ein erster Ansatz von Jointness im Zeichen eines modernen Seekri

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ein erster Ansatz von Jointness im Zeichen eines modernen Seekri
53. Historisch-Taktische Tagung der Marine 2013
„Joint und Combined – Die Marine im
TSK-gemeinsamen und multinationalen Umfeld“
- Vortrag 3 -
Die Rückeroberung der Falklandinseln durch
Großbritannien – ein erster Ansatz von Jointness
im Zeichen eines modernen Seekrieges?
Mike Frahm
Oberleutnant zur See
Marinekommando EinsU32
Gliederung
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1 Jointness / Joint Operations
3. Der Falklandkrieg
3.1. Einführung
3.2. Die Seekriegsführung
3.3. Die Luftoperationen
3.4. Die amphibische Landung
3.5. Die Landeoperation
4. Jointness / Joint Operation von „gestern bis heute“
4.1 Jointness „gestern“
4.2 Joint Operation „heute“ – zurück zur operativen Ebene
4.3 Der Falklandkrieg – ein erster Ansatz von Jointness?
5. Ableitungen
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Anmerkungen
2
Herr Admiral, sehr geehrte Damen und Herren,
1. Einleitung:
dieses Jahr jährt sich der Falkland-Krieg zwischen Großbritannien und Argentinien zum
31. Mal. Anfang 1982 kämpften knapp 40.000 Soldaten drei Monate lang einen kurzen,
aber intensiven Krieg um eine unwirtliche Inselgruppe, knapp 8000 sm vom britischen
Festland entfernt. Jeder der hier Anwesenden weiß um den Ausgang des Krieges im
Südatlantik, um diese Inselgruppe halb so groß wie das Bundesland Hessen. Als der Falkland-Krieg ausbrach mussten viele einen Atlas bemühen, konnte doch nicht jeder die
Falkland-Inseln sofort regional einordnen. Nach Beendigung des Krieges äußerte sich die
britische Premierministerin, Margaret Thatcher am 2. August 1982 wie folgt: „ ...Wenn
mir jemand gesagt hätte, dass wir 28.000 Menschen und mehr als hundert Schiffe mobilisieren würden, hätte ich das nicht geglaubt.“ 1 Dieses Zitat zeichnet ein sehr aussagekräftiges Bild über den letztlich erforderlichen Aufwand, ein Stück Land, in diesem Falle eine
Inselgruppe, im Rahmen einer amphibischen Landung wieder zurück zu erobern.
Meine Damen und Herren, was können sie in den nächsten 35 – 40 min erwarten? Ganz
im Sinne des Urhebers der Historisch-Taktischen-Tagung, Admiral Johannesson, der in
den ersten Historisch-Taktischen Tagungen die bedeutenden marinetaktischen Lagen des
vergangenen Weltkrieges in den Mittelpunkt stellte, habe ich dieses historische Ereignis
aufgegriffen und werde es vor dem Hintergrund des Begriffes der „Jointness“ beleuchten.
In einzelnen Schritten werde ich den Falkland-Krieg kurz, aber umfassend darstellen und
die Leitfrage beantworten, ob „ Die Rückeroberung der Falklandinseln - ein erster Ansatz
von Jointness im Zeichen eines modernen Seekrieges“ war. Vor diesem Hintergrund werde ich auch Konsequenzen ableiten und Empfehlungen aussprechen.
2. Definitionen
Bevor ich mit meinen Ausführungen ins Detail gehe, möchte ich zunächst einige Begrifflichkeiten erläutern.
2.1. Jointness / Joint Operations
Der Begriff Joint bedeutet übersetzt: gemeinsam, miteinander oder gemeinschaftlich. 2
Innerhalb unserer Referentengruppe haben wir uns auf die Nutzung der NATO-Definition
geeinigt, um die jeweiligen Themen anhand einer einheitlichen Begrifflichkeit zu beleuchten. Die „Allied Administrative Publication“ (AAP) 6 versteht unter Jointness bzw.
Joint Operation, dass mehr als eine Teilstreitkraft sich an einer Operation beteiligt 3. Allerdings möchte ich im Rahmen der Behandlung meines Themas diese Begrifflichkeit
dennoch dezidierter verstanden wissen, so dass ich darüber hinaus Joint Operations –
auch vor dem Hintergrund des heutigen Verständnisses von Jointness – wie folgt definiere:
„Joint Operations“ sind Streitkräftegemeinsame Operationen, die vor allem auf der taktisch-operativen Ebene mit dem Ziel geführt werden, die verfügbaren Mittel und Kräfte
koordiniert, abgestimmt und komplementär einzusetzen.
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3. Der Falkland-Krieg
3.1. Einführung
Meine Damen und Herren, nun aber zur Historie des Falklandkrieges. Die Besitzansprüche der Falkland-Inseln waren lange Zeit ungeklärt, umstritten und zeitweise auch sehr
facettenreich. Entdeckt wurden die Falkland-Inseln um 1600 durch den Holländischen
Seefahrer Sebald de Weert, jedoch betrat erst 90 Jahre später der Brite John Strong die
Inselgruppe und gab ihr den Namen nach dem Chef der damaligen britischen Admiralität,
Lord Falkland. Mitte des 18. Jahrhundert wurden die Falkland-Inseln, im spanischargentinischen Sprachgebrauch Malvinas genannt, von der französischen Krone an Spanien verkauft. Im Rahmen ungeklärter Souveränitätsrechte schlossen Spanien und Großbritannien dann jedoch 1771 einen Friedensvertrag, in dem beide Seiten ihre bisherigen
Rechte in Bezug auf die Inselgruppe anerkannten. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass
die Royal Navy bereits 1770 schon einmal mobil gemacht hatte, um den eigenen Besitzansprüchen Geltung zu verschaffen, es zu einem Auslaufen der Flotte letztlich jedoch
nicht kam. Die argentinischen Ansprüche gründen sich hauptsächlich darauf, dass Buenos
Aires sich als alleinige Rechtsnachfolgerin des ehemaligen spanischen Vizekönigreichs
am Río de la Plata betrachtet. Mit Beginn der 1980er Jahre wurde der Besitzanspruch auf
die Falklandinseln wieder durch Argentinien – zunächst bilateral und später auch vor den
Vereinten Nationen – in die Öffentlichkeit getragen und die „Rückführung“ der Malvinas
in argentinisches Hoheitsgebiet mit Nachdruck verfolgt 4. London nahm das argentinische
Ansinnen vorerst nicht Ernst, hatte es doch schon – wie bereits ausgeführt – früher ähnliche Bemühungen seitens Argentinien und Spanien gegeben.
Bei der Besetzung der Falkland-Inseln am 2. April 1982 war sich die argentinische Regierung sicher, dass Großbritannien das Interesse an der knapp 8000 Seemeilen entfernten
Inselgruppe verloren hatte. Haushaltskürzungen auf britischer Seite, die damit verbundene Absicht des Abzuges des sogenannten „Falkland-Patrol-Ship“ HMS ENDURANCE
und ein geplantes Gesetz zur teilweisen Aberkennung der britischen Staatsbürgerschaft
für die Inselbewohner 5, ließen die argentinische Regierung in dem Glauben britischen
Desinteresses. Die eigentliche Invasion Argentiniens begann dann im März 1982 mit der
Besetzung von South Georgia, einer Inselgruppe 1700 sm östlich von Argentinien. Großbritannien antwortete darauf mit der Entsendung der Nuklear-U-Boote HMS SPARTAN,
HMS SPLENDID sowie HMS CONQUERER. 6 HMS CONQUERER war später auch
das U-Boot, das im Verlauf der Auseinandersetzung den argentinischen Kreuzer ADMIRAL BELGRANO – bei dem 368 argentinische Besatzungsangehörige den Tod fanden –
versenkte. Die Entsendung der U-Boote sollte britische Entschlossenheit und Präsenz
demonstrieren. Die britische Regierung konnte vor den Vereinten Nationen schnell Druck
aufbauen. So wurde bereits am 3. April 1982 die UN-Resolution 502 verabschiedet, welche die notwendige politische und juristische Legitimation für eine britische Intervention
darstellte.
Auf argentinischer Seite unterschätzte man die britische Entschlossenheit. Angesichts der
beabsichtigten britischen Präsenz wollte man dann aber Fakten schaffen. Die argentinische Militärregierung zog die Einnahme der Falklands vor und am 2. April 1982 wurde
Port Stanley, die Hauptstadt der Insel, besetzt.
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Auf britischer Seite wurde mit der Besetzung der Falklandinseln die „Operation Corporate“ ins Leben gerufen. 7 Das Ziel war eindeutig: die Rückeroberung der Falkland-Inseln.
Bereits am 5. April lief ein amphibischer Verband in Richtung Südatlantik aus. Anfang
April befand sich ebenfalls eine britische Task Group, unter der Führung von Rear Admiral John „Sandy“ Woodward, zu Übungen im Nordatlantik. Der Verband brach die
Übungen ab und begab sich auf den Weg nach „Ascension-Island“ 8. Beide Verbände
sollten sich dort, 3000 sm südlich von Großbritannien vereinen. Auch wenn der damalige
First Sea Lord, Admiral Sir Henry Leach9 zu Beginn des Konfliktes glaubte, ausschließlich mit Seestreitkräften, einschließlich der für den Landkampf spezialisierten Royal Marines, die Falkland-Inseln wieder in britischen Besitz bringen zu können, so musste sich
dieser doch sehr schnell der Realität beugen und erkennen, welcher Kräfteansatz tatsächlich bei einem solchen militärischen Einsatz notwendig war. Die mit 8000 sm sehr große
Entfernung zum Einsatzgebiet, die Ermangelung eines im oder nahe des Einsatzgebietes
befindlichen Abstützpunktes und die Notwendigkeit der Herstellung von See- und Luftüberlegenheit für die durchzuführenden Landeoperation, machte der britischen Regierung
schnell deutlich, dass nur ein streitkräftegemeinsamer Verband die Rückeroberung der
Falklandinseln durchführen kann 10. Die für die Unternehmung eingenommene Führungsstruktur macht den streitkräftegemeinsamen Ansatz deutlich, weist aber auch erhebliche
Schwächen hinsichtlich der Führung der Gesamtoperation auf 11. Operation Corporate
wurde von Admiral Fieldhouse, dem Oberbefehlshaber der britischen Flotte, der zeitweise „straff über Satellitentelefon“ führte, als Joint Force Commander, von seinem Headquarter in Northwood geleitet. Ihm unterstanden Rear Admiral John „Sandy“ Woodward,
der als Commander Naval Task Force auf HMS „Hermes“ fungierte und sich gleichzeitig
als der „overall-commander“ der Operation betrachtete12. Hinzu kamen Commodore Michael Clapp als Commander Amphibious Task Force (CATF) sowie Brigadier General
Julian Thompson als Commander Landing Force (CLF), die beide auf dem Landungsschiff HMS FEARLESS eingeschifft waren. 13 Der Einsatz der U-Boote verblieb „außerhalb“ der Kommandostruktur der amphibischen Operation unter der Führung des Flag
Officer Submarines, Vize Admiral Herbert, der von seinem Headquarter in Northwood
aus die U-Boote einsetzte. Rear Admiral Woodward waren anfänglich alle Kräfte, einschließlich CATF und CLF, unterstellt. Jedoch wurde diese Unterstellungsstruktur bzw.
die Task Organisation durch Admiral Fieldhouse im Verlauf der Operation mehrfach
geändert, gleichwohl war Rear Admiral Woodward als „two-star flag officer“ stets der
Senior Commander mit entsprechendem Einfluss auf den Operationsverlauf. Interessanterweise blieben alle Task Group Commander während der Durchführung der Operation
immer gleichberechtigte Commander in der „Area of Operation“.14 In diesem Zusammenhang möchte ich auf die damals schon gültige NATO-Vorschrift für Amphibische
Operationen, der ATP 8, verweisen, die hinsichtlich der Befehls- und Kommandogewalt
bei einer amphibischen Operation folgendes vorsieht:
„ Commander Amphibious Task Force […] is responsible for the operation and, except
during the planning phase, exercises operational control over assigned forces to ensure
the success of the operation.” Nebenbei sei bemerkt, dass die ATP 8 bei den britischen
Streitkräften zu diesem Zeitpunkt aus unbekannten Gründen nicht zu Anwendung kam.
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Nun aber zu den einzelnen Operationen:
3.2. Die Seekriegsführung:
Mit dem Beschuss von gegnerischen Landstellungen, dem Naval Gunfire Support, bei
Port Stanley begannen am 1. Mai die Kampfhandlungen zur Rückeroberung der FalklandInseln. 15 Die Naval Task Force um Rear Admiral Woodward sollte in den Gewässern um
die Falkland-Inseln Sea Control durchsetzen. Gleichzeitig sollte sie die amphibischen
Kräfte als auch die Landtruppen bei der Durchführung ihrer Operationen unterstützen. 16
An dieser Stelle sei mir ob der damals – sehr öffentlichkeitswirksam – erlittenen hohen
Verluste ein kleiner Exkurs in die technischen Probleme der Britischen Seestreitkräfte
gestattet:
Der Verband war zwar mit hochwertigen und sehr modernen Flugkörpern ausgestattet,
konnte aber gegen die argentinische Luftwaffe anfänglich nicht viel ausrichten. Grund
hierfür war das Einsatzspektrum der Sea Dart Flugkörper der Type 42-Zerstörer, die gegen hoch anfliegende Ziele, wie z.B. Sowjetische Bomber, konzipiert waren und tief anfliegende Ziele nicht effektiv bekämpfen konnten. Für die Bekämpfung von tief anfliegenden Zielen, inklusive Flugkörpern, waren ausschließlich die mit dem damals sehr
modernen Sea-Wolf System ausgestatteten Type 22-Klasse Fregatten geeignet. Aber auch
dieses System hatte technische Einschränkungen. Gerade die Zielselektion, wenn gleichzeitig mehrere, dicht beieinander fliegende Ziele aufgefasst werden mussten, bereitete
dem System erhebliche Probleme. Alle anderen Schiffe des Verbandes setzten bei der
Bekämpfung von Flugkörpern ausschließlich auf die passive Abwehr durch den Einsatz
von Täuschkörpern. Erschwerend kam hinzu, dass die Argentinische Angriffstaktik darin
bestand, tief in enger Formation anzufliegen. 17 Diese zu Beginn des Konfliktes gemachten Erfahrungen – insbesondere im Zusammenhang mit der Versenkung des Type 42Zerstörers HMS SHEFFIELD führten schließlich zu der operativen Notwendigkeit, „Sea
Dart“-Zerstörer gemeinsam mit Type 22-Fregatten in sogenannten „42-22-Combos“ einzusetzen, was jedoch auch nicht gänzlich vor Verlusten schützte. Bei einem ExocetAngriff auf HMS GLASGOW, die gemeinsam mit HMS BRILLIANT operierte, wurde
die GLASGOW so schwer beschädigt, dass sie im Verlauf der Auseinandersetzung nicht
mehr zur Verfügung stand. Bei diesem Exocet-Angriff konnte aufgrund der geringen
Zielhöhe weder „Sea Dart, noch, aufgrund der eingeschränkten Zielselektion, das „Sea
Wolf-System“ das Ziel effektiv bekämpfen.
Aufgrund der Entfernung zu den Falklandinseln und der geplanten amphibischen Operationen ergab sich ein immenser Transportbedarf. Um diesem Bedarf gerecht zu werden,
wurden zivile Schiffe, sogenannte „Ships Taken Up From Trade“ (STUFT), die Personal
als auch schweres Gerät aufnahmen, gechartert und für ihre Aufgaben umgerüstet. Zum
Ende des Krieges im Juni 1982 belief sich die Zahl STUFT-Handelsschiffe auf 72. 18
3.3. Die Luftoperationen:
Die britische Verbandsführung beunruhigte zum einen die zahlenmäßige Überlegenheit
der argentinischen Luftstreitkräfte, zum anderen die eingeschränkte Leistungsfähigkeit
der eigenen Luftverteidigung. Nach Meinung des Verbandsführers, Admiral Woodward,
war mit zwei Flugzeugträgern eine angemessene Verbandsluftverteidigung nicht aufrecht
zu erhalten. Während die SEA HARRIER der HMS INVINCIBLE in der Luftverteidi-
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gungsrolle eingesetzt waren, führten die GR 3 HARRIER der Royal Air Force von HMS
HERMES aus Bodenunterstützungsangriffe gegen argentinische Landstellungen durch. 19
Da die Flugzeugträger aufgrund der argentinischen Luftbedrohung jedoch sehr weit östlich der Falkland-Inseln operieren mussten, hatten die SEA HARRIER nur eine sehr geringe Stehzeit auf ihrer Abfangstation. Trotz dieser kurzen Stehzeit waren die SEA
HARRIER durch den Einsatz von kurzfristig von den USA bereitgestellten, sehr modernen Sidewinder Luft-Luft-Flugkörper äußerst erfolgreich. Die Sea Harrier verzeichneten
bei 27 Einsätzen 24 Abschüsse.
Nachteilig wirkte sich auch die fehlende weitreichende Luftraumaufklärung aus. Frühwarnflugzeuge, Airborne Early Warning Aircraft, waren nicht vorhanden, so dass die sich
in Tiefflug dem Verband nähernden argentinischen Kampfflugzeuge oftmals erst sehr
spät entdeckt wurden. 20 Dieser Umstand wurde am 21. Mai, dem ersten Tag der amphibischen Landung, HMS ARDENT zum Verhängnis. Die anfliegenden argentinischen
Kampfflugzeuge wurden oftmals erst kurz vor dem Eindrehen auf das Schiff entdeckt, so
dass eingeleitete Gegenmaßnahmen nicht mehr ausreichten, den Angriff abzuwehren.
HMS ARDENT wurden von mehreren Bomben getroffen und musste aufgegeben werden. 24 Besatzungsangehörige fanden den Tod.
3.4. Die amphibische Landung
Die Falkland-Inseln sollten durch die 3 COMMANDO BRIGADE der Royal Marines im
Zuge einer amphibischen Landung eingenommen werden. Für die Landung wurden zwei
amphibische Führungsschiffe benötigt. Während anfänglich ausschließlich das Landungsschiff HMS FEARLESS als Führungs- und Truppenunterstützungsschiff zur Verfügung
stand, musste ihr – aufgrund von Sparzwängen zwischenzeitlich außer Dienst gestelltes
Schwesterschiff HMS INTREPID – kurzfristig wieder in Dienst gestellt werden. Wie
bereits ausgeführt, hatte die britische Admiralität zu Beginn des Konfliktes den Umfang
benötigter Kräfte zur Rückeroberung unterschätzt bzw. erlag anfänglich einem sich abzeichnenden möglichen Prestigegewinn gegenüber den anderen Teilstreitkräften einer
nüchternen und sachgerechten Kräfte- und Lageanalyse. Ursprünglich sollte ausschließlich die Royal Navy, einschließlich der Royal Marines, zur Rückeroberung der Falklandinseln eingesetzt werden. Im Zuge weiterer detaillierter amphibischer Planungen erkannte
die militärische Führung sehr schnell, dass zur 3 COMMANDO BRIGADE der Royal
Marines zusätzlich weitere Landstreitkräfte als auch die Unterstützung der Royal Air
Force notwendig waren, um das gesetzte Ziel, die Rückeroberung der Falklands, zu erreichen. Aufklärungsergebnisse zeigten, dass sich die gegnerischen Hauptkräfte, auf den
East Falklands, um Goose Green, Darwin und Port Stanley konzentrierten. Wenngleich
San Carlos Bay weit von Port Stanley entfernt lag, sollte der Schwerpunkt der britischen
Landeoperation dort liegen. Gründe dafür waren, dass gegnerische Artillerie dort keine
Gefährdung war, keine Verminung der Gewässer um San Carlos Bay stattgefunden hatte
und die dortige Berglandschaft umfangreichen Schutz gegen tief anfliegende Kampfflugzeuge bot. Sobald der amphibische Brückenkopf errichtet worden war, sollte der Vorstoß
der Landkräfte gegen Port Stanley erfolgen. Dies sollte mittels taktischen Lufttransports
durch Hubschrauber erfolgen. Aber auch hier wurde der Umfang des benötigten Lufttransports unterschätzt, zumal nicht nur Truppen transportiert, sondern auch die Landstel-
7
lungen mit Verpflegung und Munition versorgt werden mussten. Und, soviel kann ich
bereits vorwegnehmen, der Verlust von acht Wessex- und drei Chinook-Hubschraubern
bei der Versenkung der ATLANTIC CONVEYOR durch einen Luftangriff machte den
Bedarf an luftgestützter Transportkapazität noch dringlicher.21 Gleichfalls offenbarten
sich die nicht aufeinander abgestimmten Kommunikationsmittel – insbesondere der Seeund Landstreitkräfte – während Operation Corporate als ein wesentliches Problem. Dies
führte bei der Landung dazu, dass die sehr starken Fernmeldeanlagen der Schiffe, die
Kommunikationsmittel der Einheiten an Land überlagerten und der Commander Landing
Force in den ersten 24 Stunden überhaupt keine Verbindung zu seinen Einheiten hatte.
Dieses Problem konnte während der Operation nur teilweise gelöst werden.
3.5. Die Landoperation:
3 COMMANDO BRIGADE war im Rahmen der amphibischen Landung für den Aufbau
und das Halten des Brückenkopfes in San Carlos Bay verantwortlich. Erst mit dem Eintreffen der 5 INFANTRY BRIGADE, die sich noch auf dem Weg Richtung FalklandInseln befand - sollte der Vorstoß nach Port Stanley erfolgen. Am 25. Mai wurde jedoch
unter dem Druck der Öffentlichkeit in Verbindung mit den zuvor erfolgten schweren
Angriffen auf den Landungsverband durch argentinische Luftangriffe dem Commander
Landing Forces, Brigadier Thomson, von höchster Ebene der Befehl zum Beginn der
Landoperationen gegeben. Daraufhin wurden zwei Angriffsflanken eröffnet. Die Nordflanke, die über Teal Inlet nach Port Stanley vorstoßen sollte, führte entlang der Nordküste. Die Truppen der Südflanke sollten im Rahmen der Rückeroberung Goose Green,
Darwin und Bluff Cove einnehmen, bevor sich die Flanken verbinden und weiter Richtung Port Stanley vorstoßen sollten. Ob des Mangels an taktischem Lufttransportmittel,
die ausschließlich in der Versorgung der Landstellungen mit Munition und Verpflegung
eingebunden waren, mussten die Landtruppen den Vorstoß weitestgehend zu Fuß durchführen. Die damit verbundenen langen Märsche bei winterlich-kaltem Wetter und bergigem Terrain waren für die Landtruppen jedoch eine hohe Belastung. Mit Eintreffen der 5
INFANTRY BRIGADE im Einsatzgebiet Anfang Juni wurde diese umgehend nach ihrer
Anlandung in San Carlos Bay Richtung Bluff Cove in Marsch gesetzt. Nach mehrstündigem Marsch wurde diese Teiloperation jedoch wegen starker Erschöpfung der Soldaten
abgebrochen. Grund für den Abbruch war die fehlende Ausbildung der Soldaten, da die 5
INFANTRY BRIGADE ausschließlich den aufgesessenen Kampf vom Schützenpanzer
aus führte. Da eine Verbringung mit taktischen Lufttransportmitteln nicht möglich war,
wurde 5 INFANTRY BRIGADE auf Befehl des amphibischen Planungsstabes per Seetransport nach Fitzroy verbracht. Die dafür vorgesehenen Landungsschiffe mussten aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Einheiten aber ohne Geleitschutz operieren, was
während eines argentinischen Luftangriffes am 8. Juni zum Totalverlust des Landungsunterstützungsschiffes SIR GALAHAD, mit 51 gefallenen Soldaten, führte.
An beiden Flanken stießen die britischen Landstreitkräfte – bis auf wenige Ausnahmen
auf wenig Gegenwehr, so dass die Operationsziele an Nord- und Südflanke innerhalb
weniger Tage erreicht werden konnten. Am 13. Juni vereinigten sich beide Flanken und
die britischen Landkräfte griffen die argentinischen Landtruppen in Port Stanley an. Noch
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am Abend des 14. Juni kapitulierten die argentinischen Truppen. Die Falklandinseln waren zurückerobert.
Nach dem Falkland-Krieg erfolgte eine sorgfältige Analyse der Operation Corporate. Was
hatten die britischen Streitkräfte aus dem Konflikt gelernt?
Das Fehlen weiträumiger Aufklärungssysteme hatte zu erheblichen Verlusten geführt.
Dies führte zur Einführung von Airborne Early-Warning-Hubschraubern, um diese Fähigkeitslücke zu schließen. Auch offenbarte der Konflikt, dass die meisten Schiffe ein
Fähigkeitsdefizit im Bereich der Abwehr von z.B. tief anfliegenden Flugkörpern hatten.
Vor diesem Hintergrund wurden später nahezu alle Schiffe der Royal Navy mit Nächstbereichsflugabwehrwaffen nachträglich ausgerüstet. Aber auch die umfangreichen, realitätsnahen Luftverteidigungsübungen beim Basic Operational Sea Training sind kein Zufall, zeigten die Erfahrungen doch, dass den meisten OPZ-Besatzungen die praktische
Übung beim Waffeneinsatz fehlte. Um nur einige Lessons Learned zu nennen.
4. Jointness / Joint Operationen von „gestern bis heute“
Meine Damen und Herren, in einem zweiten Schritt gilt es nun mit Blick auf die Ausgangsfragestellung zu beantworten, ob bei der Rückeroberung der Falkland-Inseln die
britischen Teilstreitkräfte – im Sinne der Jointness – bereits streitkräftegemeinsam operiert haben oder ob es sich um verschiedene Operationen einzelner Teilstreitkräfte im
Rahmen einer Gesamtoperation handelte?
4.1. Jointness „gestern“
Bereits im Zweiten Weltkrieg wurde nachweislich die Kriegsführung der „Triphibik“ 22,
welche die parallele Kampfführung zu Lande, zur See und in der Luft darstellt, angewendet. Also, die Zusammenarbeit einzelner Teilstreitkräfte bzw. Waffengattungen war somit
erst einmal nichts Neues. Mit Blick auf die Bundeswehr war bereits mit ihrer Aufstellung
im Jahre 1956 das Konzept der operativen Zusammenarbeit der Teilstreitkräfte durch die
Himmeroder Denkschrift 23 unmissverständlich festgelegt:
Die Marine sicherte die eigenen Landstreitkräfte gegen Angriffe von See, während die
Küstenverteidigung ausschließlich Aufgabe des Heeres war. Diese zugewiesene Aufgabe
spiegelte sich auch in der Kräftezusammensetzung der Bundesmarine wieder, die deutlich
geprägt war von Flugkörperschnellbooten, Marinejagdbombern, für den Küsteneinsatz
optimierte U-Boote sowie leistungsstarke Minenabwehr- aber auch Minenlegeeinheiten.
Die aufgeführten Kräfte waren – ganz im Sinne der Bündnisverteidigung – besonders
geeignet, um russischen Marineverbänden den Zugang zum Nordatlantik zu verwehren,
um alliierten Landungsverbänden den Weg in die Ostsee zu ermöglichen und amphibische Operationen zu unterstützten. Aber auch die britischen Seestreitkräfte waren – wie
bereits dargelegt – im Rahmen ihrer Bündnisverpflichtungen im erweiterten Sinne darauf
ausgerichtet. Diese Aufgabenverteilung zeigte sich auch deutlich in der NATOKommandostruktur, die sich an dieser klaren Aufgabenzuweisung orientierte. Dem
NATO-Kommando für die Ostseezugänge, dem COMBALTAP (Command Baltic Approaches), unterstanden die jeweiligen See-, Luft- und Landbefehlshaber. Das Flottenkommando war dem Seebefehlshaber COMNAVBALTAP unterstellt. Die streitkräftegemeinsame Führung bei COMBALTAP war somit zwei Ebenen oberhalb des Flottenkommandos angesiedelt. Eine taktisch-operative Zusammenarbeit zwischen den einzel-
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nen See-, Luft- und Landstreitkräften war aufgrund dieser klaren Aufgabentrennung nur
rudimentär vorgesehen, zumal die Verantwortungsbereiche – insbesondere der Luft- und
Seestreitkräfte – räumlich klar voneinander getrennt waren. Kurzum, die jeweiligen Planungen der See-, Luft- und Landstreitkräfte waren unabhängig von der anderen Teilstreitkraft. Dieses Konzept der klaren Aufgabentrennung bestimmte dann auch knapp 30
Jahre lang das Denken im Bündnis und erforderte dann auch nur das Denken in zwei
Ebenen: der strategischen und der taktischen Ebene. Gerade dieser Umstand machte auch
den verschiedenen Führungsebenen im Falkland-Krieg zu schaffen. Fehlende „Command
Relationship“ – insbesondere zwischen dem Commander Landing Forces, dem Commander Amphibious Task Force als auch dem Commander Naval Forces– erschwerten die
Zusammenarbeit erheblich.
4.2. Joint Operationen heute – zurück zur operativen Ebene
Meine Damen und Herren, Ende der 80er Jahre erlebte der operative Gedanke jedoch eine
Revitalisierung. Zwischen der taktischen und der strategischen Ebene wurde wieder die
operative Ebene entdeckt. Was war geschehen?
Aus der Erkenntnis, dass im Zweiten Weltkrieg voneinander getrennt geführte Operationen von Teilstreitkräften regelmäßig der Erfolg verwehrt blieb, wurde seitens der USA
Ende der 1980er Jahre die Bedeutung streitkräftegemeinsamer Operationen im Zeichen
des Kalten Krieges neu diskutiert und überdacht. Den Überlegungen lag dabei die Notwendigkeit amphibischer Landungen von NATO-Streitkräften als Beitrag zur Unterstützung der ersten Kampfkräfte an der Hauptkampflinie in Europa zugrunde. Hier sollte von
See aus direkt auf den Kampf an Land eingewirkt werden. Der Zeitpunkt dieser Überlegungen wird den geneigten Zuhörer nicht überraschen: Knapp vier Jahre nach den Erfahrungen aus dem Falklandkrieg erkannte der Hauptträger der Kräftenachführung, also die
USA, das die damals gültigen Konzepte einer Kräftenachführung im Zuge einer amphibischen Landung während des Kalten Krieges angepasst werden mussten.
Nach Beendigung des Kalten Krieges und der Auflösung des Warschauer Paktes veränderte sich für das NATO-Bündnis im Allgemeinen und die Bundeswehr im Speziellen die
Einsatzrealität maßgeblich. Ein Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und
Krisenbewältigung folgte dem nächsten. Auch dieser Umstand führte letztlich dazu, die
konzeptionellen Überlegungen zum streitkräftegemeinsamen Wirken Mitte der 1990er
Jahre innerhalb des Bündnisses aber auch der Bundeswehr weiter zu überdenken und zu
überarbeiten. Mit der Erkenntnis der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit der Teilstreitkräfte sowie deren Koordination wurde dies der operativen Ebene zugeordnet. Einher
ging damit die Einordnung der entsprechenden Beiträge der Teilstreitkräfte für gemeinsame Operationen. Auf der militärstrategischen Ebene werden die zur Verfügung stehenden Mittel und Kräfte zur Erreichung der politischen Ziele aufeinander abgestimmt und
auf das politische Gesamtkonzept ausgerichtet. Auf der taktischen Ebene hingegen
kommt es darauf an, die militärischen Kräfte so einzusetzen und zu führen, dass ein militärischer Auftrag erfüllt und die militärischen Ziele erreicht werden. Die operative Ebene
bildet dabei das Bindeglied zwischen der taktischen und der strategischen Ebene. Im
Rahmen der operativen Führung werden somit die politischen Absichten und militärstrategischen Vorgaben durch den Einsatz von militärischen Mitteln und Kräften umgesetzt.
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Die operative Führung ist dabei besonders durch den verbundenen Einsatz der Teilstreitkräfte geprägt. Alle militärischen Mittel und Kräfte im Rahmen des Einsatzes werden
dabei synchronisiert und aufeinander abgestimmt zum Ansatz gebracht. Aber was sind
nun konkret die Attribute, die Streitkräftegemeinsamkeit, also die „Jointness“, in einer
solchen Operation ausmachen? Grundlage für den abgestimmten und koordinierten Kräfteansatz ist ein “ Joint-Headquarter“ vor Ort, in dem der Joint Task Force Commander
das Vorgehen der verfügbaren Kräfte koordiniert, abstimmt und eine gemeinsame Lagebeurteilung vornimmt. Dies beinhaltet letztlich auch die abgestimmte Auftragserteilung
sowie die Nutzung der jeweiligen Stärke der See-, Luft- und Landstreitkraft, aber auch
gemeinsame Kontrolle und eine koordinierte Anpassung im Operationsverlauf die Basis
für das streitkräftegemeinsame Wirken. Grundvoraussetzung für den Joint-Ansatz ist
somit die Kenntnis des operativen Führers, also des Joint Task Force Commanders, über
die unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten der ihm unterstellten Streitkräfte.
4.3. Der Falklandkrieg- ein erster Ansatz von Jointness?
War der Falkland-Krieg nun ein erster Ansatz von Jointness im Zeichen eines modernen
Seekrieges?
Gehen wir von der NATO-Definition aus, war er deutlich kein erster Ansatz, zumal im
Sinne der AAP 6 es für den Stempel „Jointness“ vollkommen ausreicht, dass Teilstreitkräfte zusammen arbeiten.
Legen wir jedoch meine eingangs angeführte Definition zugrunde, dass Streitkräftegemeinsame Operationen auf der taktisch-operativen Ebene mit dem Ziel geführt werden,
die verfügbaren Mittel und Kräfte koordiniert, abgestimmt und komplementär einzusetzen, so komme ich zu dem Schluss, dass dies nur ein erster Ansatz von Jointness gewesen
sein kann. Zwar waren CATF und CLF gemeinsam in HMS FEARLESS für die Landungsoperation kolloziert, jedoch erschwerte das Fehlen eines „overall in-theatre commander“ die Operationsführung erheblich, zumal gelegentliche Unstimmigkeiten hinsichtlich der Kompetenz und Zuständigkeit der einzelnen Task Group Commander kurzfristige Entscheidungen eines gemeinsamen Vorgesetzten von vor Ort notwendig gemacht hätten 24. Zwar war mit Admiral Fieldhouse ein Joint Force Commander eingesetzt,
gleichwohl fehlte diesem die Anbindung an die Kräfte, noch hatte er – knapp 8000 sm
vom eigentlichen operativen Geschehen entfernt – einen verzugsarmen Überblick über
den tatsächlichen Verlauf der Operation vor Ort. In diesem Zusammenhang störte auch
eine fehlende Festlegung eines klaren Unterstellungsverhältnisses der einzelnen Commander untereinander den reibungslosen Verlauf der Operation im Sinne einer streitkräftegemeinsamen Führung erheblich25. Zwar waren gerade die beiden besonders aufeinander angewiesenen Force Commander, CATF und CLF, bemüht, durch eine ATP-8konforme Operationsführung, diese Strukturschwäche zu überkommen 26. Aber auch in
den nachträglich geänderten Unterstellungstrukturen durch Admiral Fieldhouse blieben –
entgegen der Festlegung in der ATP 8 – die einzelnen Force Commander auf gleicher
Ebene wie der CATF und somit verantwortlich für die jeweilige Teiloperation. Und auch
Rear Admiral Woodward blieb als der „Senior Task Group Commander“ stets mit entsprechender Einfluss auf den Operationsverlauf. In diesem Zusammenhang stellte Commodore Clapp später fest: “Although he was senior, we [Clapp and Thomson] had not
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expected Sandy [Woodward] to want to take the lead at this meeting in such a forceful
and tactless way. We believed we were the best people to discuss amphibious problems
and expected him to want to hear our views. Instead he gave us a number of instructions
which we considered complete red herrings [Unsinn]. Unfortunately, since he was the
senior, we would be obliged to waste our staff’s time exploring them.” 27
Auch die erheblichen Kommunikationsprobleme während der Landungsphase 28 und besonders die zeitweise fehlende Kenntnis der jeweiligen Stärken und Schwächen der eigenen Kräfte – und hier sei besonders der Blick auf den befohlenen Landmarsch der 5 INFANTRY BRIGADE gerichtet – machte deutlich, dass Anfang der 1980er Jahre die britische Streitkräfteführung noch in den Strukturen der Aufgabentrennung dachte und nur
ansatzweise der heute an streitkräftegemeinsame Operationen gelegte Maßstab erfüllt
wurde. Nichts desto trotz haben die Erfahrungen des Falklandkrieges im Allgemeinen
aber dazu geführt, dass Konzept des streitkräftegemeinsamen Wirkens zu überdenken und
wesentlich zu verändern. Der heutige Maßstab, den wir mittlerweile an Joint-Operation
stellen, macht dies deutlich.
5. Ableitungen
Meine Damen und Herren, was wäre ein HiTaTa-Vortrag, wenn wir nicht auf unsere eigene Teilstreitkraft blickten? Was sind nun meine Ableitungen für die Deutsche Marine
aus dem bisher Dargestellten?
Seestreitkräfte können auf der Hohen See, also im hoheitsfreien Raum, zeitlich nahezu
uneingeschränkt operieren. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal. Seestreitkräfte leisten
deshalb einen wesentlichen Beitrag beim Wirken von See an Land, nicht nur im Rahmen
amphibischer Operationen. Sie kontrollieren Seeverbindungslinien, stellen die logistische
Versorgung der Landtruppen durch Seetransport sicher und unterstützen mit dem gezielten Waffeneinsatz auf Landziele die Landstreitkräfte. Auch die Deutsche Marine hat sich
den Gegebenheiten unter dem Eindruck der Erfahrungen und der Lehren aus dem Falklandkrieg angepasst. Wir sind nicht stehen geblieben, sondern haben uns gemeinsam mit
Heer und Luftwaffe, aber auch unseren Bündnispartnern weiterentwickelt. Vor diesem
Hintergrund muss der eingeschlagene Weg, hin zu einer „Expeditionary Navy“ – auch
unter den Zeichen der finanziellen Ressourcenknappheit –konsequent weiter gegangen
werden. Dennoch gilt es, sich in Zeiten knapper Kassen weiterhin wesentliche Kernkompetenzen von Joint-Operations, wie z.B. militärischer Seetransport und gezielte Waffenwirkung von See an Land, weiter fortzuentwickeln bzw. anzueignen. Gleichfalls müssen
vorhandene Kernkompetenzen erhalten und weiterhin ausgebildet werden.
5.1. Erhalt von Kernfähigkeiten – enabling forces
Kernfähigkeiten spielen für „enabling forces“, also Kräfte, die dafür Sorge tragen, dass
andere Kräfte ihre Fähigkeit erst zum Ansatz und zur Wirkung bringen, eine wesentliche
Rolle. Angesichts vieler Aufgaben im Rahmen unserer heutigen Verpflichtungen auf
dem Gebiet der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, z.B. bei der Bekämpfung der
Piraterie im Rahmen des Einsatzes ATALANTA oder der Seeraumüberwachung vor der
libanesischen Küste im Zuge der Maritime Task Force UNIFIL, scheinen die Kernfähigkeiten stark in den Hintergrund zu treten. Hier ist es notwendiger denn je auch weiterhin
unsere Kernfähigkeiten, wie z.B. der Luftverteidigung, die U-Bootjagd oder aber auch die
12
Überwasserkriegführung, nicht aus dem Fokus zu verlieren, auch weiterhin auszubilden
und auf einem entsprechenden Niveau zu halten.
5.2. Teilnahme an Übungen / Ausbildung
Die macht es jedoch erforderlich, die zum einen bereits angeführten Kernfähigkeiten zu
beüben, aber auch darüber hinaus die Zusammenarbeit streitkräftegemeinsam und auch
streitkräfteübergreifend fortzuentwickeln. Dies lässt sich im Wesentlichen durch die Teilnahme an Übungen – inklusive entsprechender Großübungen – oder verschiedenen Ausbildungsabschnitten sicherstellen. Auch trotz eines engen Finanzkorsetts sollte die Ausbildung der Schiffe und Besatzungen, aber auch entsprechender Stabsangehöriger Priorität haben, zumal wir mit einer soliden Ausbildung unseres Personals ein tragfähiges Fundament schaffen. Hier muss nach wie vor eine ausgewogene und umfassende Einsatzausbildung aller seegehenden Einheiten, aber auch der Marinefliegerkräfte die Grundlage für
kommende Einsätze sein. Diese Grundlagenausbildung sollte weiterhin durch die Teilnahme an verschiedenen streitkräftegemeinsamen und multinationalen Übungen, wie z.B.
„Joint Warrior“, komplementiert werden. Aber auch die Teilnahme an Großübungen, z.B.
der „Steadfast“-Serie, schaffen Verständnis für die anderen Teilstreitkräfte und die Fähigkeit zur streitkräftegemeinsamen Zusammenarbeit.
5.3. Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung
Auch im Bereich der Fähigkeit der streitkräftegemeinsamen taktischen Feuerunterstützung, international auch nur „Joint Fires“ genannt, gilt es, sich konsequent fortzuentwickeln. STF ist die streitkräftegemeinsame Fähigkeit, zur gegenseitigen Feuerunterstützung für die taktische Ebene von Land-, Luft- und Seestreitkräften sowie Spezialkräften
in allen Dimensionen des Einsatzraumes. Einer der wesentlichen Hauptaufgaben der maritimen Kräfte im Falklandkrieg war die Feuerunterstützung von See an Land. Hier muss
mit zukunftsorientierten Ansätzen internationaler Partner Schritt gehalten werden und
auch seitens der Marine diese Fähigkeit im Rahmen der Möglichkeiten weiter entwickelt
werden. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr von Interesse ist, wer eine Wirkung ins
Ziel bringt, sondern dass diese erforderliche Wirkung zeitgerecht und im angemessenen
Umfang im Ziel entfaltet wird, haben wir in diesem Konzert eines möglichen Waffeneinsatzes die Möglichkeit unsere streitkräftegemeinsame Relevanz bezüglich der Fähigkeit
„Wirksamkeit im Einsatz“, zu unterstreichen.
5.4. Ausbildung der Operativen Führung
Verbundener Einsatz der Streitkräfte und Multinationalität sind die wesentlichen Merkmale heutiger und zukünftiger Operationen. Hier kommt es im Besonderen darauf an, wie
die Fähigkeiten der Teilstreitkräfte durch die jeweilige Führung genutzt werden. Wesentliche Grundlage für den koordinierten und abgestimmten Einsatz ist ein gemeinsames
Verständnis von operativer Führung. Streitkräftegemeinsame Übungen, auch im internationalen Rahmen, fördern das Verständnis für die operative Führung. Eine Beteiligung an
entsprechenden Übungen durch Marineangehörige wird dieses angestrebte Verständnis
innerhalb der Marine dann auch weiter zu transportieren. Vom Großen zum Kleinen gehend, quasi auf taktischer Ebene wäre zu überdenken, ob nicht die streitkräftegemeinsame
13
Zusammenarbeit zwischen den Teilstreitkräften bereits in einem frühen Stadium aufgenommen werden sollte.
6. Fazit:
Es bleibt nun schlussendlich festzuhalten, dass der Falklandkrieg aus dieser Betrachtung
ein Krieg war, der von Jointness geprägt wurde. Der Falkland-Krieg umfasste nahezu
alles, was einen modernen Seekrieg ausmachte und bei maritim geprägten Auseinandersetzungen vergleichbarer Dimension auch heutzutage erwartet werden kann: eine amphibische Landung, U-Boot-Operationen, Schutz von Seeverbindungslinien, passive und
aktive Luftoperationen von Jagdflugzeugen, taktische Feuerunterstützung von See an
Land, den Einsatz von Jagdbombern mit Flugkörpern und in der Anti-Schiff-Rolle, Operationen von Spezialkräften, aber auch Logistik und Verlegeoperationen über eine erhebliche Distanz. Gleichwohl war er nur ein erster Ansatz von Streitkräftegemeinsamkeit im
Sinne heutiger streitkräftegemeinsamer Operationen. Auch 31 Jahre nach dem Falklandkrieg hat die Möglichkeit von See abgestimmt und koordiniert militärische Mittel einzusetzen keineswegs an Aktualität verloren. Der verbundene Einsatz der Streitkräfte ist ein
herausgehobenes Merkmal heutiger und zukünftiger Operationen. Dabei ist es wesentlich,
die spezifischen Fähigkeiten der eigenen See-, Luft- und Landstreitkräfte zu kennen und
zu nutzen. Der gemeinsame Streitkräfteansatz bedingt jedoch eine gemeinsame Vorstellung von operativer Führung. Für die Deutsche Marine gilt es, ihren bislang eingeschlagenen Weg der streitkräftegemeinsamen Ausrichtung weiter fortzuführen und sich an den
zukünftigen Szenarien auszurichten.
Die Auseinandersetzung um die Falkland-Inseln zeigte beiden Konfliktparteien schmerzlich auf, was es bedeutet, im Zeitalter moderner Flugkörpertechnologie einen Krieg zu
führen, aber die Erfahrungen, die diese Auseinandersetzung um diese Inselgruppe im
Südatlantik mit sich brachte, sind noch heute zu spüren.
Herr Admiral, meine Damen, meine Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
und stehe nun für Fragen zur Verfügung.
14
7. Literaturverzeichnis
1. „The Battle for the Falklands”, Max Hastings & Simon Jenkins, Pan Books; ISBN: 0
330 35284 9
2. “One Hundred Days”, Admiral Sandy Woodward, USA Naval Institute Press; ISBN: I55750-651-5
3. “The Royal Navy and the Falklands War”, David Brown, USA Naval Institute Press;
ISBN: 0-87021-572-8
4. Amphibious Assault Falklands, “The Battle of San Carlos Water”, Michael Clapp,
Orion Books; ISBN: 0 75281 109 6
5. “The Falklands War 1982”, Martin Middlebrook, Penguin Books; ISBN: 0-141-390556. Marineforum, Ausgabe A: Zeitschrift für maritime Fragen. – 82 (2007), H. 6, S. 34-38
/ Operation Corperate – FKpt A. Schulz
7. AAP 06 (v. 17.04.2012), Part 2 (English terms and definitions)
8. Falkland – Der Krieg vor den Toren der Antarktis (Seewald Verlag), ISBN: 3-51200685-X
9. Wikipedia.org (Deutsche und Englische Ausgaben)
10. Combat aircraft: The international journal of military aviation (8/2007, H. 3, S. 74-77)
11. Truppendienst Bundesheer: Ausbildung, Führung, Einsatz (46/2007, H.2, S. 102-110)
12. Marineforum, Ausgabe A: Zeitschrift für maritime Fragen. – 5 (2001), S. 3-8 / Maritime Aspekte operativer Führung
13. Der Krieg im Südatlantik – Rainer Lambrecht, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, ISBN: 3-327-00023-9
14. Schüsse ins Ungewisse („Shots in the Dark“) – Captain David Ridlon
15. Lehrgangsarbeit LGAN 2008, Michael Fraas (DK 2284)
16. GlobalDefence. Net
17. Bundeswehr, Heft 6, Jun 1971; Heft 7 Jul 1971 (Triphibik)
18. Die Marine & Basis See, Dokumentation zur Konferenz „Maritime Convention
2007“, Sonderausgabe Griephan, Januar 2008
19. Lehrgangsarbeit LGAN 2004, Armin Schaus (RD 0823)
20. Strategie und Technik, 51-2008, H.4, S. 29-32
21. Strategie und Technik, 51-2008, H.6, S. 48-52
22. Lexikon Freenet
23. Der Krieg um die Falklandinseln-1982, Jürg Meister, Biblio Verlag Osnabrück,
ISBN: 3-7648-1443-8
24. YC 7296, “The battle of Darwin-Goose Green“, Robert S. Bolia
25. Jeremy Taylor, Der Falklandkrieg, Vortrag v. 1983, gehalten 1984 an der Offizierschule des Heeres
26. Verteidigungspolitische Richtlinien 2003 v. 21.05.2003,
Kap. VIII.2
15
8. Anmerkungen
1
Vgl. Der Spiegel: Ausgabe 31/1982, Panorama S. 16
Vgl. http://dict.leo.org/search=Joint v. 16.10.2012
3
Vgl. AAP 06 (2012), 17.04.2012, Part 2 (English terms and definitions)
4
Vgl. Eddy/Linklater/Gillman, Falkland-Der Krieg vor den Toren der Antarktis, S. 40 ff
5
Vgl. Rainer Lambrecht, Der Krieg im Südatlantik, S. 18 (Diese enthält die Bestimmung,
dass alle Inselbewohner, die keine in GB geborenes Elternteil haben, keine britischen
Staatsbürger sind)
6
Vgl. Max Hastings, Battle for the Falklands, S. 79 ff; PAN Books; ISBN 0990 35284 9
7
Vgl. Truppendienst Heer: Ausbildung, Führung, Einsatz, 46/2007, H.2, S. 104
8
Vgl. Axel Schulz, Marineforum 6/2007, S. 35
9
Vgl. Eddy/Linklater/Gillman, Falkland-Der Krieg vor den Toren der Antarktis, S. 135
10
Vgl. Max Hastings, Battle for the Falklands, S. 105 ff; PAN Books; ISBN 0990 35284
11
Vgl. Douglas N. Hime, The United States Naval College, The 1982 Falkland-Malvinas
Case Study, Juni 2010, S. 10
12
Vgl. Theodore L. Gatchel, The United States Naval College, Operational Art and Task
force Organisation during Falkland-Malvinas Conflict, Oktober 2001, S. 21
13
Vgl. Max Hastings, Battle for the Falklands, S. 105 ff; PAN Books; ISBN 0990 35284
14
Vgl. Douglas N. Hime, The United States Naval College, The 1982 Falkland-Malvinas
Case Study, Juni 2010, S. 41
15
Vgl. Eddy/Linklater/Gillman, Falkland-Der Krieg vor den Toren der Antarktis, S. 387
16
Vgl. Axel Schulz, Marineforum 6/2007, S. 35
17
Vgl. Denise Hammick, Jane´s Navy International; 112/2007, H.5, S. 13ff; YD 8796
(Dieses sei zur Abwehr der sowjetischen Flugkörperbedrohung programmiert gewesen,
also typischerweise gegen zahlreich große, aus großer Höhe steil anfliegende Flugkörper.
Die argentinische Bedrohung bestand jedoch aus Luftfahrzeugen, die zu zweit oder zu
viert in Formation flogen)
18
Vgl. Rainer Lambrecht, Der Krieg im Südatlantik, S. 30
19
Vgl. Axel Schulz, Marineforum 6/2007, S. 36
20
vgl. Jürg Meister, Der Krieg um die Falklandinseln 1982, S. 218 (Beide Parteien ermangelten eines Frühwarnsystems in Form des AEW (Airborne Early Warning), was
insbesondere die Briten sehr behinderte, da in niedriger Höhe anfliegende feindliche
Flugzeuge von den Schiffsradaren erst relativ spät, und von den eigenen Flugzeugen eher
zufälligerweise, erfasst wurden)
21
Vgl. Eddy/Linklater/Gillman, Falkland-Der Krieg vor den Toren der Antarktis, S. 401
22
Vgl. Horst Toepfer, „Triphibik“, Gemeinsame Kampfführung zu Lande, zur See und in
der Luft; Bundeswehr, Juni 1971, H. 6, S. 405 ff
23
Vgl. http://www.geschichte.luftwaffe.de (…wurden erstmals seit Ende des II. WK wieder Überlegungen zu Art und Umfang Deutscher Streitkräfte gemacht...)
24
Vgl. Julian Thomson, in: Lawrence Freedman, The Falklands War in perspective: panel
discussion, RUSI journal, 2001, S.67
25
Ebd.
26
Ebd.
27
Vgl. Theodore L. Gatchel, The United States Naval College, Operational Art and Task
force Organisation during Falkland-Malvinas Conflict, Oktober 2001, S. 21
28
Vgl. Julian Thomson, in: Lawrence Freedman, The Falklands War in perspective: panel
discussion, RUSI journal, 2001, S.68
2
16