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Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
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Von: Imre Grimm
Weihnachten
Oh, du Feucht-Fröhliche
Karaokebar, Bowlingbahn oder Schnitzelparadies – die Weihnachtsfeier gehört in den meisten Betrieben
zur Folklore. Zeit, um in lockerer Atmosphäre mal ein bisschen Spaß zu haben. Oder sich unsterblich zu
blamieren.
mediaphotos/istockphoto
30
Millionen deutsche Arbeitnehmer lassen im Advent im Kollegenkreis in "ungezwungener Atmosphäre"
mehr oder weniger die Sau raus.
Es ist zwei Uhr morgens, die beschwipste Kollegin kichert wie ein Schulmädchen auf dem Abi-Ball, in
der Garderobe drehen sich drei schwankende Buchhalter einen Joint von der Größe eines mittleren
Torpedos. Der Zimtpunsch ist seit Stunden alle, inzwischen ist man bei Doppelkorn und Wodka Lemon.
Im Wechsel. Thorsten aus der Poststelle hat sich seiner Hose entledigt. Er tanzt eine Art Lambada zu
"Griechischer Wein" von Udo Jürgens. Willkommen auf der Weihnachtsfeier.
70 Prozent aller Firmen in Deutschland richten Weihnachtsfeiern aus. Das heißt: 30 Millionen deutsche
Arbeitnehmer lassen im Advent im Kollegenkreis in "ungezwungener Atmosphäre" mehr oder weniger
die Sau raus. Die Weihnachtsfeier gehört in den meisten Unternehmen zur Betriebsfolklore. Kaum droht
im Land der erste Schnee, tagt das Partykomitee. Bowling oder Karaoke? Schnitzelparadies oder
Fusion-Cuisine?
Längst wird nicht mehr nur in plüschigen Landgasthäusern gewichtelt. Firmen schicken ihre Leute in
Indoor-Klettergärten, auf einen Rhein-Raddampfer oder ins Stadion zum 1. FC Köln ("Sehen Sie Fußball
mit hohem Emotionsfaktor, inklusive Überraschungsbesuch eines FC-Prominenten, ab 99 Euro"), um die
Truppe zusammenzuschweißen. In Firmen mit strengem Umgangscode soll die Party einen geschützten
Raum schaffen, um sich mal locker zu machen. In Wahrheit gibt es nichts Zwanghafteres als
"ungezwungene Atmosphäre".
Zwischen Adventsgesteck und Schlachteplatte droht ein Parcours der Peinlichkeiten. Darf ich mich zu
den Alphatierchen stellen? Ist ein Minirock okay? Worüber reden wir? Darf ich die Meyer aus dem
Controlling duzen? "Es ist ein Balanceakt", sagt der Berliner Karriereberater Thomas Rübel. "Wie
vermittele ich Nähe, ohne zu viel von mir zu verraten?"
Für viele Firmenweihnachtsfeiern gilt deshalb: Bis der Chef nach Hause geht, herrscht eine Stimmung
wie auf einem nordkoreanischen Parteitag. Dann übernimmt Freund Alkohol und die kritische Phase
beginnt. Immer dran denken: Fünf Caipirinhas und sechs Glühwein sind keine gute Basis für
Gehaltsgespräche oder Kollegenschelte. Und niemand will sehen, was Sie im Bauchtanzkurs auf
Fuerteventura gelernt haben.
Großes Fettnäpfchen: der Kollegenflirt. In Umfragen für T-Mobile oder das Jobportal Monster.de wurden
Tausende Arbeitnehmer zu ihren peinlichsten Weihnachtsfeierpannen befragt. Ergebnis: 25 Prozent
küssten jemanden, den sie tags drauf lieber nicht geküsst hätten. Und zehn Prozent schickten auf dem
Nachhauseweg schwülstige Liebes-SMS an eine Kollegin. Nach der Ursache muss man nicht lange
suchen: 50 Prozent gaben an, zu viel getrunken zu haben.
In kleineren Betrieben sind es nicht selten wehrlose Auszubildende, die mit der Organisation der Feier
beauftragt werden. Andernorts nervt eine bastelwütige Kollegin schon das ganze Jahr über mit infantilen
Organisationsvorschlägen für die Sause, die dann eher einem Kindergeburtstag gleicht. Das Netz ist voll
von angeblich "gemeinschaftsfördernden" Spielchen wie "Stille Post"oder "Ich packe meinen Koffer".
Da heißt es ernsthaft, man könne im Kollegenkreis zum Beispiel "pantomimisch ein Weihnachtslied
darstellen". Das sei lustig. Der Verlierer müsse dann "laut wie ein Hahn krähen" oder "zwei Runden durch
den Saal hopsen". Das wird ein Spaß.
Legendäre Adventsanekdoten liefert vor allem der Sport: Unvergessen die Weihnachtsfeier des FC
Bayern München 1999, bei der Franz Beckenbauer seiner Sekretärin ein Andenken mitgab, das neun
Monate später auf den Namen Joel Maximilian hörte. Im Jahr darauf raunzte Beckenbauer dann Stefan
Effenberg an, weil der in Cowboystiefeln und Lederhose zur Bayern-Party erschien. "Wenn ich zu einer
Weihnachtsfeier gehe, trage ich Sakko, Hemd und Krawatte!" Effenberg reagierte patzig: "Das ist mir
scheißegal." Also denken Sie immer dran: Sie wollen auch in drei Stunden noch einen Job haben. Und
eine Ehefrau. Und Kollegen, die Sie zumindest nicht hassen.
Weihnachtsfeiern sind kein Karrieremarkt, keine Knutschparty und keine Gruppentherapie. Also fallen
Sie nicht blöd auf wie Torwart Georg Koch, der vor Jahren auf der Adventssause des Vereins Titania
Erkenschwick seine Zigarre mit einem 200-Mark-Schein anzündete und fremde Spielerfrauen anpöbelte.
Oder wie Fußballer Marco Köller, der 1990 auf der Weihnachtsfeier des MSV Duisburg Geschäftsführer
Dirk Keiper niederstreckte. Sein Vertrag wurde dann aufgelöst.
Die gute Nachricht: Weihnachtsfeiern sind betriebliche Veranstaltungen. Das heißt: Selbst wenn Sie sich
bei der "Polonaise Blankenese" die Haxen brechen, zahlt die Versicherung. Erst wenn der Chef nach
Hause geht, endet der Unfallschutz. Dann wird’s privat. Die meisten Chefs jedoch quatschen ja gern auch
mal etwas länger.
Der Morgen danach. Die Nacht war kurz. Die drei aus der Buchhaltung haben Augenringe. Das
"Schulmädchen" hat sich krankgemeldet. Man spricht nur das Nötigste. Die Kaffeemaschine wird stumm
umlagert. Mindestens drei Teilzeitpärchen gehen sich auffällig aus dem Weg. Und seit acht Uhr heißt "der
Kalle" aus der Personalabteilung auch wieder "Dr. Karlheinz Rehmeyer". Bis zum nächsten Jahr.
Auf der nächste Seite lesen Sie, wie sich die Weihnachtsfeier unbeschadet überstehen.
1. Vorsicht vor Verbrüderung
Duzen Sie nicht wild herum. Allzu schnell wird aus "Frau Schnorzenkötter-Bindermann" unter dem
Einfluss von Mojito, Weißwein und Jägermeister die "Bibi". Denken Sie daran, dass Sie dem Drachen aus
dem Chefsekretariat am Montag wieder nüchtern begegnen müssen.
2. Kleiden Sie sich geschmackssicher
Nicht jeder findet Tigerentenschlipse lustig. Und das durchsichtige Minikleid ist auch keine gute Idee.
"Bauchfrei-hirnfrei geht nicht", sagt Hans-Michael Klein, Leiter der deutschen Knigge-Akademie. "Im
Prinzip sollten Sie so aussehen wie im Büro." Bleiben Sie also kleidungstechnisch im konsensfähigen
Bereich. Es sei denn, die Weihnachtsfeier ist eine Beachparty. Aber dann sind Sie vielleicht in der
falschen Firma.
3. Keine Details, Sie Plaudertasche!
Die Verlockung mag groß sein, der Praktikantin vorzujammern, dass Sie in einer unglücklichen Ehe
feststecken, komischen Hautausschlag haben oder eigentlich Jongleur werden wollten. Lassen Sie’s.
Reden Sie über’s Wetter.
4. Werden Sie nicht körperlich
Wer bei Google nach "Weihnachtsfeier" sucht, bekommt als Treffer unter anderem "Abschleppdienst".
Das zeigt, wie groß die Neigung ist, die Party als Flirtarena misszuverstehen. Finger weg von Kolleginnen
oder Kollegen. Sie sind dienstlich hier. Punkt.
5. Bleiben Sie angezogen
Wir sind nicht am Ballermann. Außer Mantel, Schal und Mütze bleibt alles, wo es ist. Sonst sehen Sie
sich morgen mit nichts als einer Micky-Maus-Kawatte und Boxershorts bekleidet auf einem Tisch
tanzend bei YouTube wieder. Das wollen Sie nicht. Das will auch Ihr Boss nicht.
6. Halten Sie sich zurück
Pflügen Sie nicht durchs Büffet, erzählen Sie keine dreckigen Witze und machen Sie keinen Striptease.
Nicht alle finden es lustig, einem abgefüllten Kollegen mit Edding "Bier macht schön" auf die Stirn zu
schreiben. Und behaupten Sie auch im Suff nicht, dass Ihr Chef ein Arschloch ist. Selbst, wenn‘s die
Wahrheit ist. Gerichte haben eine Kündigung in solchen Fällen auch schon mal bestätigt.
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