Erfahrungsbericht Exchange Office

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Erfahrungsbericht Exchange Office
Erfahrungsbericht - Hanken School of Economics, Vaasa - Laura Hinz
!
Praktikum oder Auslandssemster? Für mich stand ziemlich schnell fest: Auslandssemester
und zwar in Skandinavien. Von dem wo, wie, was hatte ich keine genauen Vorstellungen.
Ich wollte es auf mich zukommen lassen und Skandinavien mit allem drum und dran
erleben.
Nach meiner Bewerbung an 3 skandinavischen Universitäten, bekam ich die Zusage für
die Hanken School of Economics in Vaasa. Eine schwedische Handelshochschule in
Finnland, 400 km nordwestlich von
Helsinki. Neben mir bekam noch eine
Kommilitonin die Zusage für die
Universität im hohen Norden
Finnlands. Da zwei mitdenkende
Köpfe bekannterweise weniger
Deadlines verpassen als einer und
uns 4 Monate kaltes, dunkles Finnland
bevorstanden, schlossen wir uns
zusammen, um uns gemeinsam durch
eine große Anzahl an Dokumenten,
Fristabgaben und weiteren Dingen zu
schlagen, die bei einem
Auslandssemester zu beachten sind. So stand als Erstes eine „Online Application for
Acceptance“ an der Partneruniversität an, bei der nach dem Lebenslauf, einem
Motivationsschreiben, dem Notenspiegel, Foto und Sprachnachweis (Englisch) gefragt
wurde. Nach Erhalt des „Letter of Acceptance“ standen die Überweisung der Student Fee,
User Agreements, Fächerwahl und Hochlanden des Learning Agreements auf dem Plan.
Dies war recht unkompliziert, da man immer einen guten Überblick über den Verlauf und
die kommenden Schritte hatte.
Für die RWTH und Erasmus mussten folgende Dinge erledigt werden: Eine Registrierung
in der Erasmus-Datenbank, stellen eines Antrags auf Prüfungsänderung, Erstellung des
Learning Agreements etc. Bezüglich des Antrags auf Prüfungsänderung lässt sich sagen,
das hier die potenziell belegten Kurse an der Partneruniversität mit Modulbeschreibung
dem Prüfungsausschuss vorgelegt werden mussten, wo dann geprüft wurde, ob und mit
wie vielen Credits die Kurse aus dem Ausland angerechnet werden können. Dies
bekommt man schriftlich bestätigt, sodass eine Sicherheit besteht, dass die später im
Ausland abgelegten Kurse auch anerkannt werden. Da es sich bei mir um
Wahlpflichtmodule handelte, war dies unproblematisch. Eine größere Hürde stellte jedoch
das Learning Agreement dar: Da die Fächer der Partneruniversität erst sehr spät
einsehbar waren und sich nochmals änderten, zudem die zugeschickten Logindaten von
der Partneruniversität mit den Zugangsdaten zur Fächerauswahl zeitweise irgendwo an
der RWTH verschollen waren, kam es hier zu Verzögerungen. Es hat dann doch noch
alles geklappt, sodass dem Abenteuer Auslandssemester eigentlich nichts mehr im Wege
stand.
Was neben den formalen Dingen natürlich auch noch zur Vorbereitung dazu gehört, ist die
Flugbuchung und das Kümmern um eine Unterkunft. Sei es WG oder Wohnung. In Vaasa
gibt es ein Wohnungsvermittlungssystem „Voas“ bei dem man sich mit ein paar Daten und
seinen Wünschen online anmelden kann und dann ein Angebot für ein Zimmer in einem
der Wohnheim-WGs bekommt. Leider klappte dies bei uns zwei Aachenern nicht so gut,
sodass ein paar Tage vor Unibeginn immer noch keine Wohnung oder ein Zimmer in
Aussicht stand. Obwohl meine Eltern schon scherzten, ich sollte doch ein Zelt mitnehmen,
war ich guter Dinge das man irgendwie, irgendwo, über irgendjemanden schon etwas
finden würde. Nach dem Durchstöbern von zig Internetseiten, immer mit dem Problem
konfrontiert, dass man kein Finnisch versteht, kam am Freitag vor Unibeginn doch noch
ein Angebot von Voas für ein Apartment. Allerdings unmöbliert. Meine Kommilitonin und
ich dachten: besser als nichts und unterschrieben. Wie wir nachher feststellten, waren wir
die Ausnahme. Alle anderen der Hanken Exchanges hatten ganz unproblematisch schon
Wochen vorher ein Angebot für eine Unterkunft erhalten. Also, keine Sorge ;)
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In Finnland angekommen und nach zwei Tagen Stadtbesichtigung in Helsinki ging es dann
am Wochenende vor Unibeginn mit dem Zug nach Vaasa. Am Bahnhof oder Flughafen
Vaasas wurden wir Exchanges von einem der beiden Tutoren abgeholt und ins Wohnheim
oder in die Unterkunft gebracht. Meine Kommilitonin und ich teilten uns ein Hotelzimmer
mit zwei anderen Austauschstudenten für die ersten beiden Nächte bis wir ins Wohnheim
konnten. So und durch ein Abendessen mit weiteren bereits eingetroffenen
Austauschstudenten lernte man sich vorab ein bisschen kennen. Am nächsten Abend gab
es aber dann auch noch einen offiziellen, von den Tutoren organisierten, Abend. Am
Montag startete die Uni mit zwei Einführungstagen, an denen verschiedene Dinge erklärt
wurden. Natürlich durfte auch hier die Erstsemester-Ralley durch die Stadt nicht fehlen, an
dem alle Exchanges und die Freshmans von der Hanken gemeinsam teilnahmen.
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Die Hanken School of Economics hat einen Campus in Helsinki und in Vaasa. Der
Campus in Vaasa liegt unmittelbar im Stadtzentrum und ist mit 500 Studenten relativ klein
und übersichtlich für einen RWTH Studenten. Bei der Hanken handelt es sich um eine
schwedisch-sprachige Handelshochschule in Finnland. So wird in der Universität
schwedisch und englisch gesprochen.
Der Unterschied zwischen der RWTH und der Hanken ist jedoch nicht nur in der Anzahl
der Studenten, sondern auch im Lehrsystem zu sehen. An der Hanken gibt es in einem
Semester zunächst einmal zwei Terms, in dem man jeweils unterschiedliche Fächer
beleget. Am Ende eines jeden Terms gibt es eine Klausurwoche. Jedoch gibt es
unterschiedliche Kurssysteme, sodass nicht immer eine Klausur am Ende folgt. Die
Klausuren waren für eine RWTH-Studenten zeitlich sehr entspannt, da man für eine
Klausur immer 4 Stunden Zeit hat, die Klausur aber nicht darauf ausgerichtet ist.
Generell sind die Kurse viel kleiner als an der RWTH, sodass man von KlassenraumGröße sprechen kann. Es wird komplett anders in Finnland unterrichtet, als wir das aus
Deutschland kennen und erinnert ein bisschen an die Gymnasialzeit.
Sehr beliebt und fast in jedem Kurs gibt es Group Assignments und eine zugehörige
Präsentation. „Class Activity“ und manchmal auch Anwesenheitspflicht ist nicht unüblich.
Insgesamt ist der Unterricht viel praxisorientierter.
Die Auswahl der englischsprachigen Kurse war für ein Semester in Ordnung. So gibt es
aus den verschiedene Bereichen wie Recht, HR, Marketing usw. genug
Auswahlmöglichkeiten. Die Wahl der Kurse war vor Ort flexibel. Nur sollte man auch
immer die Anerkennung in Deutschland im Hinterkopf behalten.
Zudem ist es möglich Sprachkurse, wie zum Beispiel Schwedisch, zu belegen.
Die Professoren und Koordinatoren waren sehr nett, hilfsbereit und bei Fragen konnte
man die Professoren jederzeit - mit Vornamen - ansprechen.
Insgesamt muss ich sagen, war es sehr interessant an der Hanken, im Vergleich zur
RWTH, ein komplett anderes Lehrsystem kennen zu lernen, wobei jedes System seine
Vor- und Nachteile hat.
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Die Hanken hat eine kleine Mensa in der man eine ausgewogene Mahlzeit bekommt. Wie
in jeder anderen Mensa ist es auch hier so: Mal schmeckt es besser, mal nicht so gut.
Um seiner Arbeit nachzugehen gibt es in der Hanken einen Leseraum und ein paar andere
Räume, in denen man lernen kann. Um Literaturmaterial zu erhalten ist die „Tritonia“ - eine
sehr schöne Bibliothek - Anlaufstelle. Diese ist für alle Studenten Vaasas frei zugänglich.
Sie liegt mit dem Fahrrad 10 Minuten von der Hanken entfernt. Dort kann man mit Ausweis
die Bücher recherchieren, ausleihen und auch problemlos online vormerken lassen, falls
das ein oder andere Buch nicht sofort griffbereit zur Verfügung steht. Zudem gibt es hier
ausreichend Plätze zum Lernen (sogar mit Blick aufs Wasser) und man kann gut
ausgestattete Gruppenräume für Teamarbeiten und Besprechungen reservieren. Um eine
Pause zu machen, befindet sich im Erdgeschoss ein gutes, kleines Bistro.
Das Sportangebot an der Hanken ist indirekt gegeben. Es besteht die Möglichkeit, sich bei
Kursangeboten der Vaasa University anzumelden und sich so umzuschauen. Ansonsten
gibt es eine Hanken Sports Gruppe, in
der man sich über Social Media zum
Sport verabredet.
Die Universität hat eine Student Union,
die sich um verschiedene Dinge
kümmert. Sie steht immer und gerne
behilflich zur Seite. Sie ist für die ein
oder andere Veranstaltung zuständig
wie zum Beispiel einem „Sitz“. Hierbei
handelt sich es um eine Party im
Sitzen. Dort sitzen alle gemischt an
langen Tischen, zwei Studenten führen
durch den Abend und es werden
verschiedene Lieder aus dem
Songbook gesungen und im Anschluss angestoßen. Natürlich gibt es noch weitere
Regeln, wie zum Beispiel, dass man während der Veranstaltung seinen Platz nicht
verlassen darf. Dies waren immer sehr lustige Abende und eine gute Möglichkeit andere
Finnen kennen zu lernen. Die Partys im Sitzen sind traditionell und finden an Universitäten
in Vaasa, Finnland und sogar in Schweden statt. Wir Exchanges waren dort immer
herzlich willkommen. Auch nahmen ein paar von uns an dem Erstsemester-Wochende teil,
wo es dann zwei von den Sitz gab.
Für die Sitz und andere Events bzw. Partys hat die Hanken eine eigene Bar/Disco in der
Stadt, den „Cella“, der von Studenten geführt wird.
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Bezüglich der Studentenwohnheime waren wir Hanken Exchanges auf Olympia, Kalliola
und Suviboxi aufgeteilt. Das Wohnheim Olympia liegt direkt in der Stadt, Kalliola und
Suviboxi 4km außerhalb. Ich habe in Suviboxi gewohnt und war dort sehr zufrieden. Die
Wohnung war ordentlich, sauber und schön. Mit zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer,
Küche, Diele und Bad war auch ausreichend Platz für uns zwei Aachener vorhanden. Da
die Wohnung, wie bereits erwähnt unmöbliert war, war die Freude über eingebaute
Kleiderschränke in den Zimmern und einer schönen Küche, groß. Die WG-Zimmer sind in
der Regel mit einem Bett, Schreibtisch, zwei Stühlen, Kleiderschrank, einem Regal und
Lampen ausgestattet. Jedoch müssen Dinge wie Küchenartikel, Vorhänge und
Bettutensilien bei der Ankunft besorgt werden. Diese ließen sich überwiegend nach und
nach in den zahlreichen Second Hand Shops, unteranderem einem direkt gegenüber des
Wohnheims liegenden - sehr praktisch - zusammen sammeln. Dabei muss man
anmerken, dass Second Hand Shops in Finnland deutlich verbreiteter, beliebter und
nachgefragter sind als in Deutschland. Auch bietet die Hanken „Survival Kits“ an, in denen
für den Anfang ein Teller, Besteck, Topf und auch eine Pfanne sind. Bei unserer Ankunft
war eine geringe Stückzahl vorhanden. Wir Austauschstudenten haben unseren Hausrat
der Universität nach unserem Aufenthalt zur Verfügung gestellt, sodass dort inzwischen
ein bisschen mehr zusammen gekommen sein dürfte.
Zudem war die Anschaffung eines Fahrrades unumgänglich, um die Strecke zwischen
dem Zentrum Vaasas und dem neuen Zuhause, flexibler und einfacher bewältigen zu
können. Auch unter den Umständen, dass die Busse sehr selten fahren. Mein „Klapper“
Fahrrad habe ich, wie alle anderen Austauschstudenten auch, bei einem Fahrradhändler
gebraucht gekauft, für den die Semesteranfangszeit wie Weihnachten sein muss. An das
Fahrradfahren gewöhnt man sich rasch und der Vorteil auch bei eisigen Temperaturen: so
schnell wird einem nicht kalt.
Auch wenn man immer ein bisschen in die Stadt radeln muss, ist es im Wohnheim
Suviboxi sehr schön und ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Ich hatte nette Nachbarn
und in der Nähe ist direkt der Bottnische Meerbusen, wo man schön am Wasser entlang
spazieren kann.
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Für ein WG-Zimmer zahlt man ungefähr 240 Euro. Dafür sind die Lebensmittel in Finnland
wesentlich teurer als in Deutschland. In der City von Vaasa gibt es aber auch einen Lidl,
der preislich unter den beiden größten Supermarktketten Finnlands liegt, sodass es sich
lohnt dort ab und zu mal vorbei zu schauen.
Wenn ihr finanzmäßig auf das Erasmusgeld spekulieren solltet, müsst ihr euch ein
bisschen gedulden. Dies hat bei uns etwas gedauert, sodass ihr nicht von Anfang an fest
mit dem Geld zur Finanzierung des Auslandssemesters rechnen solltet.
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So ein richtiger Alltag während meiner Zeit in Finnland
pendelte sich nicht ein, da die Kurszeiten meist variierten
und es mal mehr oder weniger für die Uni zu tun gab. Es gab
immer genügend und abwechslungsreiche Möglichkeiten der
Freizeitgestaltung in Vaasa. So war es Mitte September
noch möglich, den ein oder anderen Nachmittag an einem
kleinen Strand in der Nähe des Wohnheims zu verbringen
(und natürlich auch eine Runde schwimmen zu gehen) und
verschiedene Fahrradtouren zu machen, wurde das
Fahrradfahren mit voranschreitender Kälte teilweise zur
Rutschpartie und die Saunagänge beliebter. Immer gut war der Besuch eines kleinen,
süßen Cafés in Vaasa („Sweet Vaasa“) oder das Anfeuern der Ice-Hockey-Mannschaft.
Natürlich war es nicht nur möglich Sport zu schauen, sondern auch aktiv zu betreiben. So
verabredete man sich zum Badminton, Bowlen, einem Floorballspiel mit den Nachbarn
aus dem Wohnheim und natürlich war der regelmäßige Besuch im Ladys Gym auch eine
willkommene Abwechslung.
Bezüglich des Abendprogramms bietet Vaasa die ein oder andere Möglichkeit, sodass die
Dienstage meist im „Olivers Inn“ verbracht wurden und es Samstags in den größten Club
Vaasas, ins „Fontana“ ging.
Natürlich gehört auch Reisen zu einem Auslandssemester dazu, wenn sich die Möglichkeit
ergibt. So ging es für ein paar Tage nach Riga und Tallinn - zwei wunderschöne Städte.
Der Ausflug nach Lappland inklusive HuskySafari, Eisschwimmen, Showmobil fahren,
Skifahren und weiteren Aktivitäten war einfach
unbeschreiblich. Auch St.Petersburg ist auf
jeden Fall eine Reise wert und von Helsinki aus
sehr unkompliziert zu erreichen, welche als
Finnlands Hauptstadt auch besichtigt werden
sollte.
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Zum Abschluss lässt sich sagen, dass die
anderen Austauschstudenten an der Hanken
klasse waren, wir eine Menge Spaß zusammen hatten und immer eine große Truppe
waren, egal ob beim Feiern oder auf Reisen. Obwohl dabei anzumerken ist, dass die
Deutschen dann wohl doch immer und überall in der Überzahl sind. Was der Sache an
sich aber keinen Abbruch tut. Vaasa ist eine kleine Stadt, aber es gab immer genügend zu
tun und langweilig wurde es einem nicht. Zudem ist es mal etwas ausgefalleneres, sein
Auslandssemester im hohen Norden zu verbringen als Spanien oder Amerika.
Immer wenn Andere von ihrem Auslandssemester erzählten und sagten, es wäre so super
toll und klasse gewesen, war ich ein bisschen
skeptisch, wie euphorisch sie darüber sprachen, aber
ich muss zugeben, dass ich nun nichts Anderes tue.
Die 4 Monate in Finnland waren ein einzigartiges
Erlebnis. Ich hatte eine super schöne Zeit dort oben,
die ich auf gar keinen Fall missen möchte und lege
jedem ans Herzen den Schritt in Richtung
Auslandssemester und Finnland zu wagen - es ist
wunderbar!
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