Bäume und Sträucher

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Bäume und Sträucher
Bäume und Sträucher
Pflanzen geben unter Nachbarn immer wieder zu Diskussionen Anlass. Entweder wird
die Thujahecke nicht unter der Schere gehalten, oder ein Baum wirft Schatten auf das
Nachbargrundstück. Dieses Merkblatt informiert Sie über Ihre Rechte rund um Bäume und Sträucher.
Wurzeln nur bis zur Grenze zurückschneiden.
Dazu dürfen Sie – falls nötig – das Grundstück
des Nachbarn betreten. Zudem ist vor allem bei
grösseren Bäumen darauf zu achten, dass sie
ausserhalb ihrer Vegetationszeit geschnitten
werden – also zwischen November und März.
Einen Anspruch auf Entschädigung für die Arbeit
und Entsorgung der Pflanzenteile besteht nicht
(vgl. aber Ziffer 2).
1. Kapprecht
Ragen Äste über die Grundstückgrenze oder
dringen Wurzeln in das eigene Erdreich ein,
kann der Betroffene nur unter gewissen Voraussetzungen selbst zur Schere greifen. Das
so genannte Kapprecht ist in Artikel 687 Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt:
«1
Überragende Äste und eindringende Wurzeln
kann der Nachbar, wenn sie sein Eigentum
schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht
binnen angemessener Frist beseitigt werden,
kappen und für sich behalten.»
Ausnahmen: Kein Kapprecht besteht bei Grenzpflanzen (siehe Ziffer 4) und bei Waldgrundstücken, die unter das Waldgesetz fallen. Ausserdem kennen die Kantone AI, AR, BL, GL, OW,
NW und UR kein Kapprecht bei fruchttragenden
Bäumen und Sträuchern (Artikel 688 ZGB).
2. Klage aus dem Eigentum
Wollen Sie die überhängenden Äste und eindringenden Wurzeln nicht selbst kappen, können Sie
gegen den Pflanzeneigentümer auf Beseitigung
des Überhangs beim Friedensrichter klagen. Im
Kanton Bern führt der Gerichtspräsident des
Amtsgerichts ein Aussöhnungsverfahren durch.
Eine Schädigung im Sinne dieser Bestimmung
liegt vor, wenn die Bewirtschaftung oder die
Benutzung des Grundstücks erheblich beeinträchtigt wird – zum Beispiel wenn die eigene
Terrasse wegen des Schattenwurfs eines
Baumes sogar während der Sommertage kühl
bleibt, oder wenn herüberragende Äste die
Aussicht völlig versperren. Dasselbe gilt, wenn
Wurzeln von Pflanzen des Nachbarn den
Wuchs der eigenen Pflanzen verunmöglichen.
Der Beseitigungsanspruch ergibt sich aus Artikel
641 ZGB:
«1
Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den
Schranken der Rechtsordnung über sie nach
seinem Belieben verfügen.
2
Er hat das Recht, sie von jedem, der sie ihm
vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren.»
Bevor Sie aber zur Schere greifen dürfen, müssen Sie Ihrem Nachbarn in einem eingeschriebenen Brief mitteilen, dass Sie nicht mehr bereit sind, diesen gesetzeswidrigen Zustand weiter zu dulden. Fordern Sie ihn auf, die Kappung
innert einer angemessenen Frist selbst vorzunehmen. Erst wenn Ihr Nachbar diese Frist
unbenutzt verstreichen lässt, dürfen Sie handeln. Die Kappung ist jedoch möglichst schonend durchzuführen. Sie dürfen die Äste und
Die Klage aus dem Eigentum setzt allerdings
voraus, dass der Überhang den Grundeigentümer schädigt. Der Betroffene kann verlangen,
dass der Nachbar den Überhang selber beseitigt
oder auf eigene Kosten beseitigen lässt. Er darf
sich jedoch auch vom Richter ermächtigen lassen, die Beseitigung auf Kosten des Nachbars
selbst vorzunehmen.
 Beobachter-Beratungszentrum, Januar 2013/jk
1
3. Gesetzliche Abstandsvorschriften
Die Kantone sind befugt, für Anpflanzungen
Grenzabstände vorzuschreiben (Artikel 688
ZGB). Die meisten Kantone haben von dieser
Kompetenz in ihren Einführungsgesetzen zum
Zivilgesetzbuch (EG ZGB) Gebrauch gemacht.
Diese Gesetze finden Sie bei den kantonalen
Staatskanzleien, auf den Internetseiten der
kantonalen Verwaltungen oder auf HelpOnline
unter dem Stichwort «Grenzabstand».
Die Abstände werden vom Mittelpunkt des
Stammquerschnitts an der Erdoberfläche gemessen; bei Lebhägen wird der Abstand vom
Fuss der Hecke gemessen. Bei der Messung
der Höhe einer Pflanze ist vom gewachsenen
und nicht vom aufgeschütteten Boden des angrenzenden Grundstückes zu messen.
Die Klage auf Beseitigung oder Zurückversetzung von Pflanzen unterliegt in vielen Kantonen
unterschiedlicher Verjährungsfristen:
 UR: 1 Jahr (für Sträucher und Grünhecken)
 OW: 2 Jahre
 SO: 3 Jahre
 AR, BE, GL, GR, JU, SH, UR (für Bäume),
VS, ZG und ZH: 5 Jahre
 BL, LU, FR und TI: 10 Jahre
 SZ: 2 Jahre seit Kenntnis- und 10 Jahre seit
der Abstandsverletzung
 GE: 30 Jahre
Keine Befristung kennen die Kantone AG, AI,
BS, NE, NW, SG, TG und VD.
Die Verjährungs- oder Verwirkungsfrist beginnt
in der Regel vom Tage der Pflanzung an zu
laufen. Ist der Anspruch auf Beseitigung oder
Zurückversetzen der Pflanzen verjährt, muss
der Nachbar sie grundsätzlich dulden. Bei
schwerwiegenden Immissionen kann er sich
allenfalls auf Artikel 684 ZGB (vgl. Ziffer 5) berufen. Das Recht auf das Zurückschneiden der
Pflanzen im vorgeschriebenen Umfang unterliegt dagegen in aller Regel keiner Verjährung.
Eine Ausnahme gilt, wenn das Zurückschneiden deren Absterben zur Folge hätte.
4. Grenzpflanzen und Grünhecken
Wird der Querschnitt des Stamm- oder Wurzelstocks einer Pflanze von der Grenzlinie geschnitten, oder spriessen bei einem Strauch die
Äste von beiden Grundstückseiten aus dem
Boden, spricht man von einer Grenzpflanze.
Gemäss Artikel 670 ZGB wird in einem solchen
Fall Miteigentum der beiden Nachbarn an der
Pflanze vermutet. Für Grenzpflanzen gelten somit die Vorschriften über das Miteigentum. Das
heisst: Das Kapprecht kommt hier nicht zur Anwendung. Jedoch kann jeder Miteigentümer von
einzelnen Grenzpflanzen grundsätzlich deren
Beseitigung verlangen, sofern die Nachbarn nicht
etwas anderes vereinbart haben, oder sofern die
Pflanze nicht die Funktion eines dauernden
Grenzzeichens hat (Artikel 650 Abs. 1 ZGB).
Wenn also eine Grünhecke, die direkt auf der
March steht, als dauerndes Grenzzeichen dient,
kann sie nicht auf einseitiges Begehren beseitigt
werden.
Von einer Grünhecke spricht man, wenn die verwendeten Pflanzen derart dicht miteinander verwachsen sind, dass sie den Eindruck einer Wand
vermitteln. Für Hecken gelten kleinere Grenzabstände. Sie variieren von Kanton zu Kanton und
hängen oft auch von ihrer Höhe ab (siehe EG
ZGB des betreffenden Kantons).
5. Immissionen von Pflanzen
Die Immissionen von Pflanzen (Laub, Nadeln,
Samen, dürre Äste) können sehr lästig sein und
zum Beispiel Dachrinnen verstopfen. Artikel 684
ZGB bestimmt:
«1
Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung
seines Eigentums, wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück,
sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten.
2
Verboten sind insbesondere alle schädlichen
und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Rauch oder Russ,
lästige Dünste, Lärm oder Erschütterung.»
Durch die kantonalen Grenzabstände wird der
Interessenabwägung zwischen Nachbarn grundsätzlich bereits genügend Rechnung getragen.
Die Immissionen von Pflanzen, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, sind deshalb in
der Regel zu dulden. So muss es in Quartieren
mit Baumbeständen hingenommen werden, dass
der Wind regelmässig Samen, Blätter und Nadeln sowie dürre Äste über die Grundstückgrenzen verfrachtet – und dass die Dachrinnen deswegen vom Eigentümer periodisch gereinigt
werden müssen.
 Beobachter-Beratungszentrum, Januar 2013/jk
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