Die Geschichte des ifs Vorarlberg

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Die Geschichte des ifs Vorarlberg
Institut für Sozialdienste Vorarlberg (IfS)
Die Geschichte des IfS-Vorarlberg
ISBN 3-900866-99-6
Rheticus
Die Geschichte des IfS-Vorarlberg
Von der Bürgerinitiative zum
sozialen Dienstleistungsunternehmen
Rheticus
Vierteljahresschrift der Rheticus-Gesellschaft
2007 Nr. 1, Jahrgang 29
Impressum
Herausgeber und Verleger:
Institut für Sozialdienste Vorarlberg und Rheticus-Gesellschaft
Institut für Sozialdienste (IfS)
Interpark Focus 1 · A-6832 Röthis
Tel.: 05523 52176
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.ifs.at
Rheticus-Gesellschaft
Palais Liechtenstein · A-6800 Feldkirch
Tel.: 05522 304-1272, Fax: 05522 304-1279
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.rheticus.com
Text: Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Wanner
redaktionelle Mitarbeit: lic.phil. Alexandra Breuß
Gestaltung: Jan Koller
Druck: Wenin Dornbirn
ISBN 3-900866-99-6
Die Fotoauswahl soll ein Spiegelbild der vergangenen 45 Jahre Institut für
Sozialdienste Vorarlberg darstellen. Die Anordnung der Fotos entspricht
dem Zufallsprinzip, weshalb eine Übereinstimmung mit dem Text nicht
immer gegeben ist.
Es wurde versucht, den Text in einer geschlechtsneutralen Form zu verfassen. Sollte einmal lediglich die geschlechtsspezifische Form genannt sein,
so sind damit sowohl Frauen als auch Männer gemeint.
Die Geschichte
des IfS-Vorarlberg
Von der Bürgerinitiative zum
sozialen Dienstleistungsunternehmen
IfS-Geschichte
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
· Vorwort ........................................................................................................ 8
· Sozialwesen in Vorarlberg ........................................................................ 10
Sozialpolitik nach 1945 ......................................................................... 10
Sozialfürsorge und Jugendpolitik bis zur Gründung des IfS .............. 15
· Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen ........................................ 20
Gründung und Anfangsjahre ................................................................ 20
Der Nachfolgeverein Institut für Sozialdienste ................................... 24
Der Verein „Institut für Sozialdienste“ entsteht ........................... 25
Professionalisierung und Satzungsänderungen ............................. 26
Das Institut für Sozialdienste und sein Wirken im sozialen Netz . 30
· Leitlinien und Tätigkeitsbereiche ............................................................. 33
Sozialpolitische Prinzipien .................................................................... 33
Das Angebot des IfS .............................................................................. 34
Finanzen ................................................................................................. 36
Organisation .......................................................................................... 37
· Im Dienste sozialer Gruppen .................................................................... 38
· Soziale Dienstleistungen ..................................................................... 38
· Kinder .................................................................................................. 39
Allgemeine „Kinderfürsorge“ .......................................................... 39
Erziehungsberatung ......................................................................... 40
Vaterrolle .......................................................................................... 41
Freizeit .............................................................................................. 42
Kindergarten und Pflichtschule ....................................................... 43
Kinderschutz .................................................................................... 46
Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt .................................... 48
Familienberatung ............................................................................. 48
Familienarbeit .................................................................................. 49
Familie im Wandel ............................................................................ 51
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Inhaltsverzeichnis
IfS-Geschichte
· Jugendliche ........................................................................................... 53
Jugendberatungsstelle Mühletor ..................................................... 53
Streetwork ........................................................................................ 54
Sozialpädagogik ................................................................................ 55
Sozialpädagogische Wohngemeinschaften ................................ 55
AbW – Ambulant betreutes Wohnen ........................................ 64
JIP – Jugendintensivprogramm ................................................. 65
NASA – Nachgehende sozialpädagogische Arbeit .................... 65
Sexualerziehung ............................................................................... 66
Jugendliche und Arbeit .................................................................... 67
· Erwachsene .......................................................................................... 67
Sozialarbeit ....................................................................................... 67
Armut und Existenzsicherung ................................................... 69
Schulden ..................................................................................... 71
Wohnen und Wohnungslosigkeit .............................................. 73
Delogierungsprävention ............................................................ 76
Siedlungsarbeit ........................................................................... 77
MigrantInnen ............................................................................. 77
Psychologie und Psychotherapie ..................................................... 81
Ehe und Partnerschaft ...................................................................... 84
Trennungs- und Scheidungsberatung ............................................. 86
Sexualität, Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte ....... 87
Beratung für Männer ....................................................................... 89
Opferschutz ...................................................................................... 90
FrauennotWohnung ................................................................... 91
Interventionsstelle ...................................................................... 93
Prozessbegleitung ....................................................................... 96
Gewaltberatung – Klartext ......................................................... 97
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IfS-Geschichte
Inhaltsverzeichnis
· Menschen mit Behinderungen ........................................................... 97
Grundlagen und Arbeitsbereiche .................................................... 97
Schule, Bildung und Fortbildung .................................................. 100
Arbeit und Beruf ............................................................................ 102
Wohnen und Leben ........................................................................ 105
Bauen und Wohnen ....................................................................... 108
Sachwalterschaft ............................................................................ 111
Patientenanwaltschaft .................................................................... 113
Bewohnervertretung ...................................................................... 113
· Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen .............................. 115
· Öffentlichkeitsarbeit ............................................................................... 118
Netz für Kinder ................................................................................... 122
· Das IfS und die europäische Union ........................................................ 123
Kooperationen und Grenzüberschreitungen ...................................... 124
Spagat Südtirol .................................................................................... 125
Gesundheitsförderung im Bodenseeraum – eine Initiative der IBK 125
· Drei IfS-Persönlichkeiten ....................................................................... 127
Manfred Dörler .................................................................................... 127
Sepp Büsel ............................................................................................ 129
Hedwig Gmeiner ................................................................................. 129
· IfS – Studienreisen .................................................................................. 131
· 45 Jahr IfS – Kurzchronik ....................................................................... 134
· Mitglieder des Vereins Institut für Sozialdienste .................................. 144
· Quellen .................................................................................................... 147
· IfS-Leitbild .............................................................................................. 150
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Vorwort
IfS-Geschichte
Vorwort
Dr. Stefan Allgäuer
Die geschriebene Geschichte jeder Organisation ist
ein Konstrukt. Eigentlich gibt es das ja nicht - „die
Geschichte“ – sondern es gibt die (vielen) Geschichten
einer Institution, erlebt und gestaltet von den MitarbeiterInnen, den KlientInnen und den Rollenträgern
(Präsidenten, Geschäftsführern, LeiterInnen usw.).
So ist die Geschichte des Institut für Sozialdienste vor allem eine Geschichte
vieler Einzelpersonen
· die Geschichte zahlreicher Menschen, die sich Hilfe suchend an unsere
Institution gewandt haben,
· die Geschichte von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die
tagtäglich qualifiziert und engagiert arbeiten, um den KlientInnen ein
Stück weiter zu helfen,
· die Geschichte von Menschen im Land Vorarlberg, die soziale Probleme
und sozialen Handlungsbedarf wahrgenommen und aktiv darauf reagiert
haben – in Politik und Verwaltung, als engagierte BürgerInnen, als Pioniere
und Unterstützer.
Diese Geschichten können in diesem Buch jedoch nicht oder nur verkürzt
erzählt werden. Geschrieben wird hier die Geschichte der Organisation „Institut für Sozialdienste“, generell, im großen Bogen und auf dem Hintergrund der sozialen Entwicklung des Landes Vorarlberg.
Die Einmaligkeit des Institut für Sozialdienste liegt darin, dass unter dem
Namen, dem Dach „IfS“ so viele unterschiedliche Dienstleistungen zusammen finden, ohne sich gegenseitig einzuengen oder zu behindern. Ganz im
Gegenteil. Trotz Größe und der Vielfalt wurde und wird das IfS dem Anspruch
gerecht, Autonomie in den einzelnen Fachbereichen und Aufgabenstellungen
zu gewährleisten und jedem Bereich die optimalen Rahmenbedingungen für
die je spezifische Arbeit zu geben, so dass einerseits eigenverantwortliches
und selbständiges Arbeiten aller MitarbeiterInnen möglich, ja gefordert ist,
andererseits optimal Synergien in der Fallarbeit und der Weiterentwicklung
von sozialpolitischen Anliegen genutzt werden können.
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IfS-Geschichte
Vorwort
Im „Institut für Sozialdienste“ ist der Name Programm. Mit dem „Institut“ (wie oft haben wir überlegt, diesen Teil des Namens zu ändern!) unterstreichen wir unseren Anspruch nach Professionalität und Reflexion. Mit
dem „sozial“ im Wort „Sozialdienste“ definieren wir unseren Gegenstand.
Sozial, das ist, was dem Menschen und der Gemeinschaft dient. In diesen
„Dienst“ stellen wir alle unsere Dienstleistungen und mit diesem Begriff
„Dienst“ beschreiben wir unsere Haltung. Nicht wir sind die ExpertInnen,
die „Macher“. Die KlientInnen - jeder und jede Einzelne – sind die ExpertInnen ihrer selbst. Nur sie können, sie müssen Schritte setzen, Veränderungen
einleiten, lernen, Entwicklungen vollziehen, Grenzen erkennen, Situationen
ertragen, den jeweils eigenen Weg gehen. Unser – professioneller – Dienst
dabei ist es, zu begleiten, mit zu gehen, zu informieren, zu intervenieren, zu
reflektieren, zu strukturieren, zu konfrontieren, zu ermutigen, aufmerksam
zu sein und vieles mehr; das verbunden mit allen bewährten und modernen
Methoden, die uns in unseren Professionen der Sozialarbeit, der Psychologie, der Psychotherapie, der (Sozial)Pädagogik usw. zur Verfügung stehen.
Die Idee zu dieser Broschüre ist schon Mitte der 1990er Jahre entstanden,
forciert vom damaligen Geschäftsführer Manfred Dörler und dem IfS-Präsidenten Hans Sperandio. Dr. Gerhard Wanner hat den vorliegenden Text
verfasst, ihn mehrmals überarbeitet und immer wieder aktualisiert – ihm
gilt mein besonderer Dank.
Mehrere Vereinsmitglieder und einige der dienstälteren IfS-MitarbeiterInnen haben diesen Text vorab gelesen und ihre Anmerkungen dazu gemacht.
Ihnen allen sei dafür recht herzlich gedankt. Mein Dank gilt auch der
Rheticus-Gesellschaft, die als Mitherausgeberin der IfS-Geschichte fungiert
und diese Form des Erscheinens erst möglich gemacht hat.
Mein besonderer Dank gilt aber vor allem all unseren Klientinnen und Klienten und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Geschichte
gestaltet und dadurch mitgeschrieben haben. Wir haben im vorliegenden
Text ganz bewusst und größtenteils auf Namensnennungen verzichtet – wir
könnten nie auch nur einigermaßen allen gerecht werden, die in die soziale
Arbeit des IfS und in die Entwicklung der Institution „Herzblut“ und Kompetenz investiert haben.
Dr. Stefan Allgäuer
IfS-Geschäftsführer
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Sozialwesen in Vorarlberg
IfS-Geschichte
Sozialwesen in Vorarlberg
Sozialpolitik nach 1945
Im Landesvoranschlag des Jahres 1960 betrugen die Ausgaben für das Fürsorgewesen und die Jugendwohlfahrtspflege sowie für das Gesundheitswesen und die „körperliche Ertüchtigung“ rund 36 Millionen Schilling (2,6
Millionen Euro), beide Posten machten 16% des Landesbudgets aus. Am
Ende der Amtsperiode von Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler im Jahr
1987 waren die Ausgaben für die beiden Bereiche Soziales und Gesundheit
auf 2,8 Milliarden Schilling (rund 203 Millionen Euro) gestiegen und hatten einen Budgetanteil von rund 40%. Zwanzig Jahre später, im Jahr 2007,
wird das Budget für den Bereich Gesundheit und Soziales (ohne Hochbau)
324,3 Millionen Euro betragen, was einem Gesamtbudgetanteil von 26%
entspricht.
Bis in die 1960er Jahre kam nicht primär das Land für die Sozialfürsorge auf: 37% der Kosten bezahlten die Bezirksfürsorgeverbände, 44% die
Gemeinden und den Rest das Land. Der Bund beteiligte sich lediglich mit
2%. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre machte sich ein rasantes Wirtschaftswachstum bemerkbar, gleichzeitig stiegen auch die Ansprüche der
Bevölkerung bezüglich Kranken- und Pflegeanstalten und die Bedürfnisse
für Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen.
Einen entscheidenden Wandel im gesamten Vorarlberger Sozialwesen brachte das Jahr 1972 mit dem „Gesetz über die Sozialhilfe“. Bis
dahin herrschte eine unbefriedigende Rechtslage mit Rechtszersplitterung
und Rechtsunsicherheit. 1968 hatte das Innenministerium mitgeteilt, an der
Ausarbeitung eines Bundessozialhilfegesetzes nicht interessiert zu sein, und
hatte damit die Regelung des Fürsorgewesens endgültig den Ländern überlassen. Dies war die Voraussetzung für das erste österreichische BundesländerSozialhilfegesetz in Vorarlberg. Als Folge entstand ein landesumfassender
Fürsorgeverband und die Lastenverteilung der Sozialhilfeausgaben ging zu
25% an das Land und zu 75% an die Gemeinden. Bemerkenswert war, dass
das Gesetz Familien, Müttern und alten Menschen Hilfe gewährleistete.
In den 1970er Jahren kam es zu einer Intensivierung sozialer und
medizinischer Initiativen bzw. Aktivitäten durch die öffentliche Hand sowie
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IfS-Geschichte
Sozialwesen in Vorarlberg
durch private Einrichtungen. Aus der zu Beginn der 60er Jahre gegründeten „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande Vorarlberg“
entstand 1971 das „Institut für Sozialdienste“. 1972 wurde das „Medizinische Zentrum“ in Feldkirch eröffnet und 1974 präsentierte sich das neue
Landesnervenkrankenhaus „Valduna“. Daneben unterstützte das Land die
1964 ins Leben gerufene Privatinitiative des Arbeitskreises für Vorsorge und
Sozialmedizin (aks), dessen Tätigkeiten mit den verschiedensten Vorsorgeprogrammen vor allem der Gesundheitsprophylaxe galten. Die Initiative
wurde als „Vorarlberger Modell“ in anderen Bundesländern nachgeahmt.
Zur Kontrolle der enorm gewachsenen Aufwendungen und zu deren
Koordination wurde 1974 im Amt der Vorarlberger Landesregierung ein
Sozialhilfebeirat geschaffen. Es entsprach ganz dem Konzept des Landes,
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Sozialwesen in Vorarlberg
IfS-Geschichte
die Agenden sozialer Aktivitäten möglichst selbständigen und privaten Trägern zu überlassen. Es waren dies die Institutionen der „freien Wohlfahrtspflege“, von denen es 1974 sechzehn gab. Die wichtigsten davon waren der
Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin (aks), die Caritas, das Institut
für Sozialdienste (IfS), die Lebenshilfe Vorarlberg, die Stiftung Jupident, das
Vorarlberger Kinderdorf und zahlreiche Krankenpflegevereine in Städten
und Gemeinden.
Ein besonderes Anliegen des Landes war die Betreuung und Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. 1973 entstand zu diesem Zweck ein
Rehabilitationsprogramm, das die zahlreichen Aktivitäten koordinierte und
die erforderlichen Einrichtungen für die Zukunft plante. Außerdem wurden
die bestehenden Einrichtungen kräftig unterstützt.
Im Weiteren unterstützte das Land die Gründung der Sozialakademie.
Mitglieder in deren Trägerverein waren das Land sowie Vertreter aller
Sozialeinrichtungen, zu deren Beschäftigten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zählten. Die Abteilung für Sozialhilfe und Jugendfürsorge im Amt
der Vorarlberger Landesregierung unter Dr. Hermann Girardi entwickelte
das Konzept der so genannten Sozialsprengel. Diese sollten die örtliche bzw.
überörtliche Kooperation in den Bereichen Alten-, Familien- und Jugendhilfe
sowie Krankenpflege, Rehabilitation und medizinische Versorgung übernehmen. 1974 beschloss die Landesregierung ein Altenhilfeprogramm, welches
vor allem den ausreichenden Bau von altersgerechten Wohnungen und die
Ausweitung der sozialen Dienste mit Hilfe von SozialarbeiterInnen vorsah.
Wie nur in wenigen Bereichen der Landespolitik waren sich die einzelnen
Parteifraktionen über die Praktiken und Ziele der Sozial- und Gesundheitspolitik einig und dies, obwohl 1974 der damals 38jährige Bludenzer ÖVPStadtrat Fredy Mayer von seinem sozialistischen Kollegen Ernst Winder für
fast zwanzig Jahre das Sozial- und Gesundheitsressort übernahm. Landesrat
Fredy Mayer und mit ihm der zuständige Beamte der Vorarlberger Landesregierung Hofrat Dr. Hermann Girardi sowie Walter Stefani und Theo
Kremmel sollten mit ihren sozialpolitischen Strategien und ihrer Politik
ganz wesentlich die soziale Landschaft Vorarlbergs prägen. Nachfolger
von Landesrat Mayer wurde der Internist Dr. med. Hans-Peter Bischof, der
vorerst Landesrat, später auch Landesstatthalter war. Im Jahr 2000 übernahm Landesrätin Dr. Greti Schmid von diesem den Aufgabenbereich
„Gesellschaft und Soziales“ und im Jänner 2007 trat Mag. Markus Wallner
die Nachfolge von Bischof an.
Landeshauptmann Herbert Keßler, auch Parteiobmann der Vorarlberger
Volkspartei, hatte mit seinen weltanschaulichen Prinzipien die Grundlagen
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IfS-Geschichte
Sozialwesen in Vorarlberg
für die spezielle Vorarlberger Sozial- und Gesundheitspolitik geschaffen.
Selbstverwaltung und Selbsthilfe – als „Subsidiarität“ begrifflich zusammengefasst – wurden zu seinen Leitbildern: „Subsidiarität bedeutet das
Bekenntnis zu den kleinen Gemeinschaften. Unser erstes Bemühen gilt der
Einzelpersönlichkeit, der Ehe, der Familie. Es gilt in der Folge den privaten
oder halbprivaten Einrichtungen. Erst dann folgen Gemeinden, das Land,
der Staat. Selbstverwaltung und Selbsthilfe sind erstrangige landespolitische Anliegen.“ Und was die spezielle Sozialpolitik der Landes-ÖVP betraf,
meinte Keßler: „Wir wollen anstelle des herkömmlichen Reparaturdenkens
eine ganzheitliche Betrachtungsweise, mit der versucht wird, die Rahmenbedingungen für einen gesunden Lebensraum des Bürgers, vor allem die
soziale Umwelt und die äußeren Lebensbedingungen so zu gestalten, dass
soziale und gesundheitliche Notstände vermieden werden können.“
Unter Landeshauptmann Dr. Martin Purtscher wurden seit 1987 die gleichen sozialpolitischen Wege beschritten, jedoch Bestehendes modifiziert,
erweitert und ergänzt sowie deutliche Schwerpunkte gesetzt. Dazu gehörte
die Familienpolitik, zu der auf Grund der neuen Landesverfassung des Jahres
1984 eine gesetzliche Verpflichtung bestand. Mit Beginn des Jahres 1988 startete die Vorarlberger Landesregierung eine „familienpolitische Offensive“,
die ein Familienprogramm und ein neues Familienförderungsgesetz (1989)
beinhaltete. Getragen wurden diese österreichweit neuartigen Vorstellungen
von allen Parteien des Landtages. Bahnbrechend war der Familienzuschuss
des Landes ab dem zweiten Kind (1988), der sich ab 1994 auch auf das erste
Kind erstreckte. Dazu kamen die Einführung eines „Familienpasses“ (1989),
Hilfen für Familien in Not, das Projekt „Lebensraum Familie“ (1993), die
institutionellen Einrichtungen eines eigenen Referates für Ehe-, Familienund Frauenfragen (1989) sowie die Installierung eines „Familienbeirates“.
Der Jugend und Jugendwohlfahrt kamen vor allem die 1990 erstellte
Vorarlberger Jugendstudie und 1991 ein neues Gesetz über die öffentliche
Jugendwohlfahrt zugute. Ab 1989 setzten massive Bestrebungen zum Ausbau der Alten- und Krankenpflege ein: Die Hauskrankenpflege wurde verstärkt ausgebaut und 1990 kam es mit der Einführung des Pflegezuschusses
des Landes und der Gemeinden zu einer österreichischen Pionierleistung.
Trotz all dieser Maßnahmen ruhte man sich nicht auf dem Erreichten aus.
Dies bewies das Jahr 1997 mit seinen Novellen zum Sozialhilfegesetz, zum
Behindertengesetz und dem Landes-Jugendwohlfahrtsgesetz. Entsprechend
dem ansteigenden Bedarf an sozialen Leistungen wuchsen die Kosten für
die soziale Wohlfahrt von 1987 mit 633 Millionen Schilling (46 Millionen
Euro) auf 1,6 Milliarden Schilling (116 Millionen Euro) im Jahr 1997. In
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Sozialwesen in Vorarlberg
IfS-Geschichte
Landesrätin Dr. Greti Schmid besucht das Büro der IfS-Geschäftsführung.
diesem Jahr wurde der Sozialfonds zur gemeinschaftlichen Finanzierung
der Kosten der Sozialhilfe durch das Land und die Gemeinden sowie zur
Steuerung dieser Kosten eingerichtet. Seither ist der Finanzbedarf für die
Bereiche Sozialhilfe, Jugendwohlfahrt und Behindertenhilfe auf Land und
Gemeinden aufgeteilt – 60% werden vom Land, 40% von den Städten und
Gemeinden übernommen. Aufgaben des Sozialfonds sind insbesondere die
Übernahme der Kosten der Sozialhilfe, die Erlassung von Richtlinien zur
Einhaltung des Voranschlages des Fonds bei der Gewährung von Sozialhilfe,
die Entscheidung von Fragen der tariflichen Gestaltung sozialer Dienstleistungen für Hilfsbedürftige, die Erlassung von Förderrichtlinien sowie die
Gewährung von Förderungen und sonstigen Zuschüssen an Einrichtungen
der freien Wohlfahrtspflege und Gemeinden.
Verbesserungen im Spitalsbereich brachte das seit 1995 in Vorarlberg
praktizierte Modell der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung, das
für eine bundesweite Spitalsreform zum Vorbild wurde.
Landesrat Dr. Hans-Peter Bischof erklärte 1996 nicht ohne Stolz, Vorarlberg habe sozial- und gesundheitspolitische Modelle entwickelt, die
europaweit einzigartig seien und auf europäischer Ebene Lösungsansätze
darstellten. Vorarlberg nehme ganz einfach EU-Vorbildcharakter ein, denn:
„Große Sozial- und Gesundheitssysteme können nur dann wirksam sein,
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IfS-Geschichte
Sozialwesen in Vorarlberg
wenn auch die Nahraumstrukturen funktionieren. Und genau das ist eine
unserer Stärken.“
Unter Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, der schon früher als
Landesfinanzreferent wesentlich auf die Sozialpolitik Einfluss genommen
hatte, entwickelte sich die Sozialpolitik weiter. Er betrieb Politik stets unter
dem Credo, Vorarlberg zu einer „wirtschaftlich erfolgreichen Region mit
menschlichem Gesicht“ zu machen. Die Arbeitslosigkeit wurde als besonderes Problem erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen wurden eingeleitet. Die Betonung der Ehrenamtlichkeit im Sozial- und Vereinswesen war
ein weiterer Schwerpunkt.
Landesrätin Dr. Greti Schmid widmete sich vor allem schwerpunktmäßig
der Sicherung der Pflege, im Zuge dessen die Unterstützung der familiären
Ressourcen und der professionellen Pflegedienste (beispielsweise die ARGE
Mobile Hilfsdienste (Mohi) und der Vorarlberger Betreuungspool) forciert
wurde. Zudem galten die Bemühungen der Landesrätin der Entwicklung von
Strategien zur Armutsbekämpfung.
Sozialfürsorge und Jugendpolitik
bis zur Gründung des IfS
Gemeinden, Bezirksfürsorgeverbände, das Land und der Bund waren jene
öffentlichen Einrichtungen, die bis in die 60er Jahre für das „Fürsorgewesen und die Jugendhilfe“ im Land Vorarlberg aufkamen. Von privater
Seite betrieb in größerem Umfang nur die Caritas der Diözese „allgemeine
Maßnahmen der Sozialfürsorge“. Fünf Jahre nach Kriegsende resultierten
die größten Ausgaben des Landes für die Sozialfürsorge aus den Verpflegungskosten für „Geisteskranke“ und Epileptiker in Heilanstalten, Versorgungsheimen und Erziehungsanstalten, wobei die wichtigste Einrichtung
des Landes die „Valduna“ in Rankweil war. An zweiter Stelle kamen die
Ausgaben für die jugendliche Fürsorgeerziehung, die im Land Vorarlberg
insbesondere von der Erziehungsanstalt Jagdberg in Schlins, der Kinderheilstätte in Viktorsberg und der „Asylierungsanstalt“ in Sulzberg geleistet
wurde. Außerdem unterstützte das Land Jugendliche in diversen privaten
Ferienheimen und Schülerausspeisungen in den Gemeinden. Die Jugendfürsorge in den Bezirken widmete sich dem Pflegekinderwesen, der Amtsvormundschaft, der Schutzaufsicht und der Jugendgerichtshilfe. Für die
Säuglingsfürsorge gab es einige Mütterberatungsstellen. Eine typische
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Sozialwesen in Vorarlberg
IfS-Geschichte
Nachkriegserscheinung waren die noch hohen Beiträge für die Tuberkulosenhilfe.
Als 1962 der Verein „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“, der Vorgängerverein des Institut für
Sozialdienste, gegründet wurde, hielt das Land die gesetzliche Tätigkeit der
öffentlichen Jugendwohlfahrtseinrichtungen im Grunde für ausreichend.
An privaten Einrichtungen unterstützte es das Vorarlberger Kinderdorf mit
den Kinderdorffamilien und einige katholische Orden bei „baulichen Maßnahmen“. Vorarlbergs Jugend stellte im Allgemeinen keinen Problemfaktor
dar und die körperlich, geistig und sozial behinderten Jugendlichen wurden
in diversen „Anstalten“, die meisten davon im übrigen Österreich und in der
Schweiz, untergebracht und behandelt.
Dennoch erfolgten in den 1960er Jahren einige zukunftsweisende Aktivitäten für ein erweitertes Fürsorgebewusstsein, welche von privater Seite
ausgingen, jedoch nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene erfassten: 1961 wurde das Sprachheilheim Carina, 1962 der Vorgängerverein des
Institut für Sozialdienste gegründet, 1964 entstand der Arbeitskreis für
Vorsorge- und Sozialmedizin (aks) und 1967 konstituierte sich die Interessengemeinschaft für Menschen mit Behinderungen, bekannt unter der
Bezeichnung „Lebenshilfe“, mit ihren Fördereinrichtungen und „beschützenden Werkstätten“.
Die „normale“ Jugend war in den Schulen und Familien gut untergebracht
und schien auch ausreichend betreut: Um loyale staatsbürgerliche Erziehung zu gewährleisten, gab es seit 1947 die „Jungbürgerfeiern“, die später
auch von den anderen österreichischen Bundesländern eingeführt wurden.
Die offizielle Landesjugendpolitik wurde seit 1949 durch den „Jugendbeirat“
am Amt der Vorarlberger Landesregierung legitimiert. Von den in diesem
Gremium vertretenen Eliten der Jugendorganisationen, die größten unter
ihnen gehörten der katholischen Kirche an und vertraten christliche Lebensprinzipien, hatte man keine Probleme oder gar Widerstände zu erwarten. Als
sich diese „heile Welt“ in den 1960er Jahren zu ändern schien, reagierten die
Politiker des Landtags 1964 mit einem neuen Jugendschutzgesetz. Dieses
löste zwar die noch aus der NS-Zeit stammenden Polizeiverordnungen ab,
versprach sich seine pädagogische Wirkung jedoch weiterhin mittels Verboten und Strafen. Außerdem weitete das Gesetz, in Österreich einmalig, die
Schutzbestimmungen von 18 auf 21 Lebensjahre aus.
Mit diesen legistischen Maßnahmen vermochte man jedoch die neuen
Strömungen und Verhaltensmuster, die von den USA ausgehend auch bei
Vorarlberger Jugendlichen Aufnahme fanden, nicht in den Griff zu bekom-
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IfS-Geschichte
Sozialwesen in Vorarlberg
1978: Dr. Michael Schmid, Dr. Irmgard Moosmann, Dr. Wilhelm Schmutzhard, Dr. Erika Neumann
und IfS-Geschäftsführer Manfred Dörler.
men. 1969 wurden die ersten Probleme mit illegalen Drogen publik, ein Jahr
später forderten Mitglieder des sonst so friedlichen Landesjugendbeirates
die Einführung von Sexualerziehung und die Abschaffung von Filmverboten. 1970 fand das erste „Pop and lyric festival“ nach dem Vorbild von
Woodstock (USA) auf der Neuburg (Koblach) vor dem Pfadfinderheim statt.
Bekannt wurde diese autonome Jugendveranstaltung unter dem Namen
„flint“ und durch die für viele Jugendliche unverständliche Reaktion der
Landesregierung: Um eine weitere Großveranstaltung dieser Art zu verhindern, stellte sie den Neuburg-Hügel unter Naturschutz. Was in Koblach verhindert werden konnte, entstand wenig später in Bregenz als „Randspiele“,
die ein oppositioneller Gegenpol zu den etablierten und für manche Jugendliche konservativen Bregenzer Festspielen sein sollten.
Am Flint-Festival hatten als stille und wohlwollende Zuschauer auch
Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft für Private Jugendhilfe“ teilgenommen, die sich wenige Monate später in „Institut für Sozialdienste“ umbenannte. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der neue Verein als ein
wichtiges Ziel die „Errichtung und Führung von Häusern der offenen Tür
und anderer Kommunikationszentren“ ansah. Die Zeit der „offenen Jugendfürsorge“, aber auch der autonomen Jugendszene war gekommen.
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Sozialwesen in Vorarlberg
IfS-Geschichte
Die beginnende Jugendemanzipationsbewegung war auch mit der Frauenemanzipation verknüpft, wofür die Vorgänge in Dornbirn ein gutes Beispiel
darstellten: Im Herbst 1972 fand auf Initiative der Vorarlberger Jugendszene die Gründungsversammlung des auch vom IfS gewünschten Vereins
„Offenes Haus“ statt. Daraus entwickelte sich in der Folge der Verein „Spielboden“. Die Frauen und Freundinnen der dort engagierten Jugendlichen
und Junggebliebenen fanden sich 1973 zur ersten autonomen Frauengruppe
zusammen. Sie engagierten sich für sexuelle Aufklärung, für den Schutz
misshandelter Frauen und Kinder und für ein „Vorarlberger Frauenhaus“.
Das IfS reagierte auf diese Entwicklungen. Für junge Mädchen in Krisensituationen war bereits im November 1972 in Bregenz eine „offene
Wohnung“ geschaffen worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Beratungsdienste des IfS vertraten die Meinung, dass die komplexen Probleme allein mit strengen Gesetzen und Verboten nicht zu bewältigen sind.
In den Mittelpunkt der helfenden Bestrebungen traten die konfliktgeladenen, menschlichen „Beziehungssysteme“ in Familie, Ehe, Partnerschaft und
Jugend. In der Folge entwickelten sich die IfS-Krisenwohnungen, die Menschen während schwieriger Lebenssituationen Wohnmöglichkeit bieten,
sowie die IfS-FrauennotWohnung, die Frauen und Kindern, die von Gewalt
bedroht sind, Hilfe und Schutz gewährt.
Die neuen und kritischen Ideen der Reformpädagogik der 1970er Jahre
spielten eine wichtige Rolle: „Öffnet die Heime“ war die Devise. Psychiatriekritik, Kritik der „totalen Institutionen“, der Schulen, der Asyle, Kritik
der Bevormundung des Individuums durch die Autorität des Staates und der
Verwaltung etc. waren damals wichtige Forderungen. Dazu kam die Überzeugung, dass Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit im Sinne der Aufklärung dazu beitragen sollten, den Menschen aus seiner „selbstverschuldeten
Unmündigkeit“ zu führen. Selbstbestimmung, Verantwortung und Selbstentfaltung waren damals wichtige Lebensziele.
Die öffentlichen Fürsorgeeinrichtungen reagierten kaum auf die Folgen
des sozialen Wandels. Zur damaligen Zeit gab es nur wenige private soziale
Einrichtungen: Für Jugendliche galten die Jugendwohlfahrt und deren stationäre Angebote im Vorarlberger Kinderdorf, in den offenen Wohnungen
(sozialpädagogischen WGs) des IfS und im „Haus der jungen Arbeiter“ in
Dornbirn als Anlaufstellen. Um die Familien kümmerten sich Familienhelferinnen und die „Mutterschafts-, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“.
Als das IfS 1973 mit dem Ausbau seiner Beratungsstellen begann und
diesen 1978 in Dornbirn vorläufig beendete, hatte es ein völlig neues Tätigkeitsgebiet beschritten. Obwohl das IfS 1978 nur 18 Mitarbeiter beschäf-
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IfS-Geschichte
Sozialwesen in Vorarlberg
tigte, war man auf die eigenen Leistungen stolz: „Es kann daher heute mit
Sicherheit gesagt werden, dass Vorarlberg bei den sozialen Beratungsdiensten von allen Bundesländern das dichteste Versorgungsnetz aufweist“ (Jahresbericht).
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
Die Entwicklung des IfS und
seine Satzungen
Gründung und Anfangsjahre
Am 22. November 1962 traf man sich um 16.15 Uhr zur ersten Sitzung
im „Haus der jungen Arbeiter“ in Dornbirn. Es handelte sich um die
„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande Vorarlberg“.
Die Versammlung bestand aus Dr. Hermann Girardi, Dr. Adolf Würbel, Dr.
Herbert Tschofen, Oswald Lenz, Hannelore Ulmer, Gerda Schelling, Edwin
Böhler, Siegfried Lingenhel und Kaplan Emil Bonetti. Es ging um die Vorbereitung zur Konstituierung eines Vereins, der „keine Jugendbewegung“ sein
wollte und der sich „nach den Grundsätzen der Subsidiarität“ zu orientieren
versprach. Noch war man sich über den endgültigen Vereinsnamen nicht im
Klaren und auch nicht über die konkreten Aufgabenbereiche. Einen Monat
später kam man überein, dass man sich nur der „gefährdeten Jugend“ widmen und dies auch im Vereinsnamen zum Ausdruck bringen wollte.
Bei der dritten Sitzung am 11. Jänner 1963 gab Schriftführer Dr. Herbert Tschofen bekannt, dass die Sicherheitsdirektion zwei Tage zuvor die
„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Lande Vorarlberg“ als Verein nicht untersagt hatte. Damit begann die legale Tätigkeit
des Vereins.
Der Sitz des Vereins befand sich im „Haus der jungen Arbeiter“ in
Dornbirn. Zweck des Vereins war die Betreuung der Jugend und die Zusammenarbeit mit all jenen Kräften und Einrichtungen, die sich bisher damit
beschäftigt hatten. Außerdem versprach man die „Mitwirkung bei der Heranbildung einer seelisch, geistig und körperlich gesunden Jugend“. Insbesondere sollte die Vereinsarbeit der Familienförderung, der Vorbeugung und
Behebung jugendlicher Verwahrlosung, der Resozialisierung jugendlicher
Rechtsbrecher und der Sorge um jugendliche Arbeitskräfte und Pflegekinder gelten.
Trotz klarer Vereinsstatuten dienten die folgenden Monate der weiteren
Orientierung des Vereins. Man nahm Kontakte mit den Bezirkshauptmannschaften, der Katholischen Jugend und den Pfadfindern auf, suchte nach För-
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IfS-Geschichte
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
derern des Vereins und arbeitete am Aufbau „örtlicher Arbeitskreise“ in den
Städten des Landes. Der erste dieser Art entstand im März 1963 in Feldkirch.
Entscheidend für den weiteren Weg der Arbeitsgemeinschaft war die am
18. Mai stattfindende „Arbeitstagung“ in Dornbirn. Auf dieser sollte vor
allem geklärt werden, warum auf dem Gebiet der „gefährdeten Jugend“
überhaupt etwas getan werden musste und was der „Einzelne“ tun könne.
Auch war man sich nicht im Klaren darüber, welche Organisationsformen
die beste Wirkung besäßen.
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
Die Ergebnisse waren Mitte des Jahres vorhanden: „Es wird einhellig die
Auffassung vertreten, dass dem Verein vorwiegend die allgemeinen Aufgaben zukommen, während die Einzelbetreuung Jugendlicher zum überwiegenden Teil von den örtlichen Arbeitskreisen zu übernehmen ist.“ Weitere
wichtige Punkte galten der anzustrebenden Öffentlichkeitsarbeit und der
Werbung für den Verein und seine Zielsetzungen. In Vorarlberg werde
„zwar vielfach von der Jugend bzw. über die Jugend gesprochen, eine allgemeine, ernsthafte und bewusst helfen wollende Einstellung sei noch keineswegs Allgemeingut“.
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IfS-Geschichte
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
Im Laufe des Sommers 1963 waren neben Feldkirch auch in Bludenz, Dornbirn und Bregenz „Arbeitskreise“ entstanden, denen sich ein neues Problem
stellte: die Schulung der freiwilligen Helfer für die praktische Sozialarbeit.
Ing. Sepp Büsel wünschte sich für die theoretische Ausbildung die Behandlung folgender Themen: die Stellung der Familie, die Umwelt, Aufgaben
von Jugendorganisationen, „Verantwortung vor Gott und dem bürgerlichen
Gesetz“.
Im Vereinsjahr 1964 wurde eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen
abgehalten, welche der Ausbildung von Heimleitern und Fürsorgerinnen
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
galten. Dabei stellte sich das Problem der Finanzierung der Referenten,
welche für einen Vortrag 100 Schilling (7 Euro) erhielten. Es war ein großer
Fortschritt, als die Landesregierung einen Unterstützungsbeitrag von 15.000
Schilling (rund 1100 Euro) bereitstellte und dass vor allem Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler „der Tätigkeit des Vereins sehr wohlwollend“
gegenüberstand, „was für das Ansehen und die finanzielle Ausrichtung des
Vereins sehr zu schätzen ist. Es wird allgemein gutgeheißen, diese Kontakte
weiter zu pflegen“. Dennoch mahnte Adolf Würbel am Ende des Vereinsjahres, die „Arbeitsgemeinschaft für private Jugendhilfe“, wie sich der Verein
mittlerweile nannte, müsse endlich „auf eine solide finanzielle Basis gestellt
werden“. Dies war umso notwendiger, als man die Anstellung zweier hauptberuflicher Kräfte vorsah.
In den folgenden Jahren arbeitete der Verein unter seinem Vorsitzenden,
Bürgermeister Dipl. Ing. Rudolf Ammann aus Rankweil, der zugleich auch
Sektionsobmann der Sektion „Gewerbe“ in der Vorarlberger Handelskammer war, in den vorgegebenen Strukturen weiter.
Die praktische sozialarbeiterische Tätigkeit wurde von wenigen Helfern
durchgeführt, die sich meist mit Einzelfällen beschäftigten. Wie wenig man
sich eigentlich über die Grundprinzipien und Vorgangsweisen des Vereines
im Klaren war, beweist ein Diskussionspunkt auf der Vorstandssitzung vom
7. Juli 1967. Gründungsmitglied Kaplan Bonetti warf die Frage auf, „ob die
Arbeitsgemeinschaft eine Vereinigung zur Betreuung der Jugend oder eine
Jugendbewegung“ darstelle. Es wurde klargestellt, dass es eine Vereinigung
zur Betreuung der Jugend sei.
Der Nachfolgeverein Institut für Sozialdienste
Diesen unklaren Verhältnissen machte das Jahr 1971 ein endgültiges Ende.
Am 22. Jänner fand ein Arbeitsgespräch statt, an dem Hermann Girardi,
Sepp Büsel und Rita Ilg beteiligt waren. Sie legten ein neues Vereinsstatut
vor, welches als wichtigste Zielsetzungen eine Ausweitung der Tätigkeiten
und die Bildung eines mit prominenten Personen besetzten „Kuratoriums“
vorsah. Darunter befanden sich Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler, der
sozialistische Landesrat Dr. Walter Peter und Vertreter der katholischen wie
auch protestantischen Kirche.
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IfS-Geschichte
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
Was war geschehen? Seit
„mindestens zwei Jahren“
hatte keine Mitgliederversammlung mehr stattgefunden und der Vereinsvorstand
war nicht mehr „entlastet“
worden, zudem gab es über
die geleistete Arbeit keine
Rechenschaftsberichte.
Der Schriftverkehr wurde
dezentral von verschiedenen
Personen geführt. An praktizierenden
Einrichtungen
bestand seit 1969 eine einzige Anlaufstelle für Erziehungs- und Jugendberatung
in Bregenz, die nur von einer
Arbeitskraft besetzt war.
In Zukunft sollte die neue
Vereinstätigkeit wesentlich
ausgeweitet werden: auf Eheund Familienberatung sowie
auf Altenhilfe. Zu den dring- Die IfS-Präsidenten: 1971-1981 Dipl. Ing. Rudolf Amann (l.o.),
lichsten Aufgaben zählte man 1981-1995 Prof. Hans Sperandio, 1995-1998 Dr. Anton Fliri,
1999-2006 Gerhard Köhlmeier (r.u.)
eine verstärkte Ausbildung
der Sozialhelfer, die Schaffung eines Wohnheimes für gefährdete Jugendliche und eine Ausweitung des Helfer- und Mitarbeiternetzes.
Um all diese Pläne verwirklichen zu können, bedurfte es endlich einer
geordneten Verwaltung und organisatorischen Leitung. Dies geschah durch
die Anstellung des bisher bei der Landwirtschaftskammer für Vorarlberg
tätig gewesenen Sepp Büsel. Rita Ilg arbeitete als erste hauptberufliche
Sozialarbeiterin.
Der Verein „Institut für Sozialdienste“ entsteht
In der Sitzung vom 23. März 1971 wurde in Anwesenheit von Dipl.-Ing.
Rudolf Ammann, Dr. Margit Seyfried, Edwin Böhler, Dr. Elmar Fischer,
Dr. Hermann Girardi, Dr. Günther Hagen, Siegfried Lingenhel und
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
Dir. Manfred Schnetzer ein neuer Verein aus der Taufe gehoben: Als Nachfolger der „Arbeitsgemeinschaft für Private Jugendhilfe“ war das „Institut
für Sozialdienste – Private Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Erziehungsberatung, Eheberatung, Altenhilfe“ entstanden. Die Bewilligung durch die
Sicherheitsdirektion erfolgte am 1. April 1971.
Gemäß den Vereinsstatuten hatte das neue „Institut für Sozialdienste“
seinen Sitz in Bregenz und erstreckte seine Tätigkeit auf das Land Vorarlberg. Das IfS, wie es kurz genannt wurde, sah seine Tätigkeit im Rahmen der
freien Wohlfahrtspflege ausschließlich für gemeinnützige Zwecke und als
politisch sowie konfessionell unabhängige Einrichtung. Im Statut wurden
jene Aufgaben festgelegt, welche für die kommenden Jahrzehnte zur Grundlage und Ausrichtung der Vereinsarbeit werden sollten:
• Beratungsdienste für Jugendliche, alleinstehende Frauen, alte Leute, Ehen
und Familien
• Befürsorgung von Sozialhilfebedürftigen
• Förderung außerschulischer Jugendarbeit
• Aus- und Fortbildung des Beratungs- und Betreuungspersonals
• Einrichtung sozialer Dienste
• Forschung und Planung für die Wohlfahrtspflege
• Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Wohlfahrtspflege
• Einrichtungen und Maßnahmen mit Modellcharakter und
• die Herausgabe von Publikationen und Zeitschriften bezüglich Wohlfahrtspflege
Professionalisierung und Satzungsänderungen
1973 begann der Verein mit seiner professionellen Arbeit und ab 1975
erfolgte eine dynamische Entwicklung der Vereinsaktivitäten, die ab 1977
insbesondere durch den Geschäftsführer Manfred Dörler betrieben und
gefördert wurde. Die Entwicklung betrafen die vielfältigen Beratungsdienste
für verschiedenste Gruppen, den Ausbau von Beratungsstellen, den Aufbau
von Jugend-Wohngemeinschaften und die Verwirklichung von neuen Projekten.
Mit der Ausweitung der Tätigkeitsfelder stiegen auch die finanziellen
Ausgaben des Vereins kontinuierlich an. Um diese Ausgaben zu legitimieren
und die vorhandenen Ressourcen sparsam einzusetzen, wurden dem Institut
für Sozialdienste und seinem Trägerverein im Jahr 1982 neue Satzungen
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IfS-Geschichte
und eine neue Geschäftsordnung gegeben. Damit wollte
man auch der personellen und
regionalen Ausweitung des
Vereins sowie der Vermehrung seiner Aufgaben entsprechen.
Gleich geblieben waren
jedoch die grundlegenden
Prinzipien dieses in Österreich
einmaligen Vereins, der weitgehend Aufgaben der öffentlichen Hand übernommen hatte
und „Modellcharakter“ besaß.
Sein Motto hieß: „Weniger
Staats- mehr Eigeninitiative
auch im Dienstleistungsbereich der Sozialarbeit – Subsidiarität, Unabhängigkeit von
politischen Parteien und von
konfessionellen Bindungen
kommen hier in unserer
Gesellschaft Benachteiligten
zugute.“
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
1974 Dr. Erika Neumann
Im IfS war fix ein Vorstand
installiert worden. Den ersten Vereinsvorstand bildeten Sepp Büsel (bis 1981), Dr.
Erika Neumann (bis 1983)
und Hedwig Gmeiner (bis
1985). In der Folge gehörten
diesem Vorstand des Weiteren
mit unterschiedlicher Dauer
an: Manfred Dörler (19771995), Dr. Stefan Allgäuer
(1983-1995), Ulrike Tschofen
(1988-1990) und Julius Schedl
(1989-1992).
Führende IfS-MitarbeiterInnen: Ulrike Tschofen (l.o.),
Julius Schedl, Erika Neumann
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
1978: Institut für Sozialdienste im „Vorarlberg Bericht“ (Mitte Mag. Helmut Spirk)
Wie sehr das Land an der Tätigkeit des IfS interessiert war, bewiesen seine
Rahmenvereinbarungen mit diesem im Oktober 1992. Sie regelten die
Zusammenarbeit hinsichtlich gemeinsamer sozialpolitischer Zielsetzungen
und Grundsätze, ferner die Aufgabenteilung, Koordination, die Information
und schließlich die Finanzierung und Kontrolle der Leistungen.
Zu weit reichenden Satzungsänderungen kam es im
November 1994: Der Dienstleistungsbereich wurde aus
dem Verein ausgegliedert und
in eine gemeinnützige GmbH
umgewandelt. Die Größe des
IfS, Haftungsfragen und die
Forderung nach effizienteren
Organisationsformen waren
für diese Veränderung ausschlaggebend. In der Folge
Prof. Hans Sperandio (links) mit Manfred Dörler
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IfS-Geschichte
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
wurden die beiden Fachgruppen, die IfS-Schuldenberatung
und die IfS-Familienarbeit
verselbständigt. Für die IfSSachwalterschaft und Patientenanwaltschaft wurde ein
eigener Verein gegründet, da
eine Trägerschaft durch eine
GmbH gesetzlich nicht möglich war.
Die
vorgenommenen
Änderungen im November 1994 hatten sich gelohnt:
Langjähriger Sitz des IfS Vorarlberg; Bregenz, Römerstraße
Das Institut für Sozialdienste
war flexibler geworden, die
Entscheidungsprozesse
in
den selbständigen Bereichen
erwiesen sich als einfacher und
schneller, außerdem arbeiteten
die kleineren Einheiten kostengünstiger und sparsamer.
Hinter diesen Innovationen
standen ganz wesentlich die IfS-Mitgliederversammlung
beiden damaligen Geschäftsführer des IfS, Manfred Dörler und Dr. Stefan Allgäuer. Beide hatten die
Auffassung vertreten, dass sich eine Organisation permanent verändern und
sich neuen Gegebenheiten anpassen müsse. Auch habe sich das Management laufend Gedanken über die nähere und weitere Zukunft zu machen.
Sie befürchteten die Entsolidarisierung und Vereinsamung der Menschen,
ihre Aufteilung in eine „Zweidrittel-Gesellschaft“, was Arbeit, Einkommen
und Umwelt betreffe, und wünschten sich vor allem einen „entkrampften
Umgang mit Fremden in unserem Land“.
In den folgenden Jahren stiegen die KlientInnenzahlen des IfS kontinuierlich an. 1994 nahmen insgesamt 13.483 Personen die Beratungsangebote
des IfS in Anspruch. Im Jahr 2000 war die GesamtklientInnenzahl bereits auf
21.782 angestiegen. Im Jahr 2005 kontaktierten 28.172 VorarlbergerInnen
das IfS und im Folgejahr waren es bereits 30.338 Menschen. Problemfelder
hatten sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Immer mehr Menschen
litten an psychosomatischen Erkrankungen und Burnout-Erscheinungen.
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
1995: IfS-Geschäftsführer und IfS-Präsident Dr. Anton Fliri (mitte)
Des Weiteren vollzog sich eine Sensibilisierung gegenüber Gewalt, woraus
eine Intensivierung der Opferschutzarbeit resultierte. Ein weiteres Problem
stellte die „Schuldenfalle“ dar, in welche vor allem Jugendliche auf Grund
ihrer Konsumansprüche tappten. Im Zusammenhang mit Wirtschaftsrezession und Arbeitslosigkeit trat eine verdeckte Armut in Erscheinung.
Das Institut für Sozialdienste und sein Wirken im sozialen Netz
Die Entwicklung des sozialen Netzes in Vorarlberg wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch viele kleine Initiativen und einige große Sozialorganisationen (wie die Caritas, das IfS und die Lebenshilfe) beeinflusst und
vorangetrieben. Heute wird die soziale Arbeit im Netzwerk Vorarlberg von
einer Vielzahl an Partnern – Gemeinden, Sozialeinrichtungen und Vereine
– geleistet (vgl. Sozialbericht 2006 des Landes Vorarlberg – dieser weist für
das Jahr 2005 283 Sozialorganisationen bzw. Soziale Dienste aus, die insgesamt 7.512 hauptamtliche MitarbeiterInnen beschäftigen).
In all den Jahren zeichneten sich die Arbeit und das Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IfS durch Sensibilität und Kompetenz aus.
Dem in der Bevölkerung vorhandenen Bedarf an sozialen Leistungen wurde
mit der Erstellung neuer Konzepte für bedarfsgerechte Angebote begegnet.
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IfS-Geschichte
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
Ein solches Vorgehen wurde
durch die innovationsfördernden Strukturen des Institut
für Sozialdienste unterstützt
und erleichtert. So lässt sich
auch das stetige Anwachsen
der Organisation erklären – in
der Bevölkerung vorhandener Bedarf wurde durch neu
entwickelte Konzepte, deren
Umsetzung von Auftraggebern wie Land Vorarlberg und
Bund als wichtig und erstrebenswert erachtet wurden,
gedeckt.
Doch das IfS hat in der
Vergangenheit auch immer
wieder bewiesen, dass es offen
für Kooperation im sozialen
Netz ist und nicht das Ziel
verfolgt, eine Vormachtstel- 1992: 30 Jahre Institut für Sozialdienste
lung einzunehmen. Beispiele
hierfür sind die Zusammenarbeit mit eVORIS – Soziale Dienstleister Vorarlberg gGmbH, dem aks und der Plattform Gesundheitsförderung sowie
die Beteiligung am Aufbau des Arbeitgeberverbandes. Die eVORIS ist eine
Kooperataion von Lebenshilfe, Caritas, ABF und IfS und hat den Arbeitsmarkt für benachteiligte Menschen als Schwerpunkt. Zudem startete das IfS
zusammen mit der Caritas, der Lebenshilfe, der Pädagogische Akademie und
der Stadt Feldkirch das Modell „Soziale Berufsorientierung“ für junge Menschen, aus dem sich in der Folge das „Freiwillige Soziale Jahr“ entwickelte.
Das Institut für Sozialdienste war im Laufe seiner Entwicklung in den Proponenten- und Gründerkomitees mehrerer wichtiger sozialer Einrichtungen
vertreten. Stets zählte die Unterstützung und Förderung anderer sozialer
Strukturen und Entwicklungen zu seinen Bestrebungen. So unterstützte
das IfS beispielsweise den Aufbau des Vorarlberger Landeszentrum für
Hörgeschädigte, der Akademie für Sozialarbeit, der Telefonseelsorge (TS),
der Sozialsprengel Hard und Feldkirch, der Krankenbegleitung der Diözese
Feldkirch und den Aufbau der Patientenanwaltschaft.
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Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen
IfS-Geschichte
Im April 1992 wurde die Einrichtung „aha – Tipps und Infos für junge
Leute“ in Dornbirn eröffnet. Das Konzept dazu erstellte das IfS mit dem
Land Vorarlberg und der Stadt
Dornbirn. Ziel dieses ersten
Jugendinformationszentrums
Vorarlbergs war es, Jugendlichen „Hilfe zu Selbsthilfe“
zu bieten, ihnen Zugang zu
Informationen über sämtliche Lebensbereiche und damit
eine aktive Lebensgestaltung
und persönliche Entfaltung zu
ermöglichen. Solche Informa1992: aha - Tipps und Infos für junge Leute
tionen betrafen z. B. Bereiche
wie Urlaub, Freizeit, Ferialarbeit, Jugendaustausch, Sprachkurse usw. Durch
die 1995 erweiterte Infrastruktur wie Internet und E-Mail wurden die internationalen Kontaktmöglichkeiten intensiviert. Dass das Jugendinformationszentrum auch angenommen wurde, beweisen die Besucherzahlen, die
sich allein im Jahr 1997 auf rund 10.000 beliefen.
Des Weiteren ist das IfS
im Kriseninterventionsteam
(KIT) und an der „Plattform
Gesundheitsförderung“ maßgeblich beteiligt. Auch die
Gründungen von EASPD
(Dachverband der Behinderteneinrichtungen in der EU)
und des Vereins „Möwe“ fand
tatkräftige
Unterstützung
durch
das
IfS.
Zudem betei2002: 40 Jahre IfS mit LH Sausgruber
ligte es sich darüber hinaus
am Aufbau des IGK (heute connexia), der österreichweiten Arbeitsgemeinschaft für Schuldenberatung, der österreichweiten Arbeitsgemeinschaft für
Arbeitsassistenz und des Dachverbandes der Österreichischen Jugendwohlfahrtsträger (DÖJ).
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IfS-Geschichte
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche
Sozialpolitische Prinzipien
Als Leitgedanke für die soziale Gesetzgebung hatte sich das Land Vorarlberg
für das Prinzip der Subsidiarität entschieden. Dies bedeutet, dass Regierung
und Verwaltung zwar kontrollieren, koordinieren und finanzieren, die praktische Sozialarbeit jedoch privatrechtlichen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege überlassen werden sollte.
Was die arbeitsorientierten Leitlinien des IfS betraf, so beruhten diese
auf folgenden Grundsätzen: jenen der Professionalität, der NahraumOrientierung, der Kooperation und Koordination und schließlich auf jenen
der sozialpolitischen Grundlagenarbeit.
Auf der Nahraum-Ebene bemühte sich das IfS, diverse soziale Aktivitäten im lokalen Bereich (Sozialsprengel, gesunde Lebensräume kommunale
Gemeinwesenprojekte) anzuregen, zu unterstützen, zu begleiten und diese
mit fachlichen Informationen zu versehen. 1991 wurde das „IfS-PRO-Team“
gegründet, das im Folgejahr mit seiner Tätigkeit startete. PRO machte es
sich zur Aufgabe, Gemeinden, Regionen oder sonstige Gruppierungen im
Sozialbereich bei Entwicklungsprojekten wie der Situationsanalyse, Zielsetzung, Maßnahmenplanung und Evaluation zu begleiten und zu unterstützen. Dabei erstellte das „PRO-Team“ die erforderliche Expertise, sorgte für
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und vermittelte erforderlichenfalls zwischen den Beteiligten.
Diskussion mit LR Dr. Hans Peter Bischof
HR Dr. Ludwig Rhomberg
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Leitlinien und Tätigkeitsbereiche
IfS-Geschichte
1995: Besuch des Sozialausschusses des Vorarlberger Landtages
Die alltägliche, praktische Arbeit führte zu verschiedensten Kontakten,
angefangen von Politikern und Beamten (so z. B. mit dem Leiter der Abteilung IVa der Vorarlberger Landesregierung Dr. Ludwig Rhomberg) bis zu
den betreuten Gruppen. Die dadurch erhaltenen Informationen und Erfahrungen verlangten, neue Wege zu gehen und Lösungen zu finden, und boten
schließlich manche Orientierung für Zielsetzungen und Entscheidungen der
Landtags- und Regierungspolitik.
Das Angebot des IfS
Ein Arbeitsschwerpunkt des IfS lag auf den fachlich qualifizierten und effizienten Beratungsdienstleistungen, die in den einzelnen IfS-Beratungsstellen organisiert waren. Solche Beratungsstellen entstanden zwischen 1973
und 1978 zuerst in den Städten Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz
und wurden in den folgenden Jahrzehnten auf den Bregenzerwald (erst in
Andelsbuch, später in Egg), Hohenems sowie die Außenstelle Kleinwalsertal ausgedehnt. In Regionen wie beispielsweise dem Montafon oder dem
Klostertal wurden zeitweise bedarfsorientiert Sprechstunden angeboten.
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IfS-Geschichte
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche
Die Einrichtung der Außenstellen erfolgte bedarfsorientiert. Nach erfolgreicher Deckung des vorhandenen Bedarfs wurden die Stellen in den Talschaften Klostertal und Montafon wieder aufgelassen.
Die IfS-Beratungsstellen sollten ohne Schwierigkeiten erreichbar sein
und neben Informationen auch länger dauernde Therapien anbieten. Eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Sozialinstitutionen wurde
angestrebt.
Die kleinen Arbeitseinheiten des IfS, personell, organisatorisch und
finanziell überschaubar, trugen dazu bei, dass die Hilfe- und Ratsuchenden
ihre Schwellenangst zu reduzieren vermochten und frühzeitig angesprochen werden konnten. Gegenüber den KlientInnen entwickelten sich einige
grundlegende Verhaltensprinzipien. Dazu zählten die Wahrung der Anonymität, die Versuche, die KlientInnen auf verschiedenen Ebenen und Wegen
anzusprechen, und die Freiwilligkeit der Beratung.
Fachlich gliederte sich das IfS Anfang der 1980er Jahre in folgende Bereiche:
An den IfS-Beratungsstellen fächerte sich das Angebot in Erziehungs- und
Jugendberatung, Ehe- und Erwachsenenberatung, Familienberatung und
Familienplanung auf. Weitere Tätigkeitsfelder des IfS waren die berufliche
und soziale Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen, die Betreuung von sozialpädagogischen Wohngemeinschaften sowie die Sozial- und
Gemeinwesenarbeit. Die praktische und dezentral durchgeführte Arbeit
erstreckte sich auf alle Gemeinden.
Anfänglich stand ein Teil der Vorarlberger Bevölkerung den Tätigkeiten des IfS skeptisch gegenüber. Lange Zeit wurde die allgemeine Meinung
vertreten, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter würden lediglich sozial
gestrauchelte Personen, Menschen, die ihr Leben „nicht in den Griff bekommen“, betreuen. Im Jahr 2000 konnte jedoch ein grundlegender Wandel
der öffentlichen Meinung, nämlich hin zu „breiter Wertschätzung“, konstatiert werden. Durch die Entwicklung neuer Methoden und Prinzipien
erhielt Sozialarbeit einen neuen Stellenwert. Dank des Grundsatzes „Hilfe
zur Selbsthilfe“ standen nicht länger Abhängigkeitsverhältnisse und Bevormundung im Vordergrund, sondern die Selbstbestimmung der Klientin bzw.
des Klienten sowie das neuerliche Finden von eigenen Kräften und Ressourcen.
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Leitlinien und Tätigkeitsbereiche
IfS-Geschichte
Finanzen
Zehn Jahre nach der Gründung des IfS beliefen sich dessen Ausgaben im Jahr
1982 auf ca. 31 Millionen Schilling (rund 2,3 Millionen Euro). Bis 1996 war
der Gesamtumsatz auf 108 Millionen Schilling (rund 7,8 Millionen Euro)
angewachsen. Die Kosten wurden entsprechend der Gesetzeslage vom Land
Vorarlberg, von den Gemeinden, vom Bund aber auch von Eigenerlägen der
KlientInnen aufgebracht. Die grundlegenden öffentlichen Verpflichtungen
ergaben sich als Folge der Sozialhilfe-, der Jugendwohlfahrts- und Rehabilitationsgesetze.
Mit Beginn des Jahres 1986 übernahm Mag. Klaus Kühne die Zuständigkeit für den finanziellen Bereich des IfS. Das finanzielle Risiko für die
enormen Beträge wurde vom IfS getragen, es übernahm somit die volle Verantwortung über einen eventuellen finanziellen Abgang. Um einen solchen
zu verhindern, gab es seit 1986 eine EDV-basierte Kostenrechnung samt
„Controlling“. Das IfS war daher in der Lage, jeden „Fall“ einzeln abzurechnen und die notwendigen Vergleiche zwischen Aufwand und Ertrag anzustellen. Im Prinzip arbeitet das IfS auf der betriebswirtschaftlichen Basis
gewinnorientierter Dienstleistungsbetriebe. Die Bilanzen werden jährlich
durch unabhängige Wirtschaftstreuhänder, periodisch durch das Finanzamt,
die Gebietskrankenkasse sowie durch die Kontrollabteilung des Amtes der
Vorarlberger Landesregierung überprüft. Seit 2000 gibt es eine zusätzliche
Prüfungsvereinbarung mit dem Land Vorarlberg, die besagt, dass der Rechnungshof die Bilanzen des IfS überprüfen darf. Des Weiteren bestehen für
all jene Aufgabengebiete, die im Auftrag des Bundes ausgeführt werden,
Vereinbarungen, die die Kontrolle durch die zuständigen Bundesministerien regeln.
Die Finanzgebarung des Jahres 1996 liefert einen Überblick über die
jeweiligen Ausgaben der einzelnen Arbeitsschwerpunkte: Mit 49,7 Millionen Schilling (3,6 Millionen Euro) standen an erster Stelle die Kosten
für die sieben Beratungsstellen. An zweiter Stelle folgten mit 22 Millionen
Schilling (1,6 Millionen Euro) die Ausgaben für die Arbeit mit Menschen
mit Behinderungen. Sodann gab es Ausgaben von 20,6 Millionen Schilling
(1,5 Millionen Euro) für die vier sozialpädagogischen Wohngemeinschaften
und 5,9 Millionen Schilling (430 000 Euro) für „soziale Wohnformen“.
Zwei Jahre später betrug der Gesamtumsatz 116,3 Millionen Schilling,
was etwa 8,5 Millionen Euro entspricht. Diese Zahlen erhöhten sich im Jahr
2006 auf 16,73 Millionen Euro und stiegen somit auf das Doppelte an. Als
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IfS-Geschichte
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche
Ursachen können unter anderem die Übernahme neuer Aufgabenbereiche
und die ständig wachsenden KlientInnenzahlen angeführt werden: Während
im Jahr 1998 18.076 Personen beraten wurden, fanden 2006 bereits 30.338
Menschen den Weg in das IfS, wobei vor allem die Erwachsenenberatung
und in bisher kaum bekanntem Ausmaß die Schuldenberatung das größte
Wachstum aufwiesen.
Organisation
Wenn auch das Organigramm des Institut für Sozialdienste eine klare Struktur aufweisen mag, so verhält es sich in der Praxis und im Alltag anders.
Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer erläuterte dies wie folgt: „Das IfS hat
keine starre Struktur. Vielmehr ist das IfS eine lebendige Organisation, die
in ihrem Wirken stark durch die Persönlichkeiten jener Menschen, die hier
arbeiten, geprägt ist. Es gibt nicht das Produkt der ‚Beratung‘, der ‚Begleitung‘, der ‚Psychotherapie‘. Vielmehr ist dieses Produkt geprägt und gestaltet durch die (unterschiedlich) handelnden Personen und deshalb immer
wieder anders, individuell und einmalig.“
Durch ein solches Agieren gelang es dem IfS über all die Jahre hinweg,
die weltanschauliche Unabhängigkeit von politischen Strukturen aufrecht
zu erhalten. Es gelang,
abseits von theoretischen Überlegungen
eine zukunftsorientierte,
experimentierende,
dynamische
und weltoffene soziale
Arbeit zu leisten, die
sich nicht unbeweglichen und dogmatischen
Verhaltensmustern
verpflichtet
fühlte,
sondern einer lebendigen und humanen
Gegenwart.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Soziale Dienstleistungen
In Vorarlberg entwickelte sich im Laufe der Jahre auf der Basis der Grundsätze und Ziele der Vorarlberger Landespolitik eine Aufgabenteilung im
Bereich der sozialen Dienstleistungen. Man spricht von den drei Ebenen der
psycho-sozialen Versorgung: die Ebene des „Nahraumes“, jene der „Professionellen Fachdienste“ (ambulant und stationär) sowie die Ebene von „Staat,
Land und Gemeinden“.
Die Ebene des „Nahraumes“ umfasst Familien, Selbsthilfe, primäre Netze
(wie Nachbarschaftshilfe, Hauskrankenpflege, Gesunder Lebensraum, Sozialsprengel, Aktivitäten der Gemeinwesenarbeit und Vereine), gemeindenahe
soziale Strukturen und erste professionelle Dienstleistungen. Auf dieser
Ebene wird eine Ergänzung der primären Netze sowie eine Vernetzung und
Koordination vor Ort angestrebt. Der Bedarf an sozialen Dienstleistungen lässt sich im Nahraum aufgrund der Nähe und Betroffenheit erfassen.
Längerfristige Kontakt- und Betreuungsaufgaben werden auf dieser Ebene
wahrgenommen (z. B. Mobile Hilfsdienste und Betreuung alter Menschen,
sozial-psychiatrische Begleitung, Tagesstruktur für Menschen mit Behinderungen). Die Unterstützung von Ehrenamtlichen, sozialen Kampagnen und
Erhebungen werden forciert, eine Stärkung der kommunalen Kompetenz
und Verantwortung angestrebt.
Auf der Ebene der „Professionellen Dienstleistungen“ sind bedarfsgerechte, qualifizierte Fachdienste angesiedelt, die den Kriterien „Qualität“
und „Akzeptanz“ zu genügen haben. Zu nennen wären hier für das Land
Vorarlberg der aks, die Caritas, das Institut für Sozialdienste, die Lebenshilfe und das Vorarlberger Kinderdorf. Das Angebot dieser professionellen
Dienstleister umfasst soziale Dienste, ambulante Interventionen bzw. Maßnahmen, stationäre Angebote sowie Übergangs- und Mischformen aus den
eben genannten Angeboten. In Vorarlberg zeichnet sich diese zweite Ebene
durch eine umfassende Struktur von sozialen Dienstleistungen aus, wobei
teilweise das Prinzip der Bündelung von Leistungen bei „großen“ Trägern
verfolgt wird. Somit sind ein generalistischer Zugang sowie eine Differenzierung nach innen gegeben. Die professionellen Dienstleistungen haben keine
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
finanziellen Zugangsbarrieren, der Gedanke der „Prävention“ spielt eine
vorherrschende Rolle in der Ausgestaltung der sozialen Dienstleistung.
Aufgaben der „öffentlichen Hand“ sind auf der dritten Ebene „Staat,
Land, Gemeinden“ insbesondere die Formulierung von Zielvorgaben, die
Planung und Koordination sozialer Dienstleistungen sowie deren Finanzierung und die Durchführung des Controllings. Das Land Vorarlberg hat
sich auf diese Aufgaben beschränkt und ist daher im Sozialbereich nicht als
Dienstleister tätig. Ausnahmen hiervon sind hoheitliche Aufgaben wie die
Jugendwohlfahrt, die Finanzierung (wie beispielsweise die offene Sozialhilfe)
sowie kommunale Pflegeheime.
Kinder
Allgemeine „Kinderfürsorge“
Die Kinderfürsorge des Landes Vorarlberg stellte in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg einen wichtigen Bestandteil der sozialen
Verwaltung dar. Sie wirkte sich auf die verschiedensten Bereiche aus: Die
so genannte „geschlossene Fürsorge“ unterstützte Kinder mit Behinderungen in diversen Anstalten. Kinderbeihilfen gingen an Pflegekinder und
TBC-kranke Familien, außerdem wurden Schülerausspeisungen, „AuslandsKinderverschickungen“ und Kinderferienheime unterstützt. Das Land hatte
sich auch um das Pflegekinderwesen, Amtsvormundschaften und Alimente
zu kümmern. In den Gemeinden erfuhren die seit den 1950er Jahren bestehenden Säuglingsfürsorge- und Mutterberatungsstellen finanzielle Hilfe.
In Vorarlberg zeigte die Sorge um die Betreuung gefährdeter Kinder nach
1945 drei bestimmte Trends: Um die Wirtschaftlichkeit des sozialen Systems
zu gewährleisten, versuchte man über die therapeutisch-stationäre Betreuung hinaus die vorbeugende Beratung auszubauen. Außerdem entsprach es
dem weltanschaulichen Prinzip der Landes-ÖVP, wenn sie Erziehung und
Betreuung von Kindern nicht allein den Schulen überlassen wollte. Im Sinne
ihres Subsidiaritätsprinzips sollten Eltern und Familien primär zu erhöhter
Verantwortung herangezogen werden und dies unter dem Gesichtspunkt
der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Außerdem wünschte man sich Privatinitiativen
informeller Gruppen und Vereine. Das IfS entsprach somit voll und ganz
diesen Vorstellungen.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Daneben wirkten auch private Einrichtungen der Kinderfürsorge, die in Vorarlberg erst seit den 1960er Jahren entstanden. Im Jahr 1985 waren diese
Einrichtungen auf drei Ebenen tätig: vorbeugend, beratend (ambulant und
therapeutisch) sowie stationär. Zu letzteren zählten vor allem die Heilpädagogische Station Carina, Mutter-Kind-Heime und die sozialpädagogischen
Wohngemeinschaften des IfS.
Aufgaben im Bereich der Beratung nahmen die Jugendämter der Bezirkshauptmannschaften sowie die Sozialämter der Gemeinden wahr. In diesem
beratend-ambulanten Rahmen wirkte das IfS mit seinen Beratungsstellen.
Hinzu traten die Beratungsstellen des Arbeitskreises für Sozialmedizin (aks)
und der Caritas, die Programme „Gesunder Lebensraum“, die Tätigkeiten
innerhalb der Sozialsprengel und diverser Pflegeelternvereine.
Die vorbeugenden sozialen Aktivitäten für Kinder in deren Nahraum
waren in Vorarlberg nicht weniger vielfältig: Abgesehen von den Kindergärten und Schulen wirkten im Sinne der „Fremdhilfe“ Pflegeeltern, Tagesmütter, die Säuglingsfürsorge und schließlich die verschiedensten Eltern- und
Familienrunden.
Erziehungsberatung
Die Erziehungsberatung von Kindern gehörte von Anfang an zu den Arbeitsbereichen des Institut für Sozialdienste. Der häufigste Anlass für Eltern, sich
mit ihren Kindern an eine Beratungsstelle zu wenden, stellte die Wahrnehmung von Störungen im schulischen Leistungsbereich dar. Dabei handelte
es sich vor allem um Lernschwierigkeiten und Konzentrationsschwächen.
Seit den 1980er Jahren traten vermehrt Probleme in Beziehungsbereichen
in den Vordergrund wie Ängste, Unsicherheit, Kontaktschwierigkeiten, aber
auch Aggressivität, Lügen und Stehlen.
1985 wurde die Erziehungs- und Jugendberatung von 534 Personen
in Anspruch genommen, zehn Jahre später hatte sich diese Zahl beinahe
verdoppelt. 2006 fanden insgesamt 1.263 Menschen den Weg in die Erziehungs- und Jugendberatung. Dennoch war es offensichtlich, dass diese
Hilfesuchenden nur die Spitze eines Eisberges waren, weil für viele Eltern
der Gang zur Beratung mit einer hohen „Schwellenangst“ verbunden war
und als Eingeständnis des eigenen erzieherischen Unvermögens aufgefasst
wurde. Außerdem wurden Familienverhältnisse als „Privatsache“ angesehen, in die man sich von außen nicht einzumischen hatte.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Bei der Vorgangsweise zur
erzieherischen Problemlösung
konzentrierte sich die Beratung
des IfS auf zwei Schwerpunkte:
Erziehungsarbeit wurde stets
als Beziehungsarbeit angesehen
und legte somit Wert auf die
erzieherische Integration der
Familie bzw. der ErzieherInnen.
Erfolgschancen sah man weiters
nur dann, wenn das soziale Netz
Konflikte zuließ und wenn sich
die Betroffenen den Konflikten
stellten.
Das Verständnis von „Erziehungsberatung“ hatte sich
im Laufe der Jahre dahingehend verändert, dass sich der
Fokus nunmehr nicht lediglich
auf den „Problemträger Kind“
richtete. Der Beratungsalltag
hatte gezeigt, dass das gesamte
System, in dem das Kind aufwächst, mit all seinen Rahmenbedingungen
beleuchtet werden musste. Zunehmend wurden immer mehr systemische
Beratungen durchgeführt, d.h., Eltern, Geschwister und weitere wichtige
Bezugspersonen wurden verstärkt in den Beratungsprozess miteinbezogen.
Es galt, nicht mehr alleine das Kind zu „verändern“, sondern das gesamte
Umfeld wurde in die Beratung integriert. Diese Veränderungen bedingten
weitere Überlegungen und Entwicklungen innerhalb des IfS, die eine Auffächerung des Angebots für Kinder sowie eine Spezialisierung im Bereich
der „Psychotherapie für Kinder“ zur Folge hatten.
Vaterrolle
Im Beratungsalltag des IfS zeigte sich, dass die Beratungs- und Therapieangebote nur zu einem Drittel von Männern wahrgenommen wurden, noch
geringer war der Anteil der Väter. Doch gerade diesen sollte gemäß den sozi-
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
alintegrativen Vorstellungen der BeraterInnen eine verstärkte erzieherische
Rolle zukommen.
Im Zusammenhang mit der sich verändernden Rolle und dem sich verändernden Selbstverständnis der Frau, aber auch durch steigende Scheidungsraten und neue Familienformen hatten sich neue Rahmenbedingungen
ergeben. Diese erforderten eine Neukonzeption des Vaterbildes und ein
Überdenken der klassischen Vaterrolle und der Anforderungen an Väter.
Um die neue Bedeutung der Väter aufzuzeigen und ihre bisherige traditionelle Rolle zu hinterfragen, initiierte das Institut für Sozialdienste unter
der Federführung von Dr. Michael Schmid über die Jahre hinweg immer
wieder Aktivitäten zum Themenbereich „Väter“. Beispielsweise wurde 1990
das Projekt „Vater“ durchgeführt, 1998 startete das IfS gemeinsam mit dem
Fotokünstler Nikolaus Walter eine Foto-Wanderausstellung zum Thema
„Manns-Bilder“.
Freizeit
Im Sinne des Präventionsgedankens und des vorbeugenden Handelns initiierte und unterstützte das Institut für Sozialdienste zahlreiche Aktionen
im Freizeitbereich. Es wurde und wird aus präventiver Sicht als sinnvoll
erachtet, bis in den Bereich der Freizeit vorzudringen, um Kindern frühzeitig
soziales Lernen zu ermöglichen, soziale Integration zu fördern und die Ressourcen des Sozialraums zu stärken.
Als beispielhafte Projekte und Aktionen sind unter anderen z. B. das
„Neuburglager“ für Menschen mit Behinderungen, woraus sich der Freizeitverein „Möwe“ entwickelte, die Kinderstadt „Klein Feldkirch“, das
Projekt „Familiengerechte Gemeinde“ und die Wochenendgruppen der IfSFamilienarbeit zu nennen.
Erfolgreich gestaltete sich Ende der 1980er Jahre eine Aktion zweier IfSErziehungsberater, die sich den Kinderspielplätzen in Vorarlberg widmete.
Den beiden Psychologen war in deren Praxis aufgefallen, dass vielen Kindern „der Bezug zu Natur und Umwelt fehlte“, dass sie ihren gesunden
Bewegungsdrang nicht auszuleben vermochten und spielerische Kontakte
zu anderen Kindern fehlten. Um dies zu ändern, unternahmen die IfSBeraterInnen 1987 eine Analyse der Vorarlberger Spielplätze. Sie kamen
dabei zu einem ernüchternden Ergebnis: Obwohl die Vorarlberger Landesregierung 1976 eine umfassende und wohlmeinende Kinderspielplatzverordnung erlassen hatte, besaßen die meisten Kinderspielplätze „eine reine
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Alibifunktion“. Sie zeichneten sich durch „Sterilität, Willkür und Lieblosigkeit“ aus.
Um diesen tristen Verhältnissen Einhalt zu bieten, gaben die beiden IfSBeraterInnen, Dr. Ali Fürst und Dr. Günther Rösel, 1989 „Ein Handbuch für
eine qualitative Spielplatz-Kultur“ heraus, welches vor allem den Gemeinden
und den Initiatoren von Spielplätzen konkrete Hilfestellung bieten soll.
Im Jahr 2005 startete das Land Vorarlberg unter der Schirmherrschaft von
Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber das Schwerpunktprogramm
„Kinder in die Mitte“, um Vorarlberg zur kinderfreundlichsten Region werden zu lassen. Von Beginn an engagierten sich das IfS und das Vorarlberger
Kinderdorf im Rahmen dieses Programms, nahmen an dessen Gestaltung
und Umsetzung aktiv teil, da die Unterstützung und Förderung von Kindern
eines der zentralen Anliegen dieser Organisationen ist und Prävention als
ein herausragendes Thema betrachtet wird.
Kindergarten und Pflichtschule
Von Beginn an erachtete das IfS die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen wie Kindergärten und Schulen als erstrebenswert. Kooperationen
in diesem Bereich galten und gelten als zentrales und notwendiges Element,
um Kinder mit Problemen – seien diese sozialer, schulischer oder anderer
Art – unterstützend begleiten und ihnen helfen zu können.
Als Beispiel für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich kann das im
November 1992 in Feldkirch gestartete Pilotprojekt „Psychologische Beratung für den Kindergarten“ angefügt werden. Gemeinsam mit dem schulpsychologischen Dienst und der Landesschulbehörde wurde versucht, eine
Verbindung zwischen KindergartenpädagogInnen, Eltern und den Beratungsstellen des IfS herzustellen, um verhaltensauffälligen Kindern und
deren Eltern frühzeitig Hilfe zu leisten. Der Erfolg des Projektes führte dazu,
dass die psychologische Beratung für Kindergärten 1996 landesweit ausgebaut wurde. In der Zwischenzeit existiert dieses Beratungsangebot für alle
Kindergärten in allen Bezirken des Landes.
Die Arbeit mit einzelnen Kindern, die aufgrund diverser Probleme von
IfS-BeraterInnen unterstützt wurden, zeigte deutlich die Notwendigkeit auf,
nicht nur mit den Kindern selbst, sondern auch mit den Systemen „Kindergarten“ und „Schule“ arbeiten zu müssen. Aus dieser Erkenntnis entwickelten sich Projekte wie beispielsweise jenes des „Hauptschulabschlusskurses“:
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
1995: KindergartenpädagogInnen auf Besuch im IfS (mit LR Dr. Eva Maria Waibel)
Es hatte sich gezeigt, dass ein Teil der SchülerInnen aufgrund schulischer
oder sozialer Probleme ihre Schulausbildung vorzeitig abbrachen. Demzufolge verfügten diese jungen Menschen über keinen Hauptschulabschluss,
womit deren Chancen am Arbeitsmarkt äußerst schlecht standen. Um diesen Jugendlichen neue Zukunftsaussichten und Möglichkeiten zu eröffnen, startete die IfS-Jugendberatungsstelle Mühletor 1997 ein Pilotprojekt.
Mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds, des Unterrichtsministeriums und des Arbeitsmarktservice (AMS) wurde ein zweisemestriger
Lehrgang organisiert. Er sollte den Jugendlichen allgemeinbildende, individuelle, berufliche und soziale Kenntnisse vermitteln und ihnen schließlich
zum Externisten-Hauptschulabschluss verhelfen. Dieses innovative Projekt
führte noch im selben Jahr zum Hauptschulabschluss für 16 Jugendliche und
junge Erwachsene. Seit dem Schuljahr 2001/02 wird das Projekt in Kooperation mit der Volkshochschule Götzis durchgeführt und konnte im Frühjahr
2007 sein 10jähriges Jubiläum feiern.
Im Laufe der Zeit erkannte man, dass es von Vorteil ist, direkt an den
Schulen Beratungen anzubieten, um näher am Ort des Geschehens und bei
den SchülerInnen selbst zu sein. So gab und gibt es verschiedene Projekte,
in deren Rahmen IfS-MitarbeiterInnen ein- bis zweimal die Woche vor Ort
als Ansprechperson fungieren. Im Jahr 2001 nahm die IfS-Schulsozialarbeit ihre Tätigkeit in den Hauptschulen Bregenz Vorkloster und Rieden auf
und wurde in den Folgejahren auch in den Dornbirner Hauptschulen Lus-
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
1998: Zeugnisverleihung HS-Abschluss im Mühletor
tenauerstraße und Baumgarten installiert. Erstmals in Vorarlberg arbeitete
eine Sozialarbeiterin fix an einer Schule, denn Schulen hatten sich in den
vergangenen Jahren oftmals zu einem Ort entwickelt, an dem soziale Defizite von Kindern und Jugendlichen sichtbar wurden. Schulsozialarbeit verstand sich von Beginn an als Drehscheibe zwischen SchülerInnen, Eltern
und LehrerInnen. Schulsozialarbeit koordiniert, unterstützt, vermittelt und
entlastet. Durch einen sehr niederschwelligen Zugang besteht eine geringe
Hemmschwelle und durch die Erreichbarkeit in der Schule kann bei auftauchenden Krisen rasch interveniert werden. In erster Linie werden Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen begleitet und unterstützt.
Gemeinsam mit ihnen werden Lösungen gesucht und formuliert. Neben
Einzelfallhilfe (Arbeit mit einzelnen Personen) befasst sich Schulsozialarbeit
mit Prävention. In Projektarbeiten wird mit ganzen Gruppen (z. B. Klassen,
Lehrerkollegien, Erziehungsberechtigten) gearbeitet, um Probleme schon
im Vorfeld anzusprechen und zu vermeiden. Besonders hat sich das Projekt „Mut“ bewährt, in dem das Thema „Gewalt“ bearbeitet und alternative
Handlungen aufgezeigt werden.
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Im Dienste sozialer Gruppen<
IfS-Geschichte
Kinderschutz
Von Beginn an war Kinderschutz ein zentrales Anliegen des Institut für
Sozialdienste, wobei es auch Fachleuten besonders schwer fiel, zu akzeptieren, dass Kinder auch innerhalb der eigenen Familie misshandelt werden.
In den vergangenen Jahren gewann dieses Thema öffentlich zunehmend
an Bedeutung, da sexueller Missbrauch sowie jegliche andere Gewaltform
gegen Kinder gesellschaftlich enttabuisiert und verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.
Das Angebot „IfS-Kinderschutz“ bezieht sich auf alle Formen von
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie auf die Vernachlässigung von
Kindern und Jugendlichen. Von Gewalt oder sexuellem Missbrauch betroffenen Kindern und deren Bezugspersonen wird einfühlsame Beratung, Hilfe
und Unterstützung angeboten. Über die IfS-Beratungsstellen in den einzelnen Regionen Vorarlbergs sind flächendeckend ständig ExpertInnen zu
erreichen, die bei Bedarf sofort reagieren sowie Hilfe und Unterstützung
anbieten. Diese dezentrale Struktur ermöglicht und garantiert ein rascheres
Reagieren sowie bessere Leistungen als eine zentrale Kinderschutzeinrichtung. Mit dem Familienkrisendienst des IfS und des Vorarlberger Kinderdorfes sowie der Umsetzung des Konzeptes „Ein Platz in der Krise“ ist in
Krisensituationen eine sofortige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen sowie eine entsprechende Krisenintervention gewährleistet.
Ein besonders sensibles Thema war seit jeher jenes des sexuellen Missbrauchs an Kindern. Als sich bei den IfS-Beratungsstellen die Fälle sexuellen Missbrauchs häuften, entschloss man sich 1995, dieses Thema speziell in
einer ExpertInnengruppe zu behandeln. Im Rahmen des Projektes „Hautnah“ wurde unter anderem versucht, statistische Daten zu sexuellem
Missbrauch zu eruieren: Etwa 50 Anzeigen von Kindesmissbrauch gingen
jährlich bei Vorarlbergs Gerichten ein. Gemäß den Schätzungen des IfS
lag die Dunkelziffer der Straftaten jedoch zwischen 600 und 1500 Fällen.
Opfer des sexuellen Missbrauchs waren überwiegend Mädchen, 97% der
Täter waren männlich. In mehr als 40% der Fälle war der Missbrauch nicht
einmalig, sondern erstreckte sich über einen Zeitraum von vielen Jahren.
Die Kinder waren vor allem durch Männer ausgebeutet worden, die diesen
nahe standen und zum Familienkreis gehörten. Es hatte sich gezeigt, dass der
viel beschworene, „böse, schwarze Mann“, der die unschuldigen Kinder in
den dunklen Wald lockte, kaum existierte und sich meist als „freundliches“
Familienmitglied entpuppte.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Ein Bereich der Präventionsarbeit war in diesem Kontext die Aufklärung
an Schulen. Zur Vorbeugung gegen Missbrauch wurde schon von jüngstem Alter an eine positive, kindgerechte Sexualerziehung gefordert und die
bisher üblichen Methoden der Tabuisierung abgelehnt. Im Rahmen des IfSEngagements wurde 1996 österreichweit eine Ausstellung mit dem Titel
„(K)ein sicherer Ort“ präsentiert. Zusammen mit dem Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt thematisierte man in der Pädagogischen Akademie
in Feldkirch den Kindesmissbrauch.
Der 2004 in Dornbirn ins Leben gerufene IfS-KinderRaum befasst sich mit
dem Themenkomplex „Kinder in Scheidungssituationen“. Der IfS-KinderRaum richtet sich an geschiedene Eltern, die bereit sind, die Familienbeziehungen in einem gewissen Ausmaß aufrecht zu erhalten und damit dem
getrennt lebenden Partner die Möglichkeit zu bieten, mit seinem/ihrem
Kind Besuchskontakt aufzunehmen.
Da für so manche Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern der Kontakt zu
einem der Elternteile völlig abbricht, wurden von der IfS-Familienarbeit
2005 in Feldkirch und Bludenz sowie 2007 in Dornbirn IfS-Besuchstreffs
eingerichtet. Dort können Kinder und geschiedene oder getrennt lebende
Elternteile an einem neutralen Ort mit professioneller Hilfe wieder Kontakt
zueinander aufbauen, um diesen nach einer gewissen Zeit wieder eigenverantwortlich pflegen zu können. Der Kontakt zu beiden leiblichen Eltern ist ein
Recht der Kinder. Immer häufiger wurde daher im Streitfall eine begleitete
Besuchsregelung auch von den PflegschaftsrichterInnen vorgeschrieben.
Im Rahmen des Kinderschutzes wurden zahlreiche weitere Aktivitäten
gestartet. Beispielsweise startete 2005 das Pilotprojekt „Kinderbeistand“ für
die Bezirke Feldkirch und Bludenz, das in enger Zusammenarbeit mit den
Gerichten durchgeführt wurde. Vertrauenspersonen des IfS sollten von nun
an Kinder in der schwierigen Zeit der Scheidung unterstützen und ihnen
als Sprachrohr zur Seite stehen. Damit war ein wichtiger Schritt getan, die
Anliegen und Rechte der Kinder zu wahren.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt
Die Zusammenarbeit mit öffentlichen Behörden wurde und wird in allen
Fachbereichen des Institut für Sozialdienste als wichtig und zentral erachtet. Die Zusammenarbeit mit den Abteilungen der Jugendwohlfahrt der
Bezirkshauptmannschaften entsprach den Jugendwohlfahrtsgesetzen der
Jahre 1989 und 1991, wonach verstärkt Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt zur Erfüllung von nicht hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen
Jugendwohlfahrt herangezogen werden konnten. Im Jahr 1991 hatte sich
die Landesregierung gesetzlich dazu verpflichtet, dass Minderjährigen und
deren Erziehungsberechtigten jene sozialen Dienste zur Verfügung zu stellen seien, die als Erziehungshilfe notwendig erschienen.
Auf der fachlich qualifizierten Ebene, in der Arbeit am jeweiligen „Fall“
funktionierte diese Zusammenarbeit stets sehr gut. Wenn sich Probleme
ergaben, dann auf der institutionellen Ebene. Hier gestaltete sich die Zusammenarbeit teils als spannungsgeladen, da insbesondere die MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt häufig den Eindruck hatten, dass den privaten
Sozialeinrichtungen weit mehr Ressourcen zur Verfügung stehen würden.
Beeinflusst durch die Fallarbeit – je nach „Fall“ gestaltete sich die Zusammenarbeit anders und neu – wurde es im Laufe der Zeit jedoch möglich,
differenzierte Modelle der Kooperation zu entwickeln und somit die Zusammenarbeit zu strukturieren und zu erleichterten.
Familienberatung
Die Beratung von Familien zählte von Beginn an zu den Arbeitsschwerpunkten des IfS. Bereits in den 1970er Jahren nahmen die MitarbeiterInnen
der IfS-Familienberatung einen beginnenden Wandel der Familie und ihrer
Strukturen wahr. Auch die Probleme, die in der Beratung zu lösen versucht wurden, waren im Laufe der Jahre einem Wandel unterworfen. Bis
in die Mitte der 1980er Jahre zählten überwiegend Sexualität, Empfängnisverhütung, ungewollte Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikte und
Schwangerschaftsabbruch zu den Themenbereichen, mit denen man sich in
der Beratung auseinandersetzte. Vor allem ungewollte Schwangerschaften
warfen große Probleme auf. Nicht zuletzt hatte das IfS auch über den in
Österreich seit 1975 legitimierten Schwangerschaftsabbruch in Form der
„Fristenregelung“ zu informieren. Die komplexe Materie machte es not-
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
1997: IfS-Beratungsstelle Feldkirch
wendig, dass man in sämtlichen Belangen mit ÄrztInnen, PsychologInnen,
Ehe- und FamilienberaterInnen zusammenarbeitete.
Empfängnisregelung, Schwangerschaftskonflikte und Sexualerziehung
zählten auch 2006 noch zu jenen Themenbereichen, die im Rahmen der
IfS-Familienberatung vorrangig zur Sprache kamen. Zudem suchten Familien vor allem in den Bereichen Trennung und Scheidung, wirtschaftliche
bzw. finanzielle Probleme, Erziehungsprobleme sowie Rechtsfragen Unterstützung.
Familienarbeit
1987 startete die Beratungsstelle Bludenz das Projekt „Sozialpädagogische
Familienarbeit“, welches sich unter der Bezeichnung „IfS-Familienarbeit“
erfolgreich etablieren sollte. Ziel dieses neuen Fachbereichs war, weniger
Kinder von ihren Eltern trennen zu müssen und sie in einer Ersatzfamilie
unter besseren Bedingungen aufwachsen zu lassen. Man wollte diesen Kindern vielmehr ihre wenn auch schwierigen Familien erhalten, diese aber
massiv ambulant unterstützen. „Unterstützung der Erziehung“ anstelle
„Volle Erziehung“ hieß dies im Fachjargon des Jugendwohlfahrtsgesetzes.
Gemeinsam mit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz wurden „bedürftige“
Familien ausgesucht, denen man sich intensiv widmete, indem man Hausbesuche anbot und auf ihre besondere Situation einging.
Das Modell der ambulanten Familienhilfe war in Vorarlberg neu und
so mussten die MitarbeiterInnen erst in Deutschland ausgebildet werden,
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
zudem wurde das Projekt über drei Jahre wissenschaftlich vom Deutschen
Jugendinstitut begleitet. In den ersten Jahren gestaltete sich die Arbeit als
nicht einfach: Das Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft und das IfS
mussten gemeinsame Konzepte entwickeln und diese koordinieren. Außerdem waren die fachliche Arbeit zu verbessern und neue Therapiemodelle
anzuwenden. Schließlich durfte die Hilfestellung nicht allein und isoliert
auf die betreute Familie reduziert werden. Es galt, „einen Brückenschlag zu
gesellschaftlichen Aktivitäten herzustellen, der präventive Wirkung haben
soll“, so der Geschäftsführer der IfS-Familienarbeit, Dr. Hubert Löffler.
Anfang der 1990er Jahre hatte sich die Familienarbeit neuen Herausforderungen zu stellen: Das Land Vorarlberg beschloss, den ambulanten
Bereich der Familienbetreuung massiv aus- und aufzubauen. Dies führte
1991 zur Gründung der so genannten Familiendienste, welche in Feldkirch
und Bludenz vom IfS, in den Bezirken Bregenz und Dornbirn vom Vorarlberger Kinderdorf übernommen wurden. Damit waren zwei Teilbereiche des
IfS, nämlich die „Familienarbeit“ und der „Familiendienst“, ausschließlich
mit den von den Jugendämtern zugewiesenen Fällen betraut.
Die Rahmenvereinbarungen regelten die Kommunikationsabläufe zwischen IfS-Familienarbeit, dem Land und den zuweisenden Bezirkshauptmannschaften. Diese neue Form von Kooperation öffentlicher und privater
Stellen war notwendig geworden, weil sich die Rahmenbedingungen für die
Jugendwohlfahrt stark geändert hatten: Mit der Auflösung der klassischen,
traditionellen Familienformen ergab sich ein steigender Bedarf an Hilfe,
Beratung und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Erziehungsberechtigte. Außerdem waren die Anforderungen und Erwartungen an die
fachliche Qualität der SozialarbeiterInnen gestiegen. Die organisatorische
wie inhaltliche Neuorientierung hatte zur Folge, dass eine moderne, familienzentrierte und auf Vorbeugung ausgerichtete Jugendwohlfahrt entstand,
die hauptsächlich im ambulanten Bereich arbeitete. 1995 wurde die IfSFamilienarbeit aus dem IfS ausgegliedert und zu einer eigenen GmbH.
Im Jahr 2003 wurde auf Initiative der IfS-Familienarbeit das mehrjährige
Projekt „… trotz allem gesund!“ gestartet. Dieses dient der Gesundheitsförderung für Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten.
Denn eines war für das IfS unbestritten: „Armut macht krank“. „Arme
sterben früher, erkranken schwerer, verunfallen häufiger, sind häufiger
von Gewalt betroffen, sind stärker gesundheitsgefährdenden Umweltbedingungen ausgesetzt und arbeiten unter höheren psychischen und physischen Belastungen“, konstatierte die „IfS-Familienarbeit“. Ziel von
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
1995: Familienarbeit-Fachtagung in Schloss Hofen
„… trotz allem gesund!“ war und ist, von Armut gefährdete oder betroffenen Erwachsene, Jugendliche und Kinder mittels individueller Beratungen,
Aktivitäten und persönlichen Gesprächen zu gesundheitsbewusstem Verhalten zu motivieren.
Familie im Wandel
Das Jahr 1994 wurde von der UNO zum „Jahr der Familie“ deklariert.
Das Jugend- und Familienreferat im Amt der Vorarlberger Landesregierung nahm dies zum Anlass, das Projekt „Lebensraum Familie“ zu initiieren. Eingebunden wurden hierbei beinahe sämtliche Gemeinden und die
Familienorganisationen des Landes. Das „PRO Team für Nahraum- und
Gemeinwesenentwicklung“ des IfS wurde mit der Konzeption, Begleitung
und Umsetzung beauftragt. Für viele mochten die Aussagen der SozialarbeiterInnen des IfS überraschend sein, wenn es etwa hieß, „Um die Familien
in ihren Aufgaben zu unterstützen, sollte nicht zwischen richtig und falsch
oder gut und schlecht unterschieden und bewertet werden. Dies hilft den
Familien nicht, sondern wirkt behindernd. Es gibt keine ,schlechten‘ Väter/
Mütter/Eltern/Familienformen.“ Viele wiederum sahen die Schwierigkeiten
vieler Familien darin, dass man sie mit Idealvorstellungen „überfrachte“, die
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
der Realität nicht entsprächen.
Diese Tatsachen zeigten sich
auch in Vorarlberg verbunden
mit Arbeitslosigkeit, Überschuldung, beengtem Wohnraum, Doppelbelastung der
Mütter, mangelnder Kinderbetreuung, Druck der Schule
und der Eltern auf die Kinder und mit Problemen vieler
Migrantenfamilien. Was man
1997: Besuch aus den USA (Gründer von FAST)
noch vor einigen Jahrzehnten
in Vorarlberg nicht einmal zu denken wagte, sprachen IfS-MitarbeiterInnen
im „Jahr der Familie“ offen aus. Sie gaben damit auch ein Bekenntnis zur
offenen und toleranten Einstellung des IfS gegenüber gesellschaftlichen
Entwicklungen ab. Gefragt, ob die „Konstruktion der Familie eher out“ sei,
meinten sie: „Wenn man an die Idealfamilie (Vater, Mutter, zwei Kinder)
denkt, ist diese Form nur eine Möglichkeit, Familie zu leben. Schlimm fänden wir es, diese Form zu idealisieren und all die allein erziehenden Mütter
oder Väter, Patchwork-Familien, Lebensgemeinschaften, Pflegeeltern, Tagesmütter und -väter mit ihren Kindern in den Schatten zu stellen. Wir erleben
sehr häufig, wie gerade in diesen Familien mit viel Engagement die Beziehungen untereinander gut gehen.“
Der Trend zur Veränderung der traditionellen Familie ließ sich nicht
mehr aufhalten oder verschleiern. In der Zeitschrift des IfS wurde die
„Familie im Wandel“ 1999 offen angesprochen: „Berechtigterweise machen
wir uns Sorgen, wenn wir an den Weiterbestand von Ehe und Familie als
der Keimzelle unserer Gesellschaft denken.“ Verständlicherweise hatte man
keine Patentlösungen für diesen Wandel und die damit verbundenen Krisen
anzubieten. Die Ursachen dafür fand man in den neuen Verhaltensweisen
und „Werten“, welche durch die moderne Industriegesellschaft verstärkt
wurden: Diese seien Expansion, Konkurrenz, Quantität und Herrschaft.
Was die zukünftige Familie jedoch benötige, seien Qualität, Partnerschaft,
Kooperation und „bessere Kommunikationsfähigkeit, vor allem in intimen
Beziehungen“. Kreative, schöpferische, intelligente und den jeweiligen Situationen angepasste Lösungen sollten angestrebt werden.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Jugendliche
Das IfS befasste sich seit Beginn seiner Tätigkeit mit Jugendberatung und
Jugendbetreuung. Jugendliche stellten bereits an der ersten Beratungsstelle,
die in Bregenz installiert worden war, einen der Schwerpunkte dar. Die MitarbeiterInnen wurden mit einer Vielzahl von Jugendproblemen konfrontiert:
Häufig wurde der Ablösungsprozess von den Eltern sowie der Übergang von
der Kindheit in die Erwachsenenwelt von den Jugendlichen als schwierig und
problembeladen erlebt. Des Weiteren hatte man mit Problemen wie Drogenkonsum, Vereinsamung und Suizidversuchen zu kämpfen. IfS-BeraterInnen suchten die Treffs von Jugendlichen auf, betrieben Gruppenarbeit
mit jugendlichen „Randgruppen“ und arbeiteten mit Jugendorganisationen
sowie Bildungseinrichtungen zusammen.
Jugendberatungsstelle Mühletor
Zu einer Spezialeinrichtung des IfS entwickelte sich seit 1982 die Jugendberatungsstelle „Mühletor“, die im ganzen Land tätig war. „Mühletor“ organisierte die unterschiedlichsten Projekte, um jugendliche Kreativität, soziales
Engagement und Selbstbewusstsein zu fördern. Projekte erwiesen sich als
Tauchen ist auch ein Projektangebot der IfS-Jugendberatung Mühletor an die Jugendlichen.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
geeigneter Weg, um Kontakt mit Jugendlichen aufzunehmen und näher an
diese heranzukommen. Aufhorchen ließ 1984 zum Beispiel eine Arbeitslosen-Selbsthilfegruppe und 1985 fanden eine Kunstausstellung, ein Kabarett und eine einwöchige „Punk-Ausstellung“ sowie ein Open-Air-Konzert
statt.
Solche Veranstaltungen wurden auch in den folgenden Jahren fortgesetzt. Auch hier zeigte sich, dass überwiegend Burschen mit ihren Anliegen und Problemen an die Mühletor-MitarbeiterInnen herantraten. Diese
Erfahrung führte dazu, spezielle Projekte für Mädchen anzubieten. Folglich
wurde 1988 mit der Kunstausstellung „Weibsbilder“ erstmals ein spezifisches Mädchen-Angebot gestartet.
Streetwork
Im Dezember 1993 erteilte das
Land Vorarlberg dem IfS unter
dem Titel „Mobile Jugendarbeit“ einen speziellen Auftrag
für Streetwork. Im folgenden
Jahr lief die Arbeit im Rheintal zwischen Bregenz und
Feldkirch an. Streetwork war
im Gegensatz zur stationären Jugendarbeit „flexibel und
mobil“. Das bedeutete, dass
1997: Eröffnung Streetwork Bregenz mit
Bgm. Siegfried Gasser
die BeraterInnen des IfS die
bisher kaum bekannten und beachteten Treffpunkte der jugendlichen Zielgruppen aufsuchten, die im zersiedelten Vorarlberg meist an keinem festen
Ort etabliert waren. Die „Straße“ erwies sich als neuer Arbeitsort für die
Streetworker.
Zielgruppe der Arbeit waren vor allem jugendliche „Randgruppen“, die
ausgegrenzt und mit herkömmlicher Jugendarbeit nicht zu erfassen waren
sowie in der Regel nicht betreut werden wollten. Dazu zählten aggressive Jugendliche, delinquente Straßengruppen, rechts- bzw. neonazistische
Jugendliche und nicht zuletzt die in der Öffentlichkeit am stärksten in
Erscheinung getretenen Punks und Skinheads.
Es gestaltete sich immer wieder als höchst schwierig und anspruchsvoll,
Zugang zu den einzelnen Gruppen zu erhalten. Als besonders erfolgreich
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
zeigten sich in diesem Zusammenhang Aktivitäten im freizeitpädagogischen Bereich. Dass die BeraterInnen den Jugendlichen entgegenkamen, um
gemeinsam mit diesen Defizite und Probleme aufzuarbeiten, wurde von den
Jugendlichen positiv aufgenommen. Als wichtiger pädagogischer Weg erwies
sich, Projekte anzubieten, die genügend Anreize boten, die eigenen „Weltanschauungen neu zu überdenken und zu reflektieren“. Die Streetwork-Arbeit
konzentrierte sich anfänglich auf die Region Feldkirch und wurde in der
Folge auf das ganze Land – mit Schwerpunkt Ballungsräume – ausgeweitet.
Sozialpädagogik
Sozialpädagogische Wohngemeinschaften
Bis zum Jahre 1972 wurden verhaltensauffällige Jugendliche häufig in
geschlossenen Anstalten und Heimen untergebracht. Die damit gemachten Erfahrungen waren ambivalenter Natur. Zum Teil zeigten sich bei den
betroffenen Jugendlichen Symptome wie Heimatlosigkeit, Hospitalisierung
und Orientierungslosigkeit. In der Fürsorgeerziehung gab es für Jugendliche
in Vorarlberg neben dem Kinderdorf lediglich den „Jagdberg“ in Schlins, wo
jedoch nur schulpflichtige Knaben Platz fanden. Mädchen kamen in Erziehungsanstalten nach Kramsach und Schwaz in Tirol, ältere Jugendliche nach
Kleinvolderberg in Tirol.
In Vorarlberg hatten sich an verschiedenen Orten so genannte Mädchenwohnheime etabliert. Sie dienten der Unterkunft und Versorgung junger Frauen, welche aus anderen Bundesländern zur Arbeit nach Vorarlberg
gekommen waren und zumeist aus unteren Sozialschichten stammten.
Hedwig Gmeiner hatte ein solches Heim
in der Rankweiler Bahnhofstraße geführt.
Im Rahmen ihrer Arbeit gelangte Gmeiner zu der Erkenntnis, dass diese Art von
Einrichtungen jungen Frauen mit Problemen nicht gerecht werden könne. Als
Alternative entwickelte die engagierte
Betreuerin das für damalige Verhältnisse
„revolutionäre“ Modell einer „offenen
Wohnung“, die Heimat, familiäre Atmosphäre und qualifizierte Betreuung bieten wollte. Hier sollten die jugendlichen Marianne Scheffknecht
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IfS-Geschichte
Mädchen wieder Wertschätzung, Respekt und Individualität erfahren sowie
Selbstständigkeit entwickeln.
Nachdem das Land dem Projekt zugestimmt hatte und dieses in das damals
noch sehr kleine IfS integriert worden war, entstand 1972 die erste Wohngemeinschaft für Mädchen in Bregenz und 1975 eine solche in Dornbirn.
Da in den ersten Jahren der Großteil der Erzieherinnen mit den Mädchen
in einem Haushalt zusammenlebte, gestaltete sich die Arbeit als sehr intensiv und auch voller lehrreicher Spannungen und Konflikte. Zu Beginn der
1980er Jahre übernahmen BetreuerInnenteams die Arbeit in den Wohngemeinschaften. Die dadurch erlangte Arbeitsteilung führte zu einer Normalisierung der Arbeitszeiten für die WG-MitarbeiterInnen.
Sieben Jahre nach der Entstehung der ersten Mädchen-Wohngemeinschaft wurde 1979 eine erste Wohngemeinschaft für Burschen gegründet.
Diese befand sich in Hard.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Nach zehnjähriger Praxis, Erfahrung und Analyse kam man im Jahr 1982
bezüglich der bis dahin 382 Jugendlichen, die in IfS-Wohngemeinschaften aufgenommenen worden waren, zu teils überraschenden Ergebnissen:
Hauptgründe für die Aufnahme waren Schwierigkeiten mit Eltern und
ErzieherInnen, Ziel- und Orientierungslosigkeit, akute Entwicklungskrisen
und „Streunerei“ gewesen. Die normale Entwicklung war in erster Linie
durch problematische Familienverhältnisse gestört worden. Der größte
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Anteil der Jugendlichen war im Alter zwischen 16 und 17 Jahren, darunter
vor allem Mädchen. Überraschend war ihre Herkunft aus überwiegend „vollständigen“ Familien, in denen häufig eine „heile Welt“ vorgetäuscht wurde.
60% der Familien gehörten der Mittel- bzw. Oberschicht an und konnten als
„geachtet, gut bürgerlich, normal“ bezeichnet werden. Überwiegend lebten
in diesen Familien mehrere Geschwister und 43% der Jugendlichen kamen
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
aus städtischen Zentralorten. 41% lebten in Mietwohnungen, 32% in Eigenheimen, 37% wurden von Hausfrau-Müttern betreut und erst an zweiter
Stelle mit 33% von vollbeschäftigten Müttern. Es war offensichtlich, dass
Eltern-Jugend-Probleme nicht etwa in sozialen Unterschichten dominierten,
sondern quer durch alle Schichten vorkamen.
Bis 1984 existierten Wohngemeinschaften nur im Vorarlberger Unterland. Um eine Unterbringung aller Jugendlichen in der Nähe ihres gewohnten sozialen Umfeldes zu gewährleisten, eröffnete das IfS eine solche für
Burschen in Bludenz. 1990 wurde in Ludesch erstmals eine Wohngemeinschaft gegründet, die aus einer gemischten Gruppe bestand und dem zu
dieser Zeit stark diskutierten Modell der Koedukation entsprach. Das Expe-
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
riment hatte sich gelohnt und gezeigt, dass junge Mädchen „im gruppendynamischen Prozess mindestens genauso stark sind wie die Burschen und oft
sogar die Führung“ übernahmen.
Für manche Jugendliche war das Angebot der „offenen Wohnungen“
nicht oder nicht mehr passend. Daher wurde das Konzept der „Außenwohnungen“ entworfen und erstmals 1984 in Bludenz verwirklicht. Diese
Wohnungen wurden vom IfS auf dem freien Markt angemietet und den
Jugendlichen in einem internen Vertrag vermietet.
1994 setzte im Fachbereich Sozialpädagogik die Diskussion über eine
Veränderung der Angebote ein. 1995 wurde das Konzept des „Ambulanten
betreuten Wohnens“ (AbW) in die Tat umgesetzt. Um dies mit den vorhan-
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
denen Mitteln zu ermöglichen,
wurde die Wohngemeinschaft
in Hard geschlossen.
Die
Wohngemeinschaften
blieben von Krisen nicht verschont. Eine solche gab es
beispielsweise 1994 in der
Mädchenwohngemeinschaft
in Rankweil: Fünf der sieben
Mädchen hatten Kontakte zur
Drogenszene und waren durch
erzieherische und sozialarbeiterische Bemühungen kaum
noch zu erreichen. Die einzige
sinnvolle Lösung sah man in
einem intensiven erlebnispädagogischen Programm: Die
Betroffenen machten sich für
drei Wochen auf den Weg, zu
Fuß und auf dem Kamel die
Wüste Sinai in Ägypten zu
durchqueren. Das waghalsige
Projekt des IfS erwies sich
als erfolgreich und aus der
gelungenen Krisenintervention ging 1997 das „Jugendintensivprogramm“, kurz JIP
genannt, hervor.
Von 1972 bis 1996 wurden
in den Formen des „offenen
Wohnens“ 859 Jugendliche,
davon 694 Mädchen und 165 Burschen, betreut. Die Betreuung erfolgte
nach dem Drei-Stufenmodell, das zu immer mehr Eigenverantwortung und
schließlich zu ambulanter Nachbetreuung führte.
Natürlich stellte sich das IfS die Frage nach der Relevanz und der Effizienz seiner Einrichtungen. Eine 1997 von Maria Hollergschwandtner und
Jakob Oberhauser durchgeführte Befragung unter Jugendlichen, die in den
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Jahren zwischen 1993 und
1995 für mehr als drei Monate
BewohnerInnen in den fünf
Wohngemeinschaften gewesen waren, führte zu folgenden Ergebnissen (Anm.: Die
folgenden Resultate berücksichtigen nur die prozentuellen Maximalwerte):
49% zogen in die Wohngemeinschaft, weil sie Probleme
zu Hause hatten. 64% wollten
1992: Fotoausstellung IfS-Wohngemeinschaft Ludesch
1992: Eröffnung IfS-Wohngemeinschaft Bregenz
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IfS-Geschichte
diesen Ortswechsel. Durchgehend positiv wurde von der
Mehrzahl der BewohnerInnen
das soziale Klima zwischen den
Jugendlichen und den BetreuerInnen definiert: „Die ErzieherInnen waren nicht perfekt,
aber okay!“ Bezüglich der
Außenbeziehungen ergab sich
folgendes Bild: Bei 59% hatten sich die Beziehungen zur
Familie, bei 58% zu den Part-
Im Dienste sozialer Gruppen
1997: IfS-Wohngemeinschaft Lustenau, Bgm. Grabher
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
nerInnen und bei 64% zu den Freunden gebessert. Eindeutig hatten sich die
Persönlichkeitsstrukturen in eine positive Richtung hin verändert. So gaben
jeweils zwischen 30 und 40% der BewohnerInnen an, sie besäßen besseren
Umgang mit Geld, größeres Durchsetzungsvermögen, mehr Selbstwertgefühl und einen neuen Lebenssinn. 67% glaubten mit Problemen besser
umgehen zu können als früher.
Es stellte sich jedoch heraus, dass trotz aller Bemühungen gewisse Jugendliche mit den herkömmlichen sozialpädagogischen Konzepten nicht erfasst
werden konnten. Neue Möglichkeiten und neue Wege versprachen das 1995
gestartete Projekt „Ambulant betreutes Wohnen“ (AbW), das im September
1997 initiierte Projekt „Jugendintensivprogramm“ (JIP) sowie das 2001 ins
Leben gerufene Projekt „Nachgehende sozialpädagogische Arbeit“ (NASA).
Um die Finanzierung dieser Projekte zu gewährleisten, wurden weitere
stationäre Einrichtungen, sprich die Wohngemeinschaften in Rankweil und
Wolfurt, geschlossen.
AbW – Ambulant betreutes Wohnen
Das Ambulant betreute Wohnen (AbW) wurde 1995 ins Leben gerufen und
in die IfS-Fachgruppe Sozialpädagogik integriert. Es bietet seither Jugendlichen, die in aus eigener Kraft unlösbaren Konflikten mit ihren Eltern stehen,
die Möglichkeit, in eine vom AbW angemietete Wohnung zu ziehen. Diese
Wohnungen stellen den Jugendlichen ein Experimentierfeld für Entwicklung, Selbständigkeit und Eigenverantwortung zur Verfügung. Hier können diese unterstützt durch eine IfS-Betreuungsperson lernen, ihren Alltag
zu bewältigen, ein eigenständiges Leben zu führen und Verantwortung für
ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Treffen mit persönlichen BetreuerInnen sind fixer Bestandteil des Wochenablaufs. Während der Kontakte werden Gespräche geführt und gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen.
Die Jugendlichen erhalten Unterstützung in der Alltagsbewältigung und
zugleich nimmt der/die BetreuerIn seine/ihre Kontrollfunktion wahr. Durch
die räumliche Distanz werden familiäre Konfliktsituationen entschärft.
Eltern wie Kindern wird der nötige Abstand zugestanden, um ihre Probleme
reflektieren zu können. Ziel ist es, gemeinsam mit dem/r BetreuerIn eine
neue Gesprächsbasis für Eltern und Jugendliche zu finden und eine Entlastung beider Seiten zu erreichen. Im Jahr 2006 kümmerten sich die MitarbeiterInnen um insgesamt 40 Jugendliche, die durchschnittlich zwischen 14
und 19 Jahren alt waren.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
JIP – Jugendintensivprogramm
Das Jugendintensivprogramm (JIP) startete 1997 unter der Leitung von Dr.
Martina Gasser und diente von Beginn an der Unterstützung zur Maßnahme
der Pflege und Erziehung von Minderjährigen nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz. Zielgruppen des JIP sind jugendliche Mädchen und Burschen, die
entweder in einer konventionellen Einrichtung nicht gehalten werden können, und einer spezifischen Form der erlebnis-, sozialpädagogischen und
therapeutischen Kurzintervention bedürfen, die aufgrund ihrer besonderen
Lebenssituation nicht gruppen- oder arbeitsfähig sind, die sozial auffälliges
Verhalten aufweisen oder die sich kurzzeitig in einer Krise befinden, aber
noch nicht derart ausgeprägte unsoziale Verhaltensweisen zeigen, so dass
eine intensive Maßnahme sinnvoll erscheint. Im Rahmen des JIP begibt sich
ein/e BetreuerIn mit ein bis zwei Jugendlichen z. B. nach Rumänien, Polen,
Tschechien, Indien, Sibirien oder in die Türkei, um dort soziale Hilfe zu
leisten und eine andere Kultur kennen zu lernen. Während des mehrwöchigen Auslandsaufenthaltes sollen die verhaltensauffälligen Jugendlichen
abseits gewohnter zivilisatorischer Einflüsse ihre Lebenssituation überdenken. Unter der Betreuung des/r IfS-MitarbeiterIn werden dabei neue
Verhaltensweisen trainiert. Durch neue kulturelle und soziale Konfrontationen werden Bewusstseinsänderungen der Jugendlichen gefördert. Die
Hauptwirkung des JIP ist, dass Jugendliche in massiven Krisensituationen
die Möglichkeit erhalten, einen räumlichen wie auch emotionalen Abstand
zu gewinnen, sodass sie zur Ruhe kommen und auf dissoziierte Weise ihre
Situation neu reflektieren, ordnen und verändern können. Um dies zu erreichen, braucht es die Zusammenarbeit mit dem ganzen System.
In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 100 verhaltensauffällige Jugendliche und deren Eltern vom JIP begleitet und unterstützt. Im Jahr
2006 konnte insgesamt 20 Jugendlichen weitergeholfen werden.
NASA – Nachgehende sozialpädagogische Arbeit
Im Jahr 2001 nahm die IfS-NASA ihre Tätigkeit auf. NASA ist eine nachgehende sozialpädagogische Betreuungsform für Jugendliche, die nicht zu einer
Beratungsstelle gehen können oder wollen, die sich in einer Übergangsphase
befinden oder gerade aus einer stationären oder teilstationären Betreuung
entlassen worden sind. Die MitarbeiterInnen unterstützen Jugendliche, die
sich in schwierigen Lebenssituationen befinden und den Boden unter den
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Füßen verloren haben, z. B. durch Probleme mit den Eltern, Schwierigkeiten
in der Schule oder mit der Lehrstelle oder auch Probleme mit Drogen oder
dem Gesetz. Von Beginn an setzten die NASA-MitarbeiterInnen außergewöhnliche und individuelle Methoden ein, um die Jugendlichen zu erreichen
und direkt in deren persönlichem Umfeld zu arbeiten: mitfühlen, mitdenken
und mitgestalten gehören ebenso dazu wie mitphantasieren und mitwachsen. In einer Vereinbarung verpflichten sich Jugendliche, Eltern, NASABetreuerIn und Jugendwohlfahrt der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft
zu Kooperationsbereitschaft und Mitarbeit. So können Jugendliche lernen,
was es heißt, einen Vertrag zu schließen. Insgesamt 90 Jugendliche wurden
im Jahr 2006 von der IfS-NASA begleitet und unterstützt.
Sexualerziehung
Im Rahmen der Familienberatung sowie der Schwangerschaftskonfliktberatung zeigte sich, dass Informations- und Präventionsarbeit im Bereich
Sexualität von Wichtigkeit ist. So startete das Institut für Sozialdienste in
Zusammenarbeit mit Schulen Projekte und Aktivitäten, die der sexuellen
Aufklärung der Jugendlichen dienten. Sexualpädagogische Workshops mit
Kindern und Jugendlichen wurden angeboten.
Unter der Bezeichnung „Love Talks“ startete ein Projekt, das sich an
Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen wandte.
Die BeraterInnen des IfS hatten sich im Rahmen der Sexualerziehung
hohe Ziele gesetzt, welche zeigten, dass man mutig von traditionellen Vorgangsweisen abließ: Grundsätzlich war man der Meinung, Sexualerziehung
sollte mehr sein als bloße Aufklärung über biologische Fakten und Vermittlung moralischer Überzeugungen, vor allem in Bezug auf die Sexualität von
Minderheiten und Randgruppen. Dennoch wurde „verantwortliches Verhalten gegenüber sich selbst und anderen“ gefordert. Sexualität sollte ein
integrativer Bestandteil der Sozialerziehung sein und kontinuierlich erfolgen. Programmatisch hieß es in einer Erklärung aus dem Jahr 2001: „Kinder
und Jugendliche sollen befähigt werden, den eigenen Körper als natürlich
zu akzeptieren, die eigene Sexualität als positiven Lebensbereich zu bejahen, Liebe zu empfinden und auszudrücken und Gefühle zuzulassen und zu
zeigen.“
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Jugendliche und Arbeit
Die steigende Jugendarbeitslosigkeit machte deutlich, dass nicht nur Jugendliche mit Behinderungen oder Minderbegabungen auf dem oft schwierigen
Weg von der Schule ins Berufsleben Unterstützung brauchen.
Im Jahr 2004 übernahm das IfS die Umsetzung eines Konzeptes zur Prävention von Lehrabbrüchen. Die Entwicklung des so genannten „Lehrlingscoaching“ war im Auftrag des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und
des AMS durch „eVORIS Soziale Dienstleister Vorarlberg Service gGmbH”
erfolgt. Ziel des Projektes „Lehrlingscoaching“ war, der steigenden Tendenz
von Lehrabbrüchen in Vorarlberg entgegen zu wirken und eine Wiederaufnahme von Lehrverhältnissen zu fördern. Das IfS unterstützte Lehrlinge
auch bei beruflicher Neuorientierung, beim positiven Abschluss des Berufsschuljahres und bei der erfolgreichen Absolvierung der Lehrabschlussprüfung. Ausschlaggebend für die Initiierung dieses Projektes war die Besorgnis
erregende Situation am Lehrstellenmarkt: Von rund 7000 Jugendlichen, die
2004 eine Lehrestelle hatten, brachen 1000 ihre Ausbildung ab. Während die
Hälfte von ihnen sich einen neuen Lehrbetrieb oder eine andere Ausbildung
suchte, blieben 500 ohne Berufsabschluss. 2006 begleitete das IfS-Lehrlingscoaching insgesamt 137 Jugendliche, die vor einem drohenden Lehrabbruch
standen oder ihre Lehre bereits abgebrochen hatten und bezüglich einer
Neuorientierung Unterstützung brauchten.
Erwachsene
Sozialarbeit
Soziale Arbeit stand schon immer im Mittelpunkt der IfS-Arbeit für Menschen in Not und Krisen, was auch aus der Namensgebung „Institut für
Sozialdienste“ ersichtlich ist. Sie zieht sich wie ein „roter Faden“ durch die
Geschichte des IfS. So stellte das IfS Vorarlberg als erste nichtöffentliche
Organisation in Vorarlberg ausgebildete SozialarbeiterInnen ein.
Sozialarbeit setzt immer an der Schnittstelle zwischen Individuum und
Umwelt bzw. Gesellschaft ein. Sie „fördert soziale Veränderungen, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen und die Unterstützung und Befreiung von Menschen zur Verbesserung ihres Wohls. Unter Verwendung von
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Theorien zu menschlichem
Verhalten und über soziale
Systeme, interveniert Sozialarbeit dort, wo Menschen mit
ihrem Umfeld interagieren.
Für Sozialarbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte
und soziale Gerechtigkeit von
fundamentaler Bedeutung“
(International Federation of
Social Workers General Meeting in Montrèal, Canada in
July 2000).
Soziale Arbeit steht auf zwei
Standbeinen: Zum einen wird
in Krisensituationen konkrete
Hilfe geleistet, zum anderen
wird auf präventive, vorbeugende Arbeit gesetzt, die der
Gesellschaft jede Menge Folgekosten erspart. Vorbeugende
Sozialarbeit ist nach Definition des IfS die notwendigste
1995: Eröffnung IfS-Beratungsstelle Hohenems
und effizienteste Arbeit. So
hat das IfS z. B. im Rahmen des Themenbereichs „Gewalt“ eigene bewusstseinsbildende Prophylaxe-Aktionen gestartet, im Bereich der Verschuldung
massiv auf Vorbeugung gesetzt ebenso wie in der Delogierungsprävention
mit der Schaffung eines eigenen Projektbereiches.
Im Institut für Sozialdienste erstreckt sich das Feld der Sozialarbeit im
Wesentlichen auf drei große Bereiche. Der erste ist die Sicherung der
Lebensgrundlagen in Krisen wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Schulden, Wohnungsnot, nach Trennung, Scheidung und bei Krankheit etc. Der
zweite Bereich beinhaltet die Arbeit im zwischenmenschlichen Bereich, dazu
zählen Konfliktbeziehungen, familiäre Probleme und Krisen sowie Erziehungsfragen. Der dritte Bereich schließlich umfasst die Hilfe für Menschen
in besonderen Lebenslagen: Menschen mit Behinderungen, von Gewalt
bedrohte Frauen und Kinder, AlleinerzieherInnen und andere. Dabei ist zu
beachten, dass keiner dieser Bereiche isoliert in Erscheinung tritt, da ein
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Problemfeld häufig ein weiteres mit sich zieht. Diese „Vernetzung“ der Probleme erfordert demzufolge eine Vernetzung des Hilfsangebotes, um jeweils
die individuell richtige Hilfestellung anbieten zu können.
Des Weiteren ist Soziale Arbeit mit der Gesellschaft verbunden, wobei beide
einem steten Wandel unterworfen sind. Im Zusammenhang mit diesem
Wandel hat sich auch im Berufsbild der im sozialen Bereich Tätigen einiges
verändert: Anfänglich versuchten Laien zu helfen, später trat eine Professionalisierung ein, die eine Distanz zwischen KlientIn und hauptberuflicher
Fachkraft brachte. Das heißt, die Profession ermöglichte es, mehr Distanz
zwischen Hilfesuchenden und Beratenden zu wahren, um somit für KlientInnen einen zusätzlichen Raum für eigenständige Entwicklungen zu schaffen.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass Sozialarbeit mehr sein muss als ein reiner Systemerhalter, mehr als nur der „Feuerlöscher“ der Gesellschaft. Es
gilt darüber hinaus gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzuzeigen, sich
in die gesellschaftspolitische Diskussion einzuschalten. Ziel sollte sein, den
Menschen in den Mittelpunkt der politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Betrachtungsweisen zu stellen.
Einer der Leitgedanken, wie Sozialarbeit im Institut für Sozialdienste verstanden wird, ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. Selbsthilfe ist das Prinzip, eigene
Probleme aus eigener Kraft bzw. gemeinsame Probleme mit gemeinsamen
Anstrengungen zu bewältigen. Es gilt dabei, den ganzheitlichen Blick auf die
Lebensumstände der KlientInnen zu wahren, gemeinsam mit KlientInnen
Ziele und Erwartungen, die jemand hat, zu entwickeln und durch fachliche
Hilfe, die kurz- oder längerfristig sei kann, zu versuchen, Zugang zu den
Ressourcen der KlientInnen zu finden.
Armut und Existenzsicherung
Sozialarbeit kümmert sich vor allem um Menschen, die aus persönlichen
Gründen oder aufgrund äußerer Einflüsse und Rahmenbedingungen in existenzielle Krisen und Nöte geraten. Meist handelt es sich dabei nicht um
ein einzelnes, isoliert auftretendes Problem, sondern um Probleme, die in
verschiedenen Bereichen gleichzeitig auftreten und sich gegenseitig beeinflussen. Oft sind die Betroffenen nicht in der Lage, diese Probleme aus eige-
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Im Dienste sozialer Gruppen
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ner Kraft und eigener Anstrengung zu bewältigen, da äußere Bedingungen
die Lösung erschweren. In der Sozialarbeit wird deshalb versucht, gemeinsam mit den Betroffenen individuelle und nachhaltige Lösungsansätze zu
erarbeiten und herauszufinden, was für Rahmenbedingungen geschaffen
werden müssen, damit solche Notlagen nicht auftreten bzw. schnell gelöst
werden können.
Ein Problem, das zumeist weite Kreise zieht, ist jenes der Armut. Arm
sind nicht nur Menschen, die wohnungslos sind und auf der Straße leben,
sondern auch Menschen, die nicht am Alltagsleben teilnehmen können und
sozial ausgegrenzt werden. Armut wird definiert als die unzureichende Mittelausstattung zur Befriedigung der lebenswichtigen Grundbedürfnisse.
Häufig ist diese bestimmt durch ein geringes Einkommen und das Auftreten von schwierigen Lebensbedingungen: Abgetragene Kleidung kann nicht
ersetzt, die Wohnung nicht angemessen warm gehalten, keine unerwarteten Ausgaben getätigt werden. Armut bezieht sich jedoch nicht nur auf die
finanziellen Möglichkeiten. Arm ist der, der keine Wahl hat. Armut macht
krank, Armut ist Stress, Armut macht einsam, nimmt einem Zukunftsperspektiven und bedeutet so einen Mangel an Wahlmöglichkeiten im Leben.
Ein besonders hohes Armutsrisiko weisen Migrantinnen und Migranten
sowie Personen in Ein-Elternteil-Familien auf. Zudem zeigt sich bei Familien mit drei und mehr Kindern und bei Familien mit kleinen Kindern eine
erhöhte Armutsgefährdung, vor allem dann, wenn die Frau nicht erwerbstätig ist. Ein Risikofaktor sind Scheidungen, da im Rahmen von Scheidungsvergleichen oft Weichenstellungen erfolgen, die langfristig Armutsfolgen haben
können. Neben der Familiensituation spielt die Arbeits- und Bildungssituation in Bezug auf Armutsgefährdung eine zentrale Rolle. Die ökonomische
Situation von Haushalten wird sowohl vom Grad der Einbindung in den
Arbeitsmarkt als auch von der Zusammensetzung der Haushalte grundlegend bestimmt. Erwerbsarbeit hat eine wesentliche Sicherungsfunktion bei
der Vermeidung von Armutsgefährdung. Auch fehlende schulische Bildung
sowie die nicht vorhandene Sprachkompetenz erhöhen das Armutsrisiko.
Weitere Faktoren, die die Armutsgefährdung erhöhen sind Alter und Pflegebedürftigkeit, Krankheit und Behinderung, Haftentlassung und Prostitutionsausstieg und Überschuldung.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Schulden
Im Februar 1988 begründete das IfS unter der Federführung von Julius
Schedel in Bregenz die erste Schuldenberatungsstelle. Neben der Arbeit für
verschuldete Einzelpersonen und Familien wurde es ein besonderes Anliegen der „IfS-Schuldenberatung“, gemeinsam mit der „ARGE Schuldenhilfe
Österreich“ an gesetzlichen Verbesserungen zu arbeiten.
In der konkreten Arbeit der IfS-Schuldenberatung zeigte sich, dass
Betroffene häufig sehr lange warteten, bis sie bei finanziellen Problemen
Hilfe suchten und in Anspruch nahmen. Oft hatten deren Probleme bereits
ein derart großes Ausmaß angenommen, dass diese negative Auswirkungen
auf das familiäre Umfeld der Betroffenen hatten. In diesem Zusammenhang
zeigte sich vielfach, dass die Krise durch eine alleinige Regelung der finanziellen Angelegenheiten nicht zu meistern war, sondern eine Änderung des
gesamten Lebensstils und der Lebenshaltung erforderlich machte.
Neben diversen Beratungstätigkeiten strebte die IfS-Schuldenberatung
eine gute Zusammenarbeit mit Banken an, um grundsätzlich bessere Möglichkeiten in der Risikovermeidung und im Bereich der Schuldensanierung
zu erarbeiten. Im Jahr 1989 wurde eine Fachkommission gebildet, in der
Vertreter von Banken, Politik, Versicherungen und Wirtschaft gemeinsam
nach Lösungsmöglichkeiten suchten.
In den Folgejahren zeigte sich, dass die Zahl derer, die mit Problemen der
Verschuldung zu kämpfen hatten, stetig zunahm. Waren es im Jahr 1989
noch 260 Personen, vor allem Männer, welche die IfS-Schuldenberatung
aufsuchten, so stieg die Anzahl der Hilfesuchenden 1990 auf 404 Personen
an. Die Hauptursachen für die Nöte lagen im privaten aber auch öffentlichen
Bereich: Es zeigte sich eine deutliche Relation zwischen Scheidung und Verschuldung sowie zwischen Arbeitslosigkeit und Verschuldung. Auch externe
wirtschaftliche Phänomene machten sich negativ bemerkbar – die Zinskosten waren angestiegen und für viele fielen im Zusammenhang mit den allgemeinen Sparmaßnahmen die existenzsichernden Überstunden weg. 1999
waren gemäß den Schätzungen des IfS zwischen 6000 und 8000 Haushalte
von Überschuldung betroffen. Von Überschuldung wird gesprochen, wenn
nach Abzug der Fixkosten für Miete, Strom, Heizung, Lebensmittel usw. kein
Geld mehr für die Rückzahlung von Schulden vorhanden ist. Die Gründe
dafür waren und sind vielfältig: „Hohe Lebenshaltungskosten, steigende
Kosten für die Kindererziehung, die gestiegenen Arbeitslosenzahlen und
Scheidungsraten, die Auslagerung von Betrieben im Zusammenhang mit der
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Globalisierung sowie die Sparpakete von Bund und Land“,
so Peter Kopf, Geschäftsführer
der IfS-Schuldenberatung.
Auch die KlientInnenstruktur hatte sich verändert:
Zunehmend wurde das IfS von
„reichen Schuldnern“ kontaktiert. Als „reiche Schuldner“
werden Menschen bezeichnet, die hinsichtlich ihres Einkommens gut situiert wären,
jedoch so viele finanzielle
Verpflichtungen eingegangen
sind, dass die monatlichen
Rückzahlungen die finanziellen Möglichkeiten bei Weitem übersteigen. Alarmierend
war, dass sich vor allem junge
Leute unter 35 Jahren an die
IfS-Schuldenberatung wandten. Die Verschuldung zeigte
1998: 10 Jahre IfS-Schuldenberatung
sich auch in den Privatkonkursen – bezogen auf die Bevölkerungszahl lag Vorarlberg 2002 an der Spitze
aller Bundesländer.
Im Jahr 2003 betrug die Schuldenlast der insgesamt 3.214 Kontaktsuchenden 156 Millionen Euro. Als häufigste Ursachen wurden genannt:
Arbeitslosigkeit, Konsumverhalten, Selbstständigkeit, Bürgschaften, Scheidungen und Autokauf.
Unter den 2.002 Ratsuchenden des Jahres 2004 – seit den letzten drei
Jahren war ihre Zahl um mehr als das Doppelte gestiegen – befanden sich
doppelt so viele Männer wie Frauen. Im Jahr 2006 wurden 2.335 KlientInnen
unterstützt, deren durchschnittliche Verschuldung bei 82.196,- Euro lag. Zu
zwei Dritteln wurde die Schuldenberatung von Männern, zu einem Drittel
von Frauen kontaktiert. Die Altersgruppe zwischen 26 und 35 Jahren machte
rund 30% aus, jene der 36- bis 45jährigen rund 29%. Seit Gründung der IfSSchuldenberatung im Jahr 1988 waren insgesamt 22.131 Menschen beraten
worden.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Von Anfang an hatte die IfS-Schuldenberatung die besondere Wichtigkeit
von Präventionsarbeit erkannt. 1990 organisierte das IfS gemeinsam mit
dem Bildungszentrum Schloss Hofen unter dem Motto „Leben auf Pump“
eine Fachtagung, um dem Thema „Schuld-Verschuldung“ in der öffentlichen Diskussion eine neue Perspektive zu geben. 1992 wurde zudem eine
„Prophylaxeaktion“ gestartet, die vor allem bei Jugendlichen Hellhörigkeit
bewirken sollte. Das neu konzipierte Programm präsentierte sich ein Jahr
später als „vorbeugende Maßnahmen gegenüber Verschuldung“. Gemeinsam mit der Wochenzeitschrift „Wann & Wo“ und den Raiffeisenbanken
wurde eine umfangreiche Informationskampagne gestartet. Zielgruppe
waren vor allem Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr, die bereits über ein Einkommen verfügten bzw. kurz davor standen. Die Informationen richteten
sich an Vorarlbergs berufsbildende Schulen und Jugendzentren und wurden
selbst in Kinos und in bundesweiten ORF-Fernsehsendungen gezeigt.
Dass Verschuldung nicht erst im Erwachsenenalter einsetzt, sondern
in vermehrtem Maße auch Jugendliche betrifft, wurde immer deutlicher.
In Kooperation mit dem Land Vorarlberg, AMS, der Arbeiterkammer und
der Wirtschaftskammer begann das IfS, unter 15-19jährigen SchülerInnen, Lehrlingen und arbeitslosen Jugendlichen Aufklärungsarbeit bezüglich
Schuldenprävention zu leisten. Wenige Jahre später, 2006, wurde der „Vorarlberger Finanzführerschein – Fit fürs Geld“ ins Leben gerufen. Ziel des
österreichweit einzigartigen Projektes war es, Kinder und Jugendliche mit
dem richtigen Umgang mit Geld vertraut zu machen, der notwendig ist,
um die ganze Vielfalt der komplexen Themen Geld, Finanzen und Konsum
abzudecken und zu verstehen.
Wohnen und Wohnungslosigkeit
Wohnen bedeutet mehr als bloß ein Dach über dem Kopf zu haben – Wohnen
heißt Heimat zu finden, symbolisiert Wurzeln und hat für viele Menschen
eine zentrale Bedeutung. Werden Personen vom Verlust ihrer Wohnung
bedroht oder haben ihre Wohnung bereits verloren, so stürzen diese häufig in eine tiefe Krise, fühlen sich entwurzelt und an einem Tiefpunkt ihres
Lebens angelangt. Um Menschen in solchen Notlagen Hilfe anzubieten,
wurden im IfS die „Sozialen Wohnformen“ eingerichtet. Dieses Zusatzangebot, eines der ersten im Rahmen der sozialarbeiterischen Tätigkeit des IfS,
stellt Betroffenen vorübergehenden Wohnraum und somit Ruhe und Schutz
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
1996: 10 Jahre IfS-Krisenwohnung Dornbirn mit Bgm. Rudi Sohm (links)
in dieser schwierigen Lebenslage zur Verfügung. Die nächsten Schritte und
die Organisation des weiteren Lebens können von hier aus geplant werden.
Die Angebote der Sozialen Wohnformen des Institut für Sozialdienste haben
sich im Laufe der Zeit verändert und sich den jeweiligen Bedürfnissen der
Menschen und der Zeit angepasst. Die erste Wohngemeinschaft für Mutter
und Kind wurde Anfang 1979 in Bregenz eröffnet. Aufgenommen wurden
schwangere Frauen und Frauen mit neugeborenen Kindern, die dort während des ersten Lebensjahres des Kindes Unterkunft finden sollten. Gründe
für die Aufnahme waren meist Beziehungsprobleme mit dem Kindesvater,
der Familie der Frau oder auch das Fehlen einer Kleinwohnung für eine
junge, allein erziehende Mutter.
Ein neuer Typus sozialen Wohnens, die „Krisenwohnung“, entstand
Ende 1982 in Bregenz in der Achsiedlung, „unauffällig zwischen anderen
Mietparteien in einer Wohnanlage integriert“. Weitere Wohnungen dieser
Art wurden 1985 in Feldkirch und 1986 in Bregenz, Dornbirn und Bludenz
eingerichtet. Waren sie ursprünglich für Personen gedacht, die aus finanziellen Gründen ihre Wohnung verloren hatten, so zeigte sich schon bald, dass
sie hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen wurden, die eheliche
und familiäre Probleme hatten. 1983 lebten in der 4-Zimmerwohnung in
Bregenz daher zu 55% Frauen, zu 32% Kinder und nur zu 13% Männer.
Die vorübergehende Aufnahme in einer Krisenwohnung sollte der Stabili-
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Im Dienste sozialer Gruppen
sierung, der Neuorientierung, aber auch dem Einstieg ins Arbeitsleben dienen, denn: „Wer keinen festen Wohnsitz hat, erhält keine Arbeit; wer keine
Arbeit hat, erhält keinen Mietvertrag.“
Typisch für diese Wohnform war das Prinzip der materiellen Selbstversorgung. Zur Bewältigung der jeweiligen Krisensituation wurde von
Fachleuten außerhalb der Wohnung eine umfassende Betreuung angeboten. Ursprünglich plante man die Aufenthaltsdauer für 14 Tage, 1984 lag sie
jedoch schon bei durchschnittlich zwei bis drei Monaten. Die Dauer der Aufenthalte zeigte schon früh eine Korrelation zur allgemeinen Wohnungssituation in Vorarlberg. Der Mangel an kostengünstigen Wohnungen zwingt
die Betroffenen oft, länger in den Krisenwohnungen zu bleiben, als dies
bezüglich der persönlichen Notlage nötig wäre.
In den folgenden Jahren wurde gemeindeübergreifend versucht, Menschen,
die in soziale Not geraten waren und am Wohnungsmarkt wenig Chancen
hatten, eine kostengünstige Wohnung zu vermitteln, um damit eine tiefere
soziale Krise zu verhindern. So initiierte das IfS 1997 die Idee „Wohnnetz“.
Die Gemeinden Lauterach, Hard, Höchst, Fußach und Wolfurt schlossen
sich gemeinsam mit der Vogewosi Dornbirn zu einem dreijährigen Projekt zusammen. Dies war der erste größere Versuch, Menschen, die ihre
Wohnung verloren hatten, nicht vorübergehend in stationären Einrichtungen unterzubringen, sondern diesen durch die Zurverfügungstellung von
erschwinglichem Wohnraum die Möglichkeit zu bieten, weiterhin selbstständig zu wohnen. 2006 wurde gemeinsam mit dem Amt der Vorarlberger
1997: Pressekonferenz „Wohnnetz“
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Landesregierung und der ARGE Wohnungslosenhilfe das Projekt „Soziales
Netzwerk Wohnen“ gestartet, das Menschen, die ansonsten am freien Wohnungsmarkt keine Chancen hätten, in Vorarlberg erschwingliche Wohnungen zur Verfügung stellt. So werden die Betroffenen unterstützt und zudem
die stationären Einrichtungen entlastet.
Im Jahr 2006 gab es in Vorarlberg fünf Krisenwohnungen, die in diesem Jahr
79 Personen vorübergehend eine Wohnmöglichkeit boten. Die IfS-Krisenwohnungen geben in schwierigen Lebenslagen Ruhe und Schutz.
Delogierungsprävention
Im September 2005 startete das IfS das Projekt „Delogierungsprävention“, das finanziell vom Vorarlberger Sozialfonds und den gemeinnützigen Wohnbauträgern getragen wird. Damit reagierte man auf den Bedarf an
Hilfe für Menschen, die vom Wohnungsverlust bedroht wurden. Aus Erfahrung wusste man, dass Delogierungen zumeist viel Leid mit sich bringen
und für die betroffenen Familien oft ein Schicksalsschlag waren, von dem
sie sich nur schwer erholen. Für Gemeinden, Vermieter, Sozialinstitutionen
und Sozialhilfe ist eine Delogierung mit Kosten und viel Mühen verbunden.
Um dieses Leid zu verhindern, setzte das IfS auf Präventionsarbeit, die dieses
neue Projekt leisten sollte.
Das Projekt „Delogierungsprävention“ hatte es sich zum Ziel gesetzt,
Strategien zu finden, wie der drohende „Rauswurf“ aus der Wohnung
abgewendet werden konnte. Es zeigte sich, dass es besonders wichtig ist, die
Betroffenen so früh wie möglich zu erreichen, um den Wohnungsverlust zu
verhindern. Je früher Unterstützung angeboten wird, desto größer sind die
Chancen auf Erhaltung der Wohnung.
Zur Erreichung dieses Ziels wurde eine enge Zusammenarbeit mit den
involvierten Partnern, wie Wohnbauträger, Gemeinden, Vermietern, Sozialhilfe oder psychosozialen Beratungsstellen angestrebt. Gemeinsam sollten
Strategien erarbeitet werden, wie die bedrohten Menschen am besten zu
erreichen sind und wie diesen Hilfe angeboten werden kann, die diese auch
annehmen.
Bereits im ersten Jahr der Projektumsetzung konnte für 85 Haushalte die
bestehende Wohnung gesichert werden. In 27 Fällen wurde es als sinnvoll
erachtet, einen Wohnungswechsel zu organisieren, was erfolgreich gelang.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Bei fünf Haushalten konnte trotz Interventionen eine Delogierung nicht
abgewendet werden.
Siedlungsarbeit
Eine funktionierende Hausgemeinschaft erhöht die Wohnqualität und beugt
Konflikten und Störungen vor. Basierend auf diesem Wissen wurde die „Siedlungsarbeit“ ins Leben gerufen. Zentrale Aufgabe im Rahmen dieser Arbeit
ist es, gemeinsam mit den BewohnerInnen aber auch mit Gemeinden und
Wohnbauträgern zu versuchen, negativen Entwicklungen in den Siedlungen
und Wohnanlagen entgegenzuwirken. Dabei können Nachbarschaftskonflikte, Mieterwechsel, Vandalismus und Isolation mögliche Problemsituationen sein, die zu bewältigen sind. Grundlagen für die Verbesserung im
Wohnumfeld sind eine funktionierende und wertschätzende Kommunikation zwischen den BewohnerInnen sowie die Entwicklung einer Verantwortung für das Gemeinsame. So werden beispielsweise BewohnerInnen vor
dem Bezug einer neuen Siedlung darin unterstützt, sich kennen zu lernen,
und nach dem Bezug gemeinsam Verbesserungen und Problemlösungen für
das Zusammenleben entwickelt.
Durch die Entwicklung einer Gesprächskultur, mittels gemeinsamer Situationsanalysen, gezielter, aktivierender, gemeinsinn- und gemeinschaftsfördernder Interventionen in Siedlungen ist es möglich, die Vielfalt von
Lebensformen in einer Wohnanlage nicht nur als konflikthaft, sondern
als eine Bereicherung wahrzunehmen und somit einen wertschätzenden
Umgang miteinander zu erlangen.
MigrantInnen
Das Institut für Sozialdienste sah sich bereits in den frühen 1980er Jahren
damit konfrontiert, dass auch MigrantInnen fachlich qualifizierte Beratung
und Unterstützung bedürften. Damals betrug der Anteil türkischer und
jugoslawischer Staatsbürger an der Vorarlberger Gesamtbevölkerung rund
7,5%. Die Anzahl der Hilfesuchenden war jedoch gering, da die deutsche
Sprache meist ein großes Problem bzw. eine Barriere darstellte und mit Dolmetschern gearbeitet werden musste. Zudem glaubten viele MigrantInnen,
das IfS sei eine „Behörde“, mit der man lieber nichts zu tun haben wollte.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Beratung scheiterte zudem
häufig an der österreichischen
Gesetzeslage. Die SozialarbeiterInnen empfanden in diesem Zusammenhang oft ein
Gefühl der Ohnmacht und
gelangten daher 1986 zu dem
Schluss, dass ihre Arbeit zur
„Alibihandlung“ werde, falls
es in Zukunft nicht gelinge,
„Stimmen und Gehör für die
Gastarbeiter“ zu bekommen,
Erster türkischer IfS-Berater: Kundayt Shurdum
und falls die Öffentlichkeitsarbeit nicht verstärkt und MitarbeiterInnen nicht entsprechend geschult
würden (Jahresbericht 1986).
Die Lage veränderte sich wesentlich, als 1987 das Arbeitsteam des IfS in
Feldkirch durch den neuen, türkischen Mitarbeiter Kundeyt Surdum verstärkt wurde und dieser von nun an gemeinsam mit der Sozialarbeiterin
Heide Schneider „grundsätzliche“ MigrantInnenarbeit – über die Einzelfälle
hinaus – leistete.
Die Probleme der MigrantInnen waren vielseitig: Sie hatten Schwierigkeiten mit der sprachlichen und kulturellen Andersartigkeit, besaßen
kaum Kontakte zu Einheimischen und standen häufig einer unsicheren
Zukunft gegenüber. Immer wieder zeigten sich ein hoher Verschuldungsgrad, schlechte und beengende Wohnverhältnisse, die völlige Isolation der
Frauen und die große Sorge um die Erziehung der Kinder. Besonders diese
litten unter dem „doppelten Analphabetismus“: Sie beherrschten weder die
Sprache der Heimat der Eltern noch jene des Aufnahmelandes in Wort und
Schrift perfekt. Um diesem Problem begegnen zu können, organisierte das
IfS in Bludenz seit dem Herbst 1989 „Lernhilfen für ausländische Kinder“
im Rahmen der Volksschulausbildung. Das Projekt erwies sich als erfolgreich und unterstützte die Kinder in Schule und Freizeit.
An türkische Jugendliche wandten sich 1993 die Beratungsstellen des
IfS in Dornbirn und Bregenz. Türkische Mädchen wurden über Kontakte
einer türkischen IfS-Mitarbeiterin eingeladen, um über Themen wie Liebe,
Zärtlichkeit, Sexualität, Aufklärung, Partnerschaft, Ehe und Verhütung zu
sprechen. Zu den periodischen Treffen und Seminaren stießen 1994 auch
Mädchen aus dem ehemaligen Jugoslawien. 1997 starteten schließlich in Vorarlberg geborene, türkische Jugendliche im IfS in Feldkirch eine Initiative,
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und mehr über Geschichte und
Kultur ihrer türkischen Eltern-Heimat zu erfahren.
Diese Initiativen waren erfreulich, konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nöte der MigrantInnen viel tiefer und existentieller
waren. Hauptursache waren strenge Ausländergesetze. Sie wirkten sich „in
bedrohlicher Weise“ auf die Existenz jener MigrantInnen in Vorarlberg aus,
die schon lange hier lebten. Konnte beispielsweise der vorgeschriebene Mindeststandard von 13 m² Wohnfläche pro Person nicht nachgewiesen werden
oder fehlte das erforderliche Familieneinkommen, konnte die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden. Die Folgen waren konstante existentielle
Unsicherheit und die Angst vor der Zukunft. Das IfS fürchtete, dass sich
dadurch „auch das gesellschaftliche Klima im Lande verschärfe“.
Besonders im Wohnungsbereich waren große Probleme erkennbar. An
MigrantInnen wurden nur selten Wohnungen vermietet – wenn doch so
meist zu erhöhten Preisen. Zudem wurden an MigrantInnen Anforderungen gestellt, die für Inländer nicht galten.
In der Schwangerschaftskonfliktberatung zeigte sich bei Migrantinnen
das Problem, dass ein zusätzliches Kind zur Gefährdung der Aufenthaltsgenehmigung führen konnte, da die Geburt eines weiteren Kindes zur Verminderung des Familieneinkommens führte und der Wohnraum zumeist zu
klein bzw. eng wurde. Außerdem erwies sich der Rechtsanspruch auf eine
Familienzusammenführung meist als
hypothetisch, da er auf Grund der Kontingentsregelungen nur schwer durchsetzbar war. Die MitarbeiterInnen des
IfS im Bereich der MigrantInnenberatung konnten dem neuen Ausländergesetz deswegen wenig Positives
abgewinnen.
Ein neues MigrantInnenenproblem
ergab sich im Jahr 1992 im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in ExJugoslawien. Ende des Jahres lebten in
Vorarlberg rund 3500 Kriegsflüchtlinge. Ein Teil davon hatte bei Verwandten oder österreichischen Gastfamilien
Aufnahme gefunden. 150 Menschen
aus Bosnien lebten in der BundesheerKaserne Galina in Nenzing.
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Ein erstes konkretes Hilfsangebot galt den BewohnerInnen der erwähnten
Kaserne. Die IfS-Beratungsstelle Feldkirch bot ab Oktober 1992 regelmäßige
Sprechstunden an. Die meisten Flüchtlinge hatten nicht mehr als ihr Leben
retten können und standen noch lange unter dem Schock der Vertreibung
und der schrecklichen Kriegserlebnisse. Gemeinsam mit dem Vorarlberger
Landesverband für Psychotherapie bot das IfS Psychotherapie für Kriegsneurosen und Entwurzelungssyndrome an. Bald wurde klar, „dass sinnvolle
Hilfe auch einer Beschäftigungsmöglichkeit bedurfte“. Mit der publizistischen Hilfe der „Vorarlberger Nachrichten“ wurde 1993 von Dr. Gertrud
Würbel ein Konzept für ein bosnisch-vorarlbergisches Partnerschaftsmodell,
die so genannte Aktion „Susret-Begegnung“, geschaffen. Das Arbeitsteam
mit vielen freiwilligen HelferInnen schuf die organisatorischen Brücken
für eine Begegnung zwischen den Fremden und den Einheimischen. Web-,
Näh-, Tischler- und Töpferwerkstätten entstanden in den Garagen der
Galina, Arbeitsmaterialspenden wurden gesammelt. Die Produkte des bosnischen Handwerks fanden Absatz auf Basaren in der Galina, später auch auf
öffentlichen Märkten. Der Erlös ging an die Produzenten.
Eine „Beschäftigungsbörse“ für Arbeit außerhalb der Galina lief unter
dem Namen „Flüchtlinge helfen Vorarlbergern“. Für Gartenarbeit und ähnliches konnten Geldbeträge auf ein Spendenkonto erwirtschaftet werden,
die den Tätigen als Spende ausbezahlt wurde. „Dieses Modell entzog sich
dem Konflikt mit dem Gesetz des Arbeitsverbots für de-fact-Flüchtlinge und
wurde von der Caritas für alle in Vorarlberg lebenden Flüchtlinge übernommen.“ Ein weiteres Projekt, das in diesem Kontext entstanden ist und noch
heute fortgeführt wird, ist die „Bosna Quilt Werkstatt“.
Im März 1993 startete das Projekt „Künstler und Flüchtlinge“ mit elf
Vorarlberger Künstlern, die ihre Ideen und Entwürfe als Vorlage für feingewobene Tapisserien, geknüpfte Teppiche und gestickte Quilts schenkten. Die Aktion Susret wurde 1995 im Flüchtlingsheim Galina beendet. Bis
Frühsommer 2001 schaffte das Vereinsunternehmen aus eigener finanzieller
Kraft die Fortführung des Betriebes in einer Werkstätte mit zehn Weberinnen.
Im Laufe der Jahre hat sich die MigrantInnenberatung an den IfS-Beratungsstellen etabliert. Sprachliche Barrieren wurden durch die Anstellung muttersprachlicher BeraterInnen abgebaut, so dass MigrantInnen in
der Beratung ein Stück Heimat erleben können. Unterstützt werden diese
Menschen, die häufig auf Ablehnung und Unverständnis stoßen, in allen
möglichen Lebensbereichen. Ziel der Arbeit ist es, konkrete Lebenshilfen zu
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Im Dienste sozialer Gruppen
besprechen, Vorurteile abzubauen und in gegenseitiger Anerkennung miteinander vertraut zu werden.
Im Bereich der Beratung von MigrantInnen waren im Laufe der Zeit spezifische Problematiken zu erkennen. Zum einen erforderten all jene Bereiche,
in denen traditionell-kulturelle Werte mit Menschenrechten kollidierten
(z. B. Zwangsehen), sowohl in der Beratung als auch im gesellschaftlichen
Diskurs eine Auseinandersetzung, zum anderen musste im Rahmen der
MigrantInnenberatung auf das Problem der sprachlichen Barrieren reagiert
werden. Vor allem das Phänomen der Heiratsmigrantinnen sowie die Tatsache, dass in den kommenden Jahren immer mehr Flüchtlinge den Status als
anerkannte Flüchtlinge erhalten werden, machen es unabdingbar, vermehrt
Beratungen in der Muttersprache der Betroffenen anzubieten.
Psychologie und Psychotherapie
Das Psychologengesetz führt folgende Berufsbeschreibung an: „Die Ausübung des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens ist
die durch den Erwerb fachlicher Kompetenz im Sinne dieses Bundesgesetzes
erlernte Untersuchung, Auslegung, Änderung und Vorhersage des Erlebens
und Verhaltens von Menschen unter Anwendung wissenschaftlich-psychologischer Erkenntnisse und Methoden. Die Ausübung des psychologischen
Berufes … umfasst insbesondere 1. die klinisch-psychologische Diagnostik hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Persönlichkeitsmerkmalen, Verhaltensstörungen, psychischen Veränderungen und Leidenszuständen sowie sich
darauf gründende Beratungen, Prognosen, Zeugnisse und Gutachten, 2.
die Anwendung psychologischer Behandlungsmethoden zur Prävention,
Behandlung und Rehabilitation von Einzelpersonen und Gruppen oder die
Beratung von juristischen Personen sowie die Forschungs- und Lehrtätigkeit
auf den genannten Gebieten und 3. die Entwicklung gesundheitsfördernder
Maßnahmen und Projekte.“
Das Psychotherapiegesetz definiert Psychotherapie in folgender Weise:
„Die Ausübung der Psychotherapie … ist die nach einer allgemeinen
und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante
Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren
Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel,
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bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und
Gesundheit des Behandelten zu fördern.“
Das Arbeiten mit psychotherapeutischen und psychologischen Methoden
stellte neben der „Sozialen Arbeit“ von Beginn an einen Arbeitsschwerpunkt des IfS dar. Als 1991 das Psychologen- und Psychotherapie-Gesetz in
Kraft trat und somit psychologisches und psychotherapeutisches Arbeiten
auf eine breite gesetzliche Basis gestellt und zu einer anerkannten Profession wurde, hatte man im IfS bereits viele Erfahrungen in diesem Bereich
gesammelt. Die IfS-Beratungsstellen setzten schon immer auf eine Zusammenarbeit zwischen Psychologie, Psychotherapie und Sozialarbeit, was bis
heute die spezifisch multidisziplinäre Stärke des IfS ausmacht.
Methodisch standen in den ersten Jahren die analytischen und tiefenpsychologischen Verfahren im Vordergrund. Methodenpluralität war jedoch
immer Prinzip. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine breite Methodenvielfalt und man zeigte sich offen gegenüber neuen psychotherapeutischen
und psychologischen Methoden und Entwicklungen. So werden heute beinahe alle psychotherapeutischen Methoden angewandt, die im Psychotherapiegesetz beschrieben sind, und vielfältige psychologische Verfahren sind im
Einsatz. Schwerpunkte der psychologischen Verfahren sind die Diagnostik,
die psychologische Behandlung (klinische Psychologie) und Maßnahmen
der Gesundheitspsychologie.
Viele Menschen kommen im Laufe ihres Lebens an Punkte, an denen das
Ziehen einer Bilanz sowie eine Neuorientierung notwendig werden. Oder
es treten „Störungen“ auf, die auf psycho-soziale Ursachen zurückzuführen
sind. In Trennungs- und Verlustsituationen, in existenziellen Notlagen, bei
der Übernahme neuer Anforderungen oder beim Verlust vertrauter Aufgaben und Lebensinhalte kann es zu Anpassungs- und Reaktionsstörungen
kommen. Aber auch Ängste, Zwangsgedanken und -handlungen, Probleme
in Partnerschaft oder Familie, Depressionen, Süchte und psychosomatische
Erkrankungen können die Lebensqualität massiv einschränken.
Die PsychotherapeutInnen und PsychologInnen des IfS machten es sich
von Beginn an zur Aufgabe, Menschen, die sich in solch schwierigen Lebenssituationen befinden, zu helfen.
Im Jahr 1981 unterstützten die MitarbeiterInnen des IfS beispielsweise 106
Menschen mit Depressionen sowie 244 Personen, die Selbstmordgedanken
hegten oder bereits einen Suizidversuch hinter sich hatten. Im Laufe der
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Jahre stieg die Anzahl der KlientInnen, die Erwachsenenpsychotherapie in
Anspruch nahmen, ständig an. 1994 waren es 1.164, im Jahr 1996 bereits
1.959 und im Jahr 2006 insgesamt 2.279.
Gerade die Betreuung psychisch belasteter und kranker Menschen zeigte,
dass eine Zusammenarbeit der Disziplinen, insbesondere auch zwischen
Sozialarbeit, Psychotherapie und Psychologie wichtig und notwendig ist.
Zu diesem Themenschwerpunkt, der die Kooperation der Fachbereiche
beleuchtete, führte das IfS 1983 im Feldkircher Montforthaus ein Symposium durch, dessen Ergebnisse 1985 in der Fachschriftenreihe des IfS unter
dem Titel „Sozialarbeit & Psychoanalyse, Chancen und Probleme in der
praktischen Arbeit“ von Dr. Josef Christian Aigner herausgegeben wurden.
Dass jedes Individuum jedoch Teil
eines sozialen Kontextes ist, der das
Verhalten der Individuen stark mit
beeinflusst, wurde erst im systemischen Ansatz stärker beachtet und in
die psychologischen und psychotherapeutischen Methoden integriert. Dass
menschliche Probleme bis hin zu Sinnkrisen und Suizid vor allem eine Angelegenheit des sozialen Status und der
sozialen Schichtzugehörigkeit waren,
bewies in der IfS-Fachschriftenreihe
der Beitrag des Sozialpädagogen Bertram Strolz über seine Erfahrungen in
Vorarlberg: „... so wird offensichtlich,
dass gerade die soziale Isolation, die 1997: Team für psychologische Beratung
aktuellen und biographisch brüchigen von Kindergärten
Beziehungserfahrungen und die gesellschaftlich bestehenden Stigmatisierungstendenzen das Erlangen und Erhalten von Integrität für Menschen aus
sozial benachteiligten Schichten massiv beeinträchtigen ... zu Gefühlen der
Minderwertigkeit, Passivität führen.“
Das aus methodischer und therapeutischer Sicht zukunftsweisende Konzept
der Gruppenpsychotherapie wurde seit 1982 von Dr. Martin Mittendorfer
und Franz Feuerstein eingesetzt. Es wurden zahlreiche psychotherapeutische Intensivgruppen (Mehr-Tages-Workshops) durchgeführt, die von den
KlientInnen sehr gut angenommen wurden.
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IfS-Geschichte
Analysiert man die Entwicklungen und Aufgaben der IfS-Beratungsstellen, liefern diese ein deutliches Bild über den Wandel der Vorarlberger
Gesellschaft seit der Gründung des IfS zu Beginn der 1970er Jahre: Dominierten damals Erziehungsfragen und Jugendarbeit, so verlagerte sich der
Schwerpunkt immer stärker auf die Psychotherapie und die psychologische
Behandlung. Die zunehmende Verstädterung und Industrialisierung förderte ein bis dahin fast unbekanntes Phänomen – die individuelle Vereinsamung und Entsolidarisierung der Gesellschaft. Zu einem weiteren Problem
wurden die große Schicht allein erziehender Frauen und die damit verbundene Vaterlosigkeit der Kinder.
Ehe und Partnerschaft
In den 1970er Jahren galt die Eheund Paarberatung als eigene Disziplin, in deren Rahmen die Ausübung
der Beratungstätigkeit einer speziellen Ausbildung bedurfte. Im Laufe der
Zeit wurde diese Disziplin jedoch von
den Berufsfeldern der Sozialarbeit, der
Psychologie und Psychotherapie übernommen und weiterentwickelt. Menschen mit Problemen im Bereich Ehe
bzw. Partnerschaft fanden zum einen
in der Erwachsenenberatung, in der
Einzelpersonen gemeinsam mit einem
Außenstehenden ihre Probleme in der
Partnerschaft beleuchten und besser
1991 IfS-Team Bregenzerwald
Dr. Gertraud Würbel (Mitte)
zu verstehen und zu lösen versuchen,
zum anderen in der Paarberatung Unterstützung.
Ehe und Partnerschaft stellen einen Bereich dar, in dem sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bezüglich der Wertehaltung sowie der
Bedürfnisse von Paaren sehr vieles verändert hat. Gerade in diesem Bereich
wird sichtbar, wie sich die gesellschaftlichen Rollen von Frauen und Männern verändert haben. Für Paare stellen diese neuen Rollenbilder und die
Ansprüche, die heutzutage an eine Partnerschaft gestellt werden, oft eine
große Herausforderung dar. Es hat sich gezeigt, dass es oft notwendig und
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1997: 20 Jahre IfS-Beratungsstelle Bludenz
sinnvoll sein kann, Probleme innerhalb einer Beziehung mit einer außenstehenden Person zu analysieren, um die Partnerschaft aufrecht zu erhalten. In
der Ehe- und Paarberatung geht es darum, den Partnern zu helfen, zu einer
gelingenden Partnerschaft zurückzufinden, oder sie darin zu unterstützen,
sich respektvoll zu trennen und dabei das Wohl der gemeinsamen Kinder
nicht aus den Augen zu verlieren.
Zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Ehe-, Paar und Erwachsenenberatung hauptsächlich von den IfS-Beratungsstellen wahrgenommen. Kennzeichnend war, dass dieser Beratungsbereich etwa von einem Viertel aller
Ratsuchenden in Anspruch genommen wurde und der Anteil an Männern
mit 30% recht gering war. Im Jahr 2006 waren rund 75% der KlientInnen,
die die Erwachsenenberatung aufsuchten weiblich, lediglich ein Viertel der
Ratsuchenden in diesem Bereich war männlich.
Einen entscheidenden Einfluss auf die Eheberatung übte das im Jahr 2000
erlassene neue Eherecht aus. Diese wichtige Eherechtsreform verpflichtete die EhepartnerInnen zu einer einvernehmlichen und ausgewogenen
Lebensgestaltung. Aus der Sicht des IfS waren die Änderungen, die auch das
Scheidungsrecht betrafen, zu begrüßen. Man wies jedoch darauf hin, dass
eine Beratung nicht erst mit Beginn des Gerichtsverfahrens in Anspruch
genommen werden sollte. Die krisenhafte Entwicklung beginne früher und
dort wolle das IfS ansetzen. Es gehe nicht nur um Konfliktberatung, sondern
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ebenso um einen einvernehmlichen Neubeginn oder um eine einvernehmliche Scheidung bei vorsorglicher Gestaltung der künftigen Beziehung.
Durch das neue Zivilrechtsmediationsgesetz trat an Stelle der Beratung in
verstärktem Maße die Vermittlung. Unter Mediation verstand man die fachlich fundierte Begleitung und Anleitung von Menschen in Konflikten. Ziel
sollte es sein, für alle Beteiligten ausgewogene und akzeptierbare Lösungen
zu finden.
Trennungs- und Scheidungsberatung
Noch vor rund 25 Jahren verfolgte man vornehmlich die Idee, Scheidungen
zu verhindern. Heute gilt die Verhinderung der Trennung nicht mehr als
oberstes Ziel. Man ist zu der Überzeugung gelangt, Paare bzw. Familien während der Trennungsphase zu begleiten und zu unterstützen.
Seit Mitte der 1980er Jahre wurde die Zusammenarbeit mit Gerichten
intensiviert. Immer häufiger holten Gerichte im Rahmen von strittigen Sorgerechtsverfahren psychologische Gutachten bei den IfS-Beratungsstellen
ein. Diese Gutachten dienten als Entscheidungshilfe für die Beschlüsse, welcher Elternteil zukünftig mit der Obsorge betraut werden sollte. Um diese
Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllen zu können, organisierte das IfS im Juni
1986 gemeinsam mit der Vereinigung Österreichischer Richter, Sektion
Vorarlberg, eine erste interdisziplinäre Tagung. Dabei wurden praktische
Fragen des Scheidungsrechts, Scheidungshilfen und die Scheidungssituation
des Kindes aus psychologischer Sicht thematisiert.
Die Beratung und Begleitung von Paaren und Familien in Trennungsund Scheidungssituationen stellte an den Beratungsstellen des IfS schon
immer einen Schwerpunkt dar. Ein spezielles Beratungsangebot – „Familienberatung bei Trennung/Scheidung“ – wurde 2007 an der IfS-Beratungsstelle Feldkirch installiert. Dieses hat es sich zum Ziel gesetzt, Eltern zu
unterstützen, trotz Scheidungskrise die Kinder im Mittelpunkt der gemeinsamen Verantwortung zu sehen. Ehescheidungen bzw. Trennungen sind einschneidende Erlebnisse – besonders für Kinder, die sich plötzlich mit der
Situation zurechtfinden müssen, nur noch mit einem Elternteil im gemeinsamen Haushalt zu leben. Um Kindern die Möglichkeit zu geben, die Mitte
zwischen den Eltern auch in Zeiten der Trennung weiterhin als Geborgenheit zu erleben, braucht es die Bereitschaft der Eltern, die Trennung als das
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zu sehen, was es für die Kinder sein kann: eine Krise, eine Bedrohung, eine
Katastrophe.
Im Rahmen der Beratung sollen Eltern dahingehend unterstützt werden,
im Sinne des Kindes zu versuchen, sich in Gesprächen um die Obsorge nicht
von Erfahrungen leiten zu lassen, die zur Scheidung bzw. Trennung führten.
Kinder haben das Recht auf Mutter und Vater. Sie brauchen Geborgenheit,
Gesprächsbereitschaft und das Interesse ihrer Eltern sowie Brücken zwischen ihren Eltern, auf denen sie sich angstfrei bewegen können.
Die Obsorge beider Elternteile soll nicht als Aufteilung der Rechte und
als gegenseitige Kontrolle verstanden werden, sondern als Versprechen der
Eltern, die Kinder aus dem Konflikt herauszuhalten und sich gemeinsam um
deren Erziehung zu sorgen und zu kümmern. Für das geschiedene Paar ist es
– aufgrund vergangener Enttäuschungen und Verletzungen – nicht immer
einfach, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen und sich gegenseitig in der
Rolle als Mutter bzw. Vater zu bejahen. Doch nur so lässt sich ein Weg finden, Kindern weiterhin ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln, anstatt
diese einem Loyalitätskonflikt auszusetzen.
Das IfS bietet Familien in Scheidungs- bzw. Trennungssituationen Beratung und Hilfe an. Eltern werden dahingehend unterstützt, zwischen Paarkonflikt und Elternverantwortung zu unterscheiden, die künftige Sorge um
die Kinder mit Inhalten zu füllen und diese kindgerecht zu gestalten sowie
faire Vereinbarungen für eine einvernehmliche Scheidung auszuhandeln
und zu formulieren, in denen die Obsorge für die Kinder einen besonderen
Stellenwert hat.
Sexualität, Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte
Im Rahmen der Eheberatung und Familienplanung hatten sich die IfS-BeraterInnen von Anfang an mit Fragen der Sexualität zu beschäftigen. Im Rahmen des Familienberatungsförderungsgesetzes wurde vom Bund im Jahr
1974 ein spezielles Beratungsangebot geschaffen, um als begleitende Maßnahme zur „Fristenregelung“ vorbeugend und helfend wirken zu können.
In Vorarlberg übernahm das IfS zusammen mit der Ärzteschaft zum großen
Teil diese Aufgabe. Unter der Federführung von Ulrike Tschofen entwickelten sich somit die Beratungen bei ungewollten Schwangerschaften und die
Informationsleistungen bezüglich der Verhütung von Schwangerschaften
zu einem zentralen Bereich der Sozialarbeit im IfS.
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Anfang der 1980er Jahre wurde
„Verhütung“ im öffentlichen Diskurs nur selten thematisiert, da die
Moral „ohne Sex keine unerwünschte
Schwangerschaft“ vorherrschend war.
Von den rund 400 Frauen, die 1984
eine IfS-Beratungsstelle aufgesucht
hatten, da sie ungewollt schwanger
geworden waren, hatten nur wenige
ein Verhütungsmittel angewandt.
Laut einer österreichischen Untersuchung hatten 57% der Frauen zum
Zeitpunkt der Empfängnis mit ihren
Partnern keine Verhütungsmaßnahmen getroffen, obwohl sie ausdrücklich kein Kind wünschten. Erst
im Laufe der Jahre änderte sich die
Moralvorstellung dahingehend, dass
das Ausleben einer gesunden Sexualität dank Verhütung möglich ist.
Das IfS bot den hilfesuchenden
Schwangeren, meist Mädchen und
junge Frauen, medizinische Beratung durch ÄrztInnen und auch sozial-psychologische Hilfestellung durch qualifizierte BeraterInnen an. Die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch wurde den Frauen
erschwert, da in Vorarlberg die öffentliche Meinung einen Schwangerschaftsabbruch verurteilte. Die BeraterInnen des IfS handelten aber dennoch nach dem Prinzip, „die betroffene Frau kann selbst entscheiden, ihr
darf weder eine Entscheidung aufgedrängt noch abgenommen werden“.
Im Rahmen der Schwangerschaftskonfliktberatung wurden von Anfang an
bestimmte Beratungsgrundsätze verfolgt: Die Beratung erfolgt im geschützten Rahmen, hat nicht wertend und aus ganzheitlicher Sicht zu erfolgen. Mit
dem Anliegen der Hilfesuchenden ist sorgfältig und sorgsam umzugehen,
die persönliche Entscheidung der Hilfesuchenden ist zu achten.
Im Jahr 1984 schätzte man die Zahl der in Österreich vorgenommenen
Abtreibungen auf 95.000, für Vorarlberg wurde eine Zahl von 2.000 angenommen. Von den ungewollt Schwangeren, die Kontakte zum IfS aufnahmen, bekannten sich ca. 30% zum anfangs unerwünschten Kind. Die übrigen
suchten ihre individuelle „Lösung“ in anderen Bundesländern, da sich die
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ÄrztInnen und Spitäler weigerten, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.
Damals wurden Themen wie Verhütung und Abtreibung gesellschaftlich tabuisiert, was dazu beitrug, dass Frauen, die ungewollt schwanger
geworden waren, in sehr große Konflikte gerieten. Dies machte deutlich,
dass man zukünftig den Schwerpunkt auf die Empfängnisverhütung und
sexuelle Aufklärung verlagern musste. Die Forderung lautete daher: „Bei der
Sexualerziehung in Schule und Elternhaus muss verstärkt auf eine gesamtheitliche Erziehung geachtet werden. Zum Menschsein gehören Sexualität
und das Wissen, wie mit ihr verantwortlich umgegangen wird.“ 1984 bildete
sich zu diesem Zweck eine Projektplanungsgruppe am IfS-Dornbirn, die sich
zum Ziel setzte, „gegen Unwissenheit, gegen Vorurteile und gegen Tabus
im Bereich der Sexualität“ vorzugehen. Die Projektgruppe arbeitete in der
Folge „von Frau zu Frau“, mit Frauen- und Mädchengruppen, LehrerInnen
und Schulen und dem Katholischen Bildungswerk.
Im wichtigen Bereich der Prophylaxe bot das IfS bereits 1981 bis 1983 in
Kooperation mit FrauenfachärztInnen fortlaufende und sehr gut besuchte
Geburtsvorbereitungskurse für Schwangere und deren Partner an. Ebenso
organisierte man mehrere Fortbildungen für Fachkräfte in diesem Bereich.
Da durchschnittlich zwei Prozent der Eltern das Schicksal erleiden, ihr Kind
während der Schwangerschaft oder im frühen Kindesalter zu verlieren,
startete das IfS im Jahr 2004 eine besondere Hilfestellung: Die Broschüre
„Abschied von einem kleinen Leben“ unterbreitet vielfältige Hilfsangebote
in dieser schwierigen Situation.
Beratung für Männer
Im Oktober 1986 startete die Beratungsstelle Dornbirn das Projekt „Beratung
für Männer“. Dies war ein „Angebot von Männern für Männer“. In Einzelund Gruppengesprächen sowie in Informationsabenden wurden eherechtliche und erzieherische Fragen, Hilfestellungen in Scheidungssituationen,
Fragen der Sexualität sowie Gesprächsmöglichkeiten bei Stress und Leistungsdruck behandelt und diskutiert.
Im Allgemeinen waren es häufiger Frauen, die Probleme und Konflikte
erkannten und einen Beitrag zu deren Lösung leisten wollten, um Partnerschaft und Familie zu „retten“ oder eine harmonische Beziehung wieder
herzustellen. Die Bereitschaft und der Druck zu Veränderungen gingen
somit häufiger von Frauen aus. Das betraf vor allem die Erwachsenenbe-
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ratung, Psychotherapie sowie Familienberatung und -planung. In den
Bereichen der Beratung für Menschen
mit Behinderungen war das Verhältnis zwischen Männern und Frauen
ausgeglichen.
2003 startete das IfS die Kampagne
„Das Schweigen der Männer“. Diese
Aktion, die im Jahr 2006 wiederholt
wurde, zielte darauf ab, Männern
deutlich zu machen, dass es selbstverständlich ist, dass Männer über sich
selbst reden, sich gegenseitig unterstützen und in Problemlagen Hilfe in
Anspruch nehmen.
Mit der Kampagne „Starke Männer brauchen keine Gewalt“ sprachen sich 2007 das IfS und die AK
Vorarlberg deutlich gegen gewalttätiges Handeln aus. Im Rahmen dieser Kampagne zeigten prominente Vorarlberger – Hubert Hämmerle (Präsident der AK Vorarlberg), Stefan Vögel
(Kabarettist), Roman Rafreider (ORF-Moderator), Günter Polanec (ehem.
ORF-Sportchef), Roland Kirchler (SCR Altach), Müslüm Atav (SCR Altach)
und Jürgen König (mehrfacher Boxstaatsmeister) – Gewalt die rote Karte.
Zudem war eine Wanderausstellung des Vorarlberger Fotokünstlers Nikolaus Walter zu sehen.
Opferschutz
Von Anfang an wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institut für Sozialdienste vermehrt mit Problemen, die in Zusammenhang mit
Gewalt auftreten, konfrontiert. Vor allem Probleme im Zusammenhang mit
innerfamiliärer Gewalt wurden in der Beratung – hauptsächlich von Frauen
– immer wieder thematisiert. Die Arbeit mit diesen betroffenen Frauen
zeigte die Notwendigkeit auf, dass es neben dem allgemeinen Beratungsangebot auch spezieller Angebote bedurfte, die sich vornehmlich dem Themenbereich Gewalt widmeten. So wurden im Laufe der Jahre zusätzliche und
spezielle Angebote entwickelt und umgesetzt.
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FrauennotWohnung
Ende der 1980er Jahre erkannten private und politische Initiativen die Probleme der von Gewalt betroffenen Frauen und setzten sich für die Gründung
eines autonomen Frauenhauses ein. Doch die Politik wollte zum damaligen
Zeitpunkt – teils aufgrund ideologischer Vorstellungen, teils aufgrund eines
Wunschdenkens – nicht wahrhaben, dass eine solche Einrichtung vonnöten
war. Die Anzahl jener Frauen, die sich Hilfe und Schutz suchend an das IfS
wandten, machte die Notwendigkeit eines solchen Vorhabens jedoch deutlich. Die heile Welt der Politik existierte in der Realität nicht. Es gab von
Gewalt betroffene Frauen, die spezieller Begleitung und besonderer Schutzmaßnahmen bedurften.
Auf Initiative der damaligen Frauenreferentin Brigitte Bitschnau-Canal
und der IfS-Mitarbeiterin Angelika Würbel wurde ein Konzept für eine
Vorarlberger FrauennotWohnung entwickelt, welche im Juli 1990 unter
dem Namen „IfS-FrauennotWohnung“ eröffnet wurde. Diese bietet seither
Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind, rasch und direkt parteiliche Hilfe, Schutz und eine vorübergehende Wohnmöglichkeit an. In der
IfS-FrauennotWohnung, die rund um die Uhr telefonisch erreichbar ist, finden misshandelte Frauen und Kinder Raum und Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Hier können in einer gewaltfreien Umgebung Entscheidungen gefällt
werden, wie das Leben in Zukunft gestaltet werden soll. Jeder Klientin steht
1991: Ein Jahr IfS-FrauennotWohnung
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IfS-Geschichte
während ihres Aufenthaltes eine Beraterin begleitend,
unterstützend und informierend zur Seite.
Wie in anderen IfS-Fachbereichen wurde auch in der
FrauennotWohnung von Beginn an der Anspruch vertreten, Hilfe zur Selbsthilfe zu
leisten. Egal ob sich die Frau
nach ihrem Aufenthalt in der
FrauennotWohnung dazu entschließt, ein eigenständiges
Leben ohne ihren Partner zu
beginnen oder ob sie zu ihrem
Partner zurückkehrt, die Entscheidung wird von den Beraterinnen mitgetragen.
Die
Sozialarbeiterinnen
und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen des IfS ließen sich
1996: Kampagne gegen Gewalt an Frauen
von bestimmten Grundsätzen
leiten: „Wir stehen auf jedem Fall auf der Seite der misshandelten Frauen.“
Im Rahmen der Arbeit zeigte sich, dass auch eine intensive Betreuung der
Kinder notwendig war, da diese auf Grund der meist lange andauernden,
problematischen Familiensituationen häufig traumatisiert waren.
Obwohl Gewalt an Frauen bereits 1990 ein Straftatbestand war, gab es
vor Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes im Mai 1997 keine Möglichkeit, den Gewalttäter aus der Wohnung zu verweisen. So waren es meist die
Frauen und Kinder, die aus der Wohnung auszogen. Die Frauen kamen aus
allen sozialen Schichten und aus ganz Vorarlberg.
Ein neues Phänomen war die vermehrte Aufnahme von Frauen aus Osteuropa, Asien und Lateinamerika, die zwecks Ehe und Familiengründung ins
Land geholt worden waren. Vor allem seit Mitte der 1990er Jahre traten im
Zusammenhang mit dem Heiratstourismus diese Probleme zutage. Frauen,
die in der Illusion, in Österreich eine gesicherte Existenz zu haben, nach
Vorarlberg gekommen waren, sahen sich plötzlich mit gescheiterten, häufig
auch gewalttätigen Beziehungen konfrontiert und standen vor dem Problem,
die deutsche Sprache nicht zu beherrschen und das Netz an sozialen Organi-
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IfS-Geschichte
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sationen, die Hilfestellungen anboten, nicht zu kennen. Die IfS-FrauennotWohnung war oft die einzige Auffangmöglichkeit, der einzige Ort, wo diese
Frauen zur Ruhe kommen konnten, um sich neue Existenzen aufzubauen.
1997 startete das IfS zusammen mit dem ORF die Aktion „Mir reicht’s“,
eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Sechs Wochen lang stand dieses
Tabuthema in der Öffentlichkeit und wurde reflektiert. 180 Anruferinnen
meldeten sich bei der eigens eingerichteten Telefon-Hotline, die vom IfS und
der kooperierenden Telefonseelsorge in Dornbirn installiert worden war.
Im Jahr 1995 hatten 60 Frauen und ebenso viele Kinder die IfS-FrauennotWohnung in Dornbirn aufgesucht, wo sie Schutz, Unterstützung und
Information erhielten. Im Jahr 2006 suchten 75 von Gewalt betroffene
Frauen und deren Kindern (32 Mädchen und 33 Buben) in der IfS-FrauennotWohnung Schutz und Zuflucht. Die Aufenthaltsdauer variierte zwischen
einem Tag und 180 Tagen.
Interventionsstelle
Einen wesentlichen Fortschritt im Gewaltschutz stellte das im Mai 1997
erlassene Gesetz zum Schutz gegen Gewalt in der Familie dar. Zwei Jahre
später, im September 1999, wurde in Feldkirch die „IfS-Interventionsstelle“
– Handeln gegen Gewalt in der Familie – eröffnet. Diese bietet Opfern von
Gewalt in der Familie rasche und kompetente Hilfe an. Anlässlich der Eröffnung wurde die Zielsetzung der IfS-Interventionsstelle im Eröffnungsstatement wie folgend erklärt: „Unsere Arbeit basiert auf dem Grundsatz, dass
Gewalt in keiner Form und in keinem Ausmaß zu akzeptieren ist und unsere
Aufmerksamkeit der Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern gelten muss. Der Gesetzgeber hat ein deutliches Zeichen gesetzt: Bei familiärer
Gewalt müssen nicht mehr die Opfer fliehen und sich in Sicherheit bringen,
die Gewaltspirale wird durch die Wegweisung von Gewalttätern unterbrochen. Den Opfern von Gewalt darf nie die Schuld für die erlittene Gewalt
zugeschoben werden.“
Finanziert wurde die IfS-Interventionsstelle Vorarlberg aus Mitteln des
Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. Diese gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtung setzte
von Anfang an auf eine effektive Zusammenarbeit mit Exekutive, Gerichten,
psychosozialen und medizinischen Einrichtungen, um somit ein wirkungsvolles Vorgehen gegen Gewalt gewährleisten zu können. Durch das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie können Polizei und Gerichte
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2007: 10 Jahre Gewaltschutzgesetz mit LR Schwärzler
Elisabeth Kiesenebner Bauer
den Gewalttäter aus der Wohnung weisen und ihm die Rückkehr sowie die
Kontaktaufnahme zum Opfer verbieten. Erfolgt eine Wegweisung bzw. ein
Betretungsverbot, so wird die IfS-Interventionsstelle umgehend informiert.
Diese nimmt so schnell wie möglich mit dem Opfer Kontakt auf und bietet
diesem Unterstützung an. Dabei wird das Ziel verfolgt, das Opfer zu schützen, damit sich dieses wieder sicher fühlen kann.
Die IfS-Interventionsstelle begleitet und unterstützt das Opfer, gibt
Erstinformationen weiter, erstellt einen Sicherheitsplan und leitet sofortige
Interventionen ein. Zudem werden Hilfestellungen bei Behördenkontakten
und bei der Weitervermittlung an andere soziale Einrichtungen angeboten.
Die Bilanz der Interventionsstelle im ersten Jahr ihrer Tätigkeit ergab folgende Zahlen: 167 Opfer von Gewalt wurden beraten und in 114 Fällen war
die Exekutive involviert. Betroffen waren überwiegend Frauen und Kinder.
Mehr als 90% der Opfer hatten über längere Zeit andauernde physische,
psychische oder sexuelle Gewalt erfahren. Es zeigten sich aber auch Probleme bei der Durchführung der Maßnahmen gegen die meist männlichen
Gewalttäter. Ein Großteil der Frauen verzichtete auf eine Wegweisung der
Gewalttäter aus der gemeinsamen Wohnung, weil sie existentiell abhängig
waren und Angst vor verstärkter Gewalt und schließlich auch die Hoffnung
auf Veränderung des „Partners“ hatten. Wegweisungen und Betretungsverbote wurden zudem anfangs kaum ausgeführt, da es den Exekutivbeamten
oblag, wie sie die Situation an Ort und Stelle einschätzten, und sich häufig
mit Streitschlichtungen zufrieden gaben.
Eine Studie über die Gewalt in Familie und Partnerschaft in Vorarlberg,
Liechtenstein und Graubünden bewies, dass männliche Gewalttäter überwiegend traditionelle Vorstellungen von der Rollenverteilung von Frauen
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
und Männern hatten: Die Frau gehöre in den Haushalt, der Mann habe die
Funktion, die Familie zu versorgen. Eifersucht und Verlustangst bei Trennungsabsichten der Frauen führten häufig zu Gewalttaten.
Im Jahr 2001 hatten die Wegweisungen und Betretungsverbote im Vergleich zum Vorjahr um 55% zugenommen. Betretungsverbote waren von
den Beamten nunmehr als wirkungsvolle Maßnahme erkannt worden, wie
überhaupt das Bewusstsein entstanden war, dass Gewalt – in welcher Form
auch immer – ein strafrechtlicher Tatbestand und kein Beziehungsproblem
war. „Es liegt nicht in der Macht des Opfers, die Gewalt zu verhindern, es
liegt allein in der Hand des Täters, die Gewalt zu beenden“, so Elisabeth
Kiesenebner-Bauer, die Leiterin der IfS-Interventionsstelle.
Im Jahr 2006 begleitete und unterstützte die IfS-Interventionsstelle 432
Menschen. 91% der Hilfesuchenden waren Frauen, lediglich in 9% der Fälle
wandten sich Männer an die Mitarbeiterinnen der Interventionsstelle.
Die mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Änderungen der Strafprozessordnung wurden von den Mitarbeiterinnen der IfS-Interventionsstelle
begrüßt. Diese brachten wichtige Verbesserungen für Opfer mit sich, da
diesen in Zukunft mehr Rechte zugesprochen und Opferanliegen verstärkt
zum Gegenstand des Strafverfahrens werden. Die erweiterten Opferrechte
beinhalteten neben einer umfassenden Information der Gewaltopfer auch
ohne Privatbeteiligtenanschluss die Verständigung über den Fortgang des
Verfahrens, die Mitwirkung im Verfahren, Akteneinsicht sowie eine schonende Behandlung. Die Anliegen der Opfer sollen ernst genommen und
zum Gegenstand des Strafprozesses gemacht werden. Des Weiteren kommt
Gewaltopfern nun das Recht auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu, die von der Interventionsstelle angeboten wird.
Weitere Änderungen brachte das mit 1. Juli 2006 in Kraft tretende AntiStalking-Gesetz mit sich. Dieses neue Bundesgesetz schützt gegen beharrliche Verfolgung, sorgt für den zivilrechtlichen Schutz vor Eingriffen in
die Privatsphäre und ist somit ein weiteres Gesetz zur Stärkung der Opfer.
Die Mitarbeiterinnen der IfS-Interventionsstelle zeigten sich erfreut, dass
auf gesellschaftliche Forderungen reagiert und nunmehr auch psychische
Gewalt als kriminelles Verhalten angesehen und staatlich geächtet wurde.
Mit dem neuen Anti-Stalking-Gesetz wurde eine solche Art der Gewaltausübung strafbar.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Prozessbegleitung
Das Thema „Gewalt in der Familie“ gelangte in den 1980er Jahren zunehmend in die öffentliche Diskussion. Im Zuge der verstärkten Thematisierung
wurde erst sichtbar, welches Ausmaß diese Form der Gewalt angenommen
hatte. Um den Betroffenen gerecht zu werden, schuf man in der Folge
gesetzliche Grundlagen und richtete entsprechende Hilfeleistungen ein.
Eines dieser Unterstützungsangebote war die psychosoziale und juristische
Prozessbegleitung, in deren Rahmen PsychologInnen, SozialarbeiterInnen,
JuristInnen und AnwältInnen Opfer von Straftaten von der Anzeige durch
die verschiedenen Verfahrensstadien (Zeugenaussagen, Hauptverhandlung
etc.) bis zur Beendigung des Strafverfahrens beraten und unterstützen.
Die Prozessbegleitung richtete sich an Kinder und Jugendliche, die Opfer
von sexuellem Missbrauch oder Misshandlungen wurden, an Frauen und
Männer, die sexuelle, körperliche oder psychische Gewalt erlitten hatten,
sowie an nahe Angehörige von durch Straftat getöteten Personen und Zeugen einer solchen Tat.
Eine Anzeige und ein gerichtliches Verfahren konnten sich für die Opfer
und deren Bezugssystem als sehr belastende Ausnahmesituationen gestalten, die durch ein stärkendes Umfeld abgemildert werden konnten. Besonders
wenn Kinder betroffen waren, zeigten sich zumeist auch deren Bezugspersonen verunsichert, hatten Schuldgefühle oder widersprüchliche Gefühle.
In solch schwierigen Lebenssituationen wurde die psychosoziale Prozessbegleitung als entlastende Hilfestellung und Stabilisierung erlebt. Zusammenhänge und Abläufe wurden aufgezeigt und erklärt, was bereits in vielen
Fällen eine Stärkung des Opfers bedeutete, denn so konnten auch eventuelle
Gefühle von persönlicher Schuld oder Unfähigkeit verringert werden.
Im Rahmen der juristischen Prozessbegleitung war es Aufgabe der
JuristIn bzw. AnwältIn, den Betroffenen den Ablauf des Gerichtsprozederes
zu erläutern und sie über die Rechte und Möglichkeiten der beteiligten
Personen zu informieren. Zudem konnte versucht werden, falsche Vorstellungen der Betroffenen darüber, was durch einen Prozess erreicht oder verändert werden kann, zu korrigieren. Die Kenntnisse der juridischen Abläufe
halfen, Unsicherheiten und Hilflosigkeiten zu verringern. Darüber hinaus
konnten die Opfer als Privatbeteiligte im Strafverfahren bei Gericht anwaltlich vertreten werden. Dies stärkte besonders den Status der als ZeugInnen
auftretenden Opfer und gab ein Gefühl der Sicherheit.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Gewaltberatung – Klartext
Das IfS startete 1999 unter der Federführung von Arno Dalpra den Versuch einer gezielten Beratung von Gewalttätern. Männer standen fortan
gewalttätigen Männern als Berater zur Verfügung. Klartext ging dabei von
der Gewaltdefinition „Gewalt ist die Ausübung und Androhung von körperlicher Beeinträchtigung“ aus. Durch diese klare Definition konnten das
Thema Gewalt benannt und die Täter mit dem Thema konfrontiert werden.
Konfrontation wurde in der Gewaltberatung als notwendig erachtet, denn
lediglich durch die Übernahme von Verantwortung für sein gewalttätiges
Tun und die Veränderung seines Verhaltens kann der Täter weitere Gewalt
verhindern. Während des Prozesses der Verantwortungsübernahme wurden
Täter von den Beratern begleitet, die mit einer klaren Werthaltung gegen
Gewalt arbeiteten. Dies bedeutete eine Entsolidarisierung mit der Gewalttat
und eine Solidarisierung mit dem Mann. Gewaltberatung fand zum einen
in einem freiwilligen Kontext, zum anderen bei Zwangsmaßnahme statt.
Zuweiser waren in erster Linie Gerichte und Bezirkshauptmannschaften.
Beide Möglichkeiten waren notwendig, da davon ausgegangen werden kann,
dass es für die überwiegende Zahl der Täter keine Veranlassung gibt, sich in
eine Beratung zu begeben.
IfS-Klartext bietet im Rahmen der Therapie für Gewalttäter Einzelarbeit sowie Arbeit in Gruppen an. Ziel der Beratung war, dass der Täter
Verantwortung für sein vergangenes und zukünftiges Tun übernimmt und
lernt, sich zu kontrollieren, damit keine Gewalttaten mehr ausgeübt werden.
Neben der Arbeit mit Tätern wurde zudem Präventionsarbeit an Schulen
und für Jugendliche angeboten.
Menschen mit Behinderungen
Grundlagen und Arbeitsbereiche
Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen wurde vom IfS immer unter
dem Aspekt einer ganzheitlichen Beratung und Hilfestellung gesehen. Ziel
sollte es sein, Menschen mit Behinderungen an dem Ort, an dem sie leben, zu
unterstützen und so eine wirkliche Integration zu ermöglichen. Im Rahmen
dieser Arbeit galt die Zusammenarbeit mit Organisationen im sozialen Netz
sowie mit Selbsthilfegruppen von Beginn an als ein wesentlicher Ansatz. So
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
wurde Menschen mit Behinderungen ein möglichst breites Angebot an Unterstützung
zur Verfügung gestellt, damit
diese jeweils die für sich individuell passende Hilfestellung
erhalten.
Die Arbeit des IfS bezog
sich in erster Linie auf die
ambulante Beratung und
Betreuung von Menschen mit
Körperbehinderung, geistiger
Behinderung und SonderschülerInnen. Dazu kamen die
Förderung von Freizeitaktivitäten und die Mitarbeit im
Team des Heilpädagogischen
Sprechtages. Es zeigte sich,
dass sich die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen als
äußerst komplex gestaltete
und eine Zusammenarbeit
von PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, SonderpädagogInnen, ÄrztInnen und JuristInnen erforderte.
Als eine wesentliche Zielsetzung galt von Anfang an, das soziale Umfeld und
den familiären und beruflichen Bezugsrahmen der KlientInnen in die Beratungsarbeit mit einzubeziehen.
In Vorarlberg beschritt man einen neuen Weg. Neben der Förderung
von Arbeitsplätzen in geschützten Werkstätten versuchte man mit Erfolg,
Menschen mit Behinderungen in die Privatwirtschaft bzw. in den öffentlichen Dienst zu integrieren. Mitte der 1980er Jahre entwickelten sich weitere
Schwerpunkte in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Es wurden
Programme zur betrieblichen Eingliederung erstellt, welche sich zum Ziel
setzten, den jeweiligen Fähigkeiten angemessene Arbeits- und Ausbildungsplätze zu finden. Das Erreichen dieser Ziele war mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden: Zum einen gab es Engstellen am Arbeitsmarkt, zum
anderen befanden sich die Ausbildungsmöglichkeiten nicht immer in der
Nähe der Betroffenen und zudem stieß man auf Vorurteile von Seiten potentieller ArbeitgeberInnen und der Allgemeinheit. Das Modell des geschützten
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Arbeitsplatzes war so einfach
wie erfolgreich: Menschen mit
Behinderungen wurden langfristig unterstützt und begleitet und die Betriebe erhielten
einen Lohnkostenzuschuss in
der Höhe der festgestellten
Minderleistung. Das „Modell
Vorarlberg“ war europaweit ein Vorzeigemodell, die
Anzahl der Arbeitsplätze in 1996: Kooperation zwischen Lebenshilfe und IfS
der Privatwirtschaft unüber- Dr. Heinz-Werner Blum, IfS-GF Dr. Stefan Allgäuer (links)
troffen. Europaweit wurde mit dem Modell der „Arbeitsassistenten“ (seit
1998) und mit neuen finanziellen Förderungen der Vorarlberger Weg weitergeführt – leider in reduzierter Form.
Da neben dem Ausüben einer befriedigenden, selbständigen Erwerbstätigkeit zudem das selbständige Wohnen zum Wohlbefinden eines Menschen
beiträgt, wurden Mitte der 1980er Jahre neue Wohnformen für Menschen
mit Behinderungen entwickelt. Diese zielten darauf ab, den Betroffenen trotz
Behinderung ein Leben in größtmöglicher Selbständigkeit zu ermöglichen.
Das Jahr 1981 – offiziell zum „Jahr der Behinderten“ erklärt, in dessen Rahmen zahlreiche Initiativen stattfanden – trug wesentlich zur Verbesserung
der Situation für Menschen mit Behinderungen bei. Die Beratungsschwerpunkte der damaligen Zeit belegt eine Statistik dieses Jahres: 53% der Rat
suchenden Menschen mit Behinderungen waren schulpflichtige Kinder und
Jugendliche, die größtenteils die Sonderschule besuchten und sich vor allem
mit Problemen der Berufsfindung konfrontiert sahen. Der Anteil der 19
– 29jährigen KlientInnen lag bei 35%. Diese bedurften der Beratung und
Unterstützung in den Bereichen Berufsausbildung und Arbeitsplatz. 22%
der Menschen mit Körperbehinderung beklagten zum damaligen Zeitpunkt,
nicht behindertengerecht zu wohnen.
In der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen waren und sind gesellschaftliche Strömungen im besonderen Maße spürbar, was zu Veränderungen der
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der individuellen Wünsche und
Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen führt. Deshalb ist es von
besonderer Wichtigkeit, in diesem Bereich der Sozialarbeit inhaltliche und
organisatorische Anpassungen vorzunehmen, um sowohl den Rahmenbe-
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
dingungen als auch den individuellen Ansprüchen der
KlientInnen gerecht zu werden. In den 1990er Jahren
entsprachen die organisatorischen Anpassungen dem
Bestreben,
verschiedenste
neue und eigenständige Angebote zu entwickeln. So wurde
die damalige Fachgruppe „IfSReha“, deren Ziel die berufli2007: Berufskundegruppe des IfS-Spagat
che und soziale Rehabilitation
von Menschen mit Behinderungen war, im Jahr 2000 in eine selbständige
GmbH umgewandelt und 2005 eine namentliche Änderung zu „IfS-Okay“
vorgenommen. Heute, im Jahr 2007, wird es als notwendig erachtet, auch
intern gut etablierte, unabhängige Angebote zu vernetzen und unter dem
gemeinsamen Dach der „IfS-Assistenz“ anzubieten.
Schule, Bildung und Fortbildung
Im Juli 1992 wurde die Servicestelle „IfS-Dialog“ geschaffen. Diese richtete sich im Gegensatz zu den bisherigen Angeboten nicht in erster Linie an
Menschen mit Behinderungen, sondern an deren Eltern und Bezugspersonen sowie an KindergärtnerInnen und LehrerInnen. Diese neue IfS-Stelle
versuchte durch Beratung Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit
Kindern mit Behinderungen abzubauen und somit der bislang mangelnden
Integration von Menschen mit Behinderungen in Kindergärten und Pflichtschulen entgegenzuwirken. Zudem fungierte IfS-Dialog als Verhandlungspartner mit Behörden, Gemeinden und Schulen. Diese unter der Führung
von Dr. Peter Reinelt in Österreich vorerst einmalige Beratungsstelle sah
ihr Hauptziel darin, Menschen mit Behinderungen möglichst früh den Weg
in ein normales familiäres, gesellschaftliches, kulturelles und soziales Leben
zu ebnen.
Es zeigte sich, dass sich der Übergang von der Schule ins Berufsleben
besonders für Jugendliche mit Beeinträchtigungen als schwierig herausstellte. Deshalb startete die Fachstelle IfS-Dialog zur Abklärung derer
beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten 2001 das Projekt „Clearing“. Dieses
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
bot Jugendlichen Beratung, Betreuung und Begleitung auf ihrem Weg von
der Schule in die Arbeitswelt an und wurde in enger Zusammenarbeit mit
sonderpädagogischen und integrativen Schulen durchgeführt. Ziel war es,
den Jugendlichen Perspektiven für ein künftiges Berufsleben aufzuzeigen
und Entscheidungsgrundlagen in Richtung berufliche Integration bereitzustellen. Um den individuell geeigneten Arbeitsplatz zu finden und Unsicherheiten zu beseitigen, wurden die Jugendlichen Schritt für Schritt auf ihrem
Weg in den neuen Lebensabschnitt begleitet. Mit jedem Einzelnen wurden
Neigungs- und Fähigkeitsanalysen durchgeführt, Schnupperpraktika organisiert und ein persönlicher Entwicklungsplan erstellt. Auf der Suche nach
dem optimal geeigneten Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz nach Beendigung
der Schulpflicht galten die Fähigkeiten und Wünsche des Jugendlichen als
Richtlinie, da jede/r Jugendliche besondere Kompetenzen und Stärken hat.
Ende der 1980er Jahre erkannten MitarbeiterInnen des IfS, dass eine bloße
Arbeitsplatzvermittlung für Menschen mit Behinderungen nicht zu deren
beruflicher Integration ausreichte. Man schuf daher gezielte Weiterbildungsangebote in Form von Kursen, welche von den Menschen mit Behinderungen selbst oder den Betrieben zu bezahlen waren. Dabei ging es vor allem
um eine Förderung handwerklicher Fähigkeiten. Daraus entstand 1986 das
Projekt „Reha-Kreisel“, das gemeinsam mit verschiedenen ErwachsenenBildungseinrichtungen Kurse für Menschen mit Behinderungen anbot. Man
weitete in der Folge die inhaltlichen Angebote auf Sprachkurse, Computerkurse und Themen aus, die man bisher tabuisiert hatte, so etwa auf Fragen der Sexualität von Menschen mit Behinderungen. Das Kursprogramm
des „Reha-Kreisel“ vom Herbst 1996 besaß zudem Schwerpunkte in den
Bereichen Musik, Spiel und Tanz. Zu den kreativen Aktivitäten kamen auch
Kurzzeit-Seminare, die aktuelle Lebensfragen behandelten. Ab 2001 wurde
der Kreisel ein eigenes Projekt mit zusätzlichem Schwerpunkt auf integrative Kurse und berufliche Qualifizierung von bildungsbenachteiligten Menschen.
Im Laufe der Jahre wurden die Programme immer mehr auf berufsbildende Aktivitäten ausgedehnt, dennoch blieb das thematisch breit gestreute
Angebot bestehen. Ein Beispiel hierfür war der 2005 organisierte Fotografie-Workshop, in dessen Rahmen Menschen mit Behinderungen ihre Kunstwerke in der Fotoausstellung „Lebensbilder“ zeigen konnten.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Arbeit und Beruf
Seit 1978 integriert die IfS-Fachgruppe „Berufliche und soziale Rehabilitation“ Menschen mit Behinderungen in die reguläre Arbeitswelt. Die Realisierung verlief fallweise schwierig und schleppend. Für die jährlich zwischen
50 und 100 Menschen mit Behinderungen konnten nur unter erschwerten
Bedingungen Arbeitsplätze gefunden werden, dies deshalb, weil sich viele
Vorarlberger Betriebe scheuten, den vermeintlichen bürokratischen Aufwand zu übernehmen. Hinzu traten Befürchtungen bezüglich des besonderen Kündigungsschutzes. Im Jahr 1985 stimmten daher das IfS, das Land
und die beruflichen Interessensvertreter überein, ein Programm zur verstärkten beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen zu
entwickeln.
Das Programm zeigte bereits ein Jahr später gute Erfolge: Man fand insgesamt 280 geschützte Arbeitsplätze. Die gute Wirtschaftskonjunktur Ende
der 1980er Jahre erleichterte die berufliche Integration zusehends, wodurch
vermehrt Sonderschulabgänger an Arbeitsplätze vermittelt werden konnten.
Die positiven Ergebnisse einer Untersuchung der Wirtschaftsuniversität Wien durch Prof. Badelt über die Wirksamkeit sozialer und beruflicher
Integration von Menschen mit Behinderungen an geschützten Arbeitsplätzen in Vorarlberg trug wesentlich dazu bei, dass sich im Jahr 1990 das Land
Vorarlberg gemeinsam mit dem IfS über ein generelles Konzept beruflicher Integration einigte: Die Betreuung von berufstätigen Menschen mit
Behinderungen sollte durch das IfS geschehen, welches auch als „universeller Gesprächspartner“ für die Betriebe fungieren sollte. Das Land erklärte
sich überdies dazu bereit, an Betriebe Lohnkostenzuschüsse bei Leistungsminderung durch die Menschen mit Behinderungen zu bezahlen.
Im Jahr 1990 wurden vom IfS 264 Menschen mit Behinderungen an
geschützten Arbeitsplätzen in 172 Vorarlberger Unternehmen betreut. Die
Erfahrungen waren durchwegs positiv: Bei den Menschen mit geistigen
Behinderungen zeigten sich Verbesserungen der körperlichen und sozialen
Gesundheit, die Akzeptanzprobleme durch die übrigen MitarbeiterInnen der
Belegschaften waren gering. Auch waren die meisten Unternehmer bereit,
bei Vakanz einer solchen Stelle wiederum Menschen mit Behinderungen
aufzunehmen.
Die geschützten Arbeitsplätze brachten bedeutende finanzielle Vorteile
mit sich: Einmal erhielten die Menschen mit Behinderungen einen Lohn
und schufen sich damit sowohl eine Grundlage für ein selbstständiges Leben
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
als auch eine Vorsorge für das Pensionsalter. Außerdem konnte festgestellt
werden, dass diese Form der Arbeitstätigkeit im Vergleich mit den beschützenden Werkstätten bzw. geschützten Werkstätten wesentlich kostengünstiger war, selbst wenn man die Lohnkostenzuschüsse der Landesregierung
und des Bundessozialamtes – 1989 in der Höhe von 1,85 Millionen Schilling
(135 000 Euro) – dazurechnete.
Zu einem Spezialfall entwickelte sich das im Jahr 1989 gestartete Projekt „Anlehre“ bei der Firma Zumtobel Lighting GmbH: Initiiert vom IfS,
unterstützt vom Land Vorarlberg, der Arbeitsmarktverwaltung und vom damaligen
Landes-Invalidenamt stellte
das Unternehmen nicht nur
Arbeitsplätze für Menschen
mit Behinderungen zur Verfügung, sondern es setzte sich
zum Ziel, ein spezielles Ausbildungsprogramm zu entwickeln: Zu diesem Zweck
wurden eine eigene Abtei- 1993: Geschützter Arbeitsplatz bei der Fa. Zumtobel
lung gegründet und spezieller Unterricht in der Firma angeboten, der auch lebenspraktisches Wissen
beinhaltete. Das zweijährige Programm verlief erfolgreich, da fast sämtliche
der 18 betreuten Burschen und Mädchen mit Behinderungen in den Betrieb
integriert wurden oder einen
anderen Arbeitsplatz fanden.
Ende des Jahres 1997
begleitete die Fachgruppe
„berufliche
und
soziale
Rehabilitation“ des IfS 414
geschützte Arbeitsplätze in
Vorarlberg, davon ein Drittel
in der Industrie. Es stellte sich
heraus, dass für den Erfolg am
Arbeitsplatz nicht nur der Arbeitgeber, sondern vor allem die MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz ausschlaggebend waren: „Sie sind unsere wichtigsten
PartnerInnen bei der erfolgreichen Integration.“
Die Fachgruppe wurde 1998 in „IfS-Reha“ umbenannt. In diesem Jahr
wurde auch im Rahmen eines EU-Projektes das IfS-Reha-Service-Center
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
(RSC) in der Bregenzer Rheinstraße installiert. Dieses Projekt widmete sich
primär der Aus- und Weiterbildung von Menschen mit Behinderungen und
Landzeitarbeitslosen.
1998 bestätigte eine neuerliche wissenschaftliche Evaluation des IfSModells des „geschützten Arbeitsplatzes“ durch Prof. Dr. Badelt der
Wirtschaftsuniversität Wien, dass die Eingliederung von Menschen mit
Behinderungen trotz teilweiser großer Leistungsminderung erfolgreich war.
Es ergab sich ferner eine hohe Zufriedenheit der Menschen mit Behinderungen mit der Arbeitsplatzsituation und den involvierten Unternehmen.
Dadurch gestärkt stellten das Land Vorarlberg und das IfS gemeinsam mit
den Sozialeinrichtungen Caritas und Lebenshilfe das Sozialmodell Vorarlberg während der „EU-Beschäftigungswoche“ in Brüssel vor. Selbstbewusst
erklärten die InitiatorInnen: „... das erfolgreiche Modell des geschützten
Arbeitsplatzes ist maßgeschneidert für die Bestrebungen der EU und stellt
nach wie vor eine Erfolg versprechende, zukunftsorientierte Möglichkeit dar,
benachteiligte Menschen an Arbeitsplätzen der Wirtschaft zu integrieren
und die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.“
1998 besaßen über tausend Menschen mit Behinderungen in Vorarlberg
einen geschützten Arbeitsplatz, 30% in der Industrie, 18% in Gewerbe und
Handel sowie in Non-Profit-Unternehmen. Diese Zahlen wurden als absolute europäische Spitze betrachtet.
Im Jahr 1997 startete das IfS das österreichweit einzigartige Projekt
„Spagat“ mit dem Ziel der beruflichen Integration von Jugendlichen mit
erheblichen körperlichen und/oder geistigen Behinderungen, die auf den
ersten Blick keinerlei Chancen auf einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft
hatten, denn Arbeiten mit allen Rechten und Pflichten und die Teilhabe am
„normalen“ Leben verbunden mit einem Gehalt sind für Menschen mit
Behinderungen genauso wichtig wie für jeden anderen auch. Bei der Suche
nach einem passenden Arbeitsplatz steht die individuelle Zukunftsplanung
im Mittelpunkt, wobei das Umfeld des Jugendlichen – Eltern, Familie, Lehrer
und Freunde – im so genannten Unterstützungskreis miteinbezogen wird.
Der Unterstützungskreis ist ein aktives Netzwerk um den/die Jugendliche
herum, der ihn/sie im Prozess der Suche nach einem Arbeitsplatz und auch
darüber hinaus begleitet.
Die wichtigsten Ansprechpartner bei der Suche nach dem optimalen
Arbeitsplatz sind Betriebe, ArbeitgeberInnen und MitarbeiterInnen. Bei
der Einrichtung eines Arbeitsplatzes für einen Menschen mit Behinderung
geht es nicht nur um die geeigneten Rahmenbedingungen, sondern es sind
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
vor allem die Bereitschaft der zukünftigen MitarbeiterInnen und die persönlichen Beziehungen, die das Fundament für eine berufliche Integration
schaffen. Die Arbeitsplätze der Jugendlichen sind vielfältig in ihren Anforderungen und Branchen, denn den typischen Arbeitsplatz für Jungendliche
mit schwerer Behinderung gibt es nicht.
Während der Schnupperzeit wird der/die Jugendliche von einem/einer
IntergrationsberaterIn begleitet. Diese Zeit wird genutzt, um mit den MitarbeiterInnen im Betrieb ins Gespräch zu kommen, die Arbeitsweise zu erklären und die Scheu vor dem/der neuen MitarbeiterIn zu nehmen. So können
viele Fragen und Themen bereits im Vorfeld angesprochen werden. Wichtig
für die berufliche Eingliederung ist zudem das Mentorenprinzip: Für den/die
Jugendliche/n wird ein innerbetrieblicher Mentor gesucht, der im Betrieb
Ansprechpartner für den/die Jugendliche/n ist. Wichtige Aufgaben sind z.B.
das Erklären von Dienstplänen, Pausenordnung, Einhaltung der Vereinbarungen, Kontakt zum Integrationsberater etc.
Das Konzept und die Methoden von IfS-Spagat fanden von Beginn an
europaweit große Beachtung und Interesse. Mit großem Erfolg konnten
zahlreiche Jugendliche mit erheblichen Behinderungen in die Arbeitswelt
integriert werden.
Zudem wurde für Jugendliche mit körperlicher, geistiger oder Lernbehinderung sowie für sozial und emotional gehandicapte Jugendliche die
Jugendarbeitsassistenz eingerichtet. Die Finanzierung übernahm das Bundessozialamt. Dabei wurde das Ziel verfolgt, einen für den/die Jugendliche/n
entsprechenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden und somit eine
dauerhafte Integration ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Jugendlichen
werden ebenso wie die Betriebe für eine bestimmte Zeit unterstützt und
begleitet – schließlich soll der erste Arbeitsplatz keine kurzfristige Hilfe,
sondern das optimale Sprungbrett in die dauerhafte Integration in die
Arbeitswelt sein.
Wohnen und Leben
Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass der erste Schritt der Integration von
Menschen mit Behinderungen – die Ermöglichung einer selbständigen
Erwerbstätigkeit – zu dem Wunsch führte, auch selbständig zu wohnen.
So gelangten die MitarbeiterInnen des IfS Mitte der 1980er Jahre zu der
Erkenntnis, dass bei Menschen mit Behinderungen der Bedarf an speziellen
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Wohngemeinschaften außerhalb der Familie stieg. Diese sollten eine Alternative zur bisherigen Unterbringung in Heimen bzw. Altersheimen sein. Im
März 1986 wurde in Feldkirch die erste Wohnung Vorarlbergs für Menschen
mit Behinderungen eröffnet, die gemeinsam mit den zukünftigen Bewohnern konzipiert wurde und ein Wohnen ganz unabhängig von Institutionen
ermöglichte. Das Besondere an dieser Wohnform war die große Autonomie
der Bewohner, die Lage in der Innenstadt und die dadurch vorhandene Möglichkeit sozialer Kontakte. Die Begleitung und Unterstützung erfolgte durch
das IfS.
Bis zur Realisierung dieser ersten Wohngemeinschaft waren drei Jahre
intensiver Arbeit und Planung vergangen, welche in der Fachschriftenreihe
des IfS unter dem Titel „Prinzip Integration. Wohngemeinschaft für körperbehinderte und nicht behinderte Menschen“ dokumentiert wurden. Die
ersten Initiativen erfolgten von privater Seite nach Vorbildern des „Mobilen Hilfsdienstes“ in München. Von Anfang an wurde das Projekt vom IfS
unterstützt. Bei den Entscheidungen über die Form des Wohnens wurde den
Rollstuhlfahrern ein möglichst breiter Spielraum gewährt. Die anfallenden
Investitionskosten konnten zum größten Teil mit privaten Geldern bestritten werden, während die öffentliche Hand die Betriebskosten übernahm.
Das Projekt war der erste Pilotversuch dieser Art in Vorarlberg und führte
zu wesentlichen Erkenntnissen für die MitarbeiterInnen des IfS, welche die
Wohngemeinschaft unterstützten, mitgestalteten und organisatorisch wie
auch fachlich begleiteten. Der Aufbau der Wohngemeinschaft war für alle
Beteiligten ein neues Erlebnis, ein Abenteuer. Auf diesem Gebiet waren alle
Laien – deshalb musste alles besprochen werden, jeder war beteiligt und
konnte sich einbringen.
Nach den teils schmerzhaften und schwierigen Feldkircher Erfahrungen ging die Gründung einer zweiten Wohngemeinschaft in Bludenz,
„F8“ genannt, wesentlich leichter vor sich. In Bludenz wurde erstmals eine
bewusste Trennung von Arbeit und Wohnen vorgenommen. Die fachliche
Begleitung war darauf ausgerichtet, Menschen mit Behinderungen zu zeigen, wie ein eigenständiges Leben gestaltet werden konnte. Es ging somit
letztlich darum, die Menschen mit Behinderungen auf eine selbständigere Form des Lebens vorzubereiten, was in den meisten Fällen erfolgreich
glückte.
Inspiriert von holländischen Beispielen des „individuellen Wohnens“
entwickelten MitarbeiterInnen der IfS-Fachgruppe „Reha“ das Konzept
einer „ambulant betreuten Wohnform“, die 1993 in Bludenz für Menschen
mit geistiger Behinderung eröffnet wurde. Die drei Männer, die dort wohn-
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
ten, zeitweilig betreut von nebenamtlichen Mitarbeitern des IfS, bewältigten ihren Lebensalltag größtenteils selbst und arbeiteten tagsüber an einem
geschützten Arbeitsplatz. Durch ihren Gehalt finanzierten sie einen Teil
ihres Lebensunterhaltes. Die Erfahrungen mit dieser ambulanten Wohnform waren sehr erfreulich: „Die Bewohner haben ein großes Verantwortungsgefühl für sich und ihre Wohnung entwickelt.“
Seit 1991 betätigte sich das IfS-Fundament – Wohnen für Menschen mit
Behinderung – im Bereich der Beratung und Begleitung von erwachsenen
Menschen mit Behinderung
oder Minderbegabung, wobei
das IfS-Fundament heute eine
Weiterentwicklung der damaligen IfS-Wohngemeinschaften
„F8“ (Bludenz) und „Rheinstraße“ (Bregenz) darstellte.
Die Klientel war aufgrund der
vermehrten Integration in den
vergangenen Jahren schon
von Kindesalter an vielfach „WG für Menschen mit Behinderungen in Bludenz“
selbstbewusster und selbständiger geworden. Die Bedürfnisse und Ansprüche der Betroffenen hatten sich
geändert, worauf mit der Installierung des Angebots IfS-Fundament reagiert
worden war. Dieses galt als Anlaufstelle für Menschen mit einer geistigen
Behinderung und bot Hilfe im Wohnbereich. Von Beginn an orientierte man
sich an den Bedürfnissen der KlientInnen und unterstützte diese dabei, ihr
Leben nach individuellen Bedürfnissen inmitten der Gesellschaft zu gestalten und eine für sie passende Wohnform zu finden.
1995 mieteten die ersten vier Bewohner der „Rheinstraße“ – allen
Gefahren und Risiken zum Trotz – ihre eigene Wohnung. Heute unterstützt
das Fundament mit ambulanter Begleitung rund 100 erwachsene Menschen
mit einer Behinderung oder Minderbegabung dabei, weitestgehend selbstständig in einer eigenen Wohnung leben zu können. Neben der ambulanten Begleitung wurde zudem ein Angebot entwickelt, das Menschen darin
unterstützt, sich gut vorbereitet auf den Weg in die Selbständigkeit zu
machen. Hierfür gibt es mehrere über das ganze Land verteilte, kleine Wohnungen, in denen Menschen mit Behinderung in einem noch geschützteren
Rahmen lernen können, Fähigkeiten für ein Leben in Eigenständigkeit zu
erlernen und zu entwickeln.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Das IfS-Fundament verfolgte von Anfang an bestimmte Grundsätze: Für
jede/n KlientIn werden individuelle Lösungen gesucht, der Schwerpunkt
wird auf die Selbstbestimmung der KlientInnen gelegt. Die Menschen mit
Behinderungen werden als AuftraggeberInnen verstanden, sie haben nicht
„normaler“ zu sein als andere und sollen ausprobieren dürfen. Krisen im
Leben eines Menschen werden als Lernfeld und Möglichkeit gesehen, sich
eigenständiges Leben anzueignen.
Bauen und Wohnen
Die Erfahrungen, die im Rahmen der Organisation des selbständigen Wohnens für Menschen mit Behinderungen gesammelt wurden, machten deutlich, dass unter anderem auch architektonische Barrieren zu überwinden
waren. Es zeigte sich, dass es einer barrierefreien Planung und Umsetzung
bedurfte. Zudem machten die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenhang
mit den bereits beschriebenen Wohnformen ergeben hatten, und die relativ
kleine Anzahl von Menschen mit Behinderungen, die man hier betreute,
deutlich, dass es sich bei diesen Modellen nur um Ausnahmen handeln
konnte. Für eine befriedigende Lösung musste ein anderer Ansatz gefunden
werden. Dieser ging davon aus, Menschen mit Behinderungen nach Möglichkeit in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen bzw. ihnen aus dieser
heraus den Kontakt zur sozialen Umwelt zu ermöglichen. Dies verhinderten
IfS-Ausstellung in Brüssel
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IfS-Geschichte
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„Menschengerechtes Bauen“: Preisträger, Jury und Festredner am Tag der Auszeichnung
jedoch des Öfteren architektonische Barrieren, mit ein
Grund für die gesellschaftliche
Ausgrenzung von Menschen
mit Behinderungen. Vor diesem Hintergrund entwickelte
das IfS im Jahr 1990 unter der
Leitung von BM Ing. Hermann
Mayer ein Sonderprojekt, das
sich mit dem Themenbereich
des barrierefreien Planens und
Bauens befasste.
Die Idee des IfS stieß auf
Zustimmung der Landesregierung, die mit ihrer finanziellen Unterstützung die
notwendige Basis für eine
kontinuierliche Arbeit schuf:
In Dornbirn wurde 1990 eine
„Beratungsstelle für behindertengerechtes Bauen und
Wohnen“ eröffnet. Diese Wettbewerb „Menschengerechtes Bauen“
richtete sich an Bauherren,
Bauträger, Siedlungsgenossenschaften, Planer, aber auch an Bauabteilungen
öffentlicher Einrichtungen. Es zeigte sich sehr rasch, dass der anfängliche
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IfS-Geschichte
Projektansatz zu eng gefasst war und dass die Maßnahmen auch ältere Menschen, schwangere Frauen, Mütter, Kinder und Menschen mit zeitweiliger
Behinderung zu berücksichtigen hatten. Die in Österreich vorerst einmalige
Einrichtung des IfS wurde daher 1991 entsprechend in „IfS-Beratungsstelle
für menschengerechtes Bauen“ umbenannt.
Die Beratungsstelle stieß auf großes privates wie öffentliches Interesse
und wurde entsprechend frequentiert. Dadurch ermuntert ging das IfS 1992
in die „Offensive“: Gemeinsam mit den „Vorarlberger Nachrichten“ schrieb
das IfS erstmals in Österreich einen Wettbewerb zum Thema „Menschengerechtes Bauen“ aus, der in den folgenden Jahren wiederholt wurde. Die
Initiatoren verfolgten dabei folgende Ziele: Es ging vor allem um eine prophylaktische Aufarbeitung der Problematik, um eine Bewusstseinsänderung
bei den Verantwortlichen, aber auch bei der Gesamtbevölkerung und um
ein möglichst lückenloses Netz von behindertenfreundlichen Gebäuden und
Anlagen.
Meinungsbildung auf breiter Ebene wurde betrieben, wozu auch die
Herausgabe einer Planungsmappe für „Menschengerechtes Bauen“ zählte.
Diese befasste sich vorrangig mit dem Thema „Fehler im Hinblick auf
Krankheit und Alter vermeiden“. Ein neuer inhaltlicher
Schwerpunkt war seit 1998
„Wohnen im Alter“, der in der
Stadt Feldkirch mit der Aktion
„Sichere Gemeinde“ als Pilotprojekt gestartet wurde.
Mit den Jahren stieg
– gefördert durch intensive
Öffentlichkeitsarbeit in Seniorenrunden, Schulen und
1996: Mappe „Menschengerechtes Bauen“
Ausbildungsstätten – das
Bewusstsein für die Nützlichkeit und auch Notwendigkeit des intelligenten
Bauens ohne Barrieren. Dementsprechend stieg die Anzahl an Beratungen
kontinuierlich an.
Das Angebot der IfS-Beratungsstelle „Menschengerechtes Bauen“ soll weiter entwickelt und um das Beratungsangebot „Familiengerechte Lebensräume“ erweitert werden.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Sachwalterschaft
Im Jahr 1984 wurde in Österreich die Entmündigungsordnung aus dem
Jahr 1916 durch das zeitgemäße „Sachwalterrecht“ abgelöst. Damit wurden psychisch kranke Menschen, die rechtlich auf den Status eines Kindes
zurückgestuft, oft in Anstalten abgeschoben, ein Leben lang „verwahrt“ und
kaum gefördert worden waren, nicht mehr entmündigt. In Zukunft konnten
Sachwalter als gesetzliche Vertreter für erwachsene Menschen mit geistiger
Behinderung oder psychischer
Krankheit eingesetzt werden.
Für Österreich waren Vereine vorgesehen, die für die
jeweiligen Bundesländer die
Trägerschaft übernehmen sollten. Daraufhin bemühte sich
das IfS um die Trägerschaft
in Vorarlberg, um angepasste
Angebotsstrukturen anbieten
zu können. Im Februar 1985
nahm die IfS-Sachwalterschaft dann ihre Tätigkeit auf.
Noch im selben Jahr wurden
die „Fachkommission für Vereinssachwalterschaft“ und das
erste Vorarlberger ehrenamtliche Sachwalterteam in Bludenz gebildet.
Der „Verein für Sachwalterschaft“ wurde aktiv, wenn
kein Verwandter in der Lage 2006: 20 Jahre IfS-Sachwalterschaft
oder willens war, diese Aufgabe zu übernehmen. Der Sachwalter nahm dem Betroffenen nicht, wie
einst der Kurator, sämtliche Entscheidungen ab, sondern bemühte sich um
die Erhaltung größtmöglicher Selbständigkeit des Menschen mit geistiger
Behinderung oder psychischer Beeinträchtigung.
Die Anfragen für eine Sachwalterschaft erfolgen über ein Gericht. Fachleute des IfS regeln sodann die notwendigsten und in der Regel arbeitsintensiven Angelegenheiten. Erst hernach werden die ehrenamtlichen Sachwalter
mobilisiert.
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Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
Schon nach einigen Jahren
zeigten sich die positiven
Auswirkungen der Tätigkeit
der Sachwalter. Viele bereits
Jahrzehnte alte ehemalige
Entmündigungen
konnten
aufgehoben werden. Weiter gelang es in vermehrtem
Maße, Sachwalter aus dem
familiären Umfeld der Betroffenen zu finden.
2007: Sommerfest der IfS-Sachwalterschaft
In den Folgejahren stieg der
Bedarf an Sachwaltern stärker als prognostiziert. Der dadurch notwendige
Ausbau wurde in Vorarlberg durch das Engagement von ehrenamtlichen
MitarbeiterInnen und durch eine österreichweit einmalige Subvention des
Landes bewältigt.
Im Jahr 1995 wurde die bisherige Fachgruppe „Sachwalterschaft“ neben
der IfS-Schuldenberatung und der IfS-Familienarbeit aus dem IfS ausgegliedert und der Verein „IfS-Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft“
gegründet. Waren es 1985 rund 800 Personen, die einen gesetzlichen Vertreter benötigten, so stieg deren Anzahl bis zum Jahr 2000 auf etwa zweitausend
Personen an, von denen rund 20% von hauptberuflichen oder ehrenamtlichen IfS-SachwalterInnen betreut wurden. Zwischenzeitlich sind über 180
ehrenamtliche SachwalterInnen im Einsatz.
Mit dem im Juli 2007 in Kraft tretenden Sachwalterrechts-Änderungsgesetz wurde die Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischer Krankheit weiter gestärkt. Diese Stärkung erfolgte
insbesondere durch zwei neue rechtliche Möglichkeiten, die Vertretungsmacht naher gesetzlicher Angehöriger und eine gesetzlich verankerte Vorsorgevollmacht. Die gesetzliche Vertretung von Angehörigen trägt dazu
bei, dass im familiären Bereich weniger Sachwalter notwendig werden, da
beispielsweise Kinder deren Eltern bei Demenz vertreten können und kein
Sachwalter bestellt werden muss. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht, dass
angehörige Personen benannt werden, welche die Vollmacht übernehmen,
sobald man selbst nicht mehr geschäftsfähig ist.
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IfS-Geschichte
Im Dienste sozialer Gruppen
Patientenanwaltschaft
Im Jahr 1990 verabschiedete der Nationalrat das so
genannte
Unterbringungsgesetz, das die bisher geltenden Vorschriften über die
„zwangsweise
Anhaltung“
aus dem Jahr 1916 ersetzte.
Oberstes Ziel der Reform war
die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Menschenwürde psychisch
Kranker in psychiatrischen Krankenhäusern und die Errichtung von „Patientenanwaltschaften“ in allen Bundesländern. Das Justizministerium übertrug diese Aufgabe für Vorarlberg 1991 dem Institut für Sozialdienste im
Rahmen der Sachwalterschaft. Drei MitarbeiterInnen und Juristen des IfS
führen seither diese Funktion am Landeskrankenhaus Rankweil aus. Der
Patientenanwalt ist durch gesetzlichen Auftrag Vertreter von zwangsweise
untergebrachten PatientInnen und hat in erster Linie den Wünschen der
PatientInnen zu entsprechen. Diese Einrichtung brachte schon bald wesentliche Verbesserungen für die Betroffenen: Der Aufnahmemodus wurde verschärft, die gerichtliche Kontrolle der Zulässigkeit von Zwang setzte rasch
ein und die PatientInnen wurden in ihren Informations- und Mitspracherechten auch ernst genommen.
1993 wurden die psychiatrischen Stationen am LKH Rankweil geöffnet.
Dadurch haben die kurzfristigen Unterbringungen und ambulanten Betreuungsmöglichkeiten deutlich zugenommen.
Bewohnervertretung
Im Jahr 2004 wurde vom
Nationalrat das Heimaufenthaltsgesetz erlassen, in dem
ab Juli 2005 die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer
Beschränkung der persönlichen Freiheit von Menschen in
Alters- und Pflegeheimen und
vergleichbaren Einrichtungen
Seit 2005 gibt es die IfS-Bewohnervertretung.
Bernhard K. Fuchs, Brigitte Leitner, Dr. Herbert Spiess
· 113 ·
Im Dienste sozialer Gruppen
IfS-Geschichte
geregelt wurden. In der Folge installierte das IfS die „Bewohnervertretung“,
deren Aufgabe es ist, in einem ersten Schritt die einzelnen Einrichtungen
wie Alters- und Pflegeheime, stationäre Behinderteneinrichtungen sowie
Krankenhäuser über die gesetzlichen Regelungen und notwendigen Abläufe
zu informieren. Um dem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, besteht für
diese Einrichtungen seit 2005 eine Meldepflicht bei Freiheitsbe- und -einschränkungen. Es ging darum, Persönlichkeitsrechte zu stärken, aber auch
die Rechts- und Handlungssicherheit für die Pflegekräfte und das Betreuungspersonal sicher zu stellen.
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IfS-Geschichte
Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen
Gemeinwesenarbeit
für Gemeinden und Regionen
Vorarlberg beschloss im Jänner 1972 als erstes Bundesland ein Sozialhilfegesetz, wodurch eine Reihe neuer Ideen auf rasche Weise verwirklicht
werden konnte und zahlreiche Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege
materielle Unterstützung erhielten. Im Jahr 1974 starteten der Leiter der
Abteilung Sozialhilfe im Amt
der Vorarlberger Landesregierung, Mitbegründer und
Vorstandsmitglied des Institut für Sozialdienste, HR
Dr. Hermann Girardi, und
der Geschäftsführer des IfS,
Manfred Dörler, mit einem
Modell, das unter der Bezeichnung „Sozialsprengel“ Schule
machte. Der Grundgedanke 2004: Team Gemeinwesenarbeit Feldkirch
war die (über)örtliche Kooperation, Konzentration und die Zusammenarbeit aller öffentlichen und privaten Einrichtungen im sozialen Bereich. Die Sprengel befassten sich mit
Altenhilfe, Familienhilfe, Jugendhilfe, Krankenpflege usw. Im Sinne einer
neuen Sozialgesinnung war man bestrebt, ein möglichst gutes soziales
Umfeld im Nahraum zu schaffen, die Nachbarschaftshilfe zu aktivieren und
damit auch soziale „Bürgernähe“, personale Eigenverantwortung zu wecken
und zu entwickeln. Aufbauend auf örtlichen Sozialsprengeln auf der untersten Ebene, agierten im ambulanten Bereich das Institut für Sozialdienste
und der Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin, die Beratung und
Hilfe im gesamten regionalen Bereich des Landes anboten. Die Sozialsprengel entwickelten sich rasch und 1984 gab es solche bereits im Vorderbregenzerwald, in Hard, im Vorderland, in Feldkirch und im Walgau.
Das IfS hatte dadurch genügend Erfahrungen gesammelt, wie Sozialarbeit auf Gemeindeebene organisiert, durchgeführt und betreut werden
konnte. Als erste Kommune nahm die Stadt Feldkirch seit 1980 die ständige Mithilfe des IfS für ihre Sozialarbeit in Anspruch, indem sie eine Stelle
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Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen
IfS-Geschichte
für „Sozial- und Gemeinwesenarbeit“ schuf. Sie initiierte in den folgenden
Jahren eine Reihe von Aktivitäten, wie den Stammtisch für Menschen mit
Behinderungen und Nichtbehinderte, Arbeitslosenaktionen, Obdachlosenbetreuung, mobile Haushilfe, Ferienspielwochen für Kinder etc. In der Folge
wurde der „Sozialsprengel Hard“ in der Marktgemeinde Hard gegründet.
Diese und andere Erfahrungen im Nahraum einer Gemeinde und die
Nachfrage von Gemeinden, Regionen und vom Land zur Mithilfe bei kommunalen Projekten gaben im Jahr 1991 den Anstoß zur Gründung eines
IfS-Arbeitsteams für „Nahraum- und Gemeinwesenentwicklung“, das 1992
startete und sich in der Folge als „PRO-Team“ bezeichnete. Die Arbeitsgruppe setzte sich unter der Federführung von Reinhard Sonderegger zum
Ziel, Hilfe und Beratung anzubieten, wenn es um Analysen, den Aufbau von
Sozialeinrichtungen und um generelle Beratung von Kommunen und Institutionen ging. Um effektiv arbeiten zu können, griff man auf Fachleute im
IfS zurück und band diese so weit wie möglich mit ein.
Das PRO-Team zeigte sich in den folgenden Jahren sehr aktiv: Es
begleitete das Projekt „Familiengerechte Gemeinde“ mit dem Ziel, in enger
Zusammenarbeit mit den Betroffenen eine höhere Lebensqualität zu schaffen. Höhere Lebensqualität bedeutete vor allem für berufstätige Frauen eine
gute Betreuung in den Kindergärten, passende Öffnungszeiten dieser Einrichtungen sowie die Gesundheitsförderung der Kinder. Auch eine spezielle
Jugendarbeit, um Konflikte, Gewalt und dissoziales Verhalten zur Erhöhung
der Lebensqualität abzubauen, zählten dazu. Die Fachkräfte des IfS verfolgten die Umsetzung dieser Ziele in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen
Schulen und sonderpädagogischen Zentren. Man sah sich als „begleitende
BrückenbauerInnen“. Dazu ein Beispiel aus dem Jahr 2002: Das „PRO-Team“
begleitete Planungsprozesse für Sozialzentren in Götzis und Rankweil, für
Tagesbetreuung oder betreutes Wohnen in der Region Vorderland und für
das Sozialkonzept der Gemeinde Koblach. Des Weiteren wurden Konzepte
für die Stadt Dornbirn, um Kindergärten zukünftig als Familientreffpunkte
zu erleben, sowie für die Gemeinde Wolfurt bezüglich eines Zentrums für
Kinderbetreuung erarbeitet.
Seit 1995 ist PRO mit Pro Senectute Rheintal (Schweiz) und der Stiftung
Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe (LAK) Kooperationspartner zu
Fragen der Rheintaler Alterstagung, die sich mit der Betreuung und Pflege
von alten Menschen beschäftigt. Auch arbeitete PRO Kriterien für Möglichkeiten eines Seniorenengagements aus, welche im Projekt „NAUBE – Neues
Alter und bürgerschaftliches Engagement“ umgesetzt wurden.
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IfS-Geschichte
Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen
1996: Gemeinwesenarbeit Klostertal
Zudem beteiligte sich das PRO-Team an dem im Jahr 2005 vom Land Vorarlberg gestarteten Schwerpunktprogramm „Kinder in die Mitte“. In diesem
Zusammenhang begleitete PRO ein Beteiligungsverfahren, das sich „Bürgergutachten“ nennt, und beteiligte sich unter anderem an der Konzeption
von „Elternbildung neu“. Im Rahmen von „Kinder in die Mitte“ wie auch
im Rahmen des Projektes „Familiengerechte Gemeinde“ wurde der Erfahrungsaustausch zwischen den Gemeinden, beispielsweise zu erfolgreicher
Integrationspolitik, moderiert.
Im Jahr 2006 wurde die neue IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ installiert, die die Gemeinwesenstellen in Feldkirch, Rankweil und dem Kleinwalsertal, das PRO-Team und die Siedlungsarbeit umfasst.
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Öffentlichkeitsarbeit
IfS-Geschichte
Öffentlichkeitsarbeit
Der Vereinsführung und den MitarbeiterInnen des IfS war es von Anfang
an klar, dass der Erfolg ihrer Arbeit sehr wesentlich vom öffentlichen
Bewusstsein der Vorarlberger Bevölkerung über die Notwendigkeit sozialer Aktivitäten abhängig war. Neben der Präsenz in der Tagespresse und im
Rundfunk erschien seit 1976 gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorgeund Sozialmedizin ein „Informations-Blatt“. 1980 wurde dieses in „Soziale
Rundschau“, 1982 in „soziales forum“ umbenannt. In Zukunft sollte mehr
Raum für fachliche Auseinandersetzungen und Informationen geboten werden und jede der Ausgaben wurde unter ein bestimmtes Thema gestellt.
Ende der 1970er Jahre war die Vereinstätigkeit des IfS derart angewachsen, dass die gemeinsame Publikation mit dem aks nicht mehr ausreichte,
um die vielseitigen Aktivitäten zu dokumentieren und damit auch gegenüber den Geldgebern eine Legitimationsbasis zu schaffen. So erschien 1978
erstmals ein gedruckter Tätigkeitsbericht, seit 1985 unter der Bezeichnung
„IfS-Jahresbericht“. Die Berichte dienten in der Folge nicht nur als Rechenschaftsberichte, sondern enthielten meist umfassende Schwerpunktthemen,
so etwa 1982 über die „Offenen Wohnungen“ oder 1984 über umstrittene
und viel diskutierte Themen wie Schwangerschaft, Sterilisation, Abtreibung
und andere Konflikte. Als mit Jahresende 1991 erstmals die „IfS-Informationen – Aktuelle Berichte für MitarbeiterInnen und Freunde“ erschien, wurde
es bei der Erstellung der Jahresberichte möglich, die Berichte zu straffen und
auf einen Tätigkeitsnachweis in Form von statistischen Daten, Auskünften
über die Zahl der KlientInnen der einzelnen Fachgruppen sowie über einzelne Probleme zu beschränken.
1986 gab sich das IfS auch ein neues äußeres, individuelles Erscheinungsbild (CD), das ganz gezielt Auskunft über die Philosophie des Vereins geben
sollte: „Als Symbol für Hilfe und Unterstützung wurde die Hand gewählt
- nicht die warnend emporgehobene, sondern die freundschaftlich entgegengestreckte. In der piktogrammgrafischen Auflösung verbindet sie sich
mit dem D, in der eigenwilligen, prägnanten Schriftmarke wird dadurch der
Aspekt Dienste bewusst betont.“
Mit dem neuen Logo verbanden sich 1986 neue und zukunftsweisende
inhaltliche Werbestrategien: Man wollte die Tätigkeiten des IfS einem größeren Umfeld bekannt machen und als Möglichkeit der Problemlösung
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IfS-Geschichte
Öffentlichkeitsarbeit
anbieten. Zudem versuchte man, Menschen
zu finanzieller Mithilfe
anzuregen und auch
Meinungsbildung
zu
betreiben: „Sich selber
und anderen soziale Probleme zuzugestehen sowie
menschliche Schwächen
und Behinderungen als
Teil von uns und dieser Gesellschaft anzunehmen.“
Ein Jahr zuvor war die Idee für eine „Fachschriftenreihe“ entstanden,
in welcher aktuelle Themen der Sozialarbeit angesprochen und diskutiert
und auch Lösungsvorschläge angeboten werden sollten. Die folgenden
Publikationen enthielten häufig Resultate von wichtigen Tagungen und
Symposien, die vom IfS organisiert worden waren. Die Reihe begann mit
einem Tagungsbericht über „Sozialarbeit & Psychoanalyse. Chancen und
Probleme in der praktischen Arbeit“. Die Schriftenreihe dokumentierte
nicht nur fachlich-theoretische Überlegungen, sondern stellte auch praktische Hilfen für die Sozialarbeit dar, so das 1989 erschienene „Handbuch für
eine qualitative Spielplatz-Kultur“.
1991 wurde vom Vorstand erstmals eine Person, Franz Abbrederis, eingestellt, die sich hauptberuflich der externen und internen Kommunikation
widmete. Im selben Jahr wurde das gesamte Erscheinungsbild überarbeitet
und für alle Bereiche als verbindlich erklärt.
Von 1984 bis 1990 bot die „Dornbirner Messe“ eine große Chance
und vielseitige Möglichkeiten, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.
Gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin entwickelte man das Modell „Dorfplatz“. Hier warben die beiden Sozialeinrichtungen mit Vorträgen, Theater, Dias und Diskussionen für ihre Anliegen
und machten vor allem auf gesundheitliche und soziale Probleme aufmerksam. Nicht zuletzt sollten die vielseitigen Informationen auch Starthilfen
für regionale Selbsthilfegruppen anbieten.
Der Öffentlichkeitsarbeit dienten auch verschiedene Ausstellungen, sei
es von „Betroffenen“ selbst oder über diese: Als Beispiel zu nennen ist eine
Malaktion von Mädchen, die 1988 von der Jugendberatungsstelle Mühletor
initiiert worden war. Aus Anlass des 20jährigen Jubiläums der sozialpädagogischen Wohngemeinschaften schuf der Fotograf Nikolaus Walter 1992
eine viel beachtete Ausstellung über die Lebens- und Alltagswelt der Wohn-
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Öffentlichkeitsarbeit
IfS-Geschichte
gemeinschaft Ludesch. Der
Öffentlichkeitsarbeit dienten
schließlich eine Reihe von
Fachtagungen und Symposien
als Großveranstaltungen. Ein
Höhepunkt war sicherlich der
Helios II-Kongress der Europäischen Union über Fragen
der Arbeit mit Menschen mit
Behinderungen im März 1996
im Montforthaus in Feldkirch
mit TeilnehmerInnen aus ganz
Europa.
Um die breite Öffentlichkeit auf soziale Themen aufmerksam zu machen, ging das
IfS immer wieder Kooperationen mit Vorarlberger Medien
ein. Hervorzuheben sind folgende Aktionen: Seit 1983
wurde gemeinsam mit dem
1993: 10 Jahre „Fragen unseres Daseins“ im ORF
ORF Dornbirn (primär mit
Dr. Franz Josef Köb) die Vortragsreihe „Fragen unseres Daseins“ gestaltet. Seit 1992 veranstaltete man
mit den „Vorarlberger Nachrichten“ den Landeswettbewerb „Menschengerechtes Bauen“ und von 1995 bis 1999 erschienen in der jeweiligen Sonntagsausgabe der „Neuen Vorarlberger Tageszeitung“ die Artikelserie „Von
Mensch zu Mensch“.
Um die Dienste und
Leistungen des IfS einem
noch größeren Publikum
zugänglich zu machen und
den innovativen Möglichkeiten nachzukommen,
präsentierte sich das Institut für Sozialdienste
seit 1996 unter www.ifs.
at auch im Internet. Im
Jahr 2000 ging man noch
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IfS-Geschichte
Öffentlichkeitsarbeit
einen Schritt weiter: In Zusammenarbeit
mit der Firma Teleport wurde erstmals in
Österreich eine eigene Internet-Beratung
eingeführt. Qualifizierte Fachleute des IfS
standen von nun an für sämtliche Anfragen
zur Verfügung und antworteten den Ratsuchenden innerhalb weniger Stunden. Die
Beratung erfolgt völlig anonym. Als Zielgruppe von http://beratung.ifs.vol.at erwartete man sich vor allem „junge moderne und
einsame ältere Menschen“. In der OnlineBeratung wurden von Beginn an die Bereiche Depressionen, Ausländer, Behinderung,
Erwachsene und Partnerschaft, Erziehung,
Essstörungen, Familie, Finanzen, Gewalt,
Jugend, Missbrauch und Sexualität abgedeckt. Die meisten Anfragen fielen in die Seit 1997: „IfS-Informationen“
Bereiche Sozialarbeit und Psychologie.
Dass die IfS-Zeitung „Informationen“, im Jahr 1991 erstmals erschienen, den richtigen formalen aber auch inhaltlichen Weg eingeschlagen hatte,
bewies 2006 ihre Auszeichnung durch den „FEIEA Grand Prix“ als beste
österreichische Firmenzeitschrift. Ende des Jahres 2006 wurde die IfS-Zeitung „Informationen“ in „www.ifs.at - Informationen. Aktuelle Berichte.
Soziale Reportagen“ umbenannt und verfügte über eine Auflage von 8000
Exemplaren. Die Zeitung wird an alle wichtigen Meinungsbildner in Vorarlberg (BürgermeisterInnen, Obleute der Sozialausschüsse, Landes- und
BundespolitikerInnen in Vorarlberg etc.), an Gemeindeämter und Behörden
(BH etc.), zuständige Ministerien und Beamte, andere Sozialeinrichtungen,
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Öffentlichkeitsarbeit
IfS-Geschichte
Ärzte, JournalistInnen, Interessenten im In- und Ausland, die diese Zeitung
bestellt haben, alle unterstützenden IfS-Mitglieder sowie an alle IfS-MitarbeiterInnen und IfS-Vereinsmitglieder versendet.
Netz für Kinder
Das IfS begann im Jahr 1995
mit den Aufbauarbeiten für
den Förderkreis „Netz für
Kinder“, der sich 1997 als
Verein konstituierte. Die IfSFamilienarbeit stellte vorerst
ihre Infrastruktur und ihre
Erfahrungen zur Verfügung.
Die Initiatoren des Konzepts,
bestehend aus engagierten
Personen aus verschiedensten
1996: Gründung „Netz für Kinder“
Berufssparten, strebten drei
Hauptziele an: Den Aufbau einer ehrenamtlichen
Kinder- und Jugendhilfe als
Ergänzung zu professionellen
Diensten, die Gruppenarbeit
mit gefährdeten Kindern und
die Errichtung eines Fonds für
Familien und Kinder in besonderen Notlagen. Als nächster
Schritt wurde die Einrichtung
von „Gastfamilien“ geschaf1997: Überreichung „SmileStone“ von DDr. Felix Dünser
(Mitte) und Dr. Hubert Löffler (rechts) an Dr. Walter Fehle.
fen, um gefährdeten Kindern
für eine bestimmte Übergangszeit ein Zuhause zu bieten.
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IfS-Geschichte
Das IfS und die europäische Union
Das IfS und die europäische Union
Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 zeigte sich das
IfS bestrebt, sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen und internationale Kontakte zu knüpfen: „Wir sind sehr bemüht, möglichst rasch die
Spielregeln der EU-Refinanzierung zu erlernen und entsprechende Kontakte
mit anderen Einrichtungen in den übrigen EU-Staaten aufzubauen“, war die
Devise des Jahres 1994. Ein Jahr später beteiligte sich das IfS bereits an einem
der vielen EU-Programme, speziell bei HELIOS II/IV, in dessen Rahmen es
um die Förderung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen
ging. Zwei konkrete Projekte wurden eingereicht und von Brüssel bewilligt.
Es handelte sich dabei um ein Projekt zum Erwerb eines Externisten-Hauptschulabschlusses sowie um ein Projekt, das die Fachgruppe „Reha“ mit
Partnern aus Frankreich und Portugal startete. In letzterem ging es um die
Überbrückung von Schwierigkeiten, die sich Menschen mit
Behinderungen beim Eintritt
in die Arbeitswelt stellten. In
Kursen, Weiterbildungsseminaren und Firmenbesuchen
wurden im Jahr 1997 108
Personen, davon ein Drittel
Menschen mit Behinderungen, in das Projekt miteinbezogen. Im selben Jahr fand in 1996: Vorstellung „Vorarlberger Modell“ in Brüssel
Feldkirch die internationale
IfS-Tagung „HELIOS II“
statt. IfS-Geschäftsführer, Dr.
Stefan Allgäuer, resümierte
im Rahmen dieser Tagung
seine Vorarlberger Erfahrungen und entwarf zugleich ein
Zukunftsbild der europäischen Sozialarbeit: „Es wird
in Zukunft nicht mehr nur
der einzelne Mensch betreut. 1996: EU-Projekt „Helios II“
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Das IfS und die europäische Union
IfS-Geschichte
Vielmehr soll das soziale Umfeld in die Betreuung mit einbezogen werden.
Dadurch entstehen Rahmenbedingungen, die dem einzelnen ein größeres
Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortung ermöglichen.“
Der eingeschlagene Weg erwies sich als erfolgreich. Man zeigte sich
in Europa präsent. In diese Richtung wies unter anderem das EU-Projekt
„Labor“ unter der Federführung des IfS. Durch diese Auftragsarbeit der
Europäischen Kommission gelang zum ersten Mal ein Überblick über die
Situation der beruflichen Integration von Menschen mit geistiger Behinderung in 13 Ländern.
Eine eigene Informationsbörse mit dem Titel „eu.pik“ wurde vom IfS
erfolgreich gestartet. Die eu.pik ist eine Informationsplattform für Entwicklungen, Programme und Ausschreibungen im Bereich der europäischen
Sozial- und Gesundheitspolitik. Es handelt sich um einen fachlichen Informationsaustausch unterschiedlicher Ebenen: Sozialeinrichtungen, Behörden
etc.
2005 erhielt das IfS gemeinsam mit 12 Partnern den Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, ein österreichweites EU-Projekt mit dem Namen „IMPROVE“ durchzuführen. Dabei ging es um die
Verbesserung des Beschaffungssystems von Non-profit-Organisationen in
Österreich und um die Verbesserung bzw. Erhaltung der Qualität im Sozialbereich und im Bereich des Arbeitsmarktservice. Der Abschluss des Projektes „IMPROVE“ erfolgte Mitte 2007 mit einer großen Abschlusskonferenz
im Parlament in Wien.
Kooperationen und Grenzüberschreitungen
Im Jahr 1996 beteiligte sich das Institut für Sozialdienste an der Gründung
von EASPD – European Association of service providers for Persons with
Disabilities. Dr. Michael Himmer, IfS-Mitarbeiter, wurde in der Folge zum
ersten Vizepräsidenten ernannt, erster Präsident von EASPD wurde Luk
Zelderloo. Seit der Gründung repräsentiert EASPD über 8000 europäische
Dienstleister im Behindertenbereich. EASPD reagiert auf Entwicklungen
der europäischen Politik, beobachtet und überwacht diese. Es wird versucht,
durch gezielte Forschung und Untersuchungen die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen zu steigern. Zudem bietet EASPD Informationen
über die EU-Politik und Projektfinanzierung sowie die Möglichkeiten der
Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern. Kerngeschäft ist es, Dienstleis-
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IfS-Geschichte
Das IfS und die europäische Union
tern eine Stimme auf europäischer Ebene anzubieten, um die Lebensqualität
von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Als Mittel dazu bedient
sich EASPD an mehreren Lobby-Instrumenten, die die relevanten Entwicklungen der europäischen Politik verfolgen.
EASPD beteiligte sich seit der Gründung an zahlreichen Forschungsprojekten und -aktivitäten. Auch das IfS arbeitete in den vergangenen Jahren an
mehreren Projekten mit. Dies sind z. B. „Labor“, und „Tolerance and acceptance“. Labor beschäftigte sich mit dem Bereich der beruflichen Ausbildung,
Bildung und Beschäftigung.
Spagat Südtirol
Im Jahr 2004 stieß der Non-Profit-Verein Grain-Bruneck aus Südtirol bei
der Internet-Recherche auf das IfS-Projekt „Spagat“. Es wurde als äußerst
innovatives Modell zur Integration von Menschen mit Behinderungen in die
Arbeitswelt wahrgenommen und als nachahmenswert erachtet. So wurde
in der Folge das ESF-Pilotprojekt Spagat Südtirol gestartet, in dessen Rahmen auf die gemeinsame Entwicklung, Erprobung und Implementierung des
Modells abgezielt wurde. Als Vorbild dient dabei das Vorarlberger Projekt
SPAGAT, das die Beratung, Begleitung und Eingliederung von behinderten Jugendlichen in die Arbeitswelt umfasst. Im Jahr 2005 konnten sich die
Regierungsmitglieder der italienischen Provinz Südtirol in Vorarlberg vor
Ort von der erfolgreichen Umsetzung des Modells und den langjährigen
Vorarlberger Erfahrungen überzeugen.
Das Institut für Sozialdienste unterstützte Spagat Südtirol bei der
Umsetzung des Konzeptes, bei der Schulung der Fachpersonen und stand
für Fragen, beispielsweise bei Fallbesprechungen, offen. Elisabeth Tschann,
Leiterin von IfS-Spagat, war zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirates, der die Implementierung des Projektes begleitete.
Gesundheitsförderung im Bodenseeraum –
eine Initiative der IBK
Die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) ist ein Zusammenschluss aller
Regierungen der Länder und Kantone um den Bodensee. Bei der IBK gibt
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Das IfS und die europäische Union
IfS-Geschichte
es unter anderem eine spezielle Arbeitsgruppe, die sich mit „Gesundheitsförderung“ auseinandersetzt. Von der Vorarlberger Landesregierung ist IfSGeschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer in diese Kommission berufen worden.
Zudem ist das IfS von Beginn an (2004) durchführende Organisation der
IBK-Tagung zu diesem Thema, die von ca. 300 Personen besucht wird und
alle zwei Jahre stattfindet. Bei dieser Tagung wird auch der in allen IBK-Ländern ausgeschriebene IBK-Preis zur Gesundheitsförderung überreicht.
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer war vom IfS-Bereich
„Spagat“ beeindruckt.
1995: Besuch »Die Furche« Wien
2007: Justizministerin Dr. Maria Berger besucht das IfS.
2007: Arbeiterkammer-Vorstand mit AK-Präsident
Hämmerle im Dialog mit dem IfS-Geschäftsführer.
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IfS-Geschichte
Drei IfS-Persönlichkeiten
Drei IfS-Persönlichkeiten
Manfred Dörler
Manfred Dörler übernahm die Geschäftsführung des IfS 1977, in einer Zeit,
in der es nach den Pionierjahren notwendig wurde, Organisation und Finanzierung des IfS auf eine professionelle Basis zu stellen.
Dass Professionalität im fachlichen Bereich und Professionalität in
Organisation und Management keinen Gegensatz darstellen, sondern sich
langfristig gegenseitig bedingen, war eine Grundüberzeugung von Manfred
Dörler – dafür hat er gearbeitet, manchmal auch darum
gekämpft.
Sein Blick war immer – geprägt durch seine Pfadfinder-Erfahrungen – auf die Menschen gerichtet: „Wenn
man eine Aufgabe erledigen, ein Ziel erreichen oder
etwas weiter bringen will, kommt es darauf an, die richtigen Menschen zusammen zu bringen.“ Zentral war
für ihn, immer wieder die „richtigen“ Menschen anzusprechen, diese dann zusammen und in einen gemeinsamen Prozess zu bringen.
Manfred Dörler hat in seinen 20 Jahren als
Geschäftsführer des Institut für Sozialdienste die Entwicklung des IfS von der pionierhaften, improvisierten
Sozialinitiative zu einem differenzierten, strukturierten
und komplexen Unternehmen in der Sozialwirtschaft
des Landes Vorarlberg vorangetrieben und verantwortet. Es war die Zeit des Wachstums und der Differenzierung von sozialen Dienstleistungen.
So sind fast alle größeren Aufgabengebiete, die das IfS
heute betreibt, in der Zeit von Manfred Dörler entstanden, gewachsen und haben sich etabliert.
Besonders engagiert hat sich Manfred Dörler für Anliegen der Integration von Menschen mit Behinderungen
und den Aufbau der „Reha“ im IfS (heute IfS-Assistenz). Historisch waren
die Bemühungen in den Jahren 1984/85, eine landeseigene Struktur für die
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Drei IfS-Persönlichkeiten
IfS-Geschichte
Sachwalterschaft zu schaffen – am Beginn
ganz gegen die Vorstellungen der Beamten
in den zuständigen Ministerien.
Wohnen als Grundrecht und Grundbedürfnis war für ihn immer ein Thema, das er
forcierte. Viele Projekte z. B. jene der Krisenwohnungen, des Netzwerks „Wohnen“
usw. weisen noch heute seine Handschrift
auf.
Manfred Dörler war aber stets auch ein
politischer Mensch. Er hat verstanden, dass
es neben dem Blick auf den Einzelnen und
die je individuelle Hilfe auch den Blick auf
gesellschaftliche Rahmenbedingungen, welche in schwierigen Lebenssituationen jeweils
verstärkend oder entlastend wirken können,
braucht. Dies hat ihn auch in die Politik geführt und ihn – auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen in der kommunalen Politik und in der Sozialarbeit – zu einem profilierten und visionären Sozialpolitiker im Vorarlberger
Landtag gemacht.
Manfred Dörler hat während seiner Tätigkeit als IfS-Geschäftsführer auch
in vielen Aufgaben und Tätigkeitsfeldern mitgearbeitet und mitgewirkt mit
dem Ziel, soziale Strukturen weiter zu entwickeln und solide Angebotsstrukturen zu etablieren. So ist z. B. die Geschichte der Telefonseelsorge,
der (heutigen) Connexia, des Sozialsprengels Hard, des aha, der ehemaligen
Akademie für Sozialarbeit usw. eng mit dem Namen Manfred Dörler verknüpft.
Auch das macht ein Bild von Manfred Dörler: Nicht das Wachstum des
IfS war ihm das Wichtigste, sondern die sinnvolle und richtige Entwicklung
der sozialen Dienstleistungsangebote.
Lebenslauf von Manfred Dörler
Manfred Dörler wurde am 27. Dezember 1941 in Bregenz geboren. Nach
Abschluss der Handelsakademie in Bregenz arbeitete er von 1959 bis 1977
bei der Maschinenbaufirma Künz in Hard, wo er die Funktion des Prokuristen innehatte. Mit 1. Jänner 1977 übernahm Dörler bis zu seinem Austritt
im März 1997 für 20 Jahre die Geschäftsführung des Institut für Sozial-
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IfS-Geschichte
Drei IfS-Persönlichkeiten
dienste. Seit 1989 gehörte er dem Vorarlberger Landtag an und wurde 1999
zum Landtagspräsidenten gewählt.
Manfred Dörler ist am 15. Juli 2004 verstorben.
Sepp Büsel
Sepp Büsel, ehemals Mitarbeiter in der Vorarlberger Landwirtschaftskammer und aktiver Pfadfinder, wurde von Dr. Hermann Girardi für die Mitarbeit
im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande
Vorarlberg“, dem Vorläuferverein des Institut für Sozialdienste, motiviert.
Im Jahr 1971 wechselte Sepp Büsel in eine fixe Anstellung beim IfS. Er war
als erster Geschäftsführer der „Mann für alles“ und setzte sich überall dort
ein, wo seine Tatkraft und seine praktischen Fähigkeiten gebraucht wurden.
Seine wichtigsten Funktionen waren die Suche (im ganzen deutschsprachigen Raum) und Anstellung der ersten hauptberuflichen Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen im IfS, (SozialarbeiterInnen, PsychologInnen) und – oft
an der Überlebensgrenze - deren Finanzierung. Ein wichtiges Anliegen war
ihm auch die Vernetzung des noch „jungen“ IfS mit allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens in Vorarlberg.
Gemeinsam mit Hermann Girardi war es Sepp Büsel ein Anliegen, das
IfS in langfristige und betriebswirtschaftlich fundierte Hände zu legen. So
war es mit sein entscheidender Verdienst, mit der Einstellung von Manfred
Dörler als seinem Nachfolger die personelle und organisatorische Grundlage
für die Entwicklung und das Wachstum des IfS geschaffen zu haben.
Mit Ende Jänner 1981 trat Sepp Büsel aus dem Dienstverhältnis im IfS
aus in seinen Ruhestand, blieb jedoch bis zu seinem Tod im Jahre 1999 weiterhin Ehrenmitglied des Vereins „Institut für Sozialdienste“.
Hedwig Gmeiner
Hedwig Gmeiner war eine der ersten Mitarbeiterinnen im Institut für
Sozialdienste. Lange Zeit beeinflusste sie als Leiterin der sozialpädagogischen Wohngemeinschaften und als Vorstandsmitglied die Tätigkeiten und
die Denk- und Arbeitshaltung des IfS wesentlich.
· 129 ·
Drei IfS-Persönlichkeiten
IfS-Geschichte
Als junge Frau hatte Hedwig Gmeiner die
Gemeinschaft der Frohbotinnen von Batschuns
mitgegründet. In der Folge arbeitete sie im Haus
für Österreicherinnen in Hamburg, im KinderCaritashaus im Hackwald bei Ebnit, als Leiterin im
Heim für innerösterreichische Mädchen in Rankweil und als Leiterin im Haus der Begegnung in
Innsbruck.
Im Jahr 1972 nahm Hedwig Gmeiner ihre
Tätigkeit für das IfS auf und initiierte dort ein
pädagogisches Modell, das bislang in Österreich
einzigartig war: sozialpädagogische Wohngemeinschaften für Mädchen.
Ihre „Offenen Wohnungen“ stellten den Beginn der heutigen Fachgruppe
„Sozialpädagogik“ dar.
Hedwig Gmeiner arbeitete bis 1985 im Vorstand des IfS mit und trug so
wesentlich zum Wachstum und Gelingen der Einrichtung bei. Sie setzte sich
in unterschiedlichsten Bereichen tatkräftig ein, nahm sich der Mädchen im
so genannten „Milieu“ an, schuf Krisenwohnungen in allen vier Bezirksstädten und war wesentlich an der Gründung der Akademie für Sozialarbeit
in Bregenz beteiligt.
Frau Gmeiner war zeitlebens ein Mensch der Zukunft. Mit ihrem geradezu sprichwörtlichen Sinn für Menschen in Bedrängnis hat sie Hunderten
Heimat, Geborgenheit, Zuwendung und Begleitung geschenkt. Ihre Pädagogik hieß Vertrauen, Geduld, Zuversicht, Gernhaben – eine großartige Alternative zu Ge- und Verboten und Disziplinierung.
Nach ihrer Pensionierung im Jahr 1985 wurde Hedwig Gmeiner als Leiterin der Gemeinschaft der Frohbotinnen in Batschuns gewählt, ein Amt, das
sie bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1989 ausübte.
· 130 ·
IfS-Geschichte
IfS – Studienreisen
IfS – Studienreisen
Das IfS führt seit vielen Jahren sehr erfolgreiche sozialpolitische Studienfahrten für Kommunal- und LandespolitikerInnen durch. Seit einigen Jahren
werden diese in enger Kooperation mit dem Vorarlberger Gemeindeverband
veranstaltet. Ziel dieser Studienfahrten ist immer der Vergleich mit sozialen
Modellen in anderen Ländern und der Dialog unter den TeilnehmerInnen.
Hier eine Aufgliederung der bisherigen Studienfahrten und derer inhaltlichen Schwerpunkte:
1989 Dänemark,
Thema: Altenpolitik
1991 Roveretto/Italien
Thema: Altenpolitik
Schwerpunkte: Exkursion zu Altenhilfeeinrichtungen in Rovereto und
Umgebung
1992 Oberkirch/BRD
Thema: Sozialarbeit am Oberrhein
Schwerpunkte: Altenbetreuung – Gemeinwesenarbeit)
1994 Berlin/BRD
Thema: Alten- und Ausländerpolitik
Hauptschwerpunkte: Neuentwicklung im Gesundheits- und Sozialbereich
der Stadt Berlin; Neue Innovative Altenprojekte in den einzelnen Bezirken;
Integration von Ausländern auf kommunaler Ebene.
1995 Turin/Italien
Thema: Jugend- und Streetworkarbeit
Schwerpunkte: Jugendarbeit auf kommunaler Ebene und neue Modelle der
Altenarbeit
1996 Thüringen und Sachsen/BRD
Thema: Privatisierungsbestrebungen im Gesundheits- Alten- und Sozialbereich
· 131 ·
IfS – Studienreisen
IfS-Geschichte
1997 Rotterdam/Niederlande
Thema: Arbeitsmarktpolitik und Frauenprojekte
Schwerpunkte: Kommunale Möglichkeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit; Ambulante Modelle für Altenarbeit
1998 Mainz und Umgebung/BRD
Thema: Kindergerechte Gemeinden
1999 Tessin/Schweiz
Thema: Jugendpolitik in der Gemeinde
Ab 2000 Sozialpolitische Studienreise des Institut für Sozialdienste und des
Vorarlberger Gemeindeverbandes
2000 Dänemark
Thema: Kommunale Seniorenpolitik
Schwerpunkt: Dialog zwischen den Generationen (Modelle des Dialoges
zwischen Alt und Jung auf kommunaler und regionaler Ebene)
2001 Wien/Ungarn
Thema: Kommunale soziale Projekte mit dem Schwerpunkt Europa und
Osteuropäische Länder
Schwerpunkte: Europäische Union und Kommune; Integration; Jugendprojekte, Modell eines neuen Altersheimes
2002 Basel/Schweiz, Mulhouse (Frankreich)
Thema: Altersversorgung und Altenarbeit
Schwerpunkt: Altenarbeit in der Schweiz, neue Modelle der Kooperation
zwischen ambulanter und stationärer Betreuung, Kooperationsmodelle div.
stationärer Heime in den verschiedenen Bereichen, privat oder öffentlich.
2003 Heidelberg, Darmstadt, Kempten, Hersbruck / BRD
Thema: kinder- und jugendgerechte Stadt bzw. Gemeinde
2004 Helsinki/Finnland
Thema: Kinderbetreuung durch Kommunen und Schulen
Schwerpunkt: Kinderbetreuung an Schulen – Soziales Lernen und ein Modell
des Dialoges der Generationen.
· 132 ·
IfS-Geschichte
IfS – Studienreisen
Sozialpolitische Studienfahrt Turin
Sozialpolitische Studienfahrt Luxemburg
2005 Berlin und Umgebung/BRD
Thema: Ambulant betreutes Wohnen für ältere Menschen sowie Freiwilligenarbeit im Altenbereich
2006 Mailand/Lombardei/Italien
Thema: Freiwilligenarbeit auf sozialer Ebene
Schwerpunkte: Bürgerliches Engagement im Sozialbereich, die kommunale
Sozialplanung und Zusammenarbeit im Sozialbereich
2007 Luxemburg
Schwerpunkt: Neben dem Gesamtsozialsystem auf kommunaler Ebene –
Fragen der Integration von MigrantInnen, Jugend und Arbeit mit Menschen
mit Behinderung.
· 133 ·
Kurzchronik 1962 – 2007
IfS-Geschichte
45 Jahre IfS
Kurzchronik 1962 – 2007
1962
Im November fand die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung
der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“ – Vorgängervereinigung des
IfS – statt.
1963
Zulassung des Vereins „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten
Jugend im Land Vorarlberg“. Entstehung von „Arbeitskreisen“ des Vereins
in den Städten Vorarlbergs.
1969
Gründung der ersten Jugend- und Erziehungsberatungsstelle in Bregenz
(Vorgängerverein des IfS).
1971
Umbenennung und Gründung des Vereins „Institut für Sozialdienste – Private Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Erziehungsberatung, Eheberatung, Altenhilfe“.
Erster Präsident wird Dipl.-Ing. Rudolf Ammann.
Erster Geschäftsführer wird Sepp Büsel.
1972
Vorarlberg beschließt als erstes Bundesland ein Sozialhilfegesetz.
Die erste „offene“ IfS-Wohngemeinschaft wird eröffnet.
· 134 ·
IfS-Geschichte
Kurzchronik 1962 – 2007
1973
Erste Beratungsstelle des IfS wird in Bregenz installiert.
Dr. Erika Neumannn übernimmt bis 1982 die fachliche Leitung des GesamtIfS.
1974
Die IfS-Beratungsstelle in Feldkirch wird eröffnet.
Fredy Mayer (ÖVP) übernimmt von Ernst Winder (SPÖ) das Sozial- und
Gesundheitsressort der Landesregierung.
Einrichtung der vom Bund geförderten IfS-Familienplanungsstelle in der
Beratungsstelle Bregenz.
1975
Bundesgesetz zur „Fristenregelung“ (Schwangerschaftsabbruch).
Das IfS erweitert sein Angebot um die Schwangerschaftskonfliktberatung.
1976
Gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin erscheint
das erste „Informations-Blatt“.
Die ersten Ferien- und Förderfreizeiten für Menschen mit Behinderungen
auf der Neuburg in Götzis werden angeboten. Damit beginnt die Arbeit im
Bereich der späteren „IfS-Reha“.
1977
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle in Bludenz.
Manfred Dörler wird im Jänner Geschäftsführer des IfS.
· 135 ·
Kurzchronik 1962 – 2007
IfS-Geschichte
1978
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle in Dornbirn.
1979
Erste IfS-Wohngemeinschaft für Burschen wird in Hard eröffnet.
Erste IfS-Wohngemeinschaft für Mutter und Kind eröffnet.
1980
Gründung der Stelle für Sozial- und Gemeinwesenarbeit in Feldkirch.
1981
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle Bregenzerwald in Andelsbuch.
Prof. Hans Sperandio wird Nachfolger von Dipl.-Ing. Rudolf Ammann als
Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“.
1982
Das IfS erhält neue Satzungen und eine neue Geschäftsordnung.
Beginn der IfS-Jugendberatungstätigkeit „Mühletor“ in Feldkirch.
Die erste „IfS-Krisenwohnung“ wird in Bregenz eröffnet.
1983
Beginn der Zusammenarbeit mit dem ORF-Dornbirn im Rahmen der Vortragsreihe „Fragen unseres Daseins“.
1984
Landesverfassung verankert Familienpolitik.
Start der IfS-Sachwalterschaft in Feldkirch.
· 136 ·
IfS-Geschichte
Kurzchronik 1962 – 2007
1985
Die IfS-Krisenwohnung in Feldkirch wird eröffnet.
1986
Einführung der Kostenrechnung, Budgetierung und des Controllings im
IfS.
Modellversuch „Sozialarbeit im Krankenhaus“ (Bregenz).
Die IfS-Krisenwohnungen in Dornbirn und Bludenz werden eröffnet.
Die erste IfS-Wohnung für Menschen mit Behinderung wird im März in
Feldkirch eröffnet.
1987
Das Projekt „Sozialpädagogische Familienarbeit“, aus dem sich in der Folge
die IfS-Familienarbeit entwickelt, startet in Bludenz.
Das IfS feiert sein 25-jähriges Bestehen.
1988
Die IfS-Schuldenberatungsstelle wird im Februar in Bregenz eröffnet.
1989
Familienförderungsgesetz des Landes Vorarlberg.
Das Familien- und Frauenreferat im Amt der Landesregierung wird gegründet.
Das Projekt „Anlehre“ bei Zumtobel Lighting GmbH wird gestartet.
· 137 ·
Kurzchronik 1962 – 2007
IfS-Geschichte
1990
Die IfS-Beratungsstelle für behindertengerechtes Bauen und Wohnen wird
in Dornbirn eröffnet.
Die IfS-FrauennotWohnung wird in Dornbirn eröffnet.
1991
Das IfS übernimmt die Patientenanwaltschaft im LKH Rankweil.
„IfS-Informationen“ erscheinen erstmals mit einer Auflage von
ca. 2.000 Stk. Exemplaren.
Erstmals wird eine „sozialpolitische Studienreise des IfS für Landes- und
Kommunalpolitiker“ angeboten, die auf reges Interesse stößt. Diese wird in
Zukunft ein Mal pro Jahr durchgeführt.
1992
Gründung der Beratungsstelle „IfS-Dialog“.
Gründung des PRO-Team für Nahraum und Gemeinwesenentwicklung.
Der erster Landeswettbewerb „Menschengerechtes Bauen“ wird gemeinsam
mit der Redaktion der Vorarlberger Nachrichten ausgeschrieben.
Das Projekt „Psychologische Beratung für Kindergärten“ wird gestartet.
Das IfS startet mit dem Angebot „Supervision & Coaching“.
1993
Ambulant betreute Wohnform für Menschen mit Behinderungen in Bludenz eröffnet.
Die IfS-Jugendberatungsstelle startet mit der „mobilen Jugendarbeit“
(Streetwork).
· 138 ·
IfS-Geschichte
Kurzchronik 1962 – 2007
1994
Satzungsänderungen des Vereines Institut für Sozialdienste. Der Verein gründet im November die erste soziale gemeinnützige GmbH in Österreich.
1995
Dr. Stefan Allgäuer wird im Jänner gemeinsam mit Manfred Dörler zum
IfS-Geschäftsführer der IFS GmbH bestellt.
Die Bereiche Familienarbeit, Schuldenberatung, Sachwalterschaft und
Patientenanwaltschaft werden aus dem IfS ausgegliedert. Die IfS-Familienarbeit (Geschäftsführer Dr. Hubert Löffler) und die IfS-Schuldenberatung
(Geschäftsführer Peter Kopf) werden eigenständige GmbHs, IfS-Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft bilden einen Verein.
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle Hohenems.
IfS-Präsident Prof. Hans Sperandio übergibt sein Amt an Dr. Anton Fliri.
Dipl.-Ing. Rudolf Ammann, erster Präsident des Vereins Institut für Sozialdienste, stirbt im April.
Erste IfS-Beteiligung an EU-Projekten.
1996
Gründung des Förderkreises „Netz für Kinder“ auf Initiative der Geschäftsführer des IfS.
Das „Jugendintensivprogramm“, kurz JIP, wird im Rahmen der Fachgruppe
Sozialpädagogik installiert.
Erstmals wird die „eu-pik“ ins Leben gerufen. Es geht dabei um die Vernetzung und Information im NPO-Bereich bei EU-Projekten.
Das IfS hat die Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen
aufgelöst und ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben durch ambulante Begleitung und Unterstützung organisiert. Daraus entstand das „IfSFundament“.
· 139 ·
Kurzchronik 1962 – 2007
IfS-Geschichte
1997
Dr. Stefan Allgäuer wird im April aufgrund des Rücktritts von Manfred
Dörler alleiniger Geschäftsführer des IfS.
Die Streetwork-Stelle in Bregenz wird eröffnet.
Das EU-Projekt „Hauptschulabschluss“ wird vom IfS-Mühletor gestartet.
IfS-Beratungsstunden werden erstmals auch im Kleinwalsertal angeboten.
Die Sozialpädagogischen Wohngemeinschaften des IfS in Rankweil und
Wolfurt werden geschlossen und in „Ambulant betreute Wohnungen“
(AbW) umgebaut.
1998
Die Fachgruppe „IfS-Reha“ wird geteilt. Die klassische Reha-Arbeit bleibt
bei der IfS-Reha, die Angebote Spagat, Dialog und Reha-Service-Center
werden in die neue Fachgruppe „Dialog“ gelegt.
Der amtierende IfS-Präsident Dr. Anton Fliri stirbt im August.
1999
Gerhard Köhlmeier, bis Dezember 1998 Bürgermeister der Marktgemeinde
Hard, wird mit 1.1.1999 neuer Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“.
Der erste IfS-Geschäftsführer Sepp Büsel stirbt im Februar.
Die Gewaltberatungsstelle „Klartext“ wird in der IfS-Beratungsstelle
Bregenz gegründet.
Im Auftrag des Landes Vorarlberg und des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten wird in Feldkirch die „IfS-Interventionsstelle – Handeln
gegen Gewalt in der Familie“ installiert.
· 140 ·
IfS-Geschichte
Kurzchronik 1962 – 2007
2000
Die bisherige IfS-Fachgruppe „IfS-Reha“ wird eine selbstständige GmbH.
Die „Prozessbegleitung für Gewaltopfer“ wird im Auftrag des Justizministeriums gestartet.
Erstmals in Österreich wird vom IfS in Zusammenarbeit mit der Firma Teleport eine Internet-Beratung angeboten.
2001
Das Projekt „IfS-Schulsozialarbeit“ wird in den beiden Hauptschulen von
Bregenz erstmals in Vorarlberg umgesetzt.
2002
Das IfS startet mit einem neuen Angebot: psychotherapeutische Betreuung
für Senioren.
Das erste Psychotherapie-Verzeichnis des IfS wird in schriftlicher Form heraus- und zur Verteilung gebracht.
Im Rahmen einer Zukunftstagung wird „40 Jahre Verein IfS“ gefeiert.
Anwesend sind u. a. Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber und die Landesräte Dr. Hans Peter Bischof und Dr. Greti Schmid.
Die IfS-Fachgruppe „Opferschutz“ wird gegründet. In dieser sind die IfSFrauennotWohnung, die IfS-Interventionsstelle, die Prozessbegleitung und
der Kinderschutz zusammengefasst.
2003
Die Fachgruppe Sozialpädagogik erweitert ihr Angebot mit der „Nachgehenden sozialpädagogischen Arbeit“ (NASA).
In der Gemeinde Mittelberg wird auf Wunsch der Gemeinde eine eigene IfSStelle für das Kleinwalsertal installiert.
· 141 ·
Kurzchronik 1962 – 2007
IfS-Geschichte
Erstmals wird das IfS-Angebot „Clearing“ in ganz Vorarlberg angeboten
(Jugendliche mit Benachteiligung werden bei der Berufsfindung unterstützt).
2004
Das IfS unterschreibt einen Kooperationsvertrag mit der Marktgemeinde
Rankweil, in dem die „Stelle für Gemeinwesenarbeit Rankweil Mitanand“
personell übernommen wird.
Manfred Dörler, langjähriger IfS-Geschäftsführer und Mitglied des
IfS-Präsidiums, stirbt im Juli. Am 20. Juli findet eine Trauersitzung des
Vorarlberger Landtages statt.
Das IfS startet mit der Umsetzung des Projektes „Lehrlingscoaching“.
2005
Die bisherige IfS-Reha wird in „IfS-Okay Für Menschen mit Behinderungen“ umbenannt.
Start des „IfS-Besuchstreff“ in der IfS-Familienarbeit für Kinder und deren
getrennte Eltern nach der Scheidung.
Das IfS übernimmt die neue Bewohnervertretung in Vorarlberg.
Die ARGE „Öffentlichkeitsarbeit“ aller sozialen Einrichtungen im Land
schreibt erstmals den „Sozial-Medienoskar“ für JournalistInnen in Vorarlberg aus. Vergabe im Rahmen eines „Presseclub-Spezial“.
Das IfS veranstaltet im Auftrag der Int. Bodenseekonferenz in Bregenz
(Festspielhaus) das IBK-Symposium zum Thema „Gesundheitsförderung
im Bodenseeraum“ mit über 400 TeilnehmerInnen.
Start des großen EU-Projektes „Improve“ - Qualität im Wettbewerb um soziale Dienste, bei dem das IfS österreichweit eine wesentliche Rolle spielt.
· 142 ·
IfS-Geschichte
Kurzchronik 1962 – 2007
Start des IfS-Projekts „Delogierungsprävention“.
Installierung der neuen IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ mit der Zusammenführung des „PRO-Team“ und aller Gemeinwesenstellen (Feldkirch,
Rankweil, Kleinwalsertal).
2006
Das IfS bietet in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer, dem
Land Vorarlberg und den Bäuerinnen ein spezielles Service für Menschen
aus der Landwirtschaft an. Ein eigenes BeraterInnen-Team steht dieser
Bevölkerungsgruppe zur Verfügung.
IfS-Schuldenberatung startet den Vorarlberger Finanzführerschein „Fit fürs
Geld“, um Kinder und Jugendliche für den richtigen Umgang mit Geld zu
sensibilisieren.
Gerhard Köhlmeier, amtierender Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“, stirbt im Juli.
2007
Die IfS-Schuldenberatung führt einen einheitlichen, regelmäßigen Sprechtag (Donnerstag) ein.
Die IfS-Bereiche, die mit und für Menschen mit Behinderungen arbeiten,
werden zusammengelegt (IfS-Okay, IfS-Dialog, IfS-Fundament, IfS-Assistenz).
Aus Anlass des 45-jährigen Bestehens des IfS wird das vorliegende Buch in
Kooperation mit der Rhethicus-Gesellschaft herausgegeben.
· 143 ·
Ergänzung der Kurzchronik 2007 – 2010
IfS-Geschichte
Die Ergänzung der Kurzchronik (2007 – 2010) ist im Buch „Die Geschichte
des IfS-Vorarlberg“ nicht enthalten.
2007
Es kommen bereits einige Punkte zum Jahr 2007 im Buch „Die Geschichte
des IfS-Vorarlberg“ vor. So ging es 2007 weiter ...
Nach zweijähriger Projektphase wird die Koordinationsstelle IfS-Delogierungsprävention, die eng mit Land, Gemeinden, Gerichten, Wohnbauträgern
und anderen sozialen Einrichtungen wie Caritas, DOWAS und Beratungsstelle Kaplan Bonetti kooperiert, in den Regelbetrieb des IfS übernommen.
Die IfS-Familienarbeit eröffnet einen weiteren Besuchstreff in Dornbirn.
Das österreichweite Projekt IMPROVE findet mit einer österreichweiten
Tagung im Parlament in Wien seinen Abschluss.
2008
Zwei große Vorarlberger Betriebe (Hydro Aluminium und VKW) gehen
eine Kooperation mit dem IfS ein, um so die seelische Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen zu pflegen und zu fördern.
Die neue Stelle „IfS-Kindergerechte Lebensräume“ zielt darauf ab, Aktivitäten zu stärken, die kindergerechte Lebens- und Siedlungsräume schaffen.
Das IfS erhält eine neue Unternehmensstruktur und gliedert sich nunmehr
in Fachgruppen, welche wiederum in einzelne Fachbereiche bzw. Angebote
unterteilt sind, sowie in selbständige Unternehmen. Zu den Fachgruppen
zählen: IfS-Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigung, die IfS-Beratungsdienste, IfS-Sozialpädagogik und IfS-Sozialer Nahraum. Selbständige
Unternehmen sind die IfS-Schuldenberatung, die IfS-Familienarbeit und
der Verein IfS-Sachwalterschaft, IfS-Bewohnervertretung und IfS-Patientenanwaltschaft.
Im Rahmen der Mitgliederversammlung und der anschließenden Präsidiumssitzung des Vereins „Institut für Sozialdienste“ wird Dr. Hans-Peter
Bischof einstimmig zum neuen IfS-Präsidenten gewählt. Neben Dr. Hans-
·E1·
IfS-Geschichte
Ergänzung der Kurzchronik 2007 – 2010
Peter Bischof sind Dr. Elke Sader (Vizepräsidentin), Dr. Evelyn Marte-Stefani, Ing. Christoph Winder und Bürgermeister Erwin Mohr im Präsidium
vertreten.
2009
Die IfS-Interventionsstelle wird in IfS-Gewaltschutzstelle umbenannt.
Das Praxis-Handbuch Spiel- und Freiräume wurde vom Land Vorarlberg
und dem IfS herausgegeben und umfasst 96 Seiten.
„Die Herausforderung in der Krise“, eine österreichweite Tagung der Schuldenberatungen, findet in Bregenz statt.
Eine Neukonzeption und Ausweitung der IfS-Schulsozialarbeit wird vorgenommen.
Die IfS-Beratungsdienste starten mit dem neuen Angebot eines eigenen
Fachdienstes für Beratung, Vermittlung und Information. Dieser Fachdienst
versteht sich als zentrale, regionale Anlaufstelle zu den IfS-Diensten. Ziel
dieses Beratungsdienstes ist es, sofortige Hilfestellung zu geben, den Zugang
zu den IfS-Angeboten zu vereinfachen und die Hilfesuchenden im Hilfeprozess zu unterstützen.
Der neue Fachbereich der IfS-Assistenz „Information und Orientierung“
wird installiert.
2010
Die IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ wird neu organisiert. Die Bereiche „Pro-Team“ und „Kindergerechte Lebensräume“ werden eigenständige
Bereiche. Die beiden bisher bei dieser Fachgruppe integrierten Gemeinwesenstellen in Rankweil (Mitanand) und Kleinwalsertal werden dem Bereich
„Beratungsdienste“ angegliedert.
·E2·
Mitglieder des Vereins (1962 – 2007)
IfS-Geschichte
Mitglieder des Vereins
Institut für Sozialdienste
(1962 – 2007)
Dipl.-Ing. Rudolf Amann
Wolfgang Angerer
Ewald Angerer
Dr. Hermann Anzenbacher
Dr. Gustav Bargehr
Josef Bechtold
Dr. Gerhard Beck
Dr. Wilfried Bildstein
Dr. Heinz Bilz
Dr. Leopold Bischof
Edwin Böhler
Emil Bonetti
Walter Bösch
Werner Bösch
Leo Burtscher
Dr. Alfons Dür
Xaveria Dür
Dr. Gottfried Feurstein
Dkfm. Joseph P. Feurstein
Dr. Anton Fliri
Anna Franz
Ernst Fritz
Angelika Fussenegger
Alois Gassner
Mag. Klaus Gerstgrasser
Dr. Hermann Girardi
Dr. Günther Hagen
Inge Hagspiel
Ing. Guntram Hämmerle
Erwin Isele
Hans Jaquemar
Ing. Otto Kazil
Brigitta Keckeis
Mag. Barbara Knittel
Mag. Markus Koch
Hans Kogler
Gerhard Köhlmeier
Dkfm. Erwin Konzett
Dr. Erwin Krämer
Mag. Ruth Kucera-Dörler
Günter Lampert
Johanna Langanger
Dipl.-Ing. Rudolf Längle
· 144 ·
IfS-Geschichte
Oswald Lenz
Irmgard Mader
Dr. Gert Mähr
Dr. Elmar Marent
Dr. Evelyn Marte-Stefani
Elisabeth Mathis
Anton Mayrhauser
Erwin Mohr
Klara Motter
Dr. Johannes Müller
Richard Natter
Sabine Neumann
Edith Nussbaumer
Dr. Franz Pflanzner
Günther Platter
Herbert Pruner
Elisabeth Ruepp
Dr. Elke Sader
Elfriede Salzgeber
Dipl.-Vw. Dr. August Schäppi
Dr. Georg Scharfetter
Mitglieder des Vereins (1962 – 2007)
Gerda Schelling
Dr. Paul Schmid
Manfred Schnetzer
Mag. Elmar Simma
Prof. Hans Sperandio
Helmut Spiegel
Dr. Herbert Spieler
Walter Stefani
Mag. Mimi Steurer-Holböck
Marianne Strauß
Dr. Herbert Tschofen
Hannelore Ulmer
Maria Wäger
Dr. Karl Waltle
Gertrud Weber
Bertl Widmer
Hiltraud Wieser
Ing. Christoph Winder
Dr. Adolf Würbel
Astrid Zimmermann
Klaus Zitt
· 145 ·
IfS-Geschichte
Quellen
Quellen
Aigner, Josef Christian (Hg.): Sozialarbeit & Psychoanalyse. Chancen und
Probleme in der praktischen Arbeit. Fachschriftenreihe des Instituts für
Sozialdienste. Wien 1985.
Allgäuer, Stefan/ Ciresa, Brigitte und Löffler, Hubert (Red.): Psychologie und
Recht im Gespräch. Am Beispiel: das Kind in der Scheidungssituation der
Eltern. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Rankweil 1987.
Allgäuer, Stefan/ Mayer, Hermann und Würbel, Angelika (Red.):Prinzip
Integration. Wohngemeinschaft für körperbehinderte und nichtbehinderte
Menschen. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Rankweil
1988.
Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin und Institut für Sozialdienste
(Hg.): Soziale Rundschau. 1980-1982.
Dörler, Manfred: „Fühle mich nicht als Herr über eine Sozialordnung.“
(Interview). In: Kultur, Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Nr. 9, 1994,
S. 6-9.
Fürst, Ali und Rösel, Günther: Der Spielplatz. Ein Handbuch für eine qualitative Spielplatz-Kultur. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste.
Bregenz 1989.
Hollergschwandtner, Maria und Oberhauser, Jakob: “Hier habe ich erst
angefangen zu leben...“ 25 Jahre sozialpädagogische Wohngemeinschaften des IfS. Sozialpädagogische Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Bregenz o. J.
Institut für Sozialdienste (Hg.): Tätigkeitsberichte bzw. Jahresberichte, 1981
bis 1996 (seit 1994 in den „Informationen“ des IfS enthalten).
Institut für Sozialdienste (Hg.): IfS Informationen. 1991 bis 1997.
· 147 ·
Quellen
IfS-Geschichte
Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin
(Hg.): 5 Jahre soziale Umwelt. Gesunder Lebensraum. Götzis 1986.
Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin
(Hg.): Soziales forum. 1982 bis 1984.
Institut für Sozialdienste und Neue Vorarlberger Tageszeitung (Hg.):Von
Mensch zu Mensch. Sonntagsausgaben der Neuen Vorarlberger Tageszeitung. Bregenz 1995.
Keßler, Herbert: Arbeit für Vorarlberg. Drei Jahrzehnte Landespolitik. Dornbirn 1995.
Land Vorarlberg (Hg.): Vorarlberg Bericht. Informationen der Vorarlberger
Landesregierung. 1972 bis 1997.
Land Vorarlberg (Hg.): Institut für Sozialdienste: Beratung und Hilfe bei
Lebensproblemen. In: Vorarlberg Bericht. Heft 22, 1978.
Löffler, Hubert: Wir fangen an, wenn’s nicht mehr weiter geht. 10 Jahre IfS
Familienarbeit. Fachschriftenreihe des IfS. Dornbirn o. J..
Neumann, Erika: Das Institut für Sozialdienste in den Jahren 1978 bis 1980.
In: Montfort. H.1, 1982, S. 49-60.
Paul, Armin (Hg.): „Leben auf Pump“. Möglichkeiten und Grenzen der
Schuldenberatung. Bericht über eine Fachtagung in Schloß Hofen gemeinsam veranstaltet mit dem Institut für Sozialdienste. Informationsbuch,
Kleine Reihe Nr. 21 des Landesbildungszentrums Schloß Hofen. Lochau
1991.
Sperandio, Hans: Akten über die Gründung des Vereins „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“, 1962 bis
1971. Privatarchiv.
· 148 ·
IfS-Geschichte
Quellen
Spieß, Herbert: Die Unterbringung psychisch Kranker. Patientenanwaltschaft. Eine Information der Patientenanwaltschaft Institut für Sozialdienste. Dornbirn o. J.
Vorarlberger Landesregierung (Hg.): Rechenschaftsberichte der Vorarlberger Landesregierung an den Vorarlberger Landtag über die Jahre 1945 bis
1997. In: Beilagen zu den Sitzungsberichten der Vorarlberger Landtage. (vor
allem Kapitel „Soziale Verwaltung“).
Wanner, Gerhard: Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg
1946-1985. Ein Beitrag zur Vorarlberger Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
Dornbirn 1985.
Wanner, Gerhard: Landespolitik 1964-1987. Bilanz, Rechenschaft und Kritik.
In: Keßler, Herbert: Arbeit für Vorarlberg. Dornbirn 1995.
· 149 ·
IfS-Leitbild
IfS-Geschichte
IfS-Leitbild
Das Institut für Sozialdienste ist ein privater Verein. Die Durchführung der
Aufgaben erfolgt in der IfS-Gemeinnützigen GmbH und in deren selbständigen Einheiten. Gemeinsames Ziel ist es, die psychosoziale Entwicklung
Einzelner und der Gesellschaft zu fördern. Wir sind ein dezentral organisiertes Dienstleistungsunternehmen, das im Sinne des Subsidiaritätprinzips arbeitet. Unsere MitarbeiterInnen sind Fachkräfte in interdisziplinären
Teams, deren Qualifikation sich auf fachspezifische Grundausbildung, Ausund Weiterbildung, Supervision und Teamarbeit stützt. Wir respektieren die
Entfaltung des Menschen gemäß seinen Anlagen, Fähigkeiten und Grenzen.
Ideelle Ziele unserer Arbeit sind:
• Hilfe zur Selbsthilfe
• Verbesserung der Lebensqualität Benachteiligter und sozial Schwacher
• Förderung der Akzeptanz sozialer Randgruppen in unserer Gesellschaft
Unser Angebot
Wir wenden uns an Menschen, die in ihren Lebensfragen und psychosozialen Konflikten professionelle Hilfe suchen oder brauchen.
Wir bieten Orte des Vertrauens, Kontakt und Gespräch. Wir wollen Menschen beistehen, sie beraten, Not lindern, Entwicklungsprozesse einleiten
und fördern. Wir glauben an Veränderung durch Konfliktbearbeitung und
emanzipatorische Aufklärung. Wir sind in der Lage, bei akuter Not rasch
und flexibel zu handeln und Lösungen zu erarbeiten. Wir helfen weiter.
Wir wollen unsere Erfahrungen wissenschaftlich verwerten und diese in die
Entwicklung neuer Projekte einbringen.
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IfS-Geschichte
IfS-Leitbild
Organisation und Kultur
Grundsätze der Unternehmenskultur sind:
• eigenständiges und mitverantwortliches Handeln
• Entwicklungsbereitschaft von MitarbeiterInnen, Führungskräften und
Organisation
• Kooperations- und Konfliktbereitschaft
• fachlicher Austausch und interdisziplinäre Akzeptanz
• Solidarität als Arbeitsprinzip
• Wertschätzung als Führungsprinzip
• fortbildungsfreundliches Klima
• verantwortlicher und effizienter Umgang mit Zeit und Geld
• selbstkritische Reflexion unserer Arbeit
Wir bekennen uns zu einer durchschaubaren Leitungsstruktur, die kreatives
Arbeiten, Veränderung und Innovation ermöglicht.
Öffentlichkeit und Umwelt
Wir ergreifen Partei, wenn wir Benachteiligungen feststellen, und setzen
uns ein für Verbesserung von Lebenschancen und Integration. Wir setzen
kritische, sozialpolitische Akzente und schärfen den Blick für gesellschaftliche Missstände.
Unsere Auftraggeber und Partner erhalten von uns ausführliche Dokumentation und Rechenschaft über unsere Arbeit und die eingesetzten Geldmittel.
Wir gehen auf Personen und Einrichtungen im sozialen Umfeld zu, motivieren zur Zusammenarbeit und gestalten die soziale Vernetzung aktiv mit.
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Notizen
IfS-Geschichte
Die Geschichte geht weiter ...
Persönliche Notizen:
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IfS-Geschichte
Notizen
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Sozialfürsorge und Jugendpolitik bis zur Gründung des IfS
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IfS-Geschichte
Institut für Sozialdienste Vorarlberg (IfS)
Die Geschichte des IfS-Vorarlberg
ISBN 3-900866-99-6
Rheticus
Die Geschichte des IfS-Vorarlberg
Von der Bürgerinitiative zum
sozialen Dienstleistungsunternehmen

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