Salz: Ein Mineral mit Geschichte

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Salz: Ein Mineral mit Geschichte
Blütezeit im Hochtal
Im Salzkammergut
Ein Mineral mit Geschichte
Salz
Die kalte Jahreszeit ist in Hallstatt hartnäckig, Schnee und Kälte halten sich hier
länger als anderswo. Dennoch leben in dieser
Gegend seit 7000 Jahren Menschen, angezogen
von der wichtigsten Lebensader menschlicher
Existenz: dem Salz, das dieser Region den
Namen gegeben hat.
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or rund 3000 Jahren,
als in Ägypten Echnaton und Nofretete regierten, König David
in Jerusalem herrschte, als es Rom noch nicht gab und in
der Gegend von Wien Bären und
Wölfe hausten, wagten sich Menschen in Hallstatt bereits an den
bergmännischen Abbau von Salz,
dem kostbarsten Mineral der Erde.
Kulturhistorisch gesehen ist Salz
von höchster Bedeutung: Die Möglichkeit, Fleisch oder Fisch mittels
Salz haltbar zu machen, befreite
den Menschen vom Zwang, alles
sofort zu verzehren. Er konnte sesshaft werden. Über Jahrtausende hinweg war Salz ein Gut, das man mit
Gold aufwog. Das „weiße Gold“
wurde zu einer der wichtigsten
Triebkräfte für die wirtschaftliche
Entwicklung Europas.
Wann und wie der Salzabbau in
Hallstatt seinen Anfang nahm, lässt
sich nicht genau festlegen. Wahrscheinlich haben steinzeitliche Jäger das Wild beobachtet, wie es an
Tümpeln salziges Wasser leckte. Die
ältesten Funde, z. B. eine Hirschgeweih-Haue, deuten darauf hin, dass
schon vor 7000 Jahren im Hallstätter Hochtal nach Salz gegraben wurde. Um 1000 vor Christus ermöglichten Werkzeuge aus Bronze erstmals in den Berg vorzudringen und
Salz auch bergmännisch abzubauen. An die 300 Meter tief gruben die
Bergmänner, bis sie die Salzeinschlüsse im Bergmassiv erreichten.
Salz wurde zu faustgroßen Stücken
zerkleinert und in Fellsäcken ans
Tageslicht gebracht. Stein für Stein
und unter der spärlichen Beleuchtung von Kienspänen. Hallstatt
kann also mit Recht von sich behaupten, das älteste Salzbergwerk
der Welt zu besitzen.
V
Hallstattzeit
Dem Begründer der Urgeschichtsforschung in Hallstatt, Johann Georg
Ramsauer, und seinen ersten Funden
im Hallstätter Hochtal ist es zu verdanken, dass der schwedische Archäologe
Hans Hildebrand 1874 den Begriff
„Hallstattzeit“ einführte, mit dem
nunmehr die keltische Kultur von 800
bis 450 v. Chr. definiert wird.
Salzkammergut
Unter den Habsburgern wird das Salz
zur Amtssache, das Ischlland zum Gut
der kaiserlichen Hofkammer und
im Schriftverkehr zwischen dem Salzamt in Gmunden und der Hofkammer
immer öfter als „Salzkammergut“
bezeichnet. Ein Name, der regional
erweitert wird und bleibt.
Älteste Pipeline der Welt
Aufschwung nahm der Salzabbau erst wieder im 12. Jahrhundert,
als man die Technik des Abbaus änderte. Bisher wurde das Mineral in
fester Form gewonnen. Mühevoll
schleppten Knappen die schweren
Salzbrocken aus dem Berg, um sie
dann für den Handel zu zerkleinern. Im 12. Jahrhundert kam es zu
einem technologischen Fortschritt.
Salz wurde nun nass abgebaut: Wasser wurde in künstliche Hohlräume
im Berg geleitet, um das Salz aus
dem salzhältigen Gestein zu lösen.
Dabei entstand eine wässrige Salzlösung, die Sole genannt wird. Die
Sole floss in kilometerlangen hölzernen Rohrleitungen aus den Stollen und wurde in die Sudhäuser im
1595: Bau der 40 km langen Soleleitung von Hallstatt nach Ebensee
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Prähistorische
Schrämmspuren im
ältesten Salzbergwerk
der Welt
Fotos: Österreichische Salinen, TVB Inneres Salzkammergut/Janu
Oben: 7000 Jahre alte
Hirschgeweih-Haue
Unten: Salinen-Salzlager
Während der älteren Eisenzeit,
zwischen dem 8. und 4. Jahrhundert vor Christus, erlebte Hallstatt
eine Phase des Reichtums und der
ausgedehnten Handelsbeziehungen.
In den Gräbern fanden sich Bernstein von der Ostsee, Bronzegeschirr aus dem Donauraum, Glas
aus Italien und Elfenbein aus Afrika. Die Funde aus dieser Zeit waren
so Aufsehen erregend, dass sie einer
ganzen Menschheitsepoche den
Namen gaben.
Ein Hangrutsch beendete die Blütezeit im Hallstätter Hochtal. Muren
rissen Teile der Oberfläche mit sich
und versperrten die Zugänge zum
Bergwerk. In die Stollen und
Schächte des Bergwerks brach Wasser ein, das Bergwerk ersoff und
versandete. Die Überlebenden der
Katastrophe versuchten zwar den
Bergbaubetrieb wieder aufzunehmen, waren jedoch zum Scheitern
verurteilt. Die Stollen waren eingebrochen, die Eingänge verschüttet.
Im ersten Jahrhundert vor Christus drangen dann keltische Bergleute oberhalb des Hochtals erneut in
das Salzgebirge ein, um das Salz aus
dem Berg zu holen. Um Christi Geburt bereicherten sich die Römer
am Salzabbau in Hallstatt, wo sie
sehr aufwendig lebten. Sie bauten
prächtige Villen, betrieben gewinnbringenden Handel und blieben einige hundert Jahre. Doch mit dem
Zerfall des weströmischen Reiches
erreichten die Wirren und Unruhen
der Völkerwanderung auch das Gebiet des heutigen Salzkammergutes.
Der Bergbau im Hallstätter Hochtal
dürfte aber auch in den kommenden Jahrhunderten im kleinen Rahmen weitergeführt worden sein.
Ab 28. April laden die Salzwelten Hallstatt wieder ein zu einer
faszinierenden Reise durch die
Zeit. Es gibt Führungen mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten. Ein besonderer Höhepunkt: die Sonderführung „Der
Mann im Salz“. Laienschauspieler
Gerhard Schilcher macht den
prähistorischen Bergbau lebendig.
Weitere Infos: www.salzwelten.at
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Schriftliche
Aufzeichnungen
über den Salzbergbau in Hallstatt
gibt es seit dem 13. Jahrhundert. Elisabeth, Gemahlin von Albrecht I.
und Schwiegertochter von Rudolf
von Habsburg, kümmerte sich sehr
um die Entwicklung im Bergbau.
Viele Berufe entstanden rund ums
Salz, der Handel war rege und gewinnbringend. Das weiße Gold wurde auf der Traun nach Gmunden befördert und von dort nach Wien,
Böhmen und Mähren weitertransportiert. Der Streit um Absatzmärkte führte zu einer steigenden Rivalität zwischen den bayrischen Herzögen, dem Erzstift Salzburg und
den österreichischen Landesfürsten.
Zum Schutze und zur Verteidigung
seiner Salzproduktion ließ Albrecht I.
1284 den „Rudolfsturm“ errichten.
Ab dem 15. Jahrhundert waren
landesfürstliche Salzbeamte in
Gmunden für das Salzwesen verantwortlich. Sie achteten pedantisch
genau darauf, dass alles seine Ordnung hatte und Dienstwege eingehalten wurden. Als die Verkehrsverbindungen zwischen Wien und dem
Salzkammergut um 1800 besser
wurden, verlor das Gmundner Salzamt seine Sonderstellung, 1850
wurde es aufgelöst.
Durch Kriege und Krisen
Ab dem 17. Jahrhundert begann
in der Region eine Zeit der Unruhe:
Die Reformation rüttelte an den
Autoritäten von Staat und Kirche,
Die Goiserer
werden heute
noch mit Werkzeug aus Kaisers Zeiten
erzeugt.
HAND
WERK
EIN KLEINES, ALTES HAUS MITTEN IN BAD GOISERN
BEHERBERGT DIE LETZTE SCHUHWERKSTÄTTE, IN
DER ECHTE GOISERER HERGESTELLT WERDEN. SCHON
KAISER FRANZ JOSEPH WAR HIER KUNDE.
Echte Goiserer
Im Salzkammergut
Kurhäuser & Salinen
Mit dem Bau der Eisenbahn kam
es zu einer tiefgreifenden Veränderung im Salzkammergut: Die gewonnene Sole spielte zunehmend
auch in der Kuranwendung eine
Rolle. Die Basis für den Tourismus
im Salzkammergut war gelegt. Mit
dem Kaiser kamen immer mehr
Gäste nach Bad Ischl und bald war
es schick, im Salzkammergut auf
Sommerfrische gewesen zu sein.
Im Salzbergbau brachte die Industrialisierung auch Verbesserungen der Abbaumethoden mit sich,
Maschinen erleichterten nun die
Arbeit im Berg.
Heute wird Sole aus Hallstatt nur
noch in Ebensee zu Salz verarbeitet.
In einem großen Metallbehälter
wird die gereinigte und vorgewärmte Sole erhitzt, das Wasser verdampft und das nasse Speisesalz
kristallisiert aus. Der Salzbrei wird
in Zentrifugen ausgeschleudert, getrocknet und anschließend in einer
großen Halle für den Versand gelagert. Nur ein kleiner Teil wird für
die Produktion von Speisesalz verwendet, der Großteil geht an Industrie und Gewerbe.
Sonja Pfeisinger
ergestellt werden die
Goiserer heute genauso
wie zu Kaisers Zeiten.
Arbeitsprozesse und Techniken
sind ebenso gleich geblieben wie
die Materialien. Rudolf SteflitschHackl hat sein Wissen und Können
von Vater und Großvater erlernt,
die in der gleichen Werkstatt mit
dem gleichen Werkzeug gearbeitet
haben. Auch der Goiserer selbst hat
sich kaum verändert. Nur handgeschmiedete Nägel werden nicht
mehr verwendet, die sind zu teuer.
Geändert hat sich das Umfeld:
Um 1900 war das Schusterhandwerk in Goisern ein blühendes Gewerbe, heute ist Rudolf SteflitschHackl der letzte, der die Tradition
aufrechterhält. Waren einst Kaiser
Franz Joseph und Sisi Kunden seines Großvaters, so lassen sich heute andere Prominente hier ihre
Schuhe anfertigen. Doch während
Rudolf Steflitsch-Hackl stolz die
zarten Leisten für Sisis Schuhe
präsentiert, ist er bezüglich seiner
heutigen Kundschaft diskret. Nur
wer sich selbst zu seinen Schuhen
bekennt, über den redet er, wie
über Arnold Schwarzenegger. Der
H
Meister Rudolf SteflitschHackl zeigt stolz einen
klassischen Goiserer.
wollte unbedingt einen Goiserer,
weil sein Vater einen gehabt hat,
und zwar einen „echten“ von Steflitsch-Hackl. Ein Sänger ist diesem Markennamen ebenfalls sehr
verbunden, schließlich nennt er
sich Hubert von Goisern. Sein
Großvater war übrigens Schuster in
der Werkstatt von Rudolf Steflitsch-Hackl.
Erfinder des Goiserers
Erfunden haben soll den Goiserer der Legende nach der Goiserer
Schuster und Bergführer Franz
Neubacher: Der soll einmal bei einer Bergwanderung in eine Doline
gefallen sein – sein steifes und rutschendes Schuhwerk erschwerte
dann seine Rettung. Also hat er den
geschmeidigen Goiserer mit Eisennägeln an
der Sohle erfunden.
Zwölf bis 15 Monate dauert die Anfertigung der Goiserer vom
Anmessen bis zur
Auslieferung. Was gar
nicht so lange ist,
wenn man bedenkt,
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Genau recherchierte
sowie detailliert und
spannend beschriebene
gesamtösterreichische
Salzgeschichte zu finden
in: Alfred Komarek,
ÖSTERREICH MIT
EINER PRISE SALZ,
BUCHTIPP Kremayr & Scheriau,
192 Seiten, E 27,70
Fest in Habsburger Hand
Hunger, Erdbeben, Feuer, Ruhr und
Pest wüteten im Land. Die Türkenkriege und die Kriege gegen Frankreich verschlimmerten die Finanzlage Österreichs. Auch das Salzamt
war von den schweren Zeiten beeinträchtigt und konnte teilweise
nicht einmal mehr die Löhne an die
Arbeiter auszahlen.
Knappen stießen hin und wieder
im Berg auf Spuren vergangener
Zeiten, ohne diesen Funden große
Bedeutung beizumessen. So wurde
1734 eine in Salz konservierte Leiche entdeckt. Sehr zum Bedauern
der heutigen Forschung ließ man
den heidnischen Zeugen der Vorgeschichte schnell und ohne viel Aufhebens begraben. Der wahrscheinlich bei einer prähistorischen Bergkatastrophe verunglückte Bergmann
ging später als „Mann im Salz“ in
die Hallstätter Geschichte ein.
Fotos: Maria Gornikiewicz
Der wehrhafte Rudolfsturm dient
heute als Raststätte für Ausflügler.
Tal geleitet. Dort wurde die Sole in
zehn Mal zehn Meter großen Sudpfannen so lange erhitzt, bis das
Wasser verdampfte und Kochsalz
übrig blieb. 1595 kam es zu einer
weiteren technologischen Großtat:
Eine Soleleitung wurde vom Bergwerk in Hallstatt zur neuen Saline
nach Ebensee verlegt; dafür wurden
13.000 durchbohrte Baumstämme
benötigt. Mit über 40 Kilometer
Länge ist die Soleleitung die älteste
Pipeline der Welt, der heute ein
idyllischer Wanderweg folgt.
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