Upper-Room-Discourse, Part IV: Abide in Jesus

Transcrição

Upper-Room-Discourse, Part IV: Abide in Jesus
Upper-Room-Discourse, Part IV: Bleibe in Jesus
Joh 15
Gliederung
I.
II.
III.
In Jesus bleiben – Was ist das?
In Jesus bleiben – Wie können wir das?
In Jesus bleiben – Was bringt das?
Einleitung
Wir haben ja letzten Sonntag gestartet mit unserer neuen Gottesdienst-Serie
zu den "Abschiedsworten Jesu" – eine Serie über Joh 13-17, wo Jesus zum
letzten Mal mit seinen Leuten zusammensitzt. Und wenn man so das letzte
Mal mit Freunden zusammen ist, dann verliert man in der Regel keine Zeit
mehr mit Nebensächlichkeiten – sondern man fokussiert noch einmal, ein
letztes Mal, auf das, was wirklich essentiell ist. Was wichtig ist. Worauf es
ankommt. Was IHM am meisten auf dem Herzen liegen: Dass sie sich
untereinander in Demut dienen und einander lieben sollen / dass sie
aufgefordert sind, einander zu lieben und dass sie den Auftrag haben, einer
verlorenen Welt zu zeigen, wer ER ist.
Frank hat vor einer Woche Joh 13 beleuchtet, wo es um die Liebe geht. Und
ich glaube, Ihr habt gemerkt, wie wichtig Jesus dieses Thema ist. Und mich
hat sehr angesprochen und auch herausgefordert, wie Frank gesagt hat,
dass die Liebe zu Jesus und die Liebe zum anderen IMMER
zusammengehören.
Nun: Wenn Ihr Euch vor Augen führt, in welchen Kontext hinein Jesus Joh
13-17 spricht, dann gewinnen diese 4 Kapitel und die Schwerpunkte, die
Jesus hier legt, noch mehr an Brisanz. Jesus feiert mit den Jüngern
Abendmahl und sieht bereits Golgatha vor sich. Die Jünger aber sind vor
allem damit beschäftigt, wer unter ihnen der Grösste ist – das wissen wir aus
Lk 22.24. Statt, dass Liebe sie prägt, prägt sie Selbstsucht und Egoismus.
Und man fragt sich: Wie sollen diese Leute einander lieben lernen können?
Und wie sollen sie ein wirkungsvolles Zeugnis für die Menschen um sie
herum sein können? Was ist das Geheimnis eines fruchtbaren Lebens als
Christ? – Jesus gibt den Jüngern die Antwort auf diese Frage in Joh 15.1-8
(Titelfolie) im Gleichnis vom Weinstock und den Reben...
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ohne Zustimmung des Copyright-Inhabers unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung und die Einspeicherung und
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"Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede
Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die
Frucht bringt, die reinigt er, daß sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon
rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir
und ich in euch! Wie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen
kann, sie bleibe denn am Weinstock, so auch ihr nicht, ihr bleibt denn in
mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich
in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts
tun. Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die
Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und
sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben,
so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen. Hierin
wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel Frucht bringt und meine
Jünger werdet." (Joh 15.1-8)
Im Licht all dessen, was wir bisher über die Jünger gesehen haben und über
das Gewicht dieses Auftrages, den Jesus in ihre Hände legt, wird das, was
Jesus hier sagt, mehr als nur einfach ein Bild. Es geht hier wirklich um den
Kern unseres Leben als Christ. Und ich behaupte, dass der, der nicht
verstanden hat, was Jesus hier meint, letztlich in seinem Leben als Christ
scheitern muss. Entweder, weil er vor Überforderung aufgibt, oder aber, weil
er resigniert zusammenbricht. Es war Hudson Taylor, der – als er fast schon
aufgeben und verzweifeln wollte – in diesem Gleichnis zur Ruhe und zu
einem ganz neuen Verständnis vom Christsein fand. Und mit ihm viele, viele
andere ebenfalls.
Das Gleichnis vom Weinstock und den Reben ist für mich eines der
wichtigsten Gleichnisse, das Jesus uns in der Bibel gibt. Meine Bibel hat
darum als Einfass ganz bewusst eine Rebe vorne drauf, um mich immer
wieder an dieses Gleichnis zu erinnern und daran, dass ich "in Jesus
bleiben" soll.
In Jesus bleiben – was heisst das / wie können wir das / was bringt das?
I.
Was heisst das, "in Jesus bleiben"?
Nun - was ganz wichtig ist: Das ganze Bild vom Weinstock und den Reben
dreht sich letztlich um nichts anderes als um Beziehung. Es geht nicht um die
Frage, wie man eine Rebe werden kann. Es geht auch nicht um die Frage,
wie ich eine Rebe bleiben kann. Wir müssen uns vergegenwärtigen, zu wem
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Jesus diese Worte spricht: Er spricht sie zu seinen Jüngern, zu denen, denen
er eben gerade noch versichtert hat in Joh 13, dass sie alle "rein sind"- und
Jesus spricht damit ihre Rechtfertigung im Glauben an. Jesus spricht hier zu
Menschen, die bereits gerettet sind. Dieses Gleichnis ist also kein Gleichnis,
in dem es um die Rechtfertigung geht. Im Gegenteil: Jesus versichert ja den
Jüngern "Ihr seid die Reben", und nicht: "Seht zu, dass Ihr Reben werdet!"
Wir müssen auch sehen, was die Ausgangslage der Jünger ist. Jesus hat
ihnen einen grossen Auftrag anvertraut, der ja im Liebesgebot beireits
angeklungen ist. Nämlich dass die Welt daran erkennen wird, dass sie eben
Nachfolger von Jesus sind, wenn sie Liebe unter einander haben. Und die
Frage ist, wie sie diesen Auftrag fruchtbringend erfüllen können. Wie sie in
ihrem Leben als Christen Frucht bringen und Säulen der Gemeinde werden
können. Die Antwort von Jesus ist: "Bleibt in mir. Habt innige, intensive
Gemeinschaft mit mir!"
Jesus geht es nicht darum, ob wir Reben sind oder dass wir Reben werden,
sondern es geht ihm darum, dass und ob wir Reben am Weinstock werden
bzw. bleiben. Es geht um die Beziehung zum Weinstock, die Verbindung zum
Weinstock, die Einheit mit dem Weinstock. - Nicht Erlösung steht im Fokus,
sondern die Gemeinschaft als Gotteskind mit meinem Vater.
Man kann das recht gut deutlich machen am Bild der Ehe. Durch den Trauakt
werden zwei Menschen zu Mann und Frau. Durch ihr einmaliges Ja-Wort
zueinander werden die beiden rechtlich gesehen zu einer Einheit. Aber ob sie
dann Gemeinschaft miteinander haben, das ist dann noch eine andere
Sache, nicht wahr. Jedes Ehepaar merkt das früher oder später: Heiraten,
das ist eine Sache, aber verheiratet zu sein, eine ganz andere. Wenn die
Frau zum Mann sagt: "Hör mal, wir reden nicht miteinander, wir verbringen
keine Zeit miteinander, wir haben keine Gemeinschaft miteinander", dann
genügt es nicht, wenn der Mann antwortet: "Aber wir sind doch verheiratet,
was willst du eigentlich?" Rechtlich verheiratet zu sein ist eine Sache, aber
Gemeinschaft zu haben als Ehepaar, das ist eine andere.
In Jesus bleiben bedeutet, als Christ in der Gemeinschaft mit Jesus zu leben,
die Verbindung zu IHM zu pflegen. Und das Bild vom Weinstock stellt das
wunderbar dar. Wenn nämlich die Verbindung zwischen Weinstock und Rebe
stimmt, dann kann der Saft des Weinstockes in die Rebe fliessen. Die Rebe
hat in sich selber keine Kraft, "Frucht" zu bringen. Sie kann sich noch so auf
Frucht konzentrieren, sie kann noch so versuchen, sich Frucht vorzustellen
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etc. – wenn sie nicht am Weinstock bleibt und vom Weinstock her ihre
Nahrung zieht, wird sie fruchtlos bleiben.
Für die Jünger und auch für uns gilt das genaso. Wir sind angewiesen auf
Jesus, wenn's um's Frucht-Bringen geht. Jesus sagt das ja deutlich: "Wie die
Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am
Weinstock, so auch ihr nicht, ihr bleibt denn in mir!" Wir können keine
Frucht aus uns selber produzieren. Wir wissen zwar, wie Frucht aussehen
soll, wir wissen, dass Frucht-Bringen unserer eigentlichen Berufung
entspricht, wir können um Frucht beten und Seminare machen über das
Thema "Frucht" etc.: Aber eines können wir beim besten Willen nicht: Wir
können keine Frucht bringen aus uns selber, dass kann nur Jesus in uns.
Weil das so ist, sagt der Hebräerbriefschreiber in Hebr 13.21, dass "Gott in
uns das schafft, was vor IHM wohlgefällig ist".
Die Bibel macht immer wieder deutlich: Wir können keine Frucht aus uns
selber produzieren. Und wir müssen es nicht! Weil Christus in uns es ist,
der Frucht wirken möchte. Und wisst Ihr: Das entlastet. Es befreit – weg von
einem Christsein, das von Krampf und frommer Leistung geprägt ist, hin zu
einem Leben in dem es zu aller erst um Beziehung geht. Es geht nicht zuerst
darum, etwas für Jesus zu "tun". Sondern zu aller erst geht es darum, bei
IHM zu sein.
Und das ist kein Automatismus. Wenn man als Christ automatisch in Jesus
bleiben würde, also automatisch diese Nähe zu Jesus hätte, dann wäre der
Befehl hier ein Unsinn. Das wäre, wie wenn man einem Schaf befehlen
würde, ein Schaf zu sein. Dass aber Jesus das als Imperativ, als Befehl,
weitergibt, zeigt, dass Gemeinschaft mit Jesus etwas ist, das schnell verloren
werden kann. Und mindestens einer der Jünger hat das noch in der gleichen
Nacht schmerzlich lernen müssen: Petrus!
Darum zur zweiten Frage: Wie können wir in Jesus bleiben?
II.
Wie können wir "in Jesus bleiben"?
Ich bin der festen Überzeugung, dass "Abhängigkeit" hier ein Schlüsselwort
ist. Abhängig sein und abhängig bleiben von Jesus. Zu oft denken wir, wir
hätten die Sache selbst im Griff. Wir wüssten schon, wie dieses oder jenes
zu funktionieren hätte. Ein gutes Beispiel ist Kindererziehung. Wahrscheinlich
wusste beinahe jedes Paar schon lange, bevor es Kinder hatte, wie man
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Kinder erzieht. Uns ging das auch so. Wenn ich heute zurückblicke, dann
merke ich, dass ich mindestens zwei Dinge gelernt habe: Erstens – meine
Vorstellungen von Kindererziehung waren ziemlich illusorisch. Und Zweitens
– ich schaffe es nicht ohne Jesus.
Und ist es nicht gerade das, was Jesus in Joh 15 lehrt: "Wer in mir bleibt
und ich in IHM, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt Ihr nichts
tun?" – Oh, man kann vieles tun ohne Jesus. Das ist keine Frage. Aber es
wird "nichts" sein im Blick auf sein Reich und auf seine Pläne. Ohne Jesus ist
das, was ich tue, wie "nichts". Es hat keinen Wert und führt nicht zum Ziel.
Für mich ist deshalb dieses Bleiben in Jesus zu allererst eine Frage der
Abhängigkeit. Eine Frage dessen, wo ich bin – und weniger, was ich tue.
Wir wünschten uns manchmal so eine "To-do-Liste", die man abhaken
könnte und mit der wir dann sagen könnten: "So – erledigt. Jetzt hab ich's".
Aber seht Ihr: "Beziehung" ist eben lebendig. Die kann man nicht mit einer
Strichliste abhacken. Und: "Beziehung" ist etwas durch und durch
"Ganzheitliches". Ich bin immer verheiratet – egal, wo ich bin und was ich
gerade tue. Und genauso will ich immer "Christ" sein – unabhängig davon,
wo ich bin.
Mir gefällt sehr, wie die amerikanische Bibelübersetzung "The Message"
dieses "bleibt in mir" übersetzt. Nämlich konsequent mit: "Seid bei mir zu
Hause". Seid bei mir zu Hause. Seid bei mir zu Hause. Und darum ist die
Frage, ob Du in Jesus bist, eigentlich eine Frage Deiner geistlichen Heimat.
Wo bist Du zu Hause? Wo ist Dein Herz?
Wisst Ihr: Jesus lädt uns ein, dass wir jetzt und heute immer wieder neu
unser zu Hause bei IHM einrichten und zu Hause bleiben und dass wir
unsere Identität von diesem Zuhause her definieren.
Brent Curtis schreibt in seinem Buch "Ganz leise wirbst Du um mein Herz"
folgendes: "Überrascht begann ich zu ahnen, dass Heiligung nicht so sehr
dadurch zu Stande kommt, wass wir etwas tun, sondern dadurch, dass wir
bei Jesus zu Hause bleiben. Dass es darauf ankommt, wer und wo wir sind
und wer und wo Gott in uns ist!"
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Darum hat Bleiben in Jesus zuallererst mit Demut und Busse zu tun, mit
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Ruhen in Jesus. Mit SEIN, und nicht in erster Linie mit TUN . Lasst mich
deshalb die Frage stellen:"Wann bist Du zum letzten Mal gewesen?" – Wann
bist Du zum letzten Mal in Deiner Beziehung mit Jesus einfach gewesen?
Wann hast Du zum letzten Mal ganz alleine – ohne Deine Frau / Deine
Familie / Deine Freunde – einfach einen Spaziergang gemacht, Dich auf eine
Bank gesetzt und über Dich und Jesus nachgedacht? Wann hast Du zum
letzten Mal in Dein Herz hineingehört und Dich gefragt: "Wie sieht mein
Leben aus?" – Wann hast Du zum letzten Mal bei Jesus wirklich Dein Herz
ausgeschüttet und IHM gesagt, was Dich tief in Deinem Herzen tatsächlich
beschäftigt? Und wann hast Du zum letzten Mal in die Stille zurückgezogen
und Jesus gefragt: "Jesus, was möchtest Du mir sagen?"
Jesus wird sich uns nie aufdrängen. Er wird sich nie lautstark melden und
sagen: "Hallo, ich bin auch noch da und eigentlich würde ich doch Dein
Leben gerne ausfüllen und Zeit mit Dir verbringen!" - Jesus wird sich nie
aufdrängen, sondern er wirbt leise um unser Herz. Er wird die Rebe, die
keine Frucht bringt, hochheben und versorgen, sodass sie wieder Frucht
bringen kann. Und die Rebe, die Frucht bringt, die wird er reinigen, sodass
sie noch mehr Frucht bringen kann.
Wo hingegen diese "Zuhause sein bei Jesus" nicht mehr da ist, da sind wir
zwar immer noch Reben, aber wir gleichen eher vertrockneten Ästen als
Reben, durch die der Saft des Weinstockes fliessen kann. Und manchmal
frage ich mich, ob die geistliche Dürre, die so viele Gläubige in ihrem Leben
mit Jesus empfinden (und die ich im übrigen phasenweise auch kenne!),
nicht viel mit diesem Gleichnis zu tun hat und mit einem falschen Verständnis
von "In Jesus bleiben"? – Kann es sein, dass wir anstelle des Zuhause-Seins
beim HERRN einen frommen Aktivismus gesetzt haben, der gar nicht dem
entspricht, was Jesus eigentlich möchte?
Ich merke das in meinem Dienst ganz stark. Es gibt Phasen, wo ich mir viel
Zeit nehme, um Bücher zu lesen, die mich geistlich weiterbringen. Dies,
obwohl man als Pastor eigentlich immer Arbeit hat. Während einigen Jahren
habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, 1x pro Tag alles stehen- und
liegenzulassen und irgendwohin zu fahren, wo ich alleine sein kann. Dort
bete ich, oder sitze auf eine Bank und denke nach, oder ich spaziere ein paar
Schritte. Dann aber gibt es andere Phasen. Phasen, in denen ich mir wenig
Zeit nehme, um zu lesen, mich nicht mehr zurückziehe und fast jede freie
1
Damit natürlich auch. Es geht auch um Gehorsam, wie V10 zeigt. Aber vorher kommt das Sein!
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Minute im Büro verbringe. Ich lasse mich von der Arbeit bestimmen, sehe nur
noch die Berge und dass ich noch dieses und jenes dringend erledigen und
diesen oder jenen endlich einmal besuchen sollte. In diesen Phasen bin ich
am Rotieren wie ein Helikopter. Und wenn ich dann doch mal eine Seite lese,
lege ich das Buch schnell wieder weg, weil ich ein schlechtes Gewissen habe
und denke, dass ich meine Zeit nicht vertrödeln darf, sondern etwas
"produzieren" muss – einen "Output" in irgend einer schriftlichen Form.
– Ich habe mich gefragt im Rückblick: Wo hat Jesus mehr Frucht gewirkt? In
den Zeiten hektischer Betriebsamkeit, oder in den Zeiten, in denen ich mich
tragen liess von IHM und bei Jesus "zu Hause war"? – Und ich habe mit
Erstaunen festgestellt, dass ich oft genau dann, wenn ich meinte, viel zu
leisten, nur wenig Frucht gewirkt habe, während Jesus mich in den anderen
Zeiten brauchen konnte. Und ER sagt ja: "Wer in mir bleibt und ich in IHM,
der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt Ihr nichts tun!"
Nur, wenn wir offen sind und auf IHN hören können wir auch tun, was ER
will. Während wir ansonsten in der Gefahr stehen, einfach zu funktionieren.
Wir können nur auf Jesus hören, wenn wir auf Jesus hören. Und nur, wenn
wir wirklich hören, können wir tun, was ER uns sagt. Und nur, wenn wir tun,
was ER uns sagt, bleiben wir bei IHM zu Hause, so wie ER beim Vater zu
Hause war. Denn Jesus vergleicht unsere Beziehung zu IHM mit der
Beziehung, die Er mit dem Vater hat. In Joh 15.9-10 nämlich sagt ER: "Wie
der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner
Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe
bleiben, wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner
Leibe bleibe!"
Wenn man Joh 13-17 liest, dann muss man immer wieder auch einen Blick
nach vorne in die Apg richten und sich fragen, ob die Jünger das, was Jesus
ihnen in Joh 13-17 gelehrt hat, auch umgesetzt haben. Und ich denke, dass
sie das an vielen, vielen Punkten haben. So ist zB. die Wahl der Diakone in
Apg 6 eine Folge dessen, dass die Apostel merkten, dass sie aus lauter
Betriebsamkeit nicht mehr bei Jesus zu Hause sein konnten. Sie konnten
sich nicht mehr auf Jesus konzentrieren. So wählten sie Diakone, waren
wieder frei, und Gott konnte wieder Frucht wirken.
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Oder ich denke an Apg 3, wo Petrus und Johannes zum Tempel gehen, um
dort zu beten. Sie gehen auf eine bestimmte Zeit dort hin, um die neunte
Stunde, wo sich alle zum Gebet treffen. Aber sie sind genug "in Jesus", um
eine Sicht zu haben für den Lahmen an der Tempelpforte. Und statt zu beten,
wie sie es vorhatten ("ich habe keine Zeit, tut mir leid, ich komme ein
andermal wieder, denn ich muss jetzt dieses oder jenes für Jesus
erledigen"), heilen sie diesen Mann. Und Gott wirkt Frucht, die grösser gar
nicht sein könnte. Warum? – Weil Johannes und Petrus sich nicht von
Betriebsamkeit leiten liessen, sondern weil sie ihr Herz so in Jesus verankert
hatten, dass sie verstanden: Das, was ER von uns will, ist wichtiger, als das,
was wir uns vorgenommen haben!"
"Ich bin der Weinstock – Ihr seid die Reben. Bleibt in mir und ich in
Euch!" – Damit zum dritten und letzten: Was bringt das ganze?
III.
In Jesus bleiben – Was bringt das?
Zunächst einmal sagt Jesus in V1, dass der Vater jede Rebe an Jesus, die
keine Frucht bringt, hochhebt. Das Wort, das hier im griech. Text verwendet
wird, kann bedeuten "hochheben" oder "wegnehmen". Je nach
theologischem Hintergrund haben sich die Bibel-Übersetzer für die eine oder
die andere Variante entschieden. Ich meine, dass "hochheben" (rELB) die
bessere Variante ist. Denn es geht um Reben an Jesus, also um Reben, die
an oder in Jesus sind. Es kann durchaus sein, dass man als Christ keine
Frucht bringt, obwohl man an Jesus ist. In diesem Fall wird der Vater
ermutigend eingreifen und "hochheben".
2
Übrigens ist das etwas, was die Weinbauern in Israel oft machen . In Israel
liegen die Reben anders als bei uns in der Zeit, wo sie keine Frucht tragen,
am Boden. Die Gefahr ist aber, dass die Reben, wenn sie anfangen
auszuschlagen, dann selber kleine Wurzeln bilden und die Nahrung, die sie
benötigen, direkt aus dem Boden holen. Was sie mit diesen Wurzeln
aufnehmen können, reicht aber nicht aus, um Frucht bringen zu können. Es
gibt nur klitzekleine Trauben, die total sauer sind. Der Weingärtner geht
deshalb zur richtigen Zeit in seinen Weinberg und wird die Reben
hochheben, ähnlich wie wir sie bei uns hochbinden – an Stangen oder an
Drahtanlagen.
2
Siehe für diese Ausführungen Earl Radmacher, "The Disciplemaker", S. 161-162.
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Das ist ermutigend. Wo wir in Jesus bleiben, wird Gott der Vater sich liebevoll
unserer annehmen und uns in die Position bringen, wo wir Frucht bringen
können. Und die Rebe, die bereits Frucht bringt, reinigt Gott, sodass sie noch
mehr Frucht bringen kann. Ich denke, dass hier das Beschneiden gemeint ist.
Gott lässt uns in unserem Leben ganz bewusst einen Prozess durchlaufen, in
dem wir immer wieder "beschnitten" aber damit auch gereinigt werden,
sodass wir noch mehr Frucht bringen können für IHN.
Wo wir an Jesus bleiben und Frucht bringen, wird zweitens Gott verherrlicht.
In V8 sagt Jesus: "Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass Ihr viel
Frucht bringt und meine Jünger werdet!" – Gott wird gross, wenn wir an
Jesus bleiben. Gott wird verherrlicht, wird geehrt, wenn wir Frucht bringen.
Letztlich wird durch unser Leben Gott geehrt, auch sichtbar vor anderen
Menschen.
Wenn wir nicht an Jesus bleiben, wir das nicht der Fall sein. Im Gegenteil.
Jesus sagt: "Wenn jemand nicht in mir bleibt, wird er hinausgeworfen
wie die Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie in's
Feuer, und sie verbrennen!" Wenn die Beziehung mit Jesus nicht stimmt,
werde ich hinausgeworfen. Nicht aus dem Himmel, sondern aus der
Gemeinschaft mit IHM hier und jetzt. Es geht im ganzen Gleichnis nie um
Rechtfertigung, sondern um Beziehung. So auch hier. Meine Beziehung
"verdorrt". Und ich kann noch lange Rebe sein, aber ich lebe ausserhalb
meiner Bestimmung: Nämlich am Weinstock zu sein und Frucht zu bringen.
3
Die Frage ist: Was ist gemeint mit "Und sie sammeln sie und werfen sie
in's Feuer und sie verbrennen?" – Nun: Die einen würden sagen "Hier ist
eindeutig die Hölle gemeint". Vor allem wegen der Worte "Verbrennen" und
"Feuer". Das würde aber bedeuten, dass man – um in den Himmel kommen
4
zu können – a) an Jesus glauben PLUS b) seine Gebote halten müsste.
3
Im griech. Text: 3 Pers Pl.! Also nicht "Man sammelt" sondern "Sie (Pl.) sammeln...". Die Frage
ist: Wer ist mit "Sie" gemeint? – Die beste Antwort gibt m.E. Radmacher ("Disciple-Maker"), der
zurückgeht zu Joh 13.35. Dort sagt Jesus, dass die Welt Ausschau hält nach Zeichen, die
zeigen, dass wir Jünger Jesu sind. Erkennt die Welt an unseren Werken, dass wir "zum
Weinstock" gehören, oder sieht sie keine Beziehung zwischen den unfruchtbaren Reben und
dem Weinstock?
4
Einige exegetische Anmerkungen zum Text. Einige Ausleger sagen: "Der Text redet von
Menschen, die sich bewusst von Jesus abgewandt und den Glauben verleugnet haben. Diese
Menschen kommen nicht in den Himmel!" – Ich frage mich, ob das aus dem Text hervorgeht,
oder ob man hier etwas in den Text hineinlegt? Wird hier nicht vielmehr eine Theologie
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vorkonstruiert, und nachher sucht man nach Texten, die die konstruierten Thesen einfach
stützen?
Beachten wir: Diese Ausleger sagen, dass V2 und V6 parallel zu lesen sind (V2 würde dann
natürlich mit "wegnehmen" übersetzt und nicht mit "hochheben"). Bei Menschen, die sich aber
von Jesus abwenden, würden wir normalerweise nicht sagen: "Gott hat sie abgeschnitten /
weggenommen" sondern wir würden eher sagen "Sie haben sich selber abgeschnitten". Denn
der Loslösungsprozess ging ja von ihnen aus, und nicht von Gott. Des weiteren: Die Reben, die
in V6 hinausgeworfen werden, werden deshalb hinausgeworfen, weil sie nicht in Jesus bleiben
Um in Jesus zu bleiben, muss man aber Gottes Gebote halten (V10). Fazit: Hier werden
Christen "hinausgeworfen" aus dem alleinigen Grund, dass sie die Gebote nicht gehalten haben.
Es geht also um Ungehorsam, und nicht um "Glauben, der aufgehört hat".
Die Frage stellt sich grundsätzlich, ob in Joh 15 von der Verlierbarkeit des Heils die Rede ist.
Mancher assoziiert natürlich den Text sofort mit "Hölle", eben weil von "Feuer" die Rede ist. Vgl.
zB. Werner de Boor, Wuppertaler Studienbibel, der schreibt: "Wozu ist sie [die Rebe; Anm. D.
Rohner] am Weinstock, wozu hat sie alles, was der Weinstock ihr zuströmt, wenn sie nicht
Frucht tragen, sondern nur sich selbst leben will? Wer sein eigenes Heil geniessen will, verliert
es". siehe Werner de Boor, Das Evangelium des Johannes 2. Teil, Hg. Werner de Boor und
Adolf Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal: Brockhaus, 1986, S. 122.
Aber Feuer ist im ganzen AT oft ein Bild für Gottes zeitliches Gericht (siehe zB. Jes 26.11) über
seinem Volk und wird nur in seltenen Ausnahmefällen für die "Feuer der Hölle" (Dillow, "Reign of
the Servant Kings", S. 412) gebraucht. Wo ein Christ nicht in Jesus bleibt, wird Gott richtend /
züchtigend eingreifen (siehe zB. Hebr 12.6). Die Rebe, die keine Frucht bringt, wird AUS der
Gemeinschaft mit Christus gestossen hinein IN's zeitliche Gericht. Vielleicht hat Johannes hier
auch 1Kor 3 im Blick, wo Pls vom Feuer des Preisgerichtes spricht, durch das unsere
Lebenswerke geprüft werden.
Wenn der Text von der Verlierbarkeit des Heils sprechen sollte, dann muss man zugeben, dass
ein Christ verloren gehen kann, wenn er aufgrund von Ungehorsam die Beziehung mit Jesus
vernachlässigt und keine Frucht mehr bringt. Bedingung zur Erlösung wäre also
(Umkehrschluss): "Wiedergeburt PLUS an Jesus bleiben PLUS Frucht bringen". – Das lässt sich
m.E. aber nur schwer mit der Lehre der Gnade in Übereinstimmung bringen. Von daher
empfinde ICH es als schwierig, mit diesem Text die Verlierbarkeit des Heils zu begründen, auch
wenn manche das in diesem Text sehen.
Ich sehe mit Dillow, Hodges, Ryrie und Radmacher eher, dass der Text von Beziehung und
Brauchbarkeit spricht und nicht von Erlösung. Wer nicht in Jesus bleibt, wird aus der Beziehung
mit Gott hinausgeworfen und vertrocknet geistlich. Er erlebt Gericht. Letztendlich lässt nichts an
seinem Leben darauf schliessen, dass er in irgend einer Weise zu Gott gehört, weil die Frucht
fehlt. Er ist unbrauchbar– das einzige, was man damit tun kann, ist, ein Feuer anzünden (das ist
die Quintessenz des Gleichnisses). Nichts im Gleichnis lässt darauf schliessen, dass es um die
Frage der Verlierbarkeit der Erlösung geht.
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Denn nur, wer die Gebote hält, bleibt gemäss V10 in Jesus. Allein deswegen
wird diese Auslegung m.E. dem gesamtbiblischen Zusammenhang nicht
gerecht. Darüber hinaus dürfen wir nie vergessen: Der ganze Text ist ein
Bild. Wir haben es nicht mit einem wörtlichen Weinstock zu tun, auch nicht
mit wörtlichen Reben. Dass wir bei der Erwähnung des "Feuers" an die Hölle
denken, scheint zwar naheliegend, ist aber nicht zwingend. Ich denke, es
geht einfach allgemein um Gericht und um Unbrauchbarkeit im Reich Gottes.
Der Hintergrund des Gleichnisses ist der nahende Abschied Jesu und der
Auftrag, den die Jünger haben, der Welt Jesus zu offenbaren (vgl. die
übrigen "Upper-Room-Discourse-Predigten"). Das können wir nicht mehr tun,
wenn wir nicht an Jesus bleiben und unser geistliches Leben von IHM her
gestalten.
Wir liegen wie ausgedorrte Reben im Weinberg herum. Und die Welt, die
durch den Weinberg geht und Ausschau hält nach Frucht (vgl. Joh 13.35),
woran sie uns als Christen erkennt, wird die verdorrten Reben am Boden
anschauen und sagen: "An diesem Stück Holz erkenne ich nichts, was auf
Frucht hinweist, nichts, was irgendwie erkennen lässt, dass dieses Stück
Holz zu diesem Weinstock gehört. Damit kann man doch nur höchstens noch
ein Feuer machen".
Die Botschaft für die Jünger und auch für uns ist: Wo Ihr nicht an mir bleibt,
seid Ihr nutzlos. "Wer aber in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel
Frucht, denn getrennt von mir könnt Ihr nichts tun!"
--Amen-
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