jay, das heute zu einer weltweiten Referenz für präkolumbische Kunst geworden ist. Die Monate vergingen und die Regenzeit machte dem blauen Himmel Platz, vor dem die Vulkane aussahen, als wären sie Ausschneidefiguren für Kinder. Langsam nahm mein Kaqchikel-Wortschatz zu und das erlaubte mir, Unterhaltungen auf dem Markt zu führen. Ich merkte, wie ich durch die Sprache die Herzen der Menschen erreichen konnte. Sprachen sind Räume des interkulturellen Dialogs, Brücken, die uns mit anderen Kosmovisionen verbinden, mit anderen Denk- und Sichtweisen, mit einer anderen Art zu fühlen. Wenn wir die Das Theaterstück Sprache der Menschen, mit denen wir arbeiten, kennen, bekommen wir ein ganz anderes Verständnis des Arbeitskontextes. Mit Theater Entwicklungsprozesse fördern Mit dem Bewusstsein der enormen Bedeutung sowohl der Sprache, der kulturellen Formen und der Kosmovision der Maya für unsere Arbeit, begannen wir im DED, die Arbeitsweise der Partnerorganisation zu hinterfragen. Sie orientierte sich eher an einem belehrenden Bildungsmodell, am geschriebenen Wort und am linearen westlichen Gedankengut, ohne zu hinterfragen, ob es andere Formen und Instrumente gibt, die besser zum Denken und zur Kosmovision der Mayas passen. Die Gruppe Sotz’il, mit ihren zu diesem Zeitpunkt mehr als sieben Jahren Erfahrung in den bildenden Künsten, war ein perfekter Alliierter, um kulturangepasst zu arbeiten und die Aneignung der Entwicklungsprozesse durch die indigene Bevölkerung zu fördern. So kam es, dass Sotz’il gemeinsam mit anderen Jugendgruppen Theaterstücke erarbeitete, die sich um Themen wie Bürgerbeteiligung, Gender und Umwelt drehen. Zuerst ging es darum, in ihren Gemeinden anerkannte Jugendliche für wichtige Themen der kommunalen „Oxlajuj B’aktun“ erzählt davon, was das Jahr 2012 für die Mayas bedeutet. gizBrief 4.2011 Entwicklung zu sensibilisieren, sie auszubilden und zu stärken. In diesem ersten Schritt bildeten sich die Jugendlichen Meinungen zu Themen, die ihre eigene Entwicklung und die ihrer Gemeinden betrafen und sammelten Ideen. Darauf aufbauend entwickelten sie Theater- und Musikstücke sowie Tänze, um sie danach in ihrer Gemeinde aufzuführen. In einem zweiten Schritt wurden die Theaterstücke dann aufgeführt und so die Gemeindemitglieder weitergebildet, für die behandelten Themen sensibilisiert und das kulturelle und linguistische Selbstbewusstsein der Mayabevölkerung wurde gestärkt. Denn die, die auf der Bühne standen, sprachen in ihrer Sprache, mit ihrer Sicht auf die Welt und kleideten sich wie sie. Dieses Mal waren die „Wichtigen“,– die, die etwas zu sagen haben, denen applaudiert und zugehört wird– wie sie. So konnten Botschaften kulturell angemessen vermittelt und Entwicklungsprozesse auf Seiten der Bevölkerung angestoßen werden. Nach dem Erfolg dieser ersten Pilotphase sind in den Gemeinden lange Powerpointpräsentationen den kulturellen Ausdrucksformen der Mayas gewichen, die seit Hunderten von Jahren ihr Wissen von Generation an Generation weitergegeben haben. Durch diese Erfahrung konnten wir aus der Praxis heraus zeigen, dass die kulturellen Ausdrucksformen ein enorm wichtiges Werkzeug in der Entwicklungszusammenarbeit mit den indigenen Völkern sind. Völker, die Übermittlungsformen haben, die auf dem Visuellen basieren, auf Kunst und auf der Sprache, dem Erzählen. Die Kunst kann so, sofern sie politisch und nicht rein folkloristisch ist, ein einmaliger Raum für soziale Transformation sein. Vielleicht werden deswegen Künstler und Künstlerinnen weiterhin von den- Weitere Informationen Kulturzentrum Sotz’il Jay: www.gruposotzil.org Bewegung „Tu Corazón Florece“ (Dein Herz blüht): tucorazonflorece.blogspot.com © Sotz’il Jay 왘 THEMA Lisandro Guarcax González jenigen verfolgt, die versuchen, Strukturen der Ungleichheit und Diskriminierung aufrechtzuerhalten, unter denen Guatemala und viele Länder des Südens leiden. Vielleicht wurde deswegen auch am 25. August 2010 Lisandro Guarcax González, Gründer und Koordinator des Kulturzentrums Sotz’il Jay, Künstler, Lehrer und guter Freund entführt, gefoltert und getötet. Er wurde 32 Jahre alt. Seine Ermordung löste eine in der Geschichte Guatemalas noch nicht erlebte Bewegung aus. Zum ersten Mal erhoben Künstler und Künstlerinnen ihre Stimme und formulierten ihren Anspruch, Protagonisten des sozialen Wandels zu sein. Es entstand die Bewegung „Dein Herz blüht“, die nun mehr als ein Jahr nach der Ermordung von Lisandro ihren Aktionsradius über die Grenzen Guatemalas hinaus ausgeweitet und begonnen hat, Allianzen mit anderen Künstlern und Künstlerinnen des Kontinents zu knüpfen. Sie setzen so das um, was Lisandro so oft gesagt hat: „Der einzige Weg, der garantiert, dass unser Angebot nicht folklorisiert wird, ist es vom Politischen aus zu konstruieren. Nur so ist es möglich, die ursprüngliche Kultur durch die Kunst wiederzuerlangen.“ Lisandro wusste, dass das möglich war. Und diese Überzeugung kostete ihn das Leben. Doch seine Liebe zur Kunst und sein Engagement haben etwas ausgelöst, was von den Menschen, die ihn kannten, weitergetragen wird. Film zur Präsentation des Stückes „Oxlajuj B’aktun“ der Gruppe Sotz’il: Maider Iriarte www.youtube.com/watch?v=tJKfSMOFc6M&feature=related Dokumentation: “Una gota de danza por la Vida”: http://vimeo.com/10674992 Maider Iriarte ist Kommunikationswissenschaftlerin Gumucio-Dagron, A. (2001): Making Waves: und war von 2007 bis 2010 Entwicklungshelferin des DED Participatory communication for social change, CFSC Consortium, New York. in Guatemala. 왘 MEINUNG 38 39 gizBrief 4.2011 © Klaus Wohlmann Frauen in Burkina Faso kleiden sich in künstlerisch gestaltete Stoffe - ein Ausdruck ihrer kulturellen Identität. „Kultursensibilität“ als elementare Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit Eine Annäherung an die Thematik aufgrund eigener Erfahrungen In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es viele Themen, die für alle oder nahezu alle Arbeitsbereiche von großer Relevanz sind. Sie werden als sogenannte Querschnittsthemen identifiziert, und ihre Bedeutung soll allen durch aktive Bewerbung vermittelt werden. Dies war auch langjährige Aufgabe der Autorin und sie weiß um die Schwierigkeiten, den Kolleginnen und Kollegen ein Querschnittsthema nahezubringen. Aber sie hat auch erfahren, wie wichtig es ist, bestimmte Themen breit in der Arbeit zu verankern. In diesem Beitrag stellt sie die Frage, ob kultursensibles Arbeiten nicht als ein solches Querschnittsthema verstanden werden sollte. Q uerschnittsthemen rufen häufig reflexartige Abwehrreaktionen hervor, da es ihrer zahlreiche gibt und sie als zusätzliche und nicht immer nachvollziehbar sinnhafte Aufgabe verstanden werden. In sechs Jahren Zuständigkeit vor allem für das Querschnittsthema HIV/AIDS konnte ich mich ausführlich mit den Vor- und Nachteilen der Herausstellung von Querschnittsthemen beschäftigen und ausprobieren, wie sich diese überzeugend in die Alltagsarbeit einpassen lassen und wann es sinnvoll ist, darauf zu verzichten. Im Zusammenhang mit dem Thema „Kultur und Entwicklung“ scheint mir die Frage dringlich, ob nicht auch kultursensibles Arbeiten als verbindliches Querschnittsthema definiert werden kann. Mein Fazit nach den Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit ist, dass ich selten dazu Stellung nehmen musste, inwieweit ich kultursensibel agiere. Es wurde als notwendige Arbeitsvoraussetzung angenommen, jedoch selten überprüft. Wenn ich recherchiere, was zum Thema „Kultur und Entwicklung“ während der letzten Jahre verfasst wurde, finde ich zahlreiche Dokumente, Berichte von Workshops, Symposien, Konferenzen, Informationen über vergangene und aktuelle Herangehensweisen, Projekte und anderes mehr. Bei diesen Literaturstudien entsteht bei mir der Eindruck, das Thema sei im entwicklungspolitischen Alltag gegenwärtig. Das hat sich in der Praxis so nicht dargestellt. Befragte ich Akteure der Entwicklungszusammenarbeit, inwieweit Kultursensibilität für sie relevant sei, lauteten typische Antworten unter anderem: „Es gab in unserem 왘 MEINUNG gizBrief 4.2011 gegneten mir unter anderem: Ist es zum Beispiel kultursensibel, wenn ein großer Teil von Dokumenten nicht in der Sprache des Partnerlandes verfasst ist und diese somit nicht von den Partnern gelesen, kommentiert und modifiziert werden können? Wenn Meetings in einem Umfeld stattfinden (vorzugsweise in Hotels), welches mit der Arbeits- und Lebensrealität der meisten Teilnehmer/innen (auch meiner eigenen) keine Berührungspunkte hat? Wenn Geber fertige Projektkonzepte vorgeben, die die lokalen Partner umsetzen sollen, ohne die Maßnahmen entsprechend eigener Erfahrungen modifizieren zu können? Land mal eine Entwicklungshelferin, die beschäftigte sich mit einem ganz speziellen Stamm und seiner Kultur.“ Oder: „Wir nutzen Theater zur Anregung von Verhaltensänderungen im Bereich reproduktive Gesundheit.“ „Wir hinterfragen seit Jahren unsere Projekte auf Kultursensibilität und sehen keinen Handlungsbedarf, uns mit der Thematik besonders auseinanderzusetzen.“ „Kultursensibilität ist uns seit vielen Jahren ein Herzensanliegen und Grundsatz unserer Arbeit.“ Aus meiner Erfahrung im Bereich HIV/AIDS und reproduktive Gesundheit weiß ich auch, dass ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, sich kulturspezifisches Wissen anzueignen, oft vorhanden ist (zum Beispiel hinsichtlich der Art und Weise der Kommunikation sensibler Themen), aber daraus nicht immer konsequent kultursensibles Handeln erfolgt. Vor allem Zeitdruck (während der Konzeption, Umsetzung und Beendigung von Projekten, Maßnahmen und Aktivitäten) und voreilige Identifizierung von Kooperationspartnern auf der Basis unzureichender Auswahlkriterien kann ich als Hauptgründe für dieses Defizit ausmachen. Junge Frau Schon beim Versuch, diese exemplarischen Fragen zu beantworten, wird deutlich, dass wir nicht ausreichend kultursensibel unterwegs sind. Und wenn wir uns dem Anspruch stellen, kultursensibler arbeiten zu wollen, tun wir das dann, um für unsere Zielsetzungen entwicklungsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen oder weil wir akzeptieren, dass das, was als Entwicklung definiert wird, in entscheidendem Maße von unserer lokalen und von ihrer Kultur geprägten Zielgruppe abhängt? Wann im Arbeitsalltag kamen uns Zweifel, ob das, was wir tun, wirklich kultursensibel ist? Folgende Fragen be- Kultur – Stolperstein oder Motor? © Thomas Müller aus Ambato, Ecuador. Nehmen wir kulturelle Besonderheiten und auch kulturelle Vielfalt als Motor oder als Hemmnis wahr? Wie können wir unsere Interpretation der Welt relativieren und uns trotzdem aktiv und zielorientiert einbringen? Schaffen wir es, Zweifel und Fragen zu wertschätzen, auch wenn die Lösungen in weiter Ferne scheinen? Können wir Differenzen akzeptieren, gegenseitige Achtung und Toleranz bewahren, auch wenn wir dadurch den eigenen Zielvorstellungen nicht näher kommen? Warum werden spezifische kulturelle Fertigkeiten, Wissen und Erfahrungen zu den jeweiligen Lebensumständen eher als Stolpersteine verstanden und nicht als Ausgangspunkt für Veränderungsprozesse? Warum werden kulturelle Differenzen gegenüber gestellt und nicht kulturelle Vielfalt als Entwicklungschance für kultursensible Entwicklungspolitik definiert? Warum wird der Kulturbegriff im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit häufig zu eng und eher als Kunstbegriff verstanden? Warum werden Künstler/innen, die sich über ihre künstlerischen Ausdrucksformen, ihr selbstbewusstes, kreatives Handeln und ihre Kenntnis lokaler Kommunikationsformen als Fürsprecher/innen gesellschaftlicher Veränderungsprozesse eignen, als solche zu selten in Veränderungsprozesse einbezogen (ohne instrumentalisiert zu werden)? Was ist Voraussetzung dafür, dass Gesellschaften in einer selbstbewussten und kreativen 40 41 Diese Fragestellungen sind nicht neu, aber im Arbeitsalltag habe ich viel zu selten darauf Antworten gefunden, die mir als konkrete Handlungsalternativen dienen konnten. Und ich habe mir nicht die Zeit genommen, beziehungsweise nehmen können, nach den Antworten ausführlicher zu suchen. „Saying it the african way“, Slogan an © Sabine Hage Art und Weise Verantwortung für sich übernehmen und was kann unser Beitrag dazu sein? Wie stellen wir uns auch im entwicklungspolitischen Alltag der digitalen Kultur, die sich schon jetzt aufgrund ihrer globalen Reichweite zu einer der stärksten Mischkulturen entwickelt und mit ihrem gigantischen Ausmaß an Interaktion Veränderungsprozesse anstoßen kann? Voraussetzungen für kultursensibles Arbeiten Kultursensibles Arbeiten ist untrennbar verbunden mit interkultureller Kompetenz aller Beteiligten. Dazu gehört es, angemessen miteinander Kontakt aufzunehmen, sich auszutauschen und sich so lange miteinander zu verständigen, bis eine tragfähige Lösung für alle Beteiligten ausgehandelt ist (die nicht immer die effektivste sein muss). Möglich wird das nur auf der Basis von Bewusstheit für die eigene Kultur, Wissen über einer Hauswand in Pretoria, Südafrika. die andere Kultur und Gewissheit der immer größer werdenden Kulturmixturen. Und die Geduld, der es zu einer Konsensfindung bedarf, lässt sich nur aus einem Bewusstsein für die Relativität von Standpunkten und grundsätzlicher gegenseitiger Wertschätzung generieren. Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit müssen sich dabei immer wieder selbst hinterfragen, inwieweit sie interkulturell sensibel und kompetent in Bezug auf eine spezifische Zielkultur sind oder über eine interkulturelle Kompetenz als grundsätzliche Arbeitseinstellung verfügen. In Abhängigkeit von der Beantwortung dieser Frage müssen sich auch vorbereitende, beziehungsweise begleitende Trainings zur interkulturellen Kompetenz gestalten. Vorschlag für eine Checkliste zur Abfrage der Kultursensibilität von Programmen und Projekten Wie bei der Umsetzung anderer Querschnittsthemen werden Akteuren keine 4. die soziale, ökonomische oder kulturelle Situation der lokalen Bevölkerung Antworten sondern Fragen an die Hand gegeben. Für das Thema Kultur- oder von Teilen von ihr (zum Beispiel geschlechtsspezifischen oder eth- sensibilität können das Fragen nach den Wechselwirkungen zwischen nisch bestimmten) auf eine Art und Weise beziehungsweise mit einem sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Aspekten sein: Tempo ändern, dass dies zum Verlust der kulturellen Identität führt? Könnte das Projekt 5. die traditionellen Handels-, Tausch- oder Verteilungsregeln auf eine Weise 1. mit formalen Rechten oder dem traditionellen Rechtssystem der lokalen ändern, dass sich erhebliche oder negative Veränderungen im sozio-ökono- Bevölkerung oder Teilen von ihr (zum Beispiel geschlechtsspezifischen mischen, geschlechtsspezifischen oder kulturellen Gleichgewicht ergeben? oder ethnisch bestimmten) in Konflikt geraten? 2. in Hinsicht auf die Besitzrechte, die bestehende Nutzung von Land, Wasser, Bäumen und anderer Vegetation und/oder zwischen verschiedenen lokalen Nutzern Konflikte verursachen? 3. die soziale, ökonomische oder kulturelle Situation der lokalen Bevölkerung oder von Teilen von ihr (zum Beispiel geschlechtsspezifischen oder eth- 6. zu einem Verlust an traditionellem Wissen, traditionellen Wissenssystemen oder intellektuellen Eigentumsrechten führen? 7. in Gebieten liegen oder unerwünschte Auswirkungen auf Gebiete haben, die von besonderer sozialer, kultureller und historischer Bedeutung für die Bevölkerung (zum Beispiel Gruppen mit traditioneller Lebensweise, indigene Gruppen, religiöse Minderheiten) sind? nisch bestimmten) auf eine Art und Weise verändern, dass ein zunehmender Druck auf die natürlichen Ressourcen ausgeübt wird und die lokale Bevölkerung Gefahr läuft, ihre natürlichen Ressourcen, beziehungsweise den Zugang zu ihnen zu verlieren? (In Anlehnung an Prof. Dr. Brigitte Fahrenhorst, Technische Universität Berlin, Forschungsarbeit im Auftrag des österreichischen Außenministeriums) gizBrief 4.2011 © Britta Radike 왘 MEINUNG Straßenszene in Feyzabad, Afghanistan. Grundsätzlich können folgende Ansprüche formuliert werden: T Es braucht offenen Dialog und genügend Zeit, damit alle Beteiligten die eigenen Bedürfnisse und Ziele darstellen und ein gemeinsames Vorgehen definieren können. T Respekt, Neugier, Toleranz und Verantwortlichkeit unterstützen eine Zusammenarbeit. T Differenzen dürfen nicht geleugnet werden. Reichtum, Machtverhältnisse und verschiedene Arten von Expertise schaffen Differenzen, mit denen offen umgegangen werden muss. T Interessen müssen ehrlich definiert und dürfen nicht verleugnet werden. Geld verdienen, Impulse für die eigene Arbeit und das persönliche Leben erhalten, die Karriere voranbringen, das sind Dinge, die auf beiden Seiten häufig eine entscheidende Rolle spielen und guten Arbeitsergebnissen nicht im Wege stehen müssen. T Entwicklungszusammenarbeit löst keine Probleme einer Gesellschaft, sie kann nur Anstöße geben. Dementsprechend müssen die Zielvorstellungen inhaltlich wie zeitlich realistisch formuliert werden. vorsichtig sollten wir damit sein, Konzepte für Maßnahmen in anderen Ländern zu formulieren. Gleichzeitig bietet es sich an, zu hinterfragen, aus welchen Lösungsansätzen unserer lokalen Kooperationspartner wir bereichernden Input schöpfen können. T Die lokalen Partner entscheiden, wie stark sich Maßnahmen ihrer Kultur anpassen und Veränderungen anstoßen. Auch wenn kultursensibles Handeln und die Thematik „Kultur und Entwicklung“ in vieler Munde sind, sind konkrete Handlungsrichtlinien zur Abfrage und Überprüfung kultursensiblen Handelns im Arbeitsalltag der Entwicklungszusammenarbeit noch nicht ausreichend vorhanden. Es kommt in besonderem Maße auf das Interesse und den Mut des Einzelnen an, sich dieser Frage konsequent bei Planung, Umsetzung und Evaluierung zu stellen. Wünschenswert für die nahe Zukunft ist eine stärkere Auseinandersetzung mit operativen Fragestellungen zum kultursensiblen Arbeiten auf allen Handlungsebenen (vielleicht auch, ohne Kultursensibilität als Querschnittsthema definieren zu müssen). Heide Wegat Heide Wegat ist Rehabilitationspädagogin und Gesundheitswissenschaftlerin und war von 2003 bis 2009 T Für viele Probleme in unserer Gesellschaft haben wir keine überzeugenden Lösungsansätze, entsprechend Entwicklungshelferin des DED in Mali und Mosambik. 왘 BLICKPUNKT 42 43 gizBrief 4.2011 © GIZ Meine Stimme für den Frieden Die Abschlussveranstaltung der Crossborder Peaceweek. k „Peace and Democracy: Make your voice heard“, vom diesjährigen Thema In Vorträgen, Theaterstücken und Liedern wurden am Ende der drei Tage die des Weltfriedenstages inspiriert, stand die Crossborder Peaceweek 2011 in Ergebnisse der Arbeit präsentiert. Die teilnehmenden lokalen Entscheidungs- Ruanda und der DR Kongo unter dem Motto „Ma voi/x pour la Paix“: „Meine träger/innen nahmen den Appell einer Theatergruppe mit: „Wir müssen die Stimme für den Frieden – mein Beitrag zum Frieden“. 120 Jugendliche aus Politik mitbestimmen, sonst bestimmt die Politik über uns.“ Der Bürgermeister beiden Ländern nahmen vom 6. bis 9. Oktober 2011 an der „Crossborder von Goma, ebenso wie der Vertreter des ruandischen Jugendministeriums Peaceweek“ teil. Den Stein ins Rollen brachte vor einem Jahr Jackson Batumike, Präsident der kleinen kongolesischen Nichtregierungsorganisation Club de Jeunes pour la Vie: „Wir müssen am Internationalen Tag des Friedens etwas tun“, forderte er. Es folgten gemeinsame Planungstreffen, bei denen die Idee einer jährlichen, grenzübergreifenden Friedenswoche zwischen dem kongolesischen Goma und ruandischen Gisenyi konkret wurde. Jugendliche der Schwesterstädte am Kivusee bekommen in der Friedenswoche die Gelegenheit, sich intensiv mit Themen der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und Friedensförderung auseinanderzusetzen. Kurz vor den Wahlen in der DR Kongo sind das gewaltfreie Miteinander ruandischer und kongolesischer Jugendlicher sowie deren Motivation zum politischen und zivilen Engagement ein besonderes Anliegen der Partnerorganisationen. „Wahlen als deine Stimme, Wahlen als dein Weg“ sowie die Rolle von unabhängigen Medien waren deshalb zwei der Themen. An drei Seminartagen diskutierten Jugendliche zudem über Geschlechtergerechtigkeit und entwickelten in einer Zukunftswerkstatt neue Ideen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme oder zur Umgestaltung ihres Sozialraumes. Partizipativ, kreativ und spielerisch erfolgte die Vermittlung komplexer Themen wie Antidiskriminierung und Gerechtigkeitsempfinden, die Voraussetzung für soziales Engagement sind. Entwickelt wurden die Seminarangebote in gemischten Teams von ZFD-Partnern der GIZ aus Ruanda und ZFD-Partnern des EED aus dem kongolesischen Goma. Unterstützt wird die gemeinsame Arbeit von Nina Harder, ZFD-Fachkraft der GIZ in Ruanda sowie den ZFD-Fachkräften des EED Desiree Lwambo und Judith Raupp in der DR Kongo. der Provinz Rubavu, äußerten ihre Anerkennung über diese Initiative, die es Jugendlichen beider Länder ermöglicht, sich über Grenzen und Vorurteile hinweg die Hand zu reichen und miteinander zu lernen. In einer Podiumsdiskussion forderten Christine Muzaidizi, kongolesische Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation Children’s Voice, François Mugisha, Vertreter des ruandischen Jugendministeriums der Provinz Rubavu, sowie Professor Ka Mana, Philosoph und Präsident des Pole Instituts in Goma, die Jugendlichen auf, Unrecht zu bekämpfen und neue Wege zu beschreiten, Vorurteile abzubauen und Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben zu übernehmen. In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden neben der Jugendarbeitslosigkeit auch die Situation junger Frauen sowie Gewalt im Alltag thematisiert. Die Jugendlichen bemängelten das Fehlen positiver Vorbilder und betonten die Herausforderungen, in der globalisierten Welt ihren eigenen Weg zu finden. Christiane Kayser vom ZFD-Begleitteam des EED forderte die Jugendlichen auf: „Wartet nicht auf Lösungen, die vom Himmel fallen, fühlt euch zuständig für eure Zukunft und die eurer Region, denn ihr seid eine große Kraft.“ Nina Harder, ZFD-Fachkraft der GIZ in Ruanda, Christiane Kayser, ZFD-Begleitteam des EED für Afrika, Thomas Rösser, ZFD-Koordinator der GIZ in Ruanda. 왘 BLICKPUNKT gizBrief 4.2011 Tourismus in Tadschikistan k Das staatliche Komitee für Sport, Jugend und Tourismus und die Stiftung Mountain Societies Development Support Programme (MSDSP) mode- Tadschikische Vereinigung der Touroperator (TATO) veranstalteten am riert wurde. Die Konferenz stand unter dem Motto: „Unsere Vision. Unsere 27. September 2011 in Dushanbe die Zweite Nationale Tourismus- Strategie. Unser Plan“ und wollte zum Überdenken der Tourismusstrategie konferenz. 150 Vertreter/innen aus der Tourismusbranche, der Politik anregen und Ausblick auf ihre Weiterentwicklung geben. und der internationalen Zusammenarbeit nahmen an der Konferenz Neben nationalen leisteten auch internationale Referenten anregende Dis- teil, die durch Doris Hertampf, Botschafterin der Bundesrepublik kussionsbeiträge: Herr Umetaliev, Präsident des kirgisischen Tourismusunter- Deutschland in Tadschikistan und Kishwar Abdulalishoev von der nehmens Kyrgyz-Concept, referierte zu dem Thema „Wie kann Tadschikistan © Stephan Härtel zur Schweiz Zentralasiens werden?“. Frau Mäkelä, Projekt-Koordinatorin der finnischen Seinäjoki-Universität und Tourismus-Beraterin in verschiedenen osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern, sprach über die Tourismusentwicklung in Finnland und die Erfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten, die sich daraus für Tadschikistan ableiten lassen.. Herr Owen (Großbritannien), Direktor von localtravel.com, zeigte auf, wie Tadschikistan zu einem nachhaltigen und attraktiven Reiseziel im Nischen-Tourismus werden könnte. In moderierten Gruppen wurde im Anschluss über die Möglichkeiten der Tourismusentwicklung, die Weiterentwicklung des Marketingkonzeptes sowie die Erhöhung der Qualitätsstandards und über Weiterbildung diskutiert. Das Resultat waren eine Vision und eine Strategie für die mittelfristige Weiterentwicklung des Programms zur Nationalen Tourismusentwicklung 2010 – 2014. Die Teilnehmer/innen und Organisatoren waren mit den Ergebnissen der Konferenz sehr zufrieden. Zurzeit beraten zwei Entwicklungshelfer der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das Komitee für Sport, Jugend und Tourismus im Bereich Tourismus. Teilnehmer/innen der Zweiten Nationalen Tourismus-Konferenz in Tadschikistan. Stephan Härtel, Entwicklungshelfer der GIZ in Tadschikistan. Wir verschließen unsere Augen nicht vor HIV und AIDS k Vor 30 Jahren wurde der HI-Virus, der die Immunschwächekrank- heit AIDS auslöst, identifiziert. Seitdem haben sich 65 Millionen Das Cover des Regelwerks gestaltete der malawische Künstler Elson Aaron Kambalu. Menschen weltweit mit HIV infiziert, fast die Hälfte starb an AIDS. Umfangreiche Kampagnen zu Verhütung konnten seitdem die Zahl der Infektionen senken. AIDS galt lange als unbehandelbar. Heute HIV-Status diskriminiert werden, gleichzeitig können immer mehr Patienten weltweit aufgrund der Antiretroviralen erhalten alle Mitarbeiter/innen freien Zugang Therapie auch viele Jahre nach der Ansteckung gesund leben. Trotz zu Informationen und Kondomen. dieser Erfolge muss noch viel getan werden. Der Hintergrund: Bis heute sind vor allem die Länder des südlichen Afrikas Die GIZ in Malawi leistet ihren Beitrag, indem sie Gesundheits- weiterhin von der Pandemie betroffen. Malawi gehört mit einer Prävalenzrate förderung und HIV/AIDS-Bekämpfung in all ihren Projekten veran- von 10,6 Prozent zu den am stärksten von HIV-Infektionen betroffenen Ländern. kert. DED und GTZ hatten bereits in der Vergangenheit Regularien, Die GIZ setzt sich in Malawi dafür ein, die Zahl der Neuansteckungen zu um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen. Am Weltaidstag, senken und die Behandlung für AIDS-Patienten zu verbessern. dem 1. Dezember, präsentierte die GIZ ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein gemeinsames Regelwerk zu Gesundheit und HIV/AIDS: Niemand darf am Arbeitsplatz aufgrund des individuellen Martina Osterndorff ist Entwicklungsstipendiatin der GIZ bei AWISA, dem Aids Workplace Programs in Southern Africa. 왘 KULTUR 44 45 gizBrief 4.2011 Literatur Im Reich der Königin von Saba Der Blick über den Tellerrand 3 Die Welt ist näher zusammengerückt: Wege, die früher Wochen dauerten, werden heute in einigen Stunden bewältigt oder sind dank elektronischer Medien überflüssig. Und dennoch gibt es überall auf der Welt unterschiedliche Sichtweisen, die über Rang und Status, Krieg und Frieden sowie die Bedeutung von Leben und Tod entscheiden. Der Band eröffnet faszinierende Einblicke in die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede in einer globalisierten Gesellschaft. Hat ein Buddhist ein anderes Zeitempfinden als ein Europäer? Wie entstehen Schönheitsideale? Die Autoren gehen den Fragen mithilfe zahlreicher, teilweise erstmals publizierter Abbildungen einzigartiger Kunstwerke und von Dingen des alltäglichen Lebens nach. Der Leser wird mitgenommen auf eine Reise durch die verschiedenen Sichtweisen auf fünf Kontinenten. Hinzu kommt, dass regional ausgerichtete Artikel die kulturellen Kontexte beleuchten und die mit spezifischen Dingen verbundenen Vorstellungen der jeweiligen Bevölkerung. Das Linden-Museum Stuttgart zeigt bis 8. Januar 2012 die große Landesausstellung „Weltsichten – Blick über den Tellerrand!“ im Kunstgebäude in Stuttgart. 3 Carmen Rohrbach ist unterwegs. Ihre Reisen führten sie nach Südamerika, Afrika, Asien und Arabien, auf dem Jakobsweg durch Frankreich und Spanien, stets auf der Suche nach intensiven Begegnungen und Naturerlebnissen. In dem vorliegenden Werk zeichnet sie ein völlig anderes Bild vom Land der Königin von Saba als jenes, welches uns aus der Presse ins Bewusstsein dringt. Nach ihrer Ankunft in der pulsierenden jemenitischen Hauptstadt Sanaa, einem Kleinod der arabischen Architektur, deren Erhalt auch mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gesichert ist, verbringt sie mehrere Monate mit dem intensiven Erlernen der arabischen Sprache. Sie ist einer der wichtigsten Türöffner in diesem arabischen Land. In Sanaa macht sie sich vertraut mit der Kultur und den interkulturellen Herausforderungen. Sie blickt hinter die Mauern der Altstadt-Häuser, trifft auf ein Frauenbild, welches so gar nicht mit dem der europäischen Emanzipation vereinbar scheint, und entdeckt, wie sich die Frauen in diesem sehr konservativen Umfeld ihre „Freiräume“ schaffen. Mit Hilfe der in Sanaa entstanden Kontakte bricht Carmen Rohrbach auf, um das Land auf dem Rücken eines Kamels zu entdecken. Auch das beginnt erst einmal wieder mit Lernen – dem Erlernen des Umgangs mit einem Kamel, einem Tier mit Eigensinn und Trotz. Nach vielen Widerständen ist sie dann unterwegs: Auf alten Karawanenwegen, durch die Wadis, auf einsamen Hochebenen, durch Wüsten, tiefe Schluchten und in Dörfern, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Sie trifft auf „Bedus“, die zu ihren ständigen Begleitern werden, ihr in die unterschiedlichen Lebensweisen der Stammeskultur des Jemen Einblick gewähren, sie in den Regeln des Beduinen-Lebens unterweisen. Für die Jemeniten ist es sehr ungewöhnlich, dass eine Frau sich allein auf eine derartige Reise begibt. Auf ihrer 1.000 Kilometer langen Reise lernt sie die außergewöhnlich große Gastfreundschaft der Jemeniten kennen, ist fasziniert von Landschaft und Natur und berichtet über den Alltag der Frauen hinter dem Schleier. Das vorliegende Werk lässt uns eintauchen in ein für uns Europäer fremdes Land, in eine so ganz andere Kultur. Es lädt ein, sich auf dieses Land im Süden der arabischen Halbinsel am Golf von Aden einzulassen – wenn dies in hoffentlich absehbarer Zeit und nach einer Befriedung der aktuellen politischen Situation wieder möglich sein wird. Gehen Sie mit auf Reisen – in das Land des Weihrauchs und der Königin von Saba. Sabine Ludwig, Pressereferentin Stephan Härtel, der Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe von 2009 bis 2011 Entwicklungshelfer im Jemen, Inés de Castro/Ulrich Menter (Hrsg.): zurzeit Entwicklungshelfer der GIZ in Tadschikistan. Weltsichten. Blick über den Tellerrand. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz 2011, Carmen Rohrbach: Im Reich der Königin von Saba. Auf Karawanenwegen 336 Seiten mit ca. 400 Farbabbildungen, 24,90 Euro. im Jemen. Verlag Malik National Geographic, kartoniert 256 Seiten, 11,95 Euro. Stichwort: Tellerrand Stichwort: Königin von Saba 왘 KULTUR gizBrief 4.2011 Über die Funktionsweise von Verbänden 3 Die Wirtschaftswissenschaften haben die Untersuchung von Verbänden bisher vernachlässigt. Dabei bieten Verbände spannende Erkenntnisse für die Organisationstheorie und die Ökonomie im Allgemeinen. Oliver Schmidt legt mit seinem Buch „Association– Concept, Managment, Context“‘ eine Beschreibung von Verbandsarbeit vor, die für die verschiedensten Berufsfelder interessant sein kann. Das Buch baut auf vielen Fallstudien und ökonomischer Theorie auf und stellt so Herausforderungen und Fallstricke der Verbandsarbeit dar. Dieser Ansatz des Autors überzeugt, denn einerseits hat er in den Jahren seiner Arbeit bei den Mikrofinanzverbänden Ugandas und Indiens wesentliche Einblicke in Funktionsweise und die Herausforderungen von Verbänden bekommen. Andererseits hat er die Gabe, grundlegende ökonomische Theorie und vor allem Organisationstheorie bildhaft und lebendig darzustellen. Zentrale Aufgabe eines Verbandes ist die Informationsbereitstellung für die Mitglieder. Für das Management und die Führung des Verbandes gibt dies verschiedene Handlungsoptionen vor, die Kernfunktionen des Verbandes zu organisieren. Die Erfahrungen, die Oliver Schmidt im sich rasant entwickelnden Sektor Mikrofinanzen auf zwei Kontinenten in den dominierenden (und ebenfalls rasant wachsenden) Verbänden sammeln konnte, teilt er auf unterhaltsame Weise mit. Als langjähriger Experte des DED und von CIM war er am Aufbau von Infrastrukturen der Datensammlung, an Trainings von Verbandsmitgliedern sowie der Performance Messung der Mitgliedsunternehmen beteiligt. Diese Erfahrungen sammelte er in Zusammenarbeit mit dominierenden und erfahrenen „Entwicklungsbankern“ der ersten Stunde. Das Buch kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Entwicklungszusammenarbeit eine große Hilfe in der Kooperation mit Verbänden sein. Das Verständnis der inneren Logik solcher Netzwerkorganisationen kann möglicherweise Missverständnisse in der Zusammenarbeit vermeiden. In diesem Sinne würde Entwicklungszusammenarbeit noch effizienter und effektiver. Praktiker und Forscher der Mikrofinanzen werden den für ihre Arbeit so wichtigen Datenfluss besser verstehen. Aber auch Studenten und Forschern der Organisationstheorie bietet das Buch neue Einblicke in ihr Fachgebiet, wenn sie sich mit dem seltsamen Wesen Verband beschäftigen. Und dass es ein seltsames Wesen ist, kann der Autor dieser Buchbesprechung bestätigen: Er arbeitet als CIM-Experte beim indischen Mikrofinanzverband Sa-Dhan. Thomas Mehwald, CIM-Experte in Indien Oliver Schmidt: Association – Concept, Management, Context. Lessons from the national microfinance associations of Uganda and India. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2011, 243 Seiten, 79 Euro. Stichwort: Verbände Sie können Bücher gewinnen Die Gewinner/innen Alle vorgestellten Bücher werden wieder verlost. der Literaturverlosung aus dem GIZ-Brief 3/2011: Dazu senden Sie eine Postkarte mit dem jeweiligen Stichwort bis zum 17. Februar 2012 Christoph-Hermann Bubeck, Stuttgart an die GIZ-Brief Redaktion, Friedrich-Ebert-Allee 40, 53113 Bonn. Janinka Lutze, Bernburg Joachim Vorneweg, Köln Alle Einsendungen nehmen teil, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Das Stichwort finden Sie im Anschluss an jede Rezension. 왘 OFFENE STELLEN 46 47 gizBrief 4.2011 Sauberes Trinkwasser für Chipata in Sambia Nächstes Thema 1/2012 k Sind Sie Wasserbauingenieur/in oder Techniker/in und suchen ein Wirkungsfeld in der Entwicklungs- Entwicklung zusammenarbeit, dann bewerben Sie sich für einen Einsatz als Entwicklungshelfer/in der GIZ, zum Beispiel gemeinsam verantworten in Sambia. Die GIZ arbeitet dort im Auftrag des BMZ daran, den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen für die Bevölkerung von Chipata und anderen Distrikten der Provinz zu verbessern. Zu Ihren Aufgaben gehören die technische Beratung und Schulung des Personals der Distrikt-Verwaltungen, www.giz.de die Entwicklung von nachhaltigen Instandhaltungsstrukturen für Wasserstellen, die Beratung in der Erstellung von Budgets, Jahresarbeitsplänen und Ausschreibungsunterlagen und die technische Beratung für bauliche Maßnahmen. (PP-Nr: 11856-ZMB-WS) Folgende Qualifikationen sollten Sie mitbringen: Praxiserprobte Beratungs- und Schulungskompetenzen, Kenntnisse im Umgang mit Datenbanken und in ländlicher Sanitärversorgung, Erfahrungen in Projektmanagement, Kenntnisse in Hydrologie und Erfahrungen in ländlichen Trinkwasserprojekten sowie interkulturelle Teamfähigkeit und gute Englischkenntnisse. Die Tätigkeit beinhaltet häufige Aufenthalte in den Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Friedrich-Ebert-Allee 40, 53113 Bonn Distrikten. Die Arbeit setzt die Fähigkeit und Flexibilität voraus, auch unter einfachen Bedingungen zu Vorstand: arbeiten und zu leben. Dr. Bernd Eisenblätter (Sprecher) Dr. Christoph Beier Adolf Kloke-Lesch Unterstützung der Forst- und Umweltpolitik in Kamerun Tom Pätz Dr. Sebastian Paust Dr. Hans-Joachim Preuß Prof. Dr. Jürgen Wilhelm Redaktion: k Im Rahmen des GIZ-Programms zur Unterstützung der Forst- und Umweltpolitik (ProPSFE) unterstützt die GIZ im Auftrag des BMZ das kamerunische Forstministerium bei der Umsetzung der nationalen Forstund Umweltpolitik. Als Entwicklungshelfer/in beraten Sie das lokale Personal des Forstministeriums sowie Marion Frank (V.i.S.d.P.) Maria Ehrke-Hurtado [email protected] die anderen an kommunaler, gemeinschaftlicher und privater Forstwirtschaft beteiligten Akteure in der Ent- Namentlich gekennzeichnete wicklung und im Einsatz angepasster forstwirtschaftlicher Förderungsansätze. Zu Ihren Aufgaben gehören Beiträge geben die persönliche unter anderem die Beratung bei der Überarbeitung und praxistauglichen Fortentwicklung der Bedingungen Meinung der Verfasser wieder. für das Komanagement staatlicher Wälder, bei der Anpassung forstwirtschaftlicher Förderungsansätze an die lokalen Gegebenheiten und die Beratung der Kommunen im Prozess der Übertragung und Gründung von Kommunalwäldern. (PP-Nr: 11762-CMR-LE) Ihre Qualifikationen umfassen unter anderem einen Abschluss in einer der folgenden Disziplinen: Forstwissenschaften, Forstwirtschaft, Agrarwirtschaft, Geographie, Umweltwissenschaften oder Agrarsoziologie. Sie beherrschen die französische Sprache und verfügen unter anderem über eine wenigstens zweijährige Arbeitserfahrung mit kooperativem Management natürlicher Ressourcen. Standort ist die Regionshauptstadt Maroua, die Tätigkeit ist aber mit häufigen Dienstreisen zu zum Teil entlegenen Standorten verbunden. Redaktionsbeirat: Daniela Baum, Dr Jörn Fischer, Renate Holzer, Dorothea Otremba, Susanne Schmitz, Till Winkelmann Gestaltung: kippconcept gmbh, Bonn Titelfoto: SCU-Team (siehe Artikel Elke Tigges) Steinkonservierung zum Erhalt des Weltkulturerbes Angkor Wat Wir freuen uns über Ihre Online-Bewerbung unter Angabe der Projektplatznummer! in Kambodscha. Druck: SZ Offsetdruck-Verlag GmbH Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier Die Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ist der weltweit führende Dienstleister in der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. Als Entwicklungshelfer/in der GIZ erhalten Sie ein umfangreiches Leistungspaket. Dazu gehört auch die gezielte fachliche und persönliche Vorbereitung. Ihre Vertragslaufzeit beträgt mindestens zwei Jahre mit Nachdruck frei bei vollständiger der Option der Verlängerung. Quellenangabe. Bitte ein Belegexemplar an die GIZ-Brief-Redaktion Weitere Informationen über die GIZ und Details zu den beiden oben genannten Arbeitsplätzen sowie zu den Leistungen finden Sie unter: www.giz.de senden. Eliza Kwaitana aus Malawi profitiert von einem speziellen von der Bundesregierung unterstützten Programm für Schulabbrecher. Sie will jetzt den Schulabschluss nachholen und Ärztin werden. Ich lade Sie ein: Unterstützen Sie Entwicklung und werden Sie Chancengeber für eine bessere Welt. Ihr Dirk Niebel Chancen für Bildung www.bmz.de/chancengeber