Antrag zum Landesparteirat am 14

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Antrag zum Landesparteirat am 14
Bündnis 90/Die Grünen NRW
TOP 10.1
Antrag zum Landesparteirat am 14.09.08
Antragstellerinnen: Ute Koczy, Arndt Klocke, Monika Düker, Manuela GrochowiakSchmieding, Kai Gehring und andere
Verbot der Nazi-Jugendorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend e.V.“ jetzt!
Der Landesparteirat von Bündnis 90/Die Grünen NRW:
•
Fordert die Bundesregierung auf, den Verein „Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) –
Bund zum Schutz der Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.“ zu verbieten.
•
Fordert die Landesregierung auf, mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln ein
Verbotsverfahren zu unterstützen.
•
Äußert ihr Unverständnis darüber, dass die schwarz-gelbe Landesregierung die
„Heimattreue Deutsche Jugend“ im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht im
Verfassungsschutzbericht aufführt.
•
Unterstützt alle Gliederungen der Partei Bündnis 90/Die Grünen bei ihrem
Engagement und Kampf gegen rechtsextremistische Aktivitäten.
Begründung:
Als am 7. Mai 2008 Bundesinnenminister Schäuble das „Collegium Humanum e.V.“ mit
dessen Teilorganisationen „Bauernhilfe e.V.“ sowie den „Verein zur Rehabilitierung der
wegen des Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ verboten hat, war das ein großer Erfolg für
grüne Politik in Zusammenarbeit mit vielen Aktiven in der parlamentarischen und
außerparlamentarischen Arbeit. Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die
Grünen NRW forderte zuletzt im April 2008 einstimmig das Verbot und die Aberkennung der
Gemeinnützigkeit des „Collegium Humanum e.V“. Diese Organisation war ein
Sammelbecken für aktive Holocaustleugner und Neonazis, welche die nationalsozialistische
Gewaltherrschaft glorifizierte. Schon im Mai dieses Jahres war klar: ein Verbot der HDJ wäre
der nächste folgerichtige Schritt im Kampf gegen Rechtsextremismus. Denn im Fokus der
HDJ stehen Kinder und Jugendliche. Gerade hier ist es besonders wichtig, dass ultrarechte
Organisationsstrukturen geschwächt werden.
Die „Heimattreue Deutsche Jugend e.V.“ (HDJ) ist eine Jugendorganisation mit völkischnationalistischer Ideologie. Gegründet wurde der Verein 1990 zunächst mit dem Titel „Die
Heimattreue Jugend – Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V.“ (DHJ). Dabei handelt es
sich um eine Abspaltung aus dem Jahr 1958 gegründeten „Bund Heimattreuer Jugend“
(BHJ). Seit 2001 tritt der Verein unter der vollständigen Bezeichnung „Heimattreue Deutsche
Jugend (HDJ) – Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.“ auf. Personell wie
konzeptionell sind Kontinuitäten mit der im Jahr 1994 verbotenen „Wiking Jugend e.V.“ (WJ)
zu beobachten. So antwortete die Bundesregierung im Juni 2007 auf eine Kleine Anfrage der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag: „Im Vergleich mit der im Jahre
1994 verbotenen „Wiking Jugend e.V.“ (WJ) zeigen sich hinsichtlich der bekannt
gewordenen Aktivitäten und der Zielgruppe Parallelen. Die HDJ ist in die
rechtsextremistische Szene fest eingebunden und verfügt über entsprechende
szeneübergreifende Verbindungen zu Kameradschaften, Parteien und anderen Vereinen.“
(Bundestagsdrucksache 16/6040). Und es ist sicher kein Zufall, dass der heutige HDJ
Vorsitzende Sebastian Räbiger früher in der Wiking Jugend aktiv gewesen ist.
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Die HDJ beschreibt sich selbst in ihrem Internetauftritt als „die aktive volks- und heimattreue
Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen im Alter von 7 bis 25 Jahren“ (Zitat).
Das Konzept der HDJ zielt darauf ab, ein rechtextremistisches lebensweltliches
Freizeitangebot für die ganze Familie zu bieten. Kinder und Jugendliche sollen bereits in
jungen Jahren durch vorgeblich unpolitische Aktivitäten wie die Teilnahme an Zeltlagern,
Feriengroßfahrten, Kanu- oder Radfahrten und Lagerfeuern geködert werden. Sind die
Kinder und Jugendlichen erst einmal in die Gemeinschaft integriert, konfrontiert man sie mit
aggressiver Nazi-Ideologie. Fahnenapelle, Wehrsportübungen und Fackelmärschen bereiten
dann die spätere paramilitärische Schulung und die Nazi-Propaganda vor. Bei gemeinsamen
Veranstaltungen tragen die HDJ-Mitglieder eine uniformartige Kleidung mit militärisch
wirkenden Verbands- und Sonderabzeichen.
Die HDJ ist bundesweit aktiv und besitzt einen hohen Organisations- und Vernetzungsgrad.
Ihre Bundesgeschäftsstelle befindet sich in Berlin, die weiterführende Koordination erfolgt
über „Leitstellen“. Es existieren die „Leitstellen“ Nord in Greifswald, Mitte in Berlin, Süd in
Alzenau und West in Detmold. Im Jahre 2006 veranstaltete die HDJ im ostwestfälischen
Horn-Bad Meinberg eines ihrer Zeltlager mit knapp 100 Personen. Wie die Zeitung „Neue
Westfälische“ und das „Mindener Tageblatt“ berichteten, trugen einige Zelte an den
Eingängen Schilder mit Aufschriften wie „Führerbunker“ oder „Der Heimat und dem Volke
treu“, was auch auf Fotos dokumentiert wurde. Seitdem hat es nach Augenzeugenberichten
immer wieder solche Zeltlager gegeben, zuletzt im Raum Minden mit rund 10 Erwachsenen
und 15 Kindern. Bundesweit Schlagzeilen machte die HDJ Anfang August 2008, als eines
ihrer Zeltlager, getarnt als normales Pfadfinderlager in den Sommerferien, auf einem
Privatgelände im Kreis Güstrow von der Polizei durchsucht wurde. Laut „Welt“ fanden die
Beamten bei der Razzia von 14 Zelten Geschirrhandtücher mit Hakenkreuzen, Schriften mit
rechtsradikaler Propaganda und 50 Erwachsene und 39 Kinder vor, die „Lebensformen des
Nationalsozialismus“ praktiziert hätten.
Ein Rätsel ist, warum die HDJ bis heute Kinder und Jugendliche ohne staatliche Reaktion
indoktrinieren kann. Noch ein größeres ist, warum die HDJ im Verfassungsschutzbericht des
Landes NRW nicht auftaucht. Antwortet doch die Bundesregierung auf die Frage der grünen
Bundestagsfraktion, ob die HDJ ein „Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für
Verfassungsschutz“ ist: „Hinsichtlich der HDJ liegen tatsächliche Anhaltspunkte i. S. d. §§ 3
und 4 des Bundesverfassungsschutzes vor“. Im Klartext: die Bundesregierung sieht eine
Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch die HDJ als gegeben an.
Doch in NRW scheint das anders gesehen zu werden. In Berlin hingegen ist die HDJ fester
Bestandteil des Verfassungsschutzberichtes. Und das Schweriner Innenministerium weiß zu
berichten, dass die HDJ „gute Kontakte zum NPD Landesverband“ (Süddeutsche Zeitung
vom 18.08.2008) unterhält.
Im Juni 2008 ergriff die grüne Bundestagsfraktion erneut die Initiative und brachte einen
Antrag in das Parlament ein, der die Bundesregierung auffordert, die Voraussetzungen eines
Vereinsverbots zu überprüfen und im Falle eines positiven Bescheides die HDJ zu verbieten
(„Verbot der Nazi-Jugendorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend e.V.“ prüfen“,
Bundestagsdrucksache 16/9801).
Bei allen Verbotsforderungen, wie auch beim „Collegium Humanum“, ist uns klar:
Repressionen macht aus Nazis keine Demokraten. Prävention ist und bleibt oberstes Ziel
grüner Politik. Es gilt mehr Angebote zu schaffen, die Menschen Alternativen zur
rechtsextremen Ideologie aufzeigen. Deshalb stehen Bündnis 90/Die Grünen für eine
dauerhafte politische und finanzielle Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements
gegen Rechtsextremismus.
Aber wir wissen auch: Neonazis versuchen mit ihrer Ideologie die gesamte Gesellschaft zu
durchdringen und machen vor Kindern und Jugendlichen nicht halt. Es ist für uns nicht
hinnehmbar, dass die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verherrlicht und Kinder wie
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Jugendliche damit indoktriniert werden. Hier muss sich die Demokratie wehrhaft zeigen und
das scharfe Mittel des Verbotes einsetzen.
Das „Collegium Humanum“ und die HDJ sind nur die Spitze des braunen Eisbergs. Gerade
deswegen gilt: Schluss mit der Nazi-Jugendorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend
e.V.“!
AntragstellerInnen:
Ute Koczy (KV Lippe)
Arndt Klocke (KV Köln)
Monika Düker (KV Düsseldorf)
Manuela Grochowiak-Schmieding (KV Lippe)
Kai Gehring (KV Essen)
Stefan Engstfeld (KV Düsseldorf)
Micha Köster (KV Düsseldorf)
Sylvia Löhrmann (KV Solingen)
Burkhard Pohl (KV Lippe)
Petra Arndt (KV Lippe)
Petra Walter-Bußmann (KV Minden-Lübbecke)
Jasmin Allouch (KV Gütersloh)
Sina Arndt (KV Lippe)
Andrea Asch (KV Köln)
Maik Babenhauserheide (KV Herford)
Steffen Bäcker (KV Minden-Lübbecke)
Volker Beck (KV Köln II)
Petra Berghaus (KV Düsseldorf)
Reiner Daams (KV Solingen)
Martina Denkner (KV Höxter)
Ellen Deppermann (KV Herford)
Katja Dörner (KV Bonn)
Thomas Enzensberger (KV Lippe)
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (KV Herford)
Herbert Falke (KV Höxter)
Thorsten Gundelach (KV Höxter)
Britta Haßelmann (KV Bielefeld)
Bettina Herlitzius (KV Aachen-Land)
Detlef Höltke (KV Lippe)
Ulrich Kellmer (KV Lippe)
Dieter Koch (KV Lippe)
Ingrid Koch (KV Lippe)
Norbert Kortlüke (KV Paderborn)
Ulrike Kowalewski (KV Herford)
Elke Kuhlmann (KV Lippe)
Markus Kurth (KV Dortmund)
Werner Loke (KV Lippe)
Dagmar Ludwig (KV Lippe)
Kerstin Müller (KV Köln)
Winfried Nachtwei ( KV Münster)
Sabine Niemann (Grüne Liste Vlotho)
Sylvia Ostmann (KV Lippe)
Marcel Raschke (KV Bielefeld)
Uwe Rottermund (KV Höxter)
Ludger Roters (KV Höxter)
Doris Scheffler (KV Lippe)
Elke Schmidt-Sawatzki (KV Minden-Lübbecke)
Daniela Schneckenburger (KV Dortmund)
Ruth Seidl (KV Heinsberg)
Margret Spönemann (KV Minden-Lübbecke)
Sabine Schulz (KV Minden-Lübbecke)
Heinrich Stenau (KV Minden-Lübbecke)
Christoph Sundergeld (KV Bielefeld)
Petra Tebbe (KV Paderborn)
Robin Wagener (KV Lippe)
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