Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945 Sonderausstellung der

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Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945 Sonderausstellung der
Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945
Sonderausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz,
Mai 2000 – Januar 2006
Die Villa von der Heydt in der Kaiserstraße
Freiherr Eduard von der Heydt gehörte zu den ersten,
die 1870 von Wilhelm Conrad ein Grundstück in der
Colonie Alsen erwarben. Er entstammte einer Elberfelder Honoratiorenfamilie, deren prominentestes
Mitglied sein Vater, der Königlich Preußische Staatsminister August von der Heydt war. Eduard von der
Heydt hatte lange in New York gelebt und war nach dem
Tod seiner Mutter 1865 mit seiner Frau nach Berlin
zurückgekehrt und lebte in der väterlichen Villa in
Tiergarten.
Villa von der Heydt, Berlin-Tiergarten, 1864
Auf dem 1870 erworbenen Grundstück ließ er sich von
den Architekten Kyllmann und Heyden eine Villa im
italienischen Renaissancestil erbauen. Die Gartenräume
waren durch kunstvolle Wegschleifen miteinander
verbunden. Vom Park und von den Zimmerfluchten aus
bot sich ein großartiger Ausblick auf den See und die
gegenüberliegende Landschaft.
Karl von der Heydt, ein bedeutender Mäzen der
preußischen Museen, war das letzte Familienmitglied,
das bis 1919 in der Villa wohnte. Nach seinem Tod
wurde der imposante Bau in der Kaiserstraße verkauft
und 1926 zu einem exklusiven Hotel und Restaurant,
dem „Haus am See“, umgewidmet. 1934 wurde aus der
Villa ein „Ferienheim für Handel und Industrie“. Die
Nazis quartierten 1939 die „Schulungsburg Wagner“ der
„Deutschen Arbeitsfront“ in dem Gebäude ein. Die
Namensgebung war eine Referenz an Adolf Wagner,
einen Kampfgefährten Hitlers aus der Münchner Zeit.
Im Krieg erlitt das Haus zwar einige Schäden, wurde
aber noch in den fünfziger Jahren als Erholungsheim für
Kaufleute genutzt, bis die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte es 1974 abreißen und an seiner Stelle die
seit 1997 leerstehende Reha-Klinik errichten ließ. Das
letzte Mitglied der Familie, Baron Eduard von der Heydt
(1882-1964), veräußerte den Familienbesitz in der
Colonie Alsen, war aber in einem modernen Bungalow
am Golfplatz, den er vom Bauhausarchitekten Marcel
Breuer gestalten ließ, in Wannsee oft präsent. Eduard
von der Heydt hatte sich vor dem Ersten Weltkrieg als
Bankier in London niedergelassen. 1918 nahm er an den
geheimen deutsch-englischen Verhandlungen in Den
Haag teil. 1920 verlegte der Baron seinen Wohnsitz
nach Amsterdam und gründete dort ein eigenes
Bankhaus. Er entwickelte enge geschäftliche
Beziehungen zu Stinnes und Thyssen und war
Villa von der Heydt, Berlin-Wannsee, etwa 1875
Inneneinrichtung der Villa von der Heydt
1
Finanzverwalter der im holländischen Exil lebenden
Hohenzollernfamilie.
Eduard von der Heydt war einer der bedeutendsten
Mäzene seiner Zeit. Vor allem seine Sammlung
asiatischer Kunst war weltberühmt. Große Teile seines
Kunstbesitzes stellte er öffentlichen Museen in aller Welt
als Leihgaben zur Verfügung. In den dreißiger Jahren
verlegte er seinen Wohnsitz nach Ascona am Lago
Maggiore, wo er 1926 den berühmten Monte Verita
erworben hatte. Zu seinem Freundeskreis zählten neben
Künstlern auch Gelehrte und Industrielle sowie
Mitglieder der früheren höfischen Gesellschaft Berlins.
Eduard von der Heydt im Safe seiner Bank
Die politische Haltung des Mäzens war ambivalent. Er
zeigte sich einerseits als liberaler, weltoffener Mann,
andererseits fühlte er sich zeitlebens der Monarchie
verbunden. Auch stand von der Heydt seit den späten
dreißiger Jahren in dem Verdacht, über die Schweiz
Geldgeschäfte für die Nazis abgewickelt zu haben.
© Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin 2012
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