Text 2 - Flexible Grundschule

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Text 2 - Flexible Grundschule
Flexible Grundschule – ein Modellversuch zur Schulentwicklung
Am Mittwoch, 26. Juni 2013, besuchten die für die Schulentwicklung im Regierungsbezirk
Unterfranken Verantwortlichen die Grundschule Hösbach-Winzenhohl im Schulamtsbezirk
Aschaffenburg-Land.
Nach der Begrüßung durch den Fachlichen Leiter des Schulamtes Aschaffenburg-Stadt und
Land, Herrn SchAD Pohla, informierten uns Herr Rektor Völker gemeinsam mit Frau MergetDaum, koordinierende Lehrkraft, ausführlich über den Modellversuch „Flexible Grundschule“.
Die Grundschule Hösbach-Winzenhohl ist neben der Grundschule Wartmannsroth, Schulamtsbezirk Bad Kissingen, eine der beiden unterfränkischen Stammschulen.
Der Schulversuch begann im Schuljahr 2010/11 mit bayernweit 20 Stammschulen und wird
zum Schuljahr 2013/14 um 9 Satellitenschulen erweitert, so dass beinah eine bayernweite
Flächendeckung erreicht wird. Im Regierungsbezirk Unterfranken wird es im Schuljahr
2013/14 zwei Stammschulen sowie 10 Satellitenschulen geben.
Der Name „Flexible Grundschule“ bezieht sich
auf die flexible Verweildauer der Schülerinnen
und Schüler in der Eingangsstufe. Die ersten
beiden Jahrgangsstufen, die jahrgangsübergreifend unterrichtet werden, können von den Kindern in einem, zwei oder drei Schuljahren, je
nach den individuellen Entwicklungsständen und
Förderbedarfen, durchlaufen werden. Bei einer
dreijährigen Verweildauer wird das dritte Schuljahr nicht auf die Schulbesuchszeit angerechnet.
Ziel des Schulversuches ist es, den Schulentwicklungsprozess unter wissenschaftlicher Begleitung voranzubringen, neue methodische
Konzepte auszuarbeiten und auf ihre Durchführbarkeit, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu
erproben und zu evaluieren.
Zum Konzept einer Flexiblen Grundschule gehört es, dass jede Klasse in einem bestimmten
Umfang Differenzierungsstunden zur intensiven Förderung der individuellen Stärken und
Schwächen der Kinder erhält.
Die Zeit, in der eine Klasse von zwei Lehrkräften betreut wird, wird meist in der Form des
Teamteachings genutzt. Ist eine Förderlehrerin bzw. ein Förderlehrer an einer Schule tätig,
kommt diese in der Regel hier zum Einsatz. Förderlehrkräfte haben für den Blick auf die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen eine besonders gute Ausbildung.
Um den individuellen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, ist die Kooperation mit
Eltern und den Kitas intensiv. Zeitnah zum Schuljahresbeginn wird die Lernausgangslage
individuell erfasst; hierfür wird das an der Universität Würzburg entwickelte Computer gesteuerte Programm FIPS herangezogen. Pro Kind sind für die Durchführung etwa 30 Minuten einzuplanen.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich der
Blick der Lehrkräfte verstärkt auf die Individualität
und Heterogenität und den damit verbundenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder richtet. Als
eines der Unterrichtsprinzipien beeinflusst dies den
Unterrichtsalltag wesentlich.
Die Leistungsnachweise sind einerseits Referate,
Lerntagebücher und Portfolios, andererseits Lernzielkontrollen herkömmlicher Art, daneben gibt es
Leistungserhebungen zu den unterschiedlichen
Leistungsniveaus. Den beiden Polen der Individualisierung und der Gleichbehandlung aller im Blick
auf Normierung und vergleichbarer Notengebung gerecht zu werden, ist eine der täglichen
Herausforderungen an die Lehrkräfte, was dann vor allem ab der 3. Jahrgangsstufe relevant
wird.
-2An der Grundschule Hösbach-Winzenhohl werden auch die 3. und 4. Jahrgangsstufen jahrgangskombiniert unterrichtet. Als alternative Leistungserhebungen kommen hier Buchvorstellungen, Rollenspiele u. Ä. hinzu, um der verpflichtenden Anzahl von 21 Leistungserhebungen im 4. Jahrgang nachzukommen.
Ein Unterrichtsprinzip ist das gemeinsame Lernen an einem Thema. Gemeinsame Aufgaben
werden auf unterschiedlichen Niveaus bearbeitet. Dienlich sind kooperative Lern- und Arbeitsformen, um die Zusammenarbeit unter den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen
und herbeizuführen. So wird die Heterogenität berücksichtigt und die Chancen, die sich aus
dieser ergeben, genutzt. Durch zusätzliche Lernangebote wird man der notwendigen Individualisierung gerecht.
Zum Abschluss einer Lerneinheit erfolgt die Reflexion: Was hatte ich mir vorgenommen? Wie hat es
geklappt? Warum? Wie arbeite ich weiter? Hierdurch wird die Eigenverantwortung der Kinder für
den persönlichen Lernerfolg gefördert, der Blick
dafür gestärkt.
Während den Unterrichtshospitationen konnte
beobachtet werden, wie hier das Lernen und Arbeiten stattfindet. Im Alltag lernt Klein von Groß
und umgekehrt, das soziale Lernen wird spürbar.
Das Rollenverhalten ist beweglich, je nach Situation. Beim Wechsel von 1. zum 2. Schulbesuchsjahr
wird der Rollenwechsel besonders spürbar, die
Kleinen werden ganz offiziell die Großen, also die
Coaches der neuen Kleinen. So vollzieht sich der
Schuleingang fließend, den Übergang von der Kita
zur Grundschule erleben die Schulanfänger durch
die vielen Hilfestellungen und die Vorbildwirkung
der Großen sanft. Sie gewöhnen sich schnell an
den Schulalltag. Das zeigt sich als großen Vorteil!
Denn unter den Kindern wechselt so das Lehren
und Lernen von- und miteinander ab, die Selbständigkeit wird gefördert, das eigenverantwortliche Arbeiten immer besser. Schließlich kann der Besuch einer jahrgangskombinierten
Klasse die klassische Trennung nach Jahrgangsstufen nicht mehr erkennen.
An der Grundschule Hösbach-Winzenhohl stellt der Übergang von der Eingangsstufe in die
dritte Jahrgangsstufe kein Problem dar,
da auch die 3. und 4. Jahrgangsstufe in
jahrgangskombinierten Klassen unterrichtet werden, auch wenn diese Klassen keine Klassen im eigentlichen Schulversuch
mehr sind.
Ein weiterer Aspekt des Schulversuchs
„Flexible Grundschule“ ist die Möglichkeit,
das Zwischenzeugnis in der flexiblen Eingangsstufe durch Lerngespräche, an denen sowohl das Kind als auch die Erziehungsberechtigten teilnehmen, zu ersetzen. Vorab erhält das Kind einen Bogen
zur Selbsteinschätzung. Einen ähnlichen
Bogen füllt der Lehrer vor dem Gespräch
aus. Auf der Basis dieser beiden Papiere werden Schwerpunkte angesprochen und Zielvereinbarungen getroffen, die durch die Unterschrift der am Gespräch Beteiligten bestätigt werden. Für die im Lerngespräch getroffenen Zielvereinbarungen gelten folgende Kriterien:
kleinschnittig, konkret, kurzer Zeitraum, in dem sie umgesetzt werden sollen (3 k).
Solch ein Gespräch dauert etwa 30 Minuten.
Die Erfahrungen mit den Lerngesprächen sind durchwegs positiv, da alle Beteiligten des
Lernprozesses in Real Time am selben Tisch sitzen. Unklarheiten und Missverständnisse
können sofort ausgeräumt werden. Die Lerngespräche finden im Laufe von 1 bis 2 Wochen
-3vor dem Zeugnistermin im Februar statt, die Anmeldung und Planung erfolgt über das Büro
der Schule in Kooperation mit der Klassenlehrkraft. Der zeitliche Aufwand entspricht etwa
dem des Verfassens eines Zwischenzeugnisses.
Der Erfolg der Lerngespräche zeigt sich darin, dass die Botschaften den Gesprächspartner
besser erreichen. In Folge werden Elternsprechstunden und Elternsprechtage weniger häufig
frequentiert. Die Zufriedenheit auf beiden Seiten steigt.
Als großer Vorteil der Lerngespräche erweist es sich, dass die Kinder auch hier Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Schullaufbahn übernehmen. Sie
werden wertgeschätzt, ernst genommen, in dem sie sich am Gespräch ebenso wie die Erwachsenen beteiligen und das Gespräch einschließlich den Zielvereinbarungen durch ihre
Unterschrift bestätigen.
Organisationsentwicklung
Neue Ideen müssen in Einklang mit den rechtlichen Maßgaben gebracht werden, innerhalb
derer es jedoch viele Spielräume gibt, die es zu nutzen gilt. Einen wichtigen Platz nimmt die
Kooperation mit den Eltern ein. Wenn Eltern als Partner wertgeschätzt werden, führt dies zu
einer erfolgreichen Zusammenarbeit in einer guten Schule.
Teamentwicklung
Neben der Personalentwicklung ist die Teamentwicklung eine wichtige Säule im Schulentwicklungsprozess. Dabei sind gut funktionierende Kommunikationsstrukturen als wichtiges
Element zu nennen.
Offenheit führt zu einem Abstimmungsprozess, führt zu Konsens, führt zu einer positiven
Grundstimmung, führt zu hoher Motivation und macht Schulentwicklung weiter möglich.
Die Regionale Schulentwicklung dankt der Grundschule Hösbach-Winzenhohl für die freundliche Aufnahme, für all die Informationen beim Blick über den Gartenzaun sowie für die Möglichkeit zur Hospitation. Für die weitere Schulentwicklung alles Gute!
Informationen zur Grundschule Hösbach-Winzenhohl unter http://www.grundschulewinzenhohl.de/ .
Informationen zum Modellversuch „Flexible Grundschule“ unter http://www.bildungspaktbayern.de/projekte/flexible-grundschule/ .
Im Anschluss an den Schulbesuch verabschiedeten die
Schulentwicklungskoordinatorinnen und Schulentwicklungskoordinatoren die Schulentwicklungsberaterin für die Regionale
Schulenwicklung in Unterfranken, Frau SchADin Irma Amrehn,
und bedankten sich für den gemeinsamen Weg der Schulentwicklung aller unterfränkischen Schulen.
Fotos: Amrehn/Grimm
Text: Hunger/Grimm