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Ausblick Filmfest FrauenWelten 2013: Inhaltliche Schwerpunkte und Highlights „Zwangs- und Armutsprostitution“ ist der wichtigste Fokus dieses Jahr, mit Filmen, einer kleinen Ausstellung und einer Gesprächsrunde mit ExpertInnen; des weiteren „Männerperspektiven“, in dem nach den Bildern gefragt wird, die heutige Männer in Bezug auf ihre Beziehungen zu Frauen prägen, sowie ein regionaler Schwerpunkt auf Afrika. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von thematischen Querbezügen zu entdecken, seien sie ähnlicher oder gegensätzlicher Natur, wie matriarchale Kulturen und Männerperspektiven, Pornografie und Prostitution, Prostitution und matriarchale Kulturen, Rebellionen von Frauen in islamischen Kulturen, anti-patriarchale und unpatriarchale Frauenwelten. Zu letzteren zeigen wir nach einem größeren Fokus im Jahr 2009 zu Matriarchalen Kulturen gleich zwei Filme zu einem der konsequentesten Matriarchate der Welt, den Mosuo in China: The Mosuo Sisters und Die Töchter der Göttin, sowie einen aktuellen Kurzfilm zu einer Mädcheninitiation unter den Mosuo. Denn es ist in einer Welt mit allgegenwärtiger Gewalt besonders wichtig, aufzuzeigen, dass diese Gewalt nicht naturgegeben ist, dass un-patriarchale Welten und friedliche Ausgleichsgesellschaften tatsächlich möglich sind – da wir die Hauptursache für Gewalt an Frauen nicht in bestimmten Religionen oder Kulturen, sondern dem 5.000 Jahre alten Patriarchat mit seinen oft gewalttätigen Strukturen begründet sehen. Die Darstellung dieser gewaltlosen Gemeinschaften zeigt auch auf, dass es – obwohl für viele unvorstellbar – Gesellschaften ohne Prostitution gibt! Wo sicherlich Prostitution als das Absurdeste der Welt gelten muss. Für uns auch ein Hoffnung gebender Bezugspunkt für unseren wichtigsten Fokus. Zwangs- und Armutsprostitution Made in Ash nimmt die ZuschauerInnen mit in eine kleine tschechische Grenzstadt. Die slowakische Roma Dorotka ist hier gelandet, um in einer Textilfabrik zu arbeiten. Als sie die Arbeit verliert, sind es deutsche Männer mit Geld, die ihr Überleben sichern. Lukas Roegler verfolgt in Ware Frau den Weg junger Frauen aus Nigeria nach Deutschland, wo sie sich unter menschenunwürdigen Verhältnissen prostituieren müssen. Eine Gesprächsrunde am Thementag mit Sozialarbeiterin Sabine Constabel, Vertretern der Kriminalpolizei, und Regisseur Lukas Roegler wird die verschiedenen Perspektiven auf das in Deutschland viel diskutierte Thema eröffnen. Männerperspektiven Wo stehen eigentlich die Männer heute im Bezug zu Frauen? Welche Bilder prägen sie, welche Perspektiven haben sie? Die von unbeholfenen Verführungskünstlern, die nur mit Hilfe von Pick Up-Tricks Kontakt mit Frauen aufzunehmen wagen? Oder von Pornosüchtigen wie Don Jon, bei dem das Aufeinandertreffen mit einer hollywoodkitschsüchtigen Traumfrau zum Problem wird? Immer wieder von Tätern, die wie in 90 Minutes brutale Katastrophen in Gang setzen können? Oder auch von engagierten Kämpfern für die Menschenwürde von Frauen, auf die wir in der Gesprächsrunde zur Zwangsprostitution treffen? Länderschwerpunkt Afrika In Tall as the Baobab Tree sucht die junge Coumba gewitzt einen Weg, wie sie die Zwangsheirat ihrer 11-jährigen Schwester verhindern kann. Sie wünscht sich, dass diese weiter die Schule besuchen kann und nicht für Geld weggegeben wird. Born this Way zeigt das Leben von Lesben und Schwulen in Kamerun, wo gleichgeschlechtlicher Sex mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft wird. Die Rapperin Sister Fa kämpft gegen die Praktik der Beschneidung in ihrer Heimat im Senegal; mit mitreißendem Enthusiasmus beeindruckt sie in Sarabah und wird den Film persönlich in Tübingen vorstellen. Spannende Dokumentarfilme Im Programm gibt es neben den Ausflügen in radikal un-patriarchale Welten – die matriarchale Kultur der Mosuo – auch die in radikal anti-patriarchale Welten: über den Kampf der Sextremismus-Bewegung FEMEN; oder zu Rebellinnen in patriarchalislamischen Kulturen in Salma und Invoking Justice. Und ein bezaubernder Tänzer bringt in Dancing in Jaffa jüdische und arabische Jungen und Mädchen in Israel unglaublicherweise zum gemeinsamen und hautnahen Gesellschaftstanzen. Cineastische Highlights Cineastisch Anspruchsvolles bietet die kommende Ausgabe unter anderem mit Das Mädchen und der Künstler. Oscarpreisträger Fernando Trueba wird diese Meditation über Schönheit, Alter und Tod persönlich in Tübingen und Rottenburg begleiten. Ebenfalls in Schwarz-Weiß-Ästhetik gehalten ist der Stummfilm Blancanieves, 33-facher Preisgewinner, der Grimms Märchen in eine Stierkampfarena von Sevilla in den 20er Jahren verlegt. Ein altbekanntes Märchen derart verfremdet präsentiert zu bekommen, gibt uns die Chance, noch einmal einen ganz neuen Blick darauf zu werfen, was wir von klein auf als „die Welt wie sie ist und wie sie sein soll“ präsentiert bekamen. Short Term 12 des Hawaiianers Destin Cretton, der kürzlich beim Filmfestival in Locarno mit vier Preisen ausgezeichnet wurde, spielt indessen ganz im Heute: die packende Geschichte einer jungen Sozialarbeiterin, die bei der Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen mit ihrem persönlichen Trauma konfrontiert wird. Deutschlandpremiere bei den FrauenWelten feiert Good Morning, Karachi im Beisein der pakistanischen Regisseurin Sabiha Sumar, die mit Silent Waters den Goldenen Leoparden in Locarno gewann. Was könnte als Eröffnungsfilm besser zu den FrauenWelten passen als der erste Kinofilm, der jemals in Saudi-Arabien gedreht wurde, dazu von einer Frau? In ihm möchte Das Mädchen Wadjda sich allen Verboten zum Trotz seinen Traum vom eigenen Fahrrad erfüllen. Produzent Roman Paul wird den spannenden und Hoffnung gebenden Film bei der Eröffnung vorstellen und von den Aufsehen erregenden Dreharbeiten berichten. Es erwarten das Publikum also spannende Entdeckungen, berührende Lebensgeschichten von Menschen, die alternative Lebenswege aufzeigen und mit Mut und Humor gegen erfahrenes Unrecht antreten. Spezielle Attraktivität geben den FrauenWelten wie immer die vielzähligen Publikumsgespräche nach den Filmvorstellungen: Mit FilmemacherInnen, AktivistInnen oder ExpertInnen kann im Kino das Gesehene im Austausch mit anderen verarbeitet und hinterfragt werden. Irene Jung Filmfestleiterin