Von der Weihnachtsfeier im Freibad, Geburtstag und anderen
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Von der Weihnachtsfeier im Freibad, Geburtstag und anderen
Von der Weihnachtsfeier im Freibad, Geburtstag und anderen Kuriositäten Liebe Familie, Freunde und Interessierte, nachdem ich nun mein erstes Weihnachten fernab der Heimat im Sommer verbracht habe, möchte ich euch gern davon berichten. Außerdem erzähle ich euch noch von unserer kleinen Weihnachtsfeier im „Color Esperanza“ und wie das Schuljahresende im Dar.Lo.Cab gefeiert wurde. 1. Das Schuljahresende im Dar.Lo.Cab In Argentinien endet das Schuljahr kurz vor Weihnachten. Danach beginnen die dreimonatigen Sommerferien. Um dies gebührend zu feiern veranstaltete die Fundación Dar.Lo.Cab am 16. Dezember ein Fest. Doch bevor die Feierlichkeiten beginnen konnten mussten wir erstmal die als Festplatz vorgesehene Wiese hinter dem Projekthaus von kiloweise Müll befreien. Da viele Menschen in den Armenvierteln das Geld für die Müllabfuhr nicht bezahlen können oder wollen werfen sie den Müll an den Straßenrand, in den Fluss und auf Freiflächen. Wenn die Müllberge irgendwann zu groß sind, werden sie angezündet, schwelen dann vor sich hin und qualmen das ganze Viertel zu. Mehrmals mussten wir schon mit den Kindern das Haus verlassen, weil man in den Räumen vor lauter Rauch kaum noch atmen konnte. Nachdem wir die Wiese zum größten Teil vom Müll befreit, Stühle aufgestellt und unserer Kollegin noch bei der Fertigstellung eines Plakats geholfen hatten, kamen mit einer Stunde Verspätung, die ersten Eltern an. Die Feier konnte beginnen. Nachdem alle mehr oder weniger sicher im Angesicht der argentinischen Fahne die Nationalhymne gesungen hatten begann das von den Kindern vorbereitete Programm. Erfahrungsbericht 4 Seite 1 San Salvador de Jujuy Die Kindergartenkinder führten eine Krippenszene auf. Die Hirten und die Könige, die in diesem Fall zu viert unterwegs waren, legten ihre Geschenke vor der Krippe nieder und sahen dann einfach nur noch niedlich aus. Die Schulkindern trugen ein Gedicht auf das Jahres- und Schuljahresende vor, welches sie zusammen mit ihrer Lehrerin geschrieben hatten. Danach wurden den Kindergartenkindern Mappen mit allem, was sie im Laufe des Jahres gemalt und gebastelt hatten überreicht. Diejenigen, die in diesem Jahr eingeschult werden, erhielten noch eine Urkunde als Erinnerung an ihre Kindergartenzeit. Die Schulkinder, die im nächsten Jahr in die „secundaria“ (im argentinischen Schulsystem die Mittelstufe von der siebten bis zur zehnten Klasse) wechseln bekamen ebenfalls ein Urkunde. Danach musizierte noch die Musikgruppe der Fundación und brachte einige Folklorelieder zum Vortrag. Zum Abschluss gab es „Pan de Navidad“ (dt.: Weihnachtsbrot, Weihnachtsgebäck das an Reformationsbrot erinnert.) und Saft für alle. ein 2. Die Weihnachtsfeier im „Color Esperanza“ Am 23. Dezember veranstalteten wir für unsere Projektkinder eine kleine Weihnachtsfeier. Bei hochsommerlichen Temperaturen von bis zu 36°C machten meine Mitfreiwilligen und ich uns Richtung dem Viertel „Alto Comedero“ auf. Die Tatsache, in kurzen Hosen und T-Shirt Weihnachten zu feiern, kam uns einfach nur viel zu komisch vor. Daher verkleideten wir uns auch dementsprechend. Viel mehr als sonst als Weiße, fielen wir damit dann auch nicht mehr auf. Im Projekt angekommen mussten wir zuerst die Kinder des Viertels zusammensuchen. Mit Unterstützung der Pünktlichen gingen wir von Haus zu Haus, sagten den Kindern Bescheid und mussten einige Eltern noch überzeugen, ihr Kinder mit uns ins Freibad gehen zu lassen. Dann ging es los. Unser Ziel war das Freibad der Organisation „Tupac Amaru“, die nicht nur gelobt wird und mit ihren zum Teil sektenartigen Strukturen von vielen Jujeños scharf kritisiert wird. Allerdings ist dieses Bad das einzige in der Nähe des Viertels. Erfahrungsbericht 4 Seite 2 San Salvador de Jujuy Als wir am Freibad ankamen war ich erst einmal sprachlos. Ich war noch nie dort und kannte es nur aus den Erzählungen der Kinder. Es war mindestens so groß wie zwei Fußballfelder, hatte sogar Rutschen und Wasserspiele. An das Freibad grenzte noch ein großer Figurenpark mit Spielgeräten in Form von Dinosauriern, mit Asadoplätzen und sehr schön gestalteten Sitzgelegenheiten an. Kaum waren wir im kostenlosen Freibad waren auch schon die ersten Kinder im Wasser. Die Aufforderung: „Profes (Lehrer) kommt auch rein!“ ließen wir uns bei diesen Temperaturen natürlich nicht zweimal sagen. Es war ein wunderbarer und ausgelassener Nachmittag. Nachdem alle wieder aus dem Wasser raus waren und sich ausreichend abgekühlt hatten, gingen wir in den Figurenpark, um unsere kleinen Geschenke zu verteilen. Bevor die Kinder diese jedoch in den Händen halten konnten, mussten sie noch mit dem „camino de papa nöel“ (dt.: Weg des Weihnachtsmanns) ein paar kleine Aufgaben lösen. Diese bestanden aus einer kleinen einfachen Rechenaufgabe, einem Zungenbrecher, den es zu bewältigen galt, einem Weihnachtslied, das sie singen mussten und einem kleinen Hindernisparcours. Die Begeisterung mit der sie den „camino“ angingen und die Freude, als sie endlich ihre Geschenktüte in den Händen hielten, waren rührend. Wir hatten ihnen aus Papier Tüten gebastelt und bemalt. Befüllt hatten wir sie mit einer Orange, einer Pflaume, einigen Süßigkeiten und für jeden noch einen Seifenblasenbecher. Dann aßen wir gemeinsam ein paar Kekse, tranken Limonade und sangen, von meinem Mitfreiwilligen Michael auf der Gitarre begleitet, Weihnachtslieder. Und schon war dieser wunderschöne Nachmittag vorbei. Erfahrungsbericht 4 Seite 3 San Salvador de Jujuy Auf dem Heimweg wurde meine Freude dann allerdings ein wenig getrübt. Als ich ein zehnjähriges Mädchen fragte, was sie sich denn vom Weihnachtsmann wünsche, sagte sie mir: „Den Weihnachtsmann gibt es doch sowieso nicht! Den gibt es doch nur für die reichen Kinder, deren Eltern es sich leisten können, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen.“ An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei den Schülern der Klassen 4a und 4b der Grundschule Pretzschendorf bedanken. Sie haben mit ihrer großen Spende diese wunderschöne Weihnachtsfeier erst möglich gemacht. Außerdem danke ich ihnen, auch im Namen der Kinder für die schönen Weihnachtsbilder, die sie für die Kinder gemalt haben und für die Weihnachtssterne, die sie gebastelt haben. 3. Heilig Abend und Geburtstag Ich bin von Haus aus ein Weihnachts- und Winterromantiker. Wenn die Tage immer kürzer werden, der erste Schnee fällt und langsam die Weihnachtsdekoration aus den Kisten vom Dachboden geholt wird, beginnt für mich die schönste Zeit des Jahres. Dementsprechend schwer war es für mich bei 40°C im Schatten in Weihnachtsstimmung zu kommen. Trotz der von zu Hause geschickten „Notfallpakete“ mit Dresdner Christstollen und Lebkuchen fühlte ich mich nach allem, nur nicht nach Weihnachten. Aber nicht nur mir ging es so. Als ich am 24. Dezember am Morgen in die Gesichter meiner Mitbewohner schaute, sah ich überall lange Gesichter. Der Satz Theresas „Ich hätte nie gedacht, dass mir Weihnachten SO sehr fehlen würde“ traf bei uns allen auf Zustimmung. Besonders die Gedanken an die Familienrituale, die nun schon im vollen Gange waren und an denen wir nun zum ersten Mal in unserem Leben nicht mit teilnehmen würden, saugten die gute Laune der Vortage auf wie ein schwarzes Loch. Angesichts der Tatsache, dass wir vier zum ersten Mal in unserer bisherigen Zeit in Argentinien an einem Tiefpunkt fühlten, konnte es eigentlich nur noch aufwärts gehen. Und das sollte es dann auch. Nachdem alle die letzten Geschenke gekauft hatten, machten wir uns zu viert auf zu meiner Gastfamilie, um zusammen mit meiner Gastmutter die Weihnachtsmesse zu besuchen. Auch wenn alle in eher sommerlichen Kleindung in der Kirche saßen, kam beim Hören der von zu Hause bekannten Erfahrungsbericht 4 Seite 4 San Salvador de Jujuy Texte und Lieder bei uns dann doch so etwas wie Weihnachtsstimmung auf. Natürlich waren in der Messe auch die lateinamerikanischen Einflüsse deutlich zu spüren. Beispielsweise wurden die Lieder nicht wie bei uns von einer Orgel begleitet sondern von Gitarren, Trommeln, Panflöten und weiteren andinen Instrumenten. Zum Schluss wurden dann noch die von zu Hause mitgebrachten Jesuskindfiguren mit Weihwasser besprengt und gesegnet. Danach machten wir uns auf den Heimweg, den ich zusammen mit meiner Mitfreiwilligen Theresa mit dem Singen von deutschen Weihnachtsliedern wie „Macht hoch die Tür“ und „Ihr Kinderlein kommet“ ausgestaltete. Theresa ging dann zusammen mit einer Freundin zu ihrer Gastfamilie, um dort Weihnachten zu feiern. Mario und ich gingen mit meiner Gastmutter zum Haus meiner Gastfamilie, wo schon meine beiden kleinsten Gastschwestern und mein Gastvater warteten. Zum Abendessen gab es Hühnchen und Schwein aus dem Ofen, Salate, Kartoffeln, Humitas (Masse aus Mais, die in Maisblätter eingewickelt gekocht wird und dann süß oder salzig gegessen wird) und Reis. Clerico war ab diesem Moment das Einzige, was wir zu trinken bekamen. Es besteht aus Fruchtsalat Fanta, viel Wein und viel Zucker. Gegen 23 Uhr setzten wir uns dann vor das Haus, tranken, redeten, erzählten wie Weihnachten in Deutschland gefeiert wird und warteten auf Mitternacht. Was dann passierte erinnerte mich an Silvester aber nicht im geringsten an Weihnachten. Pünktlich um 24 Uhr begann in der ganzen Stadt ein Geböller und Feuerwerk. Meine Familie und Mario gratulierten mir zum Geburtstag und dann ließen auch wir unser Feuerwerk vom Dach des Hauses aus steigen. Als wir vom Dach stiegen, machten wir es uns nochmal vor dem Haus gemütlich und redeten bis halb 4 weiter. Schließlich machten Mario und ich uns auf den Heimweg. Die Stimmungskurve zeigte an diesem Tag aus dem Tief am Morgen heraus steil nach oben und ich muss sagen, dass es eines der schönsten Weihnachten war, die ich bisher erlebt habe. Erfahrungsbericht 4 Seite 5 San Salvador de Jujuy Am nächsten Morgen machte ich mich 10 Uhr wieder zum Haus meiner Gastfamilie auf. Meine Gastmutter wollte mit mir in die Kirche gehen, da es in der Gemeinde Tradition ist, dass die Geburtstagskinder in der Kirche auf ihr neues Lebensjahr eingesegnet werden. Der Gottesdienst am 25. Dezember war dem vom 24. im Großen und Ganzen sehr ähnlich. Im gemeinsamen Gebet bat der Priester bereits für die „Geburtstagskinder Rodrigo und Sebastian“. Später bat er mich und das andere Geburtstagskind jedoch noch mal nach vorn und segnete uns. Ich muss ehrlich zugeben, ich finde, es ist eine sehr schöne Tradition. Allerdings war es mir auch ein wenig peinlich als Deutscher dort vorn zu stehen und alle Augen oder zumindest die Hälfte, die nicht auf meinen Geburtstagskameraden gerichtet waren, auf mich gerichtet zu wissen. Nach dem Segen wollte ich mich schon hinsetzen, wurde dann jedoch noch vom Priester zurückgehalten, der mir erklärte, dass die Gemeinde jetzt noch ein Geburtstagslied singen würde. Die Tatsache, als evangelischer Deutscher von einer katholischen argentinischen Gemeinde ein Geburtstagsständchen gesungen zu bekommen, war neben dem Feuerwerk am Heiligen Abend das Verrückteste, was mir jemals an einem Weihnachtsfest passiert ist. Wieder im Haus meiner Gastfamilie angekommen, feierte ich dann noch zusammen mit meiner ganzen Gastfamilie, meinen Mitfreiwilligen und zwei argentinischen Freunden meinen Geburtstag. 4. Jahreswechsel auf 3000m über dem Meeresspiegel Silvester wird in Jujuy ähnlich gefeiert wie Weihnachten. Man isst gemeinsam mit der Familie, lässt Raketen und Himmelslaternen stiegen, zündet Böller, trinkt viel und die Jugendlichen feiern in Diskos ab um 2 Uhr morgens ins Neue Jahr. Theresa, Mario und ich beschlossen, das lange Wochenende vom 31. Dezember bis zum 2. Januar zu nutzen, um unsere Umgebung besser kennenzulernen. Daher machten wir uns in die Stadt Humahuaca auf, die am anderen Ende der wunderschönen „Quebrada de Humahuaca“ auf 3000 Metern Höhe liegt. Dort angekommen besichtigten wir das Unabhängigkeitsdenkmal und kletterten auf ein paar Berge, um unser ganz anderes Silvester bei herrlichstem Sonnenschein und 30°C zu genießen. Erfahrungsbericht 4 Seite 6 San Salvador de Jujuy Dabei fingen wir uns alle gleich noch einen Sonnenbrand ein. Als es dunkel wurde und merklich abkühlte, gingen wir in unser Hostel zurück, um uns für den Abend zu wappnen. Nachdem wir uns kurz in ein Internetcafe gesetzt hatten, um mit unseren Eltern auf das neue Jahr anzustoßen, gingen wir in ein Restaurant, um in unseren zusätzlichen vier Stunden des Jahres 2010 etwas zu essen. Gerade als wir das Restaurant verließen, zog ein Karnevalszug vorbei. Humahuaca ist berühmt für seinen Karneval. Somit zögerten wir nicht, uns diesem lustigen Zug anzuschließen. Der Umzug bestand aus einer Blechblaskapelle mit Trommelunterstützung, einem kleinen Chor aus einer Reihe junger Frauen und junger Männer und einigen bunten Teufeln, die , zum Teil schon ziemlich betrunken, wild herumsprangen, teuflisch lachten und für Stimmung sorgten. Gegen 24 Uhr wanderten wir dann wieder zum etwas über der Stadt liegenden Denkmal zurück, um von dort aus das Feuerwerk zu genießen. Das Feuerwerk war gigantisch. Im Schatten der Andengipfel rings um uns herum war es einfach wunderschön. Am Neujahrstag fuhr ich dann noch mit Theresa zusammen nach Maimará, einem südlicher gelegenen Dorf mitten in der an dieser Stelle sehr malerischen „Quebrada de Humahuaca“. Dort begann an diesem Tag der Karneval. Typisch argentinisch ging es jedoch nicht wie vorangekündigt los, sondern erst zwei Stunden später. Daher kletterten wir noch auf einen Berg und genossen dort die Sonne und die wunderbare Aussicht. Als wir dann die erste Musik vom Dorf her zu uns hochklingen hörten, machten wir uns an den Abstieg und auf die Suche nach Theresas Gastgeschwistern, die an diesem Tag auch in So sieht es aus, wenn die Maimará feiern wollten. Nach unglaublich viel Fragen, woher Sonne senkrecht über wir „Gringos“ denn kämen - offenbar verirren sich kaum einem steht. Weiße in dieses Dorf - fanden wir sie endlich. Bei Livemusik feierten sie ausgelassen zusammen mit anderen auf einer Straße. Erfahrungsbericht 4 Seite 7 San Salvador de Jujuy Im ganzen Dorf sahen wir mehrere kegelförmige Steinhaufen, die mit Maispflanzen und Weintetrapacks geschmückt sind. Die Feiernden übergossen den Steinhaufen immer wieder mit Wein und steckten Zigaretten zwischen die Maispflanzen. Theresas Gastbruder erklärte uns dann, dass dies Teufel seien, die während der Karnevalszeit von den Leuten angebetet werden. Am Abend fuhren Theresa und ich dann sehr erschöpft aber auch sehr glücklich wieder nach Hause. Das kann nur ein schönes Jahr werden! Ein Teufelsstein Ich wünsche euch allen ein frohes und gesegnetes neues Jahr! Viele liebe Grüße aus Argentinien Von Sebastian Preißler Meine Anschrift in Jujuy: Sebastian Preissler Gral. San Martin 662 casa 6 4600 San Salvador de Jujuy Argentinien E-Mail: [email protected] Meine Endsendeorganisation: Weltweite Initiative für Soziales Engagement e.V. Beuthstraße 9 08645 Bad Elster www.weltweite-initiative.de Kontonummer: 861 1300 BLZ: 550 20 500, Bank für Sozialwirtschaft Betreff: „Spende 76053“ www.wortwechsel-weltweit.de Unsere sehr lesenswerte Freiwilligenzeitschrift. Sie enthält von den Freiwilligen zu Themen aus ihren Einsatzländern geschriebene Artikel. Erfahrungsbericht 4 Seite 8 San Salvador de Jujuy