Energiepolitik in Südtirol - Südtiroler Gesellschaft für

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Energiepolitik in Südtirol - Südtiroler Gesellschaft für
Energiepolitik in Südtirol - Tirol
und die
Landesenergiegesellschaften
im Vergleich
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
einer Magistra der Philosophie
eingereicht bei Herrn
ao. Univ.-Prof.
DDr. Günther Pallaver
Institut für Politikwissenschaft
Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie
der Universität Innsbruck
Von
Andrea Enderle
Innsbruck, Juli 2010
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...............................................................................1
I. Analyse und Vergleich der Energiepolitik von Südtirol und
Tirol.........................................................................................3
1. Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik.........3
1.1. Theoretischer Zugang ....................................................3
1.1.1. Hauptthesen ........................................................................................... 3
1.1.2. Methodischer Zugang für den Vergleich...................................... 4
1.2. Begriffsbestimmungen...................................................7
1.2.1. Politikfeld - policy ................................................................................. 7
1.2.2. Grundbegriff: Energie ......................................................................... 8
1.2.3. Energiewirtschaft................................................................................ 10
1.2.4. Energieversorgungsunternehmen (EVU) und das
allgemeine Interesse ...................................................................................... 11
1.2.5. Energiepolitik ....................................................................................... 12
1.3. Unternehmensstrukturen der EVU ...............................14
1.3.1. Das öffentliche Unternehmen ........................................................ 14
1.3.2. Formen von EVU ................................................................................. 15
1.3.3. Aktiengesellschaft .............................................................................. 17
1.3.4. Genossenschaft ................................................................................... 18
2. Energiepolitik in Südtirol ...................................................22
2.1. Energiesituation ..........................................................22
2.1.1. Versorgung............................................................................................ 22
2.1.2. Produktion ............................................................................................. 26
2.2. Die Rahmenbedingungen .............................................33
2.2.1. Zur Entwicklung der grundlegenden Rahmenbedingungen33
2.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen zur nachhaltigen
Energiepolitik..................................................................................................... 37
2.2.3. Die Wasserkraft................................................................................... 41
3. Energiepolitik in Tirol ........................................................45
3.1. Energiesituation ..........................................................45
3.1.1. Versorgung............................................................................................ 45
3.1.2. Produktion ............................................................................................. 50
3.2. Die Rahmenbedingungen .............................................58
3.2.1. Zur Entwicklung der grundlegenden Rahmenbedingungen58
3.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen für eine nachhaltige
Energiepolitik..................................................................................................... 62
3.2.3. Wasserkraft........................................................................................... 67
I
Inhaltsverzeichnis
4. Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung ................72
II. Analyse und Vergleich der landeseigenen
Energiegesellschaften ...........................................................78
5. Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG .........78
5.1. Die TIWAG ...................................................................78
5.2. Die SEL AG ...................................................................83
6. Unternehmensstruktur und -tätigkeit ................................87
6.1. Die TIWAG ...................................................................87
6.2. Die SEL AG ...................................................................91
7. Die Wasserkraft .................................................................97
7.1. Die TIWAG ...................................................................97
7.2. Die SEL AG .................................................................104
8. Stromwirtschaftliches Konzept nach dem
Genossenschaftsprinzip.......................................................110
9. Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung ..............115
10. Literaturverzeichnis.............................................................
11. Anhang ................................................................................
11.1.
11.2.
11.3.
11.4.
11.5.
11.6.
11.7.
11.8.
11.9.
Tabelle Experteninterviews
Interview mit Dr. Michl Laimer
Interview mit Dr. Christina Kury
Interview mit Dipl.-Ing. Georg Wunderer
Interview mit Klaus Stocker
Interview mit Dr. Georg Zingerle und Stephan Oblasser
Interview mit Maria Scheiber
Stellungnahme von Markus Wilhelm
Interview mit Dipl.-Ing. Helmut Mainusch
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 ............................................................................................................................. 24
Energieverbrauch in Südtirol nach Energieträgern 2005
Abb. 2 ............................................................................................................................. 25
Energieversorgung Südtirols ohne Verkehr 2009
Abb. 3 ............................................................................................................................. 30
Installierte Leistungen durch Photovoltaik pro Einwohner und Provinz 2009
Abb. 4 ............................................................................................................................. 39
Umweltausgaben der Autonomen Provinz Bozen 2003-2007 und 2008
Abb. 5 ............................................................................................................................. 47
Entwicklung Bruttoninlandverbrauch(BIV) (Inländische Erzeugnisse zzgl. Import abzgl.
Export) und Endenergieverbrauch (EE) (BIV abzgl. Umweltverluste) in Tirol von 1988
- 2008 in TJ
Abb. 6 ............................................................................................................................. 48
Energieverbrauch in Tirol nach Energieträgern 2007
Abb. 7 ............................................................................................................................. 50
Energiebedarfsdeckung nach EE und fossilen Energieträgern in Tirol 2008
Abb. 8 ............................................................................................................................. 51
Tiroler Energieproduktion (=100% aus erneuerbaren Energieträgern) von 1988 - 2008
Abb. 9 ............................................................................................................................. 53
Anteil Regelarbeitsvermögen (RAV) nach Betreibern 28.02.2009
Abb. 10 ........................................................................................................................... 56
Neu installierte Flach- und Vakuumröhren-Kollektoren in den Bundesländern 2007
Abb.11 ............................................................................................................................ 94
Holding-Struktur der SEL AG
III
Vorwort
„Nichts in der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“
-Victor Hugo –
Energiekrise,
Ressourcenknappheit
und
Klimawandel
–
diese
erschreckenden Schlagworte sind in den letzen Jahren immer häufiger auf
die Themenagenda der akademischen Diskussionsrunden gelangt, aber
nicht
nur
in
wissenschaftlichen
Fachkreisen
wurde
dieses
intensive
Problembewusstsein geweckt. Auch der Otto-Normal-Verbraucher macht
sich langsam Gedanken über seinen Energiekonsum, denn er spürt zumal
eine gähnende Leere in seiner Brieftasche nach der Begleichung sämtlicher
Strom- und Gasrechnungen. Da fragt sich mittlerweile sogar schon mancher
Politiker: „Energiepolitik - Quo vadis?“
Inmitten dieser Problempolarisierung der heutigen Wohlstandsgesellschaft,
die sich inmitten der größten Finanzkrise seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges befindet, wird der Ruf nach einem Paradigmenwechsel immer
lauter und das nicht nur von Seiten der Grünen Parteien. Schluss mit der
Laudatio auf die Parolen der neoliberalen Regierungen: „Weniger Staat –
Mehr
Markt“,
die
uns
in
dieses
Energiedilemma
überhaupt
erst
hineingeritten haben. Es gilt einen neuen Weg zu beschreiten. Einen Weg
hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Energiepolitik – egal ob auf regionaler,
nationaler oder europäischer Ebene.
Die Energiepolitik im Mehrebenensystem Europas hatte Jahrzehntlang nur
ein Stiefmütterchendasein gefristet. Die Energiepolitik der Staaten der
Europäischen Gemeinschaft war geprägt vom Ziel der Versorgungssicherheit
mit billigen (fossilen und nuklearen) Energieträgern. Die Endlichkeit dieser
fossilen Ressourcen wurde schnell klar, allerdings verschloss man gerne die
Augen, um nicht den gewonnen Wohlstand einbüßen zu müssen. Auch von
1
Vorwort
Seiten
der
Energielobby,
also
den
Interessensvertretern
der
Energiewirtschaft, wurde die Ausbeutung der fossilen Energieträger mehr
als befürwortet. Brachte und bringt es ihnen doch auch ansehnliche
Gewinne. Es ist beinahe ein David gegen Goliath-Verhältnis, das sich über
die Jahrzehnte zwischen den politischen Eliten und den Energie-Lobbys
aufgebaut
hat
und
demzufolge
scheint
es
schwierig,
hier
den
Paradigmenwechsel einzuläuten.
Auch hat sich die Strategie der EU, durch mehr Wettbewerb Vorteile für den
Konsumenten heraus zu schlagen, nicht bewahrheiten können. Die im Jahre
2003 vermehrt anzutreffenden „Black Out“ in der Stromversorgung führten
zu Umdenken und es wurden Maßnahmen für die Versorgungssicherheit und
mehr Nachhaltigkeit in der Energiepolitik ergriffen. Dieses europäische Ziel
einer nachhaltigen Energiepolitik auf der Grundlage von erneuerbaren
Energieträgern,
kommunaler
Energieeffizienz
und
regionaler
und
Ebene
Importunabhängigkeit
schon
teilweise
sehr
wird
auf
erfolgreich
umgesetzt.
In Südtirol und Tirol wird bereits ein beachtlicher Anteil der Strom- und
Wärmeversorgung durch Erneuerbare Energien (EE) gedeckt, welche den
Zielen der EU teilweise schon weit voraus sind. Auf kommunaler Ebene
existieren bereits Energieversorgungsmodelle die energieautark für den
jeweiligen räumlichen Bereich funktionieren. Immer mehr Gemeinden sind
bestrebt, sich von den zentralistischen Großkonzernen abzunabeln und
durch
eine
dezentrale
Energieproduktion
und
–Versorgung
mehr
Unabhängigkeit zu erreichen.
Wie sehen die Chancen einer Energieautonomie in den beiden Regionen
Südtirol und Tirol aus? Sind Sie auf dem richtigen Weg den erforderlichen
Paradigmenwechsel einzuläuten? Welche Rolle spielen die landeseigenen
Energiegesellschaften?
Diese grundlegenden Fragen gilt es innerhalb dieser Forschungsarbeit zu
beantworten.
2
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
I. Analyse und Vergleich der Energiepolitik von
Südtirol und Tirol
1.
Energieversorgungsgesellschaften
(EVU)
und Energiepolitik
1.1. Theoretischer Zugang
1.1.1. Hauptthesen
Die italienische Provinz Südtirol und das österreichische Bundesland Tirol
haben
in
vielerlei
Hinsicht
ähnliche
Vorraussetzungen.
Sowohl
die
geographischen und klimatischen Bedingungen, als auch die politische
Struktur im Sinne einer Landespolitik mit föderalen Kompetenzen sind
ähnlich. Allerdings blieb die Trennung des einstigen Tirols nach dem Ende
des Ersten Weltkrieges nicht folgenlos, Nord- und Osttirol blieben bei
Österreich und Südtirol wurde von Italien annektiert. Diese Trennung ist vor
allem für die Entwicklungen in der regionalen Energiepolitik von essentieller
Bedeutung, weil die Regionen nun unter verschiedenen politischen und
rechtlichen Vorraussetzungen ihre Energiepolitik zu gestalten hatten.
Die These, die im Zuge des 1. Teils der Arbeit: Analyse und Vergleich der
Energiepolitik Südtirols und Tirols, verifiziert werden soll, lautet:
1. Aus den differenzierten historischen Gegebenheiten heraus hat sich in
Tirol eine Energiepolitik entwickelt, die im Gegensatz zu Südtirol
wesentlich größere Schwierigkeiten hat, einen energiepolitischen
Paradigmenwechsel
einzuleiten,
wie
er
durch
die
Energiekrise
notwendig ist.
In diesem Zusammenhang gilt es die unterschiedlichen gesetzlichen
Rahmenbedingungen zu untersuchen, die Hemmschuh oder Weichenstellung
bedeuten. Der Paradigmenwechsel ist vor allem jetzt notwendig, weil wir
3
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
uns bereits Mitten in einer Klima- und Energiekrise befinden, die nur dann
überwunden werden kann, wenn ein Wandel in den konservativ geprägten
Energiepolitiken stattfindet.
Die These, welche für den 2. Teil der Arbeit: Analyse und Vergleich der
landeseigenen EVU, verifiziert werden soll, lautet:
2. Ein landeseigenes Energieversorgungsunternehmen (EVU), das die
Unternehmensform einer Aktiengesellschaft gewählt hat, stellt sich
mehr in den Dienst des Marktes als in den Dienst des Bürgers
In diesem Teil gilt es zu untersuchen, wie die Identifikation des Bürgers mit
den jeweiligen EVU in der Provinz Bozen bzw. in Tirol aussieht. Welche
Zielkonflikte zwischen Autonomer Provinz Bozen, der SEL AG und den
Gemeinden bzw. zwischen Land Tirol, TIWAG, Oppositionspolitiker und den
Bürgern vorherrschen. Welche Rolle die Wasserkraft dabei spielt und
welches lokale Stromkonzept eine Alternative darstellen könnte.
1.1.2. Methodischer Zugang für den Vergleich
Aus methodischer Sicht habe ich mich innerhalb meiner Forschungsarbeit
auf Experteninterviews konzentriert. Die Experten wurden von mir so
ausgewählt, dass ich vier Nordtiroler und vier Südtiroler Experten befragen
konnte. (Siehe Tabelle im Anhang)
Als wichtig erachtet wurde, dass durch die Befragung der jeweilige
Zugangsbereich optimal abgedeckt wurde, d.h. dass die zentralen Thesen
und
Fragestellungen
anhand
der
Informationen
der
Experten
aus
verschiedensten Ausgangspositionen beleuchtet werden konnte. So wurden
z.B. die Sicht der Oppositionspartei DIE GRÜNEN und die Position aus den
jeweiligen Landesämter zugelassen. Außerdem konnte die landeseigene SEL
AG befragt werden und der Nordtiroler Aktivist, Markus Wilhelm. Ebenso
wurde die Sicht der dezentralen Energieversorger durch das E-werk Prad, in
Südtirol und die Stadtwerke Schwaz GmbH, in Tirol hervorgehoben.
4
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Die Fragestellung wurde von mir „offen“ nach einem Leitfaden gestaltet und
lies den betreffenden Interviewten einen relativ großen Spielraum für
persönliche Anmerkungen und Präferenzen. Von den neun Interviews
konnte ich drei persönlich führen und fünf wurden mir sehr ausführlich in
beantworteter Form per E-Mail zurückgesendet. Die persönlichen Interviews
wurden von mir aufgezeichnet und später transkribiert und im Anhang
dieser Arbeit eingefügt.
Ein Experte hat mir eine Stellungnahme zum Thema: „Energiepolitik in
Tirol“ per E-Mail zukommen lassen.
Von den Experten aus den Reihen der TIWAG habe ich leider, trotz
mehrmaliger Nachfrage, die beantworteten Fragen nicht retour bekommen.
Dies ist deshalb bedauerlich, weil damit ein Direktvergleich zwischen SEL
AG und TIWAG aus Sicht der Eigentümer nicht vorgenommen werden
konnte.
Klaus Stocker, in seiner Funktion als Präsident der SEL AG, wurde von mir
ausgewählt, um in Erfahrung zu bringen, welche Rolle seiner Meinung nach
die SEL AG in der Südtiroler Energiepolitik spielt und welche Ziele durch die
SEL in der Energiepolitik verfolgt werden.
Außerdem war es mir auch
wichtig zu erfahren, welche Kooperationen mit Tirol laufen und wie das
Verhältnis SEL AG/ TIWAG aussieht.
Michl Laimer, in seiner Funktion als Südtiroler Landesrat für Raumordnung,
Energie und Umwelt wurde von mir befragt, um allgemeine Informationen
zur Energiepolitik in Südtirol zu erhalten. Vor allem ging es mir um die Ziele
und
Maßnahmen,
sowie
die
Rolle
der
SEL
AG
in
der
regionalen
Energiepolitik.
Christina Kury, ehemalige und langjährige Landtagsabgeordnete der Partei
der
GRÜNEN
Südtirols,
konnte
mir
unter
anderem
zum
Thema
Umweltschutz und Energie, vor allem unter dem Gesichtspunkt der
Wasserkraft wichtige Informationen liefern. Außerdem bezog sie Stellung zu
5
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
den kritischen Stimmen aus den Reihen der Oppositionsparteien im Land in
Bezug auf die SEL AG.
Georg
Wunderer,
seines
Zeichens
Obmann
der
Energiewerk
Prad
Genossenschaft und des Raiffeisenenergieverbandes, konnte mir ebenfalls
in Bezug auf die Nutzung der Wasserkraft ausführlichste Informationen
liefern. Außerdem gilt er in Fachkreisen als Visionär im Bereich der
Eigenständigkeit und Nachhaltigkeit von lokalen Energieunternehmen. Vor
allem das Interview mit Herrn Wunderer hat mich in meiner These bestärkt,
dass eine dezentral organisierte Energieerzeugung und –Verteilung einer
zentralistischen Organisation vorzuziehen ist.
Bei den Tiroler Energieexperten konnte ich ein persönliches Interview mit
Maria Scheiber, der Umweltsprecherin der Partei DIE GRÜNEN - TIROL
machen. Sie konnte mir einen umfangreichen Einblick in die Tiroler
Energiepolitik aus oppositionspolitischer Sicht verschaffen und zeigte mir
auch die Defizite in Bezug auf das Verhältnis Land – TIWAG auf. Außerdem
wurden von ihr immer wieder auch die Defizite auf Bundesebene aufgezeigt.
Eine wichtige Stellungnahme kam von Markus Wilhelm, einer Ein-MannBürgerinitiative, im Kampf gegen die Ausbaupläne der Wasserkraft der
TIWAG. Er ging auf die Barrikaden, als 2004 erstmals wieder Pläne für
Großwasserkraftwerke in Tirol auf den Tisch kamen und gründete die
Webseite „tiwag.org“, auf welcher er die
„verfehlten und veralteten
Firmenstrategie der TIWAG“ aufgreift und öffentlich machte (vgl. Wilhelm,
07.12.09)
Georg Zingerle, Leiter der Projektgruppe Tiroler Energiestrategie 2020,
sowie der Energiebeauftragte Stephan Oblasser, beide Beamte des Amtes
Wasser-, Forst- und Energierecht der Tiroler Landesregierung, konnten mir
einen allgemeinen Einblick zur Tiroler Energiepolitik verschaffen. Vor allem
ging es mir um die Ziele und Perspektiven in der Tiroler Energiestrategie
2020. Außerdem wollte ich die Beziehung TIWAG – Land von Seiten der
Verwaltung beurteilt wissen.
6
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Helmut Mainusch von den Stadtwerken Schwaz GmbH konnte mir ebenfalls
eine Vielzahl an Informationen über die Tiroler Energiepolitik erteilen. Seine
Sicht des kommunalen, sprich dezentralen Energieversorgers, innerhalb der
Tiroler Energielandschaft ist besonders interessant, weil die Schwazer
ähnlich wie die Prader auf kommunaler Ebene bereits stark in Richtung
nachhaltige autonome Versorgung durch lokale Energiequellen gehen.
1.2. Begriffsbestimmungen
Um ein Verständnis dafür zu bekommen wie die Energiepolitik innerhalb
eines politischen Systems funktioniert, ist es unabdingbar, sich mit den
grundsätzlichen Begrifflichkeiten auseinander zu setzen. Darum wird im
folgenden Abschnitt einerseits die Bedeutung der policy erklärt und
andererseits der Grundbegriff Energie eingehend behandelt. Weiters ist für
die Arbeit wichtig, einen Einblick in die Energiewirtschaft zu erhalten und
kurz
die
Energieversorgungsunternehmen
(EVU)
und
das
allgemeine
Interesse an der Energie zu klären. Am Ende steht dann der zentrale Begriff
der Energiepolitik.
1.2.1. Politikfeld - policy
Die Politikwissenschaft kennt drei Dimensionen von Politik, die mit den
angelsächsischen Begriffen polity, politics und policy zum Ausdruck kommen
(Schubert 1991, 54); (vgl. auch Jänicke/ Kunig/ Stitzel 2003, 50).
•
polity: kennzeichnet die Ordnung des politischen Systems; im
speziellen
die
institutionellen,
organisatorischen
und
normative
Rahmenbedingungen von Politik
•
politics: bezeichnet die prozessuale Dimension von Politik und zwar
geht es dabei, um die Konfliktaustragungen und Konsensbildungen,
sowie
dem
Machterwerb
und
Machterhaltung
auf
Grund
der
konkurrierenden Interessen
•
policy: befasst sich mit der inhaltlichen oder materiellen Dimension
von Politik. Den Zielen, Programmen und Instrumenten in konkreten
Politikfeldern
7
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Während polity und politics, eher die prozessualen und institutionellen
Formen im Willens- und Entscheidungsprozesses darstellen, will policy „im
weiteren Sinne eher die Entscheidungsinhalte und die Vorgehensweise
staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen (vgl. Schmidt 2004, 535) wie
z.B. in unserem Falle die Energiepolitik einer Regionalregierung bzw. die
Entscheidungen von halböffentlichen Unternehmen die im Energiesektor
tätig sind, erfassen.
Natürlich kann nicht von einer strikten Trennung dieser drei Dimensionen
von Politik ausgegangen werden, vielmehr handelt es sich hierbei um ein
sektorales ineinander greifen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird sich
herausstellen, dass sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch die
halböffentlichen Akteure in einem interessanten Verhältnis zueinander
stehen und diese den prozessualen und institutionellen Willens- und
Entscheidungsprozess durchaus beeinflussen.
1.2.2. Grundbegriff: Energie
Die Primärenergie, also die Rohstoffe wie Kohle, Erdöl usw. und die
Sekundärenergie wie der Strom oder die Wärme, sind der Grundbaustein für
das Politikfeld Energie. Jeder Mensch benötigt innerhalb der heutigen
Wohlstands- und Konsumgesellschaft irgendeine Form der Energie. Dadurch
muss die Energie als öffentliches Gut behandelt werden. Dieses öffentliche
Gut ist somit ein wesentlicher Inhalt von Politik und wird innerhalb der
policy durch Programme und Maßnahmen geregelt, um eine maßvolle
Verteilung und mittlerweile auch eine nachhaltige Nutzung zu garantieren.
Der Energiebegriff gilt als sehr jung und entstand erst vor ca. 150 Jahren im
Zuge der Entwicklung der Thermodynamik. Vorher nahm man an, dass in
Lebewesen eine besondere Lebenskraft (vis vitalis) steckt, der man alle
Leistungen zuschrieb, die jedoch unverständlich blieb. Auf den Vorschlag
von Thomas Young (1773-1829) hin, wurde der Begriff vom griechischen
Wort energeia abgeleitet, was soviel bedeutet wie: Wirkungsvermögen (vgl.
Kind 2005, 2).
In der Microsoft Encarta findet man unter dem Begriff Energie folgende
Definition:
8
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
„Energie ist die Fähigkeit eines physikalischen, biologischen oder
technischen Systems, Arbeit zu verrichten. (…) Energie, die mit Bewegung
in Verbindung steht, bezeichnet man als kinetische Energie oder
Bewegungsenergie. Im Gegensatz dazu bezeichnet man die Energie der
Lage als potentielle Energie oder Lageenergie. (…) Es existieren
verschiedenen
Formen
von
Energie,
z.B.
die
mechanische,
thermodynamische, magnetische und elektromagnetische, und elektrische
Energie sowie Strahlungs- und Kernenergie“
(Microsoft® Encarta® 2006: Energie).
Im allgemeinen Verständnis ist Energie allerdings nicht nur als eine
physikalische Größe zu verstehen, sondern wird vielmehr in seiner
Erscheinungsform als Wärme, Licht und Strom wahrgenommen. So ist
thermische (thermodynamische) Energie, die so genannte Wärmeenergie
notwendig für die Wassererwärmung und in ihrer technischen Anwendung
als Heizung bekannt. Die mechanische Energie wird in potenzielle und
kinetische Energie unterteilt, wobei die kinetische Energie z.B. fließendes
Wasser
ist,
welches
in
seiner
technischen
Anwendung
in
Wasserkraftwerken, in Strom umgewandelt wird. Die potentielle Energie,
auch Lageenergie genannt, funktioniert z.B. durch einen Stausee und das
dazugehörige Speicherkraftwerk, in welchem wiederum Strom produziert
wird. Bei der elektrischen Energie handelt es sich, wie das Wort bereits
vorausschickt, um Elektrizität, welche benötigt wird, um z.B. eine Glühbirne
zu erleuchten, die Licht und meist auch Wärme abgibt. Elektrische Energie
in ihrer Urform ist aber auch ein Blitz. Die elektromagnetische Energie
hingegen ist eine Strahlungsenergie. Sie wirkt in Form von Radiowellen oder
in ihrer ursprünglichen Form, als Sonnenstrahlen. Durch die letzthin sehr
populär gewordene Nutzung von regenerativen Energiequellen, hat sich in
diesem Bereich die Photovoltaiktechnologie entwickelt, die es ermöglicht
aus Sonnenlicht Strom zu produzieren. Die chemische Energie ist in ihrer
Erscheinungsform als Brennstoffe, Treibstoffe oder Sprengstoffe bekannt.
Diese sind notwendig, um Holzöfen und Heizölöfen zu betätigen und um
unsere Autos zum Fahren zu bringen. Die Nuklearenergie (auch bekannt
als Kernenergie) wird durch das Verfahren der Kernspaltung in den
Atomkraftwerken
ebenfalls
zur
Stromerzeugung
Laumanns 2005, 47).
9
herangezogen
(vgl.
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Aus dem historischen Kontext lässt sich schließen, dass die Energie als
solche zwar immer schon existent war, jedoch nicht näher im Interesse des
Einzelnen
stand.
Erst
naturwissenschaftlichen
durch
den
Bereichen
Forschungsprozess
(Physik,
Medizin
usw.)
in
gelang
den
es
„Energie“ zu definieren. Diese Benennung war der erste Schritt zu einer
grundlegenden Kategorisierung von Energie und ist die Weichenstellung für
die mannigfaltige Funktion und Bedeutung, die ihr heute zugeschrieben
wird.
1.2.3. Energiewirtschaft
Der Focus im Bereich Wirtschaft und Energie liegt in einem eng verstrickten
Beziehungsgeflecht zwischen der Politik, im Sinne der Staatstätigkeit und
der Wirtschaft, die immer bedeutendere Aufgaben im Energiesektor
zugesprochen bekommt.
Im engeren Sinne versteht man unter Energiewirtschaft:
„alle Wirtschaftsbereiche, die mit der Erzeugung, Umwandlung und
Verteilung von Primärenergie (z. B. Erdöl, Erdgas, Kohle, Uranerz,
Wasserkraft, Windenergie) oder Sekundärenergie (z.B. Benzin, Heizöl,
genormte Gase, Strom, Steinkohlenkoks) befasst sind“
(Microsoft® Encarta® 2006: Energiewirtschaft).
Das Ziel der Energiewirtschaft liegt darin, den auf den unterschiedlichsten
Ebenen
des
Gesellschafts-
und
Wirtschaftslebens
bestehenden
Energiebedarf auf möglichst sichere und rentable Weise zu befriedigen. Die
Energieversorgung stellt ein Grundbedürfnis dar und um Monopolbildungen
bei den verschiedenen Anbietern zu vermeiden, greift der Staat im Rahmen
der Energiepolitik in das Marktgeschehen auf dem Energiesektor ein (ebd.
Microsoft Encarta).
Wie wir im Verlauf der Arbeit noch feststellen werden, regelt der Staat seine
Aufgaben im Energiebereich in verschiedenster Weise. Einerseits bedient
sich der öffentliche Akteur seiner traditionellen, politischen Instrumentarien,
wie der Implementierung und der Ausarbeitung verschiedenster politischer
Programme und Maßnahmen. Andererseits reagieren der Staat oder die
regionalen
politischen
Entscheidungsträger
auf
die
Liberalisierungstendenzen in der Daseinsversorgung auch immer häufiger
mit der Partizipation in öffentlich-privaten Aktiengesellschaften. Diese
10
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Rollenbeteiligung des Staates am aktiven Wirtschaftsgeschehen, gilt es in
meiner Arbeit näher zu erörtern.
1.2.4. Energieversorgungsunternehmen
allgemeine Interesse
(EVU) und
das
Die Begriffsbestimmung in Bezug auf die EVU und dem allgemeinen
Interesse wird von mir nicht gesondert vorgenommen, weil diese beiden
Begrifflichkeiten eine wichtige Synergie in dieser Forschungsarbeit bilden.
Pragmatisch
gesagt
Gesellschaft
bzw.
bietet
den
ein
Energieversorgungsunternehmen
Wirtschaftstreibenden
ihre
Produktpalette
der
an
Energieträgern an. In diesem Zusammenhang kann man bei einem EVU,
auch von einem Daseinsversorger sprechen, weil für das Gesellschafts- bzw.
für das Wirtschaftsleben eine Existenz ohne die Versorgung mit Strom, Gas
und Wärme nicht mehr vorstellbar wäre. Die Versorgung mit Energieträgern
stellt somit auch ein grundlegendes allgemeines Interesse dar.
Die
Europäische
Kommission
definiert
in
ihrem
„Weißbuch
für
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ das Allgemeine Interesse wie
folgt:
„Der Begriff Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
bzw. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wird in Artikel 16
und Artikel 86 Absatz 2 des EG-Vertrags verwendet. (…) In der
Gemeinschaftspraxis herrscht jedoch weit gehende Übereinstimmung
dahingehend, dass er sich auf wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht, die von
den
Mitgliedstaaten
oder
der
Gemeinschaft
mit
besonderen
Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium
gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden. Das Konzept
der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse umfasst
daher insbesondere bestimmte Leistungen der großen netzgebundenen
Wirtschaftszweige wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des
Energiesektors und der Telekommunikation“
(EU-Kommission KOM (2004) Nr.374, 27).
Die EVU arbeiten in solchen netzgebundenen Wirtschaftszweigen, die im
Rahmen der Allgemeinheit und des Gemeinwohls ihre Dienstleistung der
Energieversorgung
erbringen
müssen.
Durch
die
Liberalisierung
des
Energiebinnenmarktes durch die EU geraten die EVU allerdings immer mehr
11
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
unter Zugzwang. Sie müssen einerseits gewinnbringend arbeiten, um am
liberalisierten Markt bestehen zu können, und andererseits das Gemeinwohl
berücksichtigen, welches wettbewerbshemmend auf die Unternehmen wirkt.
Zusätzlich werden von Seiten der Politik auch immer wieder neue Maßstäbe
für den Klima- und Umweltschutz gesetzt, die meist hemmend auf die EVU
wirken.
Um
diese
Zielkonflikte
zu
überwinden,
hat
sich
in
den
Unternehmensstrukturen der europäischen EVU ein gewaltiger Wandel
vollzogen. Um sich den Marktbedingungen bestens anzupassen wurde aus
einem Monoanbieter, ein Multi-Utility-Unternehmen d.h. anstatt nur Strom
zu
produzieren
und
anzubieten,
bieten
die
EVU
nun
sämtliche
Energieprodukte (Produktion und Verteilung von Strom, Wärme, Erdgas
usw.) aus einer Hand an. Durch die höhere Produktpalette können am Markt
unterschiedliche
Bedürfnisse
von
unterschiedlichsten
Zielgruppen
angesprochen werden; dies erhöht in der Folge automatisch den Umsatz.
Zweite grundlegende Veränderung, die jedoch bereits seit längerer Zeit
beobachtbar ist, stellt die Veränderung in den Eigentümerstrukturen dar.
Um das allgemeine Interesse zu wahren und nicht die eigenen Ressourcen
zu verlieren und dadurch einen wirtschaftlichen Machtverlust zu erlangen,
wird der Staat, der eigentlich das öffentliche Interesse zu vertreten hätte,
immer öfter zu einem privaten Unternehmer als Akteur auf dem freien
Markt.
Diese
Doppelrolle
kann
unter
Umständen
zu
einem
Interessenskonflikt mutieren.
1.2.5. Energiepolitik
Nach der freien Enzyklopädie Wikipedia zitiert, versteht man unter
Energiepolitik folgendes:
„Energiepolitik bezeichnet die Staatstätigkeit, die auf verbindliche
Regelungen des Systems der Aufbringung, Umwandlung, Verteilung und
Verwendung von Energie zielt. Im weiteren Sinne betrifft sie die Gesamtheit
der institutionellen Bedingungen, Kräfte und Bestrebungen, die darauf
gerichtet sind, gesellschaftlich verbindliche Entscheidungen über die
Struktur und Entwicklung der Bereitstellung, Verteilung und Verwendung
12
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
von
Energie
zu
treffen“
http://de.wikipedia.org/wiki/Energiepolitik; Abruf: 16.09.09).
(Wikipedia:
Diese Definition sieht als Hauptakteur für die Verteilung, Regulierung,
Aufbringung, Umwandlung und Verwendung mit bzw. von Energie den
Staat. Im Zuge der neoliberalen Wirtschaftsordnung, welche von der EU in
den letzen zwei Jahrzehnten vermehrt angestrebt wird, ist das nicht immer
der Fall. Der Staat (im Sinne einer normativen Institution) gibt im Bereich
der Energiepolitik immer mehr Kompetenzen an die Wirtschaft ab und tritt
fast nur mehr in der Rolle als „Nachtwächterstaat“1 auf.
In folgender Definition wird die Energiepolitik bereits klar als „Teil der
allgemeinen
Wirtschaftspolitik“
proklamiert
und
„als
Ziel
staatlicher
Energiepolitik wird eine möglichst sichere, preiswerte Energieversorgung der
Volkswirtschaft
durch
bestmöglichem
Schutz
die
günstigste
der
Nutzung
Umwelt
der
angesehen“
Energieträger
(Homepage
bei
BpB:
Energiepolitik, Abruf am: 15.09.09).
Aus Sicht der Wirtschaftsfraktion sollte der Staat in der Energiepolitik also
günstige Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstreibenden schaffen.
Der Konsument und damit der Bürger möchte seine Energie ebenfalls zu
einem günstigen Preis geliefert bekommen und die Versorgungssicherheit
sollte gewährleistet sein.
Die Umweltfraktion hingegen verlangt vom Staat eine Beschränkung der
Energieausbeutung durch die Wirtschaft und Gesellschaft und stellt den
Schutz der Umwelt bzw. den nachhaltigen Ressourcenumgang an die erste
Stelle.
Diese starke Vernetzung der Energiepolitik mit anderen Politikfeldern wird
auch aus folgender Definition im „Wörterbuch zur Politik“ klar ersichtlich,
wenn die Energiepolitik als „sektorale Strukturpolitik und insbesondere ein
Bestandteil der Wirtschaftspolitik mit Querverbindungen vor allem zur
1
Die von Ferdinand Lassalle (1825–1864) proklamierte Theorie des Nachtwächterstaates sieht den
Rückzug des Staates (Laissez-faire) aus vielen ursprünglich staatseigenen Tätigkeiten vor, um der
Dynamik des Marktes freien Lauf zu lassen. Die Aufgabe des Staates soll sich auf die Gewährung der
inneren und äußeren Sicherheit beschränken, deshalb auch der polemische Ausdruck Nachtwächter.
13
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Forschungs-
und
Entwicklungspolitik,
zur
Technologiepolitik
und
zur
Umweltpolitik“, bezeichnet wird (Schmidt 2004, 191).
Explizit erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch, die vor
allem in den letzten Jahrzehnten gestiegene Bedeutung der Energiepolitik
im Rahmen der Klimapolitik. Die Bewusstseinswerdung der Verknappung
von fossilen Energieträgern und in dessen Folge die aktuelle Energiekrise,
die Reduzierung von CO2 Emissionen und die neusten Entwicklungs- und
Forschungsergebnisse
im
Bereich
erneuerbare
Energien
stellt
die
Energiepolitik auf allen Ebenen vor neue Aufgaben, Herausforderungen und
Zielsetzungen.
1.3. Unternehmensstrukturen der EVU
1.3.1. Das öffentliche Unternehmen
Im Arbeitsdokument „Öffentliche Unternehmen und Versorgungswirtschaft
in der europäischen Union“ des EU-Parlaments wird darauf hingewiesen,
dass innerhalb der Transparenzrichtlinie 80/723 vom 25.06.1980 ein
öffentliches Unternehmen dann als solches gilt, wenn „die öffentliche Hand
aufgrund
Eigentums,
finanzieller
Beteiligung,
Satzung
oder
sonstiger
Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar
oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann" (Europäisches
Parlament 1996, 12).
Das
„öffentliche“
verbunden
ist
ist
mit
in
der
erster
Linie
Vorstellung,
die
dass
Eigentümerstruktur,
über
das
welche
Eigentum
eine
Instrumentalisierung im Sinn einer öffentlichen Aufgabenwahrnehmung
erfolgt.
Dadurch
können
öffentliche
Unternehmen
als
spezifische
Organisationsformen der öffentlichen Hand angesehen werden. Sie stellen
somit dezentralisierte Träger öffentlicher Aufgaben dar, die sich im
Eigentum
von
Gebietskörperschaften
befinden
Wirtschaftslexikon
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/oeffentlicheunternehmen.html; Abruf am: 25.01.2010).
14
(vgl.
Gabler
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Ausschlaggebend ist auch die Erfüllung eines öffentlichen Zweckes innerhalb
eines Rechtsstaates. Dieser kann entweder von direktem Charakter sein und
zwar mittels Erfüllung von Aufgaben, die im direkten Aufgabengebiet der
öffentlichen Hand liegen wie z.B. Entwicklungshilfe oder Sozialer Wohnbau.
Indirekt können öffentliche Unternehmen agieren, indem sie zur öffentlichen
Mittelbeschaffung genutzt werden. Sie arbeiten am Markt und die Gewinne
aus ihrer Tätigkeit fließen in die öffentliche Körperschaft zurück, so z.B.
durch die Beteiligung bei den EVU (vgl. Andersen 2003, Abruf am:
25.01.10).
Durch die EU-Regelungen im Bereich des Binnenmarktes wird auf die
öffentlichen Unternehmen verstärkt Druck ausgeübt. Der Wettbewerb
innerhalb des Marktes erfordert mehr Flexibilität und dies kann durch ein
reines Staatsunternehmen heute nicht mehr gewährleistet werden. Das ist
auch der Grund, warum überall in Europa verstärkt Umwandlungsprozesse
von
ehemaligen
Staatsbetrieben
zu
privatwirtschaftlich
organisierten
Aktiengesellschaften stattfinden (ebd.).
1.3.2. Formen von EVU
Ein EVU kann in unterschiedlichster Form organisiert sein. Es existieren
dezentral
angesiedelte
Kleinstproduzenten,
die
entweder
eine
Inselversorgung tätigen bzw. für den Eigengebrauch produzieren. Diese sind
zumeist
privatwirtschaftlich
organisiert
und
sind
entweder
Einzelunternehmen oder in Genossenschaften zusammengeschlossen, um
mit Hilfe eines kleinen Wasserkraftwerks oder von Photovoltaikanlagen
Energie
dezentral
für
den
Eigengebrauch
zu
produzieren
oder
die
Überschussenergie ins allgemeine Netz einzuspeisen.
Eine weitere Form sind die kommunalen EVU. Diese sind vor allem aus
Eigeninitiativen von einzelnen Städten oder Dörfern heraus entstanden, die
entweder geographisch so ungünstig liegen, dass es sich für größere
Versorgungsunternehmen als unrentabel erwiesen hat dieses Gebiet zu
versorgen, oder aber man wollte aus ideellen oder strukturellen Gründen
eine eigenständige Energieversorgung aufbauen um den Bürgern eine
15
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
günstige
und
lokale
Energieversorgung
zu
ermöglichen.
Solche
Unternehmen wären z.B. die Etschwerke AG, welche die beiden Städte
Bozen und Meran versorgen; die IKB AG, die so genannte Innsbrucker
Kommunalbetriebe AG, die nicht nur für die Energieversorgung, sondern
auch für die Müllentsorgung und die Öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt
Innsbruck zuständig ist; die Stadtwerke Brixen und Bruneck; sowie z.B. die
Energiewerk Prad Genossenschaft, welche als Visionäres Unternehmen im
Bereich dezentrale Energieversorgung aus Erneuerbare Energien (EE) gilt.
Wenn man sich die Eigentümerstruktur dieser kleineren EVU betrachtet,
stellt man fest, dass sie weniger oft in Form einer Aktiengesellschaft (AG)
auftreten, als durch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder
vielfach in Form von Genossenschaft mit beschränkter Haftung (Gen.mbH)
gegründet worden sind.
Zwischen der kommunalen Ebene und den Großkonzernen haben sich die so
genannten „Landesgesellschaften“ etabliert. Diese befinden sich strategisch
gesehen zwischen den kommunalen Betrieben und den Großkonzernen. Sie
sind als Aktiengesellschaften formiert und versuchen sich innerhalb des
liberalisierten Marktes ihren Platz in der Regionalversorgung zu erhalten
bzw. zu etablieren. Im Bereich der Produktion versuchen sich diese AGs auf
dem Markt der transnationalen Konzerne zu behaupten bzw. auch zu
kooperieren, um an den großen europäischen Strombörsen mitmischen zu
können. Beispiele für solche regionalen Energieversorger sind die TIWAG in
Tirol und die SEL AG als relativ junges Beispiel in Südtirol.
Schließlich gibt es die großen, auf nationaler bzw. europäischer Ebene
operierenden EVU, die entweder privatwirtschaftlich oder halb-öffentlich
organisiert sind. Dabei handelt es sich meist um Energiekonzerne, die aus
ehemals verstaatlichten Monopolbetrieben heraus entstanden sind und ihr
Tätigkeitsfeld weit über nationalstaatliche Grenzen hinaus organisieren.
Solche Betriebe sind vor allem die ENEL SPA in Italien, die EDF in
Frankreich, die EON in Deutschland u.v.m. Diese Unternehmen treten fast
ausschließlich in Form von Aktiengesellschaften auf, deren Aktien sowohl an
16
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
der Börse notieren bzw. deren Eigentümer wiederum andere Großkonzerne
sind. Vor allem für diese Großkonzerne bringt der liberalisierten Strom- und
Gasmarkt in der EU große Vorteile mit sich.
1.3.3. Aktiengesellschaft
Eine Aktiengesellschaft, kurz AG, ist eine privatrechtliche Vereinigung,
welche sowohl eine rein privatwirtschaftliche, rein öffentliche oder halböffentliche Eigentümerstruktur aufweisen kann. Es handelt sich um eine
Kapitalgesellschaft, deren Kapital in Aktien gesplittet ist. Die Gesellschafter,
die Aktien besitzen, sind die Gesellschafter bzw. Aktionäre. Die Aktien
können an der Börse gehandelt werden, dann handelt es sich um eine
Börsennotierende AG, oder, wenn die Aktien nicht auf der Börse gehandelt
werden, um eine nicht Börsennotierende AG.
Grundsätzlich verfolgt eine AG den Zweck der Vermögensvereinigung und
Vermögensvermehrung
durch
die
kapitalgesellschaftliche
Konzeption.
Aktiengesellschaften können sich durch Ausgabe neuer Aktien oder durch
die Anleihen (Schuldverschreiben) leichter neues Kapital beschaffen, als
dies bei vielen anderen Unternehmensformen der Fall ist. Deshalb wird die
Form der AG häufig von Großunternehmen bzw. Unternehmen, die sich
innerhalb eines schnell wachsenden Wirtschaftszweigs befinden, gewählt
(vgl.
Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aktiengesellschaft;
Abruf:
15.01.10).
Das italienische Zivilgesetzbuch (Codice Civile) bzw. auch das Bürgerliche
Gesetzbuch in Österreich geben ein genau geregeltes Prozedere für die
Gründung und das Betreiben einer Aktiengesellschaft vor. Zwischen den
einzelnen
europäischen
Staaten
gibt
es
geringfügige
Abweichungen
innerhalb der Gründungsinhalte, Anzahl der Verwalter, Mindestkapital bei
der Gründung usw. So liegt z.B. das Mindestkapital zur Gründung einer AG
in Italien bei 120.000 Euro und in Österreich z.B. nur bei 70.000 Euro (vgl.
Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aktiengesellschaft;
15.01.10).
17
Abruf:
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Um diese zivilrechtlichen Inhalte langfristig gesehen zu harmonisieren, hat
die Europäische Union in der EG-Verordnung 2157/2001 über das Statut der
Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001 beschlossen, die
Gründung einer europäischen Aktiengesellschaft (societas europaea) zu
ermöglichen,
welche
nach
einheitlichen
gesetzlichen
Regelungen
funktioniert. Dazu heißt es in Art.1 wörtlich:
„Voraussetzung für die Verwirklichung des Binnenmarkts und für die damit
angestrebte Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der
gesamten Gemeinschaft ist außer der Beseitigung der Handelshemmnisse
eine gemeinschaftsweite Reorganisation der Produktionsfaktoren. Dazu ist
es unerlässlich, dass die Unternehmen, deren Tätigkeit sich nicht auf die
Befriedigung rein örtlicher Bedürfnisse beschränkt, die Neuordnung der
Tätigkeiten auf Gemeinschaftsebene planen und betreiben können“
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 10.11.2001, 1).
Die Verordnung ist nach einer Übergangsfrist von drei Jahren am 8. Oktober
2004 in Kraft getreten und ist unmittelbar geltendes Recht, d.h. die
Verordnung musste nicht gesondert von den Mitgliedsstaaten in nationales
Recht umgewandelt werden.
1.3.4. Genossenschaft
Eine Genossenschaft ist
„ein Zusammenschluss von natürlichen und juristischen Personen
(Personenvereinigung), die sich gemeinsam unternehmerisch betätigen
(genossenschaftlicher
Geschäftsbetrieb).
Die
genossenschaftliche
Organisationsform, deren Charakter mit den Prinzipien Mitgliederförderung,
Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung (sog. S-Prinzipien)
und
Identitätsprinzip
(Identität
von
Entscheidungsträgern,
Geschäftspartnern und Kapitalgebern) umschrieben werden kann, ist ein
Zusammenschluss von Personen, die gleiche oder ähnliche wirtschaftliche,
soziale oder kulturelle Interessen gemeinsam verfolgen“ (Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaft; Abruf 18.10.09).
Die Autonome Provinz Bozen führt eine eigene Abteilung, die sich unter
anderem mit dem Genossenschaftswesen beschäftigt. Auf der Homepage
der Abteilung für Innovation, Forschung, Entwicklung und Genossenschaften
findet man unter der Rubrik: „Was ist eine Genossenschaft?“ folgende
Zweckbestimmung für die Genossenschaften. Das Ziel einer Genossenschaft
ist im Gegensatz zu einer AG nicht die Gewinnmaximierung, sondern den
18
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
eigenen Mitgliedern Güter, Dienstleistungen und Arbeitsmöglichkeiten zu
vorteilhafteren Bedingungen als die auf dem Markt zu beschaffen. Ein
weiterer
Unterschied
besteht
darin,
dass
das
gebildete
Vermögen
größtenteils unteilbar ist, d.h. es wird ausschließlich für die Investitionen
der
Genossenschaft
verwendet
oder
an
die
neue
Generation
von
Genossenschaftsmitgliedern weitergegeben. Im Zentrum der Tätigkeit steht
also die bestmögliche Abdeckung der Bedürfnisse der Mitglieder (Homepage
AIFEG:
http://www.provinz.bz.it/innovation/genossenschaften/genossenschaftengrundwissen.asp; Abruf: 29.12.09).
Der Zusammenschluss zu Genossenschaften geht zurück bis ins Altertum.
Bereits
damals
gab
es
Religionsgemeinschaften
Bündnisse,
in
denen
genossenschaftlich
sich
Gemeinden
vereinigten.
Der
für
oder
den
deutschsprachigen Raum bekannteste Gründer einer Genossenschaft ist
Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Er rief 1847 in Weyerbusch den ersten
Hilfsverein zur Unterstützung der Not leidenden ländlichen Bevölkerung ins
Leben.
Schließlich
Darlehnskassenverein,
Raiffeisen'schen
gründete
der
heute
Sinne
er
1862
als
die
verstanden
erste
wird
den
Heddesdorfer
Genossenschaft
(vgl.
im
Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaft; Abruf: 18.01.10). Auch die in
Deutschland,
Österreich
und
Südtirol
heute
noch
bekannten
Raiffeisenbanken gehen auf die Grundidee des Friedrich W. Raiffeisen
zurück.
Ähnlich wie bei den Aktiengesellschaften wurde auch in Bezug auf die
Genossenschaften versucht eine Harmonisierung in die verschiedenen
Rechtsinhalte der einzelnen europäischen Staaten zu bringen. Ein weiteres
Ziel war die Aufwertung der Genossenschaft als Unternehmensform auf
europäischer Ebene zu erwirken. Dies geschah mittels der EG-Verordnung
Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der
Europäischen
Genossenschaft
(SCE).
Die
Möglichkeit
zur
effektiven
Gründung einer solchen europäischen Genossenschaft besteht seit dem 18.
August 2006.
19
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
Hier wird es erstmals möglich eine über die nationalstaatlichen Grenzen
hinaus
operierende
Genossenschaft
zu
gründen.
Diese
Maßnahme
ermöglicht es Genossenschaften globaler zu agieren und ihren Ruf als rein
kommunale Unternehmensform abzulegen. Man hört hier häufig kritische
Stimmen, die eine Abkehr der Genossenschaften von ihrer klassischen Form
als
Selbsthilfeorganisation
und
Solidargemeinschaft
von
Arbeitern,
Angestellten und Beamten befürchten.
Die EU-Kommission war der Auffassung, dass nachdem die EG-Verordnung
in Kraft getreten ist, die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zu treffen hätten,
damit die einschlägige Verordnung und die Richtlinie 2003/72/EG des Rates
vom
22.
Juli
2003
zur
Ergänzung
des
Statuts
der
Europäischen
Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer wirksam
werden. Dies ist nach Ansicht der Kommission für die nationalen Behörden
und die betroffenen Gruppen eine gute Gelegenheit, um gleichzeitig darauf
hinzuwirken, dass das Genossenschaftsrecht verbessert wird und dass die
Rahmenbedingungen für die Gründung von Genossenschaften günstiger
werden. Außerdem sei das Potenzial der Genossenschaften bisher nicht voll
genutzt worden und das Image auf nationaler und auf europäischer Ebene
könnte dadurch zunehmend verbessert werden (vgl. EU-Kommission KOM
(2004) Nr.18, 5).
Weiters sieht die Kommission in der Unternehmensform der Genossenschaft
drei (vgl. ebd., 6-7) wesentliche Vorteile und zwar:
•
Genossenschaften
können
zur
Stärkung
der
Marktposition
von
kleineren und mittleren Unternehmen beitragen. Es gelingt den
Genossenschaften
vermehrt
in
den
Genuss
von
Vorteilen
zu
gelangen, die normalerweise nur den Großkonzernen vorbehalten
sind. Dies gilt vor allem in Bezug auf den Marktzugang, die
Marktposition
als
Ein-
Führungskräftepotenzials,
Forschungskapazität.
Die
oder
Verkäufer,
die
die
Fortbildung
genossenschaftliche
20
Entwicklung
und
des
die
Unternehmensform
Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik
bietet Unternehmen die Möglichkeit, gemeinsam tätig zu werden und
Risiken zu teilen, ohne deswegen ihre Eigenständigkeit zu verlieren.
•
Genossenschaften können qualitativ hochwertige Dienstleistungen
bereitstellen. Der Dienstleistungssektor ist ein bedeutender Faktor
innerhalb der EU und es benötigt zunehmend Unternehmen, die ihren
Kunden
qualitativ
hochwertige
und
maßgeschneiderte
Dienstleistungen anbieten können. Bei einer genossenschaftlichen
Unternehmensstruktur können die Nutzer der von der Genossenschaft
erbrachten Dienstleistungen, da sie gleichzeitig die Mitglieder der
Genossenschaft sind, das Unternehmen, das Dienstleistungen für sie
erbringt, beeinflussen, d. h. sie können dafür sorgen, dass dieses
Unternehmen
tatsächlich
ihren
Bedarf
deckt.
Genossenschaften
können oft Dienstleistungen für Bevölkerungsgruppen erbringen, die
sonst keinen Zugang zu diesen Dienstleistungen hätten, da deren
Bereitstellung für gewinnorientierte Unternehmen nicht attraktiv ist.
Dies gilt z.B. für die Verteilung von Stromkunden in entlegenen
Ortschaften oder Gehöften.
•
Genossenschaften leisten einen Beitrag zum Aufbau einer auf Wissen
basierten Gesellschaft. Viele Genossenschaften sind Unternehmen, in
denen die Mitglieder als die Nutzer tatsächlich auch auf ManagementEntscheidungen Einfluss nehmen können. Die partizipatorischen
Leitungsstrukturen von Genossenschaften ermöglichen das Entstehen
der immateriellen Werte Know-how und Qualifikationen.
21
Energiepolitik in Südtirol
2. Energiepolitik in Südtirol
Das Konzept einer aktiven regionalen Energiepolitik stellt die politischen
Entscheidungsträger
vor
ein
mannigfaltiges
Spektrum
an
Entscheidungsmöglichkeiten. Die energiegeschichtliche Entwicklung dieser
italienischen Provinz wird in den einzelnen Teilen dieses Kapitels immer
wieder angeführt. Im ersten Teil gilt es die Energieversorgung und –
produktion anhand der statistischen Daten aufzuzeigen, um die gegebenen
Potentiale zu erkennen und mit denen Tirols vergleichen zu können. Im
nächsten
Moment
gilt
es
die
gesetzlichen
Rahmenbedingungen
zu
untersuchen, in welchen die Energiepolitik eingebettet ist. Im Anschluss
wird
die
Wasserkraft,
die
präsentiert,
um
eingehend
bedeutendste
die
Energiequelle
jeweiligen
Potenziale
Gesamttirols,
und
Risiken
aufzuzeigen.
2.1. Energiesituation
2.1.1. Versorgung
Bevor es im Zuge der Industrialisierung und Elektrifizierung zur Entstehung
von Netzgebundener Energie kam, standen in den regionalen Berggebieten,
wie es Südtirol darstellt, nur jene Energieträger zur Verfügung, die es in
unmittelbarer Umgebung gab. Man behalf sich also vorwiegend mit der
Nutzung von Holz für die Erwärmung von Haus und Wasser. Für die
Beleuchtung nutzte man das Licht von Kerzen und später durch die
Erschließung der ersten Ölfelder im Nahen Osten im Jahr 1850 auch
Öllampen (Radius 07/2008, 6).
Mit Beginn der Elektrifizierung2 gewann Südtirol mit seiner natürlichen
Ressource „Wasser“ jedoch sehr rasch an Bedeutung für den Energiesektor
2
Das Jahr 1882 steht für den Beginn des „elektrischen Zeitalters“ in Italien. Das „Komitee für die
Anwendung des elektrischen Systems nach Edison“ stellte zu diesem Zeitpunkt die erste Glühbirne in der
Mailänder Scala vor. Im darauf folgenden Jahr wurde bereits das erste Stromnetz in der Umgebung des
Mailänder Doms installiert (Agenda Energetica Consorziale 1998, 6).
22
Energiepolitik in Südtirol
und das nicht nur auf regionaler, sondern im Zuge des Faschismus auch auf
nationaler Ebene.
In Südtirol waren es vor allem die Pioniere Ludwig Gröbmer aus Gossensaß
und
Josef
Beikircher
aus
Mühlen
in
Taufers,
die
in
Eigenregie
Kleinkraftwerke zur Stromproduktion entwickelten (Mitterer 2004, 95);
(Ingram, Beikircher 15/2008, 33-34). Im Jahre 1897 folgten dann die
Gemeinden Bozen und Meran mit der Eröffnung des Kraftwerks „Auf der
Töll“, das vom gemeinsam gegründeten Unternehmen ETSCHWERKE (später
AEC-EW und dann AE-EW) geführt wurde. 1900 und 1912 folgten dann
weitere, kleinere Kraftwerke im ganzen Land. In diesem Zeitraum wird auch
das Elektrizitätswerk im Schnalstal in Betrieb genommen. Dadurch wurde es
erstmals möglich auch den gesamten ländlichen Bereich zu elektrifizieren
(Radius 07/2008, 6).
Man kann also durchaus sagen, dass die Wasserkraft zu den wichtigsten
Energiequellen in Südtirol zählt. Dies ist vor allem positiv, weil es sich
hierbei um eine regenerative Energiequelle handelt, die anders als die
fossilen Rohstoffe „unendlich“ vorhanden ist.
Der Gesamtenergieverbrauch nach Energieträgern (ohne Verkehr) lag im
Jahre 1993 in Südtirol noch bei 6.8 Mrd. kWh. Bei einer Einwohnerzahl von
446.621 Personen entsprach der jährliche Pro-Kopf Verbrauch 15.400 kWh
(Schönweger 2004, 42). Im Vergleich dazu stieg der Endenergieverbrauch
im
Jahr
20073
auf
8.3
Mrd.
kWh
(ohne
Verkehr)
an.
Bei
einer
Bevölkerungsanzahl von 491.266 Personen am 31.12.2007 bedeutet das
einen durchschnittlichen pro Kopf Jahresverbrauch von 16.895 kWh. Die
steigende Tendenz beim Energieverbrauch ist klar ersichtlich.
Die Staffelung der einzelnen Energieträger des Endenergieverbrauchs in
Südtirol von 2007:
Erdölprodukte
1.1
Mrd. kWh
Erdgas
3
Mrd. kWh
Strom
2.8
Mrd. kWh
Holz
1.2
Mrd. kWh
3
lt. Amt für Energieeinsparung die aktuellste Erhebung des Gesamtenergieverbrauchs nach
Energieträgern ohne Verkehr in Südtirol
23
Energiepolitik in Südtirol
sonst. EE
0.2
Mrd. kWh
Diese Zahlen zeigen bereits klar auf, dass nicht nur in globaler Hinsicht,
sondern auch auf Südtirol bezogen der Anteil an fossilen Energieträgern am
Primärenergieverbrauch, immer noch enorm hoch ist. Knapp die Hälfte des
Verbrauchs deckt sich durch fossile Energiederivate. Nimmt man den
Gesamtenergieverbrauch (inkl. Verkehr 20054) zum Vergleich, dann stellt
man fest, dass der Fossilanteil sogar noch um einiges höher ist und zwar
betrug dieser 68%. Die einzelnen Posten dabei sind: 12% Erdölbrennstoffe,
26% Erdgas, 19% Diesel und 11% Benzin (vgl. ARGE ALP 2009).
Abb.1 Gesamtenergieverbrauch in Südtirol nach
Energieträgern im Jahr 2005
100%
4%
3%
1%
80%
24%
11%
60%
19%
40%
26%
20%
12%
0%
Erdölbrennstoffe
Erdgas
Diesel
Benzin
Strom
Fernwärme
Holz
div. Erneuerbare Energien
Quelle: ARGE ALP 2009, 7 (Eigene Darstellung)
Die fossilen Energieträger, Erdöl und Erdgas sind mit einem 38% Anteil am
Primärenergieverbrauch,
zum
jetzigen
Zeitpunkt
immer
noch
die
wichtigsten Energieträger in Südtirol.
Der ebenso hohe Anteil von insgesamt 30% an Mineralölprodukten (Benzin
und Diesel) zeigt, dass knapp 1/3 der konsumierten Energieträger auf den
Bereich Mobilität und Verkehr entfällt.
Aus der graphischen Darstellung ist weiters ersichtlich, dass knapp ¼ (24%
Strom) des Energieverbrauchs durch Strom gedeckt ist und rund 8% am
4
lt. Amt für Energieeinsparung die aktuellste Erhebung des Gesamtenergieverbrauchs (inkl. Verkehr) in
Südtirol
24
Energiepolitik in Südtirol
Gesamtenergieverbrauch aus rein erneuerbaren Energiequellen bezogen
wird (Fernwärme, Holz und diverse erneuerbare Energien).
Daraus lässt sich bereits erkennen, dass der Anteil an erneuerbaren
Energien in Südtirol (inklusive Strom, aber ohne Verkehr) bereits enorm
hoch ist. Dies bestätigt auch Landesrat Michl Laimer, wenn er sagt:
„Unser Ziel in Südtirol ist, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nach
und nach zu reduzieren und durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen.
Damit nimmt Südtirol in der Nutzung erneuerbarer Energien nicht nur eine
Vorreiterrolle in Italien, sondern auch eine Spitzenposition in Europa ein“
(Pichler 08/2008, 72).
Abb.2 Energieversorgung Südtirols ohne Verkehr 2009
Quelle: Rainer, 21.05.2010
In Südtirol werden bereits 56% (ohne Verkehr) des Energieverbrauchs aus
EE gedeckt und lediglich 44% sind noch durch Erdöl oder Erdgas gedeckt.
Im Vergleich dazu zeigen die europäischen Zahlen ein ganz anderes Bild.
Der
europäische
Durchschnitt
an
Erneuerbaren
Energien
(EE)
am
Gesamtverbrauch lag 2009 lediglich bei 6,5% was die Südtirolzahlen als
durchwegs vorbildhaft erscheinen lassen. Allerdings muss hinzugefügt
werden, dass die Klima- und Energieagenda der EU darauf abzielt, diesen
Anteil bis 2020 auf 20% zu steigern (EU-Kommission KOM (2007) Nr.140,
6).
Durch diesen doch recht breit gefächerten Energiemix in Südtirol besteht
eine relativ hohe Versorgungsdichte bzw. -sicherheit. Durch den geplanten
Ausbau der regenerativen Energiequellen soll ein Prozess stattfinden von
der Versorgungssicherheit hin zur Energieautonomie im Jahr 2020 (Radius
01/2009, 6).
25
Energiepolitik in Südtirol
2.1.2. Produktion
Die in Südtirol produzierte Energie stammt zu 100% aus erneuerbaren
Energieträgern. 29% der in Südtirol produzierten Energie stammt aus
Wasserkraft und 19% stammen aus Biomasse. Die restlichen 52% verteilen
sich vor allem auf thermische Solaranlagen, Windkraft, Biogasanlagen,
Geothermie und Photovoltaikanlagen. Landesrat Michl Laimer sagt dazu:
„Wir wollen über die Grenzen hinaus zu einem Musterland in Sachen
nachhaltiger Energieerzeugung und technologischem Know-how werden“
(Pichler 08/2008, 73).
Wasserkraft
Wie wir festgestellt haben, ist die größte und damit auch bedeutendste
Energiequelle in Südtirol die Wasserkraft. Aus ihr erfolgt die Nutzung für die
Stromproduktion. Heute existieren in Südtirol 29 Großwasserkraftwerke,
(über 3.000 kW Leistung) 96 Kleinwasserkraftwerke (von 220-3000 kW
Leistung) und 725 Kleinstwasserkraftwerke (mit einer Leistung von bis 220
kW) (Radius 07/2008, 7).
Der in Südtirol produzierte Strom stammt zu 98,8% aus der Wasserkraft.
Dies ist durchwegs positiv zu bewerten, weil die Wasserkraft eine regional
nutzbare und „saubere“ Energiequelle darstellt.
Im Jahre 2008 wurden in Südtirol 5.488,6 Mio. KWh Strom erzeugt und
lediglich 2.896,7 Mio. KWh verbraucht. Dies bedeutet, dass Südtirol nur
knapp die Hälfte des produzierten Stroms selbst benötigt. und damit ein
Energienettoexporteur
ist
(vgl.
ASTAT
2009,
3);
(ASTAT:
http://www.provinz.bz.it/astat/de/landwirtschaft-umwelt/umwelt-raum.asp;
Abruf am: 10.05.10).
Seit
Ende
der
80er
Jahren
fand
in
Südtirol
ein
verstärktes
Energiesparverständnis und in dessen Folge eine verstärkte Nutzung von
regenerativen Energiequellen statt. Im Zuge dieser Entwicklung begann
man
sich
verstärkt
beschäftigen
eingebrochen.
und
Nach
mit
das
neuen
Zeitalter
Angaben
des
Formen
der
der
Energiegewinnung
erneuerbaren
Amtes
für
Energien
Energieeinsparung
zu
war
der
Autonomen Provinz Bozen lag der Anteil regenerativer Energieträger in den
Bereichen Strom und Wärme in Südtirol im Jahr 2009 bei 56 % und dieser
26
Energiepolitik in Südtirol
Anteil soll bis zum Jahre 2020 auf 100 % ausgedehnt werden. Im Folgenden
werden die wichtigsten Formen der „neuen“ Energien näher beschrieben.
Biomasse und Biogas
„Grundlage für den Betrieb einer Biogasanlage bildet die überwiegend
innerhalb
des
landwirtschaftlichen
Produktionsprozesses
anfallende
Biomasse, wie Festmist und Gülle aller Tierarten bzw. nachwachsende
Rohstoffe wie z.B. Silagen oder Mähgut“ (Broschüre SEL AG 1, 2). Biomasse
ist also alles, was von Lebewesen und Pflanzen an organischer Substanz
entfällt und in Form von Vergärung für die Produktion von Wärme und
Strom genutzt wird. Als organische Substanz gilt in erster Linie der Kot der
Tiere, der in den Anlagen als Biogas genutzt wird. Die Pflanzen bzw.
Pflanzenreste werden zu Ethanol bzw. Biodiesel verarbeitet bzw. wir auch
immer häufiger auf den Naturrohstoff Holz zurückgegriffen, der in Form von
Hackschnitzel in Fernheizwerken zur Verwendung kommen.
Südtirol ist auf 42% der Landesfläche mit Wald bedeckt, was bedeutet, dass
der Rohstoff Holz vor allem zu Beginn der Biomasseheizwerke der wichtigste
Grundstoff war. Die ersten Fernheizwerke, die aus Hackgut Wärme
produzierten, waren 1994 jene von Rasen/Antholz und jenes von Olang.
Mittlerweile gibt es in Südtirol 60 Fernheizwerke. Dank deren Einsatz konnte
innerhalb von 15 Jahren bereits die Hälfte an Heizöl eingespart werden
(Radius 01/2009, 7).
Die neusten Tendenzen zeigen, dass Biogasanlagen auf dem Vormarsch
sind. Im Jahre 2008 waren auf dem Gebiet der Provinz Bozen rund 30
dieser Anlagen in Betrieb. Es existieren 6 große Gemeinschaftsanlagen, 3
davon im Vinschgau, 2 im Pustertal und eine im Unterland (Gemeinde
Aldein), jedoch handelt es sich beim Großteil der Anlagen eher um
Einzelanlagen auf Höfen mit einer Anzahl von durchschnittlich unter 35
Großvieheinheiten
(Homepage
Abt.
Landwirtschaft:
http://www.provincia.bz.it/landwirtschaft; Abruf am: 09.11.09). Die Pflege
und Erhaltung der Berglandwirtschaft ist für Südtirol von fundamentaler
Bedeutung. In Zeiten von Dumping-Milchpreisen und Fleischskandalen ist
der Trend aus der heimischen Landwirtschaft, die Gülle bzw. den Festmist
der GVE in einer dementsprechenden Anlage als Biogas nutzbar zu machen,
27
Energiepolitik in Südtirol
ein wichtiges Nebeneinkommen für die Bergbauern. Außerdem hilft die
Verwendung der Gülle für die Anlagen einen wichtigen Beitrag zum
Umweltschutz zu leisten, denn durch die kontrollierte Vergärung wurden im
Jahr 2007 rund 930 Tonnen Methan und 9.300 Tonnen CO2 weniger in die
Atmosphäre freigegeben (ebd.).
Solarenergie
Die Nutzung der Sonne als Energiequelle gilt als die regenerativste Form der
Energienutzung, da diese unbegrenzt vorhanden ist5 und ihre Ausbeutung
keinerlei
aktiven
Schaden
anrichtet.
Natürlich
darf
man
die
kulturlandschaftlichen Veränderungen durch die Anbringung von Paneelen
nicht außer Acht lassen, jedoch kann man sagen, dass der Nutzen durchaus
größer ist als der Schaden.
Seit Anfang der 80er Jahre wurden in Südtirol verstärkt Fördermaßnahmen
zur Nutzung der Sonnenenergie vorgenommen und diese Maßnahmen
zeigen bis heute große Wirkung. Im Jahr 2009 gab es in Südtirol 18.120
geförderte Solaranlagen; das entspricht 198.585 m2 an solarthermischen
Kollektoren, die aus den Sonnenstrahlen die Erwärmung des Brauchwassers
bzw.
der
Heizungsluft
ermöglichen.
Die
produzierte
Gesamtleistung
entspricht 114.400 MWh. Ein Vergleich zeigt, dass auch im Bereich der
Solarthermie Südtirol eine Vorreiterrolle zukommt. Durch die bereits
vorhandenen Kollektorflächen hat Südtirol das EU Ziel für 2010 erreicht.
Zudem gibt es hier zu Lande im Verhältnis zur Bevölkerung bereits 41 m2
Sonnenkollektoren pro 100 Einwohner, wo hingegen der Anteil im restlichen
Italien bei nur 0,9 m2/pro 100 Einwohner liegt (Kosta 2008, 39-40). Damit
ist in Südtirol 40-mal mehr Fläche mit Kollektoren bedeckt als im
gesamtstaatlichen Durchschnitt.
Eine weitere Form der Aktivnutzung von Sonnenenergie, allerdings zur
Umwandlung in Strom, ist die so genannte Photovoltaikanlage. Physikalisch
gesehen können die Photone (Lichtteilchen) mit geeigneter Energie (= Licht
mit einer bestimmten Wellenlänge) in Halbleitern (z. B. Silizium) Elektronen
5
Dies ist vor allem für Südtirol interessant, weil das hier zu Lande vorherrschende submediterrane Klima
durchschnittlich an die 300 Sonnentage im Jahr beschert.
28
Energiepolitik in Südtirol
aus dem Atomverband zeitweise lösen und damit einen Stromfluss bewirken
(vgl.
Homepage
„energie-sparen.it“:
http://www.energie-
sparen.it/de/erneuerbareenergien/photovoltaik/photovoltaik.html;
Abruf:
10.11.09). Der Solarstrommarkt ist in Südtirol und auch im restlichen
Italien stark im Wachsen begriffen, weil einerseits die geographischen
Bedingungen
optimal
sind
und
andererseits
durch
Förderungen
der
öffentlichen Hand eine gute Ausgangslage geschaffen wurde. Dies zeigen
auch folgende Zahlen: wurde am 31.12.2006 noch 8.500 kW Leistung aus
PV-Anlagen in Südtirol gemessen, so war es am 31.12.2009 bereits eine
Leistung von 26.642 kW. Somit hat sich die Stromproduktionsmenge
innerhalb von 3 Jahren mehr als verdreifacht. Folgendes Diagramm zeigt,
dass die Vorreiterrolle auch im Bereich des Photovoltaikmarktes für Südtirol
gilt. Pro Einwohner wird hier zu Lande nämlich durchschnittlich 18,9 kWh
Strom
durch
PV
produziert.
Für
das
restliche
Italien
gilt
ein
durchschnittlicher Produktionswert von 3 kWh/pro Einwohner (Homepage
„energie-sparen.it“:
http://www.energie-
sparen.it/de/erneuerbareenergien/photovoltaik/photovoltaik-insuedtirol.html; Abruf:10.11.09).
29
Energiepolitik in Südtirol
Abb.3 Installierte Leistungen durch Photovoltaik pro Einwohner und
Provinz 2009
Quelle: Homepage „energie-sparen.it“: Photovoltaik in Südtirol 2009
Windenergie
Die bekanntesten und größten Windkrafträder wurden im Oktober 2003 auf
der Malser Haide in Betrieb genommen. Zuerst wurde von der Firma Leitner
lediglich ein Windrad für eine zweijährige Testphase installiert, jedoch kam
alsbald
ein
zweites
Windrad
hinzu
und
heute
produzieren
diese
durchschnittlich Strom für den Verbrauch von 600 Haushalten (Dolomiten:
30.11.07a, 33). Neben der Firma Leitner, die neben der Installation auch für
die Technologie und Wartung verantwortlich ist, beteiligt sich auch die
Gesellschaft
„Windkraft
Marein“,
die
aus
mehreren
Obervinschgauer
Gemeinden besteht, an den Windkrafträdern und an der Vermarktung des
produzierten Stroms (vgl. Dolomiten: 30.11.07b, 33).
Grundsätzlich ist die Nutzung der Windkraft eine lobenswerte Initiative,
jedoch spielt sie lediglich eine untergeordnete Rolle für den Südtiroler
Energiemix. Im Zeitraum von 1995 bis 2005 wurden in Südtirol nur 11
Windkraftanlagen errichten, von denen wiederum nur 3 größere Anlagen
sind
(vgl.
Homepage
„energie-sparen.it“:
http://www.energie-
sparen.it/de/erneuerbareenergien/windenergie/windenergie-insuedtirol.html; Abruf am: 10.11.09). Andere Regionen Italiens hingegen
sind gerade zu prädestiniert in die Windkraft zu investieren. So produzieren
30
Energiepolitik in Südtirol
Windparks in Süditalien insgesamt 3.736,47 MWh Strom im Jahr, damit
liegt Italien auf Platz 3 in Europa, nach Deutschland und Spanien. Vor allem
die vier Regionen Apulien (25,13%), Kampanien (22 %), Sardinien (19%)
und Sizilien (16%) tragen einen wesentlichen Teil dazu bei (WiKu 27.05.09,
10).
Geothermie
Geothermie ist die Wärme, die durch den flüssigen Kern der Erde, welcher
eine Temperatur von 6.000 Grad Celsius erreicht, entsteht und im Erdreich
gespeichert ist. Die Erdwärme gilt als die unabhängigste der regenerativen
Energiequellen,
vorhanden
ist.
weil
sie
Durch
unabhängig
neuste
von
Wetter
Technologien
ist
und
es
Klima
möglich
immer
diese
umweltschonende und klimafreundliche Energiequelle zu nutzen. Dafür gibt
es zwei Möglichkeiten. Einerseits kann heißes Wasser, das sich im Erdreich
befindet, an die Oberfläche gepumpt werden und durch so genannte
Wärmepumpen für die Beheizung von Gebäuden genutzt werden bzw. ist es
auch möglich Erdwärme für die Stromerzeugung zu nutzen (vgl. Homepage
„Das
Energieportal“:
http://www.das-
energieportal.de/startseite/geothermie/details-zu-geothermie/;
Abruf:11.11.09).
Zum gegebenen Zeitpunkt beschränkt sich die Nutzung der Geothermie in
Südtirol ausschließlich auf die oberflächennahen Geothermie zur Beheizung
und Kühlung von Wohn- und Industriegebäuden. Laut Verbraucherzentrale
muss man für die Anschaffung einer Heizanlage (inkl. Wärmepumpe) mit
einer Leistung von 15 kWh, (Versorgung eines Einfamilienhauses) mit
Anschaffungskosten von ca. 30.800 Euro (berechnet inkl. Landesbeitrag und
4%
Mwst.)
rechnen
(vgl.
Homepage
„Verbraucherzentrale
Südtirol“:
http://www.verbraucherzentrale.it/17v116d36763.html; Abruf: 11.09.09).
Es wird vom Hersteller zwar eine lange Lebensdauer garantiert, jedoch
könnten diese doch recht moderaten Anschaffungskosten, der Grund für das
Ausweichen auf günstigere Alternativen sein. Sollte es in Zukunft möglich
sein, diese Technologie zu marktkonformen Preisen anzubieten, wäre es
durchaus denkbar, dass die Geothermie stark an Bedeutung gewinnen
könnte. Eine Bereicherung im Energiemix Südtirols, wäre sie allemal.
31
Energiepolitik in Südtirol
H2 – Wasserstoff
Der Verbrauch von Benzin und Diesel beträgt in Südtirol an die 30% des
Gesamtenergieverbrauchs.
Dieser
enorm
hohe
Konsumwert
muss
in
Zukunft wesentlich verringert werden, um einerseits die globalen Klimaziele
erreichen zu können und um andererseits den Peak Oil6 nicht auszureizen.
Die Forschungsergebnisse und Innovationen der letzten Jahre bieten
ausreichend
Lösungsmöglichkeiten
für
das
Treibstoffproblem,
jedoch
werden meist aus Kostengründen keine politischen Maßnahmen verfolgt.
In
Italien
existieren
bereits
Fördermaßnahmen
im
Rahmen
von
Steuererleichterungen, beim Ankauf von Methangasautos und Hybridautos,
was als triviales Zeichen beim Abbau von CO2 Emissionen zu bewerten ist.
Das Land Südtirol setzt allerdings nicht nur auf diese passiven Maßnahmen,
sondern fördert seit dem 21.09.2009 auch aktiv ein Projekt, das in dieser
Form
in
Italien
einzigartig
ist.
In
einer
Kooperation
zwischen
der
Autobahngesellschaft A22 und dem Institut für Innovative Technologien
erfolgte am 21.09.2009 die Grundsteinlegung zum Projekt H2-Südtirol,
einem Wasserstoffzentrum, welches an der Autobahn A22 in Bozen Süd
realisiert wird.
Wasserstoff gilt als ein sekundärer Energieträger und wird in einer Anlage
wie sie eben hier gebaut wird, durch die Verwendung von Primärenergien
wie z.B. Strom aus Wasserkraft, aus dem Rohstoff Wasser in einem
chemischen Prozess in Wasserstoff umgewandelt. Dieser wird dann als
Treibstoff
für
Autos
mit
Wasserstofftechnologie
verwendet.
Für
den
Umwandlungsprozess könnte vor allem der Strom aus den Nachtstunden
verwendet werden, der reichlich vorhanden ist, aber auf dem Strommarkt
kaum Absatz findet. So würde die H2 Anlage aus einer regionalen Ressource
gespeist, die dadurch effektiver genützt würde und durch den produzierten
Wasserstoff könnte sowohl die Abhängigkeit von Erdölimporten als auch
eine Steigerung der lokalen Wertschöpfung erzielt werden (vgl. Homepage
“H2-Südtirol“:
http://www.h2-suedtirol.com/index.php?id=6;
Abruf:
29.11.09).
6
Erdölfördermenge erreicht wird und wonach die Produktion nie wieder dasselbe Niveau erreicht
(Produktionsspitze) und ab diesem Punkt nur noch weiter abnimmt. Pessimistische Fachleute sagen, dass
dieser Punkt bereits erreicht wurde.Unter dem energetischen Fachbegriff „Peak Oil“, verseht man den
Punkt, an dem die höchste
32
Energiepolitik in Südtirol
Es bleibt zu Hoffen, dass dieses auf ideologischen Grundlagen basierende
Projekt zukünftig auch von anderen europäischen Staaten aktiv gefördert
wird, damit durch den verstärkten Umstieg auf Wasserstoffautos eine
regere Nachfrage von Seiten der Autofahrer stattfindet und somit ein
effektiver sozioökonomischer bzw. umweltpolitischer Nutzen entstehen
kann.
2.2. Die Rahmenbedingungen
Um in einem politischen System eine operationale Energiepolitik zu
gewährleisten
ist
es
unabdingbar,
entsprechende
politische
Rahmenbedingungen zu setzen. Südtirol verpflichtet sich, einerseits an die
internationalen Abkommen wie z.B. das Kyoto-Protokoll zu halten, und
weiters die EU-Gesetze und –Richtlinien zu befolgen. Im Bereich der
Wirtschaftsförderungen
gilt
es
die
nationale
Gesetzgebung
zu
berücksichtigen. Vorteile zieht Südtirol vor allem durch die primäre
Gesetzgebungsbefugnis, die ihr durch das Zweite Autonomiestatut (1972)
zuerkannt wurde. Diese Zuständigkeit ist vor allem wichtig in den Bereichen
Raumordnung, Nutzung der öffentlichen Gewässer, sowie der jüngsten
Kompetenz in Sachen Großwasserableitung zur Erzeugung von Elektrischer
Energie und deren Verteilung.
Diese
Zuständigkeiten und in dessen Folge
die
Möglichkeiten einer
Förderung im Bereich der Privathaushalte ermöglicht es den politischen
Entscheidungsträgern verstärkt Maßnahmen zur Energieeffizienz und der
Nutzung erneuerbarer Energieträger zu setzen.
2.2.1.
Zur
Entwicklung
Rahmenbedingungen
Wie
bereits
erwähnt
ist
Südtirols
der
wichtigste
grundlegenden
Ressource
im
Bereich
Energieproduktion die Wasserkraft. Die Elektrifizierung bzw. die Nutzung
der Wasserkraft gestaltete sich unmittelbar durch private Eigeninitiativen
und
kommunale
Akteure.
Dies
änderte
sich
schlagartig
durch
den
Faschismus, der nicht nur aus politischer Sicht lange schwarze Schatten
über Südtirol warf, sondern auch im energiepolitischen Sinne.
33
Energiepolitik in Südtirol
Die
bestehenden
Großkonzernen
Kleinkraftwerke
übernommen
Gemeindegebiet
von
wurden
bzw.
Kardaun,
teilweise
neue
von
staatlichen
Großkraftwerke
Reschen/Graun)
projektiert,
(im
um
die
Versorgung der Oberitalienischen Industrien mit ausreichend Strom zu
garantieren (Radius 07/2008, 7).
Diese Ausbeutung gipfelte im Jahre 1962 mit der Gründung des staatlichen
Energiebetriebes ENEL. Die italienische Politik war davon überzeugt, dass
der wachsende Energiebedarf nur mit einem zentralistischen staatlichen
System
zu
gewährleisten
Verstaatlichung
der
sei
und
übertrug
Stromversorgung
die
so
im
Rahmen
der
existierenden
Anlagen
und
Versorgungsinfrastrukturen seinem staatlichen Unternehmen. Dabei wurde
dem ENEL per Gesetz das ausschließliche Recht übertragen, in Italien die
stromwirtschaftlichen Tätigkeiten auszuüben. Die Wasserkonzessionen für
große Kraftwerke und die Konzessionen für die Stromverteilung gingen
damit
auf
nationalstaatliche
jahrzehntelange
Ausbeutung
Ebene
der
über
heimischen
und
es
begann
Wasserressourcen
eine
durch
auswärtige Energiekonzerne (vgl. Wunderer 2006 http://www.altoadigesuedtirol.it/leitfaden/energie/wunderer.php; Abruf: 21.11.09).
Einige kleine Elektrizitätswerke, wie z.B. das Energiewerk Prad am Stilfser
Joch, blieben vor solchen Vereinnahmungen glücklicherweise verschont,
weil sie in den Augen des ENEL als unwirtschaftlich galten. Diese Situation
war ausschlaggebend dafür, dass die Gemeinde Prad eine dezentrale
Energieproduktion
und
eine
energiepolitisch
relativ
autonomen
Energieversorgung aufbauen konnte (vgl. ebd.).
Ein bekanntes Ereignis, in welchem sich klar der Protest der Südtiroler
gegen die anhaltende Italianisierung und die Ausbeutung der heimischen
Ressourcen durch die Verstaatlichung des Elektrizitätswesens äußerte, war
die so genannte „Feuernacht“. Durch die unzureichende Umsetzung des
Pariser Abkommens im Ersten Autonomiestatut von 1948, in welchem die
deutsche Sprache weiterhin der italienischen untergeordnet war bzw. es bei
der
Vergabe
öffentlicher
Stellen
eine
Bevorzugung
der
italienischen
Bewerber gab, bildeten sich ab dem Jahre 1956 kleinere Gruppierungen, die
versuchten ihre Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Eine dieser
34
Energiepolitik in Südtirol
Gruppierungen war der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) unter der
Leitung von Sepp Kerschbaumer. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni
1961 sprengte die BAS 37 Hochspannungsmasten (die von der Südtiroler
Bevölkerung als Sinnbild der faschistischen Ausbeutung wahrgenommen
wurden) und plante damit die Stromlieferung von den Elektrowerken und –
zentralen
an
die
oberitalienischen
Industrien
und
an
die
Bozner
Industriezone zu kappen. Ziel dieser Aktion war es, die Welt auf das
Südtirolproblem aufmerksam zu machen und durch das Lahmlegen der
Bozner Industriezone, einem weiteren Sinnbild der Italianisierung, auf die
anhaltenden Missstände im Land aufmerksam zu machen. Die Aktion
„Feuernacht“
schlug
allerdings
fehl
-
die
Aufmerksamkeit
der
Weltöffentlichkeit wurde den Südtirolern aber dennoch zu Teil. Im selben
Jahr noch beschäftigte sich die UNO mit dem Südtirolproblem und in der
Folge kam es zur Bildung der Neunzehnerkommission und der Ausarbeitung
des zweiten Autonomiestatuts (vgl. Steininger 2003, 82-83).
Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts, durch das Dekret des
Präsidenten der Republik (D.P.R) vom 31. August 1972, Nr. 670, wurden
der Region Trentino-Südtirol erstmals wieder Befugnisse im Energiebereich
zugestanden. Im Vereinheitlichten Text der Gesetze über das Sonderstatut
für Trentino-Südtirol wurde im 3. Kapitel Art. 9 festgelegt, dass die
Provinzen nunmehr auf dem Sachgebiet der „Nutzung der öffentlichen
Gewässer, mit Ausnahme der Großwasserableitungen zur Erzeugung von
elektrischer
Energie“
(Autonomiestatut
2006,
72)
in
konkurrierender
(sekundärer) Gesetzgebung, eine Zuständigkeit erhielten.
Im Wesentlichen bedeutete dies, dass nun wieder die Konzessionsvergabe
für Kleinkraftwerke in der Südtiroler Entscheidungskompetenz lag. Die
Wasserableitungen über 3.000 KW sollten noch im Kompetenzbereich des
Staates verbleiben. Den Autonomen Provinzen wurde im Art. 12, das Recht
„bis zur Abgabe der endgültigen Stellungnahme des Obersten Rates für
öffentliche Arbeiten jederzeit ihre Bemerkungen und Einsprüche vorzulegen“
eingeräumt (Autonomiestatut 2006, 73). Der Art.13 legt fest, dass die
primäre Entscheidungskompetenz beim Minister für öffentliche Arbeiten und
dem Minister für Industrie, Handel und Handwerk liegt, und die Provinzen,
35
Energiepolitik in Südtirol
auf deren Gebiet sich das Konzessionsansuchen befindet ihr Einverständnis
geben müssen (vgl. Autonomiestatut 2006, 74). Sollte die Provinz mit dem
Konzessions- bzw. Verlängerungsdekret nicht einverstanden sein, hat sie
das Recht, „beim Obersten Gericht für öffentliche Gewässer Beschwerde zu
erheben“ (Autonomiestatut 20006, 73). Das Recht der Einspruchnahme
bzw. der Beschwerde, kann als ein rein formales Mittel der Provinzen
gewertet werden, denn die Entscheidungskompetenz lag immer noch beim
Staat, der dies zur Not auch ohne das Einverständnis der Provinzen
durchsetzen konnte.
Die Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut mit dem D.P.R. vom
26. März 1977 Nr.235 eröffnete Südtirol einen weiteren Ausbau der
Entscheidungskompetenzen im Energiesektor. Das D.P.R. 235/1977 regelt
vor allem den Bereich Erzeugung und Verteilung von Energie. So heißt es in
Art.1 explizit: „Die Befugnisse auf dem Sachgebiet Energie gemäß Absatz 1
betreffen die Suche nach und die Erzeugung, Speicherung, Erhaltung, den
Transport und die Verteilung jedweder Art von Energie“ (Lexbrowser-NG:
D.P.R. 26. März 1977 Nr.235 Art.1). Für die elektrizitätswirtschaftliche
Tätigkeit
sah
der
Art.
1,
eigens
geführte
Energieunternehmen
der
öffentlichen Körperschaften vor. Diese Gemeindebetriebe sollten laut Art. 4
auch die Verteileranlagen des ENEL für ihr Verteilergebiet übernehmen und
für den im Art. 10 vorgesehenen Landesbetrieb, verbliebe die Koordinierung
dieser Aufgabe. Dieses Detail im D.P.R 235 vom 26. März 1977, sollte in
Zukunft noch für reichlich Zündstoff innerhalb der Stromdiskussion sorgen.
Die Implementierung der Landesenergiegesellschaft erfolgte allerdings erst
10 Jahre später durch das Landesgesetz vom 10. März 1997 Nr. 14, in dem
es heißt: „Die Autonome Provinz Bozen ist ermächtigt, die Gründung einer
Aktiengesellschaft
mit
der
Elektrizitätsaktiengesellschaft)
Bezeichnung
zu
fördern
SEL
und
AG
sich
(Südtiroler
an
deren
Gesellschaftskapital zu beteiligen.“ Der operative Startschuss für die SEL AG
fiel dann Anfang November 1998.
Trotz
eigener
Landesenergiegesellschaft
wurde
es
erst
durch
die
Abänderung der einschlägigen Durchführungsbestimmungen des Zweiten
36
Energiepolitik in Südtirol
Autonomiestatuts, anhand des Gesetzesvertretenden Dekrets vom 11.
November 1999 Nr. 463 möglich, die Südtiroler Befugnisse auch auf die
Wasserkonzessionen für große Kraftwerke und die Konzessionen für die
Stromverteilung
auszuweiten.
Auch
wurde
eine
Neuregelung
der
Konzessionsdauer erwirkt (vgl. ebd. Lexbrowser-NG). Erst ab diesem
Zeitpunkt wurde es für die politische Vertretung im Land möglich,
durchgreifende Entscheidungen und Maßnahmen im Elektrizitätsbereich zu
tätigen.
Diese
Abänderungen
wurden
maßgeblich
von
der
EU-
Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 96/92/EG beeinflusst, die in Italien 1999
durch das Bersani-Dekret7 (Gesetz Nr.79 vom 16. März 1999) implementiert
wurde. Dieses Dekret sah eine schrittweise Öffnung für den Wettbewerb in
den
Energiemärkten
vor
(unter
anderem
wurde
das
ENEL
in
eine
Aktiengesellschaft umgewandelt und das Stromnetz vom ENEL abgekoppelt
und einer eigenen Betreibergesellschaft übergeben). Konkret geht es in der
Richtlinie darum, dass staatliche Monopole bei öffentlichen Dienstleistungen
abgebaut werden und private Anbieter vermehrt Eingang finden. Die
Sonderrechte für Südtirol blieben dabei aber unberührt und die neue
Durchführungsbestimmung auf dem Gebiet der Energie brachte für Südtirol
weitreichende Befugnisse und in der weiteren Folge auch Vorteile.
2.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen zur nachhaltigen
Energiepolitik
Bis zum Jahre 1983 tangierte die Umweltpolitik die Energiepolitik Südtirols
kaum. Es galt wie überall in Europa das Ziel, eine günstige und sichere
Versorgung mit Energie zu garantieren. Erst ab dem Zeitpunkt, als auch auf
internationaler Ebene verstärkt nach Maßnahmen aus dem Dilemma der
Umwelt- und Klimaschädigungen gesucht wurde, begann man auch in
Südtirol erste gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Erkenntnis,
dass die Ursachen der Umweltproblematik durch ein Umdenken in der
Nutzung der Energieträger zum Tragen kommen können, forderte vom
Gesetzgeber eine neue Symbiose zwischen Umweltpolitik und Energiepolitik.
7
Dieses Dekret wurde „Bersani“-Dekret genannt, weil es vom damaligen italienischen Industrieminister
Pier Luigi BERSANI zur Verabschiedung eingebracht wurde.
37
Energiepolitik in Südtirol
Diese rechtlichen Schritte wurden erstmals im Energiespargesetz Nr. 12
vom 16. Mai 1983 von der Südtiroler Landesregierung verwirklicht. Dieses
sah
folgendes
vor:
Energieverbrauches
„Bestimmungen
und
über
die
zur
Nutzung
Einschränkung
des
regenerationsfähiger
Energiequellen“. Das Gesetz von 1983 wurde dann durch das Landesgesetz
Nr. 11 vom 5. Mai 1987 erweitert und ersetzt, in welchen finanzielle
Förderungen für Sonnenenergie und Wasserkraftwerke geregelt wurden.
Durch die „Neuen Bestimmungen zur rationellen Energieverwendung, zur
Energieeinsparung und zur Nutzung regenerationsfähiger Energiequellen“
im Landesgesetz vom 19. Februar 1993 wurde das Landesgesetz Nr.11 vom
5. Mai 1987 schließlich aufgehoben und um einige wesentliche Punkte
erweitert. Ziel dieses Gesetzes ist es, wie im Art. 1 nachzulesen ist:
„eine Verbesserung der Energieumwandlungsverfahren, zur Einschränkung
des Energieverbrauchs und zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit der
Energienutzung bei gleicher Leistung und gleicher Lebensqualität fördern die
Bestimmungen dieses Gesetzes - in Übereinstimmung mit der Energiepolitik
der
Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft
die
rationelle
Energieverwendung, die Einschränkung des Energieverbrauchs bei der
Herstellung
und
Verwendung
von
Produkten,
die
Nutzung
regenerationsfähiger Energiequellen, die Energieeinsparung bei den
Produktionsverfahren sowie den raschen Austausch der Anlagen,
insbesondere in den energieintensivsten Bereichen, und zwar auch durch
die Koordinierung von angewandter Forschung, praktischer Entwicklung und
industrieller Fertigung.“
Im Art. 4 werden die Förderungsmaßnahmen angesprochen, die um die
geothermische
Energie,
Hackschnitzelanlagen,
Fernheizwerke,
Biogasanlagen und Windkraftwerke erweitert wurden. Weiters wurde eine
Gleichstellung
der
regenerationsfähigen
Energiequellen
mit
Wärmekraftkoppelungen8 erwirkt, „sowie die Energie, die bei anderen
Verfahren, oder aus anderen Anlagen oder Produkten rückgewonnen werden
kann, einschließlich der Energieeinsparung bei der Klimatisierung und bei
der Beleuchtung von Gebäuden durch Maßnahmen am Gebäudeäußeren und
an den Anlagen“ (vgl. Lexbrowser-NG).
8
d.h. die gekoppelte Erzeugung von elektrischer oder mechanischer Energie und Wärme, die
Wärmeenergie, die aus den Abgasen und aus Heizanlagen, aus elektrischen Anlagen und bei
Fertigungsverfahren rück gewonnen werden kann
38
Energiepolitik in Südtirol
Abb.4 Umweltausgaben der Autonomen Provinz Bozen 2003-2007
und 2008
Quelle: ASTAT 60/2009, 2
Die Umweltausgaben der Autonomen Provinz Bozen zeigen, dass vor allem
im Jahre 2008 ein rapider Anstieg (+38,4% gegenüber 2007) beim Einsatz
und Förderungen von erneuerbaren Energien stattfand. Dies ist vor allem
auf die verstärkten Förderungsmaßnahmen in Bezug auf den 2008
eingeführten Kubaturbonus bei der energetischen Gebäudesanierung und
der Aufstockung der Förderungen bei Photovoltaikanlagen zurückzuführen.
Diese
Förderprogramme
sind
ein
grundlegendes
und
wichtiges
Instrumentarium zur Förderung der Senkung des Energieverbrauchs und
der Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen.
Die Investitionsförderungen im Bereich der Photovoltaik wurde in Südtirol
vorbildlich verstärkt, und das aus gutem Grund. Es ist wichtig die
Sonnenenergie vor allem in einer so sonnenreichen Region wie Südtirol zu
nutzen. Allerdings liegen die Produktionskosten zurzeit bei ca. 40 Cent je
kWh, wobei der Strom im Schnitt um 8 Cent je kWh auf der Strombörse
gehandelt wird (EWP 2008, 14). Dies zeigt bereits die große Preisschere, die
eine Investition in Photovoltaik eigentlich unrentabel macht. Ohne die
39
Energiepolitik in Südtirol
zusätzliche Förderung von Seiten des Landes und des Staates, wären heute
nicht 1.117 Anlagen in Betrieb und viele weitere in Planung (vgl.
Energieautarker Vinschgau 2009).
Vor allem innerhalb des Jahres 2010 wird es noch einen großen Schub an
Neuinvestitionen bei den PV-Anlagen geben, weil zum Ende des Jahres hin
die gesamtstaatliche Vergünstigung zur Inbetriebnahme samt StromProduktion ausläuft. Vor allem, weil es im Landesklimaplan vorgesehen ist,
dass
sämtliche
Dächer
von
Landesgebäuden,
Schulen
und
anderen
öffentlichen Einrichtungen mit PV-Anlagen ausgestattet werden sollten,
nützt jetzt auch die Landesregierung die noch vorhandenen günstigen
Rahmenbedingungen
und
reicht
2
Gesamtausmaß von 200.000 m
heuer
noch
Projekte
mit
einem
Fläche und 200 MW Stromleistung ein.
„Warum sollen wir als Land diese Begünstigungen nicht nutzen wie die
privaten
Betreiber
auch“,
rechtfertigt
der
Landeshauptmann
diese
zukunftsträchtigen Investitionen (vgl. Dolomiten 02.02.10, 13).
Allerdings sind nicht nur die Förderungen von Anlagen aus EE von
Bedeutung, sondern auch die Förderungen der Energieeffizienz und des
Energiesparens. Vor allem die nicht verbrauchte Energie gilt es verstärkt zu
nutzen. Dieser Meinung ist auch der Südtiroler Landesrat für Energie und
Umwelt Michl Laimer, der die Ziele der Südtiroler Energiepolitik wie folgt
definiert:
1.
2.
3.
4.
Größere Unabhängigkeit von Importen,
Versorgungssicherheit,
Saubere Energie und
dies zu moderaten Preisen
„Darüber hinaus wollen wir als längerfristiges Ziel als Land Südtirol CO2 –
neutral werden. Der Weg führt dabei über die intelligente Nutzung der
Energie (= Energie sparen), die Effizienzsteigerung und die Nutzung der
Alternativenergie“ (Laimer, 11.12.09).
Im Bereich der Energieeffizienz ist vor allem das Projekt „KlimaHaus“ und
die
damit
beauftragte
KlimaHaus-Agentur
GmbH,
eine
100%ige
Landesgesellschaft zu erwähnen. Diese informiert alle Interessierten über
energetische Sanierungen, über die finanziellen Hilfen vom Staat, über die
steuerlichen
Abschreibungsmöglichkeiten,
40
den
vom
Land
gewährten
Energiepolitik in Südtirol
traditionellen Beiträge, sowie über die Richtlinien zu den KlimaHausStandards und dem Energieausweis.
Dieses Projekt unterstützt vor allem die Nachfrageseite, also die Art und
Weise, wie man den Verbrauch senken kann. Dies zeigt, dass man auch das
Thema Energieeffizienz mit sehr großem Erfolg auf die energiepolitische
Agenda setzen kann.
Eine weitere Förderung die das Landesressort für Raumordnung, Energie
und Umwelt ausgearbeitet hat, ist der Kubaturbonus. Dieses „Zuckerl“ soll
einen Anreiz schaffen, Altbauten energetisch zu sanieren um dadurch eine
Kubaturerweiterung als Bonus vom Land dazugeschenkt zu bekommen. Der
Kubaturbonus scheidet allerdings die Geister. Vor allem die GRÜNEN sehen
darin
eher
einen
Freischein
für
die
„Wildverbauung“
als
eine
zukunftsorientierte Energieeffizienzmaßnahme.
„Aus unserer Sicht, aus der Sicht der Grünen, ist es sehr populistisch, dass
man diese Altbausanierungen mit Kubaturbonusse verbindet. Hier steht die
Frage allerdings im Raum, wenn ich hier wild verbaue bzw. aufbaue ohne
organisches System, ist das natürlich nicht im Sinne einer organischen
Raumordnung“ (Interview Kury, 14.12.09).
2.2.3. Die Wasserkraft
Wie bereits aus den Zahlen hervor geht, ist die Nutzung der Wasserkraft zur
Stromerzeugung sowohl auf kommunaler Ebene als auch auf Landesebene
von unschätzbarem Wert für Südtirol. Die Südtiroler Wasserkraft war bis auf
kleinere Ausnahmen jahrzehntelang in den Händen der zentralistisch
organisierten
Monopolbetriebe
ENEL
und
EDISON
und
damit
die
Entscheidungs- und Finanzressourcen außerhalb der Südtiroler Kompetenz.
Erst im Zuge der Liberalisierung des Elektrizitätssektors auf europäischer
Ebene kam die Kompetenz der Wasserkraftnutzung wieder zurück auf die
Provinzebene
und
durch
die
Installierung
einer
landeseigenen
Energiegesellschaft, der SEL AG, auch die Möglichkeit eines regionalen
Stromproduzenten und Energielieferanten. Die gesetzliche Kompetenz und
die Möglichkeit der Führung eines regionalen Energieunternehmens haben
sich allerdings als Segen und Fluch zugleich herausgestellt.
Die Verabschiedung der Richtlinien zur Liberalisierung und zur Errichtung
eines gemeinsamen Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas brachten die
41
Energiepolitik in Südtirol
ausschlaggebende Wende für Italien und sein bisher vertikal organisiertes
Energieschema. Die EG- Richtlinie Nr. 92 aus dem Jahre 1996 sah eine
Trennung (das so genannte Unbundling) für den Bereich Erzeugung, Betrieb
des Übertragungsnetzes und des Verteilernetzes vor, außerdem wurden
Grundsätze für den Bereich der Buchführung und der Organisation des
Netzzuganges
festgelegt
(vgl.
Gufler
2009,
24).
Dies
führte
zur
Zerschlagung des staatlichen Monopols und seiner EVU. Zweck der Richtlinie
war es etappenweise mehr Wettbewerb und dadurch auch privaten
Energieversorgungsunternehmen (EVU) einen Zugang zu den bis dato
monopolistisch gestalteten Energiemärkten zu bringen, um in der Folge
mehr Effizienz, günstigere Preise für den Verbraucher und eine gestärkte
Wirtschaftsgemeinschaft zu erreichen.
Von diesen erhofften Erfolgseffekten ist bis heute leider wenig zu spüren.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Strom- bzw. Gaspreise sind immer nur
gestiegen, wenn man von den kurzfristigen Einbrüchen aufgrund der
Wirtschaftskrise einmal absieht. Der Energieexperte Wunderer sieht das
Problem vor allem in der Trennung der Kernbereiche Erzeugung und
Verteilung. Wenn diese Bereiche getrennt werden und eine Kette von
Subjekten geschaffen wird, die vom Erzeuger über den Stromhändler
(Trader), dem Netzbetreiber, dem Verteiler bis hin zum Konsumenten
reicht, ist es nicht verwunderlich, wenn die Strompreise immer weiter nach
oben klettern. Jeder dieser Subjekte will schließlich am Produkt Energie
mitverdienen, und der am Ende das Nachsehen hat, ist der Konsument.
Diese Problematik greift auch in Südtirol. Zwar müsste der Strom hier zu
Lande eigentlich viel günstiger sein als anderswo, wenn Südtirol schon die
Möglichkeit genießt die heimische Wasserkraft für sich nutzen zu können,
zumal mehr Strom produziert als verbraucht wird und somit keine
Importabhängigkeit besteht. Leider ist dem bis zum heutigen Zeitpunkt
nicht
der
Fall,
denn
trotz
Kompetenzverlagerung
in
Sachen
Konzessionsvergabe bei den Großwasserableitungen zugunsten der Provinz
und der Errichtung einer eigenen Landesenergiegesellschaft ist der Strom
immer noch genauso teuer wie im restlichen Italien (Ausnahme die
genossenschaftlich organisierten Energiewerke).
42
Energiepolitik in Südtirol
Mit 2010 enden in Südtirol zwölf Konzessionen zur Großwasserableitung des
ENEL, eine der Edison und zwei der Etschwerke. Ende Dezember 2009
wurde dann der Spießrutenlauf um die Vergabe der zwölf gewinnträchtigen
ENEL
Konzessionen
beendet.
Neun
der
Zwölf
ausgeschriebenen
Konzessionen gingen an die SEL AG (93%ige Landesbeteiligung) und damit
eine Stromjahresproduktion von 1,2 Mrd. kWh (vgl. Dolomiten 19.01.10,
11).
Landesrat
Laimer
wurde
vor
Abschluss
des
Wettbewerbs
zur
Konzessionsvergabe, nie müde zu wiederholen, dass die Heimholung der
Wasserkraft durch die SEL AG auch zu günstigeren Preisen für die
Bevölkerung führen wird.
Im April 2008 hat sich die SEL mit 60% in laufende EDISON-Konzessionen
eingekauft und auch hier fallen nach der Tilgung des Darlehens satte
Gewinne für das Land ab. Der Landesrat Laimer rechtfertigt auch diese
Investition mit der Möglichkeit, am Ende dem Bürger einen günstigeren
Stromtarif anbieten zu können (vgl. Gufler 2009, 161). Die Energieexpertin
Kury von den GRÜNEN bewertet diesen Schritt der Kooperation mit den
alten Monopolbetrieben als äußerst bedenklich. Sie ist der Meinung, dass die
SEL mit ihren Partnerschaftsverträgen mit ENEL und EDISON drauf und dran
ist den fremdbestimmten Großgesellschaften für weitere 30 Jahre den
Verbleib in Südtirols Stromgeschäft zu garantieren, anstatt sich von ihnen
ein für allemal zu lösen (vgl. RAI, 23.04.09).
Auch der Experte Wunderer ist der Meinung, dass diese Konzerne unser
Land lange genug ausgebeutet haben.
„Der Turm in Graun oben ist ein Wahrzeichen dafür, das die Bevölkerung
nur gebüßt hat und sich die Anderen währenddessen die Taschen gefüllt
haben. (…) Jetzt haben wir hier endlich die Möglichkeit, und das ist das
Positive an der Liberalisierung, dass jetzt auch andere an die Systeme
herankommen. Das ist positiv, dass Südtirol jetzt endlich die Möglichkeit
bekommen hat an die Kraftwerke heranzukommen und dass wir diese
Ressourcen nutzen können im Interesse einer bürgernahen und
bürgergünstigen Stromversorgung“ (Wunderer, 16.12.09).
Die SEL AG steigt dank der Neukonzessionen zielsicher in Richtung größter
Stromproduzent
Konzessionen
Südtirols
scheinen
auf
und
sogar
die
seit
der
Zusicherung
Nordtiroler
in
der
ENEL
Vertretung
ihrer
landeseigenen EVU, TIWAG Interesse an einer mehr als nur strategischen
Partnerschaft (die TIWAG ist bei den SEL Tochtergesellschaften SELTRADE
43
Energiepolitik in Südtirol
mit 9% und SELGAS mit 40% beteiligt) zu haben. TIWAG-Chef Bruno
Wallnöfer gratulierte der SEL und definierte den Stromgewinn der SEL als
eine
„Weichenstellung
Jahrhunderterfolg
für
von
historischer
Dimension“,
die
Südtiroler
Wirtschafts-,
welche
als
Energie-
ein
und
Standortpolitik zu werten ist. Auch kündigte er an, dass dies nun eine gute
Voraussetzung darstelle, um die Zusammenarbeit von TIWAG und SEL AG
auf Augenhöhe weiterzuentwickeln und die schon lange geplante Integration
der
Netze
11.02.2010).
zum
beiderseitigen
Problematisch
Nutzen
zeigt
sich
voranzutreiben
allerdings
die
(vgl.
Riedler,
Rollenverteilung
innerhalb des Südtiroler Strompokers. Das Land ist nämlich nicht nur
Zuständig für Vergabe und Ausschreibung von Konzessionen, sondern ist
durch die über 90%ige Beteiligung an der SEL zugleich auch Mitbewerber
um die Konzessionen. „In einem Fußballspiel würde man von einem
evidenten Interessenskonflikt sprechen“ (Dall’O 48/2009, 34-35). Um die
Wogen etwas zu glätten hat das Land jetzt den Südtiroler Gemeinden
angeboten, 20% der SEL Aktien abzutreten und einen noch unbekannt
hohen Teil in Volksaktien an die Bürger auszugeben. Der Bürger fordert
indessen billigeren Strom und keine Volksaktien von der SEL, denn die
„Volksaktien kommen nur den Reichen zugute“ (Dolomiten 08.01.2010, 14).
Zudem machen dem Land nun auch die Konzessionsverlierer Probleme. Sie
sind ähnlich wie die Gemeinden nicht sonderlich begeistert vom Land in der
Rolle als Verteiler von Konzessionen und Bewerber in Form der SEL AG.
Dementsprechend hagelte es Rekurse und im Landesamt für Raumordnung,
Energie und Umwelt wurde bereits die Finanzwache vorstellig um sämtliche
Dokumente des Wettbewerbs zu konfiszieren und die Rechtmäßigkeit bei
der Konzessionsvergabe zu untersuchen (vgl. Dolomiten 30./31.01.10, 15).
Die Gier nach der Wasserkraft könnte demnach dem Land noch einige
Problem bereiten, denn durch die Rekurse hat nun auch die römische
Wettbewerbsbehörde angedeutet, sich näher mit der Vergabe beschäftigen
zu wollen, um abzuklären, ob es Absprachen gab oder ob der Wettbewerb
vielleicht gar keiner war. „Es besteht die Gefahr, dass alles fliegt. Dann
haben alle nichts. Angesichts dieses Szenarios wäre ein außergerichtlicher
Vergleich wohl besser“ (Zett 24.01.2010, 2-3).
44
Energiepolitik in Tirol
3. Energiepolitik in Tirol9
Zu Beginn wird die energiegeschichtliche Entwicklung Tirols eingehend
untersucht, da sich diese wesentlich von der in Südtirol unterscheidet und
vor allem hieraus die bedeutendsten Unterschiede der beiden Regionen und
ihrer Energiepolitik zu suchen sind. Im Anschluss daran gilt es den Status
Quo der Energieversorgung und Energieproduktion zu analysieren, zudem
gilt es die gesetzlichen Rahmenbedingungen aufzuzeigen. Am Ende wird die
Wasserkraft
als
die
Hauptenergiequelle
eingehend
erläutert
und
ein
kritischer Blick auf die regionale Energiepolitik geworfen.
3.1. Energiesituation
3.1.1. Versorgung
Durch die gemeinsamen historischen Wurzeln und die geographischen
Eigenheiten des einstigen Heiligen Land Tirols, war die Energienutzung bis
zur
staatsrechtlichen
Teilung
nach
dem
Ersten
Weltkrieg
ähnlich
strukturiert. Für die Erwärmung von Wasser und Häusern wurde unter
anderem
auf
die
Ressource
Holz
aus
den
heimischen
Wäldern
zurückgegriffen. Allerdings gab es in Tirol im Gegensatz zu Südtirol auch ein
geringes Maß an Kohlevorkommen, das vor allem in der Zeit der Armut und
des Wideraufbaus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vermehrt
gefördert und ausgebeutet wurde. Die vier Kohlebergwerke in Tirol, die
heute allerdings alle aus Rentabilitätsgründen geschlossen sind, befanden
sich in Nößlach, Häring, Apfeldorf bei St. Johann und Windau. Heute bezieht
Tirol seine relativ geringen Mengen an Kohle ausschließlich aus Importen
(vgl. Pirker 2008, 58-59).
Für die Beleuchtung gab es lange Zeit nur Kerzen und Öllampen. Im Zuge
der Elektrifizierung und des Ausbaus der Versorgungsnetze konnte Tirol
dank seiner idealen hydromorphologischen Gegebenheiten die Nutzung der
heimischen
Wasserkraft
erfolgreich
vorantreiben.
9
Das
erste
Tiroler
Die Bezeichnung Tirol gilt als die politische Einheit des österreichischen Bundeslandes Tirol, welches
aus den beiden geographisch geteilten Zonen, Nordtirol und Osttirol bestehen.
45
Energiepolitik in Tirol
Elektrizitätswerk wurde im Jahre 1888 in Innsbruck vom Mühlenbesitzer
Leopold Rauch in Betrieb genommen. Dieses Kraftwerk war die Basis für die
Nutzung und den Ausbau der Tiroler Wasserkraft. 1911 war man dann
bereits an der Leistungskapazitätsgrenze der bestehenden Werke angelangt
und aufgrund des aufkommenden Kohlemangels wurde der landesweite
Ausbau der Elektrizitätswirtschaft in die Wege geleitet. 1924 wurde dann die
Tiroler
Wasserkraftwerke
Aktiengesellschaft
gegründet,
deren
grundlegendes Ziel es war, den Ausbau der Wasserkraft zu bewerkstelligen
und dadurch die Versorgungssicherheit Tirols zu garantieren (ebd. 3-4).
Es gilt also festzuhalten, dass die Nachkriegsjahre am Tiroler Energiemarkt
grundsätzlich von Kohle- und Holznachfragen geprägt war. Zwar gab es
auch
schon
einige
Elektrizitätswerke,
allerdings
konnte
eine
flächendeckende Stromversorgung erst in den 1970er Jahren gewährleistet
werden. Nach und nach wurde die Kohle vom Öl abgelöst und die
Elektrizität
gewann
an
Bedeutung.
Das
Öl-Elektrizitäts-Zeitalter
als
Synonym für den wirtschaftlichen Wohlstand hielt Einzug in Tirol. Erst in
den 1980er Jahren, im Zuge der verstärkten Umweltbelastungen und den
politischen Maßnahmen zur Anbringung von Filteranlagen, wollte man eine
erneute Verschiebung am Energiemarkt erwirken. Seit 1987, ausgehend
von Kufstein, wurde eine Erdgasversorgung durch die TIWAG-Tochter TIGAS
AG erreicht. Heute besteht eine Versorgungsfläche von Kufstein über
Innsbruck bis nach Landeck über das gesamte Inntal. Anhand der
Absatzmengen kann die Bedeutung des Ergas am Energiemix Tirols nicht
geleugnet werden (ebd. 96-98).
Die energiegeschichtliche Entwicklung Tirols zeigt, dass die Versorgung
grundsätzlich geprägt ist durch den Einsatz fossiler Energieträger. Zwar
besteht
die
Elektrizitätsversorgung
durch
den
erneuerbaren
Rohstoff
Wasserkraft, jedoch im Bereich der Wärmeversorgung und der Mobilität
spielen Erdöl, Erdgas und Kohle immer noch eine entscheidende Rolle. Dies
untermauern auch die folgenden Zahlen.
46
Energiepolitik in Tirol
Der Energetische Endverbrauch inkl. Verkehr lag im Jahre 1993 in Tirol noch
bei 64.000 Terajoul (TJ) (=17,78 Mrd. kWh). Im Vergleich dazu stieg dieser
im Jahr 2005 auf 100.000 TJ (=27,78 Mrd. kWh) an. Das bedeutet eine
Steigerung von über 50% am Verbrauch innerhalb von 12 Jahren.
Die steigende Tendenz innerhalb der letzen 20 Jahre ist aus Abb. 6 klar
ersichtlich. Bei einer Bevölkerungsanzahl von 697.435 Personen am
01.01.2006
bedeutet
das
einen
durchschnittlichen
pro
Kopf
Jahresverbrauch von 398 kWh pro Person im Jahr. Dies liegt in etwa im
europäischen Durchschnittsfeld, welches einen Jahresverbrauch von 400
kWh pro Person angibt.
Abb.5 Entwicklung Bruttoinlandverbrauch (BIV) (Inländische
Erzeugung zzgl. Import abzgl. Export) und Endenergieverbrauch
(EE) (BIV abzgl. Umweltverluste) in Tirol von 1988 -2008 in TJ
Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 15
Um einen prozentuellen Vergleich machen zu können, wurde von mir der
aus dem „Schlussbericht der ARGE ALP“ stammende Energieverbrauch von
2007 herangezogen, der es ermöglicht, die Energiekonsumationen nach
Energieträger in % zu erfassen und mit denen Südtirols zu vergleichen (vgl.
ARGE ALP 2009).
Aus diesen Zahlen geht hervor, dass der Endenergieverbrauch in Nordtirol
ähnlich wie in Südtirol gestaffelt ist und dass der Hauptanteil von fossilen
Energieträgern gedeckt wird.
47
Energiepolitik in Tirol
Abb.6 Energieverbrauch in Tirol nach
Energieträgern (2007)
1%
0,5%
5%
6%
4,5%
100%
90%
20%
80%
70%
11%
60%
50%
32%
40%
30%
9%
20%
12%
10%
0%
Erdölbrennstoffe
Erdgas
Diesel
Benzin
Strom
Fernwärme
Holz
div. Erneuerbare Energien
Abfall
Kohle
Quelle: ARGE ALP 2009, 7 (Eigene Darstellung)
Es stammen 65%
des Gesamttiroler Energieverbrauchs aus fossilen
Energieträgern. Diese Zahl ist beinahe identisch mit jener Südtirols (68%):
wovon 12% Erdölbrennstoffe, 9% Erdgas, 32% Diesel, 11% Benzin und 1%
Kohle sind.
Die Primärenergieträger Erdöl, Erdgas und Kohle werden in erster Linie für
den Wärmebedarf in Anspruch genommen und sind mit einem Anteil von
22% und dem zusätzlichen Energieträger „Kohle“, um 16% geringer als in
Südtirol. Dies ist vor allem auf den bedeutend geringeren Erdgasanteil in
Tirol zurückzuführen.
Der Anteil von Mineralölprodukten liegt bei 43%. Dies ist um 13% höher als
in Südtirol. Vor allem der Dieselverbrauch schlägt mit beinahe 32%
ordentlich
zu
Tanktourismus
Buche.
Dieser
zurückzuführen
erhöhte
und
Wert
auf
die
ist
vor
allem
Problematik
auf
den
Tirols
als
Transitland.
Der
Stromverbrauch
entspricht
mit
20%
genau
1/5
Gesamtenergieverbrauchs und ist damit ähnlich hoch wie in Südtirol.
48
des
Energiepolitik in Tirol
Die regenerativen Energien schlagen mit 6% Holzanteil und 4,5% diverse
EE sehr hoch an. Im Vergleich zum EU-Schnitt von 6% ist das sehr
vorbildlich Vor allem die gesteigerte Nachfrage nach Holz/Biomasse bzw.
Solarenergie seit dem Jahr 2000 schlagen hier zu Buche.
Der
Anteil
von
regenerativen
0,5
Prozent,
Energien
der
zählt,
rein
sind
statistisch
die
ebenfalls
verbrennbaren
zu
Klär-
den
und
Deponieabfälle. Dieser Prozentsatz ist zwar äußerst gering innerhalb der
Energiestatistik, gilt allerdings als sehr umstritten, weil Abfälle keine
regenerative Energiequelle darstellen.
Ähnlich wie in Südtirol liegt der Anteil an EE mit 10,5% verhältnismäßig
hoch, allerdings sind für das Erreichen des EU-Ziels von 20% bis 2020 noch
wesentliche Schritte zu verfolgen. Der noch schwierigere Schritt wird
allerdings die Erreichung des Zieles von 20% weniger CO2 Emissionen sein,
weil die erhöhte Problematik des Tanktourismus hier großen Image- und
Werteschaden anrichtet. Dies hat sich auch im Interview mit der Tiroler
Umweltsprecherin Maria Scheiber, von der Partei der „Grünen Tirol“
herauskristallisiert. Frau Scheiber meinte dazu:
„(…) die Treibhausgasinventuren zeigen uns, dass wir im Spitzenfeld jener
Bundesländer liegen, die seit 1990 enorme Steigerungen (Anmerke: der
CO2 Emissionen) mit sich gebracht haben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei
ca. 11% PLUS; das ist schon traurig, und damit sind wir das Schlusslicht
unter den EU-15. In Tirol liegt der Wert aktuell bei 22% PLUS statt 13%
MINUS. Hier wird hauptsächlich damit argumentiert, dass man sagt, wir
sind ein Transitland und deshalb haben wir einen hohen Tanktourismus. Wir
haben einen hohen Tanktourismus. Der ist aber gewollt, weil man den
Dieselpreis bei uns wesentlich niedriger hält“ (Scheiber, 07.12.09).
Zudem ist der Anteil von Öl-, Gas- und Kohleheizungsanlagen in Tirol enorm
hoch.
Dies
ist
ein
weiterer
Grund
für
den
hohen
fossilen
Primärenergiebedarf und schlägt in der CO2 Bilanz negativ zu Buche.
Folgende
Grafik
zeigt
das
ungleich
größere
Verhältnis
von
fossilen
Energieträgern gegenüber den EE. Wo in Südtirol 2008 schon ein 56%
Anteil bei den EE vorzufinden war, liegt dieser Anteil in Tirol lediglich bei
34%.
49
Energiepolitik in Tirol
Abb.7 Energiebedarfsdeckung nach EE und fossilen Energieträgern
in Tirol 2008
Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 19
Die Tiroler Energieexperten Zingerle und Oblasser aus dem Amt für Wasser, Forst- und Energierecht sind dementsprechend vorsichtig, wenn es um die
kurzfristige Erreichung der Energieunabhängigkeit Tirols geht.
„Die Formulierung eines Autonomiezieles im Strom- und Wärmebereich
macht nur Sinn, wenn das Ziel auch realistisch erscheint. Bis 2020, also
in nur zehn Jahren, wird dies keinesfalls möglich sein, wenn man
bedenkt, dass in Tirol noch an die 50% aller Heizungsanlagen auf fossiler
Basis (Öl, Erdgas) stehen. Es ist zwar als langfristiges Ziel formuliert,
den
Gebäudebereich
ausschließlich
auf
erneuerbare
Energien
umzustellen, dies dürfte aber zumindest eine Generationenaufgabe sein“
(Zingerle/Oblasser, 02.01.2010).
Um
eines
der
wesentlichen
Ziele
von
Energiepolitik,
sprich
die
Versorgungssicherheit zu gewährleisten ist es unumgänglich sich von
Importen weitestgehend zu lösen. In diesem Bereich hat Südtirol bereits
viel früher und mit wesentlich mehr Elan politische Maßnahmen gesetzt und
kann deshalb auch ein Stück positiver in eine nachhaltige Zukunft blicken,
als die Tiroler.
3.1.2. Produktion
Die
Tiroler
Energieproduktion
besteht
zu
100%
aus
erneuerbaren
Energieträgern, lässt sich aus folgender Tabelle des Tiroler Energiebericht
2009 erkennen. Wenn man die Tabelle genauer analysiert, fällt auf, dass
nur knapp 1/3 des Bruttoinlandverbrauchs (BIV) durch die regionale
Erzeugung gedeckt sind. Zudem fällt auf, dass innerhalb der letzten 20
50
Energiepolitik in Tirol
Jahre in der Erzeugung keine wesentlichen Zuwächse stattgefunden haben.
Beim
BIV,
ist
hingegen
eine
kontinuierliche
Steigerungstendenz
wahrnehmbar.
Wind und Photovoltaik, sowie die brennbaren Abfälle sind innerhalb der
Graphik
kaum
auszumachen,
so
verschwindend
gering
ist
deren
Verbreitung.
Die drei wichtigsten erneuerbaren Energieträger sind: die Wasserkraft, die
biogenen Brenn- und Treibstoffe, sowie das Brennholz. Auffallend ist die
Konstante des Brennholzes, welches sich innerhalb der letzten 20 Jahre
nicht wesentlich verändert hat und erst seit den letzten 5 Jahren von den
biogenen Brenn- und Treibstoffen übertroffen wurde.
Abb.8
Tiroler
Energieproduktion
Energieträger) von 1988-2008
(=100%
erneuerbare
Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 16
Wasserkraft
Die Wasserkraft ist, genauso wie in Südtirol, die größte und bedeutendste
Ressource in Tirol. Es existieren in Tirol insgesamt 865 Kraftwerke,
(Stand:28.02.2009) die zusammen an die 5.909 GWh Strom erzeugen.
73% der Leistung kommt aus Kraftwerken mit einem Regelarbeitsvermögen
(RAV) über 100 GWh/a; 18% aus Anlagen mit einem RAV zwischen 10 und
100 GWh/a und 9% aus Anlagen mit einem RAV unter 10 GWh/a. (vgl.
51
Energiepolitik in Tirol
Tiroler Energiebericht 2009, 36) Von den Großwasserkraftwerken befinden
sich 6 Speicher- und 2 Laufkraftwerke im Besitz der Verbund-Austrian
Hydro Power AG (es handelt sich hierbei um einen Verbundskonzern).
Dieser Bundeskonzern ist der mit Abstand größte österreichische Produzent
von Strom aus Wasserkraft und die Speicherkraftwerksgruppe im Zillertal
ist die leistungsstärkste Österreichs. Die durchschnittliche Jahresproduktion
des Verbund-Kraftwerkspark liegt bei 1.562 GWh (Eigene Berechnung.
Homepage Verbund: http://www.verbund.at; Abruf: 10.02.10).
Der Strom aus den Verbundskraftwerken wird innerhalb der „Tiroler
Energiestrategie 2020“ gesondert angeführt und zwar heißt es dort wörtlich:
„Der Erzeugungsanteil der im Bundesland Tirol situierten Wasserkraftwerke
der Austrian Hydro Power (AHP AG) beträgt rund 1.600 GWh/a, sodass für
die Stromversorgung in Tirol ca. 4.300 GWh zur Verfügung stehen. Für die
weiteren Berechnungen des Tiroler Eigenversorgungsanteils wird dieser
Wert herangezogen“ (Tiroler Energiestrategie 2020, 24).
Somit
verbleiben
für
die
Tiroler
Stromversorgung
4.300
GWh
an
Stromleistung. Hierbei handelt es sich anhand der hauptsächlich genutzten
Speicherkraftwerke, um hochwertige Spitzen- und Regelenergie, welche im
thermohydraulischem
Verbund
im
europäischen
Netz
gegen
die
zur
Landesversorgung notwendige Grundlast getauscht wird. 75% des Tiroler
Stromverbrauchs wird aus Wasserkraft gedeckt und lediglich 4% stammen
aus
Blockkraftwerken
auf
Gasbasis,
Biomasse-Heizkraftwerken,
Biogasanlagen oder Photovoltaik (vgl. ebd. 22-24).
Aufgrund der Verbrauchsquote von 5.657 GWh bei den Tiroler Kunden und
einem sonstigen Verbrauch z.B. durch Netzverluste oder Pumpstrom von
882 GWh, ergeben sich ein Gesamtverbrauch von 6.538 GWh und ein
Importsaldo von 2.238 GWh. Jeder Tiroler verbraucht im Durchschnitt 8.111
kWh Strom im Jahr.
Die Umweltsprecherin der Tiroler GRÜNEN, Frau Scheiber, äußerte sich
kritisch zur Statistikverarbeitung der Tiroler Strombilanz und sieht in dieser
Auswertung eine Rechtfertigung für Importe. Wörtlich meinte sie dazu:
52
Energiepolitik in Tirol
„(…) politisch wird immer von Energie gesprochen, aber gemeint ist nur
Wasserkraft, sprich Strom. Da haben wir folgende Eigenartigkeit innerhalb
der Tiroler Energiebilanz, man kann auch Strombilanz sagen, die im
Jahrbuch der Tiroler Landesregierung veröffentlicht ist und für jeden
zugänglich ist. Wenn man sich das mal anschaut, dann stellt man fest, dass
in Tirol immer noch mehr Strom produziert wird als verbraucht, wenn man
mal von den reinen Verbräuchen ausgeht. Die TIWAG wollte uns über Jahre
glauben lassen, dass wir so und so viel importieren müssen. Damit wurde
die öffentliche Meinung, nach dem Motto „Jetzt gehen die Lichter aus“, so
quasi vorgeben. Indem sie einfach diese Kraftwerke, die im Zillertal stehen
und dem Verbund gehören, nicht in die Tiroler Produktion einrechnen und
das geht ja auch nicht. Ich kann nicht sagen Tiroler Strom und es dann aber
einem Unternehmen anlasten“ (Scheiber, 07.12.2009).
Folgende Darstellung zeigt die Verteilung des Regelarbeitsvermögens (RAV)
nach Betreibern anhand des Wasserkraftkatasters vom 28.02.2009. Nimmt
man die Betreiber der AUSTRIA HYDRO POWER AG (AHP) und der
ÖSTERREICHISCHEN BUNDESBAHN AG (ÖBB) zusammen, dann fehlen fast
1/3 der Tiroler Stromproduktion. Dazu folgende Erklärung in der Fußnote:
Das „Regelarbeitsvermögen (RAV) in Höhe von etwa 2.000 TWh/a steht der
Landesversorgung in Tirol nicht zur Verfügung (Anlagen der AHP und ÖBB
werden außerhalb von Tirol betrieben)“.
Abb.9 Anteile Regelarbeitsvermögen (RAV) nach Betreibern 28.02.2009
Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 37
Seit dem Jahr 2004 kamen von Seiten der Tiroler Landesregierung, in
Kooperation mit dem Landesenergieversorger TIWAG neue Pläne zum
Ausbau der Wasserkraft und in dessen Folge eine Projektierung von 4
(ursprünglich handelte es sich um 16!10) neuen Großwasserkraftwerken auf
den Tisch. Diese Entscheidung spaltet seitdem die Geister in Tirol. Die
10
Siehe dazu: Meinhart, 22.06.06
53
Energiepolitik in Tirol
politische Entscheidungsebene, sprich die Mehrheitspartei ÖVP und ihr
operativer Arm, die TIWAG, befürworten den Ausbau. Einerseits, weil es
laut Studien ein 50%iges Potenzial auszuschöpfen gilt, welches zur
Versorgungssicherheit Tirols beitragen soll. Andererseits weil auch von
Seiten der EU schließlich Bestrebungen zum Ausbau der EE stattfinden und
man argumentiert damit, dass die heimische Wasserkraft sowohl CO2
emissionsfrei
ist
Argumentation
und
wollen
die
die
Importabhängigkeit
Interessensverbände
verringert.
von
Dieser
Umweltschützern,
Hoteliers und Anrainergemeinden allerdings nicht Folge Leisten. Sie sehen
eine Bedrohung in der Verbauung der ungetrübten Tiroler Naturlandschaft
für den Tourismus und die Umwelt. Die Fronten haben sich verhärtet und
einer der tragenden Figuren im Kampf gegen den Ausbau der Wasserkraft
ist Markus Wilhelm. Er ist Publizist und Bauer und lebt in einer der
Anrainergemeinden im Ötztal. In seiner Stellungnahme kritisiert Wilhelm die
Tiroler Energiepolitik als reine Kraftwerkspolitik:
„Eine Energiepolitik findet in Tirol seit vielen Jahren nicht statt. Es gibt seit
2004 lediglich wieder Kraftwerkspolitik in Fortschreibung der Megaprojekte
der 70er und 80er Jahre“ (Wilhelm, 07.12.2009).
Holz und Biomasse
In den Jahren 2004 - 2006 wurden jährlich ca. 260.000 Festmeter Holz
(Brennholz inkl. Waldhackgut) aus den Wäldern für energetische Zwecke
eingesetzt. Das bedeutet eine Steigerung um 16 % gegenüber den letzten
10 Jahren. Aktuell werden etwa 20 % der Tiroler Haushalte vorwiegend mit
Holz
beheizt.
Die
im
Bereich
der
Sägeindustrie
vorhandenen
Sägenebenprodukte umfassen in Summe knapp 5 Mio. Schüttraummeter
Hackgut, Sägespäne und Rinde. Dies entspricht einer Holzmenge von rund
1,75 Mio. Tonnen.
In Tirol werden durchschnittlich an die 180.000 Tonnen Pellets (=gepresstes
Holzgranulat
für
spezielle
Heizanlagen)
im
Jahr
produziert.
Der
Jahresverbrauch in den Kleinanlagen lag im Winter 2005/2006 bei ca.
20.000 Tonnen Pellets. Der Zuwachs vom Jahr 2004 auf 2005 betrug 5.000
Tonnen (vgl. Tiroler Energiestrategie 2020 2007, 25-26).
54
Energiepolitik in Tirol
Erst im Zuge der Umsetzung des 1. Ökostromgesetzes 2003 begann man
vereinzelt auf Kraftwerke mit erneuerbaren Energieträgern wie Biomasse
oder Biogas umzuschwenken. Das erklärt auch die Zahl von 0 Anlagen im
Jahr 2002. Erst im Jahre 2004 wurden die ersten Anlagen errichtet und
2008 gab es bereits über 50 Biomassekraftwerke (Pirker 2008, 86). Die
Biomasseheizwerke produzieren mittels Kraft-Wärme-Kopplung zumeist
Fernwärme,
aber
auch
Energieproduktionsstätten
Strom.
sind
Die
Betreiber
hauptsächlich
die
dieser
lokalen
Lokalkörperschaften,
sprich die Gemeinden. Der überwiegende Teil der Brennstoffmenge für die
Biomasse-Fernwärmeanlagen
sowie
Kraftwärmekoppelungsanlagen
wird
die
durch
Biomasse-
Sägerestholz
der
Holzverarbeitungsindustrie bereitgestellt.
Biogas-, Deponie- und Klärgasanlagen
Unter Biogas versteht man ein Gasgemisch, welches prinzipiell aus
Substraten der Landwirtschaft wie Stroh, Gras oder tierischer Gülle, sowie
organischen Abfällen aus Küchen gewonnen wird. Diese Substrate werden in
den Anlagen unter Vakuum und mit Hilfe von Bioorganismen zu Biogas
umgewandelt. Das Biogas wird mittels Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
innerhalb von Nah- und Fernwärmezentralen genutzt und wird den
Haushalten via Netz als Wärme oder Strom geliefert. 18 Anlagen waren
2006 in Tirol in Betrieb und erzeugten zusammen 2,77 MW (=3,44 GWh).
Ähnlich verhält es sich mit den Deponie- und Klärgasanlagen, nur dass hier
die
organischen
Abfälle
vom
Menschen
stammen.
Laut
Tiroler
Energiestrategie 2020, gab es 2006 lediglich 13 Anlagen, mit einer Leistung
von 5,1 MW (=7,56 GWh) (vgl. Tiroler Energiestrategie 2020 2007, 24).
Thermische Solaranlagen und Photovoltaik
In Tirol sind vor allem solarthermische Anlagen zur Erwärmung des
Brauchwassers sehr beliebt. Bereits seit Mitte der 70er Jahren begann man
aufgrund der Ölpreissteigerungen und der Ölkrise verstärkt nach einer
alternativen Möglichkeit zur Energiegewinnung zu suchen. Die erste
Solaranlage Österreichs entstand unter der wissenschaftlichen Betreuung
von Mitarbeitern der Universität Innsbruck in Tirol. Trotz der anfänglich sehr
55
Energiepolitik in Tirol
hohen Kosten für das Serienmodell gelang es, vor allem durch die
Fördermaßnahmen von Seiten der Landesregierung nach und nach diese
Alternative am heimischen Energiemarkt zu etablieren. Vergleicht man die
installierten Solarkollektorflächen in Tirol im Jahre 1992, betrug diese
damals 27.000 m2. Im Jahr 2007 betrug sie bereits 383.000 m2 und der
Tiroler Energiebericht gab für das Jahr 2009 das Erreichen der 400.000 m2
Marke an. Damit verbunden ist eine Produktionsleistung von 160 GWh pro
Jahr und ca. 0.60 m2 installierte Kollektorfläche pro Tiroler Einwohner (vgl.
Tiroler Energiebericht 2009, 45).
Ebenso
verhält
es
sich
mit
den
Neuinstallationen
von
Flach-
und
11
Vakuumröhren-Kollektoren im Jahr 2007 . Hier liegt Tirol mit 26% an
erster Stelle im Vergleich zu den restlichen Bundesländern Österreichs.
Abb.10 Neu installierte Flach- und VakuumröhrenKollektoren in den Bundesländern 2007
40%
20%
26%
22%
14%
14%
8%6%
5%
2%3%
0%
Tirol
Niederösterreich
Steiermark
Salzburg
Wien
Kärnten
Oberösterreich
Burgenland
Vorarlberg
Quelle: BVIT 2008, 15
Allerdings kann die thermische Solaranlage nur als Zusatzalternativen, in
Kooperation mit einer anderen Wärmeversorgungsquelle gesehen werden,
weil sie sehr stark Witterungsabhängig ist und die Wärmeleistung je nach
Sonnenintensität variiert.
11
Letzte durchgeführte Erhebung auf Bundesebene durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation
und Technologie
56
Energiepolitik in Tirol
Der
Photovoltaikmarkt
hingegen
„steckt
noch
nicht
einmal
in
den
Kinderschuhen, sondern im Mutterleib“ (Salzburger 08/2008, 66). Das
Problem ist hier die Ökostromregelung, welche eine Deckelung bei PVAnlagen bei 200 kW/peak vorsieht und damit die Realisierung von
Großanlagen bis auf weiteres nicht ermöglicht. Diese Regelung hemmt die
Expansionsentwicklungen auf dem österreichischen und somit auch auf dem
Tiroler Energiemarkt enorm. Allerdings besteht eine klare Aufwärtstendenz
bei der Anbringung von Neuanlagen bis 100 kW. Dies auch vor allem durch
die Förderungen des Landes Tirol ausgehend vom Ökostromgesetz.
Im Jahre 2003 gab es in Tirol noch keine einzige PV-Anlage. 2004 gingen
allerdings bereits die ersten 40 Anlangen in Betrieb, mit einer Leistung von
0,31 MW Leistung. Bis zum Jahre 2008 ist eine deutliche Steigerung in
Zahlen und Leistung zu verzeichnen und zwar existieren zu diesem
Zeitpunkt 203 PV-Anlagen mit einer Leistung von 1,22 MW. Bezieht man
diese Daten auf die gesamte Inländische Energieerzeugung aus EE, welche
in Tirol ca. 10.000 GWh beträgt, ist das leider nur ein marginaler Anteil von
0,01% (vgl. Tiroler Energiebericht 2009, 30; 51).
Laut der Tiroler Energiestrategie 2020 ist der Anteil an elektrischer Energie
aus Ökostromanlagen verschwindend gering und zwar heißt es wörtlich:
„Insgesamt wurden im Jahr 2005 in Tirol ca. 4 % (=198,7 GWh) des
Bedarfs an elektrischer Energie aus Ökostromanlagen nach Ökostromgesetz
erzeugt. Der Großteil wird dabei in Biomassekraftwärmekoppelungsanlagen,
ein geringerer Teil über Biogas-, Deponie- und Klärgasanlagen gewonnen.
Fotovoltaikanlagen
spielen
noch
eine
geringe
Rolle.“
(Tiroler
Energiestrategie 2020 2007, 24)
Umgebungswärme
Zur Nutzung der Umgebungswärme muss im Haus eine Wärmepumpe
installiert werden, welche einer Wärmequelle (dem Erdreich, Grundwasser
oder der Luft) seine Wärme entzieht und diese in Nutzwärme für den
Haushalt umwandelt.
Die häufigste Nutzung von Umgebungswärme findet in Tirol durch die
oberflächennahe Geothermie statt. Hier wird entweder das Grundwasser,
mit Hilfe von Tiefenbohrungen genutzt oder es wird durch das Errichten von
57
Energiepolitik in Tirol
Grabenkollektoren
die
Erdwärme
für
die
Raumwärmeerzeugung,
Klimatisierung und Warmwasserbereitung nutzbar gemacht. In der Tiroler
Energiestrategie 2020 wird hierbei von signifikanten Steigerungen seit dem
Jahr 2005 gesprochen. Konkrete Zahlen werden allerdings nicht angegeben
(vgl. „Tiroler Energiestrategie 2020“ 2007, 28).
Zur
genaueren
Zahlenanalyse
wollte
ich
den
Tiroler
Energiebericht
heranziehen. Laut diesem liegen für Tirol allerdings keine vollständigen
Erhebungen und Darstellungen dazu vor. Dies gilt ebenfalls für den Bestand
und Leistungen der Anlagen, welche Grundwasser bzw. Erdwärme nutzen
(vgl. Tiroler Energiebericht 2009, 44).
3.2. Die Rahmenbedingungen
Da
Tirol
als
Bundesland
sehr
stark
durch
die
politischen
Rahmenbedingungen von „oben“, sprich von der nationalen Ebene her,
geprägt ist, gilt es in diesem Kapitel sowohl die wichtigen Maßnahmen der
Republik als auch die Maßnahmen vom Bund zu durchleuchten.
Zudem wird der Schwerpunkt auf die Elektrizitätswirtschaft gelegt, weil die
politischen Maßnahmen schwerpunktmäßig auf diesen Bereich gerichtet sind
und vor allem die Wasserkraft als die wichtigste und wirtschaftlich am
meisten genutzte Energieerzeugungsart Tirols darstellt.
3.2.1.
Zur
Entwicklung
der
grundlegenden
Rahmenbedingungen
Ähnlich wie in Italien war auch in Österreich der Energiesektor stark von
staatlichen Eingriffen geprägt. Die Rahmenbedingungen für die Organisation
und Gestaltung der österreichischen Energiewirtschaft nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges wurden durch die beiden Verstaatlichungsgesetze
BGBl. 168/1946 und 81/1947 festgelegt.
Art. 1 des BGBl. Nr. 168 sieht vor,
„Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gehen die Anteilsrechte an
den in der Anlage genannten Gesellschaften und die dort angeführten
Unternehmungen und Betriebe in das Eigentum der Republik Österreich
über“.
58
Energiepolitik in Tirol
Die Elektrizitätsversorgung ging damit 1947 bis auf wenige private
Kleinversorger (3%) auf die öffentliche Hand über. In Verhandlungen kam
man zum Entschluss, die verstaatlichten Gesellschaften in Form einer
privatwirtschaftlichen
Konstruktion
zu
führen
d.h.
sie
in
eine
Aktiengesellschaft oder in eine GmbH zu wandeln.
Diese Umwandlung sieht Art. 3 des BGBl. Nr.168 vor und zwar heißt es
dort:
„Durch Verordnung kann bestimmt werden, dass die in der Anlage
angeführten Unternehmungen und Betriebe statt auf den Staat in das
Eigentum staatseigener Gesellschaften übergehen“ (BGBl 168/1946).
Im zweiten Verstaatlichungsgesetz, welches explizit die Verstaatlichung der
Elektrizitätswirtschaft behandelt, geht es vor allem um die neu zu
errichtenden Landes-, Verbunds- und Sondergesellschaften. Die Aufgabe
der Landesgesellschaften ist es laut Art. 3
„die Allgemeinversorgung mit elektrischer Energie im Bereich der einzelnen
Bundesländer (Landesversorgung) durchzuführen, die Verbundwirtschaft im
Landesgebiet zu besorgen und Energie mit benachbarten Gesellschaften
auszutauschen“ (BGBl 81/1947).
Eine dieser neun Landesgesellschaften, welche im Art.3 Absatz 2 unter dem
Punkt
f)
konstruiert
wurde,
ist
die
Tiroler
Wasserkraftwerke
Aktiengesellschaft für das Bundesland Tirol.
Der
Staat
konnte
nach
der
Verstaatlichung
die
energiepolitischen
Zielsetzungen vorgeben und die gemeinwirtschaftliche Ausführung durch
seine Vertreter in den Aufsichtsräten kontrollieren. Dieses Vorgehen hatte
allerdings auch seine Schattenseiten und so kam es in den staatlichen
Gesellschaften zur Installation von „Arenen für die Durchsetzung von
parteipolitischen und sozialpartnerschaftlich fundierten Partikularinteressen
auf
Kosten
von
volkswirtschaftlichen
und
energiepolitisch
sinnvollen
Zielsetzungen“ (Winkler-Rieder 1991, 569).
Diese
enge
Verwobenheit
zwischen
politischen
Interessen
in
den
landeseigenen EVU hat sich bis in die heutige Zeit spürbar festgehalten.
Allerdings hat sich dieses Verhältnis mittlerweile verändert. Waren es zur
Zeit der Verstaatlichung die politischen Interessen, die durch die EVU
59
Energiepolitik in Tirol
durchgesetzt wurden, sind es heute immer öfter wirtschaftliche Interessen,
die von den EVU gegen die politischen Interessen instrumentalisiert werden.
Dies bringt Frau Scheiber von den GRÜNEN auf den Punkt, wenn sie sagt:
„Ich sehe eines der größten Probleme in der Tiroler Energiepolitik, in
diesem Interessenskonflikt, indem der Aufsichtsratvorsitzende immer
derselbe war, der auch gleichzeitig Energiereferent ist. Derzeit haben wir
diese Positionen gespalten, das begrüße ich einerseits sehr, aber
andererseits geschieht trotzdem nicht viel. (…) Man weiß nicht, schafft
jetzt gerade die TIWAG oder schafft die Regierung. Der Landtag ist es
auf jeden Fall nicht – leider“ (Interview Scheiber, 07.12.09).
Ähnlich
wie
in
Italien
Binnenmarktrichtlinie
brachte
96/92/EG
auch
erstmals
in
Österreich
wieder
Schwung
die
EU-
in
den
Strommarkt der Alpenrepublik. In nationales Recht umgewandelt mittels
dem
Elekrizitätswirtschafts-
143/1998
und
in
und
–organistationsgesetz
Landesgesetz
umgelegt
durch
(ELWOG)
das
Nr.
Tiroler
Elektrizitätsgesetz 2003 (kurz: TEG LGBl. Nr. 88/2003 vom 10.09.2003),
wurden folgende Ziele vorgeschrieben:
•
Der
österreichischen
Bevölkerung
und
Wirtschaft
kostengünstige
Elektrizität in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen
•
Eine Marktorganisation für die Elektrizitätswirtschaft gemäß dem EU-
Primärrecht und den Grundsätzen des Elektrizitätsbinnenmarktes gemäß
der Richtlinie 96/92/EG vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame
Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt zu schaffen
•
Den hohen Anteil erneuerbarer Energien in der österreichischen
Elektrizitätswirtschaft weiter zu erhöhen
•
Einen
Ausgleich
Allgemeininteresse
für
zu
gemeinwirtschaftliche
schaffen,
die
den
Verpflichtungen
im
Elektrizitätsunternehmen
auferlegt wurden und die sich auf die Sicherheit, einschließlich der
Versorgungssicherheit, die Regelmäßigkeit, die Qualität und den Preis der
Lieferungen sowie auf den Umweltschutz beziehen
(ELWOG 143/1998 1. Teil Art.3)
Ziel Nummer 3 der europäischen Richtlinie ist vor allem deshalb maßgeblich
für diese Arbeit, weil es durch die Regelung auf europäischer Ebene den
Ausbau der erneuerbaren Energien hin zu einer nachhaltigen nationalen
bzw. regionalen Energiepolitik zu fördern versucht.
60
Energiepolitik in Tirol
Österreich hat sich international zu zwei klimapolitischen Zielsetzungen
verpflichtet und zwar durch das Kyoto-Protokoll und das Unterzeichnen des
EU
Klima-Paket
2020
will
man
ein
nachhaltiges
Energie-
und
Gesellschaftssystem fördern. In diesem Sinne ist Österreich verpflichtet, bis
2020 eine Treibhausgasemissionsminderung von 16% (bezogen auf 2005,
ohne Emissionshandel) und einen Anteil erneuerbarer Energie von 34% am
Endenergieverbrauch zu erreichen.
Zwar besitzt Österreich zurzeit bereits einen entscheidend hohen Anteil an
EE, (deshalb auch die Erwähnung, dass der Anteil weiter erhöht werden
soll) beim Inlandstromverbrauch (lag bei ca. 70% im Jahr 2004 und soll bis
2010 auf 78,1% gesteigert werden). Dieser Anteil wird zum größten Teil
von Wasserkraft gedeckt, weil vor allem in den alpinen Bundesländern das
Potential reichlich vorhanden ist. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass
von
namhaften
Experten
immer
wieder
zu
einem
ausgeglichenen
Energiemix bei den EE geraten wird, um eine Energieautonomie auf der
Basis von Erneuerbaren auch langfristig realisieren zu können.
Auch Eva Glawischnig und Oliver Korschil sehen in ihrem Artikel im
Österreichischen Jahrbuch für Politik 2004 nur eine einzige Lösung für die
Loslösung von den fossilen Energieträgern und den daraus resultierenden
Konsequenzen:
„Die einzig langfristige nachhaltige Strategie, eine Energie-, Umwelt- und
Weltwirtschaftskrise abzuwenden, ist die Forcierung von Erneuerbaren
Energien und das Ausschöpfen der großen Energieeffizienzpotenziale“
(Glawischnig/Korschil 2004, 408).
Aus dieser europäischen Zielsetzung heraus zur Förderung von EE zur
Elektrizitätsversorgung mussten zu dessen Umsetzung in Österreich einige
zusätzliche rechtliche Rahmenbedingungen verabschiedet werden. Eine
dieser wichtigsten Reglementierungen finden wir im Österreichischen
Ökostromgesetz BGBl. I Nr. 149/2002 und seinen jährlichen Novellierungen
wieder.
Dieses sah zu Beginn für Ökostrom ohne Wasserkraft ein Mindestziel von
4% bis 2008 vor. Das ist zu wenig, um die 78,1% Hürde für 2010 zu
erreichen, waren sich damals schon die GRÜNEN sicher und forderten einen
61
Energiepolitik in Tirol
Mindestanteil
von
10%
an
Ökostromanlagen
und
einen
langfristig
garantierten Einspeisetarif (vgl. ebd. 411). Diese Befürchtung scheint sich
mittlerweile
bewahrheitet
zu
haben,
denn
der
Anteil
an
EE
am
Inlandstromverbrauch lag 2008 nur bei lediglich 72,1%. Auch der Anteil von
EE am Primärenergieverbrauch mit 26,6% im Jahr 2008 ist zwar nicht
schlecht und hat sich von 2006 auch um 1,2% erhöht, aber auch hier gilt es
sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen, sonder weiterhin verstärkt
Fördermaßnahmen zu setzen, um das 34% Ziel nicht nur zu erreichen,
sondern seine Ressourcenvorteile voll auszuschöpfen.
3.2.2.
Ziele
und
Förderungsmaßnahmen
für
eine
nachhaltige Energiepolitik
Der Handlungsbedarf in Richtung nachhaltige Energiepolitik und Ausbau der
EE wurden in Österreich mittels Impulse von Außen, sprich durch
Rechtsvorgaben der internationalen und europäischen Ebene gesetzt.
Auf internationaler Ebene war es vor allem das „Rahmenübereinkommen
der UNO über Klimaänderungen“ 1994 und das Kyoto-Protokoll von 1997,
die hier einen klimarelevanten und in dessen Folge einen energiepolitischen
Schwenk vorsahen.
Auf europäischer Ebene wurde durch die Elektrizitätsbinnenmarktlinie von
1996
erstmals
maßgeblich
Einfluss
auf
die
Energiepolitik
der
Mitgliedsstaaten genommen. Durch die Umsetzung eines Binnenmarktes für
Elektrizität und Erdgas wurden der immense Bedarf Europas und die
zunehmende Abhängigkeit von politisch instabilen Lieferstaaten immer
augenscheinlicher. Dies bewegte die EU-Kommission in zahlreichen Weißund Grünbüchern, Strategien für eine nachhaltigere und unabhängigere
Energiepolitik
auf
der
Grundlage
von
EE
zu
errichten
und
den
Mitgliedsstaaten mit bindenden Reduktions- bzw. Aufbauzielen einen Schubs
in
die
richtige
Richtung
Gemeinschaftspolitik
fand
zu
seinen
verleihen.
jüngsten
Diese
zukunftsorientierte
Gipfel
im
„Klima-
und
Energiepaket“, welches sich aus verschiedensten Richtlinien zusammensetzt
und unter anderem sich zum Ziel gesetzt hat, 20% der Emissionen zu
62
Energiepolitik in Tirol
reduzieren, 20% des Primärenergieverbrauchs aus EE zu beziehen und 20%
des Energieverbrauchs zu reduzieren.
Die Tiroler Ziele für eine ausgewogene und nachhaltige Energiepolitik, auf
der Grundlage der internationalen, europäischen und nationalstaatlichen
Regelungen finden sich in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ wieder. Diese
wurde vom Amt der Tiroler Landesregierung im Jahre 2007 herausgegeben
und beinhaltet vier essentielle Ziele, welche die Grundlage der Tiroler
Energiepolitik darstellen:
•
Sichere und eigenständige Versorgung
•
Beitrag zum Klima- und Umweltschutz
•
Förderung des Wirtschaftsstandort Tirols
•
Einsparung
Diese Ziele sind nach dem Schema der drei Hauptziele der EU konzipiert,
welche
ein
Gleichgewicht
zwischen
Wettbewerbsfähigkeit,
Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit erzielen möchten.
Die Tiroler Energieexperten Zingerle und Oblasser sehen in der Konzeption
zwischen den Bereichen Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung, ein
Spannungsverhältnis, welches Aufgabe der Politik ist in Balance zu bringen.
Ein wesentliches Merkmal der Tiroler Energiepolitik ist auch eine dem
Subsidiaritätsprinzip entsprechende Selbstbestimmung. Allerdings sind die
Reglementierungen von Seiten der EU so groß, dass lediglich in begrenztem
Maße
noch
Einflussnahmen
von
regionaler
Seite
möglich
ist.
(vgl.
Zingerle/Oblasser, 02.01.2010)
Eine
maßgebliche
erneuerbaren
wichtigsten
Einflussnahme
Quellen
bilden
Förderungsmittel
zur
Aufstockung
politische
auf
der
Förderungsmittel.
Bundesebene
wurde
Energie
aus
Eines
der
durch
das
Ökostromgesetz von 2006 eingeführt. Dieses trat im Juli 2006 in Kraft und
sah
eine
Einspeisevergütung
für
Strom
aus
Ökostromanlagen
vor.
Insgesamt wurde für den Ökostrom ein Kontingent von 17 Mio. Euro an
Finanzmittel für das Jahr 2007 gewährt. 10% davon waren für die PVAnlagen reserviert. Die Bundesländer hatten eine Co-Finanzierungspflicht,
63
Energiepolitik in Tirol
was bedeutet, dass sie noch einmal 50% der Bundesförderung durch eine
Landesförderung beisteuern mussten. Die Unterstützung wurde für 10 Jahre
ab Inbetriebnahme der Anlage festgesetzt und mit einer degressiven
Hilfeleistung für weitere 3 Jahre versehen. Zusätzlich wurden die EVU
verpflichtet
den
Strom
aus
den
PV-Anlagen
für
weitere
13
Jahre
abzunehmen. Einige Bundesländer, unter anderem Oberösterreich und
Vorarlberg, denen innerhalb Österreichs eine Vorreiterrolle im Bereich der
EE
zukommt,
boten
Investitionsunterstützung
bzw.
bieten
an
(vgl.
zusätzlich
auch
Homepage
legal.eu/suche-nach-laendern/osterreich;
Abruf
noch
DBUNR:
am:
eine
http://res-
15.12.09).
Tirol
allerdings nicht.
Seit der zweiten Ökostromgesetznovelle 2008 war keine Beteiligung mehr
vom Land vorgesehen. Eine Förderung über den Einspeisetarif erfolgte dann
nur mehr für Anlagen, die größer als 5 kW/peak waren. Für Anlagen unter 5
kW/peak
konnte
allenfalls
beim
Klima-
und
Energiefonds
der
Bundesregierung ein Antrag für eine Investitionsförderung gestellt werden.
Diese
schlechten
Rahmenbedingungen
brachten
zahlreiche
kritische
Stimmen auf den Plan. Es wurde seit 2006 jedes Ökostromgesetz wieder
und wieder novelliert, allerdings sind vor allem die Oppositionsparteien wie
die GRÜNEN oder die Interessensverbände der Photovoltaikanbieter bzw.
Biomasseverbände
nicht
ganz
zufrieden
mit
der
österreichischen
Rechtsregelung. Sie fordern vielmehr ein Ökostromgesetz nach deutschem
Vorbild, das sowohl einen 1:1 Einspeisetarif vorsieht ohne einer „Deckelung“
(in Österreich ist nur eine gewisse Einspeisungsmenge an Strom aus EE
vorgesehen, der Rest wird nicht zugelassen). Zudem hat die Verteilung der
erneuerbaren Energieträger immer eine andere Gewichtung (vgl. Scheiber,
07.12.09). Die Einspeisetarife sind nach den jeweiligen Energieträgern
gestaffelt und sehen für Strom aus Wasserkraft einen anderen Tarif als z.B.
für die Photovoltaik vor. Diese Verschiebung innerhalb der EE kann einen
ausgeglichen Energiemix, wie er für eine unabhängige Energieversorgung
notwendig wäre, verhindern. Jede Energieerzeugungsform sollte aufs
höchste Maß gefördert werden, um nicht eine Wasserkraftlastigkeit zu
verursachen. Diese Punkte gehörten laut Scheiber auf die politische Agenda
64
Energiepolitik in Tirol
der Bundesregierung und müssten verstärkt diskutiert werden, um auch
eine Homogenisierung innerhalb der Bundesländer voran zu treiben, denn
schlussendlich
gibt
es
keine
Einheitlichen
Einspeisetarife
für
alle
Bundesländer.
Im
Bereich
der
PV-Anlagen
unter
5kw/peak
sieht
das
jüngste
Ökostromgesetz keinerlei Einspeisevergütung mehr vor. Dies hat die Tiroler
Landesregierung in Kooperation mit der landeseigenen TIWAG, der Energie
West
GmbH
und
der
EWR
AG
zum
Anlass
genommen,
die
Überschusseinspeisung von Photovoltaikstrom in ihr Netz mit 15 cent/kWh
zu fördern. Das ist das Zweieinhalbfache des Tiroler Energiepreises, der bei
ca. 6 cent/kWh. Strom liegt.
Die Förderungen im Bereich der dezentralen Energieversorgung, wie sie von
kleineren Stadtwerken und Genossenschaften betrieben werden, stehen
nach Meinung des Experten Mainusch von den Stadtwerken Schwaz nicht
sonderlich gut. „Mit Ausnahme der Biomasseheizanlagen sehe ich keine
Förderungen im Hinblick auf eine dezentrale Energieversorgung. Aus der
Sicht
der
Unabhängigkeit
von
der
Erdölwirtschaft
würde
ich
die
Fernwärmeanlagen auch als Teil einer dezentralen Versorgungsstruktur
sehen, denn auch diese werden gefördert. Für alle übrigen Formen der
erneuerbaren
Energieträger
Rahmenbedingung.
Von
gibt
es
keine
nennenswerten
vorteilhafte
Förderungen
gesetzliche
für
die
Kleinwasserkraft sind wir sowieso weit entfernt. Bei der Photovoltaik
passiert auch nicht viel, wobei der Beitrag derselben zum gesamten
Stromverbrauch ohnehin lange noch im Bereich der Wahrnehmungsgrenze
sein wird“ (Mainusch, 22.01.2010).
Auch wenn es im Bereich der dezentralen Energieversorgung nicht
besonders rosig aussieht, so halten die Energieexperten des Landes Tirol für
den Bereich der privaten und wirtschaftlichen Energieversorgung mit
zahlreichen Programmen und Maßnahmen dagegen. Vor allem durch das
Projekt „Gebäudesanierungen“, das mit 01.04.2009 gestartet wurde, will
man den Energieverbrauch durch effizientes energetisches Sanieren von
65
Energiepolitik in Tirol
Altbauten unterstützen. Darüber hinaus gibt es umfassende Informationsund Förderungsprogramme wie z.B. richtiges Dämmen, Niedrigenergie- und
Passivhaus,
Solaranlagenförderung
(für
thermische
Wasseraufbereitung),
Solaranlagen
zur
Biomasseheizungsförderungen,
Pelletkaminöfenförderung,
Richtige
Gerätetauschprogramme,
Straßenbeleuchtung,
Wärmepumpenförderung
usw.
(vgl.
Zingerle/Oblasser, 02.01.2010).
Die Tiroler Zukunftsstiftung ist die Standortagentur des Landes Tirol und hat
den Auftrag, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Tirol nachhaltig zu
stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Dabei konzentriert sich die Tiroler
Zukunftsstiftung auf die Stärkefelder in Tirol, also auch auf den Bereich der
erneuerbaren Energien. Auch der Verein „Energie Tirol“ leistet hier einen
besonderen Beitrag zur Aufklärung über die Vorteile der Nutzung von EE
und
die
vom
Land
Tirol
gestellten
Förderungen
für
energetische
Sanierungsarbeiten bzw. Energiesparen und Energieeffizienzmaßnahmen.
Ein weiteres Element, das von der Tiroler Landesregierung installiert wurde,
ist das Programm „Tiroler Energie Monitoring“, das eine Evaluierung der
gebotenen Maßnahmen und Programme, durch den Energiebeauftragten
Herrn Oblasser bieten soll (vgl. ebd.).
Alle diese Maßnahmen und die Erstellung der Tiroler Energiestrategie 2020
und den Tiroler Energiebericht 2009 zeigen deutlich, dass der Wille zur
Verfolgung der gesetzten Ziele da ist. Ein Problem könnte die fehlende
Zielsetzung in Zahlen sein. Wenn man nach Oberösterreich schaue, da heißt
es: „Wir wollen bis zum Jahr x, soviel % von Öl, Gas usw. reduzieren. Also
nachmessbare Zahlen. Die fehlen in der Energiestrategie“ (Scheiber,
07.12.09).
Weiters scheint es auch Probleme bei der Umsetzung von geeigneten
Fördermaßnahmen
auf
Bundesebene
zu
geben.
Durch
die
starke
Reglementierung von Seiten der EU und von Seiten der Bundesregierung
hält sich der Gestaltungsspielraum auf Landesebene eher in Grenzen. Dies
sollte von der Landespolitik allerdings nicht als Ausrede hergenommen
werden, um keine verbindlichen Ziele setzen zu müssen. Tirol hätte
66
Energiepolitik in Tirol
durchaus das Potential sich in Sachen Energiemix aus EE zu den
Vorreiterbundesländern Vorarlberg und Oberösterreich zu gesellen.
3.2.3. Wasserkraft
Die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Wasserbenutzungsrechte liegt
in Österreich allein auf Bundesebene. Der Vollzug hingegen erfolgt auf
Landesebene und zwar sind in Tirol im Wesentlichen folgende drei Instanzen
zuständig.
•
die Bezirksverwaltungsbehörde
•
die Wasserrechtsbehörde (Landeshauptmann)
•
die Dienststelle der Wasserwirtschaft
Um ein Kraftwerk zur Elektrizitätsnutzung erstellen zu dürfen ist das so
genannte Wasserrechtsverfahren anzustreben. Dabei ist ein Ansuchen beim
Bundesministerium
Wasserwirtschaft
für
Land-
und
einzureichen.
Forstwirtschaft,
Die
Umwelt
Bundeszuständigkeit
und
gilt
hier
ausnahmslos, unabhängig von der Wassermenge. Die Verfahren werden je
nach Größe des Projektes im Instanzenzug unterschiedlich angesiedelt.
(Bezirksverwaltungsbehörde, Land, Ministerium).
Reichen die Unterlagen für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens
aus, so wird eine mündliche Verhandlung unter Miteinbeziehung aller vom
Vorhaben betroffenen Personen und der erforderlichen Sachverständigen
durchgeführt.
Stellt
sich
dabei
heraus,
dass
alle
gesetzlichen
Voraussetzungen erfüllt sind, so kann die wasserrechtliche Bewilligung
eventuell unter Vorschreibung von Auflagen erteilt werden.
Die zugesprochene Bewilligung berechtigt den Bewilligungsinhaber bei
Einhaltung bestimmter Auflagen, Fristen und Bedingungen zum Bau der
genehmigten Anlagen und beinhaltet bei Wasserbenutzungsanlagen das so
genannte
Wasserrecht.
bestimmten
Dieses
Wassermenge
Wasserkraftwerksanlagen
Recht
aus
(vgl.
ist
einem
etwa
die
Gewässer
Homepage
„Das
Entnahme
z.B.
Land
einer
für
die
Tirol“:
http://www.tirol.gv.at/bezirke/allgemein/umwelt/wr00/; Abruf:05.01.10).
Die
gesetzliche
Grundlage
für
die
Wassernutzung
schlägt
sich
im
Wasserrechtsgesetz von 1959 idF. BGBl. I Nr. 82/2003 nieder. Interessant
67
Energiepolitik in Tirol
ist hierbei der Art.18 „Ausnutzung der Wasserkräfte durch das Land“. Die
gesetzliche Kompetenz für die Vergabe von Wassernutzungsrechten zur
Produktion von Elektrizität liegt zwar beim Bundesministerium, allerdings
kann das Land einen Anspruch auf die Eigennutzung der Wasserkraft
erheben. So heißt es im 2. Abschnitt
„Die Wasserrechtsbehörde hat von jedem Ansuchen um Bewilligung zur
Errichtung
oder
Erweiterung
einer
Wasserkraftanlage
oder
zur
Weiterbenutzung
einer
bestehenden
Wasserkraftanlage
den
Landeshauptmann (…) zu verständigen. Binnen zwei Monaten vom Tage des
Einlangens der Verständigung kann der Wasserrechtsbehörde die Erklärung
abgegeben werden, dass die Wasserkraft für das Land in Anspruch
genommen wird“ (Art. 18 WRG 1959).
Maria
Schreiber
von
den
GRÜNEN
sieht
die
Vergabe
der
Wassernutzungsrechte äußerst kritisch. Es gibt hier keinen Wettbewerb,
sondern jeder, der ein ordnungsgemäßes Ansuchen erstellt und hierbei die
ökologisch und ökonomisch angemessene Nutzung bestätigt, kann eine
Wassernutzungsberechtigung erhalten. Die Vergabe erfolgt anhand der
willkürlichen Entscheidungsgewalt der Behörde.
„Das Wasserrecht wird vom zuständigen Bundesministerium im Zuge der
jeweiligen Wasserrechtsverhandlung zugesprochen. Hier gibt es so was wie
eine grundsätzliche Verpflichtung, dem Ansuchenden dieses Recht zu
gewähren, so nicht gröbere Versagungsgründe dagegen sprechen. Also
ziemlich vereinfacht gesagt, die Beweislast liegt völlig bei den Behörden“
(Scheiber, 07.12.2009).
Die
willkürliche
Verteilung
von
Wassernutzungsrechten
durch
das
Bundesministerium wird zwar von Parteien wie den GRÜNEN bzw. von
Umweltverbänden kritisiert, allerdings findet die Thematik der Vergabe
dieses
Rechtes
nicht näher Eingang
in das
politische
und mediale
Tagesgeschehen Tirols. Kritik kam erst auf, als im Jahr 2004 von der
TIWAG, dem landeseigenen Energiebetrieb, der Optionenbericht zum
weiteren Ausbau der Tiroler Wasserkraft vorgelegt wurde. Dieser Bericht,
der unter anderem den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal, die Erweiterung
der
Kraftwerksgruppe
Sellrain-Silz
und
den
Neubau
der
beiden
Speicherkraftwerke Malfontal und Matrei i. O. vorsieht, erhitzte die Gemüter
der Oppositionspartei der GRÜNEN und der Interessensverbände, allerdings
nicht der Mehrheitspartei. Die ÖVP-SPÖ Regierung befürwortete den
68
Energiepolitik in Tirol
Masterplan für neue Kraftwerksprojekte der TIWAG und stimmte in der
Sitzung vom 27. Juni 2006 einstimmig für den Ausbau der heimischen
Wasserkraft und der Realisierung der oben genannten vier Projekten. Am 6.
Juli 2006 wurden die Ausbaupläne dann im Tiroler Landtag abgestimmt und
zwar mit 31 von 36 Ja-Stimmen. Begründet wurde die Entscheidung für die
Initiative zum Ausbau der Tiroler Wasserkraft vor allem:
•
durch die für das Jahr 2020 prognostizierten fehlenden 100.000
Megawatt Leistung im Europa der 15 (Basis ist das Jahr 2003),
•
um die Reduktion der klimawirksamen Gase durch die Kyoto
Verpflichtungen zu erreichen,
•
den Blackouts in der Stromversorgung wie sie 2003 in mehreren
europäischen Staaten stattfanden vorzubeugen,
•
und um die Selbstversorgung der Tiroler mit heimischer elektrischer
Energie aus Wasserkraft zu erreichen (vgl. Erlacher 2005, 98).
Weiters gebe es laut TIWAG und einiger in Auftrag gegebener Studien,
(Pyöry-Studie 2008, Schillerstudie 1982 und EKT Bericht 1993) ein 50%iges
Ausbaupotential bei der Wasserkraft, dass unbedingt zumindest teilweise
erschlossen werden muss, um durch den stetig steigenden Stromkonsum
und die daraus resultierende Verkappung nicht ein Verfügbarkeits- und
Preisrisiko
einzugehen.
energiewirtschaftliche
Dieser
sowie
die
Schritt
hilft
infrastruktur-
„dem
und
Land
die
standortpolitische
Handlungsfreiheit abzusichern und zu stärken“ (TIWAG 2006, 8).
Allerdings wurde die Rechnung hier ohne den Wirt gemacht und lautstarke
Proteste
von
Seiten
des
Alpenvereins
und
einer
Gruppe
von
Kraftwerksgegnern, die unter dem Namen "Tiroler Initiative wir alle
gemeinsam" agiert, wurden getätigt. Der Frontmann im Kampf gegen den
Ausbau der Tiroler Wasserkraft ist Markus Wilhelm. Bauer im Ötztal und
Publizist. Seit der Bekanntgabe der Ausbaupläne hat Wilhelm auf seiner
Internetseite „www.dietiwag.org“ begonnen, massiv Informationen über die
TIWAG und ihre Pläne zu sammeln und zu publizieren, um auf die, wie er
sagt „völlig verfehlte und veraltete Firmenstrategie der TIWAG aufmerksam
zu machen.“ (Wilhelm, 07.12.09) Außerdem ging es ihm darum eine
Plattform zu schaffen, auf welcher öffentlich die Ausbauprojekte diskutiert
69
Energiepolitik in Tirol
werden können, so zu sagen als Gegenpool zur Desinformation der TIWAG
(vgl. Leonhard, 20.01.05).
Auch von Seiten der GRÜNEN kommt es zu Protesten. Sie sehen die
Zustimmung der Regierung und des Landtages zum Masterplan der TIWAG
als eine Vorgabe von drei Illusionen, womit versucht wird von den wahren
Problemen und wichtigen Lösungsansätzen abzulenken. Illusion eins
versucht zu vermitteln, dass durch eine vermehrte Stromproduktion der
Erdgas und –ölverbrauch substituiert werden kann. „Da müsste Tirol drei bis
viermal soviel Bäche und Flüsse zur Verfügung haben als wir tatsächlich
haben“
(Scheiber,
http://tirol.gruene.at/energie/artikel/lesen/45759/.
Abruf: 15.01.10). Illusion zwei will vermitteln, dass durch den Bau neuer
Wasserkraftwerke auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das
ist vielleicht langfristig gesehen richtig, wäre allerdings durch verstärkte
Effizienzmaßnahmen von Seiten der Regierung schneller und günstiger zu
realisieren. Illusion drei kritisiert die Imagekampagne für die Wasserkraft.
Diese ist nicht neu sondern wird gebetsmühlenartig immer und immer
wieder von der Regierung vorgebracht. Die GRÜNEN schlagen hier vor, doch
alternativ einmal einen „Masterplan effizienter Beschneiungsanlagen“ zu
präsentieren.
Kritisch betrachten die GRÜNEN den Ausbau der Wasserkraft vor allem, weil
dieser geradezu eine „Einladung an alle europäischen Energiekonzerne
darstellt, sich so schnell wie möglich auch einen Teil Tirols zu sichern.“ Um
dies zu vermeiden appellieren die GRÜNEN an die Regierung, verstärkt
Maßnahmen im Bereich der Energieeinsparung zu setzen, um dadurch eine
intelligentere Nutzung der Energieträger zu bewirken. Dies bringe für Tirol
mehr Vorteile; unter anderem die Schaffung regionaler Arbeitsplätze, einen
Beitrag zum Klimaschutz, geringere Energiekosten und dadurch mehr Geld
für die Bürger und den Erhalt einer intakten Tiroler Naturlandschaft (vgl.
Scheiber, 07.12.09).
Die
Tiroler
Energiepolitik
wird
nach
Meinung
der
GRÜNEN
zu
Wasserkraftlastig betrieben und die Alternativen wie z.B. verstärkt die
Wärmeversorgung durch Erneuerbare zu decken wird zumeist außen vor
70
Energiepolitik in Tirol
gelassen. „Immer, wenn die Probleme der Energiepolitik auf den Tisch
kommen, die ganz anders sind als die vom Strom, automatisch nur
„Wasserkraft“ zu sagen, erinnert mich an die Diskussion um den BBT. Man
hat auch da nicht wirklich Lösungen erarbeitet, man hat nicht wirklich
engagiert Ziele verfolgt über Jahrzehnte, sondern man ist immer beim
System geblieben wie es ist. Das sind die großen Probleme der politischen
Tiroler
Landschaft,
Treibhausgasproblem
der
BBT
und
lösen
die
Wasserkraft,
sollen“
71
(vgl.
die
unser
ebd.).
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
4.
Vergleichendes
Resümee
und
Schlussfolgerung
Sowohl
in
Südtirol
als
auch
in
Tirol
finden
wir
im
Bereich
der
Energieversorgung ein ähnliches Versorgungsszenario. Aus den beiden
Gesamtenergiebilanzen ist klar ersichtlich, dass der größte Anteil (ca. 65%)
am Verbrauch durch fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas gedeckt
wird. Davon wird in Tirol ca. die Hälfte für die Wärmeproduktion und die
andere Hälfte für den Verbrauch durch die Treibstoffe des Verkehrs
benötigt. In Südtirol beträgt der Treibstoffanteil 1/3 an den fossilen
Energieträgern und 2/3 werden für die Wärmeproduktion verwendet. Von
Seiten des Landes werden verstärkt Maßnahmen gesetzt, im Bereich der
Wärme auf Erneuerbare Energien auszuweichen, um einerseits unabhängig
von den Energieimporten zu werden und andererseits, um den CO2
Emissionswert zu senken. Man verfolgt sogar das ehrgeizige Ziel bis zum
Jahre 2020 im Bereich von Strom und Wärme energieautonom zu werden.
Diese Strategie ist vor allem positiv in Anbetracht der europäischen Klimaund Energieziele und der internationalen Abkommen für den Klimaschutz.
Allerdings wäre in beiden Regionen, aber vor allem in Tirol, wo der
Emissionswert wesentlich höher ist, den Anteil am Energieverbrauch beim
Verkehr dringend abzubauen, da dieser dazu beiträgt, dass ein erhöhter CO2
Ausstoß produziert wird. Dies könnte in der Folge dazu führen, dass die von
der EU vorgegebenen Reduktionsziele bis 2020 nicht eingehalten werden
und es zu Sanktionsstrafen kommen könnte. In diesem Bereich gibt es zwar
Bestrebungen wie z.B. die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene
durch
den
Bau
des
Brenner-Basis-Tunnels
oder
das
innovative
Wasserstoffprojekt H2, dass eine Versorgung mit Wasserstofftankstellen
entlang
der
Brennerachse
vorsieht,
allerdings
scheinen
effektive
Maßnahmen bis dato noch keine realisiert worden zu sein. Hinderlich ist
auch die Tiroler Preispolitik beim Treibstoff, die einen Tanktourismus gerade
zu anbietet.
Sowohl in Südtirol als auch in Tirol ist der Energieverbrauch, ähnlich wie im
restlichen Europa, in den letzen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen (mit
Ausnahme der Einbrüche durch die wirtschaftliche Rezession). Dies führt zu
72
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
einer enormen Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern, die zumeist
aus politisch unsicheren Krisenregionen des Nahen Ostens stammen. Dies
gefährdet wiederum die Versorgungssicherheit, einen der Grundpfeiler der
europäischen
einzuläuten,
Energiepolitik.
der
auf
einen
Hier
gilt
es
Energiemix
aus
einen
Paradigmenwechsel
regionalen
erneuerbaren
Energien setzt um nicht nur die Importabhängigkeit zu reduzieren, sondern
um dadurch erfolgreicher, die ehrgeizigen Klima- und Energieziele der EU
umsetzen zu können.
Im Bereich der Energieproduktion durch Wasserkraft haben Südtirol und
Tirol
ähnliche
hydromorphologische
Vorraussetzungen.
Südtirol
gilt
allerdings als Nettoexporteur und Tirol als Importland von Strom, wobei der
Import eher aufgrund vom Tauschgeschäft Spitzenstrom gegen Regelstrom
stattfindet. Südtirol gilt als Vorreiterregion in Sachen Energiemix aus
Erneuerbarer
Energien.
Dies
wurde
sogar
von
Seiten
des
EU-
Energiekommissars Andris Piebalg honoriert, indem er bei seinem letzen
Besuch, Südtirol als „eine der meist entwickelten Regionen Europas im
Bereich der Energieeffizienz und Erneuerbarer Energien“ bezeichnete
(Homepage
Landespresseamt:
http://wai.provinz.bz.it/lpa/news/detail_d.asp?artc_id=303250;
Abruf:10.09.09).
Es wurden zahlreiche Biomasse- und Biogasanlagen errichtet, welche
sowohl dem Bauern einen Nebenerwerb als „Energiewirt“ bringen und
nebenbei
einen
wichtigen
Beitrag
zum
Umweltschutz
bzw.
zur
Emissionsverringerung darstellen. Tirol besitzt für die Biomasse und
Biogasproduktion ideale Ressourcenbedingungen, allerdings wurden die
rechtlichen Rahmenbedingungen erst in den letzten Jahren eingeführt bzw.
schrittweise verbessert. Deshalb befindet sich der Anlagenbau erst in der
Anfangsphase. Allerdings versucht man auch hier verstärkt Maßnahmen zu
treffen, da die Synergie zwischen Biogasanlagen und Landwirtschaft als
erfolgsversprechendes Zukunftsmodell auch für Tirol gesehen wird.
Im Bereich der Sonnenenergie hält Tirol die Spitzenreiterposition im Bereich
der Solarthermie auf Bundesebene. Dies wurde bereits seit längerem vom
Land gefördert, was zur Folge hat, dass diese Energieform verstärkt
73
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Anwendung
bei
der
breiten
Bevölkerung
findet.
Allerdings
gilt
die
Solarthermie eher als Zusatzenergie, weil sie durch ihre Wetterabhängigkeit
nicht konstant nutzbar ist. Die Photovoltaik nimmt in Tirol noch eine sehr
geringe Rolle ein. Dies ist vor allem wegen der noch nicht ausgereiften
rechtlichen Rahmenbedingungen der Fall. Es fehlen Investitionsförderungen
und auch ein einheitlicher Einspeisetarif für ganz Österreich, um einen
Anreiz für den Bau und den Betrieb einer solchen Anlage zu schaffen. Durch
verstärkte Fördermaßnahmen gäbe es in diesem Bereich noch ein enormes
Ausbaupotential. Auch in Südtirol finden sich seit den 80er Jahren viele
Solaranlagen
zur
Warmwasseraufbereitung.
Durch
die
gezielten
Förderungsmaßnahmen von Seiten des Landes und vom Staat kam es vor
allem in den letzten fünf Jahren zur vermehrten Errichtung von PV Anlagen,
wobei Südtirol hier mittlerweile eine Spitzenposition in Italien einnimmt. Die
Geothermie spielt in beiden Regionen noch eine untergeordnete Rolle,
könnte durch gezielte Investitionsförderungen jedoch bedeutend gesteigert
werden. Experten sehen hier ein
Erdwärme
konstant
vorhanden
hohes
und
nicht
Zukunftspotential, weil die
den
Wetterschwankungen
ausgesetzt ist; durch eine gezielte Investitionsförderung könnte ein Anreiz
zum
verstärkten
Anlagenbau
geschaffen
werden.
Das
Projekt
H2-
Wasserstoff, das vom Land Südtirol Unterstützung findet, sollte auch in Tirol
umgesetzt werden, weil beide Regionen an der Brennerachse liegen und die
flächendeckende Versorgung durch Wasserstofftankstellen ein wesentlicher
Grund dafür wäre, dem Autofahrer einen Umstieg auf diese emissionsfreie
Verkehrstechnik schmackhaft zu machen. Ein Umdenken im Bereich der
erneuerbaren Treibstofftechnik, ist allerdings beim Verbraucher noch nicht
ausreichend vorhanden. Hier gilt es in Zukunft durch verstärkte politische
Maßnahmen einen Paradigmenwechsel einzuläuten.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Südtirol und Tirol sind einerseits
geprägt durch internationale Abkommen wie dem Kyoto-Protokoll und
andererseits von den Richtlinien und Gesetzen der EU. Durch die Schaffung
eines gemeinsamen Binnenmarktes im Bereich Elektrizität und Gas wurde
der zuvor monopolistisch betriebene Elektrizitätssektor geöffnet und den
Gesetzen
des
freien
Liberalisierungstendenzen
Marktes
hatten
unterworfen.
für
Südtirol
74
zur
Die
europäischen
Folge,
dass
die
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Gesetzgebungsgewalt
im
Energiesektor
zum
größten
Teil
von
der
Staatsebene auf Landesebene überging und dies eine Weichenstellung für
den Aufbau einer eigenen Energiepolitik bedeutete. In Tirol haben ebenfalls
zahlreiche EU-Richtlinien in die regionale Gesetzgebung Eingang gefunden.
Die tief greifenden Veränderungen kamen hier vor allem durch die
Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes und den Richtlinien zum Ausbau der
Erneuerbaren Energien. Die Tiroler Politik sieht hier ein Potential in der
Schaffung einer Synergie zwischen dem verstärkten Ausbau der Tiroler
Wasserkraft
und
dem
Elektrizitätsproduktion
Strombörse
und
Erreichen
bedeutet
dadurch
der
europäischen
mehr
natürlich
Macht
mehr
auf
Geld
Klimaziele.
der
für
die
Mehr
europäischen
landeseigene
Energiegesellschaft TIWAG und dem Land Tirol. Der positive Nebeneffekt
soll die Reduktion der CO2 Emissionen durch die erneuerbare Energie
Wasserkraft darstellen, allerdings wäre ein Energiemix vor allem für den
Bereich Wärme für Tirol erstrebenswerter, um die Importabhängigkeit von
fossilen Energieträgern zu mindern. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
von staatlicher Seite her sind für Südtirol weniger wichtig geworden, weil
die Verstärkung der regionalen Kompetenzen der Provinz mehr Spielraum
zulässt.
Tirol
ist
hingegen
stark
durch
die
zentralistische
Bundesgesetzgebung geprägt und diese stellt vor allem im Bereich des
Ökostromgesetzes
eher
Hemmschuh
als
Weichenstellung
dar.
Die
Bundesrepublik Österreich wird von kritischen Lobbyisten immer wieder
aufgefordert, sich im Bereich der Erneuerbaren Energien dem deutschen
Rechtsrahmen zu nähern. Dies wäre vor allem günstig, weil Österreich
durchaus das Ressourcenpotential für einen Ausbau des Energiemix auf
Basis der Erneuerbaren hätte und dadurch die Kyoto- bzw. die EUKlimaziele erreichen könnte. Es scheint hier vor allem noch der Einfluss der
Energiewirtschaft als Hemmschuh zu wirken und auch der Wille, sich mit
energieideologischen Politiken zu befassen, scheint in Österreich noch
keinen breiten Anklang auf der politischen Entscheidungsebene gefunden zu
haben. Trotz Ausbaufähigkeit in der Bundesgesetzgebung hätte Tirol
dennoch die Möglichkeit, mehr auf Landesebene zu erreichen, wenn nicht
auch hier der Fokus zu sehr auf den Bereich Ausbau der Wasserkraft gesetzt
würde. Die innerstaatlichen Vorbilder wie Steiermark, Oberösterreich und
75
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Vorarlberg zeigen, dass es durchaus möglich ist eine Energiepolitik pro
Erneuerbare zu führen, wenn der Wille da ist. Auch Tirol hätte das
Ressourcenpotential zu den Spitzenreitern in Sachen Energiemix aus
Erneuerbaren Energieträgern aufzusteigen, wenn der Fokus von der
Wasserkraft hin zu einem ausgeglichenen Energiemix verlagert würde.
Grundsätzlich müssten die Rahmenbedingungen auf Bundesstaatlicher- und
auf
Landesebene
besser
ausgelotet
werden,
um
den
so
wichtigen
Paradigmenwechsel in der Energiepolitik erfolgsversprechend einzuleiten.
Vor
allem
die
TIWAG
als
landeseigener
Betrieb
könnte
hier
als
Instrumentarium der Politik fungieren und ihren weitreichenden Einfluss
nutzen,
um
den
Energiemix
durch
ein
verstärktes
Arbeiten
mit
Energieideologien zu fördern (vgl. Mainusch, 22.01.10). Die Wasserkraft als
zentrale
Erneuerbare
Energie
in
Südtirol
und
Tirol
trägt
enormes
Konfliktpotential in sich. In Tirol sind es die Projekte zum verstärkten
Ausbau
der
Wasserkraft,
die
die
Wogen
bei
Bevölkerung,
Umweltorganisationen und privaten Aktivisten hoch gehen lassen. In
Südtirol stellt die Konzessionsvergabe der Großwasserableitungen einen
Interessenskonflikt zwischen Land, den EVU und Privaten dar. Hier besteht
die Gefahr, die gewonnen Kompetenzen eventuell wieder zu verlieren, falls
hier von europäischer Ebene ein Handlungsbedarf wegen Verstoßes gegen
das Wettbewerbsgesetz gesehen wird. Die Wasserkraft als wichtigste
erneuerbare
Ressource
Fremdbeherrschung
in
im
Energiemix
friedlichem
sollte
Einklang
nach
und
Jahrzehnten
unter
der
respektvoller
Nutzung, der Südtiroler Energieakteuren organisiert werden. Der Kampf um
die Vormachtstellung innerhalb der Ressourcenverteilung ist also sowohl in
Tirol als auch in Südtirol Hauptthema im energiepolitischen Diskurs. Vor
allem der Zielkonflikt zwischen Umweltorganisationen, Oppositionsparteien,
Energiewirtschaft und Endverbraucher stellt hier eine Problematik in den
Raum, die es vor allem zum Schutze der einzigartigen alpinen Landschaft
und der Umwelt zu lösen gilt. Ein Raubbau bzw. eine Übernutzung der
natürlichen Gewässer kann hier nicht Ziel führend sein und muss vor allem
durch Maßnahmen der politischen Eliten verhindert werden.
Die These, die im Zuge des 1. Teils dieser Arbeit aufgestellt wurde, kann
grundsätzlich verifiziert werden. Es hat sich herausgestellt, dass die
76
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Energieressourcen in ähnlicher Form vorhanden sind, jedoch durch die
historische Teilung Tirols unterschiedliche politische Realitäten geschaffen
wurden und die Energiepolitik und die dazugehörigen Rahmenbedingungen,
nicht nach demselben Schema betrieben wurden und werden. Verstärkt
harmonisierend
wirken
in
den
letzten
Jahren
vor
allem
die
Rahmenbedingungen, welche von der EU geschaffen wurden, allerdings
findet hier noch keine einheitliche Umsetzung statt, weil die EU im Bereich
der Energiepolitik keine primäre Zuständigkeit genießt. Die äußeren
Umstände, wie die große Bedeutung der Bundesgesetzgebung für Tirol und
die Verschiebung der energiepolitischen Kompetenzen vom Staat auf die
Provinzebene
haben
dazu
geführt,
dass
Südtirol
die
günstigeren
gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen Paradigmenwechsel schaffen
konnte und diese Möglichkeit auch frühzeitig zu nutzen wusste. Dank der
verschiedensten innovativen Maßnahmen und Förderungen von Seiten der
Politik und der Verwaltung kommt Südtirol heute bereits eine Vorreiterrolle
bei der Nutzung der erneuerbaren Energien zu. Tirol ist einerseits vor allem
durch
die
Bundesgesetzgebung
gehemmter,
weil
das
staatliche
Ökostromgesetz noch keine ausgereiften Förderungsansätze beinhaltet, und
andererseits fehlte bis jetzt auch der Wille, sich mit energieideologischen
Themen
auseinanderzusetzen.
Dies
zeigt
vor
allem
auch
der
Bundesländervergleich, welcher anderen Bundesländern die Vorreiterrolle
bei der Integration von Erneuerbaren Energieträgern zuweist. Es ist wichtig,
dass Tirol den Paradigmenwechsel so schnell wie möglich umsetzt, weil „in
der Umstellung des Energiesystems besteht die große Chance für das 21.
Jahrhundert auf ein weiteres Wirtschaftswachstum, so wie im letzten
Jahrhundert die Idee des Wohlfahrtsstaates und der Umweltschutz die
großen
Treiber
waren“
(Mainusch,
77
22.01.10).
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
II. Analyse und Vergleich der landeseigenen
Energiegesellschaften
5. Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG
und TIWAG
Das Tiroler Energieunternehmen Tiroler Wasserkraftwerke AG kann bereits
auf einige Jahrzehnte anhaltende Unternehmensgeschichte zurückblicken,
im
Gegensatz
zum
Südtiroler
Unternehmen,
Südtiroler
Elektrizitätsaktiengesellschaft. Gegründet wurde die TIWAG nämlich in den
Zwischenkriegsjahren, und zwar am 1. April 1924. Die SEL AG hingegen
kann gerade einmal auf ein Jahrzehnt Unternehmenstätigkeit zurückblicken.
Dies vor allem deshalb, weil es durch den italienischen Rechtsrahmen bzw.
die Aufrechterhaltung des Staatsmonopols, lange Zeit zu keiner Gründung
eines Landesenergieunternehmens kam. Trotz dieser unterschiedlich langen
Unternehmenstätigkeit scheint es dennoch interessant zu sein, die beiden
EVU zu vergleichen, weil sie vor allem durch ihren hohen politischen
Stellenwert auf Provinz bzw. Landesebene eine besondere energiepolitische
Rolle spielen.
5.1. Die TIWAG
Der
Achensee
und
Elektrizitätsgewinnung,
die
waren
mit
ihm
maßgeblich
verbundenen
für
die
Pläne
Entscheidung
zur
der
Stadtgemeinde Innsbruck diese, ihre zuvor erworbenen Rechte, in einer
eigenen
Energiegesellschaft
einzubringen.
Dies
erachtete
man
als
notwendig, weil es für den Ausbau finanzkräftige Partner zu beteiligen galt,
um sowohl das Risiko zu mindern als auch eine termingerechte Ausführung
der Pläne zu garantieren. So kam es dazu, dass der Innsbrucker
Gemeinderatsbeschluss vom Dezember 1923, am 31. März 1924 durch die
Gründung
der
Tiroler
Wasserkraftwerke
Aktiengesellschaft
(TIWAG)
vollzogen wurde. Die Finanzgruppe die sich neben der Stadt Innsbruck
beteiligte, bestand aus einigen einflussreichen Kreditinstituten wie der
78
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
Allgemeinen österreichischen Boden-Credit-Anstalt, der Credit-Anstalt für
Handel und Gewerbe, der Bank für elektrische Unternehmen in Zürich und
der Tiroler Landesbank AG. Die restlichen Aktien wurden zur freihändigen
Zeichnung an andere Interessenten ausgegeben. Die Mehrheit der Aktien
und damit auch die mehrheitliche Entscheidungsgewalt, mit einem 2/5tel
Anteil, ging an die Stadt Innsbruck, 1/5tel Anteil an die Finanzgruppe und
die restlichen 2/5tel wurden durch die anderen Interessenten gesplittert.
Der Gründungsvertrag sah vor, dass die Stadtgemeinde Innsbruck den
gesamten Besitz am Achensee, inklusive sämtlicher Bewilligungen und
Konzessionen am Bau des Achenseewerks an die neue Gesellschaft
übertrug, sich jedoch die Option offen lies, dies alles nach 60 Jahren ab der
ersten Stromlieferung, wiederum kostenlos von der TIWAG zurückfordern zu
können (vgl. Alexander 2007, 246-247).
Der Zweck der Gesellschaft sollte der „Ausbau der Tiroler Wasserkräfte und
zwar in erster Linie des Achenseewerkes“ (Alexander 2007, 248) darstellen.
Es wurden Reglementierungen festgelegt, indem der „Ausbau des Werkes
abschnittsweise nach Maßgabe des sich einstellenden Bedarfes erfolgen
sollte und die schrittweise Angliederung anderer Werke vorbehalten wurde“
(ebd.). Diesem Zweck ist die TIWAG bis zum heutigen Zeitpunkt immer
wieder nachgekommen, jedoch gilt der Ausbau der Wasserkraft heute von
vielen Seiten als umstrittener Interessenskonflikt, an dessen Maßgabe von
Seiten der Umweltverbände und Standortgemeinden stark gezweifelt wird.
Zum Gründungszeitpunkt allerdings, galten die Pläne der TIWAG als
„zukunftsweisendes energiewirtschaftliches Vorhaben, das den Weitblick der
Stadt
Innsbruck
und
der
beteiligten
Bankenvertreter“
deutlich
zum
Ausdruck brachte. Der TIWAG ist es schließlich auch zu verdanken, dass die
Sicherstellung der Stromversorgung für ganz Tirol zu Stande gekommen ist.
War die Stromversorgung bis dato eher auf ein lokales Gebiet beschränkt,
so wurde es dank des Ausbaus der Wasserkraft und des Leitungsnetzes erst
möglich, eine flächendeckende Stromversorgung durch die Anbindung aller
Verteiler, unter effizienten Bedingungen zu garantieren.
Am 1. April 1924 wurde der Gründungsvertrag der TIWAG einstimmig im
Innsbrucker Gemeinderat beschlossen, worauf am 12. Juni die erste
79
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
Generalversammlung
statt
fand
und
der
damalige
Innsbrucker
Bürgermeister Dr. Anton Eder zum Präsidenten ernannt wurde. Diese
Personalgestaltung war vor allem deshalb eingetreten, weil die Aktienanteile
der TIWAG zu diesem Zeitpunkt bis zum Jahre 1938 zu 49% der Stadt
Innsbruck, zu 44% der Finanzgruppe, 5% im freien Umlauf waren und 1,9%
dem Land Tirol gehörten. Das Gründungskapital betrug 10 Mrd. Kronen und
wurde im Zeitverlauf ständig aufgestockt bzw. durch Darlehen und Anleihen
belastet.
Der Zeitraum zwischen der Gründung der TIWAG 1924 und dem Anschluss
Österreichs an das Deutsche Reich 1938 war geprägt vom Ausbau des
Achenseeewerkes und dessen Fertigstellung, sowie der anschließenden
Suche nach langfristigen Großabnehmern, damit der Ausbau finanzierbar
wurde. Nachdem hierfür eine strikte Absage aus Wien kam, versuchte man
mit den bayrischen Nachbarn ins Geschäft zu kommen. Es kam auch alsbald
zu einem Vorvertrag zwischen der TIWAG und der Bayernwerke AG, der
allerdings kurzfristig in Gefahr geriet, weil man in der Oberpfalz neue
Braunkohlevorkommen entdeckte. Dem damaligen Ministerpräsident Held
wurde
jedoch
die
politische
Notwendigkeit
einer
tiroler-bayrischen
Zusammenarbeit bei der Elektrizitätswirtschaft bewusst, weil er vor allem
eine Zusammenarbeit mit Italien verhindern wollte. Auch für die TIWAG
stellte diese Verbindung nicht nur eine finanzielle, sondern vor allem auch
eine politische Komponente dar, die vor allem für die politische Zukunft von
herausragender Bedeutung sein sollte. Dies war dem damaligen TIWAGPräsidenten bereits klar, als er sagte: „Die zur Erfüllung der Vereinbarung
mit Bayern erforderliche Hochspannungsleitung über die historische Porta
Claudia (Scharnitz) schließt das Achenseekraftwerk und damit die Tiroler
Energiewirtschaft an das große deutsche Absatzgebiet an, eine Tatsache,
die nicht nur vom Standpunkt der Energiewirtschaft, sondern auch deshalb
aufs lebhafteste zu begrüßen ist, weil sie die Verwirklichung des praktischen
Anschlusses an das Deutsche Reich auf einem wichtigen Wirtschaftsgebiet
bedeutet“ (Alexander 2007, 253).
Diese
Verbindung
kann
als
„die
erste
große
zwischenstaatliche
Verbundswirtschaft in Mitteleuropa“ gesehen werden (ebd., 254). Die
allerdings nicht ganz ohne Krisen auskam. 1933 kam es zum ersten
80
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
Knackpunkt in den tiroler-bayrischen Beziehungen. Durch das Verbot der
NSDAP im Juni 1933 kam es von Seiten der deutschen Politik erstmals
wieder zu einer Ablehnungshaltung gegenüber den Österreichern bzw. im
speziellen gegen die Tiroler. Diese Haltung bewirkte einen Richtungswechsel
innerhalb der deutschen Energiepolitik. Die politischen Vertreter wollten
eine relativ große Unabhängigkeit von ausländischen Energieimporten
bewirken
und
setzten
verstärkt
auf
den
Ausbau
der
heimischen
Kohlevorkommen. In dieser Phase wurde den Tirolern erstmals um ihre
Abhängigkeit von den politischen Bedingungen der deutschen Nachbarn
bewusst.
Eine wichtige Etappe in der TIWAG Unternehmensgeschichte stellte die
Übernahme der insolventen Zillertaler Kraftwerke Aktiengesellschaft dar.
Dieses Unternehmen, das im Zillertal das Kraftwerk Bösdornau errichtet
hatte, war durch die verschärften wirtschaftlichen Bedingungen in den 30er
Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Absatzproblemen in Bedrängnis
geraten. So kam es Mitte des Jahres 1934 zu einer Übernahme durch die
TIWAG. Diese hatte dadurch nicht nur die Möglichkeit ihren langfristigen
Lieferverträgen
mit
den
Bayernwerken
bzw.
den
österreichischen
Staatsbahnen nachzukommen, sondern es gestaltete sich auch erstmals die
Möglichkeit durch die übernommenen Netzleitungen, als Direktversorger für
Tarifabnehmer aufzutreten. Zu den bestehenden und übernommenen
Netzen kamen in diesem Zeitraum auch noch einige 25 KV-Leitungen hinzu,
die gemeinhin als die „Landes-Sammelschiene“ bekannt waren. Dies hatte
zur
Folge,
dass
sich
eine
Vielzahl an
Gemeinden
und
industrieller
Großabnehmer an das Netz der TIWAG anschließen ließen und somit eine
„Phase der Konsolidierung und Expansion“ (Alexander 2007, 260) eintrat.
Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 trat für
die TIWAG ein neuer wichtiger Abschnitt in ihrer Unternehmensgeschichte
ein. 97,7% des Aktienpaketes der TIWAG wurde von der Bankengruppe und
der Stadt Innsbruck an die VIAG, einem zentralistisch organisierten,
deutschen Energieunternehmen mit Sitz in Berlin, käuflich abgetreten
welches dem NS-Regime unterstand. Dieses wiederum übertrug die Aktien
an die AEW, (Alpenelektrowerke AG) welche von der VIAG mit der
81
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
innerösterreichischen Planung der Energieversorgung beauftragt wurde.
Zwar waren nun die Besitzansprüche klar in deutsche Hand übergegangen,
allerdings gelang es der TIWAG als relativ eigenständiges Unternehmen mit
„Tiroler Charakter“ innerhalb des NS-Regimes weiterhin bestehen zu bleiben
(vgl. ebd. 263).
Die
Übernahme
gekennzeichnet
der
TIWAG
durch
durch
einen
die
rigorosen
Deutschen
war
Kraftwerksbau
vor
und
allem
einem
„Konzentrationsprozess“ in der Tiroler Elektrizitätswirtschaft (ebd. 264). So
wurde zu dieser Zeit das Laufkraftwerk Kirchbichl, an dem unter anderem
auch einige hundert Fremdarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt waren,
fertig gestellt, sowie das bereits begonnene Zillertaler Kraftwerk Bösdornau.
Zusätzlich erfolgte der Baubeginn für das Hochdruckkraftwerk Gerlos im
Zillertal
und
ein
expansiver
Stromleitungsbau
zur
Vernetzung
der
verschiedenen Kraftwerke. Um den Konzentrationsprozess innerhalb der
Tiroler E-Wirtschaft weiter zu verstärken, wurden der TIWAG zahlreiche
Beteiligungen
und
Übernahmen
von
gemeindeeigenen
und
privaten
Kraftwerken vom Reichsgau Tirol-Vorarlberg übertragen. Gerade diese
Zentralisierungstendenzen während der NS-Zeit waren sehr förderlich für
die TIWAG, um ihren heutigen Status eines wichtigen europäischen
Energieproduzenten und eines Landesenergieversorgers zu erreichen. Die
NS-Zeit war für die TIWAG, trotz der deutschen Betriebsübernahme, kein
Nachteil, sondern kann eher als ein Vorteil gewertet werden, weil die NSZeit ein gestärktes, zentralisiertes Unternehmen geschaffen hatte.
Nach Kriegsende galt die TIWAG als deutsches Eigentum und wurde der
Treuhänderschaft des Landes Tirols überstellt. Mittels Erlass vom 2.
Verstaatlichungsgesetzes
österreichischen
kam
E-Wirtschaft
es
dann
und
zwar
zur
Reformierung
wurde
erstmals
der
eine
Verbundsgesellschaft im Besitz der Republik und neun Landesgesellschaften
(im Besitz des jeweiligen Bundeslandes) gegründet. Diese wurden (außer
die Wiener Stadtwerke) alle in Form einer Aktiengesellschaft formiert und
hatten die Aufgabe die Versorgung auf Landesebene sicher zu stellen. (vgl.
Winkler-Rieder 1991, 571) Die Großkraftwerke die allgemein hin nicht für
die Landesversorgung herangezogen wurden, sollten an so genannte
Sondergesellschaften fallen, was zur Folge hatte, dass sich die TIWAG von
82
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
ihren beiden Zillertaler Kraftwerken Gerlos und Bösdornau trennen musste.
Am
2.
November
1953
wurde
die
Bestimmung
des
2.
Verstaatlichungsgesetzes, welches eine eigenständige Unternehmenspolitik
und eine selbständige Unternehmensführung der Landesgesellschaften
unterband, außer Kraft gesetzt und die TIWAG konnte ihren Weg als
eigenständiges Tiroler Elektrizitätsunternehmen antreten (vgl. Alexander
2007, 266-267).
5.2. Die SEL AG
In Italien wurde durch die Verstaatlichung des Energiesektors im Jahre
1962 eine zentralistische Monopolwirtschaft konstruiert, in welcher die
Hauptanteile der Stromerzeugung vom Unternehmen MONTEEDISON und
ENEL dominiert und die Stromverteilung per Gesetz an den Monopolisten
ENEL übertragen wurde. Die Energiepolitik wurde somit zentralisiert und
nicht föderal gehandhabt, wie dies in der Bundesrepublik Österreich durch
die Konstruktion der einzelnen Landesgesellschaften in den Bundesländern
der Fall war.
Mit der Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatus mittels D.P.R vom
31.08.1972
Nr.
670
kamen
erstmals
wieder
einige
wesentlichen
Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik zurück nach Südtirol. Vor allem
die für die Stromproduktion unabdingbare Entscheidungsbefugnis über die
Gewässernutzung mit Ausnahme der Großwasserableitungen konnten nun
von der Provinz Südtirol geregelt werden.
Zur Kompetenzerweiterung im Energiebereich kam es dann mittels der
Durchführungsbestimmung Nr. 235 vom 26. März 1977. Dieses präsidiale
Dekret befähigte das Land Südtirol im Art. 13 erstmals zur Errichtung eines
von der Provinz geführten Landesbetriebes, der die Verteilung und spätere
Übernahme der Anlagen der nationalen Energiekörperschaft tätigen sollte
(vgl. Gufler 2009, 22). Allerdings wurde bis zum Jahre 1997 und der
Verabschiedung des Landesgesetzes Nr.14 vom 10. Oktober das Thema der
eigenen Landesenergiegesellschaft nicht weiter berücksichtigt. Warum eine
solche Vernachlässigung stattfand, kann bis heute nicht mehr lückenlos
rekonstruiert
werden.
Im
Interview
von
Peter
Gufler
mit
dem
Generaldirektor der SEL AG, Maximilian Rainer, konnte dieser lediglich
83
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
Vermutungen anstellen. Seiner Meinung nach liegen die Gründe vor allem in
dem Umstand, dass den politischen Vertretern die „strategische Dimension
der Durchführungsbestimmung nicht bewusst war (…) bzw. es auch
gegenseitige Interessen gegeben habe, die teilweise gegen gelaufen sind“
(Gufler 2009, 170).
Die effektive Umsetzung des eigenen Landesbetriebes mit dem Namen
Südtiroler Elektrizitätsaktiengesellschaft kurz SEL AG (also ein Unternehmen
in Form einer Aktiengesellschaft), wurde Anfang November 1998 realisiert
und durch das nur einige Monate später in Kraft tretende Bersani-Dekret am
1. April 1999 eröffneten sich für das Landesenergieunternehmen eine
Vielzahl an Aktivitäten (Produktion, Import, Export, Kauf und Verkauf von
Strom), welche so im D.P.R 235/1977 nicht vorgesehen waren (vgl. Südtirol
24h 18.02.2004, 2). Für den Landesbetrieb waren lediglich koordinative
Aufgaben vorgesehen gewesen und die Erzeugung bzw. Verteilung der
Elektrizität hätte in den Aufgabenbereich der öffentlichen Körperschaften
fallen
sollen.
Um
Aufgabenspektrum
den
neben
Landesbetrieb
den
mit
öffentlichen
einem
so
weitreichenden
Körperschaften
trotzdem
legitimieren zu können, wurden durch die Beteiligungsgesellschaft SELFIN
102 Südtiroler Gemeinden und 4 Bezirksgemeinschaften an der SEL AG
beteiligt.
Die
13
Vinschger
Gemeinden,
die
hauptsächlich
die
Anrainergemeinden der großen Wasserkraftwerke darstellten, wollten sich
nicht mit diesem Beteiligungsangebot abspeisen lassen und entschlossen
„Nein, wir machen
das
selber. Wir
machen das
lokal“
(Wunderer,
16.09.2009).
In der Informationsbroschüre zum Unternehmen SEL AG, „Mit Energie in die
Zukunft“, heißt es zur Partnerschaft mit den Gemeinden:
„Durch strategische Partnerschaften wird der Energiestandort Südtirol
nachhaltig gestärkt. Eine solide Zusammenarbeit mit den Partnergemeinden
auf Basis lokaler und überregionaler Interessen ermöglicht die
Verwirklichung zukunftsweisender Energieprojekte“ (Broschüre SEL AG 3,
o.S.).
Diese grundlegende Bedeutung der Beteiligung an der Landesgesellschaft
SEL AG, durch die Südtiroler Gemeinden kann auch SEL-Präsidenten Klaus
84
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
Stocker bestätigen. Er räumt dieser Partnerschaft sogar eine „wichtige und
zukunftsweisende Rolle“ ein.
„Das Land Südtirol und die Südtiroler Gemeinden, welche gemeinsam die
SEL AG gegründet haben, erteilten ihr den Auftrag, (…) im Interesse des
gesamten Landes und seiner Bevölkerung die Energieversorgung zu
verbessern und abzusichern, saubere und erneuerbare Energiequellen zu
fördern und auf dem freien Markt als Energielieferant (Strom, Gas)
aufzutreten und mit möglichst günstigen Preisen die Volkswirtschaft zu
flankieren. Damit will ich sagen, dass die SEL AG in Südtirol eine sehr
wichtige und zukunftsweisende Rolle übernommen hat“ (Stocker, 03.12.09).
Scheint diese Partnerschaft für die SEL auch als wichtig und von
grundsätzlicher
gespaltene
Gemeinden.
Bedeutung,
so
spalten
Beteiligungsbegeisterung
Diese
haben
sich
die
die
in
SEL-Gründung
Gemüter
vier
der
und
ihre
Südtiroler
Interessensgruppierungen
ausdifferenziert und zwar:
•
will der Gemeindenverband allgemein Anteile an Kraftwerken und
Energie
•
wollen die Standortgemeinden höhere Entschädigungen, weil sie sich
als die Leittragenden deklarieren wie z.B. die Gemeinde Graun im
Vinschgau
•
die Gemeinden die selbst nicht die Möglichkeit eines Kraftwerksbaus
haben, aber auch am Stromkuchen beteiligt werden wollen
•
jene Gemeinden, die selbst Strom produzieren und verteilen12
Die ersten drei Interessensgruppierungen sind vor allem daran interessiert
sich entweder direkt oder indirekt an der SEL und ihren Gewinnen zu
beteiligen. Der Gemeindenverband und die Gemeinden ohne Möglichkeiten
einer
Stromproduktion
wollen
vor
allem
durch
die
Beteiligung
am
Unternehmen und der daraus resultierenden Dividendenausschüttung ihre
Kassen füllen. Die Standortgemeinden pochen vor allem auf einer höheren
Prozentbeteiligung bei den Kraftwerken und fühlen sich von der SEL AG
über den Tisch gezogen, wenn sich diese mit den Monopolisten EDISON und
12
Die Punkte 1-3 stammen aus dem Interview mit Konrad Pfitscher durchgeführt von Peter Gufler
(Gufler 2008, 111) Punkt Nr. 4 wurde durch die Autorin ergänzt und beruht auf eigenen Recherchen.
85
Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG
ENEL an einen Verhandlungstisch setzten und die Standortgemeinden mit
einem
niedrigen
Beteiligungsprozentsatz,
vom
großen
Stromgeschäft
aussparen wollen. Die Gemeinden die selbst am Energiemarkt tätig sind,
(dabei handelt es sich vor allem um die Obervinschger Gemeinden, die nicht
an der Beteiligungsgemeinschaft SELFIN, beim Gründungskapital der SEL
AG partizipierten) berufen sich vor allem auf ihre Rechte, durch das D.P.R
Nr. 235/1977. Dieses sieht für die öffentlichen Körperschaften im Art. 1
nämlich eine primäre Zuständigkeit im Verteilungsdienst vor; wörtlich heißt
es hier: (...) è la facoltà dei comuni di
gestire le attività eletriche“
(Wunderer, 16.12.09). Die Bestimmung sieht also vor, dass den öffentlichen
Körperschaften der Provinz Trient und Bozen die Möglichkeit gegeben wird,
durch eigens geführte Unternehmen elektrizitätswirtschaftliche Tätigkeiten
mit Ausnahme der Ein- und Ausfuhr von elektrischer Energie zu betreiben.
Der Vinschger Energieexperte und Obmann des E-werk Prad, Georg
Wunderer kritisiert, dass die SEL AG durch das Legislativdekret „Bersani“
nicht nur zum vorgesehen „Koordinierungsbetrieb für die Verteilung“,
sondern zu einem eigenständigen Energieunternehmen inklusive Produktion
und Verteilung, neben den vielen kleinen öffentlichen und privaten
Energieunternehmen mutiert ist und es trotz zwölfjährigem Firmenbestehen
der SEL AG bis dato immer noch kein „Südtiroler Stromwirtschaftskonzept“
gibt.
86
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
6. Unternehmensstruktur und -tätigkeit
Sowohl
die
TIWAG
als
auch
die
SEL
AG
wurden
in
Form
einer
Aktiengesellschaft gegründet und haben sich innerhalb kürzester Zeit zu
einer Holdinggesellschaft entwickelt. Das bedeutet, dass sowohl die TIWAG
als auch die SEL AG das Mutterunternehmen darstellen, welches auf
zahlreiche
Tochtergesellschaften
verschiedenster
aufbaut,
Tätigkeitsbereiche
welche
angesiedelt
sich
haben.
innerhalb
Um
dieses
Beteiligungsverhältnis zu verstehen, ist es unabdingbar sich mit der
Unternehmensstruktur
und
den
verschiedenen
Aufgabenbereichen
zu
beschäftigen. Dies ist von grundlegender Bedeutung, um die Firmenstruktur
einer Aktiengesellschaft im Energiebereich besser zu verstehen und auch
dessen Stärken und eventuellen Schwächen herausfiltern zu können.
6.1. Die TIWAG
Die TIWAG - Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft, ist in 100%igem
Aktienbesitz des Landes Tirol und damit ist der amtierende Tiroler
Landeshauptmann Günther Platter der Eigentümervertreter der TIWAG.
Gegründet wurde sie im Jahre 1924 und ist heuer somit bereits im 86.
Geschäftsjahr mit mittlerweile 1.400 Mitarbeitern tätig. Im Laufe der
Unternehmenstätigkeit
kamen
einige
Tochtergesellschaften
für
den
Mutterkonzern hinzu und auch das Betätigungsfeld hat sich auf die
Fernwärme-
und
Erdgasversorgung,
Telekommunikation
erweitert.
die
Informationstechnik
Folgende
Gesellschaften
und
die
sind
Tochtergesellschaften:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
TIGAS-Erdgas Tirol GmbH, Innsbruck (86%)
Achenseeschiffahrt-GesmbH (ASG), Eben a. Achensee (100%)
Achensee-Hotelgesellschaft m.b.H., Eben a. Achensee (65%)
TIWAG-Netz AG, Innsbruck (100%)
TIWAG Hydro Engineering GmbH in Liquidation, Innsbruck (100%)
TIWAG-Italia Srl, Bozen in Liquidation seit Ende 2009 (99%)
TIWAG Beteiligungs GmbH, Innsbruck (100%)
Wasser Tirol - Wasserdienstleistungs-GmbH, Innsbruck (60%)
Stadtwärme Lienz Produktions- und Vertriebs-GmbH, Lienz (48%)
87
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
Zusätzlich existieren auch zahlreiche Direktbeteiligungen durch die TIWAG
bzw. indirekte Beteiligungen durch die Tochtergesellschaften an anderen
Gesellschaften. Dazu zählen:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Energie AG Oberösterreich, Linz (8%)
Bioenergie Kufstein GmbH, Kufstein (50%)
Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH, Landeck (36%)
Österreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft AG
(VERBUND), Wien (7%)
Innsbrucker Kommunalbetriebe Aktiengesellschaft (IKB AG),
Innsbruck (49,99%)
A&B Ausgleichsenergie & Bilanzgruppen-Management AG, Innsbruck
(20,93%)
VERBUND-Austrian Hydro Power AG, Wien (27% mit der EVN und den
Wiender Stadtwerken)
VERBUND-Austrian Thermal Power GmbH & Co KG, Graz (27% mit
der EVN und den Wiender Stadtwerken)
SELTRADE AG, Bozen (9%)
SELGAS AG, Bozen durch die TIGAS 40%
Quelle: Homepage TIWAG: http://www.tirolerwasserkraft.at/de/nn/organisation/beteiligungen/index.php; Abruf:13.03.2010
Geführt wird das Unternehmen vom Vorstand, und zwar von Bruno
Wallnöfer, dem Vorstandsvorsitzenden und dem Vorstandsdirektor Alfred
Fraidl. Der Vorstandsvorsitzende ist zuständig für die Bereiche: Finanz- und
Rechnungswesen, Controlling und Beteiligungsmanagement, Recht und
Services, das Energiedatenmanagement, Personalmanagement, Technisches
Gebäudemanagement,
Unternehmensentwicklung
und
Organisation,
Zentraler Einkauf und die Stabstelle Kommunikation. Der Vorstandsdirektor
leitet
die
Erzeugung,
Bereiche:
Technologieentwicklung,
Stromhandel
und
Technische
Energiewirtschaft,
Koordination,
Vertrieb,
Informationstechnologie, sowie die Abteilung Bauwirtschaft
(vgl.
Homepage
TIWAG:
http://www.tiroler-
wasserkraft.at/de/nn/organisation/vorstand/index.php; Abruf:15.03.2010).
Der Vorstand ist somit klar in einen ökonomischen und einen technischen
Bereich gegliedert. Nach dem Aktienkontrollgesetz wird der Vorstand vom
Aufsichtsrat bestellt und dieser kontrolliert dessen Tätigkeit und kann im
Falle von groben Pflichtverletzungen diesen entlassen.
88
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
Der Aufsichtsrat ist also innerhalb der Aktiengesellschaft ebenfalls ein
gesetzlich
vorgeschriebenes
Organ.
Dieser
besteht
aus
sechs
Kapitalvertretern (vorzugsweise Landesbeamte) und drei Vertretern des
Betriebsrates. Die Kapitalvertreter werden vom Eigentümervertreter, also
dem Landeshauptmann in den Aufsichtsrat entsandt. Der Aufsichtsrat ist
das Beschlussfassende Organ. Es ist laut Art. 10 der Satzung nur dann
beschlussfähig, „wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen und
mindestens drei Mitglieder anwesend sind“ (Satzung TIWAG 19.09.2001,
Art.
10).
Der
Beschlussfähigkeit
Aufsichtsrat
auch
die
hat
zum
Möglichkeit
Zwecke
einen
einer
schnelleren
Ausschuss
aus
3
Aufsichtsratmitgliedern innerhalb des Aufsichtsrates zu bilden (vgl. Satzung
TIWAG 19.09.2001, Art.12).
Das
dritte
Gesellschaftsorgan
ist
die
Hauptversammlung
bzw.
auch
Gesellschafterversammlung genannt. In der Gesellschafterversammlung übt
der Aktieneigner seine
Rechte
aus. Diese Rechte beschränken sich
vorzugsweise auf die Genehmigung des Jahresabschlusses, die Ernennung
der Vertreter des Aufsichtsrates und die Ermächtigung von bestimmten
Handlungen des Vorstandes. Die Entscheidungskompetenz im Bereich der
operativen Geschäftstätigkeit unterliegt dem Vorstand und zum Teil (wenn
es sich um größere Entscheidungen handelt) dem Aufsichtsrat.
Diese gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft
erschwert vor allem den politischen Vertretern der Oppositionsparteien bzw.
auch den öffentlichen Kontrollinstanzen wie dem Rechnungshof, sich einen
Überblick über die Geschäftstätigkeit der „öffentlichen“ AG zu verschaffen.
Den Punkt, dass der Kapitalgeber zwar die öffentliche Hand ist, im
Gegenzug allerdings keinerlei Transparenz bei der Kontrollbefugnis durch
die Öffentlichkeit herrscht, kritisiert auch die GRÜNE Landtagsabgeordnete
Maria Scheiber.
„Wenn ich (als Landtagsabgeordnete) z.B. wissen will wie viele Lehrlinge die
TIWAG anstellt, dann bekomme ich die Antwort: Das ist das operative
Geschäft der TIWAG, das geht dich nichts an“ (Scheiber, 07.12.09).
Ähnlich verhält es sich auch bei den Kontrollen durch den Rechnungshof:
89
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
„Wenn der Rechnungshof überprüft was die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit
der TIWAG sind, (…) was für jeden nachvollziehbar ist, denn
Öffentlichkeitsarbeit ist ja ein Teil des öffentlichen Arbeitens. (…) Der
Rechnungshof hat das dann geprüft und den Bericht den man dann
veröffentlicht hat, der hat alle wichtigen Stellen, ich sage mal „geschwärzt“
gehabt. Also, wie viel die TIWAG für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
ausgibt, ist für Sie ein schützenswertes Geheimnis, so zu sagen ein
Betriebsgeheimnis“ (Scheiber, 07.12.09).
Die TIWAG ist also zwar ein Betrieb im Besitz der öffentlichen Hand, jedoch
gelten im Bereich der Kontrolle, der Ökologie und des Sozialen nicht die
Regeln der Öffentlichkeit, sondern jene des freien und privaten Marktes. Die
Aktiengesellschaft stellt zwar die transparenteste und klassische Form im
zivilrechtlichen Sinne dar, ist jedoch durch Kontrollen von Seite der
politischen Ebene geschützt. Firmeninterne Entscheidungen können trotz
Mehrheitsbeteiligung des Landes Tirols weder angefochten, noch verhindert
werden.
Die
Entscheidungen
privatwirtschaftlichem
ermessen
finden
statt
und
willkürlich
sind
in
und
erster
nach
Linie
der
Gewinnmaximierung dienlich. Der Landtag hätte zwar die Möglichkeit, dem
Unternehmen
eine
Öffentlichkeit
bzw.
größere
eine
Transparenzlegung
öffentlichere
in
Hinblick
Unternehmensgestaltung
auf
die
in
die
Satzung hinein zu geben, dies wurde aber vom Tiroler Landtag, trotz
mehrmaligem Einbringen der GRÜNEN mehrheitlich abgelehnt. Man kann in
diesem Falle nicht einmal der TIWAG einen Vorwurf machen, die ja nur nach
ihren
marktwirtschaftlichen
Regeln
handelt,
sondern
vielmehr
den
politischen Vertretern, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen sagen, das
Ökologische und das Soziale wollen wir der TIWAG nicht in die Satzung
geben (vgl. Scheiber, 07.12.09).
Auch die interne Kontroll- bzw. Informationspflicht im Aufsichtsrat durch die
von der Volkspartei (ÖVP) entsandten Verwaltungsvertreter ist nicht restlos
möglich. Die öffentliche Kontrollfunktion, die für ein Unternehmen, das
durch öffentliche Gelder finanziert wird, gewährleistet sein müsste, ist
praktisch kaum vorhanden. Es herrscht hier vielmehr ein Interessenskonflikt
bzw. kann von einer verwobenen Intransparenz einer Grauzone gesprochen
werden.
90
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
„(…) der Aufsichtsratvorsitzende ist immer derselbe, der auch
gleichzeitig Energiereferent ist. Derzeit haben wir diese Positionen
gespalten, dass ich einerseits sehr begrüße, aber andererseits geschieht
trotzdem nicht viel… (lacht) weil, dass ist die Macht der Gewohnheit.
Man weiß nicht, schafft jetzt gerade einmal die TIWAG oder schafft die
Regierung. Der Landtag ist es auf jeden Fall nicht – leider“ (Scheiber,
07.12.09).
6.2. SEL AG
Die
Gründung
der
Südtiroler
Elektrizitätsaktiengesellschaft
wurde
im
Oktober 1997 durch einen Gesetzesentwurf des Südtiroler Landtages
genehmigt und im November 1998 erfolgte die offizielle Gründung. Ihr
operatives Geschäft startete das Landesunternehmen erst im Jahr 2000 mit
der
Gründung
der
Tochterfirma
SELEDISON,
welche
zwei Vinschger
Kraftwerke betreibt. Beinahe zeitgleich wurde mit der SELGAS das zweite
Standbein des Unternehmens gegründet, welches die Versorgung Südtirols
mit Erdgas zur Aufgabe hat. Schrittweise musste sich die SEL AG ihren Weg
im Südtiroler Energiesektor bahnen, denn anders als die TIWAG, welche „in
Tirol seit fast einem Jahrhundert ihren Weg ungehindert gehen konnte und
eine herausragende Position auf dem Strommarkt gewonnen, sowie die
Entwicklung der Energieproduktion aus Wasserkraft weitestgehend selbst in
die Hand genommen hatte“, wurde die SEL „sozusagen ins Nichts hinein
geboren“ (Stocker, 03.12.2009).
Zu den wichtigsten Etappen in der jungen Unternehmensgeschichte gehören
unter anderem die Verhandlungen und der Einstieg bei den EDISON und
ENEL Kraftwerken, zwecks Rückgewinnung der großen Wasserkraftwerke in
Südtirol. Als zweiter Schritt gilt der Gewinn von neun der zwölf ENEL
Konzessionen,
beim
Großwasserableitungen
öffentlichen
des
ENEL
Wettbewerb
und
die
um
die
Beteiligung
auslaufenden
an
lokalen
Kraftwerksinitiativen zum Zwecke der Errichtung neuer Kraftwerke in
verschiedenen Teilen des Landes. Als dritter Pfeiler des Unternehmens sei
die Nutzung von Biomasse durch die Errichtung von entsprechenden
Fernheizwerken erwähnt. Der vierte Pfeiler im Unternehmensleitbild wurde
dem Klimaschutz gewidmet. In Kooperation mit der Autonomen Provinz
Bozen wurde das Unternehmen KlimaHaus Agentur GmbH gegründet.
91
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
Dieses Unternehmen, welches mittlerweile zu 100% der Provinz Bozen
unterstellt
ist,
unterstützt
Bauherren
beim
klimafreundlichen
und
zertifizierten Bauen eines Klimahauses. Ein weiteres Tochterunternehmen
der
SEL,
welches
sich
der
Forschung
und
Entwicklung
von
Wasserstofftechnologien verschrieben hat, ist die IIT Bozen. Diese ist
zusammen mit der Autobahngesellschaft A22 am Projekt „H2 Südtirol“
beteiligt, welches eine Wasserstofftankstelle in Bozen Süd plant.
Es stellt sich unweigerlich die Frage, warum wurde die SEL AG in Form einer
Aktiengesellschaft gegründet? Der Generaldirektor, Maximilian Rainer und
die anderen Mitwirkenden wählten diese Form, weil sie ihrer Meinung nach
die transparenteste im privatrechtlichen Sinne darstellt. Sie sei das
„klassische Instrumentarium“ für ein Unternehmen mit einem so hohen
Gesellschaftskapital.
Zudem
sei man
sehr
darauf
bedacht
gewesen,
sämtliche Kontrollen zu gewährleisten, die vom Gesetz vorgesehen sind
(vgl. Gufler 2009, 168). Ein weiterer Grund ist wohl auch die Tatsache, dass
die öffentliche Hand sich immer stärker bemühen muss, ihre Dienste nach
privatwirtschaftlichen, sprich rentablen Kriterien zu führen. Das Schreiben
von roten Zahlen ist in Zeiten von Wirtschaftskrise und Marktliberalismus
auch den öffentlichen Körperschaften nicht mehr erlaubt. Allerdings sollte
dies nicht dazu führen, dass die Unternehmensführung privatisiert werde,
weil
„in
diesem
strategischen
Gemeinschaftsinteressen
den
Bereich
Vorrang
vor
in
den
Zukunft
die
Privatinteressen
(Gewinnmaximierung) haben sollten“ (Stocker, 03.12.2009). Obwohl es für
privatrechtlich geführte Unternehmen unabdingbar ist, sich der Konkurrenz
zu
stellen
und
das
Streben
nach
Gewinn
Bestandteil
des
Unternehmenszweckes einer AG darstellt, relativiert der SEL-Präsident dies
und deklariert die Gewinnmaximierung als zweitrangig:
„Wir sind ein öffentlicher Betrieb, der nach privatwirtschaftlichen Kriterien
geführt wird, wo aber diese Kriterien nicht ausschließlich sind, denn die
Gewinnmaximierung gehört nicht dazu, wohl aber ein gesundes
Wirtschaften mit schwarzen Zahlen unterm Strich“ (ebd.).
Der Hauptaktionär der SEL AG ist mit 93,88% die Autonome Provinz Bozen
und mit einem Kleinstanteil von 6,12% die SELFIN. Für die Zukunft ist
92
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
geplant, dass der Anteil der Provinz minimiert wird. Es sollen Volksaktien in
stark gesplitterter Form für den Südtiroler Bürger ausgeben werden, um
Herrn und Frau Südtiroler mehr als nur eine symbolische Identifikation mit
dem Landesunternehmen zu ermöglichen. Auch der Beteiligungsanteil der
Gemeinden, die sich innerhalb der SEL stark unterrepräsentiert, und sich
mit zu wenig Entscheidungskompetenz ausgestattet fühlen, soll auf 20%
aufgestockt werden. Eine Privatisierung des Unternehmens wird allerdings
kategorisch
ausgeschlossen,
denn
dies
sei
nicht
zielführend.
Der
Energiesektor ist ein delikater Bereich der Daseinsversorgung und die
öffentliche Hand trägt hier die Verantwortung, „allen Bürgerinnen und
Bürgern, das Grundrecht auf erschwingliche, strategische Ressourcen zu
sichern,
besonders
unweigerlich
unter
den
die
schwächeren
Räder
kommen,
Einkommensschichten,
wenn
Dienste
nach
die
reiner
Gewinnmaximierung angeboten werden“ (ebd.).
Der Mitarbeiteranteil beläuft sich auf 100 Mitarbeiter, welche sich aber mit
der
geplanten
verbunden
Übernahme
Verpflichtung
des
zur
ENEL-Verteilernetzes
Übernahme
des
und
Personals,
der
um
damit
einiges
vervielfachen wird. Die SEL AG ist gleich wie die TIWAG eine HoldingGesellschaft mit der SEL AG als Muttergesellschaft und an die 26
Tochtergesellschaften, welche sich auf die Tätigkeitsbereiche aus den vier
Grundpfeilern: Strom, Erdgas, Wärme und Klimaschutz stützen.
93
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
Abb.11 Holding-Struktur der SEL AG
Quelle: Homepage SEL AG: www.sel.bz.it; Abruf: 13.03.2010
Durch das Abdecken der Hauptgeschäftsfelder des Energiesektors kann die
SEL AG als „Fullservice Dienstleister“ betrachtet werden. Im Bereich Strom
regelt sie sowohl die Produktion, Verteilung, den Import, Vertrieb und
Handel; im Bereich Gas den Vertrieb und die Verteilung. Die Fernheizwerke
werden von der Planung bis zur Verteilung der Wärme hausintern verwaltet.
Im Bereich des Klimaschutzes wurden bereits zahlreiche Projekte zum
Energieeinsparen und Energieeffizient handeln gestartet.
Anders als bei der TIWAG wird das Unternehmen nicht vom Vorstand,
sondern vom Präsidenten, Herrn Klaus Stocker und dem Generaldirektor
Maximilian Rainer geleitet. Der Präsident vertritt die Gesellschaft in
rechtlicher Hinsicht, wohin gegen der Generaldirektor mit der operativen
Geschäftstätigkeit betraut wird. Ihm obliegt die gesamte technische,
finanzielle, administrative und buchhalterische Leitung der SEL AG (vgl.
94
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
Satzung SEL AG, Art. 29). Laut Art. 12 der Satzung der SEL AG gelten
außerdem noch als Gesellschaftsorgane: die Gesellschafterversammlung,
der Verwaltungsrat, der Exekutivausschuss, der Überwachungsrat und der
Rechnungsprüfer (vgl. ebd. Art. 12).
Zu
den
Aufgaben
der
Bilanzgenehmigung
sowie
Gesellschafterversammlung
Präsidenten
Gesellschafterversammlung
sowie
den
die
ernennt
Gewinnverteilung.
den
Aufsichtsrat
gehören
Verwaltungsrat
und
evtl.,
wenn
die
Die
und
seinen
nicht
anders
vorgesehen, auch den Rechnungsprüfer. Sie beschließt auch über andere,
die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten (vgl. ebd. Art. 16).
Der Verwaltungsrat verwaltet in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten und
dem Generaldirektor das Unternehmen. Der Verwaltungsrat der SEL AG
entspricht dem Aufgabenfeld nach in etwa dem Aufsichtsrat der TIWAG. Der
Verwaltungsrat
besteht
aus
Unternehmenspräsidenten.
Ein
fünf
Verwaltungsräten
Verwalter
wird
von
und
der
dem
beteiligten
Gesellschaft der Gemeinden entsandt. Der Verwaltungsrat ist mit den
„weitest reichenden und uneingeschränktesten Befugnissen, in Bezug auf
die
ordentliche
und
außerordentliche
Verwaltung
und
auf
die
Gesellschaftsführung (…) ausgestattet und kann somit alle Handlungen
ausführen,
die
er
für
notwendig
oder
nützlich
erachtet,
um
den
Gesellschaftszweck zu erfüllen“ (ebd. Art. 23). Der Verwaltungsrat hat
außerdem auch noch die Möglichkeit, Teile seiner Befugnisse an den
Exekutivausschuss, welcher aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten
und einem ernannten Verwalter besteht, abzutreten. In Fällen von absoluter
und unaufschiebbarer Dringlichkeit hat der Präsident die Möglichkeit, auch
im Alleingang Entscheidungen zu treffen, die allerdings in der nächsten
Sitzung dem Verwaltungsrat mitgeteilt werden müssen.
Der Überwachungsrat ist eine zusätzlich installierte Kontrollinstanz, welche
aus drei ordentlichen Mitgliedern besteht. Dieses Gesellschaftsorgan ist in
Kooperation mit dem Rechnungsprüfer oder einer Revisionsgesellschaft
für die Kontrolle der Rechnungslegung der Gesellschaft verantwortlich. Sie
95
Unternehmensstruktur und -tätigkeit
kontrollieren somit die buchhalterischen-, finanz- und steuerwirtschaftlichen
Tätigkeiten des Unternehmens (vgl. ebd. Art. 30).
Ähnlich wie in Tirol die TIWAG bewerten auch die GRÜNEN Südtirols in ihrer
Funktion als Oppositionspartei die Unternehmensform der SEL AG eher
kritisch. Die ehemalige Landtagsabgeordnete Christina Kury sieht vor allem
einen Interessenskonflikt zwischen der privatwirtschaftlichen Organisation
und der für die öffentliche Kontrollgebarung notwendigen Daten- und
Informationstransparenz.
„Bei dieser einerseits privaten Gesellschaft SEL AG, ist nie wirklich klar,
welche Rolle diese spielt, weil wenn der Laimer auftritt, dann redet er
plötzlich für die SEL zugleich und im nächsten Moment ist die SEL dann
wieder eine private Gesellschaft von denen man keine Daten oder
Informationen bekommt“ (Kury, 14.12.09).
Der Energieexperte Georg Wunderer sieht in der Form der AG vor allem das
Problem einer zu starken Marktorientierung und einer zu schwachen
Orientierung an sozialen Parametern. Dies sei vor allem seit Beginn der
Liberalisierung des Energiemarktes auf europäischer Ebene so, weil durch
das
so
genannte
„Unbundling“
die
energiewirtschaftliche
Wertschöpfungskette in seine Einzelsubjekte gespalten wird. Es existiert
somit ein Produktionsunternehmen, ein Strom- oder Gashändler, ein
Verteilungsunternehmen usw. Diese Trennung hat zur Folge, dass sich die
Energie verteuert, weil jedes Subjekt einen Gewinn erzielen will (vgl.
Wunderer, 16.12.2009).
96
Die Wasserkraft
7. Die Wasserkraft
Sowohl die TIWAG als auch die SEL AG sehen ihre Haupttätigkeit in der
Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft und dem daraus resultierenden
Planen, Bauen und Betreiben von Wasserkraftwerken. Genau diese Tätigkeit
ist jedoch umstritten. Die TIWAG hat durch ihre erneuten Ausbaupläne der
Wasserkraft bei den Standortgemeinden, den Umweltverbänden und den
politischen Vertretern der GRÜNEN großen Missmut ausgelöst. Ähnlich
verhält es sich mit der SEL AG, die sich seit dem Wettstreit um die
auslaufenden ENEL Konzessionen bei Mitstreitern und Behörden zunehmend
unbeliebt gemacht hat. Es ist hier die Rede vom Interessenskonflikt: Land
als Hauptaktionär bei der SEL AG und das Land als Vergabeorgan bei den
Konzessionen.
Dieses Kapitel zeigt die Bedeutung der Wasserkraft für das jeweilige
Landesenergieunternehmen auf und die damit verbundenen politischen
Polemiken.
7.1. Die TIWAG
Die TIWAG wurde, wie aus dem Kapitel der Entwicklungsgeschichte bereits
klar hervor geht, auf der Basis der Elektrizitätserzeugung aus Wasserkraft
gegründet. Das 100%ige Landesunternehmen hatte und hat bis heute seine
Haupttätigkeit in der Versorgung der Tiroler Bevölkerung mit Elektrizität.
Diese Versorgungssicherheit wurde, vor allem im Zuge der europaweiten
Liberalisierung des Strommarktes und in der Folge mit der Konfrontation
der ersten „Black Out“ im europäischen Stromnetz, in den Mittelpunkt der
regionalen Energiepolitik gestellt und an den Ausbau der heimischen
Ressource Wasserkraft und einer grenzüberschreitenden Stromverbindung
nach
Italien
gekoppelt.
Dies
kam
in
der
Regierungserklärung
von
Landeshauptmann Van Staa vom 30.04.2003 mit folgenden Worten zum
Tragen:
„Die Tiroler Landesregierung bekennt sich zum sinnvollen Ausbau der
Wasserkraft
als
beste
erneuerbare
Energiequelle
und
zum
Zusammenschluss der Leitungsnetze insbesondere mit Südtirol, um die
Versorgungssicherheit zu verbessern“ (Brauner 29.05. 2006, 2).
97
Die Wasserkraft
Mit der Planung zum Ausbau der heimischen Wasserkraft wurde das
Landesenergieunternehmen TIWAG beauftragt. Diese legte im November
2004 der Tiroler Landesregierung ihren Optionenbericht über mögliche
Standorte künftiger Wasserkraftnutzung in Tirol vor. In diesem Bericht
bringt
die
TIWAG
sechzehn
mögliche
Optionen
eines
Ausbaus
von
Wasserkraftwerken auf den Plan. Vor allem geht man von einem doppelt so
hohen Potential an (theoretisch) produzierbarer Elektrizität aus, wenn nur
die notwendigen Ausbaupläne realisiert würden. Ende Dezember 2004
wurde ein vom Landeshauptmann eingesetztes Prüfungsteam gegründet,
welches aus siebzehn Landesexperten aus den verschiedensten Ämtern wie
Umweltschutz,
Raumordnung
usw.
und
externen
Experten
aus
Forschungsinstituten bestand. Dieses Expertenteam legte im Juli 2005 den
ihrerseits ausgearbeiteten Synthesenbericht: Fachliche Prüfung des TIWAG
Optionenberichtes über mögliche Standorte zukünftiger Wasserkraftnutzung
in Tirol vor. Am 15. August 2005 beschloss die Landesregierung vier
Optionen weiter zu verfolgen und zwar unter folgender Begründung:
„Eine
langfristige,
sichere,
kostenstabile
und
umweltverträgliche
Elektrizitätsversorgung Tirols kann nur auf die heimische, nachhaltige und
erneuerbare Ressource der Wasserkraft gestützt werden. Damit sollen auch
die
energiewirtschaftliche
Autonomie
und
standortpolitische
Handlungsfähigkeit des Landes gestärkt, hochwertige Arbeitsplätze
gesichert bzw. geschaffen und industrielle Wertschöpfung sowie
Strukturentwicklung
im
eigenen
Land
gewährleistet
werden“
(Fortschrittsbericht der TIWAG 24.05.2006, 3).
Bei den vier Optionen handelt es sich um folgende Projekte:
•
Neubau Speicherkraftwerk Malfon
•
Ausbau der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz
•
Ausbau des Kraftwerkes Kaunertal
•
Neubau Pumpspeicherwerk Raneburg/Matrei
Um die Versorgungssicherheit unter den oben erwähnten Gesichtspunkten
zu garantieren, beauftragte der Landeshauptmann, in seiner Eigenschaft als
Eigentümervertreter,
die
Organe
der
TIWAG
zur
Erstellung
einer
vertiefenden Studie, welche auch die betroffenen Grundstücksbesitzer,
Standortgemeinden,
Nutzungsberechtigte
Miteinbeziehen sollte.
98
und
Interessensvertreter
Die Wasserkraft
Durch
den
Synthesenbericht
wurden
die
Veränderungen
der
energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen erstmals klar angesprochen
und um diesen entgegen zu wirken, wurde dem Amt der Landesregierung
der
Auftrag
erteilt,
Energiepolitik,
zu
den
energiepolitischen
Energiemanagement,
Fragen
im
(Ziele
der
Besonderen
Energiesparmaßnahmen, Prüfung erneuerbarer bzw. alternativer Energien)
eine Darstellung des aktuellen Status und Überlegungen für weitere
Maßnahmen vorzulegen. Daraus entstand das Maßnahmenpapier Tiroler
Energiestrategie 2020 – Grundlage für die Tiroler Energiepolitik, dessen
Umsetzung im Oktober 2007 vom Tiroler Landtag beschlossen wurde und
als eine programmatische Grundlage für die zukünftig geplante Tiroler
Energiepolitik zu werten ist.
Am 24. Mai 2006 erfolgte dann die Vorlage der vertiefenden Studie der
TIWAG unter dem Titel: Projektvorschläge für den weiteren Ausbau der
heimischen Wasserkraft. Fortschrittsbericht der TIWAG gemäß Beschluss
der Tiroler Landesregierung vom 15. August 2005. Am Ende dieses Berichts
ersucht die TIWAG um eine „energiepolitische Grundsatzentscheidung, ob
die
berichtsgegenständlichen
Projekte
zum
Ausbau
der
heimischen
Wasserkraft durch die TIWAG mit dem Ziel ihrer Realisierung weiter verfolgt
werden sollen“ (Fortschrittsbericht der TIWAG 24.05.2006, 56). Die
Grundsatzentscheidung erfolgte schließlich im Regierungsantrag vom 27.06.
2006 und wurde vom Tiroler Landtag am 06. Juli 2006 mit 31 von 36
Stimmen zustimmend zur Kenntnis genommen.
Im Oktober 2006 präsentierte die TIWAG ihren Masterplan zur Umsetzung
der vier Projekte zum Ausbau der Wasserkraft in Tirol. Dieser sah eine
rasche Inangriffnahme des Projektes „Erweiterung der Kraftwerksgruppe
Sellrain-Silz“ vor, lies die drei weiteren Projekte (inklusive eventueller
Alternativen) noch ohne zeitliche Konkretisierung hinten angestellt. Der
Start hierfür sei „noch offen und hänge vom Fortschritt der jeweiligen
Projektentwicklung
ab“
wurde
vom
TIWAG-Vorstand
bei
der
Masterplanvorstellung erklärt. Konkret musste die TIWAG beim „Projekt
Sellrain-Silz“ bereits erste Abstriche machen, denn sowohl die „ergänzenden
99
Die Wasserkraft
Anmerkungen“ der Landesregierung, als auch die in Auftrag gegebenen
Gutachten
zweier
Energieexperten
zwangen
die
TIWAG
zu
einer
Verkleinerung des Projektes (vgl. Medienmitteilung TIWAG 18.10.2006, 1).
Durch das Marktforschungsinstitut OMG wurde eine Meinungsumfrage zum
Ausbau der Tiroler Wasserkraft in Auftrag gegeben und das Ergebnis
lautete: Die Tirolerinnern und Tiroler sind überwiegend für den Ausbau der
Wasserkraft und den Ausbau der vier konkreten Projekte (vgl. Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/TIWAG; Abruf: 03.03.2010).
Was von der Politik, den Energieerzeugern und der breiten Tiroler
Bevölkerung gutgeheißen wurde, galt für die Kraftwerksgegner, die sich aus
den
verschiedensten
Interessensverbänden,
Standortgemeinden
und
Bürgerinitiativen rekrutierten, als eine Art Ausverkauf der Heimat. Vor allem
die Tourismuslobby und die Umweltverbände sahen eine große Gefahr für
die
einmalige
Tiroler
Landschaft,
wenn
in
den
„wenigen
noch
unangetasteten Tälern des Landes die Gebirgsbäche hinter einer hohen
Betonmauer aufgestaut“ würden (Meinhart, 22.06.2006).
Als Kritikpunkt Nummer Eins gilt, dass hier Natur zerstört wird, um am
internationalen Strommarkt Geschäfte machen zu können. Um diese
Theorie zu untermauern, mobilisierten die Kraftwerksgegner den Schweizer
Energieexperten Heini Glauser, der den Strom aus Pumpspeicherwerken als
den „schmutzigsten Strom Europas“ bezeichnet. Die Pumpen werden nachts
mit billigem Atom- und Kohlestrom aus Deutschland zum Laufen gebracht,
um dann zu Spitzenstromzeiten Strom aus Wasserkraft produzieren zu
können, der zwar um ein Viertel weniger ist, als jener welcher zum
Hinaufpumpen genutzt wurde, der aber bis um den dreifachen Preis nach
Deutschland verkauft werden kann. Deshalb werden die Kraftwerkspläne
auch als die „Cashcow der TIWAG“ gesehen (ebd. Meinhart 22.06.2009).
Auf lange Sicht sei der Bau eines solchen Pumpspeicherwerkes wie SellrainSilz allerdings mehr als unrentabel, weil sich die Öl- und Kohlepreise durch
die
Verknappung
wesentlich
verteuern
werden
und
sich
damit
das
Hinaufpumpen nicht mehr rentieren wird. Anstatt auf Großwasserkraftwerke
zu setzen, sollte viel mehr der Ausbau von Solarenergie, Geothermie,
100
Die Wasserkraft
Biomassekraftwerken und Windanlagen vorangetrieben werden (vgl. TT
http://www.tt.com/club/epaper/artikeldrucken.html?SID=51d7c32292;
Abruf: 10.10.09).
Einer der bekanntesten Kritiker der TIWAG Kraftwerkspläne ist der Publizist
und Bauer aus dem Ötztal, Markus Wilhelm. Er formierte eine Ein-MannBürgerinitiative
für
den
Kampf
gegen
die
Kraftwerksbauten
und
veröffentlichte auf seiner Homepage (www.dietiwag.org) einige brisante
Unternehmensdetails
Kraftwerkspläne
der
TIWAG.
„Ausdruck
einer
Seiner
völlig
Meinung
nach,
verfehlten
und
sind
die
veralterten
Firmenstrategie“ und durch seine Recherchen seit 2004, entdeckte Wilhelm
„nach und nach (…) auf welch unsicherem Fundament das Unternehmen
steht“ (Wilhelm, 07.12.2009).
Wilhelm fand im Zuge dieser Recherchen heraus, dass die TIWAG in äußerst
bedenkliche
„Cross-Boarder-Leasing“
Geschäfte
verwickelt
ist.
Diese
Geschäftsidee stammt aus den USA und verhilft amerikanischen Investoren
zu steuerlichen Erleichterungen, indem sie Liegenschaften in Europa kaufen
und diese dann wieder an das verkaufende Unternehmen zurückleasen. Im
konkreten Fall, handelt es sich um den Verkauf von 14 der 15 größten
Kraftwerke und um einen Teil des Leitungsnetzes der TIWAG, an einen USTrust (=eine Investorvereinigung). Diese Geschäfte laufen unter dem
Vorzeichen größter Geheimhaltung und sind deshalb für ein Unternehmen,
das sich aus öffentlichen Geldern nährt, mehr als bedenklich. Durch die
öffentliche Bekanntmachung der „Cross-Boarder-Leasing“ Geschäfte kam
die
TIWAG
unter
Zugzwang
gegenüber
den
amerikanischen
Geschäftspartnern und verklagte daraufhin den Aktivisten Wilhelm wegen
Rufschädigung. Allerdings verlor das Landesunternehmen den Prozess in
letzter
Instanz
und
konnte
das
weitere
Bestehen
der
Homepage
www.dietiwag.org und die zahllosen Enthüllungen um die teilweise prekären
Geschäftstaktiken der TIWAG nicht verhindern.
Der
Kampf
der
Kraftwerksgegner
und
die
veränderten
EU-
Rahmenbedingungen im Bereich Wasserschutz zeigten Wirkung. Trotz der
101
Die Wasserkraft
überragenden Befürwortung durch die Tiroler Politik und der breite Tiroler
Bevölkerung ist es der TIWAG bis heute nicht gelungen eines ihrer vier
Projekte einzureichen. Dies vor allem deshalb, weil die geänderten EUWasserrahmenrichtlinien einen Bau von Großprojekten erschweren und dies
wiederum laufend Abänderungen der Projekte zur Folge hatte. Mit der
Übernahme dieser Richtlinie, droht das „Projekt Sellrain-Silz“ komplett zu
scheitern, weil es sich nicht an die vorgegebenen Restwassermengen halten
kann.
Die Strategie des Unternehmens ging indessen immer wieder in Richtung
einer starken Medienpräsenz, um den Ausbau der heimischen Wasserkraft
in ein positives Licht zu rücken. Eine Rechtfertigung wurde in den Zielen des
UNO-Weltklimaberichts
Emissionsreduktion
und
gesucht.
der
draus
resultierenden
wurde
es
Ebenso
Teil
der
CO2neuen
Firmenstrategie, sich vermehrt im Bereich der alternativen Energien zu
engagieren, ohne dabei das Zugpferd Wasserkraft außer Acht zu lassen.
„Man werde auch alternative Formen fördern. So will die Tiwag
Lärmschutzwände nutzen, um Solaranlagen aufzustellen. In Lienz wird man
7 Millionen Euro in die Hand nehmen, um das Biomasse-Fernheizwerk zu
sanieren. Doch die Wasserkraft bleibt im Zentrum“ (Kronen Zeitung
11.07.2007, 18).
Das Land Tirol hingegen reagiert auf die Stagnation beim Kraftwerksbau mit
einer 120.000 Euro teuren Wasserkraftwerkspotentialstudie, die laut der
Tiroler Tageszeitung (TT) um 1.900 Tage zu spät kommt und diese, der
Politik nicht ersparen wird, „Farbe zu bekennen, ob sie den bisherigen
TIWAG-Kurs für richtig hält und wo sie Kraftwerke forciert (…) ohne weiter
Zeit
zu
verplempern“
(vgl.
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090520_OTS0009;
TT
Abruf:
02.02.2010).
Trotz dieser provokanten Aussage in der TT dauerte es wiederum ein halbes
Jahr, bis die Tiroler Landesregierung im Dezember 2009 bekannt gab, dass
sie ein interdisziplinäres Expertenteam beauftragen will, um einen Entwurf
eines
Kriterienkataloges
auszuarbeiten,
welcher
zur
Bewertung
einer
integrativen und sinnvollen Nutzung des vorhandenen Wasserkraftpotenzials
102
Die Wasserkraft
herangezogen werden kann. Der Entwurf wurde vom interdisziplinären
Expertenteam erstellt und zur Finalisierung des Kriterienkatalogs lud die
Tiroler Landesregierung alle Interessierten ein „bis 28. Februar 2010 ihre
fachlichen Anregungen zum Kriterienkatalog-Entwurf schriftlich per Email
mitzuteilen“ (Amt der Tiroler Landesregierung 11.12.2009, 1-3). Bis zu
diesem
Zeitpunkt
gingen
Landesregierung
ein.
Miteinbeziehung
der
an
Die
die
300
TIWAG
Vorschläge
sah
ihre
bei
Projekte
Interessensgruppierungen
und
der
Tiroler
durch
der
die
Anti-
Wasserkraftwerks-Aktivisten gefährdet und lies in einer Stellungnahme
mitteilen, dass der „Entwurf im Falle einer Beschlussfassung den weiteren
angemessenen Ausbau der Wasserkraft in Tirol erheblich erschweren bzw.
letztlich verhindern“ würde. Außerdem „konterkariere“ der Entwurf die Ziele
der Energiestrategie 2020 und die „Gewichtung der Energiewirtschaft mit
lediglich 25 Prozent Relevanz ist laut Tiwag-Chef eine Absage an den
Wasserkraftausbau
in
Tirol“
(vgl.
http://www.dietiwag.org/index.php?id=3160; Abruf: 03.05.2010).
Das Vorbringen dieser Argumente Seitens der TIWAG verfehlte nicht seine
Wirkung bei der Tiroler Landesregierung und führte zu einer Einladung der
TIWAG zur Mitarbeit bei der Ausgestaltung des Kriterienkatalogs. Dieser soll
im
Sommer
2010
finalisiert
werden
kann
festgestellt
(vgl.
TT
www.tt.com;
Abruf:
09.07.2010).
Grundsätzlich
werden,
dass
die
Wasserkraft
der
wesentliche Baustoff des Unternehmens TIWAG darstellt. Die Erzeugung
von Spitzenstrom, der gegen Bandstrom mit den deutschen Energiepartnern
getauscht wird, ist der Grundpfeiler für die Versorgungssicherheit Tirols mit
Elektrizität.
Um
diese
Versorgungssicherheit
auch
weiterhin
zu
gewährleisten und nicht in eine Importabhängigkeit zu verfallen, versucht
die
TIWAG
weitere
Kapazitäten
des
kostbaren
„weißen
Goldes“
zu
erschließen. Die Kraftwerksgegner sehen im Ausbau der Tiroler Wasserkraft
nur eine Möglichkeit, möglichst viel Geld in die Unternehmens- und
Landeskasse zu spülen. Von der Unternehmensseite her wird der Ausbau
der Wasserkraft allerdings mannigfaltig gerechtfertigt. Einerseits sieht man
die Notwendigkeit der Erschließung dieser heimischen Ressource, um sich
103
Die Wasserkraft
von der Importabhängigkeit zu lösen und um sich andererseits vom
fossilen-atomaren Energiemarkt abzunabeln. Auch der Klimaschutz, durch
die CO2-freie Wasserkraftnutzung, wird immer wieder als Argument auf den
Plan gerufen. Diese Motivationen sind durchaus gerechtfertigt und klingen in
der Theorie auch einleuchtend, aber es muss auch berücksichtigt werden,
dass der Bau von weiteren Wasserkraftwerken für Umwelt, Tourismus und
Standortgemeinden eine große Belastung bedeutet. Von Seiten der TIWAG
wird
immer
betont,
dass
ein
„vorsichtiger
Ausbau
der
heimischen
Wasserkräfte gewährleistet“ (Medienmitteilung TIWAG, 10.07.2007) wird,
aber diese Aussagen werden von den Gegnern nur als leere Versprechungen
wahrgenommen, seit dem sprichwörtlichen Ausverkaufs der Heimat mittels
des „Cross-Boarder-Leasing“ durch die TIWAG.
7.2. Die SEL AG
Durch das Studium der Holdingstruktur der SEL AG wird schnell klar, dass
die
meisten
Tochterfirmen
des
Unternehmens
im
Bereich
der
Elektrizitätswirtschaft tätig sind:
„die Ausübung der elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeit gemäß dem Art. 1
des D.P.R. vom 26. März 1977 Nr. 235, im Rahmen der gesetzlichen
Grenzen des Gesetzesvertretenden Dekretes vom 11. November 1999, Nr.
463, und zwar, die Erzeugung, die Ein- und Ausfuhr-, den Transport, die
Umwandlung, die Verteilung sowie den An- und Verkauf von elektrischer
Energie, aus welcher Art der Energieträger diese auch immer gewonnen
wird“ (Satzung SEL AG, Art. 3).
Im Laufe ihrer kurzen operativen Geschäftstätigkeit hat sich die SEL AG
bereits eine Vielzahl an strategischen Partnerschaften gesichert und sich vor
allem an der Planung, dem Bau und dem Betreiben von kleineren bis
mittleren Wasserkraftwerken in Südtirol beteiligt. Das Hauptaugenmerk lag
jedoch immer schon auf der Rückholung der großen Wasserkraftwerke, die
von den ehemaligen Staatsmonopolbetrieben EDISON und ENEL besetzt
sind. Um sich das „weiße Gold“ langfristig zu sichern bzw. bereits vor Ablauf
der Konzessionen Einfluss darauf zu nehmen, setzte sich die SEL AG mit
dem Energieriesen EDISON, mit welchem sie bereits das Kraftwerk
Kastelbell und Glurns-Schluderns betreibt, an einen Verhandlungstisch. Die
Rückholung der Wasserkraft wurde vor allem deshalb favorisiert, weil es
104
Die Wasserkraft
nach jahrzehntelanger Nutzung ohne Bindung an das Territorium, endlich
die Möglichkeit einer Beteilung, durch die Landesgesellschaft SEL geben
sollte. Die Verhandlungen zwischen SEL AG und EDISON waren positiv und
am 11. April 2008 erwarb die SEL, mit Hilfe eines Landesdarlehens von 178
Mio. Euro rund 60% an sieben EDISON Kraftwerken, welche in die
gemeinsame Gesellschaft HYDROS AG flossen. Durch diesen Deal produziert
die SEL nun jährlich 600 Mio. kWh und überholte damit den größten, lokalen
Stromproduzenten ETSCHWERKE, der ein jährliches Produktionsvolumen
von ca. 500 Mio. kWh aufweisen kann (Dolomiten 02.04.2008, 15).
Ähnlich erfolgreich gestaltete sich die Verhandlung mit dem ENEL, welche
am 20. Oktober 2009 in die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft
mündete, deren Name SE HYDROPOWER GMBH erst nach zahlreichen
Konflikten zwischen der SEL, dem Land und den Gemeinden, am 1. Juni
2010 präsentiert wurde. Die Beteiligungsverhältnisse, hier ebenfalls 60%
SEL und 40% ENEL. Das ENEL ging diesen Deal vor allem deshalb ein, weil
sie sich durch das Ablaufen ihrer zwölf Konzessionen im Jahr 2010 und 2011
und den nicht rosigen Aussichten auf einen Gewinn des öffentlichen
Wettbewerbs mangels guter Umweltpläne ihre Position am Südtiroler
Stromkuchen langfristig absichern wollten. Dieselben Motivationen und die
Aussicht auf Schadensbegrenzung beim Verlust ihrer Elektrizitätswerke
veranlassten
auch
EDISON
die
Kooperation
mit
dem
Landesbetrieb
einzugehen, um sich auch weiterhin langfristig beim Südtiroler Stromkuchen
beteiligen zu können.
Das Land und die SEL AG sehen in diesen beiden Partnerschaften einen
„tollen Deal“, vor allem bedeutet „Wasserkraft für Südtirol mehr als nur
Strom.“ Um eine „autonome, sichere und ökologische Versorgung mit
Energie zu gewährleisten bzw. auf die Tarifpolitik einzuwirken“, (Radius
07/2008,
12)
sei
eine
Elektrizitätsversorgung
durch
die
Landesenergiegesellschaft von Vorteil. „Damit können wir der Wirtschaft
und den Familien, noch günstigere Strompreise anbieten. Bereits jetzt
gehören die Preise der SEL AG zu den niedrigsten Preisen im gesamten
Staatsgebiet“ (Hinterwaldner, 16/2008, 36).
105
Die Wasserkraft
Im Vergleich
mit
den Energieriesen ENEL und EDISON wird diese
Argumentation stimmen, denn die SEL bietet einen langfristig günstigen
Familientarif
(Angebot:
FamilienPlus)
an,
welcher
gleich
bleibende
Sonderkonditionen und Abschläge auf Jahre hin unverändert garantiert,
wohingegen die großen italienischen Energieunternehmen vermehrt mit
kurzfristigen Angeboten werben, die sich langfristig gesehen aber nicht
rechnen.
Mit
den
Strompreisen
der
lokalen
Südtiroler
Energiegenossenschaften kann die SEL AG aber nicht mithalten. Dies zeigte
ein Preisvergleich, der Ende Jänner 2010 in der Tageszeitung Dolomiten
veröffentlicht
wurde.
Das
Berechnungsbeispiel
vergleicht
einen
Jahresverbrauch von 2.700 kWh einer Familie mit einem Kind. Bezahlt die
Familie mit dem SEL Angebot 394,25 Euro, so kann dieselbe Familie,
vorausgesetzt, sie ist wohnhaft in der Gemeinde Prad a. Stilfserjoch, als
Mitglied vom E-werk Prad ihren Strom um 338,66 Euro beziehen. Noch
günstiger ist der Tarif für die Mitglieder der EUM Gen. Moos i. P., wo die
Familie
gerade
einmal
183
Euro
bezahlen
müsste
(Dolomitenb
30./31.01.2010, 17).
Wie kann das Land also von einem Vorteil durch die SEL sprechen, wenn
doch
die
lokalen
Mittel-
und
Kleinproduzenten
die
günstigeren
Stromangebote haben, als die SEL, die nun durch ihre Partnerschaften zum
größten Stromproduzenten im Land mutiert ist?
Georg Wunderer ist der Obmann des Raiffeisen Energieverbandes, welcher
als Interessensvertretung von 110 lokalen Energieproduzenten und –
Verteilern fungiert. Er sieht das Problem bei der SEL vor allem in ihrer
Aktienstruktur. Eine AG oder eine GmbH ist immer eine Kapitalgesellschaft
und will natürlich immer einen Gewinn machen, unabhängig davon, ob der
Besitzer nun das Land oder ein Privater ist. Er sieht auch nicht die Lösung in
einer Ausgabe von Volksaktien, weil auch das immer nur Kapitalgeber sind,
die einen Rückfluss, einen Gewinn vom Unternehmen verlangen. Günstig
kann der Strom nur dann sein, wenn nach dem genossenschaftlichen
Gedanken der billige Strom im Zentrum steht (vgl. Dall’O 16/2008, 38).
Die Ex-Landtagsabgeordnete der GRÜNEN Christina Kury betont, dass sie
damals, als die SEL Gründung im Landtag beschlossen wurde, auch dafür
106
Die Wasserkraft
gestimmt habe. Das Abschöpfen der Energie im Land selbst sei ein gutes
Argument
gewesen
und
sie
hoffte,
dass
dadurch
die
alten
Monopolgesellschaften vermehrt eingebremst würden. Diese Hoffnung hätte
sich allerdings nicht bewahrheitet, denn das „präpotente Auftreten“ der SEL
hat ihre Meinung grundlegend geändert. Kury geht sogar so weit und sagt:
„Anstelle des Staatsmonopols ist das
SEL Monopol getreten“ (Kury
14.12.2009). Kury kritisiert vor allem das Verhalten der SEL in Bezug auf
ihre strategischen Partnerschaften. Die SEL hat sich, anstatt sich für einen
Zusammenschluss mit den Südtiroler Energieproduzenten (z.B. mit den
Etschwerken,
Stadtwerken)
einzusetzen,
sich
lieber
mit
den
großen
Monopolisten an einen Verhandlungstisch gesetzt. Hier habe man vor allem
die
Gemeinden
„brutal
hinausgesperrt“.
Als
Beispiel
nennt
sie
die
Kraftwerke in Glurns und Kastelbell. Bei den neuen Verhandlungen mit dem
ENEL sei wieder ohne das Übereinkommen mit den Gemeinden verhandelt
worden und diese „präpotente Übervorteilung“ der SEL, die mit dem
„massiven Geld des Landes“ natürlich einen viel größeren Spielraum hat, als
die kleineren Betriebe, fördert „das Aufkommen großer Aggressionen“
gegen den Landesbetrieb. Eine Zusammenarbeit, wie sie ursprünglich
einmal geplant war, sei durch dieses „präpotente Auftreten“ einfach
schwierig geworden (vgl. Kury 14.12.2009).
Um die SEL aus diesem Image des übervorteilten Landesbetriebes bzw.
Landesmonopols
herauszuführen,
wurde
die
Diskussion
verstärkt
in
Richtung Direktbeteiligung von Gemeinden und Bürgern geleitet. Nachdem
bereits nach dem EDISON-Deal 2008 die Stimmen um eine solche
Direktbeteiligung an der SEL laut wurden, man zu diesem Zeitpunkt aber
immer noch abwartend in Richtung ENEL Konzessionen blickte, kann die
Diskussion nun nicht mehr abgewendet werden. Die Gemeinden wollen am
gewinnträchtigen Südtiroler Stromkuchen mitnaschen und auch die Art der
Beteiligung am Landesenergieunternehmen durch den Bürger rückt immer
weiter in den Mittelpunkt.
Die (Vinschger) Gemeinden sind vor allem durch die beiden Mandatare der
SÜDTIROLER VOLKSPARTEI (SVP) Sepp Noggler und Arnold Schuler (beide
aus dem Vinschgau) in der Diskussion um die Großwasserableitungen im
107
Die Wasserkraft
Landtag sehr gut vertreten. Die beiden „SVP-Rebellen“ stellen sich seit
Beginn ihrer Mandatszeit in den Dienst der Interessensvertretung der
Vinschger Standortgemeinden, was Landesrat Laimer und LH Durnwalder
eher kritisch bewerten. „Noggler und Schuler sind bald mehr bei der
Opposition als bei der Mehrheit“ wurde LR Laimer zitiert (Dolomiten
28.10.2009,
15).
In
der
Gesetzgebungskommission
des
Landtages
versenkten die beiden zusammen mit der Opposition zwei, für die
Landesenergiegesellschaft wichtigen Passagen des Entwurfes zum EnergieOmnisbus Gesetz. Durch den ersten Passus wollte die Landesregierung die
provisorische
Konzession
für
die
SEL-EDISON
am
Haidersee
und
Langtaufers in eine fixe Konzession umwandeln, was aber mit der
Begründung, dass diese bereits 1998 verfallen sei und dadurch neu
auszuschreiben ist, von den „SVP-Rebellen“ blockiert wurde. Der zweite
Passus, der ebenfalls einen Vorteil für die SEL AG bedeutet hätte, aber
ebenfalls von Noggler und Schuler versenkt wurde, betraf den Antrag des
Landes über eine kostenlose Übergabe der Kraftwerksanlagen vom Staat an
die Konzessionäre (z.B. SEL-EDISON oder SEL-ENEL). Diese „ungute
Wadenbeißerei“
wurde
innerhalb
der
Partei
natürlich
aufs
äußerste
verurteilt, aber Noggler und Schuler argumentierten „Augen zu und durch,
wie das Land will, geht mit uns nicht. Wir wurden nicht zum Handaufheben
gewählt“ (ebd.).
Um nicht einen wirtschaftlichen Verlust zu riskieren, bzw. den politischen
Frieden zwischen Gemeinden und Land vor den Gemeinderatswahlen 2010
zu gefährden, setzte man sich im Dezember 2009 an einem runden Tisch
zusammen, um die Aufteilung am Südtiroler Stromkuchen zu diskutieren.
Die Gemeinden, die weitestgehend geschlossen auftraten, verlangten vor
allem „Einsicht in die Verträge der SEL mit EDISON und ENEL“, um in der
Folge „Spielräume auszuloten und Strategien zu entwickeln“ (Dolomiten
02.12.2009, 15). Das Fahren einer einheitlichen Linie bei den Gemeinden
wurde von LR Laimer begrüßt und man wich vom Plan ab, die Gemeinden
lediglich bei einer Tochtergesellschaft der SEL zu beteiligen und bot ihnen
statt dessen „einen Einstieg bei der Holding an, damit sie bei allen
strategischen Entscheidungen dabei sind“ (ebd.). Das Angebot des Landes
gegenüber den Gemeinden lässt sich sehen. „Die Landesregierung hat sich
108
Die Wasserkraft
ernsthaft bewegt. Das muss man anerkennen“, meinte der Chef des
Gemeindenverbandes Arnold Schuler, als LR Laimer und LH Durnwalder eine
20
Prozentbeteiligung
am
Aktienpaket
der
SEL-Holding
inklusive
Stromverteilung als Zuckerl oben drauf packten. Allerdings wurden den
Gemeinden immer noch die Einsicht in die Verträge zwischen SEL und
EDISON bzw. SEL und ENEL verwehrt (vgl. Dolomiten 12./13.12.2009, 15).
Auf Druck der Landtagsabgeordneten, und zwar parteienübergreifend, sah
sich LR Laimer Ende Jänner gezwungen, den Gemeinden die Inhalte der
Verträge zwischen der SEL und den ehemaligen Monopolisten zu erläutern.
Aushändigen wollte der Landesrat die Verträge allerdings nicht, was beim
damaligen Gemeindenverbandschef Arnold Schuler auf Unverständnis stieß.
Inmitten der Diskussion um die Beteiligung der Gemeinden an der SEL bzw.
der Stromverteilung im Lande nach der Konzessionsvergabe präsentierten
die
beiden
SVP
Landtagsabgeordneten
Noggler
und
Schuler
der
Öffentlichkeit ein neues Stromkonzept, welches einen Weg zu günstigeren
Stromtarifen aufzeigt. Dieses Konzept, wurde mir bereits im Rahmen
meines Interviews (am 16.12.2009) vom Energieexperten Georg Wunderer
erläutert und baut auf dem genossenschaftlichen Gedanken auf, um in
erster Linie günstige Tarife für die Mitglieder zu ermöglichen.
109
Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip
8. Stromwirtschaftliches Konzept nach dem
Genossenschaftsprinzip
Am
08.
Jänner
2010
präsentierte
die
Tageszeitung
Dolomiten
ein
Leserforum, bei welchem die Südtiroler Dolomitenleser ihre Meinung zum
Thema: Volksaktien bei der SEL oder billigeren Strom für die Bürger,
kundtun konnten. Das Fazit war eindeutig. „Billigeren Strom für alle“
forderten Herr und Frau Südtiroler und keine Volksaktien, denn diese
„können sowieso nur die kaufen, die eh schon viel haben“ (Dolomiten
08.01.2010, 14).
Diesen Ansatz greift das Strommodell, welches von Georg Wunderer
entworfen und von den Landtagsabgeordneten Noggler und Schuler
präsentiert wurde, auf. Das Modell der Beteiligung an der Aktiengesellschaft
SEL ist laut Wunderer nicht die Lösung; nicht für die Gemeinden und schon
gar nicht für den Bürger. „Wenn man etwas ändern will, dann muss man
das Konzept anders machen“ (vgl. Wunderer 16.12.2009). Die SEL AG kann
dem Bürger zwar günstige Tarife anbieten, diese können aber niemals so
günstig sein wie jene einer Genossenschaft und dies aus zweierlei Gründen.
Eine Aktiengesellschaft, welche Strom verkauft, ist einer sehr hohen
Besteuerung ihres Strompreises unterworfen, und zweitens ist die Trennung
zwischen
Produktion
und
Verteilung
nach
einheitlichen
europäischen
Richtlinien vorgeschrieben. Die Besteuerung des Strompreises fällt für
Genossenschaften um einiges günstiger aus, denn sie dürfen laut Gesetz
keinen Gewinn machen und sind deshalb in der Lage, ihren Mitgliedern den
Strom zum Selbstkostenpreis zu verkaufen. Auch die Trennung zwischen
Produktion und Verteilung ist bei den Genossenschaften nicht angewandt
worden, weil sie laut Bersani Dekret Art. 2 „per la quota dei soci sono
autoproduttori e autoconsumatori“13 (ebd.). Für die Nicht-Mitglieder hat die
Genossenschaft aber das Recht, einen Verteilerdienst auszuüben und
schließt diese nicht aus, sondern beliefert sie zu einem etwas höheren Tarif.
Die Mitgliedschaft ist allerdings für jeden offen und die Beitrittsquote fällt
13
Die Produktion und Verteilung erfolgt für die Mitglieder in Form der Eigenerzeugung und
Eigenverbrauchs. (Freie Übersetzung der Autorin)
110
Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip
bei einem Familienanschluss von 3 kWh äußerst gering aus (vgl. Dolomitena
14.01.2010).
Vor allem die Trennung von Produktion und Verteilung, das so genannte
Unbundling,
welches
Energiemarktes
im
eingeführt
Zuge
der
wurde,
Liberalisierung
ist
Schuld
an
des
den
europäischen
immer
teurer
werdenden Strompreisen. Eingeführt wurde dieses System, um bei den
ehemaligen Monopolsektoren wie z.B. Energie, Telekommunikation usw.
einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern zu ermöglichen. Dies
wiederum hätte nach den Regeln des freien Marktes zu niedrigen Preisen für
den Konsumenten führen sollen. Die Regeln des freien Marktes konnten
sich, vor allem im Energiesektor, nicht durchsetzten, weil es zu einer
Spaltung des einstigen homogenen Systems gekommen ist. Der Produzent
ist jetzt nicht mehr am Verbraucher orientiert, sondern will seinen
produzierten Strom zu einem möglichst hohen Preis an der Strombörse
verkaufen. An der Strombörse kaufen und verkaufen die so genannten
Trader den Strom und auch diese wollen ihren Gewinn dabei machen. Am
Ende der Kette stehen die Verteiler, die durch Gesetze stark beschränkt
werden und die im ganzen Staatsgebiet den Strom zu den gleichen
Konditionen verteilen müssen, was dazu führt, dass die Netze in den
ländlichen Gebieten, die mit hohen Kosten verbunden sind, für den Verteiler
unrentabel geworden sind und hier eine große Anfälligkeit bei der
Versorgungssicherheit entsteht. Genau diese Kette von Subjekten, die nur
am Gewinn orientiert sind, gilt es zu durchbrechen, und das ist nur möglich
durch ein neues Stromkonzept (vgl. Wunderer 16.12.2009).
Dieses sieht eine Einteilung Südtirols in vier Verteilergenossenschaften vor
und zwar die Verteilergenossenschaft Vinschgau, Etsch, Eisack und Rienz.
Die
Verteilergenossenschaften
sind
so
aufgeteilt,
dass
die
bereits
bestehenden Verteiler, wie Etschwerke, Stadtwerke Brixen, Stadtwerke
Bruneck und das Vinschger Energiekonsortium, diesen Dienst übernehmen
könnten. Jede Familie, Dienstleistungsbetrieb, Gewerbetreibender und
Landwirtschaftlicher
Betrieb
haben
die
Möglichkeit,
sich
der
Verteilergenossenschaft anzuschließen und dadurch eine Direktbeteiligung
zu erlangen, d.h. sie können selbst mitbestimmen, denn jedes Mitglied hat
111
Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip
auch eine Stimmberechtigung bei den wichtigen Abstimmungen in der
Hauptversammlung. Das Verteilernetz, das dem Land vom ENEL übergeben
wird, sollte den Gemeinden zum halben Preis verkauft werden bzw. wenn
die
Gemeinden
kein
Interesse
am
Verteilernetz
haben,
der
Verteilergenossenschaft verkauft werden. Zum jetzigen Zeitpunkt existieren
in Südtirol 65 Verteiler. Um diese Anzahl zu reduzieren, wie es im
Verteilerplan des Land gefordert wird, könnten die kleineren Verteiler bzw.
die Gemeinden, die zwar ihr Netz behalten, den Verteilerdienst selbst aber
nicht ausführen wollen, das Netz an die Verteilergenossenschaft verpachten
und dadurch sämtliche bürokratischen Zuständigkeiten abtreten. Das
System
der
Verteilergenossenschaften
Stromverteilungszone
sowohl den
bietet
Gemeinden, als
innerhalb
der
auch den lokalen
Verteilern, den Bürgern und Betrieben ihre Kooperation an und arbeitet vor
allem nicht gewinnorientiert.
Damit das System auf genossenschaftlicher Basis funktioniert ist die
Beteiligung bzw. der Besitz der Produktion unabdingbar,
damit die
Genossenschaft im Sinne der Eigenproduktion und des Eigenverbrauchs
handeln kann. Hier kommen die Produktionsanlagen der SEL AG ins Spiel.
„Laut Verträge mit dem ENEL hat die SEL das Recht, große Mengen an
Elektrizität zum Selbstkostenpreis zu bekommen“ (Dolomitena 14.01.2010,
13). Dieser Strom könnte von der Genossenschaft direkt an den Bürger
weitergegeben werden. Das System der Verteilergenossenschaften sieht
eine Beteiligung an den Großwasserableitungen wie folgt vor:
•
20% Land
•
20% Gemeinden
•
30% Verteilergenossenschaften
•
18% Lokale Energieunternehmen
•
12% Private Aktionäre
Um die vier Genossenschaften zu vernetzen, benötigt es auch zentrale
Stellen. Unter anderem sollte ein Trader eingerichtet werden, welcher den
Lastregelungsdienst bzw. den Stromhandel koordiniert. Außerdem sollte ein
zentraler
Landesstromkoordinator
eingerichtet
werden,
welcher
die
zentralen Dienste, wie z.B. ein Kompetenzzentrum, Messdatenauslese,
Lager und Fortbildungen organisiert.
112
Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip
Die Rolle der SEL AG bzw. des Landes im neuen Genossenschaftssystem ist
klar auf die Koordination bzw. Technische Wartung der Kraftwerke bzw. auf
das Setzen der rechtlichen Rahmenbedingungen beschränkt. „Das Land
sollte nicht Wirtschaft spielen. (…) Das Land kann sich mitbeteiligen an der
ganzen Sache. Es hat aber die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu
schaffen“ (ebd.). Vor allem der Interessenskonflikt zwischen Land als
Organ, das die Ausschreibung und Vergabe von Konzessionen bestimmt,
und als Mitbewerber im Wettbewerb durch die SEL, (auch wenn LH
Durnwalder immer wieder betont, dass das Land alle Bürger sind) könnte in
Zukunft zu Problemen führen.
„Das Land will Schiedsrichter und zugleich Mitspieler sein. In einem
Fußballspiel würde man von einem evidenten Interessenskonflikt sprechen“
(Dall’O 48/2009, 34).
Vor allem seit die Vergabe der Konzessionen offiziell abgeschlossen ist,
hagelt es Rekurse von allen Seiten. Die SEL reichte Rekurs gegen die
Vergabe der Stromkonzession Mühlbach an den privaten Unternehmer
Helmuth Frasnelli ein (vgl. Dolomiten 04.02.2009, 15). Helmuth Frasnelli
konterte indessen mit einer strafrechtlichen Eingabe, was eine umfangreiche
Kontrolle im Assessorat für Umwelt und Energie durch die Finanzwache zur
Folge hatte. Frasnelli beanstandete, dass bei der Konzession St. Anton, um
die er sich beworben hatte, „nicht alles rechtmäßig“ abgelaufen sei (vgl.
Dolomiten 30./31.01.2010, 15). Die Etschwerke drohten bisweilen sogar mit
einem Rekurs gegen die Durchführungsbestimmung zur Energie, wenn sie
ihr Kraftwerk Töll an die SEL verlieren, welche die weitaus besseren
Umweltpläne vorlegen konnte (vgl. Dolomiten 02.02.2010, 11). Auch die
Gemeinde Martell will einen Rekurs einreichen, falls sie nicht eine 20%
Beteiligung am Kraftwerk Martell vom Konzessionsgewinner SEL
AG
bekommt (Zett 24.01.2010, 2).
Aus dem Streit zwischen Land Südtirol und ENEL bzw. EDISON hat sich ein
interner Streit entwickelt, der vor allem eine Gefahr für die erworbenen
Kompetenzen bedeutet. „Wenn jeder gegen jeden klagt, besteht nämlich die
Möglichkeit,
dass
außergerichtlicher
alles
fliegt.
Vergleich
(…)
wohl
Angesichts
besser“.
113
dessen
Auch
die
wäre
ein
oberste
Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip
Wettbewerbsbehörde aus Rom hat sich bereits zum Konzessionswettbewerb
gemeldet, denn auch hier hat man den Eindruck, dass es Absprachen gab
und der Wettbewerb somit gar keiner war (ebd.).
Vor
allem
die
Konzessionsvergabe
Polemik
um
zeigt,
dass
den
die
Interessenskonflikt
Idee
einer
bei
der
genossenschaftlich
organisierten Energiegesellschaft mit Beteiligung aller Subjekte durchaus
prüfenswert ist. Die beiden SVP-Mandatare räumen ein, dass dieses
neuartige Konzept zwar „eine organisatorische Herausforderung darstellt“,
allerdings seien diese „technischen Hürden überwindbar.“ Auch SVPObmann Richard Theiner möchte das genossenschaftliche Modell einer
ernsthaften Prüfung unterziehen (vgl. Dolomitena 14.01.2010, 13) und auch
LR Laimer will den „Vorstoß seiner Parteikollegen prüfen lassen“ (Dolomitenb
14.01.2010, 13). Er gesteht den Genossenschaften ihre steuerlichen
Vorteile zu, bemängelt allerdings den hohen bürokratischen Aufwand und
glaubt, dass in einer landesweiten Dimension die Verwaltbarkeit einer
Genossenschaft schwierig sein könnte. Summa summarum räumt der
Energielandesrat ein: „Es ist schwierig, doch nicht unmöglich“ (vgl. ebd.).
Energieexperte
Georg
Wunderer
sieht
in
der
Verwaltung
einer
Genossenschaft auf Landesebene keinerlei Probleme. In Amerika gibt es an
die 850 große Genossenschaften, die Strom produzieren und verteilen. Die
Genossenschaften werden immer in die Schublade der „Roten“ gesteckt,
was aber nicht stimmen kann, wenn sogar im Land des Kapitalismus im
Bereich der grundlegenden Versorgung auf dieses System gesetzt wird. Die
Stromversorgung ist eine solche grundlegende Versorgung und „es ist sehr
fraglich, sie dem Profitdenken zu unterwerfen“ (Dall’O 48/2009, 33).
114
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
9.
Vergleichendes
Resümee
und
Schlussfolgerung
Die
Vergleichsanalyse
der
beiden
landeseigenen
Energieversorger
in
Südtirol und Tirol hat gezeigt, dass die TIWAG in Tirol ähnlich wie die SEL
AG in Südtirol auf der Grundlage der Wasserkraftnutzung gegründet wurde.
Die TIWAG kann bereits auf eine jahrzehntelange Tradition in der
Elektrizitätserzeugung
und
auf
ein
homogenes
Versorgungsgebiet
zurückgreifen, wohingegen die SEL AG ihre Position in einem bereits
existierenden Produktions- und Versorgungssektor erst noch finden muss.
Gesetzlich
durch
die
Koordinationsbetrieb
Durchführungsbestimmung
vorgesehen,
änderte
sich
1977,
diese
einst
Rolle
bei
als
ihrer
Gründung 1998 grundlegend. Das Land, in seiner Rolle als Haupteigentümer
der
SEL,
sieht
in
dieser
einen
strategischen
Betrieb,
der
für
die
Rückgewinnung der fremdbeherrschten Wasserkraft zuständig ist und der
neben den kleinen Energieunternehmen im Lande als großer Landesbetrieb
mit eigener Stromproduktion und –Verteilung auftreten soll. Die Herrschaft
über die Wasserkraft bedeutet allerdings immer auch Geld und Macht und
darum streiten sich nun alle Beteiligten. Die Gemeinden wollen am
Südtiroler Stromkuchen genauso Anteil haben wie das Land, der Bürger
fordert vom Landesbetrieb billige Stromtarife. Die SEL, in ihrer Rechtsform
als Aktiengesellschaft strebt natürlich wie jede AG nach Gewinn, denn ohne
Ausschüttung von Dividenden funktioniert eine solche Aktiengesellschaft
nicht. Die Gewinnorientiertheit einer Aktiengesellschaft ist vor allem für den
Dienst einer Grundlagenversorgung, wie sie die Elektrizitätswirtschaft
darstellt,
äußerst
bedenkenswert.
Das
Prinzip
des
freien
Marktes
(Liberalisierung) welches davon ausgeht, dass der Wettbewerb unter
mehreren Anbietern auch einen niedrigeren Preis zur Folge hat, brachte im
Energiesektor keinen Erfolg. Die Trennung der verschiedenen Subjekte in
der Wertschöpfungskette (Produktion, Verkauf und Verteilung) hat vielmehr
dazu geführt, dass sich der Strompreis für den Endverbraucher verteuert
hat, weil jedes Subjekt am Strom verdienen will. Die Orientierung am
Konsumenten geht dadurch verloren. Diese Marktorientiertheit und dieses
115
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Verlangen nach einer guten Position auf dem Strommarkt zeigt deutlich das
Beispiel der „Cross-Boarder-Leasing“ Verträge der TIWAG. Um neues Geld
für Investitionen, für den Kraftwerksbau beschaffen zu können und sich
dabei nicht zu verschulden, wurden bereits bestehende Anlagen an
amerikanische
Investorenfirmen
verkauft
und
im
selben
Moment
zurückgeleast. Was fiskalisch gesehen für eine AG durchaus lohnenswert
erscheint, ist politisch gesehen für ein Unternehmen der öffentlichen Hand
ein Fiasko, denn hier wurde das Eigentumsrecht an öffentlichen Anlagen,
ohne Wissen und Beteiligung des Bürgers einfach verkauft. Ein solches
Entscheidungsverhalten von Verwaltungsräten ist natürlich marktkonform
und verhilft dem Unternehmen zu frischem Kapital, ohne sich dafür neu
verschulden zu müssen, aber gegenüber der Öffentlichkeit ist ein solch
spekulatives
Verhalten
Geheimverträge
nicht
vertretbar.
Die
durch Kraftwerksgegner hatte
Veröffentlichung
für
dieser
die TIWAG einen
erheblichen Imageschaden in der Bevölkerung zur Folge und ist auch dafür
verantwortlich, dass die Gegner immer wieder die Ausbaupläne der Tiroler
Kraftwerke verzögern können.
Grundsätzlich ist die Tiroler Landesregierung seit Ende 2009 bemüht, den
Bürger, in die von ihnen bereits genehmigten Ausbaupläne zu involvieren,
um eine größere Identifikation mit den Maßnahmen zu schaffen. Es wurde
die Initiative „Entwurfs eines Kriterienkataloges zur Bewertung einer
integrativen
und
sinnvollen
Nutzung
des
vorhandenen
Wasserkraftpotenzials“ ins Leben gerufen, bei welchem interessierte Bürger
ihre Meinung äußern konnten und diese dann in den Kriterienkatalog
eingearbeitet werden sollen. Ob diese Initiative ein positives Ergebnis zur
Folge haben wird oder nicht, bleibt abzuwarten, denn die Einladung der
Landesregierung zur aktiven Mitarbeit der TIWAG beim Entwurf, lässt
vermutlich
wenig
kritische
Meinung
am
Ausbau
der
Wasserkraft
aufkommen. Der Schritt, den Bürger an einer so wichtigen öffentlichen
Entscheidung teilhaben zu lassen, ist auf allerdings auf jeden Fall positiv zu
bewerten.
Auch die SEL AG hat durch ihr „präpotentes Auftreten“ (Kury, 14.12.2009)
einen großen Imageschaden erlitten, welcher sich auch nicht durch die
116
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
verheißenen Direktbeteiligungen an der SEL durch Gemeinden und Bürger
kitten lässt. Politische Vertreter, sowohl der Opposition als auch der SVP,
kritisieren die Strategie der SEL, sich mit den ehemaligen Monopolbetrieben
EDISON und ENEL in ein Boot zu setzen, anstatt sich mit den bestehenden
lokalen Energiebetrieben, wie Etschwerke, Stadtwerke und den Gemeinden
zu einigen.
Ein weiterer Zielkonflikt liegt in der Problematik: Land Südtirol als
Vergabeorgan von Konzessionen und Land Südtirol als Mehrheitsbeteiligter
an
der
SEL,
als
Mitbewerber
um
diese
Konzessionen
zur
Großwasserableitung. Diese Polemik ist nicht nur in den Augen der
Mitbewerber eine Wettbewerbsverzerrung, sondern wird bereits durch die
oberste Wettbewerbsbehörde in Rom untersucht. Falls die Untersuchungen
zeigen,
dass
der
Wettbewerb
gar
keiner
war,
sondern
die
Verwaltungsgremien das Landes willkürlich Entscheidungen zu Gunsten der
SEL getroffen haben, könnte dies einen Entzug der hart erkämpften
Kompetenz des Landes bedeuten, was ein Verlust für alle wäre.
Unzufrieden mit der SEL AG ist auch der Bürger. Er kann zwar teilweise
bereits durch das Familienplus Angebot relativ günstig Strom beziehen,
doch zeigt der Vergleich mit den lokalen Energiegenossenschaften, dass
diese ihren Mitgliedern einen weitaus günstigeren Stromtarif anbieten
können. Die Direktbeteiligung durch Volksaktien, wie sie von LR Laimer und
LH Durnwalder versprochen wurde, sobald der Großteil der Stromproduktion
bei der SEL liege, steht laut Dolomiten-Umfrage vom 8. Jänner 2010 nicht
im Interesse des Bürgers, weil dieser billigeren Strom den Volksaktien
vorzieht.
Alle diese Argumente zeigen, dass die 2. These dieser Diplomarbeit
grundsätzlich
verifiziert
werden
kann.
Die
Unternehmensform
einer
Aktiengesellschaft stellt sich grundsätzlich mehr in den Dienst des Marktes
als in den Dienst des Bürgers. Die Regeln des Marktes sehen vor, dass am
Ende des Geschäftsjahres ein Gewinn erwirtschaftet wurde, welcher dann
durch die Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Im Falle der
landeseigenen Energiegesellschaften bedeutet dies, viel Geld welches in den
117
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Landeshaushalt
fließt
Dienstleistungen
und
finanziert
mit
dem
werden
wiederum
können.
wichtige
Dieser
öffentliche
Rückfluss
ist
grundsätzlich in Ordnung, hat aber zur Folge, dass der Bürger keinen
unmittelbaren Erfolg erkennen kann. Der Bürger wünscht sich vor allem
billigen Strom, was durchaus nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass
dieser aus einer heimischen, öffentlichen Ressource gewonnen wird und
deshalb günstiger angeboten werden könnte als Importenergie. Das
Problem besteht hier aber in den rechtlichen Vorschriften, denen eine
Aktiengesellschaft unterworfen ist. Der Strompreis der AG fällt in eine
andere steuerliche Kategorie und die Trennung von Produktion und
Verteilung, wie sie durch die Liberalisierung vorgeschrieben ist, lässt den
Strompreis immer teurer werden, weil er einerseits zum Spekulationsobjekt
verkommt und andererseits jedes Subjekt in der Wertschöpfungskette
verdienen will.
Alle diese Interessenskonflikte zwischen SEL AG, Land Südtirol, Gemeinden
und Bürger, sowie die Problematiken der TIWAG, die ihre Position über
Jahrzehnte in ihrem Markt ausbauen konnte und trotzdem mit großen
Identifikationsproblemen zu kämpfen hat, zeigen, dass hier anstelle der
marktorientierten Aktiengesellschaft eine Alternativlösung gesucht werden
muss.
Das öffentliche Gut (res publica) Wasser muss in Bezug auf Umwelt,
Landschaft und Tourismus rücksichtsvoll für die Elektrizitätsgewinnung
herangezogen werden, denn wenn jedes Fließgewässer in einen Stausee
mündet, wäre dies ein irreversibler Schaden für die einzigartige Landschaft
Tirols
und
Südtirols.
Die
Dienstleistung
am
Bürger
durch
die
Energieversorgung muss vom Energieversorgungsunternehmen in erster
Linie
sicher
und
Stromversorgung
kostengünstig
durch
die
erfolgen.
heimische
Die
Wasserkraft
Absicherung
ist
durch
der
die
topographischen Voraussetzungen sowohl nördlich als auch südlich des
Brenners gegeben. Das einzige Problem, welches es zu lösen gilt, ist die
vollständige Nutzung dieses Vorteils durch den Bürger, denn das Wasser
gehört allen und somit sollte auch der Nutzen für alle spürbar sein.
118
Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung
Um aus dem Dilemma des Marktes zu treten und die Stromversorgung in
den
Dienst
des
Bürgers
zu
stellen,
wäre
die
Organisation
der
Elektrizitätsversorgung durch das genossenschaftliche Prinzip sinnvoll. Die
Genossenschaft arbeitet grundsätzlich für ihre Mitglieder und zwar nach
dem Konzept der Eigenproduktion und des Eigenverbrauchs. Die Teilung
zwischen Produktion bzw. Verteilung, wie sie durch die Liberalisierung bei
den AG’s Vorschrift ist, wurde bei den Genossenschaften nicht angewandt
und dadurch arbeitet diese sozialverträglich und nicht nach den Logiken des
Kapitalismus.
Die
Gewinne,
die
in
den
einzelnen
Subjekten
der
Wertschöpfung gemacht werden, fallen weg und die Genossenschaft kann
ihren Mitgliedern den Strom zum Selbstkostenpreis liefern. Sie arbeitet nicht
defizitär, sondern kostendeckend und falls es trotzdem zu zusätzlichen
Gewinnen kommt, fließen diese in die Elektrizitätswirtschaft zurück.
Dadurch bleibt Geld für die Wartung der Netze, neuer technischer
Innovationen und der Weiterentwicklung der Eigenständigkeit. Vor allem die
Eigenständigkeit ist für die Gesellschaft des 21.Jhr. von großer Bedeutung,
denn die Energieabhängigkeit nimmt immer weiter zu und nur jene, die
selbst über Energie verfügen, können sich von Energieimporten und
politisch unsicheren Lieferstaaten unabhängig machen.
Der Grundstoff, auf dem die Elektrizitätswirtschaft in Tirol und Südtirol
aufgebaut ist, ist das Wasser. Dieses überlebenswichtige Gut gilt es zu
schützen und nicht den Regeln des Marktes bzw. dem Ausbeuten durch die
Konsumgesellschaft zu unterwerfen. Ein umsichtiger Umgang bzw. eine
nachhaltige Nutzung des „weißen Goldes“ sollte das Grundprinzip einer
jeden Unternehmensphilosophie bzw. Energiepolitik sein.
„Es ist nicht so, dass man Dich zum Leben braucht. Du selbst bist das
Leben. Du bist der köstlichste Besitz dieser Erde. Du schenkst uns ein
unbeschreiblich einfaches und großes Glück.“
- Antoine de Saint-Exupèry -
119
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Anhang
11. Anhang:
11.1. Tabelle Experteninterviews
Name des/r
Interviewte/n
Funktion als Experte
Art des Interviews
Datum bzw.
Datum der
Übermittlung
03.12.2009
Der/Die
Experte/Exper
tin ist…
Südtiroler
Klaus Stocker
Präsident der SEL AG
Schriftliche Beantwortung
Dr. Michl Laimer
Landesrat für Energie, Umwelt und
Raumordnung
Schriftliche
Beantwortung
11.12.2009
Südtiroler
Dr. Christina Kury
Ehemalige Landtagsabgeordnete der
Grünen; Expertin für Energiefragen in
der Partei die GRÜNEN
Persönliches Interview im
Büro der Grünen im
Landtag
14.12.2009
um 11.00 Uhr
Südtirolerin
Dipl.-Ing. Georg Wunderer
Obmann des E-werk Prad und des
Raiffeisenenergieverbandes;
Energieexperte
Persönliches Interview im
Büro des E-werk Prad
16.12.2009
um 14.30 Uhr
Südtiroler
Maria Scheiber
Landtagsabgeordnete im Tiroler
Landtag; Umweltsprecherin der
GRÜNEN Tirol
Persönliches Interview im
Cafè Central in Innsbruck
07.12.2009
Nordtirolerin
Markus Wilhelm
Aktivist im Kampf gegen den Ausbau
der Wasserkraft in Tirol
Schriftliche Stellungnahme
07.12.2009
Nordtiroler
Dr. Georg Zingerle und
Stephan Oblasser
Leiter der Projektarbeitsgruppe zur
„Tiroler Energiestrategie 2020“ und
Energiebeauftragter des Landes Tirol
Schriftliche Beantwortung
02.01.2010
Nordtiroler
Dipl.-Ing. Mainusch
Helmut
Geschäftsführer der Stadtwerke Schwaz
GmbH
Schriftliche Beantwortung
Per E-Mail
22.01.2010
Nordtiroler
Anhang
11.2.
Interview
mit
Dr.
Michl
Laimer,
Landesrat
für
Raumordnung, Energie und Umwelt der Autonomen Provinz
Bozen
Was sind die Aufgaben, Ziele und Perspektiven in der Südtiroler
Energiepolitik und was gilt es zu erreichen?
Ziele der Energiepolitik sind: 1. größere Unabhängigkeit von Importen,
2. Versorgungssicherheit, 3. saubere Energie und 4. zu moderaten
Preisen; darüber hinaus wollen wir als längerfristiges Ziel als Land
Südtirol co2 – neutral werden – der Weg führt über die intelligente
Nutzung der Energie (= Energie sparen), die Effizienzsteigerung und die
Nutzung der Alternativenergie.
Welche politischen Instrumente stehen in Südtirol zur Verfügung
um die gesetzten Ziele zu erreichen?
Sensibilisierung, Information, gesetzlichen Rahmenbedingungen, Anreize
finanzieller Natur und Anderer (= Kubaturbonus) – Klimaschutz als
Leidenschaft, als Ausdruck von Verantwortung, als Qualitätssprung
vermitteln – junge Menschen einbinden.
Welche Rolle kommt der SEL AG, im Rahmen der Südtiroler
Energiepolitik zu?
Die SEL nimmt im so wichtigen Bereich wie der Wasserkraft eine zentrale
Rolle ein – die Wasserkraft ist unser natürlicher Reichtum – er war über
Jahrzehnte fremdbestimmt- nun soll dieser bereich wieder in heimische
Hände kommen zum Vorteil aller (Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft,
Versorgungssicherheit mit sauberer Energie zu moderaten Preisen)
Welche Auswirkungen haben die europäischen Richtlinien über
die Liberalisierung der Netzgebundenen Energie auf Südtirol?
Wie reagiert man auf die Richtlinien zur Privatisierung von
Daseinsversorger wie z.B. der SEL AG?
Die Liberalisierung darf nicht mit der Privatisierung verwechselt werden
– das eine ist Marktöffnung – das andere Änderung der
Eigentümerstruktur – die Liberalisierung hat den Menschen nicht
unbedingt viel gebracht, da wirken noch zu sehr die großen
Stromgiganten in den Markt hinein – die Gefahr beseht, dass durch die
Privatisierung Randgebiete eine schlechtere Versorgung erhalten, daher
wird die Stromversorgung immer mehr zu einer öffentlichen Aufgabe –
die SEL wird daher ganz besonders durch die Liberalisierung und
Privatisierung
ein
wichtiger
Träger
einer
gleichmäßig
guten
Stromversorgung werden.
Wie bewerten Sie den Trend von Gemeinden wie z.B. Prad am
Stilfser Joch die sich teilweise schon energieautonom versorgen?
Sind diese ein Vorbild für die Südtiroler Energiepolitik?
Es sind schon viele Gemeinden in unserem Land, die den Weg in die
energetische Eigenständigkeit gehen – das ist gut so – wir haben als
Land das Ziel co2-netural zu werden – das geht nur wenn alle
(Gemeinden, Bürger…) mitwirken.
In Nordtirol wird immer noch verstärkt auf die Wasserkraft
gesetzt und nicht wie in Südtirol eine weitreichende Alternative
in einem Energiemix verfolgt. Warum glauben Sie steckt sich
Anhang
Südtirol in Bezug auf eine Energieautonomie höhere Ziele als
Nordtirol?
Südtirol hat in punkto Klimaschutz eine große Leidenschaft entwickelt –
das Klimahaus, die Biomassefernheizwerke, Solarenergie, Photovoltaik,
Geothermie, Biogas usw. sind zur gelebten Realität geworden aber auch
zu einem großen und interessanten Wirtschaftsfaktor geworden –
Klimaschutz ist nicht Ausdruck von verzicht, sondern ist ein
Qualitätssprung, Ausdruck von Lebensfreude.
11.3. Interview mit Dr. Christina Kury,
Energieexpertin der
Partei DIE GRÜNEN – I VERDI. Langjährige Landtagsabgeordnete
im Südtiroler Landtag
Wie stehen Sie bzw. Ihre Partei zur aktuellen Südtiroler
Energiepolitik?
Ich glaube, erstens dass für Südtirol bzw. für die Grünen die
Energiepolitik ein sehr wesentliches Thema ist für die Zukunft. Das ist
glaube ich klar und muss ich nicht länger ausführen. Das Südtirol
aufgrund das es ein Alpenland ist insofern sehr große Vorteile hat,
aufgrund der großen Wasserressourcen die wir haben und das es mich
oft ärgert wenn wir, was weiß ich für große Vorreiterfunktionen offiziell
einnehmen, laut Laimer. Wo wir hier wissen, dass hier natürlich der
Großteil der erneuerbaren Energien aus Wasserkraft kommt und wir als
Alpenland natürlich nicht nur alleine für uns vermarkten dürfen sondern
das dies einfach ein geographischer Vorteil ist und das Wasser jetzt ganz
generell in die Energiepolitik, sagen wir national bzw. europaweit zu
Buche schlagen müsste. Also nicht nur alleine für uns zu gelten hat.
Energiepolitik in Südtirol hat, und jetzt reden wir mal von den positiven
Seiten, hat bereits vor Jahren mit dem „Klimahaus“ begonnen. Das wird
sehr gut vermarktet. Ich denke das kann vor allem als Vorreiterrolle für
Italien gelten, weil die Italiener da einfach einen riesigen Rückstand
haben. Das „Klimahaus“ ist gewiss positiv zu bewerten. Wir hätten
allerdings gerne, anstatt nur des Klimahauses, eine Energieagentur die
einfach ein bisschen weiter reicht als nur das Klimahaus. Was positiv ist,
ist das man langsam darüber nach denkt wie man Altbausanierungen
macht, weil natürlich beim Heizen hier ein enormes Einsparpotential da
wäre. Das beginnt man allerdings erst in den letzten Zeiten. Aus unserer
Sicht, aus der Sicht der Grünen, ist es sehr populistisch das man diese
Altbausanierungen mit Kubatur Bonusse verbindet. Hier steht die Frage
allerdings im Raum, wenn ich hier wild verbaue bzw. aufbaue ohne
organisches System, ist natürlich nicht im Sinne einer organischen
Raumordnung. Da herrscht noch ein großes Problem in Südtirol, die so
genannte RaumUNordnung. Dies prangere ich schon an, seit ich da aktiv
bin, weil hier ein großes Energieeinsparungspotential da wäre. Beim
Thema Verkehr haben die Südtiroler ihre Hausaufgaben noch lange nicht
gemacht.
Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen „Land“ und SEL AG?
Anhang
Ich muss sagen, also vor 10 – 15 Jahren, als das Gesetz verabschiedet
wurde, dass die Energie möglichst im Lande abschöpft wird, dann habe
ich dafür gestimmt. Ich habe mir gedacht, das ist ein guter Ansatz um
die alten Monopolgesellschaften ein bisschen einzubremsen. In der
Zwischenzeit hat man einfach durch die Art und Weise wie diese SEL AG
gegründet worden ist, die Leute die da das sagen haben, absolut nicht
von der Energiekompetenz her gekommen sind, sondern vor allem von
der politischen Realität her gekommen sind. Vor allem aber auch das
präpotente Auftreten der SEL AG, hat leider Gottes meine Meinung
geändert. Es ist im Grunde anstelle des Staatsmonopols das SEL
Monopol getreten und ich bedaure das. Wir haben immer gesagt es
bräuchte einen Zusammenschluss aller Energieproduzenten in Südtirol.
Sei es auf kommunaler Ebene, Etschwerke, Stadtwerke aber auch von
mir aus mit Privaten drinnen. Das diese zu einem loyalen und fairen
Zusammenschluss kommen mit einer fairen Beteiligung auch am
Mehrwert und das man da versucht gemeinsam was zu tun. In
Wirklichkeit hat man die SEL vor allem gegen diese ausgenützt, um
diese hinaus zu sperren und nicht so sehr die großen Monopolisten wie
Edison und Enel. Mit denen hat die SEL nämlich ein wunderbares
Verhältnis gefunden. Das ist schon sehr verwunderlich dass es
offensichtlich leichter ist sich mit der Edison zu einigen z.B. über die
Kraftwerke im Vinschgau: Glurns, Kastelbell betrifft, wo man tatsächlich
die Gemeinden sehr prutal hinaus gesperrt hat. Aber auch mit den
neuen Verträgen mit dem ENEL hat man mit den Gemeinden kein
Übereinkommen getroffen, aber auch nicht mit den anderen, so
traditionsreichen Betrieben wie den Etschwerken. Bozen und Meran
haben ja die Etschwerke, die über 100 Jahre ein Vorzeigeunternehmen
sind und auch ein gewisses Know-How haben. Da herrscht keine
Zusammenarbeit. Man will im Grunde diese Betriebe nur hinaus beißen.
Da haben wir natürlich große Bedenken, weil natürlich die SEL AG
einfach ihren Vorteilstatus präpotent ausnutzt, indem sie einfach das
massive Geld vom Land benützt. Diese einerseits private Gesellschaft
SEL AG, nie wirklich klar ist welche Rolle diese spielt. Weil wenn der
Laimer auftritt, dann redet er plötzlich für die SEL zugleich und im
nächsten Moment ist die SEL dann wieder eine private Gesellschaft von
denen man keine Daten oder Informationen bekommt. Da wird nicht
korrekt gespielt. Ich denke das ist letztendlich auch ein Schaden für
Südtirol weil so große Aggressionen jetzt generell in Südtirol gegen die
SEL AG aufgekommen sind. Vor allem aufgrund dieser präpotenten
Übervorteilung, dass eine Zusammenarbeit einfach schwierig ist. Ich
finde eine Zusammenarbeit auf Landesebene hätte zukunftsträchtig sein
können.
In Nordtirol herrscht eine extreme Fokussierung im Bereich
Ausbau der Wasserkraft. Würden Sie sagen hier wird auch in
Südtirol eine Art „Ausverkauf der Heimat“ betrieben?
Ich glaube es wird genauso kommen wie in Nordtirol. So lange die
Wasserkraft in den Händen der italienischen „Multy“’s gewesen ist,
Edison und Enel, waren diese sehr unbeliebt. Man hat damals auf Teufel
komm raus, auf Kosten der Bevölkerung diese großen Wasserkraftwerke
gebaut. Nach den 50er, 60er Jahren war dann ein STOP des Baus von
Anhang
großen Wasserkraftwerken und siehe da, neue, große hat man dann erst
wieder gebaut, als die Kompetenz der Konzessionsvergabe vom Staat
aufs Land übergegangen ist. Also mit dieser bahnbrecherischen
Durchführungsbestimmung, die wir damals begrüßt haben 1999, ist
natürlich der Appetit des Landes über die SEL AG unendlich groß
geworden und man hat überall die letzen „Wasserlen“ abgegraben. Ich
denke dass man da wirklich übertrieben hat. Hier schicke ich aber schon
voraus, dass für die Grünen die Wasserkraft schon eine erneuerbare
Energie ist und das auch gut ist. Allerdings nur wenn man Maß und Ziel
und Augenmaß anwendet und durch den Ausbau der Wasserkraft nicht
etwas anderes zerstört, nämlich lebenswichtige Lebensadern wie die
„Wasserlen“. Wenn man in Südtirol im Sommer spazieren geht, da sieht
man dass wirklich das jeder Tropfen Wasser von jedem Gebirgsbach
ausgenützt wird. Dieser „Run“ aufs Wasser ungelenkt und
unprogrammiert
vor
sich
geht.
Es
gäbe
theoretisch
eine
Wasserschutzplan aus dem Jahre 2002 der vorsieht, dass man hier
wirklich ein Programm erstellt um die Fliesgewässer wirklich alle zu
sanieren wie auch die Wasserrahmenrichtlinie in Europa vorsieht, aber in
Wirklichkeit ist dieser Gewässerschutzplan nie erstellt worden und fließt
jetzt ein in den Wassernutzungsplan der auf die maximale Nutzung aus
ist. Wir sagen aber Wasser nutzen gut aber vorher programmatisch
festlegen wie das Wasser, der Wasserhaushalt nicht geschädigt wird. Da
gibt’s wirklich keine Möglichkeit die Politik zu bremsen und ihr deutlich
zu machen das dies unsere Ressource für alle Zukunft ist und wenn wir
jetzt „matschen“ und Leben zerstören, dies dann nicht mehr verfügbar
ist. Machen wir bevor wir neue Konzessionen vergeben einen
Gesamtplan der Wassernutzung in Südtirol. Wo macht es ökonomisch
und ökologisch Sinn das Wasserkraft neu genutzt wird und alles andere
wo es ökonomisch und ökologisch keinen Sinn macht, wird unter Schutz
gestellt. Die Gelder die aus diesen zusätzlichen Wasserkraftwerken
hervorgehen gehen in einen gemeinsamen Topf und diese Gelder werden
auch auf jene Gemeinden verteilt die ihre Gewässer schonen oder die
keinen Zugang zu solchen Gewässern haben. Dies wäre unser Vorschlag
da und da beißen wir auf Granit.
Wie stehen Sie zu einer dezentralen Energieversorgung wie sie
z.B. in der Gemeinde Prad betrieben wird?
Ich bin der Meinung dezentral ist einer zentralistischen Versorgung
allemal vorzuziehen. Allerdings dezentral indem auf lokaler Ebene
sämtliche alternative Energie vernetzt werden, also zwischen Biomasse,
Wasserkraft, Photovoltaik eine Vernetzung stattfindet. Wenn möglich in
Hinblick auf eine CO2 freie Entwicklung der Gemeinde. Das wäre jetzt
eigentlich die Herausforderung der Zeit. Dezentral und dann auf
Landesebene vernetzt. Hier bräuchte es eine Vernetzung die allerdings
nicht vertikal verläuft, hier Laimer und ich bin der Chef und ich sage
euch wo es langgeht, sonder eine wirkliche Vernetzung als das auch die
unterschiedlichen Energieträger einfach auch ausgeglichen werden
können. Wo es viel Biomasse anfällt werde ich natürlich Biomasse haben
und da habe ich natürlich im Vergleich zu den Städten einen Vorsprung
und das kann ich dann so ausgleichen. Im Grunde kommt mir vor, dass
eine Vernetzung sämtlicher Gemeinden unter der Führung, aber nicht
Anhang
der diktatorischen Führung sondern der Arbeitsweisen Führung des
Landes, wäre eigentlich das Ziel um zu einem CO2-freien Südtirol zu
kommen.
Südtirol im Mehrebenensystem der EU. Wie viel Einfluss fließt
von Brüssel nach Südtirol?
Die EU in ihrem Programm für 2020 eine Einsparung von 20% der CO2
Ausstoßes vorgesehen und ebenso mit den Alternativen Energien zu
ersetzen. Wenn ich das auf Südtirol umlege, dann ist es natürlich einfach
mit der Wasserkraft diese Ziele zu erreichen. Da komme ich wieder zur
gleichen Aussage. Wir tun hier groß, obwohl wir genau wissen, dass wir
beim Verkehr hinterherhinken. Nur weil wir zufällig dies Ressource
Wasserkraft haben. Dies ist eins. Jetzt wird man sehen was in
Koppenhagen noch an neuen Zielen heraus kommt und wie Südtirol sich
daran beteiligen kann. Ich war gestern nicht hier, aber ich habe eine
Schlagzeile gelesen dass der Laimer sagt: „Wir sind ein Vorzeigeland“.
Wie gesagt ich war nicht hier, aber beim Verkehr sind wir kein
Vorzeigeland sondern wir sind nur ein Vorzeigeland weil wir über viele
Ressourcen und der Wasserkraft verfügen. Diese gehören aber nicht uns
alleine. Diese müsste man wahrscheinlich gerechterweise aufteilen. Wo
sonst Südtirol noch Probleme gehabt hat mit der EU war die Frage mit
der Konzessionsvergabe. Da hat es rechtliche Auseinandersetzungen
gegeben weil man ursprünglich in die Durchführungsbestimmung von
1999 hineingeschrieben hat, dass bei der Konzessionsvergabe die
scheidenden
Konzessionäre
und
die
Lokalkörperschaften
ein
Vortrittsrecht haben. Diese beiden Vortritte sind dann aber gestrichen
worden und jetzt müsste man bei der Konzessionsvergabe alle gleich
behandeln und da ist aus meiner Sicht, immer noch das ganz ganz große
Problem, wenn die SEL (die ja zu 97% dem Land gehört) ein
Mitbewerber ist, dass der Schiedsrichter Land sozusagen gleichzeitig
Mitspieler ist. Und da nehme ich an, dass wenn sich die SEL heute oder
in nächster Zeit sich die Konzessionen zuschreibt, von den 14 Enel
Konzessionen, dass die danach ganz sicher Probleme bekommt auf
europäischer Ebene. Hier war immer wieder mein Wunsch diese
Landesgesellschaft zu gründen und nicht diese Gesellschaft SEL und Enel
oder SEL und Edison, sondern eine Landesgesellschaft bei der also auch
Private aber auch Lokalkörperschaften drin sitzen und die SEL mit einer
Minderheitenbeteiligung
drin
sitzt.
Nachdem
also
viele
Lokalkörperschaften drinnen gesessen wären beim Ansuchen um die
Konzessionen, hätte man gemeinsam mit der SEL zwei Fliegen auf einen
Streich geschlagen, weil man hätte einen super Umweltplan präsentieren
können, weil die öffentlichen Körperschaften ja nicht unbedingt drauf
aus sein müssen jedes letzte Wässerchen zu nützen sondern tatsächlich
nachhaltige Umweltpläne präsentieren können und zugleich garantiert
hätten das der Mehrwert zu 100% im Land geblieben wäre. Das wäre so
meine
Vision
gewesen,
dieser
Zusammenschluss
von
Lokalkörperschaften, Gemeinden oder Energieproduzenten die von der
Gemeinde abhängen, PLUS die SEL in Minderheitenbeteiligung hätte man
wahrscheinlich weniger Probleme gehabt mit der EU bei der Überprüfung
über faire Wettbewerbsbedingungen und zugleich tatsächlich mit den
Umweltplänen, Anderen wie z.B. die ENEL wo wir wissen dass ihre
Anhang
Umweltpläne nicht mehr Wert sind als das Papier auf das sie geschrieben
wurden, aber trotzdem hat das Land vorgezogen eben mit diesen
monopolistischen Betrieben ihre Übereinkunft zu treffen. Jetzt wird es
wohl so ausgehen dass bei den Konzessionen die jetzt vergeben werden,
so viele der SEL gegeben werden und einige der ENEL gegeben werden
damit sich das geldlich genau ausgeht. SEL bringt die Konzessionen ein,
Enel bringt die Infrastrukturen ein und die andern schauen durch die
Finger. Da stellt sich nun die große Frage warum man als autonomes
Land alles tut um die großen Monopolisten wie Edison und Enel in alle
Zukunft für die nächsten 30 Jahre mit 30% zu beteiligen und die
anderen außen vor zu lassen. Diese Frage kann ich mir einfach nicht
beantworten. Offiziell heißt die Antwort um Rekurse zu vermeiden, aber
Rekurse hätte man auch dann vermeiden können wenn man diese
Eigentumsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft ein bisschen
ordentlicher aufgeteilt hätte und die SEL eben nicht, in diesem hohen
Ausmaße sich als Landesgesellschaft beteiligt hätte sondern nur mit
einer Minderheitenbeteiligung. Das wäre für Südtirol, denke ich
autonomiepolitisch ein ganz, ganz großer Schritt gewesen. Wenn diese
Konzessionen die vom Enel verfallen und ab 2012 die von der Edison
verfallen, in Südtiroler Hand mit klaren Bedingungen von Seiten des
Landes. Von mir aus kann das Geld auch natürlich große Gelder
abschöpfen für z.B. Konzessionsgebühren, Uferzinsen und was es da so
gibt. Klare Umweltbedingungen, aber der Mehrwert wäre aber an die
Lokalkörperschaften bzw. an die Südtiroler Privaten zugefallen. Das
wäre eigentlich zukunftsweisend gewesen.
11.4. Interview mit Dipl.-Ing. Georg Wunderer, Obmann der
Energieerzeugungsgenossenschaft
Prad
und
Obmann
des
Raiffeisen Energieverbandes
In welche Richtung geht die aktuelle Südtiroler Energiepolitik
ihrer Meinung nach?
Es ist so. Ich kenne eigentlich kein Südtiroler Stromwirtschaftliches
Konzept dass eigentlich diskutiert worden wäre oder das vom Landtag
zugestimmt worden wäre. Das gibt es nicht. Es gibt einen
Wassernutzungsplan, der natürlich die Wassernutzung als Solche regelt,
mit ganz bestimmten Vorschriften. Dann gibt es noch den so genannten
Verteilerplan, der aber teilweise noch nicht umgesetzt ist bzw. dessen
Umsetzung noch nicht ganz klar ist. Dieser Verteilerplan geht nämlich
davon aus, dass die SEL AG eine Art NewCO gründet und das die NewCO
die Enel Stromverteilung übernimmt und dann macht. Das ist dann
eigentlich das Konzept. Die SEL AG ist Anfang glaube ich der 80er
Jahre… Es gibt ja das DPR Nr. 235 von 1977 und das sagt eigentlich,
dass „è la facoltà dei comuni di gestire le attivtà eletriche“. Das sagt das
DPR 235 und dann gibt es in den Art. 10 wo es die Aufgabe des Landes
wäre, einen Koordinierungsbetrieb zu gründen. Dieser hätte die
Aufgabe: Die Stromverteilung, also das Enel-Netz zu übernehmen und
dann den Gemeinden weiter zu geben. Das sagt das DPR 235, da steht
nur „le facoltà dei comuni“. Dann kam das Bersani-Dekret und dann hat
Anhang
man das DPR 235 im Zuge der Liberalisierung an die neuen Situationen
angepasst. Da hat man dann mit eingeführt, dass es diese SEL AG mit
Erzeugung und Verteilung neben den Gemeinden geben kann. Das war
dann dieses Legislativdekret vom November 1999. Das Land hat dann
auf dieser Basis die SEL AG gegründet, wobei die Richtlinie eine ganz
andere war. Man hat den Gemeinden dann vorgeschlagen, dass sie das
Mandat der Stromerzeugung und der Stromverteilung an die SEL
abtreten. Dann war das so, dass die meisten Gemeinden dann dieses
Mandat erteilt haben und die Vinschger haben sich dagegen gewehrt.
Die 13 Vinschger haben gesagt: „Nein, wir machen das selber. Wir
machen das lokal.“ So ist das dann weiter gegangen.
Würden Sie dann sagen, dass sie als lokale Versorger der SEL
eher ein Dorn im Auge sind?
Damals war das so, dass natürlich die jetzigen Verteiler das sind so an
die 65, gesagt haben wir wollen unsere Tätigkeit weiter führen und das
ist dann im Stromverteilerplan schon berücksichtigt worden. Das wäre
anders auch gesetzlich nicht möglich gewesen. Die bestehenden
Verteiler können nicht einfach so vom Tisch gefegt werden, sondern
diese dürfen weiter existieren, weil wir dann auch gesagt haben wir
möchten so weiter existieren dass die Gebiete die man hat aufgerundet
werden. Also zum Beispiel wenn die Gemeinde Prad als Genossenschaft
tätig ist, dann gibt es da auch noch Randgebiete wie z.B. die Fraktion
Lichtenberg dort verteilt noch das ENEL, diese möchte man dann noch
dazu haben, aus dem einfachen Grund das man sagt das man die Bürger
der Gemeinde Prad alle gleich behandelt werden, weil sonst hat man
Bürger der 1. und der 2. Kategorie im Bereich der Stromverteilung.
Diesen Antrag haben wir seinerseits schon gestellt und das ist bis heute
noch nicht klar ob man den bestehenden Verteilern diese Aufrundung
gewährt oder nicht. Das betrifft aber alle Verteiler, weil sie alle nichts
wissen. Ist das in Sexten möglich oder bei den Stadtwerken und, und,
und. Inzwischen ist es aber auch so gekommen das die Verteilung, aber
auch nicht mehr so lukrativ ist, weil mit der Liberalisierung ist das
„unbundling“ gekommen. Das „Unbundling“ heißt Aufteilung der
elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeiten. Man darf in Zukunft also nur
mehr Erzeuger sein, nur mehr Trader sein, nur mehr Verteiler sein. Dann
sind zusätzliche Gesellschaften gekommen die GSE, die TERNA die die
nationale Lastregelung macht und so weiter. Es sind viele Subjekte
gekommen. Das unmittelbare System Erzeuger und Konsum ist indem
Sinne aufgelöst worden. Dies ist nur bei den Genossenschaften erhalten
geblieben. Die Genossenschaften sind laut Bersani-Dekret Art. 2, das
sagt „per la quota dei soci sono autoproduttori e autoconsumatori“ und
der Art.9 sagt, dass die Genossenschaften „per la quota dei non-soci“
übt die Genossenschaft einen Verteilerdienst aus. Wenn wir jetzt die
Prader Situation hernehmen dann sind wir Eigenerzeuger und
Eigenverbraucher was die Mitglieder betrifft und sind Verteiler bzw.
haben eine Verteilersituation was die Nicht-Mitglieder betrifft. Das ist
dieses System. Ich muss sagen, und das ist jetzt meine persönliche
Meinung, was diese Aufgliederung, diese Liberalisierung, das
Unbundling, das ganze System irgendwie zerrissen hat. Warum? Der
Erzeuger ist jetzt nicht mehr am Verbraucher orientiert. Was will der
Anhang
Erzeuger? Der Erzeuger will ein „flotts“ Wasserkraftwerk kriegen mit
dem er viel erzeugen und viel verdienen kann. Das Land will das
natürlich für ihren Landeshaushalt, die Gemeinden wollen das für den
Gemeindenhaushalt und die Privaten wollen es für die eigene Tasche.
Das ist jetzt schon ein bisschen eine ungute Situation. Logischerweise
kommt es auch drauf an wie man die Betrachtungsweise ist. Wenn
jemand sagt, für mich ist die Stromversorgung eine grundlegende
Dienstleistung und steht in einem direkten Interesse des Bürgers und
der Öffentlichkeit, dann wird das zu einer kritischen Situation. Wenn
schon jemand da ist der schon bei der Erzeugung verdienen will. Dann
geht es weiter. Der Markt hat das so genannte Trading-Geschäft
geschaffen. Was ist das? Das Trading-Geschäft ist das, das eine eigene
Gesellschaft jetzt her geht und den Strom vor allem auf der Börse holt
und dann versucht ihn an die Verbraucher zu bringen. Was will der
Trader? Der Trader, will natürlich wieder an der ganzen Sache
verdienen. Dann gibt es den Verteiler als Solchen, der das öffentliche
Netz zu betreiben hat der ist limitiert, durch die Autorità z.b. indem sie
ihm vorschreibt wie hoch der Preis sein darf für die Durchleitung, sie
sagen ihm wie teuer der Anschluss sein darf und, und, und. Es ist so,
dass es schon auch noch „fette“ Netze gibt, wo das Netz kurz ist und
möglichst viele Abnehmer in engem Umkreis an dem Netz hängen. Also
in Mailand unten z.B. ist das Netz „fett“. In Südtirol ist das Netz
vielleicht noch in Bozen und Meran „fett“, aber nicht mehr „draußen“.
Warum? Weil draußen muss ich lange Netze machen, bauen wo was
fehlt usw. Jetzt sagt die „Autorità“ schon es gibt die so genannte
„perecazione“. Das heißt die Preise bei der Verteilung müssen zwischen
Sizilien und Brenner gleich sein, aber das ist ja nicht zu gewährleisten
wenn ich in der Peripherie bin und da hohe Kosten habe. Da kann ich
das ja nicht so gut finanzieren. Dafür gibt’s dann die „perecauzione“, die
allerdings keiner versteht und die auch in ihrer Ausführung hinten
nachhinkt. Zur Zeit wird erst die perecauzione von 2007/2008
durchgeführt. Da schauen dann manche Gemeinden blöd drein weil sie
da viel zahlen, anstatt zu kassieren. Das betrifft vor allem
Landgemeinden. Das ist alles ein nicht transparentes, unmögliches
System. Die Liberalisierung hätte durch Wettbewerb, weil es ja in allen
Bereichen Wettbewerb geben sollte, dazu führen müssen, dass der
Strom günstiger wird. Das war der Plan. Was ist passiert? Der Strom ist
europaweit, vor allem in Italien nicht günstiger sondern teurer
geworden. Außer im letzten Jahr hat sich durch die Weltwirtschaftskrise
und dass die Ölpreise in den Keller gesackt sind, sind auch die
Strompreise etwas günstiger geworden. Ansonsten hat das aber nicht
statt gefunden. Nach mir hat es auch nicht stattfinden könne, weil man
mit dem „unbundling“, mit dem Wettbewerb nur eine Kette von
Subjekten geschaffen hat die alle nur verdienen wollen. Das geht nicht,
meiner Meinung nach. An diesem Punkt müsste man über ein Konzept
sprechen. Welches Konzept für Südtirol?
Es sollte ein Konzept geben wo die Erzeugung die es im Land gibt, auch
dem Land zurückgegeben wird. Bis jetzt war das ja nur ein reiner
Kolonialismus. Es haben immer die auswärtigen verdient. Das ENEL hat
verdient, die Edison hat verdient. Die haben sich das Geld geholt mit den
Ressourcen die eigentlich dem Land gehören und die Bevölkerung hat
Anhang
davon gar nichts gesehen. Die haben nur den Schaden davon getragen.
Der Turm in Graun oben ist ein Wahrzeichen dafür das die Bevölkerung
nur gebüßt hat und sich die Andern die Taschen gefüllt haben. Jetzt
wäre hier endlich die Möglichkeit und das ist das positive an der
Liberalisierung, dass jetzt auch andere an die Systeme herankommen.
Das ist ja positiv dass Südtirol jetzt endlich die Möglichkeit bekommen
hat an die Kraftwerke heranzukommen und das wir diese Ressourcen
nutzen können im Interesse einer bürgernahen und bürgergünstigen
Stromversorgung. Ich bin einfach der Meinung die Stromversorgung
muss am Bürger orientiert sein, am Konsumenten, weil’s einfach eine
Grundversorgung ist. So wie der Bürger auch ein Trinkwasser braucht,
eine Abwasserversorgung, eine Müllentsorgung braucht, so braucht der
Bürger auch eine Stromversorgung. Das ist jetzt so weit gekommen dass
die Stromversorgung zu einem reinen Spekulationsobjekt verkommen
ist. Das sind alles Spekulanten. Da ist das Land ein Spekulant, da sind
die Trader Spekulanten, da sind alle die in diesem System aktiv sind
Spekulanten. Hier müsste man sich meiner Meinung nach ein anderes
Konzept zu Recht legen. Da sage ich dann warum sich nicht ein
Genossenschaftliches Konzept zu Recht legen. Wo der Bürger
unmittelbar beteiligt wird. Wenn wir zum Beispiel Prad her nehmen oder
auch andere Genossenschaften. Das sind alles Eigenerzeuger, die haben
ihre eigenen Kraftwerke und haben ihr eigenes Netz und über dieses
werden die Mitglieder versorgt. Da kommt der Strom vom dann vom
eigenen Kraftwerk übers eigene Netz zu den Mitgliedern und da kann
jeder der versorgt werden will ein Mitglied werden. Ich glaube dass das
die Zukunft ist, in diese Richtung zu gehen. Wir brauchen eine Wende in
der Energieversorgung. Das traditionelle System wie es bis jetzt war,
kann nicht ewig funktionieren. Wie ist dieses System? Große Konzerne
wurden geschaffen und die sind ja auch noch heute da und die wollen
auch heute noch weiter operieren. Wie operieren diese Konzerne? Diese
haben immer mehrere Möglichkeiten gehabt, diese werden aber immer
schlechter. Sie konnten Erdöl verwenden, Methangas verwenden,
Nuklearenergie verwenden und damit riesige Anlagen schaffen,
Megazentralen und dementsprechend auch ein Megaversorgungssystem.
Dies konnte man auf der Basis der traditionellen Fossilenergie machen,
aber das wird nicht die Zukunft sein. Die Fossilenergie wird sicher
weniger werden. Wir müssen hier andere Wege gehen. Die Erneuerbaren
weisen in Richtung Bürger hin und da muss der Bürger auch mit
eingebunden werden. Ich glaube wir müssen Systeme schaffen sei es
von der Produktion, sei es wo der Bürger einfach mit dabei ist und das
ist auch die Zukunft. Südtirol hat sich vor allem im Stromwirtschaftlichen
Bereich an dem alten Denken orientiert. Verteilung und Erzeugung zu
zentralisieren
und
nicht
zu
dezentralisieren.
Das
ist
mein
Hauptkritikpunkt und das wir kein stromwirtschaftliches Konzept haben
das zukunftsorientiert ist, sondern das einfach auf ein Denkmuster
aufbaut, das also praktisch dem traditionellen System das seinerseits
aufgebaut wurde, entspricht und man nicht neue Wege geht mit dem
Bürger und die Identifikation mit dem Bürger schafft.
Zum aktuellen Zeitpunkt wird vom Landesrat Laimer eine
20%ige Aktienüberlassung an der SEL AG an die Gemeinden
Anhang
proklamiert. Glauben Sie dies ist ein positiver Wandel in der
Mitentscheidungsfrage?
Das ist für mich im Prinzip noch kein Fortschritt, weil es hier einfach nur
um die Erzeugung geht, wo man hier nur weil die Gemeinden sich
wehren und schreien und sagen bitte erinnert euch an das DPR Nr. 235
wo eigentlich wir für das Recht hoben und sich das Land da durch die
SEL ja erst später eingenistet hat. Es bleibt hier immer gleich. Wenn
man etwas ändern will, dann muss man das Konzept anders machen.
Ich habe hierfür ein eigenes Konzept entworfen das ich ihnen jetzt kurz
erklären möchte.
Zunächst muss man schauen wie ist eigentlich die Situation in Südtirol.
Wie ist die Stromverteilung insgesamt strukturiert. Da stellen wir fest
das es 4 Verteilerzonen gibt. Einmal im Bereich der Rienz, in Pustertal
wo vor allem die Stadtwerke Bruneck eine zentrale Stellung einnehmen,
dann gibt es daneben da auch noch andere Verteiler. Dasselbe haben wir
in der Verteilerzone Eisack, wo Brixen vor allem eine zentrale
Kompetenz hat. Man sollte sich in Südtirol einfach auch mal an jene
besinnen die Kompetenzen haben. Die das Handwerk gelernt haben. Da
sind einige. Zum Glück haben wir die. Dann kommt die Verteilerzone
Etsch wo die Etschwerke tätig sind. Dann gibt’s eben die Verteilerzone
Vinschgau wo die Vinschger tätig sind. Hier würde ich dann vorschlagen
dieses System aufgrund der Basis einer Verteilergenossenschaft zu
organisieren. Wie gehen wir da vor? Erstens geben wir den
Verteilergenossen, das sind dann sämtliche Familien, Gewerbebetrieben,
Landwirtschaftlichen Betrieben, Dienstleistungsbetrieben die Möglichkeit
Mitglied zu werden. Der Bürger kann in dieser großen Genossenschaft
beteiligt sein. Man gibt ihm so die Möglichkeit mal mit dabei zu sein. Die
Verteilergenossenschaft
übernimmt
in
ihrer
Zone
den
Stromverteilungsdienst in dem bisher vom ENEL versorgten Bereich.
Jetzt geht es ja so zu sagen darum dass man das Netz vom ENEL ablöst.
Gemeinden können die Stromverteilung des ENEL für ihre Gemeinde
erwerben. Die Gemeinde kann so zu sagen, wenn sie Interesse hat
Eigentümer des Netzes auf ihren Grund und Boden zu werden, kann
damit da auch technische Synergien geschaffen werden können. Weil
wenn ich einen Graben aufwerfe, dann kann ich da alles machen. Wenn
ich schon in einem Kanal unten bin, dann mache ich frisch alles. Ich
kann ein Fernwärmenetz installieren, ich kann Gasleitungen machen.
Wenn ich mal Träger der Infrastruktur bin. Ich bin der Meinung das
sollten die Gemeinden sind. Es ist wohl sinnvoll wenn z.B. bei Ihnen in
Tramin die Gemeinde der Träger des Strom- und Datennetzes ist.
Natürlich wird es auch passieren, dass Gemeinden sagen sie haben kein
Interesse an der Übernahme des ENEL Netzes und in diesem Falle
übernimmt die Genossenschaft das Netz der betroffenen Zone. Laut Art.
10 müsst der Koordinierungsbetrieb das ENEL Netz übernehmen. Also
Land übernimmt Stromverteilungsinfrastruktur und überträgt das den
Gemeinden bzw. den Genossenschaften mit einem 50% reduzierten
ENEL Übernahmepreis. Weil bei der NewCo ist es vorgesehen, dass
eigentlich alles das Land finanziert. Ich sage, das müsste ja gar nicht
sein. 50% soll das Land Beitrag leisten damit die Gemeinden und
Genossenschaften Eigentümer werden können. Den Rest von den 79
Mio. Euro die es sind, soll das Land übernehmen und die Hälfte und so
Anhang
weiter. Dann sprechen wir über die Bestehende Verteilung. Die
bestehenden Verteiler können Mitglied der Genossenschaft werden und
mit dieser kooperieren. Sie könne diese (gemeint ist die
Verteilergenossenschaft) mit technischen administrativen Diensten
beauftragen bzw. ihr auch ihren Verteilerdienst übertragen. Es gibt ein
paar kleine Verteiler und die heute einfach mit der Autorità überfordert
sind. Die können dann sagen ich behalte mir mein Netz aber ich
übertrage die Verteilung der Verteilergenossenschaft, die soll das alles
machen. Das wäre möglich.
Jetzt wenn Gemeinden die das Netz übernommen haben und es in einem
zweiten Moment verpachten der Verteilergenossenschaft damit sie
dieses Netz haben, damit sie wieder ein Geld hereinbekommen können
sie dadurch langsam ihre Spesen vom Netzkauf wieder hereinholen.
So,
das
wäre
jetzt
eigentlich
dieses
System
der
Verteilergenossenschaften in den 4 Zonen. Man möchte hier die
Gemeinden alle dabei haben, die lokalen Verteiler sollten dabei sein, die
Familien, Betriebe usw. Also diese 4 Verteilergenossenschaften die nicht
gewinnorientiert ist und eben versucht hier nicht Geld zu machen.
Dividenden auszuschütten oder ähnliches.
Die Tätigkeiten der Verteilergenossenschaften sollten sein:
• Kaufen Strom von lokalen Stromerzeugern: es gibt ja einen ganzen
Haufen an Stromerzeugern und da kann ja die Verteilergenossenschaft
den Strom kaufen
• Beteiligt sich an Kraftwerken: Das ist jetzt schon wichtig, dass und
das wäre ein nächster Punkt, wenn die Verteilergenossenschaften auch
an der Produktion beteiligt sind. Diese können nämlich nicht gut
operieren wenn sie nicht an der Produktion beteiligt sind, weil sie auch
die Netze finanzieren müssen usw. Auch an der Produktion müssen sie
beteiligt sein, damit die Energie die Energie ernährt.
• Kauft Strom vom Trader
• Pachtet das Netz von Gemeinden
• Beliefert Mitglieder mit Strom
• Beliefert Nicht-Mitglieder mit Strom: Es wird ja auch solche geben die
nicht Mitglied werden wollen, das kann ja sein und die muss man dann
im Rahmen des „mercato maggiore tutela“ versorgen.
• Wartet Netz der Genossenschaften
• Besorgt Stromanschlüsse
• Übernimmt technische Wartung usw.
Das wären also die 4 Verteilergenossenschaften. Vielleicht noch einmal
zurück
was
wichtig
ist.
Es
ist
entscheidend
das
die
Verteilergenossenschaften auch ihre Produktion haben damit sie ihre
Produktion den Mitgliedern im Sinne von „autoproduzione“ und
„autoconsumo“ liefern können und da könnte die SEL sich mit ihren
Produktionsanlagen beteilten könnte und dass die Beteiligung an dieser
Gesellschaft so aussieht, dass das Land 20% hat, die Gemeinden 20%,
SEL 20% aber die Verteilergenossenschaft muss mind. 30% erhalten,
damit auch die Bürger den Strom in die Hand bekommen. Dann können
sich auch die lokalen Energieunternehmen beteiligen, private Aktionäre:
man könnte auch einen Teil mit privaten Aktionären abdecken. So wäre
die Beteiligung an den Großableitungen zu regeln.
Anhang
Wie soll das ganze System landesweit verbunden und vernetzt werden?
Die 4 Verteilergenossenschaften, Vinschgau usw. Jetzt bräuchte es für
Südtirol einen Trader an dem sich die alle beteiligen, der von diesen
allen getragen wird. Wo die SEL Erzeugung mit dabei ist usw. Der Trader
organisiert
den
Lastregelungsdienst.
Der
organisiert
den
Stromüberschuss zu bestimmten Zeiten. Er kauft den Integrationsstrom
dazu den wir brauchen. Da ist ein zentrales System notwendig beim
Tradersystem.
Dann
brauchen
wir
vor
allem
auch
den
Landesstromkoordinator der zentrale Dienste organisiert. Erstens das
Kompetenzzentrum. Es braucht ein Zentrum wo Profis sitzen die das
elektrizitätswirtschaftliche System kennen usw. Um den laufenden
Normen gerecht zu werden. Wo auch Forschung usw. betrieben wird.
Messdatenauslese. Es ist sinnvoll dass eine zentrale Messdatenauslese in
Südtirol
besteht.
Außerdem
ist
es
sinnvoll
dass
dieser
Landesstromkoordinator die Verrechnung für alle macht. Das wir ein
zentrales Lager organisieren und das wir die Fortbildung gemeinsam
organisieren.
Also
das
wäre
so
ein
Kooperationszentrum,
Kompetenzzentrum wo man das alles organisiert.
Weitergabe der Ableitungskonzessionen. Da wäre es notwendig eine
Neuordnung zu schaffen. Das Land hat ja die Kompetenz das die
Großableitung einmal eingestuft werden über 10 MW. Bei diesen können
wir sagen diese sind öffentlich auszuschreiben, wo eine internationale
Beteiligung
möglich
ist.
Da
lassen
wir
es
zu.
Bei
den
Mittelleistungsableitung von 3 bis 10 Mw. Da sollen nur mehr die
Gemeinden und die Energieversorger beteiligt werden. Also die
kleineren. Die kleinen Energieversorger die wir heute haben, haben hier
ein Recht. Dasselbe gilt für die Kleinableitungen.
Sozial- und Umweltkriterien. Das ist mir wichtig. Die Konzessionen
werden heute nur nach Umweltkriterien vergeben. Man sagt wer das
ökologischte Werk hat der bekommt die Konzession. Das ist meiner
Meinung nach eine Schweinerei, weil warum es nicht auch
sozialverträglich sein soll? Die ökologischen Kriterien gehen mir schon
gut, aber zusätzlich braucht es auch die sozialen Kriterien. Das Wasser
ist ja schließlich ein öffentliches Gut und das ist wohl in erster Linie der
Öffentlichkeit vorbehalten und die Privaten und Einzelspekulanten sollten
hier nicht so sehr ihren Einfluss nehmen dürfen. Die Vergabe sollte
deshalb nach Sozial- und Umweltverträglichkeit vergeben werden. Ich
bin der Meinung bei den Großableitungen wird das schlecht durchsetzbar
sein, aber bei den Mittel- und Kleinableitungen kann das schon gemacht
werden. Das wäre jetzt eigentlich unser Stromwirtschaftliches
Grundkonzept.
Sollte das Land also ihrer Meinung nach hier nur Koordinator
sein?
Ja, das Land sollte mehr oder weniger Koordinator sein. Das Land sollte
nicht Wirtschaft spielen. Das Land sollte nicht Betrieb spielen. Das Land
kann sich mitbeteiligen an der ganzen Sache. Es hat aber die Aufgabe
die Rahmenbedingungen zu schaffen. Den gesetzlichen Rahmen
innerhalb dessen man sich bewegen kann. Es wird hier in Zukunft
bestimmt Probleme geben wenn sie sich heute selber die Konzessionen
vergeben. Wenn sie die Konzession der Gesellschaft geben in der sie die
Anhang
Mehrheit haben. Das ist eine gravierende Angelegenheit. Ich weiß nicht
wie lange man da noch zuschaut. Deswegen hat das Land die Aufgabe
Koordinator zu sein. Er soll Gesetzgeber sein. Er hat für einen Ausgleich
zu sorgen. Er soll nicht Betrieb spielen. Das ist meine Meinung.
Wir haben schon vor Jahren in Südtirol ein Konzept entworfen und das
hat so ungefähr wie dieses der Verteilergenossenschaften ausgeschaut.
Im Jahr 2000 haben wir das gemacht. Wir haben 2 Jahre lang eine
Arbeitsgruppe gehabt in der Vertreter der Stadtwerke Bruneck, Brixen,
die Etschwerke und der Vinschgau usw., Vertreter von Fachleuten aus
Südtirol und das Management Zentrum St. Gallen war da auch dabei. Da
haben wir das Konzept ELO, das heißt „Energie Lokal Organisiert“
innerhalb von 2 Jahren entworfen. Da wurden die einzelnen Teile
durchgesprochen wurden und auch die Wirtschaftlichkeit und
Machbarkeit wurde überprüft. Dieses Konzept haben wir dann auch dem
Landeshauptmann vorgelegt. Der LH hat sich’s angeschaut und hat nicht
mehr als die erste Seite gesehen und dann war das schon alles nichts
mehr. Es ist in einer Schublade geblieben und fertig. Das wurde einfach
nie diskutiert. Dann ist alles mehr oder weniger zusammengebrochen.
Die Etschwerke sind ihren Weg gegangen. Die Etschwerke haben einen
Trader geschaffen, haben das eine geschaffen, haben das andere
geschaffen. Die Brixner und Bruneckner haben geschaut was sie machen
können. Wir Kleinere haben den Raiffeisen Energieverband gemacht, um
einfach irgendwie weiter zu kommen. Es ist kein Konzept. Vor allem hat
man kein Konzept gemacht das das jetzige stromwirtschaftliche System
das es gegeben hat berücksichtigt. Die Lokalen sind nicht eingebunden
worden. Das ist das ganze Problem. Das einzige Mal beim Verteilerplan
ist etwas über den Verteilerplan geredet und gestritten worden. Wo sich
die Verteile retten konnten weil sie gesagt haben: Nein Moment, wir
wollen unser Verteilergebiet erstmals behalten. Das ist dann zwar
berücksichtigt worden, aber durchgeführt ist der Verteilerplan heute
noch nicht. Wir operieren heute alle noch ohne zu wissen was morgen
eigentlich passiert. Wir haben zwar alle das Gesuch einreichen müssen
damit wir alle die Verteilerkonzession kriegen, aber das ist alles nicht
durchgesetzt worden.
Es gibt in Nordtirol die Energiestrategie 2020 in der ein
Energiemix aufgrund verschiedener Erneuerbaren Energien wie
Biomasse usw. vorgesehen wären, aber der Fokus liegt beim
Ausbau der Wasserkraft. Warum glauben Sie ist das so?
Die Preise der Biogasanlagen in Nordtirol können nicht existieren. Die
TIWAG hat ja das Monopol auch in der Stromübernahme und die zahlen
nichts.
Auch
die
Wasserkraftwerksbetreiber
haben
größte
Schwierigkeiten. Wenn da ein Windkraftbetreiber käme oder etwas
anderes kommen würde, das ist alles nicht finanzierbar weil sie das
erstens blockieren und zweitens, weil sie ja ein regelrechtes Monopol
haben, auch die Einspeisungspreise so machen das das keiner überlebt.
Die blockieren sich selbst und auch das dezentrale Wissen. Die
dezentrale Professionalität geht verloren. Italien hätte europaweit was
das Förderungswesen betrifft die besten Voraussetzungen. Die sind aber
Anhang
nicht im Stande trotz der besten Voraussetzungen das umzusetzen.
Warum? Weil das Wissen verloren gegangen ist. Die wissen sich nicht zu
helfen
wie
man
einen
elektrizitätswirtschaftlichen
oder
energiewirtschaftlichen Betrieb führt. Das hat immer das ENEL gemacht.
Wenn jetzt ein Dorf mit einer solchen Sache konfrontiert wird, wissen die
nicht was tun. Die haben keine Ahnung. Das ist das Hauptproblem. Das
einfach die Professionalität des Humankapitals verloren gegangen ist.
Hoffen wir mal das Südtirol jetzt diese Sache nicht nachmacht. Südtirol
orientiert sich gerne am Nordtiroler Modell. Logisch auch der
Landeshauptmann. Wir wissen alle was der Landeshauptmann für eine
Persönlichkeit ist. Er ist seit eh und je ein Zentralist. Ich bin dafür, dass
eine zentrale Südtiroler Vermarktung geschaffen wird, aber dass die
Genossenschaften dezentral organisiert werden. Dasselbe gilt für den
Banksektor. Die Raiffeisenkassen bei uns sind alle nicht ganz schlecht.
Die sind mit dem Volk verbunden usw.
Gerade bei der Stromwirtschaft. Da habe ich einen wahnsinnigen Ärger.
Gerade das Vinschgau ist ausgebeutet worden. Gerade wenn ich die
Leitungen sehe die übers Stilfser Joch in die Lombardei gehen oder über
Ulten. Es wurde hier einfach immer ausgebeutet. Jetzt wäre die
Ressource da. Jetzt hätte man die Chance das lokal zu organisieren und
dann bleibt das alles in Bozen unten. Das kann es einfach nicht sein. Das
ist ja grotesk wenn man sich anschaut die Gemeinde Graun mit dem
riesigen Stausee, wo 700 Mio. KWh Strom erzeugt werden wenn man
Kastelbell dazu nimmt. Das Wasser dafür kommt aus Langtaufers, aus
Matsch heraus. Da fährt man dann ins Langtauferer Tal hinein, dann
haben die da nicht mal eine anständige Beleuchtung. Man kann nicht
immer nur nehmen, nehmen, nehmen. Man muss schlussendlich auch
die Bevölkerung an der Ressource teilhaben lassen. Er sagt schon, wenn
das dann in den Landeshaushalt hineinkommt dann gebe ich euch das
wieder zurück. Aber das ist nicht kulant. Es braucht keine Kulanz. Nur
uns tun lassen. Unsere Devise ist: Wir machen es uns selber. Immer
mehr kommen sie. In Bayern draußen zum Beispiel. Die sagen: Wir
machen es uns selber. Wir trauen den Konzernen nicht und auch der
Politik nicht.
11.5. Interview mit Klaus Stocker, Präsident der SEL AG
Welche Rolle kommt in Ihren Augen der SEL AG innerhalb der
Südtiroler Energiepolitik zu?
Die Südtiroler Energiepolitik hat durch zwei politische Ereignisse eine
Neuausrichtung erfahren: Einmal durch eine lange und hart errungene
Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut, mit der wesentliche
Befugnisse im Bereiche der Energie vom Staat auf das Land übertragen
worden sind, darunter auch, um ein Beispiel anzuführen, die Zuweisung
der großen Wasserableitungskonzessionen durch die Landesregierung;
dann durch die Liberalisierung der Energiemärkte auf europäischer und
inneritalienischer Ebene, besonders auf dem Strom- und Gasmarkt. Das
Land Südtirol und die Südtiroler Gemeinden, welche gemeinsam die SEL
AG gegründet haben, erteilten ihr den Auftrag, im Sinne beider oben
Anhang
genannter Neuerungen im Interesse des gesamten Landes und seiner
Bevölkerung die Energieversorgung zu verbessern und abzusichern,
saubere und erneuerbare Energiequellen zu fördern und auf dem freien
Markt als Energielieferant (Strom, Gas) aufzutreten und mit möglichst
günstigen Preisen die Volkswirtschaft zu flankieren. Damit will ich sagen,
dass die SEL AG in Südtirol eine sehr wichtige und zukunftsweisende
Rolle übernommen hat.
Welche Vorteile sehen Sie in der öffentlichen Eigentümerstruktur
der SEL AG, die eigentlich ganz gegen die zurzeit von der EU
diktierten
Privatisierungstendenzen
bei
öffentlichen
Unternehmen geht?
Für uns ist es nicht so sehr eine Frage der Vorteile, sondern eine Frage
der strategischen Zukunftsbewältigung im Bereiche der Energie. Wir
gehen von der Tatsache aus, dass die Energie in allen ihren
Erscheinungsformen längst weltweit zu einer strategischen Ressource
geworden ist, von der Wohl und Wehe der Weltwirtschaft abhängig sind.
Davon leiten wir ab, dass in diesem strategischen Bereich in Zukunft die
Gemeinschaftsinteressen den Vorrang vor den Privatinteressen
(Gewinnmaximierung) haben sollten. Wir haben wirklich nichts gegen die
Privatwirtschaft, denn sie ist und bleibt tragendes Element der
Entwicklung. Überall dort, wo sie Gutes leistet, soll sie dies frei tun
können. Aber die strategischen Güter der Menschheit – dazu gehören
Erdöl, Erdgas und vor allem das Wasser – sollen nicht in der Hand der
Stärkeren sein, sondern in der Hand aller, damit die Versorgung
garantiert und der Missbrauch verhindert werden kann. Ich glaube, die
Bevölkerung muss sich mit diesen Gedanken vertraut machen, auch um
für die Zukunft dramatische Auseinandersetzungen über die Kontrolle
der Energiequellen zu vermeiden. Das ist weltweit bereits ein Problem,
bei uns nicht, weil wir in einem demokratischen Rahmen leben und
handeln.
Zurück zu Südtirol. Die Privatisierungstendenzen der EU sind im Prinzip
sicher positiv zu bewerten, aber von der Regel muss es auch Ausnahmen
geben können, und die Energie bildet eine solche Ausnahme. Ich möchte
aber hinzufügen, dass man unterscheiden muss zwischen Zuständigkeit
und wirtschaftlicher Führung. Auch die öffentliche Hand muss sich immer
stärker bemühen, ihre Dienste nach gesunden privatwirtschaftlichen
Kriterien zu führen, damit sie sich für die Bürgerinnen und Bürger am
preiswertesten und vorteilhaftesten auswirken. Genau das ist auch
strategisches Ziel der SEL AG, und dagegen kann die EU wohl nichts
einwenden.
Was die SEL AG angeht, können wir uns sehr wohl eine Privatisierung in
dem Ausmaße vorstellen, dass mit einer breit gestreuten Volksaktie
Miteigentum der Bevölkerung geschaffen wird und zwar so viel und so
qualifiziert, dass die Bevölkerung effektiv etwas davon hat. Die
Privatisierung dürfte aber nicht so weit gehen, dass die öffentliche Hand
die Kontrolle über das Unternehmen verliert. Das kann nicht Sinn der
Sache sein.
Anhang
Wie entgegnen Sie den kritischen
Übervorteilung
bei
der
SEL
AG
Energieunternehmen im Land sehen?
Stimmen, die eine
gegenüber
anderen
Solche kritische Stimmen gibt es, aber sie erweisen sich als nicht
berechtigt, wenn man den eigentlichen Auftrag der SEL AG in Betracht
zieht. Die SEL AG ist nicht da, um andere zu übervorteilen, sondern um
zusammen
mit
anderen
(Gemeinden,
Gemeindekonsortien,
Interessengemeinschaften, Privaten) das Grundanliegen zu bewältigen:
Die Verbesserung und Verbreiterung der Energieerzeugung und damit
die Absicherung der Versorgung der gesamten Bevölkerung. Besonders
im Bereich der Stromerzeugung aus einheimischer Wasserkraft setzt sich
dieses Kriterium durch. Es ist eine Tatsache und im Grunde auch
verständlich, dass in unserem Land der Anspruch kleinerer territorialer
Körperschaften (auch Privater) auf die Energie aus Wasserkraft sehr
stark ist, weil damit gute Geschäfte gemacht werden können. Das ist
nicht der Anspruch der SEL AG, denn sie geht als Unternehmen des
Landes davon aus, dass das Wasser allen gehört und von allen
gemeinsam genutzt und verwaltet werden soll. Aber: Die SEL AG ist ein
nach privatrechtlichen Grundsätzen geführtes Unternehmen und muss
sich als solches der Konkurrenz stellen.
In manchen Teilen der Bevölkerung wird noch immer die Meinung
genährt - und auch künstlich geschürt -, dass die SEL AG alles für sich
beanspruchen will. Das ist ein völlig falscher Eindruck. Die SEL AG hat
den Auftrag dafür zu sorgen, dass Südtirols Energiequellen im Interesse
der gesamten Bevölkerung genutzt werden, dass die gesamte
Bevölkerung
dieselbe
Qualität,
dieselbe
Sicherheit,
dieselben
Energiepreise garantiert bekommt und damit auf dem Energiesektor eine
Chancengleichheit hergestellt wird, welche die beste Grundlage für eine
gute volkswirtschaftliche Entwicklung bietet. Das ist vorrangig. Alles
andere wird noch kommen: Eine möglichst hohe Beteiligung sowohl der
Gemeinden als auch und besonders der Südtirolerinnen und Südtiroler
durch ein möglichst breit gestreutes Miteigentum an den Energiequellen
(vor allem Wasser), also die einheimische saubere und erneuerbare
Energie als gemeinsames strategisches Gut. In diesem Sinne ist auch
jede Form der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im selben Sektor
durchaus möglich und wünschenswert. Wenn unsere Südtiroler
Bevölkerung die Aufgaben der SEL AG unter diesen Gesichtspunkten
betrachtet, dann wird sie voll erkennen, wie wertvoll unsere Einrichtung
ist und welch großer Erfolg der Autonomiepolitik es ist, wenn die
einheimische Wasserkraft Stufe für Stufe in einheimisches Eigentum
übergeht bzw. zurückkehrt.
Wie sehen Sie die Position der SEL AG im liberalisierten
europäischen Markt? Welche Vor- und Nachteile bringt dieser?
Ich habe schon gesagt, dass die Liberalisierung dort gut ist, wo sie die
Chancen der freien und sozialen Marktwirtschaft stärkt und der
Volkswirtschaft zusätzliche Substanz verleiht. Die Nachteile liegen darin,
wenn die EU darauf bestehen sollte, dass die Liberalisierung auch auf
Anhang
jene Bereiche und strategischen Sektoren ausgedehnt wird, in denen das
Allgemeininteresse größer ist und sein muss als das Privatinteresse, zum
Beispiel im Sektor der Energie, des Gesundheitswesens, des Verkehrs,
der Bildung, der sozialen Absicherung und Ähnliches. Als Akteur im
strategischen Energiebereich hoffe ich, dass sich dort Interessen der
Gemeinschaft und der Privaten auf einen gemeinsamen Nenner bringen
lassen, der garantiert, dass die breite Bevölkerung den bestmöglichen
Vorteil daraus ziehen kann. Es ergibt wenig Sinn, wenn mit Gewalt
liberalisiert wird und dabei breite Einkommensschichten der Bevölkerung
unter die Räder kommen, weil sie sich nicht mehr genügend
Gewinnmaximierte Energie leisten können. Das darf es wohl nicht sein.
Ist die SEL AG nach dem Vorbild der TIWAG geschaffen worden?
Welche Parallelen gibt es? Welche Wege kann die SEL AG z. B.
aus rechtlichen, politischen oder ähnlichen Gründen nicht
beschreiten, die Dank anderer Voraussetzungen bei der großen
Schwester TIWAG möglich sind?
Hier muss genau unterschieden werden. Die SEL AG ist unter völlig
anderen Vorbedingungen entstanden, wie seinerzeit die TIWAG. Die SEL
AG wurde sozusagen „ins Nichts“ hinein geboren. Eben erst war eine
Durchführungsbestimmung
zum
Autonomiestatut
in
Sachen
Energiekompetenzen (Nr. 235 aus dem Jahr 1977) in Kraft gesetzt
worden, aber der Bewegungsspielraum war angesichts der staatlichen
Monopole im Bereich der fossilen Energie (Erdöl, Gas), aber auch der
Wasserenergie (staatliche Konzessionsvergabe, Preiskontrolle usw.)
denkbar klein. Erst als in den neunziger Jahren sich, von der EU
ausgehend, eine erste Liberalisierung des Energiemarktes (Strom, Gas)
abzeichnete, und etwa gleichzeitig die Suche nach alternativen,
erneuerbaren und sauberen Energiequellen im Zusammenhang mit
Umwelt- und Klimaschutz begann, eröffnete sich der Südtiroler
Autonomie ein konkretes Betätigungsfeld. 1998 wurde die SEL AG
gegründet, zwei Jahre später wurde sie operativ.
Die neue Gesellschaft musste sich ihren Weg erst bahnen. Während die
TIWAG in Tirol seit fast einem Jahrhundert ihren Weg ungehindert gehen
konnte und eine herausragende Position auf dem Strommarkt gewonnen
sowie die Entwicklung der Energieproduktion aus Wasserkraft
weitestgehend selbst in die Hand genommen hatte, stand die SEL AG in
Südtirol einer völlig anderen Situation gegenüber: Die große Mehrheit
der großen Wasserkraftanlagen, ausgenommen jene der Etschwerke von
Bozen und Meran, befand sich in Händen der beiden nationalen
Großkonzerne EDISON und ENEL, und die rund 600 privaten
Kleinkraftwerke, obwohl für die örtliche Versorgung sehr wichtig und ein
nicht
zu
unterschätzender
Wirtschaftsfaktor,
gingen
ihren
vorgezeichneten Weg. Die SEL AG musste ihren Weg erst finden. Sie tat
es in mehreren Schritten: Gründung der SELEDISON AG zur Führung
von zwei Kraftwerken im Vinschgau (Glurns, Kastelbell), Gründung der
SELGAS AG zur Versorgung Südtirols auf dem inzwischen liberalisierten
Gasmarkt, Aufnahme der Verhandlungen mit EDISON und ENEL zwecks
Rückgewinnung der großen Wasserkraftwerke in Südtirol, Beteiligung an
Anhang
lokalen Kraftwerksinitiativen zum Zwecke der Errichtung neuer
Kraftwerke in verschiedenen Teilen des Landes und zur Nutzung von
Biomasse durch die Errichtung von Fernheizwerken, ein Zweig übrigens,
in dem Südtirol sich schnell als führend erwies: Über 60 BiomasseAnlagen sind derzeit bereits in Betrieb, fünf davon von der SEL AG mit
errichtet und geführt, und andere werden noch folgen.
Bei jeder Initiative müssen in Südtirol eine Reihe von Hürden genommen
werden, die in der Landesgesetzgebung (Raumordnung, Umweltschutz,
Naturschutz, Wasserwirtschaft, Mitsprache der Gemeinden, usw.)
verankert sind. All das erfolgt in Nordtirol mit weit weniger Umständen.
Daher ist die SEL AG mit der TIWAG kaum zu vergleichen. Aber sie hat
in ihren Tätigkeitsbereichen schon große Erfolge erzielt, darunter die
Übernahme von 60 Prozent Anteilen an den sieben großen
Wasserkraftwerken der EDISON in Südtirol, positive Verhandlungen mit
der ENEL, die in eine ähnliche Richtung zielen, Übernahme des ENELVerteilernetzes, alles Erfolge, die in den kommenden Jahren voll
durchschlagen werden.
Die SEL AG bietet einen Multi-Utility-Service an. Wie wichtig ist
Ihrer Meinung nach das Angebot eines breit gefächerten EnergieMix für Ihr Unternehmen und für die Verfolgung der politischen
Ziele im Land?
Energie ist nicht nur Strom aus Wasserkraft, sondern die Summe einer
ganzen Reihe von Initiativen auf dem Sektor. Nachdem das Land
Südtirol gemäß Landesautonomie Zuständigkeit und damit auch
Verpflichtung hat, in diesem Bereich tätig zu sein, ist es nur logisch,
dass ein Multi-Utility-Service mit das Ziel sein muss. Produktion von
Energie aus Wasserkraft, aus Biomasse, aus anderen sauberen und
erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Biogas, Geothermie), Verteilung
und Lieferung von Energie (Gas, Strom), Förderung der Entwicklung der
neuen Quellen, Herstellung überregionaler Verbindungen, das alles
gehört in den großen Bereich. Manches davon spielt sich nach den
Regeln des freien Marktes ab, und das soll zum Vorteil der Kunden
erfolgen; manch anderes, etwa die Forschung und Entwicklung, braucht
öffentliche Förderung, die Umstellung privater Energieverbraucher auf
neue Quellen (Sonnenkollektoren, Fotovoltaik usw.) bedarf ebenfalls der
öffentlichen Bezuschussung. Das alles muss im Sinne einer strategisch
überlegten Energieversorgung für die Zukunft zusammenspielen. Es sind
nicht politische Ziele, welche die SEL AG hier vertritt, sondern
strategische volkswirtschaftliche Ziele, und solche müssen von der
Gemeinschaft voran getragen werden.
Die von der EU vorgegebenen Privatisierungstendenzen nehmen
auch in Italien immer weiter Gestalt an. Wie stehen Sie als
Vertreter eines öffentlichen Betriebs zur Privatisierung der
Daseinsversorgung?
Wir sind ein öffentlicher Betrieb, der nach privatwirtschaftlichen Kriterien
geführt wird, wo aber diese Kriterien nicht ausschließlich sind, denn die
Anhang
Gewinnmaximierung gehört nicht dazu, wohl aber
Wirtschaften mit schwarzen Zahlen unterm Strich.
ein
gesundes
Die Privatisierung der Daseinsversorgung, wie Sie es nennen, ist etwas
sehr Heikles, das man differenziert sehen muss. Es gibt
Daseinsversorgungen, die ohne weiteres rein privatwirtschaftlich
erfolgen können. Aber es gibt auch Bereiche, in denen die reine
Privatisierung nicht zielführend sein kann, weil sie immer Gefahr läuft,
die Gemeinschaftsinteressen zugunsten des privaten Wohlergehens zu
übersehen bzw. zu vernachlässigen. Der Energiesektor ist ein solcher
Bereich, wie auch mehrere andere. Die öffentliche Hand trägt die
Verantwortung, allen Bürgerinnen und Bürgern das Grundrecht auf
erschwingliche strategische Ressourcen zu sichern, besonders der
schwächeren Einkommensschichten, die unweigerlich unter die Räder
kommen, wenn Dienste nach reiner Gewinnmaximierung angeboten
werden. Solche Dienste müssen der Allgemeinheit verbleiben, wobei
diese die Pflicht hat, auf Effizienz, Kostenwahrheit und soziale Dimension
zu achten.
Die SEL AG bemüht sich, diesen Erfordernissen gerecht zu werden. Sie
denkt und handelt global, das heißt unter Berücksichtigung der
Interessen der gesamten Bevölkerung und des gesamten Territoriums,
wie es ihr Auftrag ist. Eine EU, welche die Privatisierung über die hier
genannten Erfordernisse stellen sollte, ist zum Scheitern verurteilt, denn
sie würde damit in strategischen Bereichen des Lebens der Gemeinschaft
untragbares Ungleichgewicht schaffen und den sozialen Frieden
unterminieren. Das kann es nicht sein.
11.6.
Interview
mit
Dr.
Georg
Zingerle,
Leiter
der
Projektarbeitsgruppe Tiroler Energiestrategie 2020 und Stephan
Oblasser, Tiroler Energiebeauftragter
Welche Aufgaben,
Energiepolitik?
Ziele
und
Perspektiven
hat
die
Tiroler
Die Tiroler Landesregierung hat die Aufgaben, Ziele und kürzerfristigen
Perspektiven (bis 2020) in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ als
Grundlage für die Tiroler Energiepolitik formuliert; diese gehorcht den
Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung und sucht damit eine Balance
zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung, welche insgesamt in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen. Wesentliches
Merkmal der Tiroler Energiepolitik ist auch eine dem Subsidiaritätsprinzip
der EU entsprechende möglichste Selbstbestimmung; da die Rahmenbedingungen von der EU vorgegeben sind, lassen allerdings lediglich
abgegrenzte Bereiche noch Einflussnahmen auf regionaler Ebene zu.
Die Tiroler Energiestrategie 2020 verfolgt unter anderem das
Ziel, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, zur
Förderung erneuerbarer Energieträger und zur Sicherstellung der
Anhang
Versorgungssicherheit
nach
der
EU-Effizienzrichtlinie
zu
erreichen. Welche Maßnahmen wurden bis jetzt konkret
umgesetzt, welche sind noch zu tätigen?
Die in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ vorgeschlagenen Programme
und Maßnahmen betreffen einerseits die Bereiche Energieeffizienz und
„Energiesparen“, wobei nicht Verzicht auf Energiedienstleistungen
gemeint ist, sondern die Schärfung des Bewusstseins beim Anwender,
mit Energie sparsam und haushälterisch umzugehen, andererseits Maßnahmen, welche die eigenen, vor der Haustüre liegenden Energieressourcen besser nutzbar machen lassen. Die Maßnahmen sind auf die
jeweils angesprochene Zielgruppe ausgerichtet und reichen vom Abbau
von Informationsdefiziten bis hin zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen
und Förderungsanreizen. Einen Schwerpunkt bildet das seit dem
01.04.2009 gestartete Gebäudesanierungsprogramm, welches die energetische Sanierungsrate deutlich anheben soll. Darüber hinaus gibt es
umfassende Informations- und Förderungsprogramme (richtiges Dämmen, Niedrigenergie- und Passivhaus, Solaranlagenförderung, Biomasseheizungsförderungen, Pelletkaminofenförderung, Richtige Straßenbeleuchtung , Gerätetauschprogramme, Wärmepumpenförderung, etc.)
Wesentliches Element der Maßnahmen und Programme ist eine begleitende Evaluierung, welche im Rahmen eines „Tiroler Energie Monitoring“
vom Energiebeauftragten wahrgenommen wird.
Die Strategie setzt beim Ausbau der erneuerbaren Energien
vermehrt auf den Ausbau der Wasserkraft. So soll der Anteil der
EE von 45% auf einen 56% Prozentanteil gesteigert werden.
Allein 5% dieser Steigerung geht auf das Konto der Wasserkraft.
Warum glauben Sie ist im restlichen Energiemix nicht mehr
Potential drin?
Die in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ ausgewiesenen Zubaupotenziale an Erneuerbaren Energien orientieren sich an einem Szenario, welches unter Einschätzung von Experten verschiedener Disziplinen (Wasserkraft, Biomasse, Wärmepumpen, Solaranlagen,...) entstanden ist.
Letztlich erging die Frage an die einzelnen Unternehmer, wie viel Potenzial unter definierten, angenommenen Rahmenbedingungen erschließbar
sei.
Die Wasserkraft war durch vier klar vorgegebene größere Ausbauoptionen und einige Kleinwasserkraftprojekte determiniert, ein größerer
Biomasseausbau erschien aufgrund sich abzeichnender Holzengpässe
nicht machbar und die Solarenergien leiden natürlich insgesamt unter
dem Phänomen einer geringen Energiedichte, wodurch absolut entsprechend wenig herauskommt. Die Windenergie und die Tiefengeothermie
erscheinen für Tirol kürzerfristig als keine realistischen Optionen.
Welche Rolle kommt der TIWAG in der Tiroler Energiepolitik zu?
Der TIWAG als Landesenergiegesellschaft im 100%-Eigentum des
Landes kommt bei der Umsetzung der Tiroler Energiestrategie eine
tragende Rolle zu. Einerseits ist die TIWAG seit Beginn im Jahre 1924 ein
Wasserkraftunternehmen und wurde letztlich auch zum Zwecke der
Anhang
Erschließung heimischer Wasserkräfte gegründet, andererseits ist die
TIWAG auch Landesstromversorger, wobei die Rolle der Elektrizität in
der Hinführung zu nachhaltigeren Energiestrukturen eine immer größere
Bedeutung einnimmt. Es wird uns gelingen müssen, heutige ineffiziente
und CO2-bildende Prozesse auf nachhaltige Strukturen umzustellen, was
fast immer mit einem größeren Stromeinsatz verbunden ist (Elektroautos für die urbane Mobilität, Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen von
Gebäuden, Automatisierungsprozesse, Umweltschutzerfordernisse,...).
In beiden Bereichen kommt der Landesgesellschaft im Interesse der
Landesenergiepolitik eine große Verantwortung zu!
Welche Rolle spielt ihrer Meinung nach die Energiepolitik der
Europaregion Tirol, im Mehrebenesystem zwischen EU-BundRegion?
Die Europaregion Tirol (Tirol, Südtirol, Trentino) ist einerseits als EURegion an die übergeordneten Ziele eines von der EU vorgegebenen
Rechtsrahmens gebunden; dieser wird bis 2020 im Wesentlichen vom
Klima- und Energiepaket und dem dritten Liberalisierungspaket getragen. Andererseits ergeben sich innerhalb der Europaregion Tirol viele
gleichartige Optionen und Herausforderungen im Umgang mit bspw.
erneuerbaren Energieressourcen im sensiblen Alpenraum. Darüber hinaus leidet die Europaregion Tirol gleichermaßen an einem Verkehrs- und
Transitproblem, welches wiederum stark mit Energie- und Ressourcenfragen verknüpft ist. Die Lösung dieser großen Herausforderungen unter
Zusammenarbeit und Nutzung von Synergien ist eine wesentliche
Zukunftsaufgabe und entspricht auch ganz dem Prinzip der Subsidiarität!
Welche Probleme sehen Sie in der Liberalisierung der Energiemärkte bzw. in der Privatisierung von EVU?
Der Liberalisierungsprozess im Energiemarkt wurde vor gut zehn Jahren
von der europäischen Industrie-Lobby mit dem Ziel einer Energiepreissenkung betrieben. Inzwischen ist dieser Preiseffekt Vergangenheit und
ungewisse Preisvolatilitäten sind selbstverständlich geworden. Die für
das Funktionieren des Marktes notwendige Auftrennung der
Stromversorgungsstruktur in Wettbewerbs- und Netzbereiche brachte
zwangsläufig die Unterbrechung der logischen Versorgungskette und
keine
Verbesserung
der
Versorgungssicherheit.
Die
nunmehr
notwendigen
Regulierungsschnittstellen
führten
zu
bekannten
Problemen.
Bei fortschreitender Privatisierung besteht die Gefahr, dass Langfriststrategien wie bspw. der Ausbau der Wasserkraft oder Investitionen in
teure Infrastrukturen, z.B. Strom- und Gasnetze, Fernwärmenetze, Verkehrsinfrastrukturen, auf der Strecke bleiben, da sie sich nur langfristig
amortisieren können. Beispiele dafür sind bestens bekannt (Stromwirtschaft in England, Eisenbahnwesen,...). Eine mehrheitliche Privatisierung
(über 50%) wird jedenfalls sehr skeptisch gesehen.
Anhang
In Südtirol ist es das Ziel bis 2020 eine Energieautonomie in den
Bereichen Strom und Wärme zu erzielen. Warum ist dies in
Nordtirol nicht möglich?
Die Formulierung eines Autonomiezieles im Strom- und Wärmebereich
macht nur Sinn, wenn das Ziel auch realistisch erscheint; bis 2020, also
in nur zehn Jahren, wird dies keinesfalls möglich sein, wenn man
bedenkt, dass in Tirol noch an die 50% aller Heizungsanlagen auf
fossiler Basis (Öl, Erdgas) stehen. Es ist zwar als langfristiges Ziel
formuliert, den Gebäudebereich ausschließlich auf erneuerbare Energien
umzustellen, dies dürfte aber zumindest eine Generationenaufgabe sein!
Im Strombereich sind sowohl Südtirol als auch Tirol bereits heute autonom; in beiden Ländern wird mehr Strom aus Wasserkraft erzeugt, als
verbraucht wird. Dass aufgrund bestimmter Entwicklungen und
Vertragsbestimmungen der in den Ländern produzierte Strom nur zu
einem gewissen Teil im Land abgesetzt werden kann, ist eine andere
Geschichte.
11.7. Interview mit Maria Scheiber, Landtagsabgeordnete und
Umweltsprecherin der GRÜNEN TIROL
Wie sehen Sie die Tiroler Energiepolitik? Welche Probleme gibt
es?
Ich sehe eines der größten Probleme in der Tiroler Energiepolitik, in
diesem Interessenskonflikt, indem der Aufsichtsratvorsitzende immer
derselbe war, der auch gleichzeitig Energiereferent ist. Derzeit haben wir
diese Positionen gespalten, das begrüße ich einerseits sehr, aber
andererseits geschieht trotzdem nicht viel. Das ist die Macht der
Gewohnheit. Man weiß nicht schafft jetzt gerade die TIWAG oder schafft
die Regierung. Der Landtag ist es auf jeden Fall nicht – leider.
Wie funktioniert das operativ, wenn Sie z.B. eine Anfrage stellen
über die TIWAG?
Wenn ich (als Landtagsabgeordnete) z.B. wissen will wie viele Lehrlinge
die TIWAG anstellt, dann bekomme ich die Antwort: „Das ist das
operative Geschäft der TIWAG, das geht dich nichts an“. Wenn der
Rechnungshof überprüft was die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit der
TIWAG, die exorbitant hoch waren, was ja für jeden nachvollziehbar ist,
denn Öffentlichkeitsarbeit ist ja ein Teil des öffentlichen Arbeitens.
Theoretisch nimmt man da dann die Kosten für alle Anzeigen die
geschaltet wurden und dann hat man ja den Betrag schon. Der RH hat
das dann geprüft und den Bericht den man dann veröffentlicht hat, der
hat alle wichtigen Stellen, i sag mal „geschwärzt“ gehabt. Also, wie viel
die TIWAG für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ausgibt, ist für Sie ein
schützenswertes Geheimnis, so zu sagen ein Betriebsgeheimnis. Das ist
für mich nicht nachvollziehbar.
Anhang
Die TIWAG läuft also unter wirtschaftspolitischen Vorzeichen,
d.h. sie haben kaum Möglichkeiten das „öffentliche Interesse“ zu
kontrollieren?
Also meinem Erachten nach, hat die TIWAG mit den landespolitischen
Zielsetzungen, nennen wir es mal so, so gut wie gar nix am Hut. So die
Richtung: Lasst uns nur mit dem in Ruhe. Wir müssen am
internationalen Markt wirtschaften und wachsen können und können
nicht derartige Wettbewerbsbremsen haben, dass wir uns eventuell noch
um politische und soziale Komponenten kümmern müssen. Vermehrt
könnte dies der Landtag vorgeben, dass ist auch meinerseits 2 oder 3
mal eingebracht worden, das wurde aber von der Mehrheit des
Landtages abgelehnt. Der Vorwurf hier betrifft also weniger die TIWAG,
die sich da wahrscheinlich die Hände reibt, sondern die politischen
Vertreter, die für mich aus nicht nachvollziehbaren Gründen sagen: Na,
das mit der Ökologie und das dem Sozialen des wollen wir mal bei der
TIWAG nicht so genau sehen, das wollen wir ihnen in die Satzungen
nicht hinein geben.
Die Tiroler Energiestrategie 2020 sieht die Realisierung eines
Energiemix vor, allerdings immer auch unter dem Fokus Ausbau
der Wasserkraft. Wie sehen Sie das?
Das ist eines der ganz großen Probleme in der Energiediskussion. Das
wirkliche Problem haben wir mit den fossilen Energien. Sprich Öl zum
Heizen, Gas zum Heizen, Benzin und Diesel in der Mobilität. Da haben
wir das Problem, aber von dem wird immer abgelenkt und mit dem Wort
Wasserkraft werden dieses Probleme immer zugeschüttet. Es stimmt
schon, es wird schon noch ein Wasserkraftpotential da sein, nur wenn
ich mir das jetzt so ansehe, dass 70% des Energieverbrauchs aus
fossilen Energieträgern stammen; wenn ich des alles (durch Strom)
ersetzten wollte, was hirnrissig wäre, denn kein Mensch sollte mit Strom
heizen, das ist in Deutschland sogar verboten - zu Recht. Die Traktoren
haben auch keine Steckdosen. Der LKW, der im Transit durch Tirol rennt
der wird auch nicht mit Strom rennen, auch nicht in 20 Jahren das bin
ich mir sicher. Hier immer, wenn die Probleme der Energiepolitik auf den
Tisch kommen, die ganz anders sind als die vom Strom, automatisch nur
„Wasserkraft“ zu sagen erinnert mich an die Diskussion um den BBT, da
ist genau dasselbe, man hat nicht wirklich Lösungen erarbeitet, man hat
nicht wirklich angagiert Ziele verfolgt über Jahrzehnte sondern man ist
immer beim System geblieben wie es ist. Das sind die großen Probleme
der politischen Tiroler Landschaft, der BBT und die Wasserkraft die unser
Treibhausgasproblem
lösen.
Hierzu
ein
paar
Zahlen.
Die
Energieversorgung in Tirol ist für 100.000 Tonnen CO2 zuständig, wir
müssen aber 2 Mio. einsparen. Das heißt, ich kann nicht mit mehr
Wasserkraft den CO2 Ausstoß von die Autos verhindern. Die Strategie ist
nur diese Diskussion immer weiter raus ziehen, und jedes Mal schön fein
säuberlich sagen: Ja, dann machen wir Sellrain-Silz und die Welt ist
wieder in Ordnung. Das ist ein Quatsch!
Wie sehe ich die Energiestrategie 2020? Ich bin schon ziemlich lange im
Amt und habe Papiere kommen und gehen gesehen. Ich vermute dass
die 2020 Strategie ein ähnliches ist. Auch der RH hat unlängst kretisiert,
Anhang
dass wir eigentlich kein Klimakonzept haben. Auch diese Strategie bietet
das nicht und sie gibt keine klaren Zahlen vor. Wenn ich nach
Oberösterreich schaue, da heißt es: Wir wollen bis zum Jahr x, soviel %
von Öl, Gas, was auch immer, reduzieren. Also nachmessbare Zahlen.
Die fehlen in der Energiestrategie und jedes Papier das schwammig ist,
wird dort landen wo alte Schwämme landen, im Müllkübel. Die
Energiestrategie 2020 klingt wunderbar, wunderschön. Nur gibt es eben
nur Wasserkraft, sprich Scheinlösung und bei allen anderen Themen
keine klaren Vorgaben. Das wäre so wie wenn sie jetzt in Kopenhagen
sagen würden, tun wir halt ein bisschen warten, die Welt geht unter aber
wir arbeiten dagegen. Da will man auch hören was? 20-30-40? Wie viel
% wollt ihr reduzieren? Und was passiert wenn ein Staat nicht reduziert?
Bei Kyoto haben wir eindeutig Sanktionen, sprich es kostet Geld! Bei der
Energiestrategie haben wir so mutlose Pläne und man hat sich auf keine
Ziele festlegen wollen oder können. Der für mich zentrale und zukünftige
Energiemarkt ein solarer. Ich bin zutiefst überzeugt davon. Man kann es
immer noch ein bisschen als Liebhaberei hinstellen. Wenn man die
Photovoltaik anschaut, dann kostet mich das Kilowatt mehr wenn ich’s
selber übers Dach fabrizier als wie wenn ich’s aus dem Netz beziehe.
Wenn ich die entsprechenden Förderungen kriege alla Deutschland oder
auch so wie in Südtirol, dann sieht das ganz anders aus. Ich war am
Freitag auf einer Veranstaltung zum Thema Energie, da war der Franz
Alt der Vortragende, der hat das ungefähr so formuliert: „Seit 2000
haben wir das Erneuerbare Energie Einspeisungsgesetz und seit dem ist
wirklich, sei es von den Arbeitsplätzen her, sei es auch von dem Anteil
der Erneuerbaren Energien her, sehr, sehr viel passiert.“ China hat es
abgenommen. Die Polen diskutieren drüber. 47 Staaten haben dieses
Gesetz – Österreich hat es nicht. Warum nicht? Wir sind von der
Geographie her begünstigt. Wir wären wirklich begünstigt. Warum habt
ihr des nicht? Packt eure Regierung und schickt sie in die Wüste wenn
sie es nicht her bringt.
In Österreich gibt es das Ökostromgesetz. Warum greift dieses
Gesetz nicht?
Das geniale am deutschen Gesetz ist ja, dass ich durch die
Ökostromzulage, die ich für jede Kilowattstunde bezahle, das ganze
Regime am Leben erhalte und finanzier. Das heißt, ich muss nicht auf
die Steuerressourcen der öffentlichen Hand zurückgreifen. Das hat was
von Kostenwahrheit. Derjenige der viel Strom verbraucht, der zahlt auch
ein bisschen mehr als derjenige der wenig braucht. In Österreich gibt es
immer wieder Ökostromgesetze die sich so nennen, die haben aber
einen Riessengroßen Schönheitsfehler a) dass die Verteilung der
erneuerbaren Energieträger immer eine andere Gewichtung hat; darüber
kann man diskutieren. Der größte Fehler ist aber die Deckelung, d.h. nur
so viel an Megawatt will man zulassen und dann ist der Topf zu. Wobei
Deutschland hat jetzt seinen Ökostromcent, der ungefähr 1 Cent pro
Kilowattstunde Strom ausmacht, der wird nächstes Jahr über 2 Cent
ausmachen, 2.3 circa. Da kann man sagen das ist nicht viel, aber man
muss sich auch mal vor Augen halten um was es geht. Es geht ja nicht
nur ums Geld. Es geht um die Wurst und es geht auch um ganz, ganz
viele Arbeitsplätze die mittlerweile in Deutschland geschaffen worden
Anhang
sind. Das strahlt auch nach Tirol aus. Wir haben auch gute Unternehmen
hier, wie die Solarhilber nur als Beispiel, die in diesem Markt zu Hause
sind, die aber alles exportieren müssen. Die so gut wie keinen
Heimmarkt haben. Das nennt man schlichtweg Trittbrettfahrerei, was
Österreich da macht und das finde ich a) politisch unanständig und b)
nur noch dumm, weil unsere Arbeitsplätze werden so auch nicht
geschaffen.
Die TIWAG speist jetzt auch den Strom aus privaten
Photovoltaikanlagen in ihr Netz ein. Ist das eine Initiative die auf
ihr Bestreben zurückgeht?
Auch hier gibt es wieder eine Deckelung, weil dieser Strom steht ja nicht
allen immer und überall zur Verfügung, dass muss man hier auch sagen.
Allerdings ist es sehr begrüßenswert, dass schon einmal diese Schritte
gesetzt wurden. Wir hoffen und arbeiten auch schon länger drauf hin,
dass es wenigstens eine ganz klare 1:1 Einspeisung gibt. Das hat
zumindest einen psychologischen Effekt, damit ich zumindest weiß dass
diese Kilowattstunde die ich auf meinem Dach produziere, wenn ich sie
nicht jetzt konsumiere kann, dann konsumiere ich sie morgen. Die
TIWAG würde halt die Zwischenspeicherung aus der Photovoltaik
übernehmen. Das Modell ist leider nicht das 1:1 Modell geworden. Es ist
ein bisschen weniger, aber man kann fast sagen, es geht in diese
Richtung. Das ist natürlich eine Verbesserung, keine Frage, aber es ist
nach wie vor nur ein psychologischer Effekt als wie ein volks- oder
betriebswirtschaftlicher Effekt. Also ich denk weiter in diese Richtung,
aber viel weiter.
Wird das von der Politik gebremst?
Auf alle Fälle. Ich war unlängst auf einer Veranstaltung wo es darum
gegangen,
dass
ein
EVU,
(nicht
die
TIWAG)
das
im
grenzüberschreitenden Bereich arbeitet, konkret die EWK Reute, die
auch einen Teil im Allgäu versorgen. Allgäu ist der Sonnengürtel in
Deutschland und die haben teilweise bis zu 1/3 Strom aus Photovoltaik
und das ist auch technisch eine Herausforderung das gebe ich auch zu.
Wie gehe ich mit diesen unterschiedlichen Energieeinspeisungen um?
Das wäre die politische Herausforderung, diese Sachen zu lösen und zu
regeln. Auf europäischer Ebene gibt es Ansätze dazu, auf Bundesebene
wird das sehr stark vom Wirtschaftsministerium gebremst und auf
Landesebene ist da einfach eine ganz klare Verhinderung von allem was
nach dezentral aussieht d. h. wenn ich 1/3 eingespeisten Strom aus
Photovoltaik habe, das heißt wenn der Kemtner Raum mal für sich selber
produziert, was wären das für wirtschaftliche Verluste?
Ich habe öfters versucht auch auf Landesebene eine Initiative in
Richtung: Bitte liebe Regierung geh zum Bund, geh zum
Wirtschaftsminister und behandelt mit ihnen ein „gscheides“
Ökostromgesetz aus. So wie es jetzt ist, geht’s nicht. Das war so
ungefähr der Inhalt. Gleich lautende Anträge wurden von uns in allen
Landtagen eingebracht und da war schon bezeichnend, dass in den
westlichen Bundesländern diese Anträge ungeliebt waren und meins
wurde sogar abgelehnt. In den östlichen sind sie allerdings angenommen
worden. Man hat gesehen, der Widerstand gegen ein Ökostromgesetz,
Anhang
das seinen Namen auch verdient, kommt aus Westösterreich. Die
Finanzverbände, man muss sagen das sind ja auch bekannte
Wasserkraftwerke, sind diejenigen die hier bremsen. Also erneuerbare
Energie darf nur aus Wasserkraft sein, so der Wunsch und darf nur über
das jeweilige Unternehmen gehen. Da ist das eine wie das andere keine
Energievision für die Zukunft. Die Zukunft der Energieversorgung wird
dezentral sein, das ist nur noch eine Frage der Zeit. Ich glaube auch
gegen den Widerstand der großen EVU’s und entweder versteht sich die
TIWAG irgendwann als Dienstleister und gehen den Weg mit und haben
hier ein gutes Geschäftsfeld oder wenn sie es nicht tun, dann werden sie
einfach den Zug der Zeit verschlafen. Dann wird es auch für ihr
Unternehmen, wie General Motors immer gemeint hat sie beharren am
Status Quo, gut der Staat hat sie dann wieder raus gehaut, aber das
kann ja nicht das Ziel sein. Wir haben auch größere EVU’s, nicht nur in
Österreich auf ihrem Status Quo.
Wie funktioniert die Wassernutzungsrechtvergabe in Tirol?
Das Wasserrecht wird vom zuständigen Bundesministerium im Zuge der
jeweiligen Wasserrechtsverhandlung zugesprochen. Hier gibt es so was
wie eine grundsätzliche Verpflichtung, dem Ansuchenden dieses Recht zu
gewähren, so nicht gröbere Versagungsgründe dagegen sprechen. Also
ziemlich vereinfacht gesagt, die Beweißlast liegt völlig bei den Behörden.
Die Bundeszuständigkeit gilt unabhängig von der Wassermenge. Nur die
Verfahren werden je nach Größe des Projektes im Instanzenzug
unterschiedlich angesiedelt (BH, Land, Ministerium).
Was sind die Zukunftsperspektiven für Tirols Energiepolitik?
Wir haben mal ein Datum und zwar 2012. Hier werden die ersten
Penalzahlungen für Kyoto fällig. Für Österreich wird eine Zahl von 1 –
1,3 Mrd. Euro geschätzt. Wie ich die Bundesregierung kenn, und es gibt
schon
länger
diese
Treibhaus-Emmissions-Inventur
für
die
Bundesländer, wird der Bund an die Bundesländer herantreten und
sagen: Liebes Bundesland X, du zahlst fein auch, weil ihr habt’s da
verschlafen was zu tun. Wir haben in Tirol z.B. den höchsten Anteil an
Ölheizungen. Da wird der Bund dann ans Land herantreten und das wird
dann ein teurer Spaß und spätestens dann muss es ein Umdenken in der
Energiepolitik geben. Das kann jetzt vieles sein. Es kann sein dass man
einfach Zuschlag bzw. eine Bereitstellung macht und wo man sagt, mit
dem zahlt man das. Eine vernichtende Watsche wäre das für die
Volkspartei. Ihr holt den Leuten das Geld aus der Tasche und schießt es
gleich wieder in Strafzahlungen hinein und das Geld geht außer Landes.
Das kann es nicht sein. Aber da wird sich sicher was ändern. Das zweite
ist natürlich diese ganze Treibhausgasdiskussion spitzt sich ja zu. Leider
auch immer wieder mit katastrophalen Wetterausmaßen. Politische
Entscheidungsträger haben anscheinend die Eigenschaft, dass sie ganz
schnell vergessen. Wenn ich mir z.B. anschaue dass für den
Hochwasserschutz heuer wieder das Budget gekürzt wird, wo man ein
Langjahresprogramm ausgearbeitet hat. Aber wir haben schon noch vor
Augen diese extremen Wetterausmaße von 2005 das Hochwasser, 1999
Galtür, 2003 die Hochwassersituation. Das sind alles wirtschaftliche
Rückschritte. (…) Wovon ich zutiefst überzeugt bin ist, dass sich die
Anhang
Photovoltaik, die vom letzten auf das heurige Jahr in der
Investitionssumme ein Minus von 30% erlangt hat, den Break-point
erreicht hat. Das heißt, den Preis den ich bezahle wenn ich das Kilowatt
beziehe und der Preis den ich durch meine eigene Produktion habe, die
kreuzen sich und dann geht die Schäre in die andere Richtung. Also
dann wird es auch günstiger. Und das ist dann der nächste Punkt. Da
brauche ich dann auch intelligente Energiesysteme. Das heißt: Die Frage
der Speicherung. Die Frage der Netzeinspeisung. Die Frage von
intelligenten Zählern. Gerade in der Produktion haben wir meistens das
Problem, das wir um 3 Uhr in der Früh kein Problem haben, sondern zu
den Spitzenlastzeiten. Die Kapazität, die ausgetragen wird, die wird
immer auf die Spitzenlastzeiten gerichtet. Was liegt da näher als die
Spitzen zu kappen und zu versuchen mit intelligenten Stromzählern dem
Kunden zu sagen: Weist du was, wenn du den Strom zu Spitzenzeiten
verbrauchst dann zahlst du so und so viel. Wenn du ihn zu
Schwachlastzeiten verbrauchst, dann kostet dich das so viel. Da werden
dann unzählige Waschmaschinen zu ganz anderen Uhrzeiten
eingeschaltet. Da habe ich beim letzten Landtag einen Antrag in diese
Richtung gehabt, der ist abgelehnt worden. Auch das will man nicht. Ich
behaupte einmal, dass wir momentan uns in dieser kurzen Lücke
befinden, bis wir ins Solarzeitalter kommen. Die will man jetzt noch
nützen, um auf Teufel komm raus Kraftwerke zu bauen und Ressourcen
zu sammeln und bloß bitte nichts einsparen.
Es wird viel von Energieeffizienz gesprochen. Wird dahingehend
in Tirol also nicht viel gemacht?
Große Teile der Bevölkerung haben bereits große Bewusstseinschritte in
diese Richtung hin gemacht. Das hört man und das spürt man. Auch im
Haushaltsverbrauch der nicht mehr so exorbitant steigt. Nur, das ist ein
Teil des Energieverbrauchs. Beim Strom z.B. was hier eingespart wird
mit den Sparlampen, mit den Stand-by Schaltungen und mit den
effizienteren Heizungspumpen. Das wird auf der anderen Seite bei
immer neuen Beschneiungsanlagen wieder raus geschmissen. Also
Energieeffizienz ist viel mehr als nur auf einen ganz kleinen Teil seinen
Focus zu legen. So quasi die Leute zählen. Ja natürlich zählen die Leute,
auch weil sie in ihre eigene Geldtasche schauen und sie damit mehr Geld
für den Kulturbesuch, für den Frisör, was auch immer haben. Es geht da
auch um die Wirtschaft. Aber der Schritt muss noch viel weiter gehen.
Ich komme aus Breitenwang da sind die Planseewerke draußen, die mit
sehr hohen Temperaturen arbeiten. Da müsste es schon längst ein
Konzept geben bzw. eine Umsetzung diese Wärme auch zu nützen,
zumindest im Winter und ein größeres Gebiet mit Fernwärme zu
versorgen. Der Unternehmer selber, der baut halt noch einen höheren
Kühlturm, jetzt nicht auf Plansee bezogen, aber der versteht auch nicht
die Logik dahinter. Der hat auch nicht die Zeit dazu. Das ist ja auch nicht
seine Kernkompetenz, sein Kerngeschäft. Das wäre eine politische
Aufgabe da her zu gehen und sich die ganzen Ressourcen anzuschauen
und zu bündeln. Da hol ich so viel Kilowatt einer, das es eine Freude ist.
Anhang
Glauben Sie, dass das damit zusammenhängt, dass wenig
Interesse von Seiten der Politik, der Gesellschaft, der TIWAG
dazu besteht?
Ich würde sagen das ist ein Mix. Natürlich, als erstes kommt der Unmut
auf weil man will weitere Wasserkraftwerke bauen mit dem Hintergrund
je mehr Eigenproduktion ich habe, ein umso größeres Volumen darf ich
an den internationalen Börsen handeln. Um das geht’s eigentlich.
Genauso wie eine Bank eine bestimmte Eigenkapitalquote haben muss,
muss ein Unternehmen das mit Energie handelt eine bestimmte
Energiequote, sprich Regelenergiequote erfüllen. Über diese Energie
kann ich verfügen und zwar Tag und Nacht. Das ist der eine Hintergrund
der alles abbremst. Das zweite ist, im Prinzip das politische System.
Wenn die nächsten Wahlen in 5 Jahren sind und ich eine Vorlaufzeit
brauche und dann eine Umsetzungszeit, denn am Anfang sind so Sachen
wie die Photovoltaik ja nicht gewinnbringend, dann kann ich keine
Erfolge vorzeigen. Wenn ich irgendwo einen Spatenstich mache, zum
hundertsten Mal, oder wenn ich ein „Bandl“ durchschneide weil es ein
Projekt ist, dann kommt das einfach gut. Was tue ich mit
Energieeffizienz? Ich wüsste schon was ich damit mache. (lacht)
Es liegt ein bisschen im System, dass es die sanften politischen
Maßnahmen, wie z.B. die Bewusstseinsbildung, nicht darstellen kann.
In anderen Regionen Europas funktioniert das aber doch auch,
warum wird das in Tirol nicht umgesetzt?
Die anderen haben einfach einen anderen Schmerzdruck. Und eins: Es
ist aber auch so, dass der Anteil an erneuerbaren Energie in Tirol sehr
hoch ist. Viel zu tief, weil wir 70% immer noch übern Tank und Öl oder
über die Gasleitung haben, aber 30% kann man sagen, liegen ungefähr
auf der erneuerbaren Linie. Das ist ein hoher Wert! Wenn man das jetzt
auf Tirol umlegt, und da liegt ja der Haus im Pfeffer, dass politisch
immer von Energie gesprochen wird aber nur Wasserkraft, Strom
gemeint ist. Da haben wir dann auch eine Eigenartigkeit und zwar die
Tiroler Energiebilanz, man kann auch Strombilanz sagen, die im
Jahrbuch der Tiroler Landesregierung veröffentlicht ist und für jeden
zugänglich ist. Wenn man sich das dann anschaut dann steht da drin,
dass derzeit in Tirol immer noch mehr Strom produziert wird als
verbraucht. Die TIWAG wollte uns über Jahre glauben lassen, dass wir so
und so viel importieren müssen. Damit auch die öffentliche Meinung,
nach dem Motto „Jetzt gehen die Lichter aus“, so quasi vorgeben wollte.
Indem sie einfach diese Kraftwerke, die im Zillertal stehen und dem
Verbund gehören, nicht in die Tiroler Produktion einrechnen und das
geht ja auch nicht. Ich kann nicht sagen Tiroler Strom und es dann aber
dann einem Unternehmen anlasten. Dieser erneuerbarer Anteil ist
verhältnismäßig hoch und drum glaubt man immer noch wir sind eh die
Besten, wir müssen eh nichts tun. Aber die Treibhausgasinventuren
zeigen uns, dass wir im Spitzenfeld jener Bundesländer liegen die seit
1990
enorme
Steigerungen
mit
sich
gebracht
haben.
Der
Bundesdurchschnitt ist bei ca. 11% PLUS, ist ja das schon traurig, und
damit sind wir das Schlusslicht unter den EU-15. In Tirol liegt der Wert
aktuell bei 22% PLUS statt 13% MINUS.
Anhang
Dieser hohe Anteil in Tirol ist wahrscheinlich auf den
verhältnismäßig großen Anteil an fossilen Energieträgern, vor
allem in der Mobilität zurückzuführen oder?
Hier wird hauptsächlich damit argumentiert, dass man sagt wir sind ein
Transitland und deshalb haben wir einen hohen Tanktourismus. Wir
haben einen hohen Tanktourismus. Der ist aber gewollt, weil man den
Dieselpreis bei uns wesentlich niedriger hält und da muss ich ehrlich
sagen, wer den Gewinn macht, muss auch die CO2 Kosten dafür tragen.
Da gibt es keine Ausrede. Das ist schon im System drin. Am liebsten
hätten sie ja wenn man am Brenner tankt, dann sollte man das schon
Italien zurechnen und wir haben die Mineralölsteuer und die ganzen
Abgaben drauf. So geht das nicht. Das ist doch auch politisch
unanständig.
Wie
stehen
Sie
zu
Energiegesellschaften
die
zwar
Aktiengesellschaften sind, aber im Eigentum der Öffentlichkeit
stehen?
Prinzipiell bin ich der Meinung, dass eine EVU in der öffentlichen Hand
ein demokratischeres Instrument ist. Dann ist aber die Frage, was macht
die Politik daraus? Und da ist es oft leider nix anderes als die Zuweisung
von Verantwortung. Dass eine AG so agiert wie sie agiert, also wie die
TIWAG, das ist so. Aber das die Politik da keine Regeln einbaut bzw. froh
ist das sie das ganze Thema nicht wirklich behandeln muss, weil da
haben sie eh ihre Fachexperten. So nach dem Motto: Lasst mich mit
dem in Ruhe, ich hab sonst schon genug zu schauen! Das wäre sehr
wohl eine politische Verantwortung. Prinzipiell halte ich alles was
Leitungsgebunden ist, ob das das Wasser ist, die Schiene ist, das
Hochspannungsnetz und damit die Stromversorgung ist, halte ich für
eine Aufgabe der öffentlichen Hand darüber zu wachen. Da stellt sich
nun die Frage, muss ich dafür Besitzer sein oder kann ich das mit ganz
straffen Rahmenbedingungen auch regeln. Das kann man auch
Andenken, aber England hat uns schon gezeigt dass die Anfälligkeiten
schon sehr groß sind. Persönlich bin ich schon der Meinung dass es eine
Trennung der Bereiche Produktion, Handel und Netz braucht. Es macht
schon Sinn, trotzdem dass es in Tirol nicht so funktioniert wie ich mir
das vorstelle, aber es ist die politische Verantwortung.
11.8 Stellungnahme von Markus Wilhelm, Aktivist im Kampf
gegen den Ausbau der Tiroler Wasserkraft
Das Problem liegt tiefer
Eine Energiepolitik findet in Tirol seit vielen Jahren nicht statt. Es gibt
seit 2004 lediglich wieder Kraftwerkspolitik in Fortschreibung der
Megaprojekte der 70er und 80er Jahre. Die falschen Strukturen werden
nicht angerührt.
dietiwag.org ist keine Organisation, sondern (m)eine Webseite.
Die geplanten Kraftwerke sind Ausdruck einer völlig verfehlten und
veralteten Firmenstrategie der TIWAG. Dort hat dietiwag.org angesetzt
Anhang
und hat seit 2004 nach und nach entdeckt und öffentlich gemacht, auf
welch unsicherem Fundament das Unternehmen steht.
> Auf die Auslieferung an ausländische Energiekonzerne habe ich bereits
im FÖHN (Heft 10/11, 1988) unter dem Titel „Stromkolonie Österreich“
hingewiesen, insbesondere auf den Zugriff von RWE, Bayernwerke
(heute EON) und EVS (heute EnBW) auf „unsere“ Kraftwerke.
> Zwischenzeitlich (und zwar von 2001 - 2003) hat die TIWAG vierzehn
ihrer fünfzehn größten Kraftwerke sowie einen Teil des Leitungsnetzes in
sog. Cross-Border-Leasing-Transaktionen an US-Trusts verkauft und
damit langfristig (bis Ende des 21. Jh.) die Verfügungsrechte abgetreten.
Versäumt wurde, etwas für die Grundlastversorgung und damit für eine
größere Unabhängigkeit Tirols zu tun. Schlüssige, ganzheitliche
intelligente Nutzungskonzepte der bestehenden Ressourcen fehlen völlig.
An ihrer Statt gibt es eindimensionale, dem alten Denken (Stromtausch
mit dem Ausland) verhaftete Großprojekte, welche die Probleme nicht
lösen, sondern vergrößern und in die Zukunft verschieben.
Die TIWAG ist aufgrund des großteils abgeschriebenen Kraftwerksparks
eine Cash-Cow - auch für alle politischen (inkl. parteipolitischen)
Begehrlichkeiten. Vor allem die seit 1945 regierende ÖVP bedient sich
hemmungslos aus der TIWAG-Kassa. Diese Begehrlichkeiten und die zu
diesem Behuf installierte willfährige Geschäftsführung „garantieren“,
dass sich nichts am verheerenden Status quo ändert und auf absehbare
Zeit vom landeseigenen Landesenergieversorger keine Impulse in
Richtung einer zukunftsfähigen Energiepolitik zu erwarten sind.
Die TIWAG als Leitbetrieb der Tiroler Energiebranche muss aus den
Fängen der Politik befreit, aber als öffentliches Unternehmen erhalten
werden.
Der Vorstandsvorsitzende der TIWAG, Bruno Wallnöfer, hat kürzlich bei
einer Veranstaltung in Wien „Energieautarkie“ für die Wahl zum „Unwort
des Jahres“ vorgeschlagen.
11.9. Interview mit Dipl.-Ing. Helmut Mainusch, Geschäftsführer
der Stadtwerke Schwaz GmbH
Bitte erläutern Sie mir die aktuelle energiepolitische Situation in
Nordtirol aus Ihrer Sicht!
Die Forcierung der Wasserkraft befürworte ich aus tiefster Überzeugung.
Tirol hat darüber hinaus nur eingeschränkte Möglichkeiten der
Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen. Die (eigene) Biomasse ist
weitestgehend disponiert bzw. die noch verfügbaren Mengen werden bei
einem Weiterlaufen der Förderprogramme sukzessive erschlossen
werden. Wind und Tiefengeothermie sind nicht verfügbar. Fotovoltaik
wird mittelfristig keine große Bedeutung haben. Bei der Solarthermie
muss aufgepasst werden, dass sie nicht zu sehr von den übrigen
Mainstream-Energiethemen aus dem Bewusstsein verdrängt wird. Sie ist
Anhang
sehr wichtig und sollte wie ein konventionelles Heizsystem zu jedem
Haus gehören. Mit der Schaffung der Stelle des Energiekoordinators
(Stephan Oblasser) und des Zentrums für Erneuerbare Energie bei der
Zukunftsstiftung wurden von der Politik Meilensteine gesetzt. Zwischen
diesen neu geschaffenen Kompetenzstellen und dem seit langem
etablierten Verein Energie Tirol sollte aber eine bessere Abstimmung
erfolgen. In der Tiroler Energiepolitik hat es in den letzten paar Jahren
gute Impulse gegeben. Trotzdem ist der Rückstand zu einigen
wesentlich aktiveren Bundesländern (zB. Vorarlberg, Oberösterreich)
immer noch groß. Daher müssen die Anstrengungen noch verstärkt
werden,
um
auch
ein
Musterbundesland
mit
florierenden
Energietechnikfirmen zu werden. Das stark nach vorne drängende
Thema Elektromobilität darf nicht verschlafen werden. Auch hier sind
einige Bundesländer schon wieder weit voraus (Kärnten, Vorarlberg).
Der Landesenergieversorger muss als „Leithammel“ viel beherzter
vorausmarschieren. Alle übrigen Akteure werden ihm mit Enthusiasmus
folgen.
Der
–
zu
100%
in
Landeshand
befindliche
–
Landesenergieversorger sollte sich ein stärkeres Profil in Bezug auf
Energieinnovation / zukünftiges Energiesystem verpassen und die
manchmal zu spürende strukturelle Schwerfälligkeit überwinden.
Schildern Sie mir die Beweggründe der Gemeinde Schwaz
verstärkt auf einen Energiemix aus EE zu setzen und eine
verstärkt dezentrale Energieversorgung auf Gemeindeebene
anzustreben!
Die Energiewende muss kommen (Klimaveränderung, Auslaufen der
fossilen Energieträger). Damit besteht die Chance, die Energieaufbringung wieder (wie noch am Beginn des letzten Jahrhunderts
gegeben) dezentral zu organisieren. Das stärkt die Wirtschaftskraft der
Region, schafft Unabhängigkeit und erzeugt technische Kompetenz und
Innovationskraft vor Ort. Um den Anteil von EE zu heben, muss der
Umgang mit der Energie (deren Verwendung) verändert werden.
Energieeinsparung durch technische Maßnahmen aber vor allem durch
die intelligente Verwendung der Energie (Bewusstseinsbildung), bilden
eine Vorbedingung, um sich letztlich zur Gänze aus EE versorgen und
damit eine weitestgehende Dezentralisierung herbeiführen zu können.
Die TIWAG ist eine aus dem historischen Kontext heraus
entstandener, zentraler Energieversorger und –produzent in
Nordtirol. Welche Rolle spielt diese zentral angesiedelte AG ihrer
Meinung nach?
Siehe Punkt 1. Die TIWAG macht einiges und es wäre ungerecht, deren
Arbeit abzuwerten. Es wird aber eher die konservative Linie verfolgt (nur
das tun, was andere auch machen oder wovor man sich nicht drücken
kann; Erfüllung der Wünsche der Eigentümer-Politiker..). Es ist noch
nicht erkannt worden, dass man mit dem Thema Neue Energien
Marketing machen kann und damit vermutlich mehr Leute erreicht und
diesen sympathisch wird wie mit dem Sportsponsoring. Dieses Image
würde dann vielleicht auch so manchem Wasserkraft-Großprojekt
leichter zum Durchbruch verhelfen. Außerdem verabsäumt es die
TIWAG, über das Gute, das sie tut, in lauten Tönen zu sprechen (zB.
Anhang
Fotovoltaik-Park beim Achenseewerk, Foltovoltaikanlagen entlang
Autobahn, Biomasseheizkraftwerke, Passivbürohaus der Netz AG in
Thaur usw...). Es scheint so, als ob die wichtigsten Köpfe in der TIWAG
zwar ihr Kerngeschäft bestens verstehen und ausüben, jedoch wenig
darüber hinausblicken und sich nicht gerne mit Energieideologie
beschäftigen wollen oder ihr Alltag dies nicht erlaubt. Die TIWAG ist in
Europa nur ein kleiner Spieler, kann aber kompetenzmäßig und in
punkto Wirtschaftskraft mit den ganz Großen durchaus mithalten.
Solange das so ist, kann es nur gut sein, wenn die TIWAG zu 100% in
der Hand des Landes Tirol ist. Ich würde die TIWAG nicht als
zentralisierten/zentralistischen Energieversorger bezeichnen. Sie ist ein
Regionalversorger, mit dem man gut leben kann, solange es daneben
auch noch eine bunte Landschaft an kommunalen und privaten EVU’s
gibt und die TIWAG sich zu diesen partnerschaftlich verhält, was in den
Jahren seit der Liberalisierung ohne Zweifel der Fall war.
Wie sollte ihrer Meinung nach ein EVU aufgebaut sein und nach
welchen Regeln sollten es funktionieren? Wie sollte die
Eigentümerstruktur geregelt sein?
Es soll genauso aufgestellt sein und funktionieren wie jedes andere
Wirtschaftsunternehmen auch, das erfolgreich am Markt agiert. Die
heutigen EVU´s können das im Großen und Ganzen alle von sich
behaupten. Vor 20 Jahren war das noch ganz anders. Das war damals
eine eigene Welt. Heute gibt es keine gravierenden Unterschiede mehr
zu Industrieunternehmen. Bei der Eigentümerstruktur lasse ich auch
alles gelten. Es gibt Beispiele dafür, dass zu 100% in öffentlicher Hand
befindliche Unternehmen (trotzdem) gut funktionieren. Ebenso sind
börsennotierte Unternehmen erfolgreich unterwegs und haben die
Versorgungssicherheit immer noch hoch oben auf der Prioritätenliste.
Wie sehen die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen für
die dezentrale Energieversorgung aus? Wird diese von Seiten der
Landespolitik verstärkt gefördert?
Mit Ausnahme der Biomasseheizanlagen sehe ich keine Förderungen im
Hinblick
auf
eine
dezentrale
Energieversorgung,
wobei
die
Fernwärmeanlagen - bezogen auf das Anschlussobjekt – ja in
Wirklichkeit eine Zentralisierung darstellen. Aus der Sicht der
Unabhängigkeit von der Erdölwirtschaft würde ich diese Anlagen aber
doch als Teil einer dezentralen Versorgungsstruktur sehen. Für alle
übrigen Formen der Erneuerbaren Energie gibt es keine vorteilhaften
gesetzlichen Rahmenbedingung. Der Kleinen Wasserkraft werden immer
weitere Hindernisse in den Weg gelegt (zB. Wasserrahmenrichtlinie /
Nationaler Gewässerschutzplan) und für deren Netzeinspeisung wird
jetzt sogar noch ein Verlustentgelt eingehoben (obwohl durch die
dezentrale
Einspeisung
Netzverluste
vermieden
werden).
Von
nennenswerten Förderungen für die Kleinwasserkraft sind wir sowieso
weit entfernt. Bei der Fotovoltaik passiert auch nicht viel, wobei der
Beitrag derselben zum gesamten Stromverbrauch ohnehin lange noch
nur im Bereich der Wahrnehmungsgrenze sein wird. Was das Eigentum
und den Betrieb von Stromnetzen betrifft, spüren wir permanent den
Wunsch des Stromregulators, eine zentrale Netzgesellschaft für ganz
Anhang
Österreich installieren zu wollen. Das wäre Zentralismus pur und würde
die bestens funktionierenden dezentralen, regionalen/lokalen Strukturen
zerschlagen.
Welches Modell müsste in Zukunft angewendet werden, um eine
nachhaltige und auch für den Tiroler Bürger ökonomisch
günstige Energieversorgung anbieten zu können?
Ich kann kein solches Modell „aus dem Ärmel schütteln“. Das müssen
sich Leute ausdenken, die sehr viel von der Materie verstehen und denen
man die Zeit dafür einräumt bzw. die man für die Erstellung eines
solchen Modelles bezahlt. Schlussendlich muss so einem Modell auch ein
Finanzierungspfad hinterlegt werden und deswegen werden wohl viele
gute Ideen am Ende wieder einschlafen. Es wird immer am Geld und
auch an der nicht beliebig verfügbaren/erweiterbaren Technikkompetenz
fehlen. Die nachlassende Bereitschaft der jungen Generation, technische
Richtungen zu studieren und das vergleichsweise geringe Ansehen von
technischen Berufen sind mit einer der limitierenden Faktoren für die
Schaffung eines neuen Energiesystems. Alles, was mit Energie zu tun
hat, ist zutiefst technikbezogen und damit ist die Energiewende nur zu
schaffen, wenn möglichst viele Leute in den einschlägigen Disziplinen
fundiert ausgebildet werden. Was die „ökonomisch günstige
Energieversorgung“ anbelangt hat es jeder Tiroler selbst in der Hand,
wie viel er für Energie ausgeben möchte. Ich bin überzeugt (und
exerziere das auch vor), dass man mit Intelligenz ohne weiteres 50%
der Energiekosten durch weniger Verbrauch einsparen kann (beim
Strom, beim Auto, beim Heizen...).
Wie bewerten Sie das EU-Ziel von 20-20-20?
Dieses ist gut angelegt und man hat es in einen leicht merkbaren Slogan
verpackt. Mit der Realisierung ist es der EU aber (mit Einschränkungen)
nicht ernst, ansonsten müsste wesentlich mehr passieren. Es bleibt nur
die Hoffnung, dass die Gesamtwirtschaft aufgrund dieses plakatierten
Zieles Geschäftsmöglichkeiten nutzt und eine Selbsttragende Dynamik
aufkommt. In der Umstellung des Energiesystems besteht doch die
große
Chance
für
das
21.
Jahrhundert
auf
ein
weiteres
Wirtschaftswachstum, so wie im letzten Jahrhundert die Idee des
Wohlfahrtsstaates und der Umweltschutz die großen Treiber waren.
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende
Diplomarbeit selbständig angefertigt habe. Die aus fremden Quellen
direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche
kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in
ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch
noch nicht veröffentlicht.
Innsbruck, Juli, 2010, ___________________

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