Klausurenkurs Polizei- und Ordnungsrecht
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Klausurenkurs Polizei- und Ordnungsrecht
Klausurenkurs Polizei- und Ordnungsrecht Wintersemester 2002/2003 - 2. Klausur In Berlin werden immer häufiger Passanten auf öffentlichen Plätzen und in den Parkanlagen der Stadt durch Stadtstreicher und obdachlose Personen belästigt. Sie rempeln Passanten an, liegen auf den Bänken der öffentlichen Plätze und in den Parks. Leere Flaschen, Papier und Lebensmittel sammeln sich um die bevorzugten Treffpunkte an. Oft sind es größere Gruppen, die grölend über die Plätze ziehen, um sich dann irgendwo dort niederzulassen. Vereinzelt ist es auch schon zu kleineren Taschendiebstählen und leichten Körperverletzungen an Passanten gekommen. Daraufhin erlässt der Innensenator die „Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf und in den Straßen und Anlagen im Land Berlin“ (VO), die u.a. folgende Vorschriften enthält: §2 §3 §4 §8 Jede Verunreinigung von Straßen oder öffentlichen Anlagen durch Wegwerfen oder Liegenlassen von Gegenständen (z.B. Papier, Glas...) ist untersagt. Die Bänke auf Straßen oder in öffentlichen Anlagen dürfen nicht entfernt, versetzt oder beschmutzt werden. Es ist untersagt auf Bänken zu liegen oder zu nächtigen. Jedes sonstige Verhalten, das anderen Personen bei der Benutzung der Straßen oder öffentlichen Anlagen mehr als nach den Umständen vermeidbar belästigen kann (z.B. Lärmen, Aufdringlichkeit, störender Alkoholgenus, Betteln) ist untersagt. Vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. A und B, zwei Stadtstreicher ohne festen Aufenthalt, liegen an einem Maiabend gegen 19 Uhr auf zwei Bänken im Tiergarten. Beide sind stark angetrunken und sprechen die Passanten mit obszönen Äußerungen um Geld und Alkohol an. Die entleerten Bierflaschen haben A und B auf den Rasen geworfen. Mehrere Passanten beschweren sich bei der vorbeikommenden Polizeistreife über die Belästigungen durch A und B. Dem Polizisten P sind die beiden Stadtstreicher bereits auf Grund ähnlicher Vorfälle bekannt. P fordert A und B auf, sich zu ihrem Verhalten zu äußern. A und B lallen einige unverständliche Worte. Nunmehr fordert P die beiden auf, den Tiergarten sofort zu verlassen, da ihr Verhalten nach der VO verboten sei, wie sie aus den im Tiergarten aufgestellten Bekanntmachungstafeln ersehen könnten. Gleichzeitig droht P den beiden Stadtstreichern die Entfernung aus dem Tiergarten unter Anwendung von körperlicher Gewalt an, falls sie diesen nicht innerhalb von 5 Minuten selbst verlassen. 2 A und B kümmern sich nicht um die Aufforderung des P und belästigen weitere Passanten. Daraufhin ruft P über Funk einen Streifenwagen herbei. P, der andere Streifenbeamte S und die Besatzung des Streifenwagens bringen die sich vehement sträubenden A und B unter Einsatz körperlicher Gewalt zunächst zum Eingang des Tiergartens. Auf Veranlassung des P werden A und B dort in den vor dem Eingang zum Tiergarten stehenden Streifenwagen verbracht und in ein mehrere Kilometer entferntes Waldgebiet am Stadtrand von Berlin gefahren und dort abgesetzt. Prüfen Sie die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen gegen A und B. Bearbeitungsvermerk: Von der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der VO ist auszugehen. Zugelassene Hilfsmittel: Bearbeitungszeit: GG, ASOG, VwVfG, VwVfG Bln., VwGO, VwVG, UZwG 3 Stunden Lösungsskizze I. Aufforderung des P an A und B, den Tiergarten zu verlassen 1. Art der Maßnahme und Ermächtigungsgrundlage Die erste polizeiliche Aufforderung des P an A und B, den Tiergarten zu verlassen, bedeutet einen Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Bewegungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 2 GG bzw. in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, so daß es hierfür einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Fraglich ist, ob die Ermächtigungsgrundlage dem repressiven Strafverfolgungsrecht oder dem präventiven Gefahrenabwehrrecht zu entnehmen ist. Hierbei ist auf den Zweck der ergriffenen Maßnahme 3 abzustellen. Da P die beiden Stadtstreicher vorrangig an der Fortsetzung ihres nach der VO verbotenen Verhaltens hindern will, d.h. präventiv-polizeilich zur Abwehr einer durch das Verhalten von A und B eingetretenen Störung tätig geworden ist, handelt es sich um eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr und nicht zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit des § 8 VO. Bei der Aufforderung handelt es sich um eine Platzverweisung; d.h. das polizeiliche Gebot, einen bestimmten eng umgrenzten Ort (z.B. Platz, Straßenteil) vorübergehend zu verlassen oder das Verbot, einen solchen Ort vorübergehend nicht zu betreten. Als Ermächtigungsgrundlage kommt daher § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG in Betracht. 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit Die formelle Rechtmäßigkeit setzt zunächst voraus, daß die Polizei für diese Maßnahme sachlich zuständig ist. Gemäß § 1 Abs. 1 ASOG hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Zur öffentlichen Sicherheit gehören die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte des einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Gefahrenabwehr ist jede polizeiliche Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Gefahr zu beseitigen oder zu mindern. Zur Gefahrenabwehr gehören auch die Verhütung und Unterbindung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, denn die Strafbarkeit und Ordnungswidrigkeiten sind Ausdruck dafür, daß ihr tatbestandliches Verhalten die öffentliche Sicherheit gefährdet. Die Zuständigkeit der Polizei zur Gefahrenabwehr wird gemäß § 4 ASOG dadurch eingeschränkt, daß sie nur tätig werden darf, wenn das Handeln einer anderen Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint oder die Maßnahme zur Gefahrenabwehr notwendig oder unaufschiebbar ist. Im Interesse eines wirksamen Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kann diese Zuständigkeit der Polizei (Recht des ersten Zugriffs) nicht davon abhängig gemacht werden, ob die zuständige Behörde die Gefahr tatsächlich nicht rechtzeitig abwehren kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob aus der Sicht der Polizei auf Grund der im Zeitpunkt des Einschreitens erkennbaren Umstände bei verständiger Beurteilung der Situation die Gefahrenabwehr durch die Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Die Aufforderung des P ist hier gegen 19 Uhr ergangen. Zu diesem Zeitpunkt ist die zuständige Behörde wegen des Dienstschlusses nicht erreichbar oder nicht in der Lage, gegen A und B einzuschreiten. Zudem ist die Gefahrenabwehr notwendig und unaufschiebbar. Die Polizei ist daher gemäß § 4 ASOG zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des P ergibt sich aus § 6 ASOG. 4 b) Allgemeine Verfahrensvorschriften P hat A und B aufgefordert, sich zu ihrem Verhalten zu äußern. Dies ist eine Anhörung i.S. des § 28 Abs. 1 VwVfG. Die Aufforderung durfte nach § 37 Abs. 2 VwVfG auch mündlich ergehen. Die Platzverweisung muß ferner gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die inhaltliche Bestimmtheit eines VA erfordert, daß die behördliche Regelung für die Beteiligten, insbesondere den Adressaten so klar, vollständig und unzweideutig erkennbar sein muß, daß sie ihr Verhalten danach richten können und der VA ohne jede Erläuterung als Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung dienen kann. Diesen Anforderungen entspricht die Aufforderung des P, da A und B aus ihr klar entnehmen können, daß sie den Tiergarten verlassen müssen. Die Aufforderung ist A und B auch gemäß § 41 Abs. 1 VwVfG bekannt gegeben worden. 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Die materielle Rechtmäßigkeit setzt zunächst voraus, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Platzverweisung vorliegen. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 ASOG setzt die Platzverweisung eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung voraus und darf nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Die konkrete Gefahr ist eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, daß in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Die Gefahr wird von P damit begründet, daß A und B durch ihr Verhalten gegen die VO verstoßen. Diese Begründung ist zutreffend, wenn die VO rechtswirksam ist und das Verhalten von A und B einen Verbotstatbestand der VO erfüllt. aa) bb) cc) Von der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der VO ist nach dem Bearbeitungsvermerk auszugehen. Das Verhalten von A und B verstößt hier in mehrfacher Weise gegen die rechtswirksame VO. Sie lassen die entleerten Bierflaschen auf dem Rasen liegen, ruhen auf den Bänken, belästigen in angetrunkenem Zustand die Passanten mit obszönen Äußerungen und sprechen sie in aufdringlicher Weise um Geld und Alkohol an. Hierdurch verstoßen sie gegen §§ 2 – 4 VO und begehen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 8 VO. Das Verhalten von A und B ist daher als Verletzung der Rechtsordnung eine konkrete Gefahr (Störung) für die öffentliche Sicherheit. Mit der Platzverweisung kann nur das vorübergehende Verlassen des Tiergartens angeordnet werden. Dies trifft auf die Anordnung des P zu, da A und B den Tiergarten nur solange verlassen sollen, als sie sich ordnungswidrig verhalten. 5 b) Gemäß § 13 Abs. 1 ASOG sind A und B auch die richtigen Adressaten der Platzverweisung, da sie mit ihrem Verhalten die Gefahr verursachen. c) Die Platzverweisung muß eine nach pflichtgemäßem Ermessen getroffene Maßnahme sein. Das Ermessen der Polizei bezieht sich darauf, ob (Entschließungsermessen) und wie (Auswahlermessen) sie zur Gefahrenabwehr einschreitet. Das Auswahlermessen kommt in Betracht, wenn mehrere rechtlich zulässige (gleich geeignete und gleich belastende) Maßnahmen möglich sind oder mehrere Störer in Anspruch genommen werden können. Die Entschließung des P, gegen A und B vorzugehen, ist frei von Ermessensfehlern. Für das Auswahlermessen ist kein Raum, da die Platzverweisung die allein geeignete Maßnahme ist und nur A und B Störer sind. d) Bei der Platzverweisung ist schließlich - wie bei jeder polizeilichen Maßnahme - der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser Grundsatz bedeutet: - - - Die von der Polizei getroffene Maßnahme muß möglich ( d.h. rechtlich und tatsächlich ausführbar) und geeignet sein; von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige Maßnahme zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinhait voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt (mildestes Mittel); die Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) und die Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann (Verbot des zeitliche Übermaßes). Bei der Verhältnismäßigkeit der Platzverweisung von A und B stellt sich die Frage, ob diese Maßnahme dem Grundsatz des geringsten Eingriffs entspricht. Die Aufforderung, das verbotswidrige Verhalten zu unterlassen, wäre zwar gegenüber dem Gebot, den Tiergarten zu verlassen, der geringere Eingriff. Dieser ist aber zur Gefahrenabwehr nicht geeignet. A und B sind Stadtstreicher. Als Stadtstreicher werden üblicherweise Personen bezeichnet, die keinen festen Wohnsitz und keine geregelte Beschäftigung haben. Sie ziehen im Gegensatz zu Landstreichern nicht von Ort zu Ort, sondern haben ihren Bewegungsraum in einer bestimmten Stadt. Typisch für sie ist das Auftreten in kleinen Gruppen in Parkanlagen, Fußgängerzonen etc. Sie bewegen sich, wenn überhaupt, im Bereich der Bagatellkriminalität, die meist direkt oder indirekt der Versorgung mit Alkohol dient. Die überwiegende Mehrheit befindet sich in einem alkoholabhängigen Zustand, der das Verhalten in der Öffentlichkeit maßgeblich prägt. Das Verhalten von A und B ist für diesen Personenkreis typisch. Zudem sind sie der Polizei auf Grund ähnlicher Vorfälle bekannt. Die bloße Aufforderung an A und B, ihr ordnungswidriges Verhalten zu unterlassen, wäre daher ohne Wirkung und ist somit keine zur 6 Gefahrenabwehr geeignete Maßnahme. Auch den übrigen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit wird die Platzverweisung gerecht. Im Ergebnis ist die Platzverweisung daher auch materiell rechtmäßig. II. Entfernung von A und B aus dem Tiergarten 1. Art der Maßnahme und Ermächtigungsgrundlage Die Polizeibeamten haben die sich sträubenden A und B außerhalb des Tiergartengeländes gebracht. Da die Polizeibeamten hierbei körperliche Gewalt gegen die beiden Stadtstreicher eingesetzt haben, ist diese Maßnahme die Vollziehung der Platzverweisung durch die Anwendung unmittelbaren Zwanges. Als Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz des Zwangsmittels der körperlichen Gewalt kommt § 6 Abs. 1 i.V.m. § 12 VwVG und § 1 Abs. 1 UZwG Bln in Betracht. 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit Die allgemeine Zuständigkeit der Polizei ergibt sich aus § 7 Abs. 1 VwVG und ihre besondere Zuständigkeit aus §§ 1, 3 UZwG Bln. b) Rechtmäßigkeit der Androhung Die Androhung des Zwangsmittels ist, auch wenn sie mit der polizeilichen Grundverfügung verbunden ist, ein VA, denn sie enthält die Entscheidung, daß und mit welchem Zwangsmittel das von dem Pflichtigen in der Grundverfügung geforderte Verhalten erzwungen werden soll. Mit der Androhung beginnt die Vollstreckung und ihre Rechtmäßigkeit ist daher Voraussetzung für die rechtmäßige Anwendung des angedrohten Zwangsmittels. Mit der Androhung der zwangsweisen Entfernung aus dem Tiergarten sollen A und B gezwungen werden, ihr störendes Verhalten zu beenden. Es handelt sich dabei um die Androhung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung des Platzverweises, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 13 VwVG richtet. Die gem. § 13 II VwVG gleichzeitig mit dem Platzverweis ergangene Androhung der Entfernung aus dem Tiergarten unter Anwendung von körperlicher Gewalt enthält die konkrete Ankündigung eines bestimmtem Zwangsmittels (körperliche Gewalt) nach § 13 III 1 VwVG. Weiterhin muß eine angemessene Frist gesetzt werden, innerhalb derer dem Verantwortlichen Gelegenheit gegeben wird, seiner Pflicht nachzukommen (§ 13 I 2 VwVG). Die hier gesetzte 7 Frist von 5 Minute erscheint angemessen, da es A und B zuzumuten ist, innerhalb dieser Zeit den Tiergarten zu verlassen. Grundsätzlich soll die Androhung von Zwangsmitteln gem. § 13 I 1 schriftlich erfolgen, was hier unterblieben ist. Die Entbehrlichkeit der Schriftlichkeit ergibt sich jedoch zum einen aus dem Blick auf § 13 II VwVG, denn danach kann wie hier die Androhung mit dem Grund-VA verbunden werden. Ist aber für den Grund-VA die Möglichkeit der Mündlichkeit gegeben, wie sich aus § 37 II VwVfG ergibt, wäre es widersinnig, für die Androhung die Schriftlichkeit zu fordern. Zum anderen kann die Androhung im Gefahrenabwehrrecht durch die Vollzugspolizei dann mündlich ausgesprochen werden, wenn die mit der Schriftlichkeit verbundene Verzögerung die Abwehr der Gefahr nicht rechtzeitig gewährleisten würde (§ 6 II VwVG). Die Androhung konnte demnach mündlich erfolgen. Die Festsetzung des Zwangsmittels gem. § 14 VwVG war entbehrlich, da hier vom Vorliegen einer Situation des Sofortvollzugs (§ 6 II VwVG Bln) ausgegangen werden kann. Die Androhung der Entfernung unter Anwendung von körperlicher Gewalt ist daher rechtmäßig. 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Die Grundverfügung des Platzverweises ist mit Bekanntgabe wirksam geworden (§ 43 VwVfG). Der Platzverweis hat auch einen vollstreckbaren Inhalt, da er auf eine bestimmte Handlung (Verlassen des Tiergartens) gerichtet ist. Des Weiteren müsste die Grundverfügung entweder unanfechtbar sein, die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO müsste angeordnet worden sein oder ein Rechtsmittel dürfte keine aufschiebende Wirkung haben (§ 6 Abs. 2 VwVfG). Die Aufforderung des P an A und B, den Tiergarten zu verlassen, ist als unaufschiebbare Anordnung und Maßnahme der Polizei gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar. Die schnelle Beseitigung der von A und B ausgehenden Störungen ist nur durch eine zwangsweise Entfernung aus dem Tiergarten möglich, da die vorausgegangene Aufforderung erfolglos geblieben ist. Wegen des Widerstandes der beiden Stadtstreicher, die mit ihrem störenden Verhalten ungehindert fortfahren, ist die Anwendung körperlicher Gewalt bei der Entfernung aus dem Tiergarten auch angemessen und verhältnismäßig. Das Entfernung von A und B aus dem Tiergarten ist daher rechtmäßig. III. Verbringung in das Waldgebiet 1. Art der Maßnahme und Ermächtigungsgrundlage Unter Anwendung körperlicher Gewalt sind A und B in den Streifenwagen gebracht und dann in das entfernte Waldgebiet transportiert worden. Hierbei handelt es sich nicht mehr um die Durchsetzung der gegen A und B 8 ergangenen Grundverfügung zum Verlassen des Tiergartens, denn die Platzverweisung beinhaltet nicht, sich an eine bestimme Stelle zu begeben, sondern sie kann nur verpflichten, sich von einem bestimmten Ort zu entfernen bzw. ihn nicht zu betreten. Diese weitergehende Zwangsanwendung ist vielmehr ohne vorausgehende Ge-/Verbotsverfügung, ohne Androhung und ohne Festsetzung eines Zwangsmittels erfolgt, so daß sofortiger Vollzug durch Ausübung unmittelbaren Zwangs vorliegt. Als Ermächtigungsgrundlage kommt daher nur § 6 Abs. 2 i.V.m. § 12 VwVG und § 1 Abs. 1 UZwG Bln in Betracht. 2. Formelle Rechtmäßigkeit Die allgemeine Zuständigkeit der Polizei ergibt sich aus § 7 Abs. 1 VwVG und ihre besondere Zuständigkeit aus §§ 1, 3 UZwG Bln. 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Rechtmäßigkeit des fiktiven Grund-VA Erforderlich ist zunächst, daß die hier sofort vollstreckte „Maßnahme“ rechtmäßig hätte ergehen können. Das ASOG enthält in seinem Katalog von polizeilichen Standardmaßnahmen keine ausdrückliche Regelung einer Maßnahme, die vorsieht, daß Personen, die als Störer einer bestimmten Öffentlichkeit fernbleiben sollen, von der Polizei festgenommen und an einen mehr oder weniger entfernten Ort gebracht werden können, von wo sie nicht so einfach zurückkehren können, um die Störung fortzusetzen. Fraglich ist daher, auf welche Ermächtigungsgrundlage diese als Verbringungsgewahrsam bezeichnete Maßnahme, die in das Grundrecht aus Art. 11 Abs. 1 GG (Freizügigkeit) und Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 GG (Freiheit der Person) eingreift, gestützt werden kann. aa) § 30 Abs. 1 Ziffer 3 ASOG Es handelt sich bei dem Verbringungsgewahrsam um keine Maßnahme i.S. des § 30 ASOG, da der Gewahrsamsbegriff eng auszulegen ist und demzufolge durch die Verwahrung in einer speziellen Gewahrsamseinrichtung zu erfolgen hat. Nur die Verbringung in eine solche Gewahrsamseinrichtung ist daher von der Ingewahrsamnahme erfasst. § 30 ASOG scheidet folglich als Ermächtigungsgrundlage aus. (andere Auffassung mit entsprechender Begründung vertretbar) bb) § 17 ASOG Für Freiheitsentziehungen, wie sie hier durch die Verbringung vorgenommen werden, ist die Gewahrsamsregelung des § 30 ASOG die ausschließliche Spezialregelung, die die subsidiäre Generalermächtigung des § 17 ASOG verdrängt. Da - wie oben ausgeführt - § 30 ASOG nicht zur Anwendung gelangt, kann auch nicht auf § 17 ASOG zurückgegriffen werden. Im Übrigen wäre ein Rückgriff auf § 17 ASOG als Befugnisnorm 9 auch nicht mit Art. 11 Abs. 2 GG vereinbar, denn der qualifizierte Gesetzesvorbehalt soll gerade generalklauselartige Ermächtigungen zur Einschränkung der Freizügigkeit vermeiden. (andere Auffassung mit entsprechender Begründung vertretbar) In Ermangelung einer entsprechenden Verbringungsgewahrsam daher rechtswidrig. Befugnisnorm ist der (Sofern Bearbeiter zu dem Ergebnis kommen, daß eine Ermächtigungsgrundlage für den Verbringungsgewahrsam vorhanden ist, dürfte die Anordnung der Verbringung jedoch nicht mehr im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen, und wäre zumindest aus diesem Grund materiell rechtswidrig.) b) Notwendigkeit des Sofortvollzugs Darüber hinaus sind hier auch nicht die besonderen Eilvoraussetzungen zur Rechtfertigung des Sofortvollzuges gegeben. Da die Polizei beim „sofortigen Vollzug“ gemäß § 6 Abs. 2 VwVG nur innerhalb „ihrer gesetzlichen Befugnisse“ tätig werden darf, muß eine besondere Notwendigkeit für die Abweichung vom Regelverfahren gegeben sein. Im konkreten Fall ist ein sofortiges Tätigwerden der Polizei, das es entbehrlich machte, auf die Bekanntgabe der Maßnahme gegenüber A und B zu verzichten, nicht erforderlich gewesen wären. In dem Moment, wo sich A und B außerhalb des Tiergartens befanden, war die von ihnen ausgehende Störung zunächst einmal unterbunden. Selbst wenn P möglicherweise Anlaß zur Befürchtung hatte, daß A und B umgehend in den Tiergarten zurückkehren werden, so wäre es in zeitlicher Hinsicht durchaus möglich gewesen, A und B zunächst zu verpflichten, sich an einen bestimmten anderen Ort zu begeben und ihnen für den Fall der Zuwiderhandlung die zwangsweise Verbringung dorthin anzudrohen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Verbringung von A und B in das Waldgebiet rechtswidrig war, da die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorlagen.