Salz: Ein Mineral mit Geschichte
Transcrição
Salz: Ein Mineral mit Geschichte
Blütezeit im Hochtal Im Salzkammergut Ein Mineral mit Geschichte Salz Die kalte Jahreszeit ist in Hallstatt hartnäckig, Schnee und Kälte halten sich hier länger als anderswo. Dennoch leben in dieser Gegend seit 7000 Jahren Menschen, angezogen von der wichtigsten Lebensader menschlicher Existenz: dem Salz, das dieser Region den Namen gegeben hat. 8 SG A P R I L 2 0 0 7 or rund 3000 Jahren, als in Ägypten Echnaton und Nofretete regierten, König David in Jerusalem herrschte, als es Rom noch nicht gab und in der Gegend von Wien Bären und Wölfe hausten, wagten sich Menschen in Hallstatt bereits an den bergmännischen Abbau von Salz, dem kostbarsten Mineral der Erde. Kulturhistorisch gesehen ist Salz von höchster Bedeutung: Die Möglichkeit, Fleisch oder Fisch mittels Salz haltbar zu machen, befreite den Menschen vom Zwang, alles sofort zu verzehren. Er konnte sesshaft werden. Über Jahrtausende hinweg war Salz ein Gut, das man mit Gold aufwog. Das „weiße Gold“ wurde zu einer der wichtigsten Triebkräfte für die wirtschaftliche Entwicklung Europas. Wann und wie der Salzabbau in Hallstatt seinen Anfang nahm, lässt sich nicht genau festlegen. Wahrscheinlich haben steinzeitliche Jäger das Wild beobachtet, wie es an Tümpeln salziges Wasser leckte. Die ältesten Funde, z. B. eine Hirschgeweih-Haue, deuten darauf hin, dass schon vor 7000 Jahren im Hallstätter Hochtal nach Salz gegraben wurde. Um 1000 vor Christus ermöglichten Werkzeuge aus Bronze erstmals in den Berg vorzudringen und Salz auch bergmännisch abzubauen. An die 300 Meter tief gruben die Bergmänner, bis sie die Salzeinschlüsse im Bergmassiv erreichten. Salz wurde zu faustgroßen Stücken zerkleinert und in Fellsäcken ans Tageslicht gebracht. Stein für Stein und unter der spärlichen Beleuchtung von Kienspänen. Hallstatt kann also mit Recht von sich behaupten, das älteste Salzbergwerk der Welt zu besitzen. V Hallstattzeit Dem Begründer der Urgeschichtsforschung in Hallstatt, Johann Georg Ramsauer, und seinen ersten Funden im Hallstätter Hochtal ist es zu verdanken, dass der schwedische Archäologe Hans Hildebrand 1874 den Begriff „Hallstattzeit“ einführte, mit dem nunmehr die keltische Kultur von 800 bis 450 v. Chr. definiert wird. Salzkammergut Unter den Habsburgern wird das Salz zur Amtssache, das Ischlland zum Gut der kaiserlichen Hofkammer und im Schriftverkehr zwischen dem Salzamt in Gmunden und der Hofkammer immer öfter als „Salzkammergut“ bezeichnet. Ein Name, der regional erweitert wird und bleibt. Älteste Pipeline der Welt Aufschwung nahm der Salzabbau erst wieder im 12. Jahrhundert, als man die Technik des Abbaus änderte. Bisher wurde das Mineral in fester Form gewonnen. Mühevoll schleppten Knappen die schweren Salzbrocken aus dem Berg, um sie dann für den Handel zu zerkleinern. Im 12. Jahrhundert kam es zu einem technologischen Fortschritt. Salz wurde nun nass abgebaut: Wasser wurde in künstliche Hohlräume im Berg geleitet, um das Salz aus dem salzhältigen Gestein zu lösen. Dabei entstand eine wässrige Salzlösung, die Sole genannt wird. Die Sole floss in kilometerlangen hölzernen Rohrleitungen aus den Stollen und wurde in die Sudhäuser im 1595: Bau der 40 km langen Soleleitung von Hallstatt nach Ebensee A P R I L 2 0 0 7 SG 9 ▲ Prähistorische Schrämmspuren im ältesten Salzbergwerk der Welt Fotos: Österreichische Salinen, TVB Inneres Salzkammergut/Janu Oben: 7000 Jahre alte Hirschgeweih-Haue Unten: Salinen-Salzlager Während der älteren Eisenzeit, zwischen dem 8. und 4. Jahrhundert vor Christus, erlebte Hallstatt eine Phase des Reichtums und der ausgedehnten Handelsbeziehungen. In den Gräbern fanden sich Bernstein von der Ostsee, Bronzegeschirr aus dem Donauraum, Glas aus Italien und Elfenbein aus Afrika. Die Funde aus dieser Zeit waren so Aufsehen erregend, dass sie einer ganzen Menschheitsepoche den Namen gaben. Ein Hangrutsch beendete die Blütezeit im Hallstätter Hochtal. Muren rissen Teile der Oberfläche mit sich und versperrten die Zugänge zum Bergwerk. In die Stollen und Schächte des Bergwerks brach Wasser ein, das Bergwerk ersoff und versandete. Die Überlebenden der Katastrophe versuchten zwar den Bergbaubetrieb wieder aufzunehmen, waren jedoch zum Scheitern verurteilt. Die Stollen waren eingebrochen, die Eingänge verschüttet. Im ersten Jahrhundert vor Christus drangen dann keltische Bergleute oberhalb des Hochtals erneut in das Salzgebirge ein, um das Salz aus dem Berg zu holen. Um Christi Geburt bereicherten sich die Römer am Salzabbau in Hallstatt, wo sie sehr aufwendig lebten. Sie bauten prächtige Villen, betrieben gewinnbringenden Handel und blieben einige hundert Jahre. Doch mit dem Zerfall des weströmischen Reiches erreichten die Wirren und Unruhen der Völkerwanderung auch das Gebiet des heutigen Salzkammergutes. Der Bergbau im Hallstätter Hochtal dürfte aber auch in den kommenden Jahrhunderten im kleinen Rahmen weitergeführt worden sein. Ab 28. April laden die Salzwelten Hallstatt wieder ein zu einer faszinierenden Reise durch die Zeit. Es gibt Führungen mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten. Ein besonderer Höhepunkt: die Sonderführung „Der Mann im Salz“. Laienschauspieler Gerhard Schilcher macht den prähistorischen Bergbau lebendig. Weitere Infos: www.salzwelten.at Salz Kosmetik Schönheitspflege auf Salzbasis 10 SG A P R I L 2 0 0 7 Schriftliche Aufzeichnungen über den Salzbergbau in Hallstatt gibt es seit dem 13. Jahrhundert. Elisabeth, Gemahlin von Albrecht I. und Schwiegertochter von Rudolf von Habsburg, kümmerte sich sehr um die Entwicklung im Bergbau. Viele Berufe entstanden rund ums Salz, der Handel war rege und gewinnbringend. Das weiße Gold wurde auf der Traun nach Gmunden befördert und von dort nach Wien, Böhmen und Mähren weitertransportiert. Der Streit um Absatzmärkte führte zu einer steigenden Rivalität zwischen den bayrischen Herzögen, dem Erzstift Salzburg und den österreichischen Landesfürsten. Zum Schutze und zur Verteidigung seiner Salzproduktion ließ Albrecht I. 1284 den „Rudolfsturm“ errichten. Ab dem 15. Jahrhundert waren landesfürstliche Salzbeamte in Gmunden für das Salzwesen verantwortlich. Sie achteten pedantisch genau darauf, dass alles seine Ordnung hatte und Dienstwege eingehalten wurden. Als die Verkehrsverbindungen zwischen Wien und dem Salzkammergut um 1800 besser wurden, verlor das Gmundner Salzamt seine Sonderstellung, 1850 wurde es aufgelöst. Durch Kriege und Krisen Ab dem 17. Jahrhundert begann in der Region eine Zeit der Unruhe: Die Reformation rüttelte an den Autoritäten von Staat und Kirche, Die Goiserer werden heute noch mit Werkzeug aus Kaisers Zeiten erzeugt. HAND WERK EIN KLEINES, ALTES HAUS MITTEN IN BAD GOISERN BEHERBERGT DIE LETZTE SCHUHWERKSTÄTTE, IN DER ECHTE GOISERER HERGESTELLT WERDEN. SCHON KAISER FRANZ JOSEPH WAR HIER KUNDE. Echte Goiserer Im Salzkammergut Kurhäuser & Salinen Mit dem Bau der Eisenbahn kam es zu einer tiefgreifenden Veränderung im Salzkammergut: Die gewonnene Sole spielte zunehmend auch in der Kuranwendung eine Rolle. Die Basis für den Tourismus im Salzkammergut war gelegt. Mit dem Kaiser kamen immer mehr Gäste nach Bad Ischl und bald war es schick, im Salzkammergut auf Sommerfrische gewesen zu sein. Im Salzbergbau brachte die Industrialisierung auch Verbesserungen der Abbaumethoden mit sich, Maschinen erleichterten nun die Arbeit im Berg. Heute wird Sole aus Hallstatt nur noch in Ebensee zu Salz verarbeitet. In einem großen Metallbehälter wird die gereinigte und vorgewärmte Sole erhitzt, das Wasser verdampft und das nasse Speisesalz kristallisiert aus. Der Salzbrei wird in Zentrifugen ausgeschleudert, getrocknet und anschließend in einer großen Halle für den Versand gelagert. Nur ein kleiner Teil wird für die Produktion von Speisesalz verwendet, der Großteil geht an Industrie und Gewerbe. Sonja Pfeisinger ergestellt werden die Goiserer heute genauso wie zu Kaisers Zeiten. Arbeitsprozesse und Techniken sind ebenso gleich geblieben wie die Materialien. Rudolf SteflitschHackl hat sein Wissen und Können von Vater und Großvater erlernt, die in der gleichen Werkstatt mit dem gleichen Werkzeug gearbeitet haben. Auch der Goiserer selbst hat sich kaum verändert. Nur handgeschmiedete Nägel werden nicht mehr verwendet, die sind zu teuer. Geändert hat sich das Umfeld: Um 1900 war das Schusterhandwerk in Goisern ein blühendes Gewerbe, heute ist Rudolf SteflitschHackl der letzte, der die Tradition aufrechterhält. Waren einst Kaiser Franz Joseph und Sisi Kunden seines Großvaters, so lassen sich heute andere Prominente hier ihre Schuhe anfertigen. Doch während Rudolf Steflitsch-Hackl stolz die zarten Leisten für Sisis Schuhe präsentiert, ist er bezüglich seiner heutigen Kundschaft diskret. Nur wer sich selbst zu seinen Schuhen bekennt, über den redet er, wie über Arnold Schwarzenegger. Der H Meister Rudolf SteflitschHackl zeigt stolz einen klassischen Goiserer. wollte unbedingt einen Goiserer, weil sein Vater einen gehabt hat, und zwar einen „echten“ von Steflitsch-Hackl. Ein Sänger ist diesem Markennamen ebenfalls sehr verbunden, schließlich nennt er sich Hubert von Goisern. Sein Großvater war übrigens Schuster in der Werkstatt von Rudolf Steflitsch-Hackl. Erfinder des Goiserers Erfunden haben soll den Goiserer der Legende nach der Goiserer Schuster und Bergführer Franz Neubacher: Der soll einmal bei einer Bergwanderung in eine Doline gefallen sein – sein steifes und rutschendes Schuhwerk erschwerte dann seine Rettung. Also hat er den geschmeidigen Goiserer mit Eisennägeln an der Sohle erfunden. Zwölf bis 15 Monate dauert die Anfertigung der Goiserer vom Anmessen bis zur Auslieferung. Was gar nicht so lange ist, wenn man bedenkt, ▲ Genau recherchierte sowie detailliert und spannend beschriebene gesamtösterreichische Salzgeschichte zu finden in: Alfred Komarek, ÖSTERREICH MIT EINER PRISE SALZ, BUCHTIPP Kremayr & Scheriau, 192 Seiten, E 27,70 Fest in Habsburger Hand Hunger, Erdbeben, Feuer, Ruhr und Pest wüteten im Land. Die Türkenkriege und die Kriege gegen Frankreich verschlimmerten die Finanzlage Österreichs. Auch das Salzamt war von den schweren Zeiten beeinträchtigt und konnte teilweise nicht einmal mehr die Löhne an die Arbeiter auszahlen. Knappen stießen hin und wieder im Berg auf Spuren vergangener Zeiten, ohne diesen Funden große Bedeutung beizumessen. So wurde 1734 eine in Salz konservierte Leiche entdeckt. Sehr zum Bedauern der heutigen Forschung ließ man den heidnischen Zeugen der Vorgeschichte schnell und ohne viel Aufhebens begraben. Der wahrscheinlich bei einer prähistorischen Bergkatastrophe verunglückte Bergmann ging später als „Mann im Salz“ in die Hallstätter Geschichte ein. Fotos: Maria Gornikiewicz Der wehrhafte Rudolfsturm dient heute als Raststätte für Ausflügler. Tal geleitet. Dort wurde die Sole in zehn Mal zehn Meter großen Sudpfannen so lange erhitzt, bis das Wasser verdampfte und Kochsalz übrig blieb. 1595 kam es zu einer weiteren technologischen Großtat: Eine Soleleitung wurde vom Bergwerk in Hallstatt zur neuen Saline nach Ebensee verlegt; dafür wurden 13.000 durchbohrte Baumstämme benötigt. Mit über 40 Kilometer Länge ist die Soleleitung die älteste Pipeline der Welt, der heute ein idyllischer Wanderweg folgt. A P R I L 2 0 0 7 SG 11