Newsletter Arbeitsrecht März 2015

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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Newsletter Arbeitsrecht
März 2015
Inhalt
Das Interview
02
Das Ende der tagelangen Streiks? – Neues zum Tarifeinheitsgesetz
4
Mehr Frauen in Führungspositionen – arbeitsrechtliche Fragen
rund um die "gesetzliche Frauenquote"
6
Aktuelles Urteil Arbeitsrecht
9
Aktuelles Urteil betriebliche Altersversorgung
11
Veranstaltungskalender
13
Client Service
15
Newsletterarchiv
16
Hogan Lovells e-Newsletter
17
Ihre Ansprechpartner
18
MÄRZ
Neues vom Gesetzgeber: Mindestlohn, Frauenquote und Tarifeinheit
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
1
Editorial
Liebe Leserin,
lieber Leser,
mit der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters Arbeitsrecht
März 2015 möchten wir Sie auf den neuesten Stand der diversen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung bringen. Mit
diesen Vorhaben müssen Sie sich gegebenenfalls schon in
naher Zukunft intensiv beschäftigen.
Im Interview dieser Ausgabe widmen sich die Kollegen Dr.
Tim Gero Joppich aus Düsseldorf sowie Dr. Sabrina Gäbeler
und Moritz Langemann aus München noch einmal wesentlichen Spezialfragen rund um das Thema "Mindestlohn". Mit
der Umsetzung des Mindestlohngesetzes stellt der Gesetzgeber Arbeitgeber vor einige Herausforderungen. Seit Anfang
März liegt zudem eine erste Entscheidung des Arbeitsgerichts
Berlin vor, die zumindest ein wenig Klarheit zu den Fragen
der Anrechenbarkeit einzelner Vergütungsbestandteile auf
den Mindestlohn bringt.
Aufgrund der regen Tätigkeit des Gesetzgebers in diesem
Frühjahr befassen sich in dieser Ausgabe gleich zwei Hauptbeiträge mit aktuellen Gesetzgebungsvorhaben. So stellt
Ihnen der Kollege Dr. Tim Gero Joppich zum einen den geplanten Entwurf für ein Tarifeinheitsgesetz vor, mit dem der
"Streikkultur" einiger Spartengewerkschaften entgegengewirkt
werden soll. Zum anderen gibt Ihnen der Kollege Moritz Langemann ein Update zur gesetzlichen Frauenquote, die unlängst vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde.
In der Rubrik "Aktuelles Urteil Arbeitsrecht" befasst sich unsere Kollegin Dr. Sabrina Gäbeler mit einer ganz aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Urlaubsansprüchen.
In dieser Entscheidung wenden sich die Erfurter Richter einmal mehr von ihrer bisherigen Rechtsprechung ab und erklären die bis dato zulässige Kürzung von bereits entstandenen
Urlaubsansprüchen bei einem Wechsel des Arbeitnehmers
von einer Voll- in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen für unzulässig.
Unsere Experten des Betriebsrentenrechts erläutern Ihnen in
der Rubrik "Aktuelles Urteil betriebliche Altersversorgung",
warum Sie als Arbeitgeber auch dann zur Prüfung einer Rentenanpassung gemäß § 16 BetrAVG verpflichtet sein können,
wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird.
Schließlich möchten wir Sie auch auf unsere bewährte Veranstaltungsreihe "Update Arbeitsrecht Frühjahr 2015" hinweisen, die Ende April ihren Auftakt in Düsseldorf findet. Die
Termine für die einzelnen Standorte lauten:
•
Düsseldorf: Mittwoch, 29. April 2015
•
München: Donnerstag, 7. Mai 2015
•
Hamburg: Donnerstag, 7. Mai 2015
•
Frankfurt: Mittwoch, 20. Mai 2015
Weitere Einzelheiten können Sie dem Veranstaltungskalender
(s. Seite 13) entnehmen. Wie immer freuen wir uns über zahlreiche Anmeldungen und auf ein persönliches Treffen mit
Ihnen.
Eine angenehme Lektüre und ein schönes Osterfest wünscht
Ihnen
Ihre Praxisgruppe Arbeitsrecht
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Interview
Dr. Tim Gero Joppich
Counsel, Düsseldorf
T +49 (211) 1368 494
[email protected]
Dr. Sabrina Gäbeler
Associate, München
T +49 (89) 29012 141
[email protected]
Moritz Langemann
Associate, München
T +49 (89) 29012 141
[email protected]
Seit dem 1. Januar 2015 haben Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe
von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Mit Inkrafttreten des
Mindestlohngesetzes (MiLoG) stellt sich immer wieder die
Frage, welche Leistungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers angerechnet werden können. Welche ersten Erkenntnisse gibt es hierzu in
der Praxis?
Moritz Langemann: Das Arbeitsgericht Berlin hat Anfang
März eine der ersten Entscheidungen zum MiLoG getroffen
und musste sich dabei u.a. mit der Frage beschäftigen, ob ein
zusätzlich zum Urlaubsentgelt gezahltes Urlaubsgeld sowie
eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte jährliche Sonderzahlung auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen sind (ArbG Berlin, Urteil v. 4. März 2015 – 54 Ca
14420/14). Bislang liegt zu dem Urteil nur eine Pressemitteilung vor, aus der sich ergibt, dass Leistungen des Arbeitgebers, die nicht unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergüten, auch nicht auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden dürfen. Das zusätzliche Urlaubsgeld und
die jährliche Sonderzahlung sah das Arbeitsgericht Berlin
nicht als unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung
an.
Wie wäre der Fall zu entscheiden gewesen, wenn es sich
bei den zusätzlichen Leistungen um Gegenleistungen für
die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit gehandelt hätte?
Moritz Langemann: Dann wären die zusätzlichen Zahlungen
nach der Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin wohl auf den
Mindestlohnanspruch anzurechnen gewesen, allerdings nur in
den Monaten, in denen sie ausbezahlt worden wären.
Die Vorschriften des MiLoG sprechen dafür, dass nur solche
Entgeltbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden
können, die dem Arbeitnehmer im jeweiligen Monat tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt werden. Leistungen, die
nur einmal jährlich vom Arbeitgeber erbracht werden, sind
demnach nur im Monat der Auszahlung auf den Mindestlohn
anzurechnen. Aus diesem Grund dürfte der Arbeitgeber in
dem Fall, den das Arbeitsgericht Berlin hier zu entscheiden
hatte, auch versucht haben, das Urlaubsgeld und die jährliche
Sonderzahlung quasi auf den Stundenlohn "umzulegen",
indem er mittels einer Änderungskündigung anbot, den Stundenlohn auf 8,50 Euro brutto zu erhöhen und dafür die zusätzlichen Leistungen wegfallen zu lassen. Das Arbeitsgericht
Berlin hielt diese Änderungskündigung allerdings für unwirksam, da die damit angestrebte Anrechnung von Leistungen,
die nicht unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers
entgelten, unzulässig sei.
Nach dem Wortlaut der Pressemitteilung scheinen von dem
Anrechnungsverbot zunächst einmal Sonderzahlungen erfasst zu sein, die die Betriebstreue eines Arbeitnehmers belohnen sollen. Offen bleibt, wie beispielsweise Sonderzahlungen mit Mischcharakter, die beides – Betriebstreue und Arbeitsleistung des Arbeitnehmers – honorieren, zu behandeln
sind.
Gilt das MiLoG eigentlich ausschließlich im Niedriglohnsektor oder haben die Vorschriften des MiLoG Auswirkungen auf jedes Arbeitsverhältnis?
Dr. Tim Gero Joppich: Die Frage nach dem Anwendungsbereich des MiLoG wird unterschiedlich beantwortet. Bis zu
einer Klärung durch die (höchstrichterliche) Rechtsprechung
wird voraussichtlich noch einige Zeit vergehen. Gegen eine
Beschränkung des Anwendungsbereichs spricht jedoch, dass
sich die Grenze zum Niedriglohnsektor nicht klar ziehen lässt.
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
In der Literatur wird daher derzeit überwiegend angenommen,
dass sich jede Vergütung – d.h. auch die weit jenseits von
8,50 Euro brutto pro Stunde – aus einem "Mindestlohnsockel"
und dem darüber hinausgehenden Entgelt zusammensetzt.
Daraus folgt, dass z.B. Vereinbarungen, die Ausschlussfristen
regeln, insoweit unwirksam sind, als sie den Anspruch auf
den Mindestlohn unterschreiten, seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen (vgl. § 3 Satz 1 MiLoG). Findet
sich die Regelung der Ausschlussfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, könnte sogar die gesamte Klausel wegen Intransparenz unwirksam sein, wenn sie für Entgeltansprüche nicht hinreichend zwischen dem unabdingbaren
"Mindestlohnsockel" und der darüber hinausgehenden Vergütung differenziert.
Mit dem MiLoG wurden Dokumentationspflichten eingeführt, die zum Teil als "Bürokratieaufwand" kritisiert werden. Darf ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflichten
auch auf die betroffenen Mitarbeiter delegieren?
Dr. Tim Gero Joppich: Ja, es ist grundsätzlich möglich, dass
der Arbeitgeber die Pflicht, den Beginn, das Ende und die
Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen, auf die Arbeitnehmer überträgt. Allerdings bleibt der Arbeitgeber trotz der
Übertragung der Aufzeichnungspflicht zur Überwachung verpflichtet. Er muss also dafür Sorge tragen, dass die Aufzeichnung jeweils spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den
Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertag erfolgen und
muss zudem die Aufbewahrung der Aufzeichnung für mindestens zwei Jahre sicherstellen. Aus Gründen der Praktikabilität
müsste der Arbeitgeber aber gewisse Vorgaben machen, wie
die Aufzeichnung zu erfolgen hat, z.B. durch handschriftliche
Erfassung in einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten
Formular oder elektronisch in einem Zeiterfassungssystem.
Besteht in dem Betrieb des Arbeitgebers ein Betriebsrat, hat
dieser – abhängig von der konkreten Ausgestaltung –ggf. ein
Mitbestimmungsrecht.
Seit dem Jahreswechsel erhalten viele Unternehmen von
Geschäftspartnern Schreiben, in denen sie aufgefordert
werden, sich zur Einhaltung der Vorgaben des MiLoG
sowie zur Duldung – teilweise umfangreicher – Kontrollmöglichkeiten zu verpflichten. Was hat es damit auf sich?
Dr. Sabrina Gäbeler: Das Interesse von Unternehmen, ihre
Vertragspartner auch vertraglich zur Einhaltung des MiLoG zu
verpflichten, kann verschiedene Gründe haben. Ein typischer
Beweggrund ist die Haftung nach dem MiLoG, die auch diejenigen Unternehmen trifft, die zwar ihre Arbeitnehmer über
dem Mindestlohnniveau bezahlen, aber zur Erfüllung eigener,
Dritten gegenüber bestehender Pflichten Werk- oder Dienstleister, sog. Nachunternehmer, einsetzen. Ein Unternehmer,
der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von
Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet nämlich für die
Verpflichtung dieses Unternehmers (oder eines Nachunternehmers, oder eines von dem beauftragten Unternehmer oder
dem Nachunternehmer beauftragten Verleihers) zur Zahlung
des Mindestlohns an dessen Arbeitnehmer wie ein Bürge, der
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auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat (sog. "Generalunternehmerhaftung"). Diese Haftung kann zwar nicht
ausgeschlossen werden. Allerdings ist es regelmäßig sinnvoll,
sich dieses Haftungsrisiko bei der Vertragsgestaltung vor
Augen zu führen. So können für den Haftungsfall zusätzliche
vertragliche Schadensersatzansprüche gegen das (Sub-)
Unternehmen begründet werden, das seiner Verpflichtung zur
Zahlung des Mindestlohns nicht nachgekommen ist.
Daneben soll die vertragliche Zusicherung, die Mindestlohnverpflichtungen einzuhalten, das Risiko verringern, dass
eine Ordnungswidrigkeit begangen wird. Ordnungswidrig
handelt, wer Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem
Umfang bei einem anderen Unternehmer beauftragt, von dem
er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei der Erfüllung dieses Auftrags den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt oder einen Nachunternehmer einsetzt oder zulässt, dass ein Nachunternehmer tätig wird, der den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Hier kann eine Geldbuße von bis zu 500.000,- Euro verhängt werden. Vor diesem
Hintergrund ist verständlich, dass sich einige Unternehmen
weitreichende Kontrollrechte einräumen lassen wollen, mit
denen sie die Einhaltung der Vorgaben des MiLoG durch ihre
Vertragspartner überprüfen können.
Wie sollte man als Empfänger eines Schreibens auf eine
solche Aufforderung reagieren?
Dr. Sabrina Gäbeler: Wenn ein Unternehmen zu einer solchen Verpflichtung aufgefordert wird, gilt es stets, die daraus
folgenden rechtlichen Konsequenzen genau zu prüfen. Die
Praxis zeigt, dass einige der zum Teil als "Freistellungs-" oder
"Entsprechenserklärung" bezeichneten Verpflichtungen über
das Ziel hinausschießen und dem Erklärungsempfänger darin
Kontrollrechte eingeräumt werden sollen, die z.B. nicht den
datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. Für diese
Fälle kann es hilfreich sein, wenn man eine eigene Entsprechenserklärung vorlegt und sich somit zu seinen eigenen
Konditionen verpflichtet, Kontrollen zu dulden.
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Das Ende der tagelangen Streiks? – Neues zum Tarifeinheitsgesetz
Kaum steht Ostern vor der Tür, wird in den Medien wieder
darüber spekuliert, ob es während der Ferienzeit erneut zu
erheblichen Behinderungen im Reiseverkehr kommen wird,
ausgelöst durch weitere Streiks etwa von Lokführern oder
Piloten. Gleichzeitig hat der Bundestag am 5. März 2015 den
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum so genannten Tarifeinheitsgesetz vom 11. Dezember 2015 (BT-Drs. 18/4062)
in erster Lesung beraten. Dessen Ziel ist laut Gesetzesbegründung, "die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch
die Auflösung von Tarifkollisionen zu sichern". Dies gibt Anlass, den Gesetzentwurf und seine Auswirkungen auf das
Tarif- und Arbeitskampfrecht im Folgenden näher zu beleuchten.
1.
TARIFKOLLISION
Anknüpfungspunkt für das Eingreifen der Regelungen des
Tarifeinheitsgesetzes ist zunächst, dass sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes überschneiden (kollidierende Tarifverträge, § 4a Abs. 2 S. 2 TVG-E). Das Gesetz
definiert damit den Begriff der Tarifkollision. Maßgeblich ist
die Überschneidung der Geltungsbereiche der jeweiligen – im
Betrieb anwendbaren – Tarifverträge.
Es bleibt damit zunächst dabei, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich an mehrere Tarifverträge gebunden sein kann. Dies
wird im Gesetz sogar ausdrücklich klargestellt, § 4a Abs. 2 S.
1 TVG-E. Einen Grundsatz "Ein Arbeitgeber – ein Tarifvertrag" gab und gibt es nicht.
Weiterhin folgt aus dem Erfordernis sich überschneidender
Geltungsbereiche auch, dass eine Tarifkollision im Sinne des
Gesetzes nicht vorliegt, wenn innerhalb eines Betriebes jeweils verschiedene Tarifverträge für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen gelten. Damit ist die Geltung von Tarifverträgen, die Spartengewerkschaften für bestimmte Tarifgruppen
ausgehandelt und abgeschlossen haben, nicht von vornherein
ausgeschlossen. Wäre also beispielsweise bei einem Unternehmen mit Spartengewerkschaften seitens der verschiedenen Gewerkschaften von vornherein klar, dass nur jeweils
eine die Zuständigkeit z.B. für Lokführer, für das übrige Zugpersonal bzw. für nicht fahrendes Personal beanspruchte und
nur für diese Gruppe einen Tarifvertrag abschließen wollte, so
lägen keine sich überschneidenden Tarifverträge vor. Dies
hätte die Konsequenz, dass jede Gewerkschaft, abhängig von
dem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, einen Arbeits-
kampf führen und damit unter Umständen den gesamten
Betrieb lahmlegen könnte.
Auch wenn es der Gesetzentwurf – anders als freilich die
Gesetzesbegründung – nicht explizit anspricht, so sollen
zunächst die Tarifparteien selbst Tarifkollisionen vermeiden
oder auflösen. Dies kann beispielsweise durch klare Abgrenzungen der Zuständigkeit geschehen, aber auch durch den
Zusammenschluss von Gewerkschaften zu Tarifgemeinschaften oder durch den Abschluss von Anerkennungstarifverträgen. Dass im letztgenannten Beispiel keine Tarifkollision
entstehen würde, folgt letztlich daraus, dass die gesetzlich
definierte Tarifkollision nicht nur überschneidende Geltungsbereiche, sondern zusätzlich auch inhaltlich voneinander
abweichende Tarifregelungen voraussetzt. Schließlich sollen
strittige Zuständigkeitsfragen auch zunächst zwischen den
Gewerkschaften über interne Konfliktlösungsmechanismen –
sofern verfügbar – gelöst werden, etwa über das DGBSchiedsgericht.
2.
VORRANG DES MEHRHEITSTARIFVERTRAGS
Sofern nach diesen hohen Voraussetzungen überhaupt eine
Tarifkollision entsteht, sind bei Überschneidungen abgeschlossener Tarifverträge nur die im Überschneidungsbereich
stehenden Rechtsnormen des Tarifvertrages anwendbar, der
von der Gewerkschaft abgeschlossen wurde, die die meisten
in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder im Betrieb hat
(Mehrheitstarifvertrag), § 4a Abs. 2 S. 2 TVG-E. Der Tarifabschluss der Minderheitsgewerkschaft bleibt damit wirksam,
lediglich die Geltung ihres Tarifvertrags wird – zumindest
teilweise und ggf. auch nur vorübergehend – suspendiert.
Konsequenterweise lebt der Minderheitstarifvertrag wieder
auf, sobald der Mehrheitstarifvertrag endet.
Die Feststellung der Mehrheitsverhältnisse erfolgt jeweils zu
dem Zeitpunkt, in dem die Tarifkollision eintritt, d.h. zu dem
der jeweils letzte Tarifvertrag mit inhaltlich abweichenden
Rechtnormen und überschneidendem Geltungsbereich abgeschlossen wurde. Die Frage der Mehrheitsverhältnisse stellt
sich also jedes Mal neu, wenn ein im Betrieb kollidierender
Tarifvertrag abgeschlossen wird. Dies führt immerhin zu einer
gewissen Rechtssicherheit, da zumindest ausgeschlossen ist,
dass es zu einem Geltungswechsel während der Laufzeit
zweier kollidierender Tarifverträge kommen kann. Ändern sich
demnach die Mehrheitsverhältnisse im Betrieb während der
Laufzeit, kommt es nicht automatisch zu einem Tarifwechsel.
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Zur Ermittlung des Mehrheitstarifvertrages genügt die relative
Mehrheit und zwar bezogen auf die Anzahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer. Sind beispielsweise in einem
Betrieb im Zeitpunkt des Abschlusses des letzten kollidierenden Tarifvertrages insgesamt nur 40% der Belegschaft Mitglied einer Gewerkschaft und davon 15% in Gewerkschaft A,
14% in Gewerkschaft B und 11% in Gewerkschaft C, so wäre
der von Gewerkschaft A abgeschlossene Tarifvertrag der
Mehrheitstarifvertrag, obwohl dieser unmittelbar nur für 15%
der Gesamtbelegschaft gilt.
Klar dürfte weiterhin sein, dass Arbeitskämpfe von Spartengewerkschaften nach wie vor zulässig bleiben, da es mangels
überschneidender persönlicher Geltungsbereiche von vornherein keine Tarifkollision gibt. Sofern also z. B. eine Pilotenvereinigung die einzige Gewerkschaft bleibt, die für die Gruppe
der Piloten bei einem betroffenen Unternehmen zuständig ist,
kann sie auch unter Geltung des Tarifeinheitsgesetzes ohne
weiteres zur Durchsetzung ihrer Forderungen streiken.
Bei Tarifgemeinschaften werden die Mitglieder der die Tarifgemeinschaft bildenden Gewerkschaften zusammengerechnet. Würden sich in dem vorstehenden Beispiel also Gewerkschaft B und C zu einer Tarifgemeinschaft zusammenschließen, handelte es sich bei dem von dieser Tarifgemeinschaft
abgeschlossenen Tarifvertrag folglich um den Mehrheitstarifvertrag.
Wird der Tarifvertrag einer Minderheitsgewerkschaft durch
den Abschluss eines Mehrheitstarifvertrages verdrängt, hat
die Minderheitsgewerkschaft ein gesetzliches Nachzeichnungsrecht, also das Recht auf Abschluss eines Anschlusstarifvertrages, § 4a Abs. 4 TVG-E. Damit soll erreicht werden,
dass auch für die Mitglieder der Minderheitsgewerkschaften
im Betrieb eine unmittelbare Tarifgeltung herbeigeführt werden kann.
Die Anwendbarkeit des Mehrheitstarifvertrages tritt kraft Gesetzes ein, es bedarf insoweit keiner besonderen konstitutiven
Feststellung der Mehrheitsverhältnisse im Betrieb. Bei Streitfragen sieht das Gesetz jedoch ein eigenes arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren vor, mit dem allerdings nur die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages positiv oder
negativ festgestellt werden kann. Die konkreten Mehrheitsverhältnisse sind insoweit als Vorfrage zu klären und nicht
isoliert feststellbar.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass keine Tarifkollision im
Sinne des Tarifeinheitsgesetzes vorliegt, wenn es auf Grund
von allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen (§ 5 TVG)
zu Überschneidungen mit nach § 3 TVG im Betrieb geltenden
Tarifverträgen kommt.
3.
STREIKRECHT
Wie oben ausgeführt, bleiben Minderheitsgewerkschaften
aber weiterhin tarifzuständig für den Betrieb, auch wenn der
von ihnen verhandelte und abgeschlossene Tarifvertrag (zunächst) nicht zur Anwendung gelangt. Minderheitengewerkschaften können also jederzeit die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages verlangen.
Damit stellt sich unweigerlich die Frage, ob sie ihren Verhandlungsanspruch auch mittels Streiks durchsetzen können.
Der Gesetzesentwurf regelt an keiner Stelle Fragen des Arbeitskampfes. In der Gesetzesbegründung hingegen heißt es
jedoch sehr deutlich, dass ein Arbeitskampf nicht mehr der
Sicherung der Tarifautonomie diene, soweit dem Tarifvertrag,
der "mit ihm erwirkt werden soll, eine ordnende Funktion
offensichtlich nicht mehr zukommen würde, weil die abschließende Gewerkschaft keine Mehrheit der organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb haben würde". Der
Gesetzgeber gibt also ein klares Votum hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit eines solchen Streikes ab, ohne dies jedoch
gesetzlich festzulegen. Es bleibt demnach abzuwarten, ob
sich die Gerichte diesem Votum anschließen werden.
4.
VERFAHRENSREGELUNGEN ZUM MINDERHEITENSCHUTZ
Weiterhin ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Aufnahme von
Tarifverhandlungen in geeigneter Weise bekannt zu machen,
so dass auch andere tarifzuständige Gewerkschaften hiervon
Kenntnis erlangen können. Konkurrierende Gewerkschaften
haben zudem ein Anhörungsrecht, d.h. sie können dem Arbeitgeber, der Verhandlungen mit einer konkurrierenden Gewerkschaft führt, "ihre Vorstellungen und Forderungen mündlich vortragen", § 4a Abs. 5 TVG-E. Wirklich beeinflussen
dürften sie die Verhandlungen damit nicht, den Abschluss
eines konkurrierenden (Mehrheits-)Tarifvertrages können sie
in keinem Fall bewirken.
5.
AUSBLICK
Es steht zu erwarten, dass der Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes in der jetzigen Fassung noch vor der Sommerpause
vom Bundestag verabschiedet werden wird.
Die Frage, ob eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit,
gleich welchen Inhalts und Zuschnitts, im Lichte der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG überhaupt ohne eine Änderung des Grundgesetzes möglich sei, wurde bereits heftig
diskutiert, bevor die Bundesregierung überhaupt ihren Gesetzentwurf vorgelegt hatte. Diese Diskussion hat seitdem
nicht an Fahrt verloren. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht hier das letzte Wort
sprechen wird, Ende offen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe – und hoffentlich
streikfreie - Oster(ferie)n!
Dr. Tim Gero Joppich
Counsel, Düsseldorf
T +49 (211) 1368 494
[email protected]
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Mehr Frauen in Führungspositionen – Arbeitsrechtliche Fragen
rund um die "gesetzliche Frauenquote"
Am 6. März 2015 hat der Bundestag den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des "Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen" verabschiedet. Ab dem 1. Januar 2016 werden
Großunternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, in ihren Aufsichtsräten für Frauen und Männer
eine Quote von 30 Prozent erreichen müssen. Mittelgroße
Unternehmen müssen sich schon dieses Jahr, nämlich bis
zum 30. September 2015, Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen.
1.
DIE GESETZLICHEN NEUERUNGEN IM ÜBERBLICK
Um die neuen Vorschriften nachvollziehen zu können, ist die
Unterscheidung der beiden Regelungskomplexe entscheidend: Neu eingeführt wird einerseits eine starre Geschlechterquote von jeweils mindestens 30 Prozent Frauen und Männern ("fixe Mindestquote") für die Aufsichtsräte der etwa 108
großen, börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Andererseits werden die vorgenannten großen Unternehmen sowie weitere, mittelgroße Unternehmen (insgesamt ca. 3.500) verpflichtet, zur Erhöhung des Frauenanteils
auf den Führungsebenen sog. Zielgrößen festzulegen.
Der Anwendungsbereich der Regelungen zur fixen Mindestquote erfasst damit nur diejenigen Unternehmen, die zum
einen börsennotiert sind und für die zum anderen das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder
das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt. Diese Gesetze
schreiben die Bildung eines paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrats vor, in dem die Arbeitnehmer zahlenmäßig genauso
vertreten sind wie die Anteilseigner der Gesellschaft. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes,
das in der Praxis die größte Relevanz hat, ist, dass das Unternehmen mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt oder
sich zurechnen lassen muss. Die Bundesregierung geht davon aus, dass etwa 108 Unternehmen in Deutschland die fixe
Mindestquote erfüllen werden müssen. Regelmäßig werden
dies die großen Publikumsgesellschaften sein, die als Aktiengesellschaften (AG) oder Kommanditgesellschaften auf Aktien
(KGaA) organisiert sind. Hinzu kommen noch Europäische
Gesellschaften (SE) sowie diejenigen Unternehmen, die aus
einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen
sind, und die ebenfalls börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind – insoweit gelten aber besondere Regelungen.
Deutlich mehr Unternehmen, nach Schätzung der Bundesregierung einschließlich der etwa 108 großen Unternehmen ca.
3.500, werden in Zukunft regelmäßig, erstmalig bis spätestens zum 30. September 2015, Zielgrößen für die Erhöhung
des Frauenanteils an Führungspositionen, d.h. für Aufsichtsrat, Leitungsorgan (z.B. Vorstand, Geschäftsführer) und die
beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Leitungsorgans, festlegen müssen. Betroffen sind alle Unternehmen, die
börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen. Dies
können neben Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäischen Gesellschaften auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), eingetragene
Genossenschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sein. Eine paritätische Mitbestimmung, d.h. eine gleiche Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern im
Aufsichtsrat, ist nicht zwingend Voraussetzung, um in den
Anwendungsbereich der Zielgrößenvorschriften zu fallen. Es
ist also z.B. ausreichend, wenn eine GmbH in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes fällt, was in aller Regel der Fall sein wird, wenn die GmbH mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt oder sich im Konzernzusammenhang
zurechnen lassen muss.
Zusammen mit den Zielgrößen ist zudem eine Frist festzusetzen, innerhalb derer die Unternehmen ihre selbstgesteckten
Ziele erreichen wollen. Die erste Frist darf nicht über den
30. Juni 2017 hinaus andauern. In der Folgezeit dürfen die
Fristen zur Erreichung der Zielgrößen jeweils längstens fünf
Jahre betragen. Da die Festsetzungen, d.h. Zielgrößen und
Frist, veröffentlicht werden müssen, erhofft sich der Gesetzgeber durch den Druck der Öffentlichkeit eine gewisse Disziplinierung. Echte Sanktionen für das Verfehlen der festgelegten Zielgrößen sind dagegen nicht vorgesehen. Jedoch
müssen bei Nichterreichung der selbstgesetzten Ziele die
Gründe öffentlich gemacht werden (Prinzip des "comply or
explain").
2.
ERSTMALIGE BILDUNG MITBESTIMMTER AUFSICHTSRÄTE
ANLASS DER "FRAUENQUOTE"?
AUS
Die neuen gesetzlichen Vorgaben knüpfen hinsichtlich der
Pflicht, Zielgrößen festzulegen, daran an, ob eine Gesellschaft der Mitbestimmung unterliegt. Demnach spricht der
Gesetzeswortlaut dafür, dass es nicht darauf ankommt, ob
eine Gesellschaft auch tatsächlich einen (drittel-) mitbestimmten Aufsichtsrat gebildet hat, sondern nur darauf, ob ein solcher zu bilden wäre. Auch die Begründung des Gesetzes
weist in diese Richtung. In der Praxis gibt es jedoch viele
Unternehmen, die – gleich aus welchen Gründen – trotz der
generellen Anwendbarkeit z.B. des Drittelbeteiligungsgeset-
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
zes oder des Mitbestimmungsgesetzes auf das Unternehmen
keinen (drittel-) mitbestimmten Aufsichtsrat gebildet haben.
Für diese Unternehmen stellt sich jetzt die kritische Frage, ob
das baldige Inkrafttreten der neuen Vorschriften zum Anlass
genommen werden muss, nun erstmals (und zeitnah) einen
Aufsichtsrat zu bilden, in dem die Arbeitnehmer ihr Mitbestimmungsrecht ausüben können. Die Nichtbeachtung der
gesetzlichen Pflicht z.B. einer in den Geltungsbereich des
Drittelbeteiligungsgesetzes fallenden GmbH, einen drittelmitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden, stellt zwar eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer dieser GmbH dar, die dem Grunde nach zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft
gegenüber den Geschäftsführern führt. Da es bislang in aller
Regel jedoch unwahrscheinlich war, dass aus dieser Pflichtverletzung ein bezifferbarer Schaden der Gesellschaft entstand, war das praktische Risiko einer Inanspruchnahme der
Geschäftsführer gering. Dies könnte sich durch die neuen
gesetzlichen Regelungen ändern. Denn die festgelegten Zielgrößen sind in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen, die Teil des Lageberichts der Gesellschaft nach
dem Handelsgesetzbuch ist. Wird gegen diese Berichtspflicht
verstoßen, kann dies eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die
mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden
könnte. Es ist momentan noch unklar, inwieweit die zuständigen Behörden Verstöße gegen die neuen Berichtspflichten
verfolgen und ahnden werden.
Schließlich könnte die Berichterstattung über die "gesetzliche
Frauenquote" in den Medien dazu führen, dass die Arbeitnehmer(-vertretungen) in Unternehmen, die in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes oder des Mitbestimmungsgesetzes fallen, ein Verfahren zur Bildung eines (drittel-) mitbestimmten Aufsichtsrats betreiben. Jedenfalls dann,
wenn ein nicht börsennotiertes Unternehmen durch die Festlegung von Zielgrößen mittelbar zu erkennen gibt, dass es
selber davon ausgeht, in den Geltungsbereich eines der genannten Gesetze zu fallen, droht die Einleitung eines gerichtlichen Statusverfahrens, etwa auf Antrag des (Gesamt-) Betriebsrats oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft.
3.
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beiden Führungsebenen. Der Gesetzgeber hat den Begriff der
"obersten beiden Führungsebenen" in der Gesetzesbegründung dahingehend konkretisiert, dass diese nicht nach betriebswirtschaftlichen
Lehren
(Top-,
Middle-,
LowManagement) zu definieren seien. Vielmehr seien die tatsächlich im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführer gemeint. Unter einer Hierarchieebene sollen organisatorische
Einheiten zu verstehen sein, die zueinander gleichberechtigt,
aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind.
Die Zugehörigkeit zu einer Hierarchieebene dürfte daher
spezifisch für das jeweilige Unternehmen zu bestimmen sein.
Ob es ausreichen kann oder soll, dass eine Funktion auf einer
der obersten beiden Führungsebenen ausgeübt wird, oder ob
darüber hinaus ein Anstellungsverhältnis mit der betreffenden
Gesellschaft bestehen muss, ist nach wie vor ungeklärt. Eine
unternehmensübergreifende Festlegung der Zielgrößen für
die obersten beiden Führungsebenen mit dem Zweck, die
Geschlechterverteilung innerhalb einzelner Tochtergesellschaften weniger stark ins Gewicht fallen zu lassen, da man
sich trotz der rechtlichen Trennung als "ein Unternehmen"
versteht, ist zumindest nach dem Gesetzeswortlaut und der
Gesetzesbegründung wohl nicht möglich.
4.
ARBEITSRECHTLICHE "STOLPERSTEINE" BEI AKTIVER FÖRDERUNG VON FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN
Ungeachtet der Tatsache, dass in manchen Unternehmen die
Führungsebenen nach wie vor männerdominiert sind, gab es
bereits vor Beginn der politischen Debatte über eine "gesetzliche Frauenquote" Unternehmen, die die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen anstrebten und die es nun –
aufgrund der Vorgaben des Gesetzgebers – vielleicht umso
mehr tun werden. Die naheliegenden Maßnahmen, die kurz-,
mittel- oder langfristig dazu führen können, den Anteil von
Frauen in Führungspositionen anzuheben, müssen jedoch mit
den bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungen in Einklang
gebracht werden. Aus der Vielzahl möglicher Maßnahmen
sollen hier nur einige beispielhaft herausgegriffen und kurz
skizziert werden:
FESTLEGUNG VON ZIELGRÖßEN IM KONZERNZUSAMMENHANG
Der Gesetzgeber hat (bewusst oder unbewusst) die Besonderheiten außer Betracht gelassen, die sich in Konzernen
etwa dadurch ergeben, dass in einer Matrixstruktur die Hierarchieebenen über Unternehmensgrenzen hinweggehen und
Führungskräfte z.B. bei der Muttergesellschaft angestellt sind,
ihre Aufgaben allerdings in einer Tochtergesellschaft wahrnehmen, oder dadurch, dass bestimmte Funktionsbereiche
(z.B. der Vertrieb), in denen überproportional viele Männer
arbeiten, von rechtlich eigenständigen Tochtergesellschaften
wahrgenommen werden. In diesen Fällen stellt sich die Frage
nach einer "Zusammenbetrachtung" zum Zweck der Festlegung von Zielgrößen.
Relevant werden diese Besonderheiten insbesondere im
Hinblick auf die Festlegung von Zielgrößen für die obersten
4.1 Gezieltes Recruitment von weiblichen Führungskräften
Der "Kampf" um hochqualifizierte weibliche Führungskräfte
wird zukünftig voraussichtlich noch härter geführt werden.
Das gezielte Anwerben von weiblichen Führungskräften und
"High Potentials" ist wahrscheinlich in manchen Branchen
(z.B. in den Bereichen Naturwissenschaften und Technik) in
der Praxis schon jetzt eine Herausforderung – in rechtlicher
Hinsicht ergeben sich Schwierigkeiten u.a. aus dem Verbot
der geschlechtsbezogenen Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sofern sich etwa
eine Stellenausschreibung ausschließlich an Frauen wendet
oder ein männlicher Bewerber aufgrund seines Geschlechts
nicht berücksichtigt wird, entstehen u.U. Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz. Der im Gesetzgebungsver-
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fahren erhobenen Forderung, für ein wenig Rechtssicherheit
zu sorgen und wenigstens klarzustellen, dass sich aus der
bloßen Festlegung von Zielgrößen kein Indiz für das Vorliegen einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung ergeben
kann, das zur Umkehr der Beweislast führen würde, ist der
Gesetzgeber bedauerlicherweise nicht nachgekommen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass ein etwaig bestehender
Betriebsrat die Zustimmung zu einer Einstellung verweigern
könnte, wenn diese gegen das AGG verstoßen würde.
4.2 Weibliche Führungskräfte langfristig an das Unternehmen binden
Um jene Frauen, die bereits Führungspositionen besetzen,
langfristig an das Unternehmen zu binden, dürfte es wichtig
sein, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und
Familie zu treffen (z.B. flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle,
Home Office, Kinderbetreuung im Betrieb etc.), die einerseits
individualvertraglich wirksam und andererseits unter Berücksichtigung etwaig bestehender Mitbestimmungsrechte ausgestaltet werden müssen. Mindestens ebenso entscheidend
wird es sein, die Karrieren von Frauen konkret zu fördern. Die
Karriereentwicklung von Frauen (aber auch von Männern)
wird allerdings häufig und in vielerlei Hinsicht durch die gesetzlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen konterkariert, z.B. indem ein ununterbrochener Lebenslauf zur Voraussetzung für Beförderungen gemacht wird und damit der
Inanspruchnahme etwa von Elternzeit entgegensteht.
4.3 Talent Management
Des Weiteren wird man mittel- und langfristig eine ausgewogene Geschlechterverteilung im Unternehmen kaum erreichen, wenn man nicht – je nach Bedarf – gezielt weibliche
Talente fördert. Dies kann durch vielerlei Maßnahmen geschehen wie etwa das Angebot von Praktikumsplätzen insbesondere für Schülerinnen und Studentinnen, die Förderung
von Frauen in Studium und Ausbildung z.B. durch Stipendien
oder durch ein unternehmensinternes Fortbildungsprogramm,
das sich gezielt an Frauen richtet (Training "on the job", Job
Rotation, Coaching, Counseling, Secondments etc.). Auch
insoweit wird es darauf ankommen, die Maßnahmen AGGkonform zu konzipieren. In diesem Zusammenhang wird die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu
berücksichtigen sein, wonach positive Maßnahmen (sog.
"Affirmative Action") wie etwa Quotenregelungen nur zulässig
sein sollen, wenn sie bei gleicher (oder zumindest nahezu
gleicher) Eignung der Bewerber den weiblichen Bewerbern
keinen "unbedingten und automatischen Vorrang" einräumen,
sondern allenfalls einen generellen Vorrang, der unter dem
Vorbehalt einer Öffnungsklausel steht. Zusätzlich gilt es, die
weiteren rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten, z.B.
aus dem Befristungsrecht oder dem Mindestlohngesetz, und
sich eine gute Verhandlungsposition gegenüber dem Betriebsrat zu bewahren.
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Moritz Langemann
Associate, München
T +49 (89) 29012 141
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
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Aktuelles Urteil Arbeitsrecht
Keine Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger
Wochenarbeitstagen
In seiner Entscheidung vom 10. Februar 2015 hat sich das
Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage befasst, ob bei
einem in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer nach dessen
Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen eine verhältnismäßige Kürzung des Urlaubsanspruchs
für die Zeit seiner Vollzeittätigkeit erfolgen darf (Urteil v. 10.
Februar 2015 - 9 AZR 53/14 (F)).
Das BAG entschied, dass eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht erlaubt ist, wenn ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vor seinem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit
weniger Wochenarbeitstagen den bis zum Wechsel entstandenen Urlaub nicht nehmen konnte. Das Argument, dass der
während der Vollzeittätigkeit erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer solchen Kürzung nicht vermindert
werde, weil er – in Urlaubswochen ausgedrückt – unverändert
bleibe, ließen die BAG-Richter mit Blick auf das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13. Juni 2013
(Rs. C-415/12-Brandes) nicht länger gelten..
Mit dieser Entscheidung hat das BAG seine bisher anders
lautende Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Bislang
war höchstrichterlich anerkannt, dass bei einem Wechsel von
einer Vollzeittätigkeit in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs entsprechend der nach dem Wechsel für
den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit
neu zu berechnen sei.
DER FALL
Der Arbeitnehmer war zunächst in Vollzeit beschäftigt und
wechselte zum 15. Juli 2010 in eine Teilzeittätigkeit. Seitdem
arbeitete er nur mehr an vier anstatt wie zuvor an fünf Tagen
in der Woche. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung,
der bei einer Fünf-Tage-Woche einen Urlaubsanspruch von
30 Arbeitstagen vorsah.
Bis zum Wechsel in die Teilzeittätigkeit hatte der Arbeitnehmer im Jahr 2010 keinen Urlaub genommen. Der Arbeitgeber
war der Auffassung, dem Arbeitnehmer stünden angesichts
des tariflichen Anspruchs von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr bei einer Fünf-Tagewoche nach seinem Wechsel in die
Teilzeittätigkeit nur 24 Urlaubstage pro Kalenderjahr zu (Berechnung: 30 Urlaubstage geteilt durch 5 Wochenarbeitstage
x 4 Wochenarbeitstage = 24 Urlaubstage).
Der Arbeitnehmer erhob Klage auf Feststellung, dass ihm für
das Jahr 2010 27 Urlaubstage zu gewähren seien. Die vom
Arbeitgeber vorgenommene verhältnismäßige Kürzung seines
Urlaubsanspruchs betreffe auch das erste Halbjahr 2010, in
dem er Vollzeit gearbeitet hätte, und sei für diese Zeit unzulässig. Er habe in dieser Zeit einen Anspruch in Höhe von 15
Urlaubstagen und für das zweite Halbjahr 2010 einen Anspruch von zwölf Urlaubstagen erworben.
Der beklagte Arbeitgeber wandte ein, dass die Berechnung
des Arbeitnehmers zur Folge habe, dass er für einen deutlich
längeren Zeitraum Urlaub nehmen könne als zur Zeit seiner
Vollzeittätigkeit. Dies würde einen ungerechtfertigten Vorteil
des Arbeitnehmers gegenüber seiner in Vollzeit beschäftigten
Mitarbeitern darstellen.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer drei weitere Urlaubstage zu gewähren habe.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom
Arbeitnehmer eingelegte Revision hatte vor dem BAG Erfolg.
DIE ENTSCHEIDUNG
Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber den bis zum
Wechsel in die Teilzeittätigkeit entstandenen Urlaubsanspruch nicht kürzen dürfe. Dies ergebe sich aus dem Urteil
des EuGH vom 13. Juni 2013. Denn hiernach dürfe die Zahl
der Tage des bezahlten Jahresurlaubs wegen des Übergangs
in eine Teilzeitbeschäftigung mit weniger Wochenarbeitstagen
nicht rückwirkend verhältnismäßig gekürzt werden, wenn ein
vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer seinen Urlaub vor dem
Wechsel in die Teilzeittätigkeit nicht nehmen konnte. Das
Argument, der erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub werde bei einer solchen Kürzung gar nicht vermindert,
weil er – in Urlaubswochen ausgedrückt – unverändert bleibe,
habe der EuGH unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ausdrücklich verworfen. Aufgrund
dieser Rechtsprechung des EuGH könne das BAG an seiner
bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhalten. Die Urlaubstage könnten somit nicht umgerechnet werden, wenn
sich die Anzahl der mit Arbeitspflicht belegten Tage verringere.
FAZIT
Mit seiner Entscheidung schafft das BAG Klarheit darüber,
wie Arbeitgeber mit Urlaubsansprüchen beim Wechsel von
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Teilzeittätigkeiten mit
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
weniger Wochenarbeitstagen umgehen sollen. Das BAG
stärkt den Fortbestand von erworbenen Urlaubszeiten beim
Wechsel von einer Vollzeit in eine Teilzeittätigkeit. Einmal
erworbene Urlaubsansprüche sollen gänzlich erhalten bleiben, auch wenn sich die Arbeitszeit für die Zukunft verringert.
Auch wenn das Urteil direkt die Auslegung einer Regelung
des TVöD betraf, lässt sich insbesondere aus dem Verweis
des BAG auf die Rechtsprechung des EuGH der Schluss
ziehen, dass bei jedem Wechsel eines vollzeitbeschäftigten
Arbeitnehmers in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs
wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht
verhältnismäßig gekürzt werden darf. Hauptsächlich relevant
dürfte die Rechtsprechung des BAG in den Fällen werden, in
denen Arbeitnehmerinnen im Anschluss an die Zeit des Mutterschutzes Elternzeit in Anspruch nehmen und nach der
Elternzeit als Teilzeitbeschäftigte an weniger Wochenarbeitstagen beschäftigt werden als vor Inanspruchnahme des Mutterschutzes (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil v. 11. Juni2014 2 Sa 125/14, anhängig beim BAG unter dem Az: 9 AZR
546/14).
Für Arbeitgeber könnte sich nach dieser Entscheidung anbieten, sich mit Arbeitnehmern vor dem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen darauf zu einigen,
bestehende Urlaubsansprüche aus der Vollzeit aufzubrauchen und erst dann in die Teilzeit zu wechseln. Dies könnte
das unerfreuliche Ergebnis verhindern, dass der teilzeitbeschäftige Arbeitnehmer mitunter eine sehr lange Zeit wegen
des Urlaubs dem Betrieb fernbleibt.
Dr. Sabrina Gäbeler
Associate, München
T +49 (89) 29012 141
[email protected]
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
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Aktuelles Urteil betriebliche Altersversorgung
Anpassungsprüfung bei Pensionskassen
Wie sich einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
(BAG) vom 30. September 2014 (Az. 3 AZR 617/12) entnehmen lässt, kann der Arbeitgeber auch dann zur Prüfung einer
Rentenanpassung gemäß § 16 BetrAVG verpflichtet sein,
wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird.
16. Mai 1996 erteilt wurden, kann daher § 16 Abs. 3 Nr. 2
BetrAVG keine Anwendung finden, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Höchstrechnungszins nach der DeckRV
gab. Da die streitgegenständliche Versorgungszusage älter
war, musste nach Auffassung des BAG daher eine Anpassungsprüfung durchgeführt werden.
DER FALL
Regulierte Pensionskassen wie die PKDW berechnen aber
auch nach dem 16. Mai 1996 ihre Altersversorgung nicht nach
den pauschalen Vorgaben der DeckRV, sondern nach einem
von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin)
genehmigten geschäftsplanmäßigen Höchstzinssatz, der
sowohl unter als auch über dem nach der DeckRV höchstzulässigen Zinssatz liegen kann. Bis zum 2. September 2005
waren alle Pensionskassen grundsätzlich reguliert und legten
ihren Tarifen einen von der BaFin genehmigten Höchstzinssatz zugrunde.
Die Entscheidung betraf einen Fall der Pensionskasse der
Deutschen Wirtschaft (PKDW), die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation die von ihr erbrachten Versorgungsleistungen
wirksam gekürzt hatte. Diese Kürzungen muss der Arbeitgeber ausgleichen. Streitig war zudem, ob der Arbeitgeber auch
Anpassungen der laufenden Rente gemäß § 16 BetrAVG
vornehmen muss.
DIE ENTSCHEIDUNG
Das BAG entschied, dass auch Anpassungen der laufenden
Rentenzahlungen gemäß § 16 BetrAVG vom Arbeitgeber
durchzuführen sind.
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre
eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG
entfällt diese Verpflichtung aber,
•
wenn die betriebliche Altersversorgung über eine
Pensionskasse durchgeführt wird,
•
ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand
entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der
laufenden Leistungen verwendet werden und
•
Das BAG betont in seiner Entscheidungsbegründung, dass
mit der Verweisung in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG ausschließlich der in § 2 Abs. 1 DeckRV bestimmte Höchstrechnungszins in Bezug genommen worden sei. Deshalb sei auch für
regulierte Pensionskassen insoweit nicht ein von der BaFin
genehmigter höherer Zinssatz, sondern der nach § 2 Abs. 1
DeckRV jeweils bestimmte Höchstrechnungszins maßgeblich.
Demnach könne eine Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 3
Nr. 2 BetrAVG nur entfallen, wenn auch die regulierte Pensionskasse ihre Altersversorgung nach dem Höchstrechnungszins gemäß § 2 Abs. 1 DeckRV oder einem niedrigeren Zinssatz bestimmt.
FAZIT
zur Berechnung der garantierten Leistung der nach
§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten
wird.
§ 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nimmt über die Verweisung auf
§ 65 VAG den Höchstrechnungszins gemäß § 2 Abs. 1 Deckungsrückstellungsversordnung (DeckRV) in Bezug. Dieser
Höchstrechnungszins wird gemeinhin als "Garantiezins" bezeichnet. Die DeckRV trat aber erst am 16. Mai 1996 in Kraft.
Für Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, die vor dem
Bei einer betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse entfällt nicht zwingend die Pflicht des Arbeitgebers,
eine Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen zu
prüfen. Ganz im Gegenteil: Eine solche Pflicht besteht, wenn
die Zusage vor dem 16. Mai 1996 erteilt wurde. Dies gilt für
jede regulierte Pensionskasse, nicht nur für die PKDW.
Aber auch für Pensionskassenzusagen, die am oder nach
dem 16. Mai 1996 erteilt wurden, kommt es darauf an, ob die
Altersversorgung unter Anwendung des nach § 2 Abs. 1
DeckRV bestimmten Höchstrechnungszinses oder zumindest
nicht unter Anwendung eines höheren Zinssatzes berechnet
wurde. Nur wenn dies der Fall ist, greift § 16 Abs. 3 Nr. 2
BetrAVG und die Prüfungspflicht entfällt unter den dort normierten weiteren Voraussetzungen. Verwendet die Pensions-
12
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
kasse allerdings einen höheren, von der BaFin genehmigten
Zins, ist der Arbeitgeber nicht von seiner Prüfungspflicht entbunden. Daher kann auch bei Durchführung der betrieblichen
Altersversorgung über eine Pensionskasse im Turnus von
drei Jahren eine Anpassungsprüfung erforderlich sein.
Muss eine Anpassung durchgeführt werden, können die
Überschüsse, die die Pensionskasse zur Erhöhung der laufenden Leistung verwendet hat, auf die Anpassungsverpflichtung angerechnet werden.
Arbeitgeber sollten daher prüfen,
(1) ob die Pensionskasse im eigenen Haus eine regulierte Pensionskasse ist,
(2) ob die Pensionskassenzusage vor dem 16. Mai 1996
erteilt wurde,
(3) ob der Rechnungszins der Pensionskasse höher ist
als der Höchstrechnungszins,
(4) ob Überschüsse der Pensionskasse seit Rentenbeginn niedriger sind als der Kaufkraftverlust seit Rentenbeginn und
(5) ob in der Vergangenheit Rentenanpassungen unterblieben sind, ohne dass die Betriebsrentner hierüber
informiert wurden.
Wenn nicht alle Fragen mit "Nein" beantwortet werden können, besteht möglicherweise Handlungsbedarf.
Dr. Thomas Frank
Senior Associate, München
T +49 (89) 29012 171
[email protected]
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
13
Veranstaltungskalender
Update Arbeitsrecht Frühjahr 2015
Die Veranstaltung
In gewohnter Art und Weise bringen wir Sie mit unserer Veranstaltungsreihe "Update Arbeitsrecht" an allen deutschen Hogan
Lovells-Standorten auf den neuesten Stand von Rechtsprechung und Gesetzgebung. Sie erhalten komprimierte Informationen
und Handlungsempfehlungen für die betriebliche Praxis u.a. zu folgenden Themen:
•
IT-Nutzung am Arbeitsplatz
•
Fremdpersonaleinsatz im Umbruch
•
Kosten des Betriebsrats
•
Aktuelle Rechtsprechung
•
Neues aus der betrieblichen Altersversorgung
Teilnehmerkreis
Unsere Veranstaltungsreihe richtet sich an Geschäftsführer, Vorstände und deren Mitarbeiter, Leiter und Mitarbeiter von Personal-, Stabs- und Rechtsabteilungen sowie Führungskräfte mit Personalverantwortung.
Je nach Ihrer zeitlichen und lokalen Präferenz können Sie unsere Veranstaltung in Düsseldorf, München, Hamburg und Frankfurt besuchen:
Datum und Veranstaltungsbeginn
Ort
Veranstaltungsort
Mittwoch, 29. April 2015, 18.00 Uhr
Düsseldorf
Hogan Lovells, Kennedydamm 24, 40476 Düsseldorf
Donnerstag, 7. Mai 2015, 18.00 Uhr
München
Hogan Lovells, Karl-Scharnagl-Ring 5, 80539 München
Donnerstag, 7. Mai 2015, 18.00 Uhr
Hamburg
Hogan Lovells, Alstertor 21, 20095 Hamburg
Mittwoch, 20. Mai 2015, 18.00 Uhr
Frankfurt
Hogan Lovells, Untermainanlage 1, 60329 Frankfurt
Im Anschluss an den Vortrag laden wir Sie ab ca. 19.30 Uhr zu einem Get-Together ein, bei dem es die Gelegenheit zum Austausch mit anderen Teilnehmern und den Referenten geben wird.
Teilnahme und Anmeldung
Die Teilnahme ist selbstverständlich kostenlos. Bitte melden Sie sich spätestens bis fünf Tage vor Beginn der jeweiligen Veranstaltung unter [email protected] (bitte unter Hinweis, dass Ihre Anmeldung über den Newsletter erfolgt) oder
mit dem beigefügten Formular an. Bitte geben Sie dabei an, in welchem unserer Büros Sie an der Veranstaltung teilnehmen
möchten. Eine Anmeldung per Newsletter erfordert keine weitere Anmeldung per Einladungskarte, sofern Ihnen eine solche in
den nächsten Wochen zugehen sollte.
Wir behalten uns ausdrücklich vor, Anmeldungen zurückzuweisen, etwa weil das maximale Fassungsvermögen unserer Räumlichkeiten erreicht ist.
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
UPDATE ARBEITSRECHT FRÜHJAHR 2015
Ich nehme gerne teil und melde mich hiermit über den Newsletter für folgende Veranstaltung an:

Düsseldorf:
Mittwoch, 29. April 2015

München:
Donnerstag, 7. Mai 2015

Hamburg:
Donnerstag, 7. Mai 2015

Frankfurt:
Mittwoch, 20. Mai 2015
Absender (bitte angeben):
Name, Vorname:
____________________________________
Firma:
____________________________________
Straße:
____________________________________
Position/Abteilung:
____________________________________
PLZ/Ort:
____________________________________
E-Mail:
____________________________________

Ich kann leider nicht teilnehmen.

Statt meiner wird/werden teilnehmen:

Ich werde begleitet von:
Name:
____________________________________
Firma:
____________________________________
Straße:
____________________________________
Position/Abteilung:
____________________________________
E-Mail:
____________________________________
Antwort an:
Hogan Lovells International LLP
Sebastian Müller
Karl-Scharnagl-Ring 5
80539 München
F: 089 / 290 12 222
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
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Client Service
Das Mindestlohngesetz
Wenige Themen aus dem Bereich des Arbeitsrechts waren in den letzten Jahren politisch so umstritten wie die
Einführung und Ausgestaltung eines gesetzlichen Mindestlohns.
Am 16. August 2014 ist das Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft getreten. Dieses sieht die Einführung eines zwingenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde für alle Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2015 vor. Viele
Einzelfragen im Zusammenhang mit dem Gesetz bleiben für die Praxis jedoch bislang ungeklärt.
Risiken birgt das Gesetz nicht nur für Arbeitgeber, die ihre eigenen Arbeitnehmer unter dem Mindestlohnniveau
vergüten. Auch beim Einsatz von Subunternehmern droht eine Haftung des Auftraggebers für den Fall, dass ein
Subunternehmer seinen Mitarbeitern den Mindestlohn nicht zahlt.
Die Praxisgruppe Arbeitsrecht hat dies zum Anlass genommen, einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Neuregelungen durch das MiLoG in Form einer Client Note zu veröffentlichen. Diese ist auch als englische Übersetzung erhältlich.
Bei Interesse an einer Übersendung senden Sie bitte eine E-Mail an [email protected] und geben
Sie die gewünschte Sprache an, in der Sie die Client Note beziehen möchten.
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Newsletterarchiv
2013
Schwerpunktthema
Januar
EDV-Nutzung durch den Betriebsrat
Februar
Wie geht es weiter mit dem Beschäftigtendatenschutz?
März
Die Altersgrenze in der betrieblichen Altersversorgung
April
Update Leiharbeit
Mai
Anti-Diskriminierungsrecht bei Einstellungen
Juni
Wollen Sie Ihren Betriebsrat selbst wählen? – Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Vorfeld der
Betriebsratswahl
Juli
Arbeitsrechtliche Herausforderungen des Diversity-Managements
August
Offenlegung von Gehaltsdaten – Wer darf wissen, wie viel verdient wird?
September
40 Jahre Betriebsrentengesetz – Aktuelle Versorgungsordnungen im Unternehmen
Oktober
Betriebsratswahlen 2014
November
Wie viel kostet ein Sozialplan?
Dezember
Arbeitsrechtliche Aspekte zum Thema Mobbing
2014
Schwerpunktthema
Januar
Die arbeitsrechtliche Agenda des Koalitionsvertrags 2014 – 2017
Februar
Bring Your Own Device
März
Schulungen, Freistellungen, Sachmittel – Umgang mit der "Wunschliste" des (neu gewählten) Betriebsrats
April
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz – Betriebliches Gesundheitsmanagement – "Obstkorb" oder doch
Return on Investment?
Mai
Der "neue Datenschutz" des BAG – Vorgaben zum Umgang mit Beschäftigtendaten und Handlungsempfehlungen zur Umsetzung
Juni
Teilzeit und Elternteilzeit – zwischen „Altbekanntem“ und den Plänen der Großen Koalition
Juli
Gestaltung von Arbeitsverträgen – wichtige Klauseln im Überblick
August
Fremdpersonaleinsatz – quo vadis? Die Reformvorhaben der Großen Koalition im Überblick
September
Arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchungen – Beraten Sie noch oder begutachten Sie schon?
Oktober
Das neue Mindestlohngesetz
November
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Update zur allgemeinen Rechtsprechung
Dezember
Betriebsrentenanpassung – BAG eröffnet neue Spielräume für Rentnergesellschaften
2015
Schwerpunktthema
Januar
Sicherheit bei E-Mail-Kontrollen: Einwilligung von Mitarbeiterin und Betriebsvereinbarungen zur Durchführung von E-Mail-Kontrollen
Februar
Vom Plan zur Realität: Neue Spielregeln für die (Familien-) Pflegezeit
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
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Hogan Lovells e-Newsletter
Wenn Sie oder Ihre Mitarbeiter anderer Fachabteilungen an weiteren, kostenlosen e-Newslettern von Hogan Lovells interessiert
sind, bitten wir um kurze Mitteilung per Fax oder eine E-Mail an unseren Client Service:
Hogan Lovells International LLP
Sebastian Müller
F: +49 89 / 290 12 222
E: [email protected]
Bitte senden Sie mir den e-Newsletter*
□ Arbeitsrecht
□ Automotive
□ Capital Markets
□ Chemicals
Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?
□ Energy
□ Empfehlung durch Kollegen
□ Financial Services
□ Veranstaltung von Hogan Lovells
□ Immobilienrecht
□ Infrastructure, Public □ Newsletter anderer Praxisgruppen
and Project Finance
□ Commercial
□
Intellectual Property
(IP)
□ Compliance
□ Corporate
□ Public Sector
□ TMT
□ Internetseite von Hogan Lovells
□ Eigene Online-Recherche
□ Andere, welche ________________
Firma
_________________________________________________________________
Name
_________________________________________________________________
Position
_________________________________________________________________
Straße
_________________________________________________________________
PLZ/Ort
_________________________________________________________________
E-Mail (zwingend)
_________________________________________________________________
(Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen)
*Diese Newsletter von Hogan Lovells International LLP erscheinen kostenlos in regelmäßigen Abständen per E-Mail in deutscher Sprache.
Wenn Sie am Weiterbezug eines e-Newsletters nicht mehr interessiert sein sollten, können Sie jederzeit eine E-Mail an Ihren Ansprechpartner
bei Hogan Lovells oder die Absenderadresse des jeweiligen Newsletter-Versenders schicken. Sie werden dann umgehend aus den Verteilerlisten genommen.
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Newsletter Arbeitsrecht März 2015
Ihre Ansprechpartner
Düsseldorf
Kennedydamm 24
40476 Düsseldorf
Dr. Kerstin Neighbour
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T +49 (0)211 136 8 0
F +49 (0)211 136 8 100
Dr. Tim Gero Joppich
[email protected]
Stefan Richter
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Charlotte Heckmann
[email protected]
Frankfurt
Untermainanlage 1
60329 Frankfurt am Main
Dr. Kerstin Neighbour
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T +49 (0)69 962 36 0
F +49 (0)69 962 36 100
Tim Wybitul
[email protected]
Dr. Wolf-Tassilo Böhm
[email protected]
Immanuel Heiser
[email protected]
Newsletter Arbeitsrecht März 2015
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Hamburg
Alstertor 21
20095 Hamburg
Dr. Eckard Schwarz
[email protected]
T +49 (0)40 419 93 0
F +49 (0)69 419 93 200
Matthes Schröder
[email protected]
Dr. Leif Hansen
[email protected]
Henning Abraham
[email protected]
Marco Neugeboren
[email protected]
Claus Asbeck
[email protected]
München
Karl-Scharnagl-Ring 5
80539 München
Dr. Ingrid Ohmann
[email protected]
T +49 (0)89 290 12 0
F +49 (0)89 290 12 222
Dr. Hendrik Kornbichler
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Bernd Klemm
[email protected]
Dr. Lars Mohnke
[email protected]
Anne Lachmund-Herring
[email protected]
Andreas Zürn
[email protected]
Dr. Thomas Frank
[email protected]
Dr. Florian Dehmel
[email protected]
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München
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Dr. Sabrina Gäbeler
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Florian Aulbach
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