Energiepolitik in Südtirol - Südtiroler Gesellschaft für
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Energiepolitik in Südtirol - Südtiroler Gesellschaft für
Energiepolitik in Südtirol - Tirol und die Landesenergiegesellschaften im Vergleich Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie eingereicht bei Herrn ao. Univ.-Prof. DDr. Günther Pallaver Institut für Politikwissenschaft Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Innsbruck Von Andrea Enderle Innsbruck, Juli 2010 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Vorwort ...............................................................................1 I. Analyse und Vergleich der Energiepolitik von Südtirol und Tirol.........................................................................................3 1. Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik.........3 1.1. Theoretischer Zugang ....................................................3 1.1.1. Hauptthesen ........................................................................................... 3 1.1.2. Methodischer Zugang für den Vergleich...................................... 4 1.2. Begriffsbestimmungen...................................................7 1.2.1. Politikfeld - policy ................................................................................. 7 1.2.2. Grundbegriff: Energie ......................................................................... 8 1.2.3. Energiewirtschaft................................................................................ 10 1.2.4. Energieversorgungsunternehmen (EVU) und das allgemeine Interesse ...................................................................................... 11 1.2.5. Energiepolitik ....................................................................................... 12 1.3. Unternehmensstrukturen der EVU ...............................14 1.3.1. Das öffentliche Unternehmen ........................................................ 14 1.3.2. Formen von EVU ................................................................................. 15 1.3.3. Aktiengesellschaft .............................................................................. 17 1.3.4. Genossenschaft ................................................................................... 18 2. Energiepolitik in Südtirol ...................................................22 2.1. Energiesituation ..........................................................22 2.1.1. Versorgung............................................................................................ 22 2.1.2. Produktion ............................................................................................. 26 2.2. Die Rahmenbedingungen .............................................33 2.2.1. Zur Entwicklung der grundlegenden Rahmenbedingungen33 2.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen zur nachhaltigen Energiepolitik..................................................................................................... 37 2.2.3. Die Wasserkraft................................................................................... 41 3. Energiepolitik in Tirol ........................................................45 3.1. Energiesituation ..........................................................45 3.1.1. Versorgung............................................................................................ 45 3.1.2. Produktion ............................................................................................. 50 3.2. Die Rahmenbedingungen .............................................58 3.2.1. Zur Entwicklung der grundlegenden Rahmenbedingungen58 3.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen für eine nachhaltige Energiepolitik..................................................................................................... 62 3.2.3. Wasserkraft........................................................................................... 67 I Inhaltsverzeichnis 4. Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung ................72 II. Analyse und Vergleich der landeseigenen Energiegesellschaften ...........................................................78 5. Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG .........78 5.1. Die TIWAG ...................................................................78 5.2. Die SEL AG ...................................................................83 6. Unternehmensstruktur und -tätigkeit ................................87 6.1. Die TIWAG ...................................................................87 6.2. Die SEL AG ...................................................................91 7. Die Wasserkraft .................................................................97 7.1. Die TIWAG ...................................................................97 7.2. Die SEL AG .................................................................104 8. Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip.......................................................110 9. Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung ..............115 10. Literaturverzeichnis............................................................. 11. Anhang ................................................................................ 11.1. 11.2. 11.3. 11.4. 11.5. 11.6. 11.7. 11.8. 11.9. Tabelle Experteninterviews Interview mit Dr. Michl Laimer Interview mit Dr. Christina Kury Interview mit Dipl.-Ing. Georg Wunderer Interview mit Klaus Stocker Interview mit Dr. Georg Zingerle und Stephan Oblasser Interview mit Maria Scheiber Stellungnahme von Markus Wilhelm Interview mit Dipl.-Ing. Helmut Mainusch II Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abb. 1 ............................................................................................................................. 24 Energieverbrauch in Südtirol nach Energieträgern 2005 Abb. 2 ............................................................................................................................. 25 Energieversorgung Südtirols ohne Verkehr 2009 Abb. 3 ............................................................................................................................. 30 Installierte Leistungen durch Photovoltaik pro Einwohner und Provinz 2009 Abb. 4 ............................................................................................................................. 39 Umweltausgaben der Autonomen Provinz Bozen 2003-2007 und 2008 Abb. 5 ............................................................................................................................. 47 Entwicklung Bruttoninlandverbrauch(BIV) (Inländische Erzeugnisse zzgl. Import abzgl. Export) und Endenergieverbrauch (EE) (BIV abzgl. Umweltverluste) in Tirol von 1988 - 2008 in TJ Abb. 6 ............................................................................................................................. 48 Energieverbrauch in Tirol nach Energieträgern 2007 Abb. 7 ............................................................................................................................. 50 Energiebedarfsdeckung nach EE und fossilen Energieträgern in Tirol 2008 Abb. 8 ............................................................................................................................. 51 Tiroler Energieproduktion (=100% aus erneuerbaren Energieträgern) von 1988 - 2008 Abb. 9 ............................................................................................................................. 53 Anteil Regelarbeitsvermögen (RAV) nach Betreibern 28.02.2009 Abb. 10 ........................................................................................................................... 56 Neu installierte Flach- und Vakuumröhren-Kollektoren in den Bundesländern 2007 Abb.11 ............................................................................................................................ 94 Holding-Struktur der SEL AG III Vorwort „Nichts in der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ -Victor Hugo – Energiekrise, Ressourcenknappheit und Klimawandel – diese erschreckenden Schlagworte sind in den letzen Jahren immer häufiger auf die Themenagenda der akademischen Diskussionsrunden gelangt, aber nicht nur in wissenschaftlichen Fachkreisen wurde dieses intensive Problembewusstsein geweckt. Auch der Otto-Normal-Verbraucher macht sich langsam Gedanken über seinen Energiekonsum, denn er spürt zumal eine gähnende Leere in seiner Brieftasche nach der Begleichung sämtlicher Strom- und Gasrechnungen. Da fragt sich mittlerweile sogar schon mancher Politiker: „Energiepolitik - Quo vadis?“ Inmitten dieser Problempolarisierung der heutigen Wohlstandsgesellschaft, die sich inmitten der größten Finanzkrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges befindet, wird der Ruf nach einem Paradigmenwechsel immer lauter und das nicht nur von Seiten der Grünen Parteien. Schluss mit der Laudatio auf die Parolen der neoliberalen Regierungen: „Weniger Staat – Mehr Markt“, die uns in dieses Energiedilemma überhaupt erst hineingeritten haben. Es gilt einen neuen Weg zu beschreiten. Einen Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Energiepolitik – egal ob auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene. Die Energiepolitik im Mehrebenensystem Europas hatte Jahrzehntlang nur ein Stiefmütterchendasein gefristet. Die Energiepolitik der Staaten der Europäischen Gemeinschaft war geprägt vom Ziel der Versorgungssicherheit mit billigen (fossilen und nuklearen) Energieträgern. Die Endlichkeit dieser fossilen Ressourcen wurde schnell klar, allerdings verschloss man gerne die Augen, um nicht den gewonnen Wohlstand einbüßen zu müssen. Auch von 1 Vorwort Seiten der Energielobby, also den Interessensvertretern der Energiewirtschaft, wurde die Ausbeutung der fossilen Energieträger mehr als befürwortet. Brachte und bringt es ihnen doch auch ansehnliche Gewinne. Es ist beinahe ein David gegen Goliath-Verhältnis, das sich über die Jahrzehnte zwischen den politischen Eliten und den Energie-Lobbys aufgebaut hat und demzufolge scheint es schwierig, hier den Paradigmenwechsel einzuläuten. Auch hat sich die Strategie der EU, durch mehr Wettbewerb Vorteile für den Konsumenten heraus zu schlagen, nicht bewahrheiten können. Die im Jahre 2003 vermehrt anzutreffenden „Black Out“ in der Stromversorgung führten zu Umdenken und es wurden Maßnahmen für die Versorgungssicherheit und mehr Nachhaltigkeit in der Energiepolitik ergriffen. Dieses europäische Ziel einer nachhaltigen Energiepolitik auf der Grundlage von erneuerbaren Energieträgern, kommunaler Energieeffizienz und regionaler und Ebene Importunabhängigkeit schon teilweise sehr wird auf erfolgreich umgesetzt. In Südtirol und Tirol wird bereits ein beachtlicher Anteil der Strom- und Wärmeversorgung durch Erneuerbare Energien (EE) gedeckt, welche den Zielen der EU teilweise schon weit voraus sind. Auf kommunaler Ebene existieren bereits Energieversorgungsmodelle die energieautark für den jeweiligen räumlichen Bereich funktionieren. Immer mehr Gemeinden sind bestrebt, sich von den zentralistischen Großkonzernen abzunabeln und durch eine dezentrale Energieproduktion und –Versorgung mehr Unabhängigkeit zu erreichen. Wie sehen die Chancen einer Energieautonomie in den beiden Regionen Südtirol und Tirol aus? Sind Sie auf dem richtigen Weg den erforderlichen Paradigmenwechsel einzuläuten? Welche Rolle spielen die landeseigenen Energiegesellschaften? Diese grundlegenden Fragen gilt es innerhalb dieser Forschungsarbeit zu beantworten. 2 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik I. Analyse und Vergleich der Energiepolitik von Südtirol und Tirol 1. Energieversorgungsgesellschaften (EVU) und Energiepolitik 1.1. Theoretischer Zugang 1.1.1. Hauptthesen Die italienische Provinz Südtirol und das österreichische Bundesland Tirol haben in vielerlei Hinsicht ähnliche Vorraussetzungen. Sowohl die geographischen und klimatischen Bedingungen, als auch die politische Struktur im Sinne einer Landespolitik mit föderalen Kompetenzen sind ähnlich. Allerdings blieb die Trennung des einstigen Tirols nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nicht folgenlos, Nord- und Osttirol blieben bei Österreich und Südtirol wurde von Italien annektiert. Diese Trennung ist vor allem für die Entwicklungen in der regionalen Energiepolitik von essentieller Bedeutung, weil die Regionen nun unter verschiedenen politischen und rechtlichen Vorraussetzungen ihre Energiepolitik zu gestalten hatten. Die These, die im Zuge des 1. Teils der Arbeit: Analyse und Vergleich der Energiepolitik Südtirols und Tirols, verifiziert werden soll, lautet: 1. Aus den differenzierten historischen Gegebenheiten heraus hat sich in Tirol eine Energiepolitik entwickelt, die im Gegensatz zu Südtirol wesentlich größere Schwierigkeiten hat, einen energiepolitischen Paradigmenwechsel einzuleiten, wie er durch die Energiekrise notwendig ist. In diesem Zusammenhang gilt es die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu untersuchen, die Hemmschuh oder Weichenstellung bedeuten. Der Paradigmenwechsel ist vor allem jetzt notwendig, weil wir 3 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik uns bereits Mitten in einer Klima- und Energiekrise befinden, die nur dann überwunden werden kann, wenn ein Wandel in den konservativ geprägten Energiepolitiken stattfindet. Die These, welche für den 2. Teil der Arbeit: Analyse und Vergleich der landeseigenen EVU, verifiziert werden soll, lautet: 2. Ein landeseigenes Energieversorgungsunternehmen (EVU), das die Unternehmensform einer Aktiengesellschaft gewählt hat, stellt sich mehr in den Dienst des Marktes als in den Dienst des Bürgers In diesem Teil gilt es zu untersuchen, wie die Identifikation des Bürgers mit den jeweiligen EVU in der Provinz Bozen bzw. in Tirol aussieht. Welche Zielkonflikte zwischen Autonomer Provinz Bozen, der SEL AG und den Gemeinden bzw. zwischen Land Tirol, TIWAG, Oppositionspolitiker und den Bürgern vorherrschen. Welche Rolle die Wasserkraft dabei spielt und welches lokale Stromkonzept eine Alternative darstellen könnte. 1.1.2. Methodischer Zugang für den Vergleich Aus methodischer Sicht habe ich mich innerhalb meiner Forschungsarbeit auf Experteninterviews konzentriert. Die Experten wurden von mir so ausgewählt, dass ich vier Nordtiroler und vier Südtiroler Experten befragen konnte. (Siehe Tabelle im Anhang) Als wichtig erachtet wurde, dass durch die Befragung der jeweilige Zugangsbereich optimal abgedeckt wurde, d.h. dass die zentralen Thesen und Fragestellungen anhand der Informationen der Experten aus verschiedensten Ausgangspositionen beleuchtet werden konnte. So wurden z.B. die Sicht der Oppositionspartei DIE GRÜNEN und die Position aus den jeweiligen Landesämter zugelassen. Außerdem konnte die landeseigene SEL AG befragt werden und der Nordtiroler Aktivist, Markus Wilhelm. Ebenso wurde die Sicht der dezentralen Energieversorger durch das E-werk Prad, in Südtirol und die Stadtwerke Schwaz GmbH, in Tirol hervorgehoben. 4 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Die Fragestellung wurde von mir „offen“ nach einem Leitfaden gestaltet und lies den betreffenden Interviewten einen relativ großen Spielraum für persönliche Anmerkungen und Präferenzen. Von den neun Interviews konnte ich drei persönlich führen und fünf wurden mir sehr ausführlich in beantworteter Form per E-Mail zurückgesendet. Die persönlichen Interviews wurden von mir aufgezeichnet und später transkribiert und im Anhang dieser Arbeit eingefügt. Ein Experte hat mir eine Stellungnahme zum Thema: „Energiepolitik in Tirol“ per E-Mail zukommen lassen. Von den Experten aus den Reihen der TIWAG habe ich leider, trotz mehrmaliger Nachfrage, die beantworteten Fragen nicht retour bekommen. Dies ist deshalb bedauerlich, weil damit ein Direktvergleich zwischen SEL AG und TIWAG aus Sicht der Eigentümer nicht vorgenommen werden konnte. Klaus Stocker, in seiner Funktion als Präsident der SEL AG, wurde von mir ausgewählt, um in Erfahrung zu bringen, welche Rolle seiner Meinung nach die SEL AG in der Südtiroler Energiepolitik spielt und welche Ziele durch die SEL in der Energiepolitik verfolgt werden. Außerdem war es mir auch wichtig zu erfahren, welche Kooperationen mit Tirol laufen und wie das Verhältnis SEL AG/ TIWAG aussieht. Michl Laimer, in seiner Funktion als Südtiroler Landesrat für Raumordnung, Energie und Umwelt wurde von mir befragt, um allgemeine Informationen zur Energiepolitik in Südtirol zu erhalten. Vor allem ging es mir um die Ziele und Maßnahmen, sowie die Rolle der SEL AG in der regionalen Energiepolitik. Christina Kury, ehemalige und langjährige Landtagsabgeordnete der Partei der GRÜNEN Südtirols, konnte mir unter anderem zum Thema Umweltschutz und Energie, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Wasserkraft wichtige Informationen liefern. Außerdem bezog sie Stellung zu 5 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik den kritischen Stimmen aus den Reihen der Oppositionsparteien im Land in Bezug auf die SEL AG. Georg Wunderer, seines Zeichens Obmann der Energiewerk Prad Genossenschaft und des Raiffeisenenergieverbandes, konnte mir ebenfalls in Bezug auf die Nutzung der Wasserkraft ausführlichste Informationen liefern. Außerdem gilt er in Fachkreisen als Visionär im Bereich der Eigenständigkeit und Nachhaltigkeit von lokalen Energieunternehmen. Vor allem das Interview mit Herrn Wunderer hat mich in meiner These bestärkt, dass eine dezentral organisierte Energieerzeugung und –Verteilung einer zentralistischen Organisation vorzuziehen ist. Bei den Tiroler Energieexperten konnte ich ein persönliches Interview mit Maria Scheiber, der Umweltsprecherin der Partei DIE GRÜNEN - TIROL machen. Sie konnte mir einen umfangreichen Einblick in die Tiroler Energiepolitik aus oppositionspolitischer Sicht verschaffen und zeigte mir auch die Defizite in Bezug auf das Verhältnis Land – TIWAG auf. Außerdem wurden von ihr immer wieder auch die Defizite auf Bundesebene aufgezeigt. Eine wichtige Stellungnahme kam von Markus Wilhelm, einer Ein-MannBürgerinitiative, im Kampf gegen die Ausbaupläne der Wasserkraft der TIWAG. Er ging auf die Barrikaden, als 2004 erstmals wieder Pläne für Großwasserkraftwerke in Tirol auf den Tisch kamen und gründete die Webseite „tiwag.org“, auf welcher er die „verfehlten und veralteten Firmenstrategie der TIWAG“ aufgreift und öffentlich machte (vgl. Wilhelm, 07.12.09) Georg Zingerle, Leiter der Projektgruppe Tiroler Energiestrategie 2020, sowie der Energiebeauftragte Stephan Oblasser, beide Beamte des Amtes Wasser-, Forst- und Energierecht der Tiroler Landesregierung, konnten mir einen allgemeinen Einblick zur Tiroler Energiepolitik verschaffen. Vor allem ging es mir um die Ziele und Perspektiven in der Tiroler Energiestrategie 2020. Außerdem wollte ich die Beziehung TIWAG – Land von Seiten der Verwaltung beurteilt wissen. 6 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Helmut Mainusch von den Stadtwerken Schwaz GmbH konnte mir ebenfalls eine Vielzahl an Informationen über die Tiroler Energiepolitik erteilen. Seine Sicht des kommunalen, sprich dezentralen Energieversorgers, innerhalb der Tiroler Energielandschaft ist besonders interessant, weil die Schwazer ähnlich wie die Prader auf kommunaler Ebene bereits stark in Richtung nachhaltige autonome Versorgung durch lokale Energiequellen gehen. 1.2. Begriffsbestimmungen Um ein Verständnis dafür zu bekommen wie die Energiepolitik innerhalb eines politischen Systems funktioniert, ist es unabdingbar, sich mit den grundsätzlichen Begrifflichkeiten auseinander zu setzen. Darum wird im folgenden Abschnitt einerseits die Bedeutung der policy erklärt und andererseits der Grundbegriff Energie eingehend behandelt. Weiters ist für die Arbeit wichtig, einen Einblick in die Energiewirtschaft zu erhalten und kurz die Energieversorgungsunternehmen (EVU) und das allgemeine Interesse an der Energie zu klären. Am Ende steht dann der zentrale Begriff der Energiepolitik. 1.2.1. Politikfeld - policy Die Politikwissenschaft kennt drei Dimensionen von Politik, die mit den angelsächsischen Begriffen polity, politics und policy zum Ausdruck kommen (Schubert 1991, 54); (vgl. auch Jänicke/ Kunig/ Stitzel 2003, 50). • polity: kennzeichnet die Ordnung des politischen Systems; im speziellen die institutionellen, organisatorischen und normative Rahmenbedingungen von Politik • politics: bezeichnet die prozessuale Dimension von Politik und zwar geht es dabei, um die Konfliktaustragungen und Konsensbildungen, sowie dem Machterwerb und Machterhaltung auf Grund der konkurrierenden Interessen • policy: befasst sich mit der inhaltlichen oder materiellen Dimension von Politik. Den Zielen, Programmen und Instrumenten in konkreten Politikfeldern 7 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Während polity und politics, eher die prozessualen und institutionellen Formen im Willens- und Entscheidungsprozesses darstellen, will policy „im weiteren Sinne eher die Entscheidungsinhalte und die Vorgehensweise staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen (vgl. Schmidt 2004, 535) wie z.B. in unserem Falle die Energiepolitik einer Regionalregierung bzw. die Entscheidungen von halböffentlichen Unternehmen die im Energiesektor tätig sind, erfassen. Natürlich kann nicht von einer strikten Trennung dieser drei Dimensionen von Politik ausgegangen werden, vielmehr handelt es sich hierbei um ein sektorales ineinander greifen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird sich herausstellen, dass sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch die halböffentlichen Akteure in einem interessanten Verhältnis zueinander stehen und diese den prozessualen und institutionellen Willens- und Entscheidungsprozess durchaus beeinflussen. 1.2.2. Grundbegriff: Energie Die Primärenergie, also die Rohstoffe wie Kohle, Erdöl usw. und die Sekundärenergie wie der Strom oder die Wärme, sind der Grundbaustein für das Politikfeld Energie. Jeder Mensch benötigt innerhalb der heutigen Wohlstands- und Konsumgesellschaft irgendeine Form der Energie. Dadurch muss die Energie als öffentliches Gut behandelt werden. Dieses öffentliche Gut ist somit ein wesentlicher Inhalt von Politik und wird innerhalb der policy durch Programme und Maßnahmen geregelt, um eine maßvolle Verteilung und mittlerweile auch eine nachhaltige Nutzung zu garantieren. Der Energiebegriff gilt als sehr jung und entstand erst vor ca. 150 Jahren im Zuge der Entwicklung der Thermodynamik. Vorher nahm man an, dass in Lebewesen eine besondere Lebenskraft (vis vitalis) steckt, der man alle Leistungen zuschrieb, die jedoch unverständlich blieb. Auf den Vorschlag von Thomas Young (1773-1829) hin, wurde der Begriff vom griechischen Wort energeia abgeleitet, was soviel bedeutet wie: Wirkungsvermögen (vgl. Kind 2005, 2). In der Microsoft Encarta findet man unter dem Begriff Energie folgende Definition: 8 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik „Energie ist die Fähigkeit eines physikalischen, biologischen oder technischen Systems, Arbeit zu verrichten. (…) Energie, die mit Bewegung in Verbindung steht, bezeichnet man als kinetische Energie oder Bewegungsenergie. Im Gegensatz dazu bezeichnet man die Energie der Lage als potentielle Energie oder Lageenergie. (…) Es existieren verschiedenen Formen von Energie, z.B. die mechanische, thermodynamische, magnetische und elektromagnetische, und elektrische Energie sowie Strahlungs- und Kernenergie“ (Microsoft® Encarta® 2006: Energie). Im allgemeinen Verständnis ist Energie allerdings nicht nur als eine physikalische Größe zu verstehen, sondern wird vielmehr in seiner Erscheinungsform als Wärme, Licht und Strom wahrgenommen. So ist thermische (thermodynamische) Energie, die so genannte Wärmeenergie notwendig für die Wassererwärmung und in ihrer technischen Anwendung als Heizung bekannt. Die mechanische Energie wird in potenzielle und kinetische Energie unterteilt, wobei die kinetische Energie z.B. fließendes Wasser ist, welches in seiner technischen Anwendung in Wasserkraftwerken, in Strom umgewandelt wird. Die potentielle Energie, auch Lageenergie genannt, funktioniert z.B. durch einen Stausee und das dazugehörige Speicherkraftwerk, in welchem wiederum Strom produziert wird. Bei der elektrischen Energie handelt es sich, wie das Wort bereits vorausschickt, um Elektrizität, welche benötigt wird, um z.B. eine Glühbirne zu erleuchten, die Licht und meist auch Wärme abgibt. Elektrische Energie in ihrer Urform ist aber auch ein Blitz. Die elektromagnetische Energie hingegen ist eine Strahlungsenergie. Sie wirkt in Form von Radiowellen oder in ihrer ursprünglichen Form, als Sonnenstrahlen. Durch die letzthin sehr populär gewordene Nutzung von regenerativen Energiequellen, hat sich in diesem Bereich die Photovoltaiktechnologie entwickelt, die es ermöglicht aus Sonnenlicht Strom zu produzieren. Die chemische Energie ist in ihrer Erscheinungsform als Brennstoffe, Treibstoffe oder Sprengstoffe bekannt. Diese sind notwendig, um Holzöfen und Heizölöfen zu betätigen und um unsere Autos zum Fahren zu bringen. Die Nuklearenergie (auch bekannt als Kernenergie) wird durch das Verfahren der Kernspaltung in den Atomkraftwerken ebenfalls zur Stromerzeugung Laumanns 2005, 47). 9 herangezogen (vgl. Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Aus dem historischen Kontext lässt sich schließen, dass die Energie als solche zwar immer schon existent war, jedoch nicht näher im Interesse des Einzelnen stand. Erst naturwissenschaftlichen durch den Bereichen Forschungsprozess (Physik, Medizin usw.) in gelang den es „Energie“ zu definieren. Diese Benennung war der erste Schritt zu einer grundlegenden Kategorisierung von Energie und ist die Weichenstellung für die mannigfaltige Funktion und Bedeutung, die ihr heute zugeschrieben wird. 1.2.3. Energiewirtschaft Der Focus im Bereich Wirtschaft und Energie liegt in einem eng verstrickten Beziehungsgeflecht zwischen der Politik, im Sinne der Staatstätigkeit und der Wirtschaft, die immer bedeutendere Aufgaben im Energiesektor zugesprochen bekommt. Im engeren Sinne versteht man unter Energiewirtschaft: „alle Wirtschaftsbereiche, die mit der Erzeugung, Umwandlung und Verteilung von Primärenergie (z. B. Erdöl, Erdgas, Kohle, Uranerz, Wasserkraft, Windenergie) oder Sekundärenergie (z.B. Benzin, Heizöl, genormte Gase, Strom, Steinkohlenkoks) befasst sind“ (Microsoft® Encarta® 2006: Energiewirtschaft). Das Ziel der Energiewirtschaft liegt darin, den auf den unterschiedlichsten Ebenen des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens bestehenden Energiebedarf auf möglichst sichere und rentable Weise zu befriedigen. Die Energieversorgung stellt ein Grundbedürfnis dar und um Monopolbildungen bei den verschiedenen Anbietern zu vermeiden, greift der Staat im Rahmen der Energiepolitik in das Marktgeschehen auf dem Energiesektor ein (ebd. Microsoft Encarta). Wie wir im Verlauf der Arbeit noch feststellen werden, regelt der Staat seine Aufgaben im Energiebereich in verschiedenster Weise. Einerseits bedient sich der öffentliche Akteur seiner traditionellen, politischen Instrumentarien, wie der Implementierung und der Ausarbeitung verschiedenster politischer Programme und Maßnahmen. Andererseits reagieren der Staat oder die regionalen politischen Entscheidungsträger auf die Liberalisierungstendenzen in der Daseinsversorgung auch immer häufiger mit der Partizipation in öffentlich-privaten Aktiengesellschaften. Diese 10 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Rollenbeteiligung des Staates am aktiven Wirtschaftsgeschehen, gilt es in meiner Arbeit näher zu erörtern. 1.2.4. Energieversorgungsunternehmen allgemeine Interesse (EVU) und das Die Begriffsbestimmung in Bezug auf die EVU und dem allgemeinen Interesse wird von mir nicht gesondert vorgenommen, weil diese beiden Begrifflichkeiten eine wichtige Synergie in dieser Forschungsarbeit bilden. Pragmatisch gesagt Gesellschaft bzw. bietet den ein Energieversorgungsunternehmen Wirtschaftstreibenden ihre Produktpalette der an Energieträgern an. In diesem Zusammenhang kann man bei einem EVU, auch von einem Daseinsversorger sprechen, weil für das Gesellschafts- bzw. für das Wirtschaftsleben eine Existenz ohne die Versorgung mit Strom, Gas und Wärme nicht mehr vorstellbar wäre. Die Versorgung mit Energieträgern stellt somit auch ein grundlegendes allgemeines Interesse dar. Die Europäische Kommission definiert in ihrem „Weißbuch für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ das Allgemeine Interesse wie folgt: „Der Begriff Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse bzw. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wird in Artikel 16 und Artikel 86 Absatz 2 des EG-Vertrags verwendet. (…) In der Gemeinschaftspraxis herrscht jedoch weit gehende Übereinstimmung dahingehend, dass er sich auf wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden. Das Konzept der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse umfasst daher insbesondere bestimmte Leistungen der großen netzgebundenen Wirtschaftszweige wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des Energiesektors und der Telekommunikation“ (EU-Kommission KOM (2004) Nr.374, 27). Die EVU arbeiten in solchen netzgebundenen Wirtschaftszweigen, die im Rahmen der Allgemeinheit und des Gemeinwohls ihre Dienstleistung der Energieversorgung erbringen müssen. Durch die Liberalisierung des Energiebinnenmarktes durch die EU geraten die EVU allerdings immer mehr 11 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik unter Zugzwang. Sie müssen einerseits gewinnbringend arbeiten, um am liberalisierten Markt bestehen zu können, und andererseits das Gemeinwohl berücksichtigen, welches wettbewerbshemmend auf die Unternehmen wirkt. Zusätzlich werden von Seiten der Politik auch immer wieder neue Maßstäbe für den Klima- und Umweltschutz gesetzt, die meist hemmend auf die EVU wirken. Um diese Zielkonflikte zu überwinden, hat sich in den Unternehmensstrukturen der europäischen EVU ein gewaltiger Wandel vollzogen. Um sich den Marktbedingungen bestens anzupassen wurde aus einem Monoanbieter, ein Multi-Utility-Unternehmen d.h. anstatt nur Strom zu produzieren und anzubieten, bieten die EVU nun sämtliche Energieprodukte (Produktion und Verteilung von Strom, Wärme, Erdgas usw.) aus einer Hand an. Durch die höhere Produktpalette können am Markt unterschiedliche Bedürfnisse von unterschiedlichsten Zielgruppen angesprochen werden; dies erhöht in der Folge automatisch den Umsatz. Zweite grundlegende Veränderung, die jedoch bereits seit längerer Zeit beobachtbar ist, stellt die Veränderung in den Eigentümerstrukturen dar. Um das allgemeine Interesse zu wahren und nicht die eigenen Ressourcen zu verlieren und dadurch einen wirtschaftlichen Machtverlust zu erlangen, wird der Staat, der eigentlich das öffentliche Interesse zu vertreten hätte, immer öfter zu einem privaten Unternehmer als Akteur auf dem freien Markt. Diese Doppelrolle kann unter Umständen zu einem Interessenskonflikt mutieren. 1.2.5. Energiepolitik Nach der freien Enzyklopädie Wikipedia zitiert, versteht man unter Energiepolitik folgendes: „Energiepolitik bezeichnet die Staatstätigkeit, die auf verbindliche Regelungen des Systems der Aufbringung, Umwandlung, Verteilung und Verwendung von Energie zielt. Im weiteren Sinne betrifft sie die Gesamtheit der institutionellen Bedingungen, Kräfte und Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, gesellschaftlich verbindliche Entscheidungen über die Struktur und Entwicklung der Bereitstellung, Verteilung und Verwendung 12 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik von Energie zu treffen“ http://de.wikipedia.org/wiki/Energiepolitik; Abruf: 16.09.09). (Wikipedia: Diese Definition sieht als Hauptakteur für die Verteilung, Regulierung, Aufbringung, Umwandlung und Verwendung mit bzw. von Energie den Staat. Im Zuge der neoliberalen Wirtschaftsordnung, welche von der EU in den letzen zwei Jahrzehnten vermehrt angestrebt wird, ist das nicht immer der Fall. Der Staat (im Sinne einer normativen Institution) gibt im Bereich der Energiepolitik immer mehr Kompetenzen an die Wirtschaft ab und tritt fast nur mehr in der Rolle als „Nachtwächterstaat“1 auf. In folgender Definition wird die Energiepolitik bereits klar als „Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik“ proklamiert und „als Ziel staatlicher Energiepolitik wird eine möglichst sichere, preiswerte Energieversorgung der Volkswirtschaft durch bestmöglichem Schutz die günstigste der Nutzung Umwelt der angesehen“ Energieträger (Homepage bei BpB: Energiepolitik, Abruf am: 15.09.09). Aus Sicht der Wirtschaftsfraktion sollte der Staat in der Energiepolitik also günstige Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstreibenden schaffen. Der Konsument und damit der Bürger möchte seine Energie ebenfalls zu einem günstigen Preis geliefert bekommen und die Versorgungssicherheit sollte gewährleistet sein. Die Umweltfraktion hingegen verlangt vom Staat eine Beschränkung der Energieausbeutung durch die Wirtschaft und Gesellschaft und stellt den Schutz der Umwelt bzw. den nachhaltigen Ressourcenumgang an die erste Stelle. Diese starke Vernetzung der Energiepolitik mit anderen Politikfeldern wird auch aus folgender Definition im „Wörterbuch zur Politik“ klar ersichtlich, wenn die Energiepolitik als „sektorale Strukturpolitik und insbesondere ein Bestandteil der Wirtschaftspolitik mit Querverbindungen vor allem zur 1 Die von Ferdinand Lassalle (1825–1864) proklamierte Theorie des Nachtwächterstaates sieht den Rückzug des Staates (Laissez-faire) aus vielen ursprünglich staatseigenen Tätigkeiten vor, um der Dynamik des Marktes freien Lauf zu lassen. Die Aufgabe des Staates soll sich auf die Gewährung der inneren und äußeren Sicherheit beschränken, deshalb auch der polemische Ausdruck Nachtwächter. 13 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Forschungs- und Entwicklungspolitik, zur Technologiepolitik und zur Umweltpolitik“, bezeichnet wird (Schmidt 2004, 191). Explizit erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch, die vor allem in den letzten Jahrzehnten gestiegene Bedeutung der Energiepolitik im Rahmen der Klimapolitik. Die Bewusstseinswerdung der Verknappung von fossilen Energieträgern und in dessen Folge die aktuelle Energiekrise, die Reduzierung von CO2 Emissionen und die neusten Entwicklungs- und Forschungsergebnisse im Bereich erneuerbare Energien stellt die Energiepolitik auf allen Ebenen vor neue Aufgaben, Herausforderungen und Zielsetzungen. 1.3. Unternehmensstrukturen der EVU 1.3.1. Das öffentliche Unternehmen Im Arbeitsdokument „Öffentliche Unternehmen und Versorgungswirtschaft in der europäischen Union“ des EU-Parlaments wird darauf hingewiesen, dass innerhalb der Transparenzrichtlinie 80/723 vom 25.06.1980 ein öffentliches Unternehmen dann als solches gilt, wenn „die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann" (Europäisches Parlament 1996, 12). Das „öffentliche“ verbunden ist ist mit in der erster Linie Vorstellung, die dass Eigentümerstruktur, über das welche Eigentum eine Instrumentalisierung im Sinn einer öffentlichen Aufgabenwahrnehmung erfolgt. Dadurch können öffentliche Unternehmen als spezifische Organisationsformen der öffentlichen Hand angesehen werden. Sie stellen somit dezentralisierte Träger öffentlicher Aufgaben dar, die sich im Eigentum von Gebietskörperschaften befinden Wirtschaftslexikon http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/oeffentlicheunternehmen.html; Abruf am: 25.01.2010). 14 (vgl. Gabler Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Ausschlaggebend ist auch die Erfüllung eines öffentlichen Zweckes innerhalb eines Rechtsstaates. Dieser kann entweder von direktem Charakter sein und zwar mittels Erfüllung von Aufgaben, die im direkten Aufgabengebiet der öffentlichen Hand liegen wie z.B. Entwicklungshilfe oder Sozialer Wohnbau. Indirekt können öffentliche Unternehmen agieren, indem sie zur öffentlichen Mittelbeschaffung genutzt werden. Sie arbeiten am Markt und die Gewinne aus ihrer Tätigkeit fließen in die öffentliche Körperschaft zurück, so z.B. durch die Beteiligung bei den EVU (vgl. Andersen 2003, Abruf am: 25.01.10). Durch die EU-Regelungen im Bereich des Binnenmarktes wird auf die öffentlichen Unternehmen verstärkt Druck ausgeübt. Der Wettbewerb innerhalb des Marktes erfordert mehr Flexibilität und dies kann durch ein reines Staatsunternehmen heute nicht mehr gewährleistet werden. Das ist auch der Grund, warum überall in Europa verstärkt Umwandlungsprozesse von ehemaligen Staatsbetrieben zu privatwirtschaftlich organisierten Aktiengesellschaften stattfinden (ebd.). 1.3.2. Formen von EVU Ein EVU kann in unterschiedlichster Form organisiert sein. Es existieren dezentral angesiedelte Kleinstproduzenten, die entweder eine Inselversorgung tätigen bzw. für den Eigengebrauch produzieren. Diese sind zumeist privatwirtschaftlich organisiert und sind entweder Einzelunternehmen oder in Genossenschaften zusammengeschlossen, um mit Hilfe eines kleinen Wasserkraftwerks oder von Photovoltaikanlagen Energie dezentral für den Eigengebrauch zu produzieren oder die Überschussenergie ins allgemeine Netz einzuspeisen. Eine weitere Form sind die kommunalen EVU. Diese sind vor allem aus Eigeninitiativen von einzelnen Städten oder Dörfern heraus entstanden, die entweder geographisch so ungünstig liegen, dass es sich für größere Versorgungsunternehmen als unrentabel erwiesen hat dieses Gebiet zu versorgen, oder aber man wollte aus ideellen oder strukturellen Gründen eine eigenständige Energieversorgung aufbauen um den Bürgern eine 15 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik günstige und lokale Energieversorgung zu ermöglichen. Solche Unternehmen wären z.B. die Etschwerke AG, welche die beiden Städte Bozen und Meran versorgen; die IKB AG, die so genannte Innsbrucker Kommunalbetriebe AG, die nicht nur für die Energieversorgung, sondern auch für die Müllentsorgung und die Öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt Innsbruck zuständig ist; die Stadtwerke Brixen und Bruneck; sowie z.B. die Energiewerk Prad Genossenschaft, welche als Visionäres Unternehmen im Bereich dezentrale Energieversorgung aus Erneuerbare Energien (EE) gilt. Wenn man sich die Eigentümerstruktur dieser kleineren EVU betrachtet, stellt man fest, dass sie weniger oft in Form einer Aktiengesellschaft (AG) auftreten, als durch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder vielfach in Form von Genossenschaft mit beschränkter Haftung (Gen.mbH) gegründet worden sind. Zwischen der kommunalen Ebene und den Großkonzernen haben sich die so genannten „Landesgesellschaften“ etabliert. Diese befinden sich strategisch gesehen zwischen den kommunalen Betrieben und den Großkonzernen. Sie sind als Aktiengesellschaften formiert und versuchen sich innerhalb des liberalisierten Marktes ihren Platz in der Regionalversorgung zu erhalten bzw. zu etablieren. Im Bereich der Produktion versuchen sich diese AGs auf dem Markt der transnationalen Konzerne zu behaupten bzw. auch zu kooperieren, um an den großen europäischen Strombörsen mitmischen zu können. Beispiele für solche regionalen Energieversorger sind die TIWAG in Tirol und die SEL AG als relativ junges Beispiel in Südtirol. Schließlich gibt es die großen, auf nationaler bzw. europäischer Ebene operierenden EVU, die entweder privatwirtschaftlich oder halb-öffentlich organisiert sind. Dabei handelt es sich meist um Energiekonzerne, die aus ehemals verstaatlichten Monopolbetrieben heraus entstanden sind und ihr Tätigkeitsfeld weit über nationalstaatliche Grenzen hinaus organisieren. Solche Betriebe sind vor allem die ENEL SPA in Italien, die EDF in Frankreich, die EON in Deutschland u.v.m. Diese Unternehmen treten fast ausschließlich in Form von Aktiengesellschaften auf, deren Aktien sowohl an 16 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik der Börse notieren bzw. deren Eigentümer wiederum andere Großkonzerne sind. Vor allem für diese Großkonzerne bringt der liberalisierten Strom- und Gasmarkt in der EU große Vorteile mit sich. 1.3.3. Aktiengesellschaft Eine Aktiengesellschaft, kurz AG, ist eine privatrechtliche Vereinigung, welche sowohl eine rein privatwirtschaftliche, rein öffentliche oder halböffentliche Eigentümerstruktur aufweisen kann. Es handelt sich um eine Kapitalgesellschaft, deren Kapital in Aktien gesplittet ist. Die Gesellschafter, die Aktien besitzen, sind die Gesellschafter bzw. Aktionäre. Die Aktien können an der Börse gehandelt werden, dann handelt es sich um eine Börsennotierende AG, oder, wenn die Aktien nicht auf der Börse gehandelt werden, um eine nicht Börsennotierende AG. Grundsätzlich verfolgt eine AG den Zweck der Vermögensvereinigung und Vermögensvermehrung durch die kapitalgesellschaftliche Konzeption. Aktiengesellschaften können sich durch Ausgabe neuer Aktien oder durch die Anleihen (Schuldverschreiben) leichter neues Kapital beschaffen, als dies bei vielen anderen Unternehmensformen der Fall ist. Deshalb wird die Form der AG häufig von Großunternehmen bzw. Unternehmen, die sich innerhalb eines schnell wachsenden Wirtschaftszweigs befinden, gewählt (vgl. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Aktiengesellschaft; Abruf: 15.01.10). Das italienische Zivilgesetzbuch (Codice Civile) bzw. auch das Bürgerliche Gesetzbuch in Österreich geben ein genau geregeltes Prozedere für die Gründung und das Betreiben einer Aktiengesellschaft vor. Zwischen den einzelnen europäischen Staaten gibt es geringfügige Abweichungen innerhalb der Gründungsinhalte, Anzahl der Verwalter, Mindestkapital bei der Gründung usw. So liegt z.B. das Mindestkapital zur Gründung einer AG in Italien bei 120.000 Euro und in Österreich z.B. nur bei 70.000 Euro (vgl. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Aktiengesellschaft; 15.01.10). 17 Abruf: Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Um diese zivilrechtlichen Inhalte langfristig gesehen zu harmonisieren, hat die Europäische Union in der EG-Verordnung 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001 beschlossen, die Gründung einer europäischen Aktiengesellschaft (societas europaea) zu ermöglichen, welche nach einheitlichen gesetzlichen Regelungen funktioniert. Dazu heißt es in Art.1 wörtlich: „Voraussetzung für die Verwirklichung des Binnenmarkts und für die damit angestrebte Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der gesamten Gemeinschaft ist außer der Beseitigung der Handelshemmnisse eine gemeinschaftsweite Reorganisation der Produktionsfaktoren. Dazu ist es unerlässlich, dass die Unternehmen, deren Tätigkeit sich nicht auf die Befriedigung rein örtlicher Bedürfnisse beschränkt, die Neuordnung der Tätigkeiten auf Gemeinschaftsebene planen und betreiben können“ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 10.11.2001, 1). Die Verordnung ist nach einer Übergangsfrist von drei Jahren am 8. Oktober 2004 in Kraft getreten und ist unmittelbar geltendes Recht, d.h. die Verordnung musste nicht gesondert von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt werden. 1.3.4. Genossenschaft Eine Genossenschaft ist „ein Zusammenschluss von natürlichen und juristischen Personen (Personenvereinigung), die sich gemeinsam unternehmerisch betätigen (genossenschaftlicher Geschäftsbetrieb). Die genossenschaftliche Organisationsform, deren Charakter mit den Prinzipien Mitgliederförderung, Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung (sog. S-Prinzipien) und Identitätsprinzip (Identität von Entscheidungsträgern, Geschäftspartnern und Kapitalgebern) umschrieben werden kann, ist ein Zusammenschluss von Personen, die gleiche oder ähnliche wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Interessen gemeinsam verfolgen“ (Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaft; Abruf 18.10.09). Die Autonome Provinz Bozen führt eine eigene Abteilung, die sich unter anderem mit dem Genossenschaftswesen beschäftigt. Auf der Homepage der Abteilung für Innovation, Forschung, Entwicklung und Genossenschaften findet man unter der Rubrik: „Was ist eine Genossenschaft?“ folgende Zweckbestimmung für die Genossenschaften. Das Ziel einer Genossenschaft ist im Gegensatz zu einer AG nicht die Gewinnmaximierung, sondern den 18 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik eigenen Mitgliedern Güter, Dienstleistungen und Arbeitsmöglichkeiten zu vorteilhafteren Bedingungen als die auf dem Markt zu beschaffen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass das gebildete Vermögen größtenteils unteilbar ist, d.h. es wird ausschließlich für die Investitionen der Genossenschaft verwendet oder an die neue Generation von Genossenschaftsmitgliedern weitergegeben. Im Zentrum der Tätigkeit steht also die bestmögliche Abdeckung der Bedürfnisse der Mitglieder (Homepage AIFEG: http://www.provinz.bz.it/innovation/genossenschaften/genossenschaftengrundwissen.asp; Abruf: 29.12.09). Der Zusammenschluss zu Genossenschaften geht zurück bis ins Altertum. Bereits damals gab es Religionsgemeinschaften Bündnisse, in denen genossenschaftlich sich Gemeinden vereinigten. Der für oder den deutschsprachigen Raum bekannteste Gründer einer Genossenschaft ist Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Er rief 1847 in Weyerbusch den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der Not leidenden ländlichen Bevölkerung ins Leben. Schließlich Darlehnskassenverein, Raiffeisen'schen gründete der heute Sinne er 1862 als die verstanden erste wird den Heddesdorfer Genossenschaft (vgl. im Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaft; Abruf: 18.01.10). Auch die in Deutschland, Österreich und Südtirol heute noch bekannten Raiffeisenbanken gehen auf die Grundidee des Friedrich W. Raiffeisen zurück. Ähnlich wie bei den Aktiengesellschaften wurde auch in Bezug auf die Genossenschaften versucht eine Harmonisierung in die verschiedenen Rechtsinhalte der einzelnen europäischen Staaten zu bringen. Ein weiteres Ziel war die Aufwertung der Genossenschaft als Unternehmensform auf europäischer Ebene zu erwirken. Dies geschah mittels der EG-Verordnung Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE). Die Möglichkeit zur effektiven Gründung einer solchen europäischen Genossenschaft besteht seit dem 18. August 2006. 19 Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik Hier wird es erstmals möglich eine über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus operierende Genossenschaft zu gründen. Diese Maßnahme ermöglicht es Genossenschaften globaler zu agieren und ihren Ruf als rein kommunale Unternehmensform abzulegen. Man hört hier häufig kritische Stimmen, die eine Abkehr der Genossenschaften von ihrer klassischen Form als Selbsthilfeorganisation und Solidargemeinschaft von Arbeitern, Angestellten und Beamten befürchten. Die EU-Kommission war der Auffassung, dass nachdem die EG-Verordnung in Kraft getreten ist, die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zu treffen hätten, damit die einschlägige Verordnung und die Richtlinie 2003/72/EG des Rates vom 22. Juli 2003 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer wirksam werden. Dies ist nach Ansicht der Kommission für die nationalen Behörden und die betroffenen Gruppen eine gute Gelegenheit, um gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass das Genossenschaftsrecht verbessert wird und dass die Rahmenbedingungen für die Gründung von Genossenschaften günstiger werden. Außerdem sei das Potenzial der Genossenschaften bisher nicht voll genutzt worden und das Image auf nationaler und auf europäischer Ebene könnte dadurch zunehmend verbessert werden (vgl. EU-Kommission KOM (2004) Nr.18, 5). Weiters sieht die Kommission in der Unternehmensform der Genossenschaft drei (vgl. ebd., 6-7) wesentliche Vorteile und zwar: • Genossenschaften können zur Stärkung der Marktposition von kleineren und mittleren Unternehmen beitragen. Es gelingt den Genossenschaften vermehrt in den Genuss von Vorteilen zu gelangen, die normalerweise nur den Großkonzernen vorbehalten sind. Dies gilt vor allem in Bezug auf den Marktzugang, die Marktposition als Ein- Führungskräftepotenzials, Forschungskapazität. Die oder Verkäufer, die die Fortbildung genossenschaftliche 20 Entwicklung und des die Unternehmensform Energieversorgungsgesellschaften und Energiepolitik bietet Unternehmen die Möglichkeit, gemeinsam tätig zu werden und Risiken zu teilen, ohne deswegen ihre Eigenständigkeit zu verlieren. • Genossenschaften können qualitativ hochwertige Dienstleistungen bereitstellen. Der Dienstleistungssektor ist ein bedeutender Faktor innerhalb der EU und es benötigt zunehmend Unternehmen, die ihren Kunden qualitativ hochwertige und maßgeschneiderte Dienstleistungen anbieten können. Bei einer genossenschaftlichen Unternehmensstruktur können die Nutzer der von der Genossenschaft erbrachten Dienstleistungen, da sie gleichzeitig die Mitglieder der Genossenschaft sind, das Unternehmen, das Dienstleistungen für sie erbringt, beeinflussen, d. h. sie können dafür sorgen, dass dieses Unternehmen tatsächlich ihren Bedarf deckt. Genossenschaften können oft Dienstleistungen für Bevölkerungsgruppen erbringen, die sonst keinen Zugang zu diesen Dienstleistungen hätten, da deren Bereitstellung für gewinnorientierte Unternehmen nicht attraktiv ist. Dies gilt z.B. für die Verteilung von Stromkunden in entlegenen Ortschaften oder Gehöften. • Genossenschaften leisten einen Beitrag zum Aufbau einer auf Wissen basierten Gesellschaft. Viele Genossenschaften sind Unternehmen, in denen die Mitglieder als die Nutzer tatsächlich auch auf ManagementEntscheidungen Einfluss nehmen können. Die partizipatorischen Leitungsstrukturen von Genossenschaften ermöglichen das Entstehen der immateriellen Werte Know-how und Qualifikationen. 21 Energiepolitik in Südtirol 2. Energiepolitik in Südtirol Das Konzept einer aktiven regionalen Energiepolitik stellt die politischen Entscheidungsträger vor ein mannigfaltiges Spektrum an Entscheidungsmöglichkeiten. Die energiegeschichtliche Entwicklung dieser italienischen Provinz wird in den einzelnen Teilen dieses Kapitels immer wieder angeführt. Im ersten Teil gilt es die Energieversorgung und – produktion anhand der statistischen Daten aufzuzeigen, um die gegebenen Potentiale zu erkennen und mit denen Tirols vergleichen zu können. Im nächsten Moment gilt es die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu untersuchen, in welchen die Energiepolitik eingebettet ist. Im Anschluss wird die Wasserkraft, die präsentiert, um eingehend bedeutendste die Energiequelle jeweiligen Potenziale Gesamttirols, und Risiken aufzuzeigen. 2.1. Energiesituation 2.1.1. Versorgung Bevor es im Zuge der Industrialisierung und Elektrifizierung zur Entstehung von Netzgebundener Energie kam, standen in den regionalen Berggebieten, wie es Südtirol darstellt, nur jene Energieträger zur Verfügung, die es in unmittelbarer Umgebung gab. Man behalf sich also vorwiegend mit der Nutzung von Holz für die Erwärmung von Haus und Wasser. Für die Beleuchtung nutzte man das Licht von Kerzen und später durch die Erschließung der ersten Ölfelder im Nahen Osten im Jahr 1850 auch Öllampen (Radius 07/2008, 6). Mit Beginn der Elektrifizierung2 gewann Südtirol mit seiner natürlichen Ressource „Wasser“ jedoch sehr rasch an Bedeutung für den Energiesektor 2 Das Jahr 1882 steht für den Beginn des „elektrischen Zeitalters“ in Italien. Das „Komitee für die Anwendung des elektrischen Systems nach Edison“ stellte zu diesem Zeitpunkt die erste Glühbirne in der Mailänder Scala vor. Im darauf folgenden Jahr wurde bereits das erste Stromnetz in der Umgebung des Mailänder Doms installiert (Agenda Energetica Consorziale 1998, 6). 22 Energiepolitik in Südtirol und das nicht nur auf regionaler, sondern im Zuge des Faschismus auch auf nationaler Ebene. In Südtirol waren es vor allem die Pioniere Ludwig Gröbmer aus Gossensaß und Josef Beikircher aus Mühlen in Taufers, die in Eigenregie Kleinkraftwerke zur Stromproduktion entwickelten (Mitterer 2004, 95); (Ingram, Beikircher 15/2008, 33-34). Im Jahre 1897 folgten dann die Gemeinden Bozen und Meran mit der Eröffnung des Kraftwerks „Auf der Töll“, das vom gemeinsam gegründeten Unternehmen ETSCHWERKE (später AEC-EW und dann AE-EW) geführt wurde. 1900 und 1912 folgten dann weitere, kleinere Kraftwerke im ganzen Land. In diesem Zeitraum wird auch das Elektrizitätswerk im Schnalstal in Betrieb genommen. Dadurch wurde es erstmals möglich auch den gesamten ländlichen Bereich zu elektrifizieren (Radius 07/2008, 6). Man kann also durchaus sagen, dass die Wasserkraft zu den wichtigsten Energiequellen in Südtirol zählt. Dies ist vor allem positiv, weil es sich hierbei um eine regenerative Energiequelle handelt, die anders als die fossilen Rohstoffe „unendlich“ vorhanden ist. Der Gesamtenergieverbrauch nach Energieträgern (ohne Verkehr) lag im Jahre 1993 in Südtirol noch bei 6.8 Mrd. kWh. Bei einer Einwohnerzahl von 446.621 Personen entsprach der jährliche Pro-Kopf Verbrauch 15.400 kWh (Schönweger 2004, 42). Im Vergleich dazu stieg der Endenergieverbrauch im Jahr 20073 auf 8.3 Mrd. kWh (ohne Verkehr) an. Bei einer Bevölkerungsanzahl von 491.266 Personen am 31.12.2007 bedeutet das einen durchschnittlichen pro Kopf Jahresverbrauch von 16.895 kWh. Die steigende Tendenz beim Energieverbrauch ist klar ersichtlich. Die Staffelung der einzelnen Energieträger des Endenergieverbrauchs in Südtirol von 2007: Erdölprodukte 1.1 Mrd. kWh Erdgas 3 Mrd. kWh Strom 2.8 Mrd. kWh Holz 1.2 Mrd. kWh 3 lt. Amt für Energieeinsparung die aktuellste Erhebung des Gesamtenergieverbrauchs nach Energieträgern ohne Verkehr in Südtirol 23 Energiepolitik in Südtirol sonst. EE 0.2 Mrd. kWh Diese Zahlen zeigen bereits klar auf, dass nicht nur in globaler Hinsicht, sondern auch auf Südtirol bezogen der Anteil an fossilen Energieträgern am Primärenergieverbrauch, immer noch enorm hoch ist. Knapp die Hälfte des Verbrauchs deckt sich durch fossile Energiederivate. Nimmt man den Gesamtenergieverbrauch (inkl. Verkehr 20054) zum Vergleich, dann stellt man fest, dass der Fossilanteil sogar noch um einiges höher ist und zwar betrug dieser 68%. Die einzelnen Posten dabei sind: 12% Erdölbrennstoffe, 26% Erdgas, 19% Diesel und 11% Benzin (vgl. ARGE ALP 2009). Abb.1 Gesamtenergieverbrauch in Südtirol nach Energieträgern im Jahr 2005 100% 4% 3% 1% 80% 24% 11% 60% 19% 40% 26% 20% 12% 0% Erdölbrennstoffe Erdgas Diesel Benzin Strom Fernwärme Holz div. Erneuerbare Energien Quelle: ARGE ALP 2009, 7 (Eigene Darstellung) Die fossilen Energieträger, Erdöl und Erdgas sind mit einem 38% Anteil am Primärenergieverbrauch, zum jetzigen Zeitpunkt immer noch die wichtigsten Energieträger in Südtirol. Der ebenso hohe Anteil von insgesamt 30% an Mineralölprodukten (Benzin und Diesel) zeigt, dass knapp 1/3 der konsumierten Energieträger auf den Bereich Mobilität und Verkehr entfällt. Aus der graphischen Darstellung ist weiters ersichtlich, dass knapp ¼ (24% Strom) des Energieverbrauchs durch Strom gedeckt ist und rund 8% am 4 lt. Amt für Energieeinsparung die aktuellste Erhebung des Gesamtenergieverbrauchs (inkl. Verkehr) in Südtirol 24 Energiepolitik in Südtirol Gesamtenergieverbrauch aus rein erneuerbaren Energiequellen bezogen wird (Fernwärme, Holz und diverse erneuerbare Energien). Daraus lässt sich bereits erkennen, dass der Anteil an erneuerbaren Energien in Südtirol (inklusive Strom, aber ohne Verkehr) bereits enorm hoch ist. Dies bestätigt auch Landesrat Michl Laimer, wenn er sagt: „Unser Ziel in Südtirol ist, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nach und nach zu reduzieren und durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Damit nimmt Südtirol in der Nutzung erneuerbarer Energien nicht nur eine Vorreiterrolle in Italien, sondern auch eine Spitzenposition in Europa ein“ (Pichler 08/2008, 72). Abb.2 Energieversorgung Südtirols ohne Verkehr 2009 Quelle: Rainer, 21.05.2010 In Südtirol werden bereits 56% (ohne Verkehr) des Energieverbrauchs aus EE gedeckt und lediglich 44% sind noch durch Erdöl oder Erdgas gedeckt. Im Vergleich dazu zeigen die europäischen Zahlen ein ganz anderes Bild. Der europäische Durchschnitt an Erneuerbaren Energien (EE) am Gesamtverbrauch lag 2009 lediglich bei 6,5% was die Südtirolzahlen als durchwegs vorbildhaft erscheinen lassen. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Klima- und Energieagenda der EU darauf abzielt, diesen Anteil bis 2020 auf 20% zu steigern (EU-Kommission KOM (2007) Nr.140, 6). Durch diesen doch recht breit gefächerten Energiemix in Südtirol besteht eine relativ hohe Versorgungsdichte bzw. -sicherheit. Durch den geplanten Ausbau der regenerativen Energiequellen soll ein Prozess stattfinden von der Versorgungssicherheit hin zur Energieautonomie im Jahr 2020 (Radius 01/2009, 6). 25 Energiepolitik in Südtirol 2.1.2. Produktion Die in Südtirol produzierte Energie stammt zu 100% aus erneuerbaren Energieträgern. 29% der in Südtirol produzierten Energie stammt aus Wasserkraft und 19% stammen aus Biomasse. Die restlichen 52% verteilen sich vor allem auf thermische Solaranlagen, Windkraft, Biogasanlagen, Geothermie und Photovoltaikanlagen. Landesrat Michl Laimer sagt dazu: „Wir wollen über die Grenzen hinaus zu einem Musterland in Sachen nachhaltiger Energieerzeugung und technologischem Know-how werden“ (Pichler 08/2008, 73). Wasserkraft Wie wir festgestellt haben, ist die größte und damit auch bedeutendste Energiequelle in Südtirol die Wasserkraft. Aus ihr erfolgt die Nutzung für die Stromproduktion. Heute existieren in Südtirol 29 Großwasserkraftwerke, (über 3.000 kW Leistung) 96 Kleinwasserkraftwerke (von 220-3000 kW Leistung) und 725 Kleinstwasserkraftwerke (mit einer Leistung von bis 220 kW) (Radius 07/2008, 7). Der in Südtirol produzierte Strom stammt zu 98,8% aus der Wasserkraft. Dies ist durchwegs positiv zu bewerten, weil die Wasserkraft eine regional nutzbare und „saubere“ Energiequelle darstellt. Im Jahre 2008 wurden in Südtirol 5.488,6 Mio. KWh Strom erzeugt und lediglich 2.896,7 Mio. KWh verbraucht. Dies bedeutet, dass Südtirol nur knapp die Hälfte des produzierten Stroms selbst benötigt. und damit ein Energienettoexporteur ist (vgl. ASTAT 2009, 3); (ASTAT: http://www.provinz.bz.it/astat/de/landwirtschaft-umwelt/umwelt-raum.asp; Abruf am: 10.05.10). Seit Ende der 80er Jahren fand in Südtirol ein verstärktes Energiesparverständnis und in dessen Folge eine verstärkte Nutzung von regenerativen Energiequellen statt. Im Zuge dieser Entwicklung begann man sich verstärkt beschäftigen eingebrochen. und Nach mit das neuen Zeitalter Angaben des Formen der der Energiegewinnung erneuerbaren Amtes für Energien Energieeinsparung zu war der Autonomen Provinz Bozen lag der Anteil regenerativer Energieträger in den Bereichen Strom und Wärme in Südtirol im Jahr 2009 bei 56 % und dieser 26 Energiepolitik in Südtirol Anteil soll bis zum Jahre 2020 auf 100 % ausgedehnt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Formen der „neuen“ Energien näher beschrieben. Biomasse und Biogas „Grundlage für den Betrieb einer Biogasanlage bildet die überwiegend innerhalb des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses anfallende Biomasse, wie Festmist und Gülle aller Tierarten bzw. nachwachsende Rohstoffe wie z.B. Silagen oder Mähgut“ (Broschüre SEL AG 1, 2). Biomasse ist also alles, was von Lebewesen und Pflanzen an organischer Substanz entfällt und in Form von Vergärung für die Produktion von Wärme und Strom genutzt wird. Als organische Substanz gilt in erster Linie der Kot der Tiere, der in den Anlagen als Biogas genutzt wird. Die Pflanzen bzw. Pflanzenreste werden zu Ethanol bzw. Biodiesel verarbeitet bzw. wir auch immer häufiger auf den Naturrohstoff Holz zurückgegriffen, der in Form von Hackschnitzel in Fernheizwerken zur Verwendung kommen. Südtirol ist auf 42% der Landesfläche mit Wald bedeckt, was bedeutet, dass der Rohstoff Holz vor allem zu Beginn der Biomasseheizwerke der wichtigste Grundstoff war. Die ersten Fernheizwerke, die aus Hackgut Wärme produzierten, waren 1994 jene von Rasen/Antholz und jenes von Olang. Mittlerweile gibt es in Südtirol 60 Fernheizwerke. Dank deren Einsatz konnte innerhalb von 15 Jahren bereits die Hälfte an Heizöl eingespart werden (Radius 01/2009, 7). Die neusten Tendenzen zeigen, dass Biogasanlagen auf dem Vormarsch sind. Im Jahre 2008 waren auf dem Gebiet der Provinz Bozen rund 30 dieser Anlagen in Betrieb. Es existieren 6 große Gemeinschaftsanlagen, 3 davon im Vinschgau, 2 im Pustertal und eine im Unterland (Gemeinde Aldein), jedoch handelt es sich beim Großteil der Anlagen eher um Einzelanlagen auf Höfen mit einer Anzahl von durchschnittlich unter 35 Großvieheinheiten (Homepage Abt. Landwirtschaft: http://www.provincia.bz.it/landwirtschaft; Abruf am: 09.11.09). Die Pflege und Erhaltung der Berglandwirtschaft ist für Südtirol von fundamentaler Bedeutung. In Zeiten von Dumping-Milchpreisen und Fleischskandalen ist der Trend aus der heimischen Landwirtschaft, die Gülle bzw. den Festmist der GVE in einer dementsprechenden Anlage als Biogas nutzbar zu machen, 27 Energiepolitik in Südtirol ein wichtiges Nebeneinkommen für die Bergbauern. Außerdem hilft die Verwendung der Gülle für die Anlagen einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, denn durch die kontrollierte Vergärung wurden im Jahr 2007 rund 930 Tonnen Methan und 9.300 Tonnen CO2 weniger in die Atmosphäre freigegeben (ebd.). Solarenergie Die Nutzung der Sonne als Energiequelle gilt als die regenerativste Form der Energienutzung, da diese unbegrenzt vorhanden ist5 und ihre Ausbeutung keinerlei aktiven Schaden anrichtet. Natürlich darf man die kulturlandschaftlichen Veränderungen durch die Anbringung von Paneelen nicht außer Acht lassen, jedoch kann man sagen, dass der Nutzen durchaus größer ist als der Schaden. Seit Anfang der 80er Jahre wurden in Südtirol verstärkt Fördermaßnahmen zur Nutzung der Sonnenenergie vorgenommen und diese Maßnahmen zeigen bis heute große Wirkung. Im Jahr 2009 gab es in Südtirol 18.120 geförderte Solaranlagen; das entspricht 198.585 m2 an solarthermischen Kollektoren, die aus den Sonnenstrahlen die Erwärmung des Brauchwassers bzw. der Heizungsluft ermöglichen. Die produzierte Gesamtleistung entspricht 114.400 MWh. Ein Vergleich zeigt, dass auch im Bereich der Solarthermie Südtirol eine Vorreiterrolle zukommt. Durch die bereits vorhandenen Kollektorflächen hat Südtirol das EU Ziel für 2010 erreicht. Zudem gibt es hier zu Lande im Verhältnis zur Bevölkerung bereits 41 m2 Sonnenkollektoren pro 100 Einwohner, wo hingegen der Anteil im restlichen Italien bei nur 0,9 m2/pro 100 Einwohner liegt (Kosta 2008, 39-40). Damit ist in Südtirol 40-mal mehr Fläche mit Kollektoren bedeckt als im gesamtstaatlichen Durchschnitt. Eine weitere Form der Aktivnutzung von Sonnenenergie, allerdings zur Umwandlung in Strom, ist die so genannte Photovoltaikanlage. Physikalisch gesehen können die Photone (Lichtteilchen) mit geeigneter Energie (= Licht mit einer bestimmten Wellenlänge) in Halbleitern (z. B. Silizium) Elektronen 5 Dies ist vor allem für Südtirol interessant, weil das hier zu Lande vorherrschende submediterrane Klima durchschnittlich an die 300 Sonnentage im Jahr beschert. 28 Energiepolitik in Südtirol aus dem Atomverband zeitweise lösen und damit einen Stromfluss bewirken (vgl. Homepage „energie-sparen.it“: http://www.energie- sparen.it/de/erneuerbareenergien/photovoltaik/photovoltaik.html; Abruf: 10.11.09). Der Solarstrommarkt ist in Südtirol und auch im restlichen Italien stark im Wachsen begriffen, weil einerseits die geographischen Bedingungen optimal sind und andererseits durch Förderungen der öffentlichen Hand eine gute Ausgangslage geschaffen wurde. Dies zeigen auch folgende Zahlen: wurde am 31.12.2006 noch 8.500 kW Leistung aus PV-Anlagen in Südtirol gemessen, so war es am 31.12.2009 bereits eine Leistung von 26.642 kW. Somit hat sich die Stromproduktionsmenge innerhalb von 3 Jahren mehr als verdreifacht. Folgendes Diagramm zeigt, dass die Vorreiterrolle auch im Bereich des Photovoltaikmarktes für Südtirol gilt. Pro Einwohner wird hier zu Lande nämlich durchschnittlich 18,9 kWh Strom durch PV produziert. Für das restliche Italien gilt ein durchschnittlicher Produktionswert von 3 kWh/pro Einwohner (Homepage „energie-sparen.it“: http://www.energie- sparen.it/de/erneuerbareenergien/photovoltaik/photovoltaik-insuedtirol.html; Abruf:10.11.09). 29 Energiepolitik in Südtirol Abb.3 Installierte Leistungen durch Photovoltaik pro Einwohner und Provinz 2009 Quelle: Homepage „energie-sparen.it“: Photovoltaik in Südtirol 2009 Windenergie Die bekanntesten und größten Windkrafträder wurden im Oktober 2003 auf der Malser Haide in Betrieb genommen. Zuerst wurde von der Firma Leitner lediglich ein Windrad für eine zweijährige Testphase installiert, jedoch kam alsbald ein zweites Windrad hinzu und heute produzieren diese durchschnittlich Strom für den Verbrauch von 600 Haushalten (Dolomiten: 30.11.07a, 33). Neben der Firma Leitner, die neben der Installation auch für die Technologie und Wartung verantwortlich ist, beteiligt sich auch die Gesellschaft „Windkraft Marein“, die aus mehreren Obervinschgauer Gemeinden besteht, an den Windkrafträdern und an der Vermarktung des produzierten Stroms (vgl. Dolomiten: 30.11.07b, 33). Grundsätzlich ist die Nutzung der Windkraft eine lobenswerte Initiative, jedoch spielt sie lediglich eine untergeordnete Rolle für den Südtiroler Energiemix. Im Zeitraum von 1995 bis 2005 wurden in Südtirol nur 11 Windkraftanlagen errichten, von denen wiederum nur 3 größere Anlagen sind (vgl. Homepage „energie-sparen.it“: http://www.energie- sparen.it/de/erneuerbareenergien/windenergie/windenergie-insuedtirol.html; Abruf am: 10.11.09). Andere Regionen Italiens hingegen sind gerade zu prädestiniert in die Windkraft zu investieren. So produzieren 30 Energiepolitik in Südtirol Windparks in Süditalien insgesamt 3.736,47 MWh Strom im Jahr, damit liegt Italien auf Platz 3 in Europa, nach Deutschland und Spanien. Vor allem die vier Regionen Apulien (25,13%), Kampanien (22 %), Sardinien (19%) und Sizilien (16%) tragen einen wesentlichen Teil dazu bei (WiKu 27.05.09, 10). Geothermie Geothermie ist die Wärme, die durch den flüssigen Kern der Erde, welcher eine Temperatur von 6.000 Grad Celsius erreicht, entsteht und im Erdreich gespeichert ist. Die Erdwärme gilt als die unabhängigste der regenerativen Energiequellen, vorhanden ist. weil sie Durch unabhängig neuste von Wetter Technologien ist und es Klima möglich immer diese umweltschonende und klimafreundliche Energiequelle zu nutzen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Einerseits kann heißes Wasser, das sich im Erdreich befindet, an die Oberfläche gepumpt werden und durch so genannte Wärmepumpen für die Beheizung von Gebäuden genutzt werden bzw. ist es auch möglich Erdwärme für die Stromerzeugung zu nutzen (vgl. Homepage „Das Energieportal“: http://www.das- energieportal.de/startseite/geothermie/details-zu-geothermie/; Abruf:11.11.09). Zum gegebenen Zeitpunkt beschränkt sich die Nutzung der Geothermie in Südtirol ausschließlich auf die oberflächennahen Geothermie zur Beheizung und Kühlung von Wohn- und Industriegebäuden. Laut Verbraucherzentrale muss man für die Anschaffung einer Heizanlage (inkl. Wärmepumpe) mit einer Leistung von 15 kWh, (Versorgung eines Einfamilienhauses) mit Anschaffungskosten von ca. 30.800 Euro (berechnet inkl. Landesbeitrag und 4% Mwst.) rechnen (vgl. Homepage „Verbraucherzentrale Südtirol“: http://www.verbraucherzentrale.it/17v116d36763.html; Abruf: 11.09.09). Es wird vom Hersteller zwar eine lange Lebensdauer garantiert, jedoch könnten diese doch recht moderaten Anschaffungskosten, der Grund für das Ausweichen auf günstigere Alternativen sein. Sollte es in Zukunft möglich sein, diese Technologie zu marktkonformen Preisen anzubieten, wäre es durchaus denkbar, dass die Geothermie stark an Bedeutung gewinnen könnte. Eine Bereicherung im Energiemix Südtirols, wäre sie allemal. 31 Energiepolitik in Südtirol H2 – Wasserstoff Der Verbrauch von Benzin und Diesel beträgt in Südtirol an die 30% des Gesamtenergieverbrauchs. Dieser enorm hohe Konsumwert muss in Zukunft wesentlich verringert werden, um einerseits die globalen Klimaziele erreichen zu können und um andererseits den Peak Oil6 nicht auszureizen. Die Forschungsergebnisse und Innovationen der letzten Jahre bieten ausreichend Lösungsmöglichkeiten für das Treibstoffproblem, jedoch werden meist aus Kostengründen keine politischen Maßnahmen verfolgt. In Italien existieren bereits Fördermaßnahmen im Rahmen von Steuererleichterungen, beim Ankauf von Methangasautos und Hybridautos, was als triviales Zeichen beim Abbau von CO2 Emissionen zu bewerten ist. Das Land Südtirol setzt allerdings nicht nur auf diese passiven Maßnahmen, sondern fördert seit dem 21.09.2009 auch aktiv ein Projekt, das in dieser Form in Italien einzigartig ist. In einer Kooperation zwischen der Autobahngesellschaft A22 und dem Institut für Innovative Technologien erfolgte am 21.09.2009 die Grundsteinlegung zum Projekt H2-Südtirol, einem Wasserstoffzentrum, welches an der Autobahn A22 in Bozen Süd realisiert wird. Wasserstoff gilt als ein sekundärer Energieträger und wird in einer Anlage wie sie eben hier gebaut wird, durch die Verwendung von Primärenergien wie z.B. Strom aus Wasserkraft, aus dem Rohstoff Wasser in einem chemischen Prozess in Wasserstoff umgewandelt. Dieser wird dann als Treibstoff für Autos mit Wasserstofftechnologie verwendet. Für den Umwandlungsprozess könnte vor allem der Strom aus den Nachtstunden verwendet werden, der reichlich vorhanden ist, aber auf dem Strommarkt kaum Absatz findet. So würde die H2 Anlage aus einer regionalen Ressource gespeist, die dadurch effektiver genützt würde und durch den produzierten Wasserstoff könnte sowohl die Abhängigkeit von Erdölimporten als auch eine Steigerung der lokalen Wertschöpfung erzielt werden (vgl. Homepage “H2-Südtirol“: http://www.h2-suedtirol.com/index.php?id=6; Abruf: 29.11.09). 6 Erdölfördermenge erreicht wird und wonach die Produktion nie wieder dasselbe Niveau erreicht (Produktionsspitze) und ab diesem Punkt nur noch weiter abnimmt. Pessimistische Fachleute sagen, dass dieser Punkt bereits erreicht wurde.Unter dem energetischen Fachbegriff „Peak Oil“, verseht man den Punkt, an dem die höchste 32 Energiepolitik in Südtirol Es bleibt zu Hoffen, dass dieses auf ideologischen Grundlagen basierende Projekt zukünftig auch von anderen europäischen Staaten aktiv gefördert wird, damit durch den verstärkten Umstieg auf Wasserstoffautos eine regere Nachfrage von Seiten der Autofahrer stattfindet und somit ein effektiver sozioökonomischer bzw. umweltpolitischer Nutzen entstehen kann. 2.2. Die Rahmenbedingungen Um in einem politischen System eine operationale Energiepolitik zu gewährleisten ist es unabdingbar, entsprechende politische Rahmenbedingungen zu setzen. Südtirol verpflichtet sich, einerseits an die internationalen Abkommen wie z.B. das Kyoto-Protokoll zu halten, und weiters die EU-Gesetze und –Richtlinien zu befolgen. Im Bereich der Wirtschaftsförderungen gilt es die nationale Gesetzgebung zu berücksichtigen. Vorteile zieht Südtirol vor allem durch die primäre Gesetzgebungsbefugnis, die ihr durch das Zweite Autonomiestatut (1972) zuerkannt wurde. Diese Zuständigkeit ist vor allem wichtig in den Bereichen Raumordnung, Nutzung der öffentlichen Gewässer, sowie der jüngsten Kompetenz in Sachen Großwasserableitung zur Erzeugung von Elektrischer Energie und deren Verteilung. Diese Zuständigkeiten und in dessen Folge die Möglichkeiten einer Förderung im Bereich der Privathaushalte ermöglicht es den politischen Entscheidungsträgern verstärkt Maßnahmen zur Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energieträger zu setzen. 2.2.1. Zur Entwicklung Rahmenbedingungen Wie bereits erwähnt ist Südtirols der wichtigste grundlegenden Ressource im Bereich Energieproduktion die Wasserkraft. Die Elektrifizierung bzw. die Nutzung der Wasserkraft gestaltete sich unmittelbar durch private Eigeninitiativen und kommunale Akteure. Dies änderte sich schlagartig durch den Faschismus, der nicht nur aus politischer Sicht lange schwarze Schatten über Südtirol warf, sondern auch im energiepolitischen Sinne. 33 Energiepolitik in Südtirol Die bestehenden Großkonzernen Kleinkraftwerke übernommen Gemeindegebiet von wurden bzw. Kardaun, teilweise neue von staatlichen Großkraftwerke Reschen/Graun) projektiert, (im um die Versorgung der Oberitalienischen Industrien mit ausreichend Strom zu garantieren (Radius 07/2008, 7). Diese Ausbeutung gipfelte im Jahre 1962 mit der Gründung des staatlichen Energiebetriebes ENEL. Die italienische Politik war davon überzeugt, dass der wachsende Energiebedarf nur mit einem zentralistischen staatlichen System zu gewährleisten Verstaatlichung der sei und übertrug Stromversorgung die so im Rahmen der existierenden Anlagen und Versorgungsinfrastrukturen seinem staatlichen Unternehmen. Dabei wurde dem ENEL per Gesetz das ausschließliche Recht übertragen, in Italien die stromwirtschaftlichen Tätigkeiten auszuüben. Die Wasserkonzessionen für große Kraftwerke und die Konzessionen für die Stromverteilung gingen damit auf nationalstaatliche jahrzehntelange Ausbeutung Ebene der über heimischen und es begann Wasserressourcen eine durch auswärtige Energiekonzerne (vgl. Wunderer 2006 http://www.altoadigesuedtirol.it/leitfaden/energie/wunderer.php; Abruf: 21.11.09). Einige kleine Elektrizitätswerke, wie z.B. das Energiewerk Prad am Stilfser Joch, blieben vor solchen Vereinnahmungen glücklicherweise verschont, weil sie in den Augen des ENEL als unwirtschaftlich galten. Diese Situation war ausschlaggebend dafür, dass die Gemeinde Prad eine dezentrale Energieproduktion und eine energiepolitisch relativ autonomen Energieversorgung aufbauen konnte (vgl. ebd.). Ein bekanntes Ereignis, in welchem sich klar der Protest der Südtiroler gegen die anhaltende Italianisierung und die Ausbeutung der heimischen Ressourcen durch die Verstaatlichung des Elektrizitätswesens äußerte, war die so genannte „Feuernacht“. Durch die unzureichende Umsetzung des Pariser Abkommens im Ersten Autonomiestatut von 1948, in welchem die deutsche Sprache weiterhin der italienischen untergeordnet war bzw. es bei der Vergabe öffentlicher Stellen eine Bevorzugung der italienischen Bewerber gab, bildeten sich ab dem Jahre 1956 kleinere Gruppierungen, die versuchten ihre Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Eine dieser 34 Energiepolitik in Südtirol Gruppierungen war der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) unter der Leitung von Sepp Kerschbaumer. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 sprengte die BAS 37 Hochspannungsmasten (die von der Südtiroler Bevölkerung als Sinnbild der faschistischen Ausbeutung wahrgenommen wurden) und plante damit die Stromlieferung von den Elektrowerken und – zentralen an die oberitalienischen Industrien und an die Bozner Industriezone zu kappen. Ziel dieser Aktion war es, die Welt auf das Südtirolproblem aufmerksam zu machen und durch das Lahmlegen der Bozner Industriezone, einem weiteren Sinnbild der Italianisierung, auf die anhaltenden Missstände im Land aufmerksam zu machen. Die Aktion „Feuernacht“ schlug allerdings fehl - die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wurde den Südtirolern aber dennoch zu Teil. Im selben Jahr noch beschäftigte sich die UNO mit dem Südtirolproblem und in der Folge kam es zur Bildung der Neunzehnerkommission und der Ausarbeitung des zweiten Autonomiestatuts (vgl. Steininger 2003, 82-83). Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts, durch das Dekret des Präsidenten der Republik (D.P.R) vom 31. August 1972, Nr. 670, wurden der Region Trentino-Südtirol erstmals wieder Befugnisse im Energiebereich zugestanden. Im Vereinheitlichten Text der Gesetze über das Sonderstatut für Trentino-Südtirol wurde im 3. Kapitel Art. 9 festgelegt, dass die Provinzen nunmehr auf dem Sachgebiet der „Nutzung der öffentlichen Gewässer, mit Ausnahme der Großwasserableitungen zur Erzeugung von elektrischer Energie“ (Autonomiestatut 2006, 72) in konkurrierender (sekundärer) Gesetzgebung, eine Zuständigkeit erhielten. Im Wesentlichen bedeutete dies, dass nun wieder die Konzessionsvergabe für Kleinkraftwerke in der Südtiroler Entscheidungskompetenz lag. Die Wasserableitungen über 3.000 KW sollten noch im Kompetenzbereich des Staates verbleiben. Den Autonomen Provinzen wurde im Art. 12, das Recht „bis zur Abgabe der endgültigen Stellungnahme des Obersten Rates für öffentliche Arbeiten jederzeit ihre Bemerkungen und Einsprüche vorzulegen“ eingeräumt (Autonomiestatut 2006, 73). Der Art.13 legt fest, dass die primäre Entscheidungskompetenz beim Minister für öffentliche Arbeiten und dem Minister für Industrie, Handel und Handwerk liegt, und die Provinzen, 35 Energiepolitik in Südtirol auf deren Gebiet sich das Konzessionsansuchen befindet ihr Einverständnis geben müssen (vgl. Autonomiestatut 2006, 74). Sollte die Provinz mit dem Konzessions- bzw. Verlängerungsdekret nicht einverstanden sein, hat sie das Recht, „beim Obersten Gericht für öffentliche Gewässer Beschwerde zu erheben“ (Autonomiestatut 20006, 73). Das Recht der Einspruchnahme bzw. der Beschwerde, kann als ein rein formales Mittel der Provinzen gewertet werden, denn die Entscheidungskompetenz lag immer noch beim Staat, der dies zur Not auch ohne das Einverständnis der Provinzen durchsetzen konnte. Die Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut mit dem D.P.R. vom 26. März 1977 Nr.235 eröffnete Südtirol einen weiteren Ausbau der Entscheidungskompetenzen im Energiesektor. Das D.P.R. 235/1977 regelt vor allem den Bereich Erzeugung und Verteilung von Energie. So heißt es in Art.1 explizit: „Die Befugnisse auf dem Sachgebiet Energie gemäß Absatz 1 betreffen die Suche nach und die Erzeugung, Speicherung, Erhaltung, den Transport und die Verteilung jedweder Art von Energie“ (Lexbrowser-NG: D.P.R. 26. März 1977 Nr.235 Art.1). Für die elektrizitätswirtschaftliche Tätigkeit sah der Art. 1, eigens geführte Energieunternehmen der öffentlichen Körperschaften vor. Diese Gemeindebetriebe sollten laut Art. 4 auch die Verteileranlagen des ENEL für ihr Verteilergebiet übernehmen und für den im Art. 10 vorgesehenen Landesbetrieb, verbliebe die Koordinierung dieser Aufgabe. Dieses Detail im D.P.R 235 vom 26. März 1977, sollte in Zukunft noch für reichlich Zündstoff innerhalb der Stromdiskussion sorgen. Die Implementierung der Landesenergiegesellschaft erfolgte allerdings erst 10 Jahre später durch das Landesgesetz vom 10. März 1997 Nr. 14, in dem es heißt: „Die Autonome Provinz Bozen ist ermächtigt, die Gründung einer Aktiengesellschaft mit der Elektrizitätsaktiengesellschaft) Bezeichnung zu fördern SEL und AG sich (Südtiroler an deren Gesellschaftskapital zu beteiligen.“ Der operative Startschuss für die SEL AG fiel dann Anfang November 1998. Trotz eigener Landesenergiegesellschaft wurde es erst durch die Abänderung der einschlägigen Durchführungsbestimmungen des Zweiten 36 Energiepolitik in Südtirol Autonomiestatuts, anhand des Gesetzesvertretenden Dekrets vom 11. November 1999 Nr. 463 möglich, die Südtiroler Befugnisse auch auf die Wasserkonzessionen für große Kraftwerke und die Konzessionen für die Stromverteilung auszuweiten. Auch wurde eine Neuregelung der Konzessionsdauer erwirkt (vgl. ebd. Lexbrowser-NG). Erst ab diesem Zeitpunkt wurde es für die politische Vertretung im Land möglich, durchgreifende Entscheidungen und Maßnahmen im Elektrizitätsbereich zu tätigen. Diese Abänderungen wurden maßgeblich von der EU- Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie 96/92/EG beeinflusst, die in Italien 1999 durch das Bersani-Dekret7 (Gesetz Nr.79 vom 16. März 1999) implementiert wurde. Dieses Dekret sah eine schrittweise Öffnung für den Wettbewerb in den Energiemärkten vor (unter anderem wurde das ENEL in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und das Stromnetz vom ENEL abgekoppelt und einer eigenen Betreibergesellschaft übergeben). Konkret geht es in der Richtlinie darum, dass staatliche Monopole bei öffentlichen Dienstleistungen abgebaut werden und private Anbieter vermehrt Eingang finden. Die Sonderrechte für Südtirol blieben dabei aber unberührt und die neue Durchführungsbestimmung auf dem Gebiet der Energie brachte für Südtirol weitreichende Befugnisse und in der weiteren Folge auch Vorteile. 2.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen zur nachhaltigen Energiepolitik Bis zum Jahre 1983 tangierte die Umweltpolitik die Energiepolitik Südtirols kaum. Es galt wie überall in Europa das Ziel, eine günstige und sichere Versorgung mit Energie zu garantieren. Erst ab dem Zeitpunkt, als auch auf internationaler Ebene verstärkt nach Maßnahmen aus dem Dilemma der Umwelt- und Klimaschädigungen gesucht wurde, begann man auch in Südtirol erste gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Erkenntnis, dass die Ursachen der Umweltproblematik durch ein Umdenken in der Nutzung der Energieträger zum Tragen kommen können, forderte vom Gesetzgeber eine neue Symbiose zwischen Umweltpolitik und Energiepolitik. 7 Dieses Dekret wurde „Bersani“-Dekret genannt, weil es vom damaligen italienischen Industrieminister Pier Luigi BERSANI zur Verabschiedung eingebracht wurde. 37 Energiepolitik in Südtirol Diese rechtlichen Schritte wurden erstmals im Energiespargesetz Nr. 12 vom 16. Mai 1983 von der Südtiroler Landesregierung verwirklicht. Dieses sah folgendes vor: Energieverbrauches „Bestimmungen und über die zur Nutzung Einschränkung des regenerationsfähiger Energiequellen“. Das Gesetz von 1983 wurde dann durch das Landesgesetz Nr. 11 vom 5. Mai 1987 erweitert und ersetzt, in welchen finanzielle Förderungen für Sonnenenergie und Wasserkraftwerke geregelt wurden. Durch die „Neuen Bestimmungen zur rationellen Energieverwendung, zur Energieeinsparung und zur Nutzung regenerationsfähiger Energiequellen“ im Landesgesetz vom 19. Februar 1993 wurde das Landesgesetz Nr.11 vom 5. Mai 1987 schließlich aufgehoben und um einige wesentliche Punkte erweitert. Ziel dieses Gesetzes ist es, wie im Art. 1 nachzulesen ist: „eine Verbesserung der Energieumwandlungsverfahren, zur Einschränkung des Energieverbrauchs und zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Energienutzung bei gleicher Leistung und gleicher Lebensqualität fördern die Bestimmungen dieses Gesetzes - in Übereinstimmung mit der Energiepolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die rationelle Energieverwendung, die Einschränkung des Energieverbrauchs bei der Herstellung und Verwendung von Produkten, die Nutzung regenerationsfähiger Energiequellen, die Energieeinsparung bei den Produktionsverfahren sowie den raschen Austausch der Anlagen, insbesondere in den energieintensivsten Bereichen, und zwar auch durch die Koordinierung von angewandter Forschung, praktischer Entwicklung und industrieller Fertigung.“ Im Art. 4 werden die Förderungsmaßnahmen angesprochen, die um die geothermische Energie, Hackschnitzelanlagen, Fernheizwerke, Biogasanlagen und Windkraftwerke erweitert wurden. Weiters wurde eine Gleichstellung der regenerationsfähigen Energiequellen mit Wärmekraftkoppelungen8 erwirkt, „sowie die Energie, die bei anderen Verfahren, oder aus anderen Anlagen oder Produkten rückgewonnen werden kann, einschließlich der Energieeinsparung bei der Klimatisierung und bei der Beleuchtung von Gebäuden durch Maßnahmen am Gebäudeäußeren und an den Anlagen“ (vgl. Lexbrowser-NG). 8 d.h. die gekoppelte Erzeugung von elektrischer oder mechanischer Energie und Wärme, die Wärmeenergie, die aus den Abgasen und aus Heizanlagen, aus elektrischen Anlagen und bei Fertigungsverfahren rück gewonnen werden kann 38 Energiepolitik in Südtirol Abb.4 Umweltausgaben der Autonomen Provinz Bozen 2003-2007 und 2008 Quelle: ASTAT 60/2009, 2 Die Umweltausgaben der Autonomen Provinz Bozen zeigen, dass vor allem im Jahre 2008 ein rapider Anstieg (+38,4% gegenüber 2007) beim Einsatz und Förderungen von erneuerbaren Energien stattfand. Dies ist vor allem auf die verstärkten Förderungsmaßnahmen in Bezug auf den 2008 eingeführten Kubaturbonus bei der energetischen Gebäudesanierung und der Aufstockung der Förderungen bei Photovoltaikanlagen zurückzuführen. Diese Förderprogramme sind ein grundlegendes und wichtiges Instrumentarium zur Förderung der Senkung des Energieverbrauchs und der Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen. Die Investitionsförderungen im Bereich der Photovoltaik wurde in Südtirol vorbildlich verstärkt, und das aus gutem Grund. Es ist wichtig die Sonnenenergie vor allem in einer so sonnenreichen Region wie Südtirol zu nutzen. Allerdings liegen die Produktionskosten zurzeit bei ca. 40 Cent je kWh, wobei der Strom im Schnitt um 8 Cent je kWh auf der Strombörse gehandelt wird (EWP 2008, 14). Dies zeigt bereits die große Preisschere, die eine Investition in Photovoltaik eigentlich unrentabel macht. Ohne die 39 Energiepolitik in Südtirol zusätzliche Förderung von Seiten des Landes und des Staates, wären heute nicht 1.117 Anlagen in Betrieb und viele weitere in Planung (vgl. Energieautarker Vinschgau 2009). Vor allem innerhalb des Jahres 2010 wird es noch einen großen Schub an Neuinvestitionen bei den PV-Anlagen geben, weil zum Ende des Jahres hin die gesamtstaatliche Vergünstigung zur Inbetriebnahme samt StromProduktion ausläuft. Vor allem, weil es im Landesklimaplan vorgesehen ist, dass sämtliche Dächer von Landesgebäuden, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen mit PV-Anlagen ausgestattet werden sollten, nützt jetzt auch die Landesregierung die noch vorhandenen günstigen Rahmenbedingungen und reicht 2 Gesamtausmaß von 200.000 m heuer noch Projekte mit einem Fläche und 200 MW Stromleistung ein. „Warum sollen wir als Land diese Begünstigungen nicht nutzen wie die privaten Betreiber auch“, rechtfertigt der Landeshauptmann diese zukunftsträchtigen Investitionen (vgl. Dolomiten 02.02.10, 13). Allerdings sind nicht nur die Förderungen von Anlagen aus EE von Bedeutung, sondern auch die Förderungen der Energieeffizienz und des Energiesparens. Vor allem die nicht verbrauchte Energie gilt es verstärkt zu nutzen. Dieser Meinung ist auch der Südtiroler Landesrat für Energie und Umwelt Michl Laimer, der die Ziele der Südtiroler Energiepolitik wie folgt definiert: 1. 2. 3. 4. Größere Unabhängigkeit von Importen, Versorgungssicherheit, Saubere Energie und dies zu moderaten Preisen „Darüber hinaus wollen wir als längerfristiges Ziel als Land Südtirol CO2 – neutral werden. Der Weg führt dabei über die intelligente Nutzung der Energie (= Energie sparen), die Effizienzsteigerung und die Nutzung der Alternativenergie“ (Laimer, 11.12.09). Im Bereich der Energieeffizienz ist vor allem das Projekt „KlimaHaus“ und die damit beauftragte KlimaHaus-Agentur GmbH, eine 100%ige Landesgesellschaft zu erwähnen. Diese informiert alle Interessierten über energetische Sanierungen, über die finanziellen Hilfen vom Staat, über die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, 40 den vom Land gewährten Energiepolitik in Südtirol traditionellen Beiträge, sowie über die Richtlinien zu den KlimaHausStandards und dem Energieausweis. Dieses Projekt unterstützt vor allem die Nachfrageseite, also die Art und Weise, wie man den Verbrauch senken kann. Dies zeigt, dass man auch das Thema Energieeffizienz mit sehr großem Erfolg auf die energiepolitische Agenda setzen kann. Eine weitere Förderung die das Landesressort für Raumordnung, Energie und Umwelt ausgearbeitet hat, ist der Kubaturbonus. Dieses „Zuckerl“ soll einen Anreiz schaffen, Altbauten energetisch zu sanieren um dadurch eine Kubaturerweiterung als Bonus vom Land dazugeschenkt zu bekommen. Der Kubaturbonus scheidet allerdings die Geister. Vor allem die GRÜNEN sehen darin eher einen Freischein für die „Wildverbauung“ als eine zukunftsorientierte Energieeffizienzmaßnahme. „Aus unserer Sicht, aus der Sicht der Grünen, ist es sehr populistisch, dass man diese Altbausanierungen mit Kubaturbonusse verbindet. Hier steht die Frage allerdings im Raum, wenn ich hier wild verbaue bzw. aufbaue ohne organisches System, ist das natürlich nicht im Sinne einer organischen Raumordnung“ (Interview Kury, 14.12.09). 2.2.3. Die Wasserkraft Wie bereits aus den Zahlen hervor geht, ist die Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung sowohl auf kommunaler Ebene als auch auf Landesebene von unschätzbarem Wert für Südtirol. Die Südtiroler Wasserkraft war bis auf kleinere Ausnahmen jahrzehntelang in den Händen der zentralistisch organisierten Monopolbetriebe ENEL und EDISON und damit die Entscheidungs- und Finanzressourcen außerhalb der Südtiroler Kompetenz. Erst im Zuge der Liberalisierung des Elektrizitätssektors auf europäischer Ebene kam die Kompetenz der Wasserkraftnutzung wieder zurück auf die Provinzebene und durch die Installierung einer landeseigenen Energiegesellschaft, der SEL AG, auch die Möglichkeit eines regionalen Stromproduzenten und Energielieferanten. Die gesetzliche Kompetenz und die Möglichkeit der Führung eines regionalen Energieunternehmens haben sich allerdings als Segen und Fluch zugleich herausgestellt. Die Verabschiedung der Richtlinien zur Liberalisierung und zur Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas brachten die 41 Energiepolitik in Südtirol ausschlaggebende Wende für Italien und sein bisher vertikal organisiertes Energieschema. Die EG- Richtlinie Nr. 92 aus dem Jahre 1996 sah eine Trennung (das so genannte Unbundling) für den Bereich Erzeugung, Betrieb des Übertragungsnetzes und des Verteilernetzes vor, außerdem wurden Grundsätze für den Bereich der Buchführung und der Organisation des Netzzuganges festgelegt (vgl. Gufler 2009, 24). Dies führte zur Zerschlagung des staatlichen Monopols und seiner EVU. Zweck der Richtlinie war es etappenweise mehr Wettbewerb und dadurch auch privaten Energieversorgungsunternehmen (EVU) einen Zugang zu den bis dato monopolistisch gestalteten Energiemärkten zu bringen, um in der Folge mehr Effizienz, günstigere Preise für den Verbraucher und eine gestärkte Wirtschaftsgemeinschaft zu erreichen. Von diesen erhofften Erfolgseffekten ist bis heute leider wenig zu spüren. Das Gegenteil ist der Fall. Die Strom- bzw. Gaspreise sind immer nur gestiegen, wenn man von den kurzfristigen Einbrüchen aufgrund der Wirtschaftskrise einmal absieht. Der Energieexperte Wunderer sieht das Problem vor allem in der Trennung der Kernbereiche Erzeugung und Verteilung. Wenn diese Bereiche getrennt werden und eine Kette von Subjekten geschaffen wird, die vom Erzeuger über den Stromhändler (Trader), dem Netzbetreiber, dem Verteiler bis hin zum Konsumenten reicht, ist es nicht verwunderlich, wenn die Strompreise immer weiter nach oben klettern. Jeder dieser Subjekte will schließlich am Produkt Energie mitverdienen, und der am Ende das Nachsehen hat, ist der Konsument. Diese Problematik greift auch in Südtirol. Zwar müsste der Strom hier zu Lande eigentlich viel günstiger sein als anderswo, wenn Südtirol schon die Möglichkeit genießt die heimische Wasserkraft für sich nutzen zu können, zumal mehr Strom produziert als verbraucht wird und somit keine Importabhängigkeit besteht. Leider ist dem bis zum heutigen Zeitpunkt nicht der Fall, denn trotz Kompetenzverlagerung in Sachen Konzessionsvergabe bei den Großwasserableitungen zugunsten der Provinz und der Errichtung einer eigenen Landesenergiegesellschaft ist der Strom immer noch genauso teuer wie im restlichen Italien (Ausnahme die genossenschaftlich organisierten Energiewerke). 42 Energiepolitik in Südtirol Mit 2010 enden in Südtirol zwölf Konzessionen zur Großwasserableitung des ENEL, eine der Edison und zwei der Etschwerke. Ende Dezember 2009 wurde dann der Spießrutenlauf um die Vergabe der zwölf gewinnträchtigen ENEL Konzessionen beendet. Neun der Zwölf ausgeschriebenen Konzessionen gingen an die SEL AG (93%ige Landesbeteiligung) und damit eine Stromjahresproduktion von 1,2 Mrd. kWh (vgl. Dolomiten 19.01.10, 11). Landesrat Laimer wurde vor Abschluss des Wettbewerbs zur Konzessionsvergabe, nie müde zu wiederholen, dass die Heimholung der Wasserkraft durch die SEL AG auch zu günstigeren Preisen für die Bevölkerung führen wird. Im April 2008 hat sich die SEL mit 60% in laufende EDISON-Konzessionen eingekauft und auch hier fallen nach der Tilgung des Darlehens satte Gewinne für das Land ab. Der Landesrat Laimer rechtfertigt auch diese Investition mit der Möglichkeit, am Ende dem Bürger einen günstigeren Stromtarif anbieten zu können (vgl. Gufler 2009, 161). Die Energieexpertin Kury von den GRÜNEN bewertet diesen Schritt der Kooperation mit den alten Monopolbetrieben als äußerst bedenklich. Sie ist der Meinung, dass die SEL mit ihren Partnerschaftsverträgen mit ENEL und EDISON drauf und dran ist den fremdbestimmten Großgesellschaften für weitere 30 Jahre den Verbleib in Südtirols Stromgeschäft zu garantieren, anstatt sich von ihnen ein für allemal zu lösen (vgl. RAI, 23.04.09). Auch der Experte Wunderer ist der Meinung, dass diese Konzerne unser Land lange genug ausgebeutet haben. „Der Turm in Graun oben ist ein Wahrzeichen dafür, das die Bevölkerung nur gebüßt hat und sich die Anderen währenddessen die Taschen gefüllt haben. (…) Jetzt haben wir hier endlich die Möglichkeit, und das ist das Positive an der Liberalisierung, dass jetzt auch andere an die Systeme herankommen. Das ist positiv, dass Südtirol jetzt endlich die Möglichkeit bekommen hat an die Kraftwerke heranzukommen und dass wir diese Ressourcen nutzen können im Interesse einer bürgernahen und bürgergünstigen Stromversorgung“ (Wunderer, 16.12.09). Die SEL AG steigt dank der Neukonzessionen zielsicher in Richtung größter Stromproduzent Konzessionen Südtirols scheinen auf und sogar die seit der Zusicherung Nordtiroler in der ENEL Vertretung ihrer landeseigenen EVU, TIWAG Interesse an einer mehr als nur strategischen Partnerschaft (die TIWAG ist bei den SEL Tochtergesellschaften SELTRADE 43 Energiepolitik in Südtirol mit 9% und SELGAS mit 40% beteiligt) zu haben. TIWAG-Chef Bruno Wallnöfer gratulierte der SEL und definierte den Stromgewinn der SEL als eine „Weichenstellung Jahrhunderterfolg für von historischer Dimension“, die Südtiroler Wirtschafts-, welche als Energie- ein und Standortpolitik zu werten ist. Auch kündigte er an, dass dies nun eine gute Voraussetzung darstelle, um die Zusammenarbeit von TIWAG und SEL AG auf Augenhöhe weiterzuentwickeln und die schon lange geplante Integration der Netze 11.02.2010). zum beiderseitigen Problematisch Nutzen zeigt sich voranzutreiben allerdings die (vgl. Riedler, Rollenverteilung innerhalb des Südtiroler Strompokers. Das Land ist nämlich nicht nur Zuständig für Vergabe und Ausschreibung von Konzessionen, sondern ist durch die über 90%ige Beteiligung an der SEL zugleich auch Mitbewerber um die Konzessionen. „In einem Fußballspiel würde man von einem evidenten Interessenskonflikt sprechen“ (Dall’O 48/2009, 34-35). Um die Wogen etwas zu glätten hat das Land jetzt den Südtiroler Gemeinden angeboten, 20% der SEL Aktien abzutreten und einen noch unbekannt hohen Teil in Volksaktien an die Bürger auszugeben. Der Bürger fordert indessen billigeren Strom und keine Volksaktien von der SEL, denn die „Volksaktien kommen nur den Reichen zugute“ (Dolomiten 08.01.2010, 14). Zudem machen dem Land nun auch die Konzessionsverlierer Probleme. Sie sind ähnlich wie die Gemeinden nicht sonderlich begeistert vom Land in der Rolle als Verteiler von Konzessionen und Bewerber in Form der SEL AG. Dementsprechend hagelte es Rekurse und im Landesamt für Raumordnung, Energie und Umwelt wurde bereits die Finanzwache vorstellig um sämtliche Dokumente des Wettbewerbs zu konfiszieren und die Rechtmäßigkeit bei der Konzessionsvergabe zu untersuchen (vgl. Dolomiten 30./31.01.10, 15). Die Gier nach der Wasserkraft könnte demnach dem Land noch einige Problem bereiten, denn durch die Rekurse hat nun auch die römische Wettbewerbsbehörde angedeutet, sich näher mit der Vergabe beschäftigen zu wollen, um abzuklären, ob es Absprachen gab oder ob der Wettbewerb vielleicht gar keiner war. „Es besteht die Gefahr, dass alles fliegt. Dann haben alle nichts. Angesichts dieses Szenarios wäre ein außergerichtlicher Vergleich wohl besser“ (Zett 24.01.2010, 2-3). 44 Energiepolitik in Tirol 3. Energiepolitik in Tirol9 Zu Beginn wird die energiegeschichtliche Entwicklung Tirols eingehend untersucht, da sich diese wesentlich von der in Südtirol unterscheidet und vor allem hieraus die bedeutendsten Unterschiede der beiden Regionen und ihrer Energiepolitik zu suchen sind. Im Anschluss daran gilt es den Status Quo der Energieversorgung und Energieproduktion zu analysieren, zudem gilt es die gesetzlichen Rahmenbedingungen aufzuzeigen. Am Ende wird die Wasserkraft als die Hauptenergiequelle eingehend erläutert und ein kritischer Blick auf die regionale Energiepolitik geworfen. 3.1. Energiesituation 3.1.1. Versorgung Durch die gemeinsamen historischen Wurzeln und die geographischen Eigenheiten des einstigen Heiligen Land Tirols, war die Energienutzung bis zur staatsrechtlichen Teilung nach dem Ersten Weltkrieg ähnlich strukturiert. Für die Erwärmung von Wasser und Häusern wurde unter anderem auf die Ressource Holz aus den heimischen Wäldern zurückgegriffen. Allerdings gab es in Tirol im Gegensatz zu Südtirol auch ein geringes Maß an Kohlevorkommen, das vor allem in der Zeit der Armut und des Wideraufbaus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vermehrt gefördert und ausgebeutet wurde. Die vier Kohlebergwerke in Tirol, die heute allerdings alle aus Rentabilitätsgründen geschlossen sind, befanden sich in Nößlach, Häring, Apfeldorf bei St. Johann und Windau. Heute bezieht Tirol seine relativ geringen Mengen an Kohle ausschließlich aus Importen (vgl. Pirker 2008, 58-59). Für die Beleuchtung gab es lange Zeit nur Kerzen und Öllampen. Im Zuge der Elektrifizierung und des Ausbaus der Versorgungsnetze konnte Tirol dank seiner idealen hydromorphologischen Gegebenheiten die Nutzung der heimischen Wasserkraft erfolgreich vorantreiben. 9 Das erste Tiroler Die Bezeichnung Tirol gilt als die politische Einheit des österreichischen Bundeslandes Tirol, welches aus den beiden geographisch geteilten Zonen, Nordtirol und Osttirol bestehen. 45 Energiepolitik in Tirol Elektrizitätswerk wurde im Jahre 1888 in Innsbruck vom Mühlenbesitzer Leopold Rauch in Betrieb genommen. Dieses Kraftwerk war die Basis für die Nutzung und den Ausbau der Tiroler Wasserkraft. 1911 war man dann bereits an der Leistungskapazitätsgrenze der bestehenden Werke angelangt und aufgrund des aufkommenden Kohlemangels wurde der landesweite Ausbau der Elektrizitätswirtschaft in die Wege geleitet. 1924 wurde dann die Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft gegründet, deren grundlegendes Ziel es war, den Ausbau der Wasserkraft zu bewerkstelligen und dadurch die Versorgungssicherheit Tirols zu garantieren (ebd. 3-4). Es gilt also festzuhalten, dass die Nachkriegsjahre am Tiroler Energiemarkt grundsätzlich von Kohle- und Holznachfragen geprägt war. Zwar gab es auch schon einige Elektrizitätswerke, allerdings konnte eine flächendeckende Stromversorgung erst in den 1970er Jahren gewährleistet werden. Nach und nach wurde die Kohle vom Öl abgelöst und die Elektrizität gewann an Bedeutung. Das Öl-Elektrizitäts-Zeitalter als Synonym für den wirtschaftlichen Wohlstand hielt Einzug in Tirol. Erst in den 1980er Jahren, im Zuge der verstärkten Umweltbelastungen und den politischen Maßnahmen zur Anbringung von Filteranlagen, wollte man eine erneute Verschiebung am Energiemarkt erwirken. Seit 1987, ausgehend von Kufstein, wurde eine Erdgasversorgung durch die TIWAG-Tochter TIGAS AG erreicht. Heute besteht eine Versorgungsfläche von Kufstein über Innsbruck bis nach Landeck über das gesamte Inntal. Anhand der Absatzmengen kann die Bedeutung des Ergas am Energiemix Tirols nicht geleugnet werden (ebd. 96-98). Die energiegeschichtliche Entwicklung Tirols zeigt, dass die Versorgung grundsätzlich geprägt ist durch den Einsatz fossiler Energieträger. Zwar besteht die Elektrizitätsversorgung durch den erneuerbaren Rohstoff Wasserkraft, jedoch im Bereich der Wärmeversorgung und der Mobilität spielen Erdöl, Erdgas und Kohle immer noch eine entscheidende Rolle. Dies untermauern auch die folgenden Zahlen. 46 Energiepolitik in Tirol Der Energetische Endverbrauch inkl. Verkehr lag im Jahre 1993 in Tirol noch bei 64.000 Terajoul (TJ) (=17,78 Mrd. kWh). Im Vergleich dazu stieg dieser im Jahr 2005 auf 100.000 TJ (=27,78 Mrd. kWh) an. Das bedeutet eine Steigerung von über 50% am Verbrauch innerhalb von 12 Jahren. Die steigende Tendenz innerhalb der letzen 20 Jahre ist aus Abb. 6 klar ersichtlich. Bei einer Bevölkerungsanzahl von 697.435 Personen am 01.01.2006 bedeutet das einen durchschnittlichen pro Kopf Jahresverbrauch von 398 kWh pro Person im Jahr. Dies liegt in etwa im europäischen Durchschnittsfeld, welches einen Jahresverbrauch von 400 kWh pro Person angibt. Abb.5 Entwicklung Bruttoinlandverbrauch (BIV) (Inländische Erzeugung zzgl. Import abzgl. Export) und Endenergieverbrauch (EE) (BIV abzgl. Umweltverluste) in Tirol von 1988 -2008 in TJ Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 15 Um einen prozentuellen Vergleich machen zu können, wurde von mir der aus dem „Schlussbericht der ARGE ALP“ stammende Energieverbrauch von 2007 herangezogen, der es ermöglicht, die Energiekonsumationen nach Energieträger in % zu erfassen und mit denen Südtirols zu vergleichen (vgl. ARGE ALP 2009). Aus diesen Zahlen geht hervor, dass der Endenergieverbrauch in Nordtirol ähnlich wie in Südtirol gestaffelt ist und dass der Hauptanteil von fossilen Energieträgern gedeckt wird. 47 Energiepolitik in Tirol Abb.6 Energieverbrauch in Tirol nach Energieträgern (2007) 1% 0,5% 5% 6% 4,5% 100% 90% 20% 80% 70% 11% 60% 50% 32% 40% 30% 9% 20% 12% 10% 0% Erdölbrennstoffe Erdgas Diesel Benzin Strom Fernwärme Holz div. Erneuerbare Energien Abfall Kohle Quelle: ARGE ALP 2009, 7 (Eigene Darstellung) Es stammen 65% des Gesamttiroler Energieverbrauchs aus fossilen Energieträgern. Diese Zahl ist beinahe identisch mit jener Südtirols (68%): wovon 12% Erdölbrennstoffe, 9% Erdgas, 32% Diesel, 11% Benzin und 1% Kohle sind. Die Primärenergieträger Erdöl, Erdgas und Kohle werden in erster Linie für den Wärmebedarf in Anspruch genommen und sind mit einem Anteil von 22% und dem zusätzlichen Energieträger „Kohle“, um 16% geringer als in Südtirol. Dies ist vor allem auf den bedeutend geringeren Erdgasanteil in Tirol zurückzuführen. Der Anteil von Mineralölprodukten liegt bei 43%. Dies ist um 13% höher als in Südtirol. Vor allem der Dieselverbrauch schlägt mit beinahe 32% ordentlich zu Tanktourismus Buche. Dieser zurückzuführen erhöhte und Wert auf die ist vor allem Problematik auf den Tirols als Transitland. Der Stromverbrauch entspricht mit 20% genau 1/5 Gesamtenergieverbrauchs und ist damit ähnlich hoch wie in Südtirol. 48 des Energiepolitik in Tirol Die regenerativen Energien schlagen mit 6% Holzanteil und 4,5% diverse EE sehr hoch an. Im Vergleich zum EU-Schnitt von 6% ist das sehr vorbildlich Vor allem die gesteigerte Nachfrage nach Holz/Biomasse bzw. Solarenergie seit dem Jahr 2000 schlagen hier zu Buche. Der Anteil von regenerativen 0,5 Prozent, Energien der zählt, rein sind statistisch die ebenfalls verbrennbaren zu Klär- den und Deponieabfälle. Dieser Prozentsatz ist zwar äußerst gering innerhalb der Energiestatistik, gilt allerdings als sehr umstritten, weil Abfälle keine regenerative Energiequelle darstellen. Ähnlich wie in Südtirol liegt der Anteil an EE mit 10,5% verhältnismäßig hoch, allerdings sind für das Erreichen des EU-Ziels von 20% bis 2020 noch wesentliche Schritte zu verfolgen. Der noch schwierigere Schritt wird allerdings die Erreichung des Zieles von 20% weniger CO2 Emissionen sein, weil die erhöhte Problematik des Tanktourismus hier großen Image- und Werteschaden anrichtet. Dies hat sich auch im Interview mit der Tiroler Umweltsprecherin Maria Scheiber, von der Partei der „Grünen Tirol“ herauskristallisiert. Frau Scheiber meinte dazu: „(…) die Treibhausgasinventuren zeigen uns, dass wir im Spitzenfeld jener Bundesländer liegen, die seit 1990 enorme Steigerungen (Anmerke: der CO2 Emissionen) mit sich gebracht haben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei ca. 11% PLUS; das ist schon traurig, und damit sind wir das Schlusslicht unter den EU-15. In Tirol liegt der Wert aktuell bei 22% PLUS statt 13% MINUS. Hier wird hauptsächlich damit argumentiert, dass man sagt, wir sind ein Transitland und deshalb haben wir einen hohen Tanktourismus. Wir haben einen hohen Tanktourismus. Der ist aber gewollt, weil man den Dieselpreis bei uns wesentlich niedriger hält“ (Scheiber, 07.12.09). Zudem ist der Anteil von Öl-, Gas- und Kohleheizungsanlagen in Tirol enorm hoch. Dies ist ein weiterer Grund für den hohen fossilen Primärenergiebedarf und schlägt in der CO2 Bilanz negativ zu Buche. Folgende Grafik zeigt das ungleich größere Verhältnis von fossilen Energieträgern gegenüber den EE. Wo in Südtirol 2008 schon ein 56% Anteil bei den EE vorzufinden war, liegt dieser Anteil in Tirol lediglich bei 34%. 49 Energiepolitik in Tirol Abb.7 Energiebedarfsdeckung nach EE und fossilen Energieträgern in Tirol 2008 Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 19 Die Tiroler Energieexperten Zingerle und Oblasser aus dem Amt für Wasser, Forst- und Energierecht sind dementsprechend vorsichtig, wenn es um die kurzfristige Erreichung der Energieunabhängigkeit Tirols geht. „Die Formulierung eines Autonomiezieles im Strom- und Wärmebereich macht nur Sinn, wenn das Ziel auch realistisch erscheint. Bis 2020, also in nur zehn Jahren, wird dies keinesfalls möglich sein, wenn man bedenkt, dass in Tirol noch an die 50% aller Heizungsanlagen auf fossiler Basis (Öl, Erdgas) stehen. Es ist zwar als langfristiges Ziel formuliert, den Gebäudebereich ausschließlich auf erneuerbare Energien umzustellen, dies dürfte aber zumindest eine Generationenaufgabe sein“ (Zingerle/Oblasser, 02.01.2010). Um eines der wesentlichen Ziele von Energiepolitik, sprich die Versorgungssicherheit zu gewährleisten ist es unumgänglich sich von Importen weitestgehend zu lösen. In diesem Bereich hat Südtirol bereits viel früher und mit wesentlich mehr Elan politische Maßnahmen gesetzt und kann deshalb auch ein Stück positiver in eine nachhaltige Zukunft blicken, als die Tiroler. 3.1.2. Produktion Die Tiroler Energieproduktion besteht zu 100% aus erneuerbaren Energieträgern, lässt sich aus folgender Tabelle des Tiroler Energiebericht 2009 erkennen. Wenn man die Tabelle genauer analysiert, fällt auf, dass nur knapp 1/3 des Bruttoinlandverbrauchs (BIV) durch die regionale Erzeugung gedeckt sind. Zudem fällt auf, dass innerhalb der letzten 20 50 Energiepolitik in Tirol Jahre in der Erzeugung keine wesentlichen Zuwächse stattgefunden haben. Beim BIV, ist hingegen eine kontinuierliche Steigerungstendenz wahrnehmbar. Wind und Photovoltaik, sowie die brennbaren Abfälle sind innerhalb der Graphik kaum auszumachen, so verschwindend gering ist deren Verbreitung. Die drei wichtigsten erneuerbaren Energieträger sind: die Wasserkraft, die biogenen Brenn- und Treibstoffe, sowie das Brennholz. Auffallend ist die Konstante des Brennholzes, welches sich innerhalb der letzten 20 Jahre nicht wesentlich verändert hat und erst seit den letzten 5 Jahren von den biogenen Brenn- und Treibstoffen übertroffen wurde. Abb.8 Tiroler Energieproduktion Energieträger) von 1988-2008 (=100% erneuerbare Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 16 Wasserkraft Die Wasserkraft ist, genauso wie in Südtirol, die größte und bedeutendste Ressource in Tirol. Es existieren in Tirol insgesamt 865 Kraftwerke, (Stand:28.02.2009) die zusammen an die 5.909 GWh Strom erzeugen. 73% der Leistung kommt aus Kraftwerken mit einem Regelarbeitsvermögen (RAV) über 100 GWh/a; 18% aus Anlagen mit einem RAV zwischen 10 und 100 GWh/a und 9% aus Anlagen mit einem RAV unter 10 GWh/a. (vgl. 51 Energiepolitik in Tirol Tiroler Energiebericht 2009, 36) Von den Großwasserkraftwerken befinden sich 6 Speicher- und 2 Laufkraftwerke im Besitz der Verbund-Austrian Hydro Power AG (es handelt sich hierbei um einen Verbundskonzern). Dieser Bundeskonzern ist der mit Abstand größte österreichische Produzent von Strom aus Wasserkraft und die Speicherkraftwerksgruppe im Zillertal ist die leistungsstärkste Österreichs. Die durchschnittliche Jahresproduktion des Verbund-Kraftwerkspark liegt bei 1.562 GWh (Eigene Berechnung. Homepage Verbund: http://www.verbund.at; Abruf: 10.02.10). Der Strom aus den Verbundskraftwerken wird innerhalb der „Tiroler Energiestrategie 2020“ gesondert angeführt und zwar heißt es dort wörtlich: „Der Erzeugungsanteil der im Bundesland Tirol situierten Wasserkraftwerke der Austrian Hydro Power (AHP AG) beträgt rund 1.600 GWh/a, sodass für die Stromversorgung in Tirol ca. 4.300 GWh zur Verfügung stehen. Für die weiteren Berechnungen des Tiroler Eigenversorgungsanteils wird dieser Wert herangezogen“ (Tiroler Energiestrategie 2020, 24). Somit verbleiben für die Tiroler Stromversorgung 4.300 GWh an Stromleistung. Hierbei handelt es sich anhand der hauptsächlich genutzten Speicherkraftwerke, um hochwertige Spitzen- und Regelenergie, welche im thermohydraulischem Verbund im europäischen Netz gegen die zur Landesversorgung notwendige Grundlast getauscht wird. 75% des Tiroler Stromverbrauchs wird aus Wasserkraft gedeckt und lediglich 4% stammen aus Blockkraftwerken auf Gasbasis, Biomasse-Heizkraftwerken, Biogasanlagen oder Photovoltaik (vgl. ebd. 22-24). Aufgrund der Verbrauchsquote von 5.657 GWh bei den Tiroler Kunden und einem sonstigen Verbrauch z.B. durch Netzverluste oder Pumpstrom von 882 GWh, ergeben sich ein Gesamtverbrauch von 6.538 GWh und ein Importsaldo von 2.238 GWh. Jeder Tiroler verbraucht im Durchschnitt 8.111 kWh Strom im Jahr. Die Umweltsprecherin der Tiroler GRÜNEN, Frau Scheiber, äußerte sich kritisch zur Statistikverarbeitung der Tiroler Strombilanz und sieht in dieser Auswertung eine Rechtfertigung für Importe. Wörtlich meinte sie dazu: 52 Energiepolitik in Tirol „(…) politisch wird immer von Energie gesprochen, aber gemeint ist nur Wasserkraft, sprich Strom. Da haben wir folgende Eigenartigkeit innerhalb der Tiroler Energiebilanz, man kann auch Strombilanz sagen, die im Jahrbuch der Tiroler Landesregierung veröffentlicht ist und für jeden zugänglich ist. Wenn man sich das mal anschaut, dann stellt man fest, dass in Tirol immer noch mehr Strom produziert wird als verbraucht, wenn man mal von den reinen Verbräuchen ausgeht. Die TIWAG wollte uns über Jahre glauben lassen, dass wir so und so viel importieren müssen. Damit wurde die öffentliche Meinung, nach dem Motto „Jetzt gehen die Lichter aus“, so quasi vorgeben. Indem sie einfach diese Kraftwerke, die im Zillertal stehen und dem Verbund gehören, nicht in die Tiroler Produktion einrechnen und das geht ja auch nicht. Ich kann nicht sagen Tiroler Strom und es dann aber einem Unternehmen anlasten“ (Scheiber, 07.12.2009). Folgende Darstellung zeigt die Verteilung des Regelarbeitsvermögens (RAV) nach Betreibern anhand des Wasserkraftkatasters vom 28.02.2009. Nimmt man die Betreiber der AUSTRIA HYDRO POWER AG (AHP) und der ÖSTERREICHISCHEN BUNDESBAHN AG (ÖBB) zusammen, dann fehlen fast 1/3 der Tiroler Stromproduktion. Dazu folgende Erklärung in der Fußnote: Das „Regelarbeitsvermögen (RAV) in Höhe von etwa 2.000 TWh/a steht der Landesversorgung in Tirol nicht zur Verfügung (Anlagen der AHP und ÖBB werden außerhalb von Tirol betrieben)“. Abb.9 Anteile Regelarbeitsvermögen (RAV) nach Betreibern 28.02.2009 Quelle: Tiroler Energiebericht 2009, 37 Seit dem Jahr 2004 kamen von Seiten der Tiroler Landesregierung, in Kooperation mit dem Landesenergieversorger TIWAG neue Pläne zum Ausbau der Wasserkraft und in dessen Folge eine Projektierung von 4 (ursprünglich handelte es sich um 16!10) neuen Großwasserkraftwerken auf den Tisch. Diese Entscheidung spaltet seitdem die Geister in Tirol. Die 10 Siehe dazu: Meinhart, 22.06.06 53 Energiepolitik in Tirol politische Entscheidungsebene, sprich die Mehrheitspartei ÖVP und ihr operativer Arm, die TIWAG, befürworten den Ausbau. Einerseits, weil es laut Studien ein 50%iges Potenzial auszuschöpfen gilt, welches zur Versorgungssicherheit Tirols beitragen soll. Andererseits weil auch von Seiten der EU schließlich Bestrebungen zum Ausbau der EE stattfinden und man argumentiert damit, dass die heimische Wasserkraft sowohl CO2 emissionsfrei ist Argumentation und wollen die die Importabhängigkeit Interessensverbände verringert. von Dieser Umweltschützern, Hoteliers und Anrainergemeinden allerdings nicht Folge Leisten. Sie sehen eine Bedrohung in der Verbauung der ungetrübten Tiroler Naturlandschaft für den Tourismus und die Umwelt. Die Fronten haben sich verhärtet und einer der tragenden Figuren im Kampf gegen den Ausbau der Wasserkraft ist Markus Wilhelm. Er ist Publizist und Bauer und lebt in einer der Anrainergemeinden im Ötztal. In seiner Stellungnahme kritisiert Wilhelm die Tiroler Energiepolitik als reine Kraftwerkspolitik: „Eine Energiepolitik findet in Tirol seit vielen Jahren nicht statt. Es gibt seit 2004 lediglich wieder Kraftwerkspolitik in Fortschreibung der Megaprojekte der 70er und 80er Jahre“ (Wilhelm, 07.12.2009). Holz und Biomasse In den Jahren 2004 - 2006 wurden jährlich ca. 260.000 Festmeter Holz (Brennholz inkl. Waldhackgut) aus den Wäldern für energetische Zwecke eingesetzt. Das bedeutet eine Steigerung um 16 % gegenüber den letzten 10 Jahren. Aktuell werden etwa 20 % der Tiroler Haushalte vorwiegend mit Holz beheizt. Die im Bereich der Sägeindustrie vorhandenen Sägenebenprodukte umfassen in Summe knapp 5 Mio. Schüttraummeter Hackgut, Sägespäne und Rinde. Dies entspricht einer Holzmenge von rund 1,75 Mio. Tonnen. In Tirol werden durchschnittlich an die 180.000 Tonnen Pellets (=gepresstes Holzgranulat für spezielle Heizanlagen) im Jahr produziert. Der Jahresverbrauch in den Kleinanlagen lag im Winter 2005/2006 bei ca. 20.000 Tonnen Pellets. Der Zuwachs vom Jahr 2004 auf 2005 betrug 5.000 Tonnen (vgl. Tiroler Energiestrategie 2020 2007, 25-26). 54 Energiepolitik in Tirol Erst im Zuge der Umsetzung des 1. Ökostromgesetzes 2003 begann man vereinzelt auf Kraftwerke mit erneuerbaren Energieträgern wie Biomasse oder Biogas umzuschwenken. Das erklärt auch die Zahl von 0 Anlagen im Jahr 2002. Erst im Jahre 2004 wurden die ersten Anlagen errichtet und 2008 gab es bereits über 50 Biomassekraftwerke (Pirker 2008, 86). Die Biomasseheizwerke produzieren mittels Kraft-Wärme-Kopplung zumeist Fernwärme, aber auch Energieproduktionsstätten Strom. sind Die Betreiber hauptsächlich die dieser lokalen Lokalkörperschaften, sprich die Gemeinden. Der überwiegende Teil der Brennstoffmenge für die Biomasse-Fernwärmeanlagen sowie Kraftwärmekoppelungsanlagen wird die durch Biomasse- Sägerestholz der Holzverarbeitungsindustrie bereitgestellt. Biogas-, Deponie- und Klärgasanlagen Unter Biogas versteht man ein Gasgemisch, welches prinzipiell aus Substraten der Landwirtschaft wie Stroh, Gras oder tierischer Gülle, sowie organischen Abfällen aus Küchen gewonnen wird. Diese Substrate werden in den Anlagen unter Vakuum und mit Hilfe von Bioorganismen zu Biogas umgewandelt. Das Biogas wird mittels Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Nah- und Fernwärmezentralen genutzt und wird den Haushalten via Netz als Wärme oder Strom geliefert. 18 Anlagen waren 2006 in Tirol in Betrieb und erzeugten zusammen 2,77 MW (=3,44 GWh). Ähnlich verhält es sich mit den Deponie- und Klärgasanlagen, nur dass hier die organischen Abfälle vom Menschen stammen. Laut Tiroler Energiestrategie 2020, gab es 2006 lediglich 13 Anlagen, mit einer Leistung von 5,1 MW (=7,56 GWh) (vgl. Tiroler Energiestrategie 2020 2007, 24). Thermische Solaranlagen und Photovoltaik In Tirol sind vor allem solarthermische Anlagen zur Erwärmung des Brauchwassers sehr beliebt. Bereits seit Mitte der 70er Jahren begann man aufgrund der Ölpreissteigerungen und der Ölkrise verstärkt nach einer alternativen Möglichkeit zur Energiegewinnung zu suchen. Die erste Solaranlage Österreichs entstand unter der wissenschaftlichen Betreuung von Mitarbeitern der Universität Innsbruck in Tirol. Trotz der anfänglich sehr 55 Energiepolitik in Tirol hohen Kosten für das Serienmodell gelang es, vor allem durch die Fördermaßnahmen von Seiten der Landesregierung nach und nach diese Alternative am heimischen Energiemarkt zu etablieren. Vergleicht man die installierten Solarkollektorflächen in Tirol im Jahre 1992, betrug diese damals 27.000 m2. Im Jahr 2007 betrug sie bereits 383.000 m2 und der Tiroler Energiebericht gab für das Jahr 2009 das Erreichen der 400.000 m2 Marke an. Damit verbunden ist eine Produktionsleistung von 160 GWh pro Jahr und ca. 0.60 m2 installierte Kollektorfläche pro Tiroler Einwohner (vgl. Tiroler Energiebericht 2009, 45). Ebenso verhält es sich mit den Neuinstallationen von Flach- und 11 Vakuumröhren-Kollektoren im Jahr 2007 . Hier liegt Tirol mit 26% an erster Stelle im Vergleich zu den restlichen Bundesländern Österreichs. Abb.10 Neu installierte Flach- und VakuumröhrenKollektoren in den Bundesländern 2007 40% 20% 26% 22% 14% 14% 8%6% 5% 2%3% 0% Tirol Niederösterreich Steiermark Salzburg Wien Kärnten Oberösterreich Burgenland Vorarlberg Quelle: BVIT 2008, 15 Allerdings kann die thermische Solaranlage nur als Zusatzalternativen, in Kooperation mit einer anderen Wärmeversorgungsquelle gesehen werden, weil sie sehr stark Witterungsabhängig ist und die Wärmeleistung je nach Sonnenintensität variiert. 11 Letzte durchgeführte Erhebung auf Bundesebene durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie 56 Energiepolitik in Tirol Der Photovoltaikmarkt hingegen „steckt noch nicht einmal in den Kinderschuhen, sondern im Mutterleib“ (Salzburger 08/2008, 66). Das Problem ist hier die Ökostromregelung, welche eine Deckelung bei PVAnlagen bei 200 kW/peak vorsieht und damit die Realisierung von Großanlagen bis auf weiteres nicht ermöglicht. Diese Regelung hemmt die Expansionsentwicklungen auf dem österreichischen und somit auch auf dem Tiroler Energiemarkt enorm. Allerdings besteht eine klare Aufwärtstendenz bei der Anbringung von Neuanlagen bis 100 kW. Dies auch vor allem durch die Förderungen des Landes Tirol ausgehend vom Ökostromgesetz. Im Jahre 2003 gab es in Tirol noch keine einzige PV-Anlage. 2004 gingen allerdings bereits die ersten 40 Anlangen in Betrieb, mit einer Leistung von 0,31 MW Leistung. Bis zum Jahre 2008 ist eine deutliche Steigerung in Zahlen und Leistung zu verzeichnen und zwar existieren zu diesem Zeitpunkt 203 PV-Anlagen mit einer Leistung von 1,22 MW. Bezieht man diese Daten auf die gesamte Inländische Energieerzeugung aus EE, welche in Tirol ca. 10.000 GWh beträgt, ist das leider nur ein marginaler Anteil von 0,01% (vgl. Tiroler Energiebericht 2009, 30; 51). Laut der Tiroler Energiestrategie 2020 ist der Anteil an elektrischer Energie aus Ökostromanlagen verschwindend gering und zwar heißt es wörtlich: „Insgesamt wurden im Jahr 2005 in Tirol ca. 4 % (=198,7 GWh) des Bedarfs an elektrischer Energie aus Ökostromanlagen nach Ökostromgesetz erzeugt. Der Großteil wird dabei in Biomassekraftwärmekoppelungsanlagen, ein geringerer Teil über Biogas-, Deponie- und Klärgasanlagen gewonnen. Fotovoltaikanlagen spielen noch eine geringe Rolle.“ (Tiroler Energiestrategie 2020 2007, 24) Umgebungswärme Zur Nutzung der Umgebungswärme muss im Haus eine Wärmepumpe installiert werden, welche einer Wärmequelle (dem Erdreich, Grundwasser oder der Luft) seine Wärme entzieht und diese in Nutzwärme für den Haushalt umwandelt. Die häufigste Nutzung von Umgebungswärme findet in Tirol durch die oberflächennahe Geothermie statt. Hier wird entweder das Grundwasser, mit Hilfe von Tiefenbohrungen genutzt oder es wird durch das Errichten von 57 Energiepolitik in Tirol Grabenkollektoren die Erdwärme für die Raumwärmeerzeugung, Klimatisierung und Warmwasserbereitung nutzbar gemacht. In der Tiroler Energiestrategie 2020 wird hierbei von signifikanten Steigerungen seit dem Jahr 2005 gesprochen. Konkrete Zahlen werden allerdings nicht angegeben (vgl. „Tiroler Energiestrategie 2020“ 2007, 28). Zur genaueren Zahlenanalyse wollte ich den Tiroler Energiebericht heranziehen. Laut diesem liegen für Tirol allerdings keine vollständigen Erhebungen und Darstellungen dazu vor. Dies gilt ebenfalls für den Bestand und Leistungen der Anlagen, welche Grundwasser bzw. Erdwärme nutzen (vgl. Tiroler Energiebericht 2009, 44). 3.2. Die Rahmenbedingungen Da Tirol als Bundesland sehr stark durch die politischen Rahmenbedingungen von „oben“, sprich von der nationalen Ebene her, geprägt ist, gilt es in diesem Kapitel sowohl die wichtigen Maßnahmen der Republik als auch die Maßnahmen vom Bund zu durchleuchten. Zudem wird der Schwerpunkt auf die Elektrizitätswirtschaft gelegt, weil die politischen Maßnahmen schwerpunktmäßig auf diesen Bereich gerichtet sind und vor allem die Wasserkraft als die wichtigste und wirtschaftlich am meisten genutzte Energieerzeugungsart Tirols darstellt. 3.2.1. Zur Entwicklung der grundlegenden Rahmenbedingungen Ähnlich wie in Italien war auch in Österreich der Energiesektor stark von staatlichen Eingriffen geprägt. Die Rahmenbedingungen für die Organisation und Gestaltung der österreichischen Energiewirtschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden durch die beiden Verstaatlichungsgesetze BGBl. 168/1946 und 81/1947 festgelegt. Art. 1 des BGBl. Nr. 168 sieht vor, „Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gehen die Anteilsrechte an den in der Anlage genannten Gesellschaften und die dort angeführten Unternehmungen und Betriebe in das Eigentum der Republik Österreich über“. 58 Energiepolitik in Tirol Die Elektrizitätsversorgung ging damit 1947 bis auf wenige private Kleinversorger (3%) auf die öffentliche Hand über. In Verhandlungen kam man zum Entschluss, die verstaatlichten Gesellschaften in Form einer privatwirtschaftlichen Konstruktion zu führen d.h. sie in eine Aktiengesellschaft oder in eine GmbH zu wandeln. Diese Umwandlung sieht Art. 3 des BGBl. Nr.168 vor und zwar heißt es dort: „Durch Verordnung kann bestimmt werden, dass die in der Anlage angeführten Unternehmungen und Betriebe statt auf den Staat in das Eigentum staatseigener Gesellschaften übergehen“ (BGBl 168/1946). Im zweiten Verstaatlichungsgesetz, welches explizit die Verstaatlichung der Elektrizitätswirtschaft behandelt, geht es vor allem um die neu zu errichtenden Landes-, Verbunds- und Sondergesellschaften. Die Aufgabe der Landesgesellschaften ist es laut Art. 3 „die Allgemeinversorgung mit elektrischer Energie im Bereich der einzelnen Bundesländer (Landesversorgung) durchzuführen, die Verbundwirtschaft im Landesgebiet zu besorgen und Energie mit benachbarten Gesellschaften auszutauschen“ (BGBl 81/1947). Eine dieser neun Landesgesellschaften, welche im Art.3 Absatz 2 unter dem Punkt f) konstruiert wurde, ist die Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft für das Bundesland Tirol. Der Staat konnte nach der Verstaatlichung die energiepolitischen Zielsetzungen vorgeben und die gemeinwirtschaftliche Ausführung durch seine Vertreter in den Aufsichtsräten kontrollieren. Dieses Vorgehen hatte allerdings auch seine Schattenseiten und so kam es in den staatlichen Gesellschaften zur Installation von „Arenen für die Durchsetzung von parteipolitischen und sozialpartnerschaftlich fundierten Partikularinteressen auf Kosten von volkswirtschaftlichen und energiepolitisch sinnvollen Zielsetzungen“ (Winkler-Rieder 1991, 569). Diese enge Verwobenheit zwischen politischen Interessen in den landeseigenen EVU hat sich bis in die heutige Zeit spürbar festgehalten. Allerdings hat sich dieses Verhältnis mittlerweile verändert. Waren es zur Zeit der Verstaatlichung die politischen Interessen, die durch die EVU 59 Energiepolitik in Tirol durchgesetzt wurden, sind es heute immer öfter wirtschaftliche Interessen, die von den EVU gegen die politischen Interessen instrumentalisiert werden. Dies bringt Frau Scheiber von den GRÜNEN auf den Punkt, wenn sie sagt: „Ich sehe eines der größten Probleme in der Tiroler Energiepolitik, in diesem Interessenskonflikt, indem der Aufsichtsratvorsitzende immer derselbe war, der auch gleichzeitig Energiereferent ist. Derzeit haben wir diese Positionen gespalten, das begrüße ich einerseits sehr, aber andererseits geschieht trotzdem nicht viel. (…) Man weiß nicht, schafft jetzt gerade die TIWAG oder schafft die Regierung. Der Landtag ist es auf jeden Fall nicht – leider“ (Interview Scheiber, 07.12.09). Ähnlich wie in Italien Binnenmarktrichtlinie brachte 96/92/EG auch erstmals in Österreich wieder Schwung die EU- in den Strommarkt der Alpenrepublik. In nationales Recht umgewandelt mittels dem Elekrizitätswirtschafts- 143/1998 und in und –organistationsgesetz Landesgesetz umgelegt durch (ELWOG) das Nr. Tiroler Elektrizitätsgesetz 2003 (kurz: TEG LGBl. Nr. 88/2003 vom 10.09.2003), wurden folgende Ziele vorgeschrieben: • Der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft kostengünstige Elektrizität in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen • Eine Marktorganisation für die Elektrizitätswirtschaft gemäß dem EU- Primärrecht und den Grundsätzen des Elektrizitätsbinnenmarktes gemäß der Richtlinie 96/92/EG vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt zu schaffen • Den hohen Anteil erneuerbarer Energien in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft weiter zu erhöhen • Einen Ausgleich Allgemeininteresse für zu gemeinwirtschaftliche schaffen, die den Verpflichtungen im Elektrizitätsunternehmen auferlegt wurden und die sich auf die Sicherheit, einschließlich der Versorgungssicherheit, die Regelmäßigkeit, die Qualität und den Preis der Lieferungen sowie auf den Umweltschutz beziehen (ELWOG 143/1998 1. Teil Art.3) Ziel Nummer 3 der europäischen Richtlinie ist vor allem deshalb maßgeblich für diese Arbeit, weil es durch die Regelung auf europäischer Ebene den Ausbau der erneuerbaren Energien hin zu einer nachhaltigen nationalen bzw. regionalen Energiepolitik zu fördern versucht. 60 Energiepolitik in Tirol Österreich hat sich international zu zwei klimapolitischen Zielsetzungen verpflichtet und zwar durch das Kyoto-Protokoll und das Unterzeichnen des EU Klima-Paket 2020 will man ein nachhaltiges Energie- und Gesellschaftssystem fördern. In diesem Sinne ist Österreich verpflichtet, bis 2020 eine Treibhausgasemissionsminderung von 16% (bezogen auf 2005, ohne Emissionshandel) und einen Anteil erneuerbarer Energie von 34% am Endenergieverbrauch zu erreichen. Zwar besitzt Österreich zurzeit bereits einen entscheidend hohen Anteil an EE, (deshalb auch die Erwähnung, dass der Anteil weiter erhöht werden soll) beim Inlandstromverbrauch (lag bei ca. 70% im Jahr 2004 und soll bis 2010 auf 78,1% gesteigert werden). Dieser Anteil wird zum größten Teil von Wasserkraft gedeckt, weil vor allem in den alpinen Bundesländern das Potential reichlich vorhanden ist. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass von namhaften Experten immer wieder zu einem ausgeglichenen Energiemix bei den EE geraten wird, um eine Energieautonomie auf der Basis von Erneuerbaren auch langfristig realisieren zu können. Auch Eva Glawischnig und Oliver Korschil sehen in ihrem Artikel im Österreichischen Jahrbuch für Politik 2004 nur eine einzige Lösung für die Loslösung von den fossilen Energieträgern und den daraus resultierenden Konsequenzen: „Die einzig langfristige nachhaltige Strategie, eine Energie-, Umwelt- und Weltwirtschaftskrise abzuwenden, ist die Forcierung von Erneuerbaren Energien und das Ausschöpfen der großen Energieeffizienzpotenziale“ (Glawischnig/Korschil 2004, 408). Aus dieser europäischen Zielsetzung heraus zur Förderung von EE zur Elektrizitätsversorgung mussten zu dessen Umsetzung in Österreich einige zusätzliche rechtliche Rahmenbedingungen verabschiedet werden. Eine dieser wichtigsten Reglementierungen finden wir im Österreichischen Ökostromgesetz BGBl. I Nr. 149/2002 und seinen jährlichen Novellierungen wieder. Dieses sah zu Beginn für Ökostrom ohne Wasserkraft ein Mindestziel von 4% bis 2008 vor. Das ist zu wenig, um die 78,1% Hürde für 2010 zu erreichen, waren sich damals schon die GRÜNEN sicher und forderten einen 61 Energiepolitik in Tirol Mindestanteil von 10% an Ökostromanlagen und einen langfristig garantierten Einspeisetarif (vgl. ebd. 411). Diese Befürchtung scheint sich mittlerweile bewahrheitet zu haben, denn der Anteil an EE am Inlandstromverbrauch lag 2008 nur bei lediglich 72,1%. Auch der Anteil von EE am Primärenergieverbrauch mit 26,6% im Jahr 2008 ist zwar nicht schlecht und hat sich von 2006 auch um 1,2% erhöht, aber auch hier gilt es sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen, sonder weiterhin verstärkt Fördermaßnahmen zu setzen, um das 34% Ziel nicht nur zu erreichen, sondern seine Ressourcenvorteile voll auszuschöpfen. 3.2.2. Ziele und Förderungsmaßnahmen für eine nachhaltige Energiepolitik Der Handlungsbedarf in Richtung nachhaltige Energiepolitik und Ausbau der EE wurden in Österreich mittels Impulse von Außen, sprich durch Rechtsvorgaben der internationalen und europäischen Ebene gesetzt. Auf internationaler Ebene war es vor allem das „Rahmenübereinkommen der UNO über Klimaänderungen“ 1994 und das Kyoto-Protokoll von 1997, die hier einen klimarelevanten und in dessen Folge einen energiepolitischen Schwenk vorsahen. Auf europäischer Ebene wurde durch die Elektrizitätsbinnenmarktlinie von 1996 erstmals maßgeblich Einfluss auf die Energiepolitik der Mitgliedsstaaten genommen. Durch die Umsetzung eines Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas wurden der immense Bedarf Europas und die zunehmende Abhängigkeit von politisch instabilen Lieferstaaten immer augenscheinlicher. Dies bewegte die EU-Kommission in zahlreichen Weißund Grünbüchern, Strategien für eine nachhaltigere und unabhängigere Energiepolitik auf der Grundlage von EE zu errichten und den Mitgliedsstaaten mit bindenden Reduktions- bzw. Aufbauzielen einen Schubs in die richtige Richtung Gemeinschaftspolitik fand zu seinen verleihen. jüngsten Diese zukunftsorientierte Gipfel im „Klima- und Energiepaket“, welches sich aus verschiedensten Richtlinien zusammensetzt und unter anderem sich zum Ziel gesetzt hat, 20% der Emissionen zu 62 Energiepolitik in Tirol reduzieren, 20% des Primärenergieverbrauchs aus EE zu beziehen und 20% des Energieverbrauchs zu reduzieren. Die Tiroler Ziele für eine ausgewogene und nachhaltige Energiepolitik, auf der Grundlage der internationalen, europäischen und nationalstaatlichen Regelungen finden sich in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ wieder. Diese wurde vom Amt der Tiroler Landesregierung im Jahre 2007 herausgegeben und beinhaltet vier essentielle Ziele, welche die Grundlage der Tiroler Energiepolitik darstellen: • Sichere und eigenständige Versorgung • Beitrag zum Klima- und Umweltschutz • Förderung des Wirtschaftsstandort Tirols • Einsparung Diese Ziele sind nach dem Schema der drei Hauptziele der EU konzipiert, welche ein Gleichgewicht zwischen Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit erzielen möchten. Die Tiroler Energieexperten Zingerle und Oblasser sehen in der Konzeption zwischen den Bereichen Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung, ein Spannungsverhältnis, welches Aufgabe der Politik ist in Balance zu bringen. Ein wesentliches Merkmal der Tiroler Energiepolitik ist auch eine dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Selbstbestimmung. Allerdings sind die Reglementierungen von Seiten der EU so groß, dass lediglich in begrenztem Maße noch Einflussnahmen von regionaler Seite möglich ist. (vgl. Zingerle/Oblasser, 02.01.2010) Eine maßgebliche erneuerbaren wichtigsten Einflussnahme Quellen bilden Förderungsmittel zur Aufstockung politische auf der Förderungsmittel. Bundesebene wurde Energie aus Eines der durch das Ökostromgesetz von 2006 eingeführt. Dieses trat im Juli 2006 in Kraft und sah eine Einspeisevergütung für Strom aus Ökostromanlagen vor. Insgesamt wurde für den Ökostrom ein Kontingent von 17 Mio. Euro an Finanzmittel für das Jahr 2007 gewährt. 10% davon waren für die PVAnlagen reserviert. Die Bundesländer hatten eine Co-Finanzierungspflicht, 63 Energiepolitik in Tirol was bedeutet, dass sie noch einmal 50% der Bundesförderung durch eine Landesförderung beisteuern mussten. Die Unterstützung wurde für 10 Jahre ab Inbetriebnahme der Anlage festgesetzt und mit einer degressiven Hilfeleistung für weitere 3 Jahre versehen. Zusätzlich wurden die EVU verpflichtet den Strom aus den PV-Anlagen für weitere 13 Jahre abzunehmen. Einige Bundesländer, unter anderem Oberösterreich und Vorarlberg, denen innerhalb Österreichs eine Vorreiterrolle im Bereich der EE zukommt, boten Investitionsunterstützung bzw. bieten an (vgl. zusätzlich auch Homepage legal.eu/suche-nach-laendern/osterreich; Abruf noch DBUNR: am: eine http://res- 15.12.09). Tirol allerdings nicht. Seit der zweiten Ökostromgesetznovelle 2008 war keine Beteiligung mehr vom Land vorgesehen. Eine Förderung über den Einspeisetarif erfolgte dann nur mehr für Anlagen, die größer als 5 kW/peak waren. Für Anlagen unter 5 kW/peak konnte allenfalls beim Klima- und Energiefonds der Bundesregierung ein Antrag für eine Investitionsförderung gestellt werden. Diese schlechten Rahmenbedingungen brachten zahlreiche kritische Stimmen auf den Plan. Es wurde seit 2006 jedes Ökostromgesetz wieder und wieder novelliert, allerdings sind vor allem die Oppositionsparteien wie die GRÜNEN oder die Interessensverbände der Photovoltaikanbieter bzw. Biomasseverbände nicht ganz zufrieden mit der österreichischen Rechtsregelung. Sie fordern vielmehr ein Ökostromgesetz nach deutschem Vorbild, das sowohl einen 1:1 Einspeisetarif vorsieht ohne einer „Deckelung“ (in Österreich ist nur eine gewisse Einspeisungsmenge an Strom aus EE vorgesehen, der Rest wird nicht zugelassen). Zudem hat die Verteilung der erneuerbaren Energieträger immer eine andere Gewichtung (vgl. Scheiber, 07.12.09). Die Einspeisetarife sind nach den jeweiligen Energieträgern gestaffelt und sehen für Strom aus Wasserkraft einen anderen Tarif als z.B. für die Photovoltaik vor. Diese Verschiebung innerhalb der EE kann einen ausgeglichen Energiemix, wie er für eine unabhängige Energieversorgung notwendig wäre, verhindern. Jede Energieerzeugungsform sollte aufs höchste Maß gefördert werden, um nicht eine Wasserkraftlastigkeit zu verursachen. Diese Punkte gehörten laut Scheiber auf die politische Agenda 64 Energiepolitik in Tirol der Bundesregierung und müssten verstärkt diskutiert werden, um auch eine Homogenisierung innerhalb der Bundesländer voran zu treiben, denn schlussendlich gibt es keine Einheitlichen Einspeisetarife für alle Bundesländer. Im Bereich der PV-Anlagen unter 5kw/peak sieht das jüngste Ökostromgesetz keinerlei Einspeisevergütung mehr vor. Dies hat die Tiroler Landesregierung in Kooperation mit der landeseigenen TIWAG, der Energie West GmbH und der EWR AG zum Anlass genommen, die Überschusseinspeisung von Photovoltaikstrom in ihr Netz mit 15 cent/kWh zu fördern. Das ist das Zweieinhalbfache des Tiroler Energiepreises, der bei ca. 6 cent/kWh. Strom liegt. Die Förderungen im Bereich der dezentralen Energieversorgung, wie sie von kleineren Stadtwerken und Genossenschaften betrieben werden, stehen nach Meinung des Experten Mainusch von den Stadtwerken Schwaz nicht sonderlich gut. „Mit Ausnahme der Biomasseheizanlagen sehe ich keine Förderungen im Hinblick auf eine dezentrale Energieversorgung. Aus der Sicht der Unabhängigkeit von der Erdölwirtschaft würde ich die Fernwärmeanlagen auch als Teil einer dezentralen Versorgungsstruktur sehen, denn auch diese werden gefördert. Für alle übrigen Formen der erneuerbaren Energieträger Rahmenbedingung. Von gibt es keine nennenswerten vorteilhafte Förderungen gesetzliche für die Kleinwasserkraft sind wir sowieso weit entfernt. Bei der Photovoltaik passiert auch nicht viel, wobei der Beitrag derselben zum gesamten Stromverbrauch ohnehin lange noch im Bereich der Wahrnehmungsgrenze sein wird“ (Mainusch, 22.01.2010). Auch wenn es im Bereich der dezentralen Energieversorgung nicht besonders rosig aussieht, so halten die Energieexperten des Landes Tirol für den Bereich der privaten und wirtschaftlichen Energieversorgung mit zahlreichen Programmen und Maßnahmen dagegen. Vor allem durch das Projekt „Gebäudesanierungen“, das mit 01.04.2009 gestartet wurde, will man den Energieverbrauch durch effizientes energetisches Sanieren von 65 Energiepolitik in Tirol Altbauten unterstützen. Darüber hinaus gibt es umfassende Informationsund Förderungsprogramme wie z.B. richtiges Dämmen, Niedrigenergie- und Passivhaus, Solaranlagenförderung (für thermische Wasseraufbereitung), Solaranlagen zur Biomasseheizungsförderungen, Pelletkaminöfenförderung, Richtige Gerätetauschprogramme, Straßenbeleuchtung, Wärmepumpenförderung usw. (vgl. Zingerle/Oblasser, 02.01.2010). Die Tiroler Zukunftsstiftung ist die Standortagentur des Landes Tirol und hat den Auftrag, den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Tirol nachhaltig zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Dabei konzentriert sich die Tiroler Zukunftsstiftung auf die Stärkefelder in Tirol, also auch auf den Bereich der erneuerbaren Energien. Auch der Verein „Energie Tirol“ leistet hier einen besonderen Beitrag zur Aufklärung über die Vorteile der Nutzung von EE und die vom Land Tirol gestellten Förderungen für energetische Sanierungsarbeiten bzw. Energiesparen und Energieeffizienzmaßnahmen. Ein weiteres Element, das von der Tiroler Landesregierung installiert wurde, ist das Programm „Tiroler Energie Monitoring“, das eine Evaluierung der gebotenen Maßnahmen und Programme, durch den Energiebeauftragten Herrn Oblasser bieten soll (vgl. ebd.). Alle diese Maßnahmen und die Erstellung der Tiroler Energiestrategie 2020 und den Tiroler Energiebericht 2009 zeigen deutlich, dass der Wille zur Verfolgung der gesetzten Ziele da ist. Ein Problem könnte die fehlende Zielsetzung in Zahlen sein. Wenn man nach Oberösterreich schaue, da heißt es: „Wir wollen bis zum Jahr x, soviel % von Öl, Gas usw. reduzieren. Also nachmessbare Zahlen. Die fehlen in der Energiestrategie“ (Scheiber, 07.12.09). Weiters scheint es auch Probleme bei der Umsetzung von geeigneten Fördermaßnahmen auf Bundesebene zu geben. Durch die starke Reglementierung von Seiten der EU und von Seiten der Bundesregierung hält sich der Gestaltungsspielraum auf Landesebene eher in Grenzen. Dies sollte von der Landespolitik allerdings nicht als Ausrede hergenommen werden, um keine verbindlichen Ziele setzen zu müssen. Tirol hätte 66 Energiepolitik in Tirol durchaus das Potential sich in Sachen Energiemix aus EE zu den Vorreiterbundesländern Vorarlberg und Oberösterreich zu gesellen. 3.2.3. Wasserkraft Die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Wasserbenutzungsrechte liegt in Österreich allein auf Bundesebene. Der Vollzug hingegen erfolgt auf Landesebene und zwar sind in Tirol im Wesentlichen folgende drei Instanzen zuständig. • die Bezirksverwaltungsbehörde • die Wasserrechtsbehörde (Landeshauptmann) • die Dienststelle der Wasserwirtschaft Um ein Kraftwerk zur Elektrizitätsnutzung erstellen zu dürfen ist das so genannte Wasserrechtsverfahren anzustreben. Dabei ist ein Ansuchen beim Bundesministerium Wasserwirtschaft für Land- und einzureichen. Forstwirtschaft, Die Umwelt Bundeszuständigkeit und gilt hier ausnahmslos, unabhängig von der Wassermenge. Die Verfahren werden je nach Größe des Projektes im Instanzenzug unterschiedlich angesiedelt. (Bezirksverwaltungsbehörde, Land, Ministerium). Reichen die Unterlagen für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens aus, so wird eine mündliche Verhandlung unter Miteinbeziehung aller vom Vorhaben betroffenen Personen und der erforderlichen Sachverständigen durchgeführt. Stellt sich dabei heraus, dass alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, so kann die wasserrechtliche Bewilligung eventuell unter Vorschreibung von Auflagen erteilt werden. Die zugesprochene Bewilligung berechtigt den Bewilligungsinhaber bei Einhaltung bestimmter Auflagen, Fristen und Bedingungen zum Bau der genehmigten Anlagen und beinhaltet bei Wasserbenutzungsanlagen das so genannte Wasserrecht. bestimmten Dieses Wassermenge Wasserkraftwerksanlagen Recht aus (vgl. ist einem etwa die Gewässer Homepage „Das Entnahme z.B. Land einer für die Tirol“: http://www.tirol.gv.at/bezirke/allgemein/umwelt/wr00/; Abruf:05.01.10). Die gesetzliche Grundlage für die Wassernutzung schlägt sich im Wasserrechtsgesetz von 1959 idF. BGBl. I Nr. 82/2003 nieder. Interessant 67 Energiepolitik in Tirol ist hierbei der Art.18 „Ausnutzung der Wasserkräfte durch das Land“. Die gesetzliche Kompetenz für die Vergabe von Wassernutzungsrechten zur Produktion von Elektrizität liegt zwar beim Bundesministerium, allerdings kann das Land einen Anspruch auf die Eigennutzung der Wasserkraft erheben. So heißt es im 2. Abschnitt „Die Wasserrechtsbehörde hat von jedem Ansuchen um Bewilligung zur Errichtung oder Erweiterung einer Wasserkraftanlage oder zur Weiterbenutzung einer bestehenden Wasserkraftanlage den Landeshauptmann (…) zu verständigen. Binnen zwei Monaten vom Tage des Einlangens der Verständigung kann der Wasserrechtsbehörde die Erklärung abgegeben werden, dass die Wasserkraft für das Land in Anspruch genommen wird“ (Art. 18 WRG 1959). Maria Schreiber von den GRÜNEN sieht die Vergabe der Wassernutzungsrechte äußerst kritisch. Es gibt hier keinen Wettbewerb, sondern jeder, der ein ordnungsgemäßes Ansuchen erstellt und hierbei die ökologisch und ökonomisch angemessene Nutzung bestätigt, kann eine Wassernutzungsberechtigung erhalten. Die Vergabe erfolgt anhand der willkürlichen Entscheidungsgewalt der Behörde. „Das Wasserrecht wird vom zuständigen Bundesministerium im Zuge der jeweiligen Wasserrechtsverhandlung zugesprochen. Hier gibt es so was wie eine grundsätzliche Verpflichtung, dem Ansuchenden dieses Recht zu gewähren, so nicht gröbere Versagungsgründe dagegen sprechen. Also ziemlich vereinfacht gesagt, die Beweislast liegt völlig bei den Behörden“ (Scheiber, 07.12.2009). Die willkürliche Verteilung von Wassernutzungsrechten durch das Bundesministerium wird zwar von Parteien wie den GRÜNEN bzw. von Umweltverbänden kritisiert, allerdings findet die Thematik der Vergabe dieses Rechtes nicht näher Eingang in das politische und mediale Tagesgeschehen Tirols. Kritik kam erst auf, als im Jahr 2004 von der TIWAG, dem landeseigenen Energiebetrieb, der Optionenbericht zum weiteren Ausbau der Tiroler Wasserkraft vorgelegt wurde. Dieser Bericht, der unter anderem den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal, die Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz und den Neubau der beiden Speicherkraftwerke Malfontal und Matrei i. O. vorsieht, erhitzte die Gemüter der Oppositionspartei der GRÜNEN und der Interessensverbände, allerdings nicht der Mehrheitspartei. Die ÖVP-SPÖ Regierung befürwortete den 68 Energiepolitik in Tirol Masterplan für neue Kraftwerksprojekte der TIWAG und stimmte in der Sitzung vom 27. Juni 2006 einstimmig für den Ausbau der heimischen Wasserkraft und der Realisierung der oben genannten vier Projekten. Am 6. Juli 2006 wurden die Ausbaupläne dann im Tiroler Landtag abgestimmt und zwar mit 31 von 36 Ja-Stimmen. Begründet wurde die Entscheidung für die Initiative zum Ausbau der Tiroler Wasserkraft vor allem: • durch die für das Jahr 2020 prognostizierten fehlenden 100.000 Megawatt Leistung im Europa der 15 (Basis ist das Jahr 2003), • um die Reduktion der klimawirksamen Gase durch die Kyoto Verpflichtungen zu erreichen, • den Blackouts in der Stromversorgung wie sie 2003 in mehreren europäischen Staaten stattfanden vorzubeugen, • und um die Selbstversorgung der Tiroler mit heimischer elektrischer Energie aus Wasserkraft zu erreichen (vgl. Erlacher 2005, 98). Weiters gebe es laut TIWAG und einiger in Auftrag gegebener Studien, (Pyöry-Studie 2008, Schillerstudie 1982 und EKT Bericht 1993) ein 50%iges Ausbaupotential bei der Wasserkraft, dass unbedingt zumindest teilweise erschlossen werden muss, um durch den stetig steigenden Stromkonsum und die daraus resultierende Verkappung nicht ein Verfügbarkeits- und Preisrisiko einzugehen. energiewirtschaftliche Dieser sowie die Schritt hilft infrastruktur- „dem und Land die standortpolitische Handlungsfreiheit abzusichern und zu stärken“ (TIWAG 2006, 8). Allerdings wurde die Rechnung hier ohne den Wirt gemacht und lautstarke Proteste von Seiten des Alpenvereins und einer Gruppe von Kraftwerksgegnern, die unter dem Namen "Tiroler Initiative wir alle gemeinsam" agiert, wurden getätigt. Der Frontmann im Kampf gegen den Ausbau der Tiroler Wasserkraft ist Markus Wilhelm. Bauer im Ötztal und Publizist. Seit der Bekanntgabe der Ausbaupläne hat Wilhelm auf seiner Internetseite „www.dietiwag.org“ begonnen, massiv Informationen über die TIWAG und ihre Pläne zu sammeln und zu publizieren, um auf die, wie er sagt „völlig verfehlte und veraltete Firmenstrategie der TIWAG aufmerksam zu machen.“ (Wilhelm, 07.12.09) Außerdem ging es ihm darum eine Plattform zu schaffen, auf welcher öffentlich die Ausbauprojekte diskutiert 69 Energiepolitik in Tirol werden können, so zu sagen als Gegenpool zur Desinformation der TIWAG (vgl. Leonhard, 20.01.05). Auch von Seiten der GRÜNEN kommt es zu Protesten. Sie sehen die Zustimmung der Regierung und des Landtages zum Masterplan der TIWAG als eine Vorgabe von drei Illusionen, womit versucht wird von den wahren Problemen und wichtigen Lösungsansätzen abzulenken. Illusion eins versucht zu vermitteln, dass durch eine vermehrte Stromproduktion der Erdgas und –ölverbrauch substituiert werden kann. „Da müsste Tirol drei bis viermal soviel Bäche und Flüsse zur Verfügung haben als wir tatsächlich haben“ (Scheiber, http://tirol.gruene.at/energie/artikel/lesen/45759/. Abruf: 15.01.10). Illusion zwei will vermitteln, dass durch den Bau neuer Wasserkraftwerke auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das ist vielleicht langfristig gesehen richtig, wäre allerdings durch verstärkte Effizienzmaßnahmen von Seiten der Regierung schneller und günstiger zu realisieren. Illusion drei kritisiert die Imagekampagne für die Wasserkraft. Diese ist nicht neu sondern wird gebetsmühlenartig immer und immer wieder von der Regierung vorgebracht. Die GRÜNEN schlagen hier vor, doch alternativ einmal einen „Masterplan effizienter Beschneiungsanlagen“ zu präsentieren. Kritisch betrachten die GRÜNEN den Ausbau der Wasserkraft vor allem, weil dieser geradezu eine „Einladung an alle europäischen Energiekonzerne darstellt, sich so schnell wie möglich auch einen Teil Tirols zu sichern.“ Um dies zu vermeiden appellieren die GRÜNEN an die Regierung, verstärkt Maßnahmen im Bereich der Energieeinsparung zu setzen, um dadurch eine intelligentere Nutzung der Energieträger zu bewirken. Dies bringe für Tirol mehr Vorteile; unter anderem die Schaffung regionaler Arbeitsplätze, einen Beitrag zum Klimaschutz, geringere Energiekosten und dadurch mehr Geld für die Bürger und den Erhalt einer intakten Tiroler Naturlandschaft (vgl. Scheiber, 07.12.09). Die Tiroler Energiepolitik wird nach Meinung der GRÜNEN zu Wasserkraftlastig betrieben und die Alternativen wie z.B. verstärkt die Wärmeversorgung durch Erneuerbare zu decken wird zumeist außen vor 70 Energiepolitik in Tirol gelassen. „Immer, wenn die Probleme der Energiepolitik auf den Tisch kommen, die ganz anders sind als die vom Strom, automatisch nur „Wasserkraft“ zu sagen, erinnert mich an die Diskussion um den BBT. Man hat auch da nicht wirklich Lösungen erarbeitet, man hat nicht wirklich engagiert Ziele verfolgt über Jahrzehnte, sondern man ist immer beim System geblieben wie es ist. Das sind die großen Probleme der politischen Tiroler Landschaft, Treibhausgasproblem der BBT und lösen die Wasserkraft, sollen“ 71 (vgl. die unser ebd.). Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung 4. Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Sowohl in Südtirol als auch in Tirol finden wir im Bereich der Energieversorgung ein ähnliches Versorgungsszenario. Aus den beiden Gesamtenergiebilanzen ist klar ersichtlich, dass der größte Anteil (ca. 65%) am Verbrauch durch fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas gedeckt wird. Davon wird in Tirol ca. die Hälfte für die Wärmeproduktion und die andere Hälfte für den Verbrauch durch die Treibstoffe des Verkehrs benötigt. In Südtirol beträgt der Treibstoffanteil 1/3 an den fossilen Energieträgern und 2/3 werden für die Wärmeproduktion verwendet. Von Seiten des Landes werden verstärkt Maßnahmen gesetzt, im Bereich der Wärme auf Erneuerbare Energien auszuweichen, um einerseits unabhängig von den Energieimporten zu werden und andererseits, um den CO2 Emissionswert zu senken. Man verfolgt sogar das ehrgeizige Ziel bis zum Jahre 2020 im Bereich von Strom und Wärme energieautonom zu werden. Diese Strategie ist vor allem positiv in Anbetracht der europäischen Klimaund Energieziele und der internationalen Abkommen für den Klimaschutz. Allerdings wäre in beiden Regionen, aber vor allem in Tirol, wo der Emissionswert wesentlich höher ist, den Anteil am Energieverbrauch beim Verkehr dringend abzubauen, da dieser dazu beiträgt, dass ein erhöhter CO2 Ausstoß produziert wird. Dies könnte in der Folge dazu führen, dass die von der EU vorgegebenen Reduktionsziele bis 2020 nicht eingehalten werden und es zu Sanktionsstrafen kommen könnte. In diesem Bereich gibt es zwar Bestrebungen wie z.B. die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene durch den Bau des Brenner-Basis-Tunnels oder das innovative Wasserstoffprojekt H2, dass eine Versorgung mit Wasserstofftankstellen entlang der Brennerachse vorsieht, allerdings scheinen effektive Maßnahmen bis dato noch keine realisiert worden zu sein. Hinderlich ist auch die Tiroler Preispolitik beim Treibstoff, die einen Tanktourismus gerade zu anbietet. Sowohl in Südtirol als auch in Tirol ist der Energieverbrauch, ähnlich wie im restlichen Europa, in den letzen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen (mit Ausnahme der Einbrüche durch die wirtschaftliche Rezession). Dies führt zu 72 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung einer enormen Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern, die zumeist aus politisch unsicheren Krisenregionen des Nahen Ostens stammen. Dies gefährdet wiederum die Versorgungssicherheit, einen der Grundpfeiler der europäischen einzuläuten, Energiepolitik. der auf einen Hier gilt es Energiemix aus einen Paradigmenwechsel regionalen erneuerbaren Energien setzt um nicht nur die Importabhängigkeit zu reduzieren, sondern um dadurch erfolgreicher, die ehrgeizigen Klima- und Energieziele der EU umsetzen zu können. Im Bereich der Energieproduktion durch Wasserkraft haben Südtirol und Tirol ähnliche hydromorphologische Vorraussetzungen. Südtirol gilt allerdings als Nettoexporteur und Tirol als Importland von Strom, wobei der Import eher aufgrund vom Tauschgeschäft Spitzenstrom gegen Regelstrom stattfindet. Südtirol gilt als Vorreiterregion in Sachen Energiemix aus Erneuerbarer Energien. Dies wurde sogar von Seiten des EU- Energiekommissars Andris Piebalg honoriert, indem er bei seinem letzen Besuch, Südtirol als „eine der meist entwickelten Regionen Europas im Bereich der Energieeffizienz und Erneuerbarer Energien“ bezeichnete (Homepage Landespresseamt: http://wai.provinz.bz.it/lpa/news/detail_d.asp?artc_id=303250; Abruf:10.09.09). Es wurden zahlreiche Biomasse- und Biogasanlagen errichtet, welche sowohl dem Bauern einen Nebenerwerb als „Energiewirt“ bringen und nebenbei einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz bzw. zur Emissionsverringerung darstellen. Tirol besitzt für die Biomasse und Biogasproduktion ideale Ressourcenbedingungen, allerdings wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen erst in den letzten Jahren eingeführt bzw. schrittweise verbessert. Deshalb befindet sich der Anlagenbau erst in der Anfangsphase. Allerdings versucht man auch hier verstärkt Maßnahmen zu treffen, da die Synergie zwischen Biogasanlagen und Landwirtschaft als erfolgsversprechendes Zukunftsmodell auch für Tirol gesehen wird. Im Bereich der Sonnenenergie hält Tirol die Spitzenreiterposition im Bereich der Solarthermie auf Bundesebene. Dies wurde bereits seit längerem vom Land gefördert, was zur Folge hat, dass diese Energieform verstärkt 73 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Anwendung bei der breiten Bevölkerung findet. Allerdings gilt die Solarthermie eher als Zusatzenergie, weil sie durch ihre Wetterabhängigkeit nicht konstant nutzbar ist. Die Photovoltaik nimmt in Tirol noch eine sehr geringe Rolle ein. Dies ist vor allem wegen der noch nicht ausgereiften rechtlichen Rahmenbedingungen der Fall. Es fehlen Investitionsförderungen und auch ein einheitlicher Einspeisetarif für ganz Österreich, um einen Anreiz für den Bau und den Betrieb einer solchen Anlage zu schaffen. Durch verstärkte Fördermaßnahmen gäbe es in diesem Bereich noch ein enormes Ausbaupotential. Auch in Südtirol finden sich seit den 80er Jahren viele Solaranlagen zur Warmwasseraufbereitung. Durch die gezielten Förderungsmaßnahmen von Seiten des Landes und vom Staat kam es vor allem in den letzten fünf Jahren zur vermehrten Errichtung von PV Anlagen, wobei Südtirol hier mittlerweile eine Spitzenposition in Italien einnimmt. Die Geothermie spielt in beiden Regionen noch eine untergeordnete Rolle, könnte durch gezielte Investitionsförderungen jedoch bedeutend gesteigert werden. Experten sehen hier ein Erdwärme konstant vorhanden hohes und nicht Zukunftspotential, weil die den Wetterschwankungen ausgesetzt ist; durch eine gezielte Investitionsförderung könnte ein Anreiz zum verstärkten Anlagenbau geschaffen werden. Das Projekt H2- Wasserstoff, das vom Land Südtirol Unterstützung findet, sollte auch in Tirol umgesetzt werden, weil beide Regionen an der Brennerachse liegen und die flächendeckende Versorgung durch Wasserstofftankstellen ein wesentlicher Grund dafür wäre, dem Autofahrer einen Umstieg auf diese emissionsfreie Verkehrstechnik schmackhaft zu machen. Ein Umdenken im Bereich der erneuerbaren Treibstofftechnik, ist allerdings beim Verbraucher noch nicht ausreichend vorhanden. Hier gilt es in Zukunft durch verstärkte politische Maßnahmen einen Paradigmenwechsel einzuläuten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Südtirol und Tirol sind einerseits geprägt durch internationale Abkommen wie dem Kyoto-Protokoll und andererseits von den Richtlinien und Gesetzen der EU. Durch die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes im Bereich Elektrizität und Gas wurde der zuvor monopolistisch betriebene Elektrizitätssektor geöffnet und den Gesetzen des freien Liberalisierungstendenzen Marktes hatten unterworfen. für Südtirol 74 zur Die europäischen Folge, dass die Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Gesetzgebungsgewalt im Energiesektor zum größten Teil von der Staatsebene auf Landesebene überging und dies eine Weichenstellung für den Aufbau einer eigenen Energiepolitik bedeutete. In Tirol haben ebenfalls zahlreiche EU-Richtlinien in die regionale Gesetzgebung Eingang gefunden. Die tief greifenden Veränderungen kamen hier vor allem durch die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes und den Richtlinien zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Tiroler Politik sieht hier ein Potential in der Schaffung einer Synergie zwischen dem verstärkten Ausbau der Tiroler Wasserkraft und dem Elektrizitätsproduktion Strombörse und Erreichen bedeutet dadurch der europäischen mehr natürlich Macht mehr auf Geld Klimaziele. der für die Mehr europäischen landeseigene Energiegesellschaft TIWAG und dem Land Tirol. Der positive Nebeneffekt soll die Reduktion der CO2 Emissionen durch die erneuerbare Energie Wasserkraft darstellen, allerdings wäre ein Energiemix vor allem für den Bereich Wärme für Tirol erstrebenswerter, um die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern zu mindern. Die rechtlichen Rahmenbedingungen von staatlicher Seite her sind für Südtirol weniger wichtig geworden, weil die Verstärkung der regionalen Kompetenzen der Provinz mehr Spielraum zulässt. Tirol ist hingegen stark durch die zentralistische Bundesgesetzgebung geprägt und diese stellt vor allem im Bereich des Ökostromgesetzes eher Hemmschuh als Weichenstellung dar. Die Bundesrepublik Österreich wird von kritischen Lobbyisten immer wieder aufgefordert, sich im Bereich der Erneuerbaren Energien dem deutschen Rechtsrahmen zu nähern. Dies wäre vor allem günstig, weil Österreich durchaus das Ressourcenpotential für einen Ausbau des Energiemix auf Basis der Erneuerbaren hätte und dadurch die Kyoto- bzw. die EUKlimaziele erreichen könnte. Es scheint hier vor allem noch der Einfluss der Energiewirtschaft als Hemmschuh zu wirken und auch der Wille, sich mit energieideologischen Politiken zu befassen, scheint in Österreich noch keinen breiten Anklang auf der politischen Entscheidungsebene gefunden zu haben. Trotz Ausbaufähigkeit in der Bundesgesetzgebung hätte Tirol dennoch die Möglichkeit, mehr auf Landesebene zu erreichen, wenn nicht auch hier der Fokus zu sehr auf den Bereich Ausbau der Wasserkraft gesetzt würde. Die innerstaatlichen Vorbilder wie Steiermark, Oberösterreich und 75 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Vorarlberg zeigen, dass es durchaus möglich ist eine Energiepolitik pro Erneuerbare zu führen, wenn der Wille da ist. Auch Tirol hätte das Ressourcenpotential zu den Spitzenreitern in Sachen Energiemix aus Erneuerbaren Energieträgern aufzusteigen, wenn der Fokus von der Wasserkraft hin zu einem ausgeglichenen Energiemix verlagert würde. Grundsätzlich müssten die Rahmenbedingungen auf Bundesstaatlicher- und auf Landesebene besser ausgelotet werden, um den so wichtigen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik erfolgsversprechend einzuleiten. Vor allem die TIWAG als landeseigener Betrieb könnte hier als Instrumentarium der Politik fungieren und ihren weitreichenden Einfluss nutzen, um den Energiemix durch ein verstärktes Arbeiten mit Energieideologien zu fördern (vgl. Mainusch, 22.01.10). Die Wasserkraft als zentrale Erneuerbare Energie in Südtirol und Tirol trägt enormes Konfliktpotential in sich. In Tirol sind es die Projekte zum verstärkten Ausbau der Wasserkraft, die die Wogen bei Bevölkerung, Umweltorganisationen und privaten Aktivisten hoch gehen lassen. In Südtirol stellt die Konzessionsvergabe der Großwasserableitungen einen Interessenskonflikt zwischen Land, den EVU und Privaten dar. Hier besteht die Gefahr, die gewonnen Kompetenzen eventuell wieder zu verlieren, falls hier von europäischer Ebene ein Handlungsbedarf wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsgesetz gesehen wird. Die Wasserkraft als wichtigste erneuerbare Ressource Fremdbeherrschung in im Energiemix friedlichem sollte Einklang nach und Jahrzehnten unter der respektvoller Nutzung, der Südtiroler Energieakteuren organisiert werden. Der Kampf um die Vormachtstellung innerhalb der Ressourcenverteilung ist also sowohl in Tirol als auch in Südtirol Hauptthema im energiepolitischen Diskurs. Vor allem der Zielkonflikt zwischen Umweltorganisationen, Oppositionsparteien, Energiewirtschaft und Endverbraucher stellt hier eine Problematik in den Raum, die es vor allem zum Schutze der einzigartigen alpinen Landschaft und der Umwelt zu lösen gilt. Ein Raubbau bzw. eine Übernutzung der natürlichen Gewässer kann hier nicht Ziel führend sein und muss vor allem durch Maßnahmen der politischen Eliten verhindert werden. Die These, die im Zuge des 1. Teils dieser Arbeit aufgestellt wurde, kann grundsätzlich verifiziert werden. Es hat sich herausgestellt, dass die 76 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Energieressourcen in ähnlicher Form vorhanden sind, jedoch durch die historische Teilung Tirols unterschiedliche politische Realitäten geschaffen wurden und die Energiepolitik und die dazugehörigen Rahmenbedingungen, nicht nach demselben Schema betrieben wurden und werden. Verstärkt harmonisierend wirken in den letzten Jahren vor allem die Rahmenbedingungen, welche von der EU geschaffen wurden, allerdings findet hier noch keine einheitliche Umsetzung statt, weil die EU im Bereich der Energiepolitik keine primäre Zuständigkeit genießt. Die äußeren Umstände, wie die große Bedeutung der Bundesgesetzgebung für Tirol und die Verschiebung der energiepolitischen Kompetenzen vom Staat auf die Provinzebene haben dazu geführt, dass Südtirol die günstigeren gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen Paradigmenwechsel schaffen konnte und diese Möglichkeit auch frühzeitig zu nutzen wusste. Dank der verschiedensten innovativen Maßnahmen und Förderungen von Seiten der Politik und der Verwaltung kommt Südtirol heute bereits eine Vorreiterrolle bei der Nutzung der erneuerbaren Energien zu. Tirol ist einerseits vor allem durch die Bundesgesetzgebung gehemmter, weil das staatliche Ökostromgesetz noch keine ausgereiften Förderungsansätze beinhaltet, und andererseits fehlte bis jetzt auch der Wille, sich mit energieideologischen Themen auseinanderzusetzen. Dies zeigt vor allem auch der Bundesländervergleich, welcher anderen Bundesländern die Vorreiterrolle bei der Integration von Erneuerbaren Energieträgern zuweist. Es ist wichtig, dass Tirol den Paradigmenwechsel so schnell wie möglich umsetzt, weil „in der Umstellung des Energiesystems besteht die große Chance für das 21. Jahrhundert auf ein weiteres Wirtschaftswachstum, so wie im letzten Jahrhundert die Idee des Wohlfahrtsstaates und der Umweltschutz die großen Treiber waren“ (Mainusch, 77 22.01.10). Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG II. Analyse und Vergleich der landeseigenen Energiegesellschaften 5. Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG Das Tiroler Energieunternehmen Tiroler Wasserkraftwerke AG kann bereits auf einige Jahrzehnte anhaltende Unternehmensgeschichte zurückblicken, im Gegensatz zum Südtiroler Unternehmen, Südtiroler Elektrizitätsaktiengesellschaft. Gegründet wurde die TIWAG nämlich in den Zwischenkriegsjahren, und zwar am 1. April 1924. Die SEL AG hingegen kann gerade einmal auf ein Jahrzehnt Unternehmenstätigkeit zurückblicken. Dies vor allem deshalb, weil es durch den italienischen Rechtsrahmen bzw. die Aufrechterhaltung des Staatsmonopols, lange Zeit zu keiner Gründung eines Landesenergieunternehmens kam. Trotz dieser unterschiedlich langen Unternehmenstätigkeit scheint es dennoch interessant zu sein, die beiden EVU zu vergleichen, weil sie vor allem durch ihren hohen politischen Stellenwert auf Provinz bzw. Landesebene eine besondere energiepolitische Rolle spielen. 5.1. Die TIWAG Der Achensee und Elektrizitätsgewinnung, die waren mit ihm maßgeblich verbundenen für die Pläne Entscheidung zur der Stadtgemeinde Innsbruck diese, ihre zuvor erworbenen Rechte, in einer eigenen Energiegesellschaft einzubringen. Dies erachtete man als notwendig, weil es für den Ausbau finanzkräftige Partner zu beteiligen galt, um sowohl das Risiko zu mindern als auch eine termingerechte Ausführung der Pläne zu garantieren. So kam es dazu, dass der Innsbrucker Gemeinderatsbeschluss vom Dezember 1923, am 31. März 1924 durch die Gründung der Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft (TIWAG) vollzogen wurde. Die Finanzgruppe die sich neben der Stadt Innsbruck beteiligte, bestand aus einigen einflussreichen Kreditinstituten wie der 78 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG Allgemeinen österreichischen Boden-Credit-Anstalt, der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, der Bank für elektrische Unternehmen in Zürich und der Tiroler Landesbank AG. Die restlichen Aktien wurden zur freihändigen Zeichnung an andere Interessenten ausgegeben. Die Mehrheit der Aktien und damit auch die mehrheitliche Entscheidungsgewalt, mit einem 2/5tel Anteil, ging an die Stadt Innsbruck, 1/5tel Anteil an die Finanzgruppe und die restlichen 2/5tel wurden durch die anderen Interessenten gesplittert. Der Gründungsvertrag sah vor, dass die Stadtgemeinde Innsbruck den gesamten Besitz am Achensee, inklusive sämtlicher Bewilligungen und Konzessionen am Bau des Achenseewerks an die neue Gesellschaft übertrug, sich jedoch die Option offen lies, dies alles nach 60 Jahren ab der ersten Stromlieferung, wiederum kostenlos von der TIWAG zurückfordern zu können (vgl. Alexander 2007, 246-247). Der Zweck der Gesellschaft sollte der „Ausbau der Tiroler Wasserkräfte und zwar in erster Linie des Achenseewerkes“ (Alexander 2007, 248) darstellen. Es wurden Reglementierungen festgelegt, indem der „Ausbau des Werkes abschnittsweise nach Maßgabe des sich einstellenden Bedarfes erfolgen sollte und die schrittweise Angliederung anderer Werke vorbehalten wurde“ (ebd.). Diesem Zweck ist die TIWAG bis zum heutigen Zeitpunkt immer wieder nachgekommen, jedoch gilt der Ausbau der Wasserkraft heute von vielen Seiten als umstrittener Interessenskonflikt, an dessen Maßgabe von Seiten der Umweltverbände und Standortgemeinden stark gezweifelt wird. Zum Gründungszeitpunkt allerdings, galten die Pläne der TIWAG als „zukunftsweisendes energiewirtschaftliches Vorhaben, das den Weitblick der Stadt Innsbruck und der beteiligten Bankenvertreter“ deutlich zum Ausdruck brachte. Der TIWAG ist es schließlich auch zu verdanken, dass die Sicherstellung der Stromversorgung für ganz Tirol zu Stande gekommen ist. War die Stromversorgung bis dato eher auf ein lokales Gebiet beschränkt, so wurde es dank des Ausbaus der Wasserkraft und des Leitungsnetzes erst möglich, eine flächendeckende Stromversorgung durch die Anbindung aller Verteiler, unter effizienten Bedingungen zu garantieren. Am 1. April 1924 wurde der Gründungsvertrag der TIWAG einstimmig im Innsbrucker Gemeinderat beschlossen, worauf am 12. Juni die erste 79 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG Generalversammlung statt fand und der damalige Innsbrucker Bürgermeister Dr. Anton Eder zum Präsidenten ernannt wurde. Diese Personalgestaltung war vor allem deshalb eingetreten, weil die Aktienanteile der TIWAG zu diesem Zeitpunkt bis zum Jahre 1938 zu 49% der Stadt Innsbruck, zu 44% der Finanzgruppe, 5% im freien Umlauf waren und 1,9% dem Land Tirol gehörten. Das Gründungskapital betrug 10 Mrd. Kronen und wurde im Zeitverlauf ständig aufgestockt bzw. durch Darlehen und Anleihen belastet. Der Zeitraum zwischen der Gründung der TIWAG 1924 und dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 war geprägt vom Ausbau des Achenseeewerkes und dessen Fertigstellung, sowie der anschließenden Suche nach langfristigen Großabnehmern, damit der Ausbau finanzierbar wurde. Nachdem hierfür eine strikte Absage aus Wien kam, versuchte man mit den bayrischen Nachbarn ins Geschäft zu kommen. Es kam auch alsbald zu einem Vorvertrag zwischen der TIWAG und der Bayernwerke AG, der allerdings kurzfristig in Gefahr geriet, weil man in der Oberpfalz neue Braunkohlevorkommen entdeckte. Dem damaligen Ministerpräsident Held wurde jedoch die politische Notwendigkeit einer tiroler-bayrischen Zusammenarbeit bei der Elektrizitätswirtschaft bewusst, weil er vor allem eine Zusammenarbeit mit Italien verhindern wollte. Auch für die TIWAG stellte diese Verbindung nicht nur eine finanzielle, sondern vor allem auch eine politische Komponente dar, die vor allem für die politische Zukunft von herausragender Bedeutung sein sollte. Dies war dem damaligen TIWAGPräsidenten bereits klar, als er sagte: „Die zur Erfüllung der Vereinbarung mit Bayern erforderliche Hochspannungsleitung über die historische Porta Claudia (Scharnitz) schließt das Achenseekraftwerk und damit die Tiroler Energiewirtschaft an das große deutsche Absatzgebiet an, eine Tatsache, die nicht nur vom Standpunkt der Energiewirtschaft, sondern auch deshalb aufs lebhafteste zu begrüßen ist, weil sie die Verwirklichung des praktischen Anschlusses an das Deutsche Reich auf einem wichtigen Wirtschaftsgebiet bedeutet“ (Alexander 2007, 253). Diese Verbindung kann als „die erste große zwischenstaatliche Verbundswirtschaft in Mitteleuropa“ gesehen werden (ebd., 254). Die allerdings nicht ganz ohne Krisen auskam. 1933 kam es zum ersten 80 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG Knackpunkt in den tiroler-bayrischen Beziehungen. Durch das Verbot der NSDAP im Juni 1933 kam es von Seiten der deutschen Politik erstmals wieder zu einer Ablehnungshaltung gegenüber den Österreichern bzw. im speziellen gegen die Tiroler. Diese Haltung bewirkte einen Richtungswechsel innerhalb der deutschen Energiepolitik. Die politischen Vertreter wollten eine relativ große Unabhängigkeit von ausländischen Energieimporten bewirken und setzten verstärkt auf den Ausbau der heimischen Kohlevorkommen. In dieser Phase wurde den Tirolern erstmals um ihre Abhängigkeit von den politischen Bedingungen der deutschen Nachbarn bewusst. Eine wichtige Etappe in der TIWAG Unternehmensgeschichte stellte die Übernahme der insolventen Zillertaler Kraftwerke Aktiengesellschaft dar. Dieses Unternehmen, das im Zillertal das Kraftwerk Bösdornau errichtet hatte, war durch die verschärften wirtschaftlichen Bedingungen in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Absatzproblemen in Bedrängnis geraten. So kam es Mitte des Jahres 1934 zu einer Übernahme durch die TIWAG. Diese hatte dadurch nicht nur die Möglichkeit ihren langfristigen Lieferverträgen mit den Bayernwerken bzw. den österreichischen Staatsbahnen nachzukommen, sondern es gestaltete sich auch erstmals die Möglichkeit durch die übernommenen Netzleitungen, als Direktversorger für Tarifabnehmer aufzutreten. Zu den bestehenden und übernommenen Netzen kamen in diesem Zeitraum auch noch einige 25 KV-Leitungen hinzu, die gemeinhin als die „Landes-Sammelschiene“ bekannt waren. Dies hatte zur Folge, dass sich eine Vielzahl an Gemeinden und industrieller Großabnehmer an das Netz der TIWAG anschließen ließen und somit eine „Phase der Konsolidierung und Expansion“ (Alexander 2007, 260) eintrat. Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 trat für die TIWAG ein neuer wichtiger Abschnitt in ihrer Unternehmensgeschichte ein. 97,7% des Aktienpaketes der TIWAG wurde von der Bankengruppe und der Stadt Innsbruck an die VIAG, einem zentralistisch organisierten, deutschen Energieunternehmen mit Sitz in Berlin, käuflich abgetreten welches dem NS-Regime unterstand. Dieses wiederum übertrug die Aktien an die AEW, (Alpenelektrowerke AG) welche von der VIAG mit der 81 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG innerösterreichischen Planung der Energieversorgung beauftragt wurde. Zwar waren nun die Besitzansprüche klar in deutsche Hand übergegangen, allerdings gelang es der TIWAG als relativ eigenständiges Unternehmen mit „Tiroler Charakter“ innerhalb des NS-Regimes weiterhin bestehen zu bleiben (vgl. ebd. 263). Die Übernahme gekennzeichnet der TIWAG durch durch einen die rigorosen Deutschen war Kraftwerksbau vor und allem einem „Konzentrationsprozess“ in der Tiroler Elektrizitätswirtschaft (ebd. 264). So wurde zu dieser Zeit das Laufkraftwerk Kirchbichl, an dem unter anderem auch einige hundert Fremdarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt waren, fertig gestellt, sowie das bereits begonnene Zillertaler Kraftwerk Bösdornau. Zusätzlich erfolgte der Baubeginn für das Hochdruckkraftwerk Gerlos im Zillertal und ein expansiver Stromleitungsbau zur Vernetzung der verschiedenen Kraftwerke. Um den Konzentrationsprozess innerhalb der Tiroler E-Wirtschaft weiter zu verstärken, wurden der TIWAG zahlreiche Beteiligungen und Übernahmen von gemeindeeigenen und privaten Kraftwerken vom Reichsgau Tirol-Vorarlberg übertragen. Gerade diese Zentralisierungstendenzen während der NS-Zeit waren sehr förderlich für die TIWAG, um ihren heutigen Status eines wichtigen europäischen Energieproduzenten und eines Landesenergieversorgers zu erreichen. Die NS-Zeit war für die TIWAG, trotz der deutschen Betriebsübernahme, kein Nachteil, sondern kann eher als ein Vorteil gewertet werden, weil die NSZeit ein gestärktes, zentralisiertes Unternehmen geschaffen hatte. Nach Kriegsende galt die TIWAG als deutsches Eigentum und wurde der Treuhänderschaft des Landes Tirols überstellt. Mittels Erlass vom 2. Verstaatlichungsgesetzes österreichischen kam E-Wirtschaft es dann und zwar zur Reformierung wurde erstmals der eine Verbundsgesellschaft im Besitz der Republik und neun Landesgesellschaften (im Besitz des jeweiligen Bundeslandes) gegründet. Diese wurden (außer die Wiener Stadtwerke) alle in Form einer Aktiengesellschaft formiert und hatten die Aufgabe die Versorgung auf Landesebene sicher zu stellen. (vgl. Winkler-Rieder 1991, 571) Die Großkraftwerke die allgemein hin nicht für die Landesversorgung herangezogen wurden, sollten an so genannte Sondergesellschaften fallen, was zur Folge hatte, dass sich die TIWAG von 82 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG ihren beiden Zillertaler Kraftwerken Gerlos und Bösdornau trennen musste. Am 2. November 1953 wurde die Bestimmung des 2. Verstaatlichungsgesetzes, welches eine eigenständige Unternehmenspolitik und eine selbständige Unternehmensführung der Landesgesellschaften unterband, außer Kraft gesetzt und die TIWAG konnte ihren Weg als eigenständiges Tiroler Elektrizitätsunternehmen antreten (vgl. Alexander 2007, 266-267). 5.2. Die SEL AG In Italien wurde durch die Verstaatlichung des Energiesektors im Jahre 1962 eine zentralistische Monopolwirtschaft konstruiert, in welcher die Hauptanteile der Stromerzeugung vom Unternehmen MONTEEDISON und ENEL dominiert und die Stromverteilung per Gesetz an den Monopolisten ENEL übertragen wurde. Die Energiepolitik wurde somit zentralisiert und nicht föderal gehandhabt, wie dies in der Bundesrepublik Österreich durch die Konstruktion der einzelnen Landesgesellschaften in den Bundesländern der Fall war. Mit der Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatus mittels D.P.R vom 31.08.1972 Nr. 670 kamen erstmals wieder einige wesentlichen Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik zurück nach Südtirol. Vor allem die für die Stromproduktion unabdingbare Entscheidungsbefugnis über die Gewässernutzung mit Ausnahme der Großwasserableitungen konnten nun von der Provinz Südtirol geregelt werden. Zur Kompetenzerweiterung im Energiebereich kam es dann mittels der Durchführungsbestimmung Nr. 235 vom 26. März 1977. Dieses präsidiale Dekret befähigte das Land Südtirol im Art. 13 erstmals zur Errichtung eines von der Provinz geführten Landesbetriebes, der die Verteilung und spätere Übernahme der Anlagen der nationalen Energiekörperschaft tätigen sollte (vgl. Gufler 2009, 22). Allerdings wurde bis zum Jahre 1997 und der Verabschiedung des Landesgesetzes Nr.14 vom 10. Oktober das Thema der eigenen Landesenergiegesellschaft nicht weiter berücksichtigt. Warum eine solche Vernachlässigung stattfand, kann bis heute nicht mehr lückenlos rekonstruiert werden. Im Interview von Peter Gufler mit dem Generaldirektor der SEL AG, Maximilian Rainer, konnte dieser lediglich 83 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG Vermutungen anstellen. Seiner Meinung nach liegen die Gründe vor allem in dem Umstand, dass den politischen Vertretern die „strategische Dimension der Durchführungsbestimmung nicht bewusst war (…) bzw. es auch gegenseitige Interessen gegeben habe, die teilweise gegen gelaufen sind“ (Gufler 2009, 170). Die effektive Umsetzung des eigenen Landesbetriebes mit dem Namen Südtiroler Elektrizitätsaktiengesellschaft kurz SEL AG (also ein Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft), wurde Anfang November 1998 realisiert und durch das nur einige Monate später in Kraft tretende Bersani-Dekret am 1. April 1999 eröffneten sich für das Landesenergieunternehmen eine Vielzahl an Aktivitäten (Produktion, Import, Export, Kauf und Verkauf von Strom), welche so im D.P.R 235/1977 nicht vorgesehen waren (vgl. Südtirol 24h 18.02.2004, 2). Für den Landesbetrieb waren lediglich koordinative Aufgaben vorgesehen gewesen und die Erzeugung bzw. Verteilung der Elektrizität hätte in den Aufgabenbereich der öffentlichen Körperschaften fallen sollen. Um Aufgabenspektrum den neben Landesbetrieb den mit öffentlichen einem so weitreichenden Körperschaften trotzdem legitimieren zu können, wurden durch die Beteiligungsgesellschaft SELFIN 102 Südtiroler Gemeinden und 4 Bezirksgemeinschaften an der SEL AG beteiligt. Die 13 Vinschger Gemeinden, die hauptsächlich die Anrainergemeinden der großen Wasserkraftwerke darstellten, wollten sich nicht mit diesem Beteiligungsangebot abspeisen lassen und entschlossen „Nein, wir machen das selber. Wir machen das lokal“ (Wunderer, 16.09.2009). In der Informationsbroschüre zum Unternehmen SEL AG, „Mit Energie in die Zukunft“, heißt es zur Partnerschaft mit den Gemeinden: „Durch strategische Partnerschaften wird der Energiestandort Südtirol nachhaltig gestärkt. Eine solide Zusammenarbeit mit den Partnergemeinden auf Basis lokaler und überregionaler Interessen ermöglicht die Verwirklichung zukunftsweisender Energieprojekte“ (Broschüre SEL AG 3, o.S.). Diese grundlegende Bedeutung der Beteiligung an der Landesgesellschaft SEL AG, durch die Südtiroler Gemeinden kann auch SEL-Präsidenten Klaus 84 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG Stocker bestätigen. Er räumt dieser Partnerschaft sogar eine „wichtige und zukunftsweisende Rolle“ ein. „Das Land Südtirol und die Südtiroler Gemeinden, welche gemeinsam die SEL AG gegründet haben, erteilten ihr den Auftrag, (…) im Interesse des gesamten Landes und seiner Bevölkerung die Energieversorgung zu verbessern und abzusichern, saubere und erneuerbare Energiequellen zu fördern und auf dem freien Markt als Energielieferant (Strom, Gas) aufzutreten und mit möglichst günstigen Preisen die Volkswirtschaft zu flankieren. Damit will ich sagen, dass die SEL AG in Südtirol eine sehr wichtige und zukunftsweisende Rolle übernommen hat“ (Stocker, 03.12.09). Scheint diese Partnerschaft für die SEL auch als wichtig und von grundsätzlicher gespaltene Gemeinden. Bedeutung, so spalten Beteiligungsbegeisterung Diese haben sich die die in SEL-Gründung Gemüter vier der und ihre Südtiroler Interessensgruppierungen ausdifferenziert und zwar: • will der Gemeindenverband allgemein Anteile an Kraftwerken und Energie • wollen die Standortgemeinden höhere Entschädigungen, weil sie sich als die Leittragenden deklarieren wie z.B. die Gemeinde Graun im Vinschgau • die Gemeinden die selbst nicht die Möglichkeit eines Kraftwerksbaus haben, aber auch am Stromkuchen beteiligt werden wollen • jene Gemeinden, die selbst Strom produzieren und verteilen12 Die ersten drei Interessensgruppierungen sind vor allem daran interessiert sich entweder direkt oder indirekt an der SEL und ihren Gewinnen zu beteiligen. Der Gemeindenverband und die Gemeinden ohne Möglichkeiten einer Stromproduktion wollen vor allem durch die Beteiligung am Unternehmen und der daraus resultierenden Dividendenausschüttung ihre Kassen füllen. Die Standortgemeinden pochen vor allem auf einer höheren Prozentbeteiligung bei den Kraftwerken und fühlen sich von der SEL AG über den Tisch gezogen, wenn sich diese mit den Monopolisten EDISON und 12 Die Punkte 1-3 stammen aus dem Interview mit Konrad Pfitscher durchgeführt von Peter Gufler (Gufler 2008, 111) Punkt Nr. 4 wurde durch die Autorin ergänzt und beruht auf eigenen Recherchen. 85 Die Entwicklungsgeschichte von SEL AG und TIWAG ENEL an einen Verhandlungstisch setzten und die Standortgemeinden mit einem niedrigen Beteiligungsprozentsatz, vom großen Stromgeschäft aussparen wollen. Die Gemeinden die selbst am Energiemarkt tätig sind, (dabei handelt es sich vor allem um die Obervinschger Gemeinden, die nicht an der Beteiligungsgemeinschaft SELFIN, beim Gründungskapital der SEL AG partizipierten) berufen sich vor allem auf ihre Rechte, durch das D.P.R Nr. 235/1977. Dieses sieht für die öffentlichen Körperschaften im Art. 1 nämlich eine primäre Zuständigkeit im Verteilungsdienst vor; wörtlich heißt es hier: (...) è la facoltà dei comuni di gestire le attività eletriche“ (Wunderer, 16.12.09). Die Bestimmung sieht also vor, dass den öffentlichen Körperschaften der Provinz Trient und Bozen die Möglichkeit gegeben wird, durch eigens geführte Unternehmen elektrizitätswirtschaftliche Tätigkeiten mit Ausnahme der Ein- und Ausfuhr von elektrischer Energie zu betreiben. Der Vinschger Energieexperte und Obmann des E-werk Prad, Georg Wunderer kritisiert, dass die SEL AG durch das Legislativdekret „Bersani“ nicht nur zum vorgesehen „Koordinierungsbetrieb für die Verteilung“, sondern zu einem eigenständigen Energieunternehmen inklusive Produktion und Verteilung, neben den vielen kleinen öffentlichen und privaten Energieunternehmen mutiert ist und es trotz zwölfjährigem Firmenbestehen der SEL AG bis dato immer noch kein „Südtiroler Stromwirtschaftskonzept“ gibt. 86 Unternehmensstruktur und -tätigkeit 6. Unternehmensstruktur und -tätigkeit Sowohl die TIWAG als auch die SEL AG wurden in Form einer Aktiengesellschaft gegründet und haben sich innerhalb kürzester Zeit zu einer Holdinggesellschaft entwickelt. Das bedeutet, dass sowohl die TIWAG als auch die SEL AG das Mutterunternehmen darstellen, welches auf zahlreiche Tochtergesellschaften verschiedenster aufbaut, Tätigkeitsbereiche welche angesiedelt sich haben. innerhalb Um dieses Beteiligungsverhältnis zu verstehen, ist es unabdingbar sich mit der Unternehmensstruktur und den verschiedenen Aufgabenbereichen zu beschäftigen. Dies ist von grundlegender Bedeutung, um die Firmenstruktur einer Aktiengesellschaft im Energiebereich besser zu verstehen und auch dessen Stärken und eventuellen Schwächen herausfiltern zu können. 6.1. Die TIWAG Die TIWAG - Tiroler Wasserkraftwerke Aktiengesellschaft, ist in 100%igem Aktienbesitz des Landes Tirol und damit ist der amtierende Tiroler Landeshauptmann Günther Platter der Eigentümervertreter der TIWAG. Gegründet wurde sie im Jahre 1924 und ist heuer somit bereits im 86. Geschäftsjahr mit mittlerweile 1.400 Mitarbeitern tätig. Im Laufe der Unternehmenstätigkeit kamen einige Tochtergesellschaften für den Mutterkonzern hinzu und auch das Betätigungsfeld hat sich auf die Fernwärme- und Erdgasversorgung, Telekommunikation erweitert. die Informationstechnik Folgende Gesellschaften und die sind Tochtergesellschaften: • • • • • • • • • TIGAS-Erdgas Tirol GmbH, Innsbruck (86%) Achenseeschiffahrt-GesmbH (ASG), Eben a. Achensee (100%) Achensee-Hotelgesellschaft m.b.H., Eben a. Achensee (65%) TIWAG-Netz AG, Innsbruck (100%) TIWAG Hydro Engineering GmbH in Liquidation, Innsbruck (100%) TIWAG-Italia Srl, Bozen in Liquidation seit Ende 2009 (99%) TIWAG Beteiligungs GmbH, Innsbruck (100%) Wasser Tirol - Wasserdienstleistungs-GmbH, Innsbruck (60%) Stadtwärme Lienz Produktions- und Vertriebs-GmbH, Lienz (48%) 87 Unternehmensstruktur und -tätigkeit Zusätzlich existieren auch zahlreiche Direktbeteiligungen durch die TIWAG bzw. indirekte Beteiligungen durch die Tochtergesellschaften an anderen Gesellschaften. Dazu zählen: • • • • • • • • • • Energie AG Oberösterreich, Linz (8%) Bioenergie Kufstein GmbH, Kufstein (50%) Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH, Landeck (36%) Österreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft AG (VERBUND), Wien (7%) Innsbrucker Kommunalbetriebe Aktiengesellschaft (IKB AG), Innsbruck (49,99%) A&B Ausgleichsenergie & Bilanzgruppen-Management AG, Innsbruck (20,93%) VERBUND-Austrian Hydro Power AG, Wien (27% mit der EVN und den Wiender Stadtwerken) VERBUND-Austrian Thermal Power GmbH & Co KG, Graz (27% mit der EVN und den Wiender Stadtwerken) SELTRADE AG, Bozen (9%) SELGAS AG, Bozen durch die TIGAS 40% Quelle: Homepage TIWAG: http://www.tirolerwasserkraft.at/de/nn/organisation/beteiligungen/index.php; Abruf:13.03.2010 Geführt wird das Unternehmen vom Vorstand, und zwar von Bruno Wallnöfer, dem Vorstandsvorsitzenden und dem Vorstandsdirektor Alfred Fraidl. Der Vorstandsvorsitzende ist zuständig für die Bereiche: Finanz- und Rechnungswesen, Controlling und Beteiligungsmanagement, Recht und Services, das Energiedatenmanagement, Personalmanagement, Technisches Gebäudemanagement, Unternehmensentwicklung und Organisation, Zentraler Einkauf und die Stabstelle Kommunikation. Der Vorstandsdirektor leitet die Erzeugung, Bereiche: Technologieentwicklung, Stromhandel und Technische Energiewirtschaft, Koordination, Vertrieb, Informationstechnologie, sowie die Abteilung Bauwirtschaft (vgl. Homepage TIWAG: http://www.tiroler- wasserkraft.at/de/nn/organisation/vorstand/index.php; Abruf:15.03.2010). Der Vorstand ist somit klar in einen ökonomischen und einen technischen Bereich gegliedert. Nach dem Aktienkontrollgesetz wird der Vorstand vom Aufsichtsrat bestellt und dieser kontrolliert dessen Tätigkeit und kann im Falle von groben Pflichtverletzungen diesen entlassen. 88 Unternehmensstruktur und -tätigkeit Der Aufsichtsrat ist also innerhalb der Aktiengesellschaft ebenfalls ein gesetzlich vorgeschriebenes Organ. Dieser besteht aus sechs Kapitalvertretern (vorzugsweise Landesbeamte) und drei Vertretern des Betriebsrates. Die Kapitalvertreter werden vom Eigentümervertreter, also dem Landeshauptmann in den Aufsichtsrat entsandt. Der Aufsichtsrat ist das Beschlussfassende Organ. Es ist laut Art. 10 der Satzung nur dann beschlussfähig, „wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen und mindestens drei Mitglieder anwesend sind“ (Satzung TIWAG 19.09.2001, Art. 10). Der Beschlussfähigkeit Aufsichtsrat auch die hat zum Möglichkeit Zwecke einen einer schnelleren Ausschuss aus 3 Aufsichtsratmitgliedern innerhalb des Aufsichtsrates zu bilden (vgl. Satzung TIWAG 19.09.2001, Art.12). Das dritte Gesellschaftsorgan ist die Hauptversammlung bzw. auch Gesellschafterversammlung genannt. In der Gesellschafterversammlung übt der Aktieneigner seine Rechte aus. Diese Rechte beschränken sich vorzugsweise auf die Genehmigung des Jahresabschlusses, die Ernennung der Vertreter des Aufsichtsrates und die Ermächtigung von bestimmten Handlungen des Vorstandes. Die Entscheidungskompetenz im Bereich der operativen Geschäftstätigkeit unterliegt dem Vorstand und zum Teil (wenn es sich um größere Entscheidungen handelt) dem Aufsichtsrat. Diese gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft erschwert vor allem den politischen Vertretern der Oppositionsparteien bzw. auch den öffentlichen Kontrollinstanzen wie dem Rechnungshof, sich einen Überblick über die Geschäftstätigkeit der „öffentlichen“ AG zu verschaffen. Den Punkt, dass der Kapitalgeber zwar die öffentliche Hand ist, im Gegenzug allerdings keinerlei Transparenz bei der Kontrollbefugnis durch die Öffentlichkeit herrscht, kritisiert auch die GRÜNE Landtagsabgeordnete Maria Scheiber. „Wenn ich (als Landtagsabgeordnete) z.B. wissen will wie viele Lehrlinge die TIWAG anstellt, dann bekomme ich die Antwort: Das ist das operative Geschäft der TIWAG, das geht dich nichts an“ (Scheiber, 07.12.09). Ähnlich verhält es sich auch bei den Kontrollen durch den Rechnungshof: 89 Unternehmensstruktur und -tätigkeit „Wenn der Rechnungshof überprüft was die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit der TIWAG sind, (…) was für jeden nachvollziehbar ist, denn Öffentlichkeitsarbeit ist ja ein Teil des öffentlichen Arbeitens. (…) Der Rechnungshof hat das dann geprüft und den Bericht den man dann veröffentlicht hat, der hat alle wichtigen Stellen, ich sage mal „geschwärzt“ gehabt. Also, wie viel die TIWAG für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ausgibt, ist für Sie ein schützenswertes Geheimnis, so zu sagen ein Betriebsgeheimnis“ (Scheiber, 07.12.09). Die TIWAG ist also zwar ein Betrieb im Besitz der öffentlichen Hand, jedoch gelten im Bereich der Kontrolle, der Ökologie und des Sozialen nicht die Regeln der Öffentlichkeit, sondern jene des freien und privaten Marktes. Die Aktiengesellschaft stellt zwar die transparenteste und klassische Form im zivilrechtlichen Sinne dar, ist jedoch durch Kontrollen von Seite der politischen Ebene geschützt. Firmeninterne Entscheidungen können trotz Mehrheitsbeteiligung des Landes Tirols weder angefochten, noch verhindert werden. Die Entscheidungen privatwirtschaftlichem ermessen finden statt und willkürlich sind in und erster nach Linie der Gewinnmaximierung dienlich. Der Landtag hätte zwar die Möglichkeit, dem Unternehmen eine Öffentlichkeit bzw. größere eine Transparenzlegung öffentlichere in Hinblick Unternehmensgestaltung auf die in die Satzung hinein zu geben, dies wurde aber vom Tiroler Landtag, trotz mehrmaligem Einbringen der GRÜNEN mehrheitlich abgelehnt. Man kann in diesem Falle nicht einmal der TIWAG einen Vorwurf machen, die ja nur nach ihren marktwirtschaftlichen Regeln handelt, sondern vielmehr den politischen Vertretern, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen sagen, das Ökologische und das Soziale wollen wir der TIWAG nicht in die Satzung geben (vgl. Scheiber, 07.12.09). Auch die interne Kontroll- bzw. Informationspflicht im Aufsichtsrat durch die von der Volkspartei (ÖVP) entsandten Verwaltungsvertreter ist nicht restlos möglich. Die öffentliche Kontrollfunktion, die für ein Unternehmen, das durch öffentliche Gelder finanziert wird, gewährleistet sein müsste, ist praktisch kaum vorhanden. Es herrscht hier vielmehr ein Interessenskonflikt bzw. kann von einer verwobenen Intransparenz einer Grauzone gesprochen werden. 90 Unternehmensstruktur und -tätigkeit „(…) der Aufsichtsratvorsitzende ist immer derselbe, der auch gleichzeitig Energiereferent ist. Derzeit haben wir diese Positionen gespalten, dass ich einerseits sehr begrüße, aber andererseits geschieht trotzdem nicht viel… (lacht) weil, dass ist die Macht der Gewohnheit. Man weiß nicht, schafft jetzt gerade einmal die TIWAG oder schafft die Regierung. Der Landtag ist es auf jeden Fall nicht – leider“ (Scheiber, 07.12.09). 6.2. SEL AG Die Gründung der Südtiroler Elektrizitätsaktiengesellschaft wurde im Oktober 1997 durch einen Gesetzesentwurf des Südtiroler Landtages genehmigt und im November 1998 erfolgte die offizielle Gründung. Ihr operatives Geschäft startete das Landesunternehmen erst im Jahr 2000 mit der Gründung der Tochterfirma SELEDISON, welche zwei Vinschger Kraftwerke betreibt. Beinahe zeitgleich wurde mit der SELGAS das zweite Standbein des Unternehmens gegründet, welches die Versorgung Südtirols mit Erdgas zur Aufgabe hat. Schrittweise musste sich die SEL AG ihren Weg im Südtiroler Energiesektor bahnen, denn anders als die TIWAG, welche „in Tirol seit fast einem Jahrhundert ihren Weg ungehindert gehen konnte und eine herausragende Position auf dem Strommarkt gewonnen, sowie die Entwicklung der Energieproduktion aus Wasserkraft weitestgehend selbst in die Hand genommen hatte“, wurde die SEL „sozusagen ins Nichts hinein geboren“ (Stocker, 03.12.2009). Zu den wichtigsten Etappen in der jungen Unternehmensgeschichte gehören unter anderem die Verhandlungen und der Einstieg bei den EDISON und ENEL Kraftwerken, zwecks Rückgewinnung der großen Wasserkraftwerke in Südtirol. Als zweiter Schritt gilt der Gewinn von neun der zwölf ENEL Konzessionen, beim Großwasserableitungen öffentlichen des ENEL Wettbewerb und die um die Beteiligung auslaufenden an lokalen Kraftwerksinitiativen zum Zwecke der Errichtung neuer Kraftwerke in verschiedenen Teilen des Landes. Als dritter Pfeiler des Unternehmens sei die Nutzung von Biomasse durch die Errichtung von entsprechenden Fernheizwerken erwähnt. Der vierte Pfeiler im Unternehmensleitbild wurde dem Klimaschutz gewidmet. In Kooperation mit der Autonomen Provinz Bozen wurde das Unternehmen KlimaHaus Agentur GmbH gegründet. 91 Unternehmensstruktur und -tätigkeit Dieses Unternehmen, welches mittlerweile zu 100% der Provinz Bozen unterstellt ist, unterstützt Bauherren beim klimafreundlichen und zertifizierten Bauen eines Klimahauses. Ein weiteres Tochterunternehmen der SEL, welches sich der Forschung und Entwicklung von Wasserstofftechnologien verschrieben hat, ist die IIT Bozen. Diese ist zusammen mit der Autobahngesellschaft A22 am Projekt „H2 Südtirol“ beteiligt, welches eine Wasserstofftankstelle in Bozen Süd plant. Es stellt sich unweigerlich die Frage, warum wurde die SEL AG in Form einer Aktiengesellschaft gegründet? Der Generaldirektor, Maximilian Rainer und die anderen Mitwirkenden wählten diese Form, weil sie ihrer Meinung nach die transparenteste im privatrechtlichen Sinne darstellt. Sie sei das „klassische Instrumentarium“ für ein Unternehmen mit einem so hohen Gesellschaftskapital. Zudem sei man sehr darauf bedacht gewesen, sämtliche Kontrollen zu gewährleisten, die vom Gesetz vorgesehen sind (vgl. Gufler 2009, 168). Ein weiterer Grund ist wohl auch die Tatsache, dass die öffentliche Hand sich immer stärker bemühen muss, ihre Dienste nach privatwirtschaftlichen, sprich rentablen Kriterien zu führen. Das Schreiben von roten Zahlen ist in Zeiten von Wirtschaftskrise und Marktliberalismus auch den öffentlichen Körperschaften nicht mehr erlaubt. Allerdings sollte dies nicht dazu führen, dass die Unternehmensführung privatisiert werde, weil „in diesem strategischen Gemeinschaftsinteressen den Bereich Vorrang vor in den Zukunft die Privatinteressen (Gewinnmaximierung) haben sollten“ (Stocker, 03.12.2009). Obwohl es für privatrechtlich geführte Unternehmen unabdingbar ist, sich der Konkurrenz zu stellen und das Streben nach Gewinn Bestandteil des Unternehmenszweckes einer AG darstellt, relativiert der SEL-Präsident dies und deklariert die Gewinnmaximierung als zweitrangig: „Wir sind ein öffentlicher Betrieb, der nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt wird, wo aber diese Kriterien nicht ausschließlich sind, denn die Gewinnmaximierung gehört nicht dazu, wohl aber ein gesundes Wirtschaften mit schwarzen Zahlen unterm Strich“ (ebd.). Der Hauptaktionär der SEL AG ist mit 93,88% die Autonome Provinz Bozen und mit einem Kleinstanteil von 6,12% die SELFIN. Für die Zukunft ist 92 Unternehmensstruktur und -tätigkeit geplant, dass der Anteil der Provinz minimiert wird. Es sollen Volksaktien in stark gesplitterter Form für den Südtiroler Bürger ausgeben werden, um Herrn und Frau Südtiroler mehr als nur eine symbolische Identifikation mit dem Landesunternehmen zu ermöglichen. Auch der Beteiligungsanteil der Gemeinden, die sich innerhalb der SEL stark unterrepräsentiert, und sich mit zu wenig Entscheidungskompetenz ausgestattet fühlen, soll auf 20% aufgestockt werden. Eine Privatisierung des Unternehmens wird allerdings kategorisch ausgeschlossen, denn dies sei nicht zielführend. Der Energiesektor ist ein delikater Bereich der Daseinsversorgung und die öffentliche Hand trägt hier die Verantwortung, „allen Bürgerinnen und Bürgern, das Grundrecht auf erschwingliche, strategische Ressourcen zu sichern, besonders unweigerlich unter den die schwächeren Räder kommen, Einkommensschichten, wenn Dienste nach die reiner Gewinnmaximierung angeboten werden“ (ebd.). Der Mitarbeiteranteil beläuft sich auf 100 Mitarbeiter, welche sich aber mit der geplanten verbunden Übernahme Verpflichtung des zur ENEL-Verteilernetzes Übernahme des und Personals, der um damit einiges vervielfachen wird. Die SEL AG ist gleich wie die TIWAG eine HoldingGesellschaft mit der SEL AG als Muttergesellschaft und an die 26 Tochtergesellschaften, welche sich auf die Tätigkeitsbereiche aus den vier Grundpfeilern: Strom, Erdgas, Wärme und Klimaschutz stützen. 93 Unternehmensstruktur und -tätigkeit Abb.11 Holding-Struktur der SEL AG Quelle: Homepage SEL AG: www.sel.bz.it; Abruf: 13.03.2010 Durch das Abdecken der Hauptgeschäftsfelder des Energiesektors kann die SEL AG als „Fullservice Dienstleister“ betrachtet werden. Im Bereich Strom regelt sie sowohl die Produktion, Verteilung, den Import, Vertrieb und Handel; im Bereich Gas den Vertrieb und die Verteilung. Die Fernheizwerke werden von der Planung bis zur Verteilung der Wärme hausintern verwaltet. Im Bereich des Klimaschutzes wurden bereits zahlreiche Projekte zum Energieeinsparen und Energieeffizient handeln gestartet. Anders als bei der TIWAG wird das Unternehmen nicht vom Vorstand, sondern vom Präsidenten, Herrn Klaus Stocker und dem Generaldirektor Maximilian Rainer geleitet. Der Präsident vertritt die Gesellschaft in rechtlicher Hinsicht, wohin gegen der Generaldirektor mit der operativen Geschäftstätigkeit betraut wird. Ihm obliegt die gesamte technische, finanzielle, administrative und buchhalterische Leitung der SEL AG (vgl. 94 Unternehmensstruktur und -tätigkeit Satzung SEL AG, Art. 29). Laut Art. 12 der Satzung der SEL AG gelten außerdem noch als Gesellschaftsorgane: die Gesellschafterversammlung, der Verwaltungsrat, der Exekutivausschuss, der Überwachungsrat und der Rechnungsprüfer (vgl. ebd. Art. 12). Zu den Aufgaben der Bilanzgenehmigung sowie Gesellschafterversammlung Präsidenten Gesellschafterversammlung sowie den die ernennt Gewinnverteilung. den Aufsichtsrat gehören Verwaltungsrat und evtl., wenn die Die und seinen nicht anders vorgesehen, auch den Rechnungsprüfer. Sie beschließt auch über andere, die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten (vgl. ebd. Art. 16). Der Verwaltungsrat verwaltet in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten und dem Generaldirektor das Unternehmen. Der Verwaltungsrat der SEL AG entspricht dem Aufgabenfeld nach in etwa dem Aufsichtsrat der TIWAG. Der Verwaltungsrat besteht aus Unternehmenspräsidenten. Ein fünf Verwaltungsräten Verwalter wird von und der dem beteiligten Gesellschaft der Gemeinden entsandt. Der Verwaltungsrat ist mit den „weitest reichenden und uneingeschränktesten Befugnissen, in Bezug auf die ordentliche und außerordentliche Verwaltung und auf die Gesellschaftsführung (…) ausgestattet und kann somit alle Handlungen ausführen, die er für notwendig oder nützlich erachtet, um den Gesellschaftszweck zu erfüllen“ (ebd. Art. 23). Der Verwaltungsrat hat außerdem auch noch die Möglichkeit, Teile seiner Befugnisse an den Exekutivausschuss, welcher aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einem ernannten Verwalter besteht, abzutreten. In Fällen von absoluter und unaufschiebbarer Dringlichkeit hat der Präsident die Möglichkeit, auch im Alleingang Entscheidungen zu treffen, die allerdings in der nächsten Sitzung dem Verwaltungsrat mitgeteilt werden müssen. Der Überwachungsrat ist eine zusätzlich installierte Kontrollinstanz, welche aus drei ordentlichen Mitgliedern besteht. Dieses Gesellschaftsorgan ist in Kooperation mit dem Rechnungsprüfer oder einer Revisionsgesellschaft für die Kontrolle der Rechnungslegung der Gesellschaft verantwortlich. Sie 95 Unternehmensstruktur und -tätigkeit kontrollieren somit die buchhalterischen-, finanz- und steuerwirtschaftlichen Tätigkeiten des Unternehmens (vgl. ebd. Art. 30). Ähnlich wie in Tirol die TIWAG bewerten auch die GRÜNEN Südtirols in ihrer Funktion als Oppositionspartei die Unternehmensform der SEL AG eher kritisch. Die ehemalige Landtagsabgeordnete Christina Kury sieht vor allem einen Interessenskonflikt zwischen der privatwirtschaftlichen Organisation und der für die öffentliche Kontrollgebarung notwendigen Daten- und Informationstransparenz. „Bei dieser einerseits privaten Gesellschaft SEL AG, ist nie wirklich klar, welche Rolle diese spielt, weil wenn der Laimer auftritt, dann redet er plötzlich für die SEL zugleich und im nächsten Moment ist die SEL dann wieder eine private Gesellschaft von denen man keine Daten oder Informationen bekommt“ (Kury, 14.12.09). Der Energieexperte Georg Wunderer sieht in der Form der AG vor allem das Problem einer zu starken Marktorientierung und einer zu schwachen Orientierung an sozialen Parametern. Dies sei vor allem seit Beginn der Liberalisierung des Energiemarktes auf europäischer Ebene so, weil durch das so genannte „Unbundling“ die energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette in seine Einzelsubjekte gespalten wird. Es existiert somit ein Produktionsunternehmen, ein Strom- oder Gashändler, ein Verteilungsunternehmen usw. Diese Trennung hat zur Folge, dass sich die Energie verteuert, weil jedes Subjekt einen Gewinn erzielen will (vgl. Wunderer, 16.12.2009). 96 Die Wasserkraft 7. Die Wasserkraft Sowohl die TIWAG als auch die SEL AG sehen ihre Haupttätigkeit in der Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft und dem daraus resultierenden Planen, Bauen und Betreiben von Wasserkraftwerken. Genau diese Tätigkeit ist jedoch umstritten. Die TIWAG hat durch ihre erneuten Ausbaupläne der Wasserkraft bei den Standortgemeinden, den Umweltverbänden und den politischen Vertretern der GRÜNEN großen Missmut ausgelöst. Ähnlich verhält es sich mit der SEL AG, die sich seit dem Wettstreit um die auslaufenden ENEL Konzessionen bei Mitstreitern und Behörden zunehmend unbeliebt gemacht hat. Es ist hier die Rede vom Interessenskonflikt: Land als Hauptaktionär bei der SEL AG und das Land als Vergabeorgan bei den Konzessionen. Dieses Kapitel zeigt die Bedeutung der Wasserkraft für das jeweilige Landesenergieunternehmen auf und die damit verbundenen politischen Polemiken. 7.1. Die TIWAG Die TIWAG wurde, wie aus dem Kapitel der Entwicklungsgeschichte bereits klar hervor geht, auf der Basis der Elektrizitätserzeugung aus Wasserkraft gegründet. Das 100%ige Landesunternehmen hatte und hat bis heute seine Haupttätigkeit in der Versorgung der Tiroler Bevölkerung mit Elektrizität. Diese Versorgungssicherheit wurde, vor allem im Zuge der europaweiten Liberalisierung des Strommarktes und in der Folge mit der Konfrontation der ersten „Black Out“ im europäischen Stromnetz, in den Mittelpunkt der regionalen Energiepolitik gestellt und an den Ausbau der heimischen Ressource Wasserkraft und einer grenzüberschreitenden Stromverbindung nach Italien gekoppelt. Dies kam in der Regierungserklärung von Landeshauptmann Van Staa vom 30.04.2003 mit folgenden Worten zum Tragen: „Die Tiroler Landesregierung bekennt sich zum sinnvollen Ausbau der Wasserkraft als beste erneuerbare Energiequelle und zum Zusammenschluss der Leitungsnetze insbesondere mit Südtirol, um die Versorgungssicherheit zu verbessern“ (Brauner 29.05. 2006, 2). 97 Die Wasserkraft Mit der Planung zum Ausbau der heimischen Wasserkraft wurde das Landesenergieunternehmen TIWAG beauftragt. Diese legte im November 2004 der Tiroler Landesregierung ihren Optionenbericht über mögliche Standorte künftiger Wasserkraftnutzung in Tirol vor. In diesem Bericht bringt die TIWAG sechzehn mögliche Optionen eines Ausbaus von Wasserkraftwerken auf den Plan. Vor allem geht man von einem doppelt so hohen Potential an (theoretisch) produzierbarer Elektrizität aus, wenn nur die notwendigen Ausbaupläne realisiert würden. Ende Dezember 2004 wurde ein vom Landeshauptmann eingesetztes Prüfungsteam gegründet, welches aus siebzehn Landesexperten aus den verschiedensten Ämtern wie Umweltschutz, Raumordnung usw. und externen Experten aus Forschungsinstituten bestand. Dieses Expertenteam legte im Juli 2005 den ihrerseits ausgearbeiteten Synthesenbericht: Fachliche Prüfung des TIWAG Optionenberichtes über mögliche Standorte zukünftiger Wasserkraftnutzung in Tirol vor. Am 15. August 2005 beschloss die Landesregierung vier Optionen weiter zu verfolgen und zwar unter folgender Begründung: „Eine langfristige, sichere, kostenstabile und umweltverträgliche Elektrizitätsversorgung Tirols kann nur auf die heimische, nachhaltige und erneuerbare Ressource der Wasserkraft gestützt werden. Damit sollen auch die energiewirtschaftliche Autonomie und standortpolitische Handlungsfähigkeit des Landes gestärkt, hochwertige Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen und industrielle Wertschöpfung sowie Strukturentwicklung im eigenen Land gewährleistet werden“ (Fortschrittsbericht der TIWAG 24.05.2006, 3). Bei den vier Optionen handelt es sich um folgende Projekte: • Neubau Speicherkraftwerk Malfon • Ausbau der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz • Ausbau des Kraftwerkes Kaunertal • Neubau Pumpspeicherwerk Raneburg/Matrei Um die Versorgungssicherheit unter den oben erwähnten Gesichtspunkten zu garantieren, beauftragte der Landeshauptmann, in seiner Eigenschaft als Eigentümervertreter, die Organe der TIWAG zur Erstellung einer vertiefenden Studie, welche auch die betroffenen Grundstücksbesitzer, Standortgemeinden, Nutzungsberechtigte Miteinbeziehen sollte. 98 und Interessensvertreter Die Wasserkraft Durch den Synthesenbericht wurden die Veränderungen der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen erstmals klar angesprochen und um diesen entgegen zu wirken, wurde dem Amt der Landesregierung der Auftrag erteilt, Energiepolitik, zu den energiepolitischen Energiemanagement, Fragen im (Ziele der Besonderen Energiesparmaßnahmen, Prüfung erneuerbarer bzw. alternativer Energien) eine Darstellung des aktuellen Status und Überlegungen für weitere Maßnahmen vorzulegen. Daraus entstand das Maßnahmenpapier Tiroler Energiestrategie 2020 – Grundlage für die Tiroler Energiepolitik, dessen Umsetzung im Oktober 2007 vom Tiroler Landtag beschlossen wurde und als eine programmatische Grundlage für die zukünftig geplante Tiroler Energiepolitik zu werten ist. Am 24. Mai 2006 erfolgte dann die Vorlage der vertiefenden Studie der TIWAG unter dem Titel: Projektvorschläge für den weiteren Ausbau der heimischen Wasserkraft. Fortschrittsbericht der TIWAG gemäß Beschluss der Tiroler Landesregierung vom 15. August 2005. Am Ende dieses Berichts ersucht die TIWAG um eine „energiepolitische Grundsatzentscheidung, ob die berichtsgegenständlichen Projekte zum Ausbau der heimischen Wasserkraft durch die TIWAG mit dem Ziel ihrer Realisierung weiter verfolgt werden sollen“ (Fortschrittsbericht der TIWAG 24.05.2006, 56). Die Grundsatzentscheidung erfolgte schließlich im Regierungsantrag vom 27.06. 2006 und wurde vom Tiroler Landtag am 06. Juli 2006 mit 31 von 36 Stimmen zustimmend zur Kenntnis genommen. Im Oktober 2006 präsentierte die TIWAG ihren Masterplan zur Umsetzung der vier Projekte zum Ausbau der Wasserkraft in Tirol. Dieser sah eine rasche Inangriffnahme des Projektes „Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz“ vor, lies die drei weiteren Projekte (inklusive eventueller Alternativen) noch ohne zeitliche Konkretisierung hinten angestellt. Der Start hierfür sei „noch offen und hänge vom Fortschritt der jeweiligen Projektentwicklung ab“ wurde vom TIWAG-Vorstand bei der Masterplanvorstellung erklärt. Konkret musste die TIWAG beim „Projekt Sellrain-Silz“ bereits erste Abstriche machen, denn sowohl die „ergänzenden 99 Die Wasserkraft Anmerkungen“ der Landesregierung, als auch die in Auftrag gegebenen Gutachten zweier Energieexperten zwangen die TIWAG zu einer Verkleinerung des Projektes (vgl. Medienmitteilung TIWAG 18.10.2006, 1). Durch das Marktforschungsinstitut OMG wurde eine Meinungsumfrage zum Ausbau der Tiroler Wasserkraft in Auftrag gegeben und das Ergebnis lautete: Die Tirolerinnern und Tiroler sind überwiegend für den Ausbau der Wasserkraft und den Ausbau der vier konkreten Projekte (vgl. Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/TIWAG; Abruf: 03.03.2010). Was von der Politik, den Energieerzeugern und der breiten Tiroler Bevölkerung gutgeheißen wurde, galt für die Kraftwerksgegner, die sich aus den verschiedensten Interessensverbänden, Standortgemeinden und Bürgerinitiativen rekrutierten, als eine Art Ausverkauf der Heimat. Vor allem die Tourismuslobby und die Umweltverbände sahen eine große Gefahr für die einmalige Tiroler Landschaft, wenn in den „wenigen noch unangetasteten Tälern des Landes die Gebirgsbäche hinter einer hohen Betonmauer aufgestaut“ würden (Meinhart, 22.06.2006). Als Kritikpunkt Nummer Eins gilt, dass hier Natur zerstört wird, um am internationalen Strommarkt Geschäfte machen zu können. Um diese Theorie zu untermauern, mobilisierten die Kraftwerksgegner den Schweizer Energieexperten Heini Glauser, der den Strom aus Pumpspeicherwerken als den „schmutzigsten Strom Europas“ bezeichnet. Die Pumpen werden nachts mit billigem Atom- und Kohlestrom aus Deutschland zum Laufen gebracht, um dann zu Spitzenstromzeiten Strom aus Wasserkraft produzieren zu können, der zwar um ein Viertel weniger ist, als jener welcher zum Hinaufpumpen genutzt wurde, der aber bis um den dreifachen Preis nach Deutschland verkauft werden kann. Deshalb werden die Kraftwerkspläne auch als die „Cashcow der TIWAG“ gesehen (ebd. Meinhart 22.06.2009). Auf lange Sicht sei der Bau eines solchen Pumpspeicherwerkes wie SellrainSilz allerdings mehr als unrentabel, weil sich die Öl- und Kohlepreise durch die Verknappung wesentlich verteuern werden und sich damit das Hinaufpumpen nicht mehr rentieren wird. Anstatt auf Großwasserkraftwerke zu setzen, sollte viel mehr der Ausbau von Solarenergie, Geothermie, 100 Die Wasserkraft Biomassekraftwerken und Windanlagen vorangetrieben werden (vgl. TT http://www.tt.com/club/epaper/artikeldrucken.html?SID=51d7c32292; Abruf: 10.10.09). Einer der bekanntesten Kritiker der TIWAG Kraftwerkspläne ist der Publizist und Bauer aus dem Ötztal, Markus Wilhelm. Er formierte eine Ein-MannBürgerinitiative für den Kampf gegen die Kraftwerksbauten und veröffentlichte auf seiner Homepage (www.dietiwag.org) einige brisante Unternehmensdetails Kraftwerkspläne der TIWAG. „Ausdruck einer Seiner völlig Meinung nach, verfehlten und sind die veralterten Firmenstrategie“ und durch seine Recherchen seit 2004, entdeckte Wilhelm „nach und nach (…) auf welch unsicherem Fundament das Unternehmen steht“ (Wilhelm, 07.12.2009). Wilhelm fand im Zuge dieser Recherchen heraus, dass die TIWAG in äußerst bedenkliche „Cross-Boarder-Leasing“ Geschäfte verwickelt ist. Diese Geschäftsidee stammt aus den USA und verhilft amerikanischen Investoren zu steuerlichen Erleichterungen, indem sie Liegenschaften in Europa kaufen und diese dann wieder an das verkaufende Unternehmen zurückleasen. Im konkreten Fall, handelt es sich um den Verkauf von 14 der 15 größten Kraftwerke und um einen Teil des Leitungsnetzes der TIWAG, an einen USTrust (=eine Investorvereinigung). Diese Geschäfte laufen unter dem Vorzeichen größter Geheimhaltung und sind deshalb für ein Unternehmen, das sich aus öffentlichen Geldern nährt, mehr als bedenklich. Durch die öffentliche Bekanntmachung der „Cross-Boarder-Leasing“ Geschäfte kam die TIWAG unter Zugzwang gegenüber den amerikanischen Geschäftspartnern und verklagte daraufhin den Aktivisten Wilhelm wegen Rufschädigung. Allerdings verlor das Landesunternehmen den Prozess in letzter Instanz und konnte das weitere Bestehen der Homepage www.dietiwag.org und die zahllosen Enthüllungen um die teilweise prekären Geschäftstaktiken der TIWAG nicht verhindern. Der Kampf der Kraftwerksgegner und die veränderten EU- Rahmenbedingungen im Bereich Wasserschutz zeigten Wirkung. Trotz der 101 Die Wasserkraft überragenden Befürwortung durch die Tiroler Politik und der breite Tiroler Bevölkerung ist es der TIWAG bis heute nicht gelungen eines ihrer vier Projekte einzureichen. Dies vor allem deshalb, weil die geänderten EUWasserrahmenrichtlinien einen Bau von Großprojekten erschweren und dies wiederum laufend Abänderungen der Projekte zur Folge hatte. Mit der Übernahme dieser Richtlinie, droht das „Projekt Sellrain-Silz“ komplett zu scheitern, weil es sich nicht an die vorgegebenen Restwassermengen halten kann. Die Strategie des Unternehmens ging indessen immer wieder in Richtung einer starken Medienpräsenz, um den Ausbau der heimischen Wasserkraft in ein positives Licht zu rücken. Eine Rechtfertigung wurde in den Zielen des UNO-Weltklimaberichts Emissionsreduktion und gesucht. der draus resultierenden wurde es Ebenso Teil der CO2neuen Firmenstrategie, sich vermehrt im Bereich der alternativen Energien zu engagieren, ohne dabei das Zugpferd Wasserkraft außer Acht zu lassen. „Man werde auch alternative Formen fördern. So will die Tiwag Lärmschutzwände nutzen, um Solaranlagen aufzustellen. In Lienz wird man 7 Millionen Euro in die Hand nehmen, um das Biomasse-Fernheizwerk zu sanieren. Doch die Wasserkraft bleibt im Zentrum“ (Kronen Zeitung 11.07.2007, 18). Das Land Tirol hingegen reagiert auf die Stagnation beim Kraftwerksbau mit einer 120.000 Euro teuren Wasserkraftwerkspotentialstudie, die laut der Tiroler Tageszeitung (TT) um 1.900 Tage zu spät kommt und diese, der Politik nicht ersparen wird, „Farbe zu bekennen, ob sie den bisherigen TIWAG-Kurs für richtig hält und wo sie Kraftwerke forciert (…) ohne weiter Zeit zu verplempern“ (vgl. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090520_OTS0009; TT Abruf: 02.02.2010). Trotz dieser provokanten Aussage in der TT dauerte es wiederum ein halbes Jahr, bis die Tiroler Landesregierung im Dezember 2009 bekannt gab, dass sie ein interdisziplinäres Expertenteam beauftragen will, um einen Entwurf eines Kriterienkataloges auszuarbeiten, welcher zur Bewertung einer integrativen und sinnvollen Nutzung des vorhandenen Wasserkraftpotenzials 102 Die Wasserkraft herangezogen werden kann. Der Entwurf wurde vom interdisziplinären Expertenteam erstellt und zur Finalisierung des Kriterienkatalogs lud die Tiroler Landesregierung alle Interessierten ein „bis 28. Februar 2010 ihre fachlichen Anregungen zum Kriterienkatalog-Entwurf schriftlich per Email mitzuteilen“ (Amt der Tiroler Landesregierung 11.12.2009, 1-3). Bis zu diesem Zeitpunkt gingen Landesregierung ein. Miteinbeziehung der an Die die 300 TIWAG Vorschläge sah ihre bei Projekte Interessensgruppierungen und der Tiroler durch der die Anti- Wasserkraftwerks-Aktivisten gefährdet und lies in einer Stellungnahme mitteilen, dass der „Entwurf im Falle einer Beschlussfassung den weiteren angemessenen Ausbau der Wasserkraft in Tirol erheblich erschweren bzw. letztlich verhindern“ würde. Außerdem „konterkariere“ der Entwurf die Ziele der Energiestrategie 2020 und die „Gewichtung der Energiewirtschaft mit lediglich 25 Prozent Relevanz ist laut Tiwag-Chef eine Absage an den Wasserkraftausbau in Tirol“ (vgl. http://www.dietiwag.org/index.php?id=3160; Abruf: 03.05.2010). Das Vorbringen dieser Argumente Seitens der TIWAG verfehlte nicht seine Wirkung bei der Tiroler Landesregierung und führte zu einer Einladung der TIWAG zur Mitarbeit bei der Ausgestaltung des Kriterienkatalogs. Dieser soll im Sommer 2010 finalisiert werden kann festgestellt (vgl. TT www.tt.com; Abruf: 09.07.2010). Grundsätzlich werden, dass die Wasserkraft der wesentliche Baustoff des Unternehmens TIWAG darstellt. Die Erzeugung von Spitzenstrom, der gegen Bandstrom mit den deutschen Energiepartnern getauscht wird, ist der Grundpfeiler für die Versorgungssicherheit Tirols mit Elektrizität. Um diese Versorgungssicherheit auch weiterhin zu gewährleisten und nicht in eine Importabhängigkeit zu verfallen, versucht die TIWAG weitere Kapazitäten des kostbaren „weißen Goldes“ zu erschließen. Die Kraftwerksgegner sehen im Ausbau der Tiroler Wasserkraft nur eine Möglichkeit, möglichst viel Geld in die Unternehmens- und Landeskasse zu spülen. Von der Unternehmensseite her wird der Ausbau der Wasserkraft allerdings mannigfaltig gerechtfertigt. Einerseits sieht man die Notwendigkeit der Erschließung dieser heimischen Ressource, um sich 103 Die Wasserkraft von der Importabhängigkeit zu lösen und um sich andererseits vom fossilen-atomaren Energiemarkt abzunabeln. Auch der Klimaschutz, durch die CO2-freie Wasserkraftnutzung, wird immer wieder als Argument auf den Plan gerufen. Diese Motivationen sind durchaus gerechtfertigt und klingen in der Theorie auch einleuchtend, aber es muss auch berücksichtigt werden, dass der Bau von weiteren Wasserkraftwerken für Umwelt, Tourismus und Standortgemeinden eine große Belastung bedeutet. Von Seiten der TIWAG wird immer betont, dass ein „vorsichtiger Ausbau der heimischen Wasserkräfte gewährleistet“ (Medienmitteilung TIWAG, 10.07.2007) wird, aber diese Aussagen werden von den Gegnern nur als leere Versprechungen wahrgenommen, seit dem sprichwörtlichen Ausverkaufs der Heimat mittels des „Cross-Boarder-Leasing“ durch die TIWAG. 7.2. Die SEL AG Durch das Studium der Holdingstruktur der SEL AG wird schnell klar, dass die meisten Tochterfirmen des Unternehmens im Bereich der Elektrizitätswirtschaft tätig sind: „die Ausübung der elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeit gemäß dem Art. 1 des D.P.R. vom 26. März 1977 Nr. 235, im Rahmen der gesetzlichen Grenzen des Gesetzesvertretenden Dekretes vom 11. November 1999, Nr. 463, und zwar, die Erzeugung, die Ein- und Ausfuhr-, den Transport, die Umwandlung, die Verteilung sowie den An- und Verkauf von elektrischer Energie, aus welcher Art der Energieträger diese auch immer gewonnen wird“ (Satzung SEL AG, Art. 3). Im Laufe ihrer kurzen operativen Geschäftstätigkeit hat sich die SEL AG bereits eine Vielzahl an strategischen Partnerschaften gesichert und sich vor allem an der Planung, dem Bau und dem Betreiben von kleineren bis mittleren Wasserkraftwerken in Südtirol beteiligt. Das Hauptaugenmerk lag jedoch immer schon auf der Rückholung der großen Wasserkraftwerke, die von den ehemaligen Staatsmonopolbetrieben EDISON und ENEL besetzt sind. Um sich das „weiße Gold“ langfristig zu sichern bzw. bereits vor Ablauf der Konzessionen Einfluss darauf zu nehmen, setzte sich die SEL AG mit dem Energieriesen EDISON, mit welchem sie bereits das Kraftwerk Kastelbell und Glurns-Schluderns betreibt, an einen Verhandlungstisch. Die Rückholung der Wasserkraft wurde vor allem deshalb favorisiert, weil es 104 Die Wasserkraft nach jahrzehntelanger Nutzung ohne Bindung an das Territorium, endlich die Möglichkeit einer Beteilung, durch die Landesgesellschaft SEL geben sollte. Die Verhandlungen zwischen SEL AG und EDISON waren positiv und am 11. April 2008 erwarb die SEL, mit Hilfe eines Landesdarlehens von 178 Mio. Euro rund 60% an sieben EDISON Kraftwerken, welche in die gemeinsame Gesellschaft HYDROS AG flossen. Durch diesen Deal produziert die SEL nun jährlich 600 Mio. kWh und überholte damit den größten, lokalen Stromproduzenten ETSCHWERKE, der ein jährliches Produktionsvolumen von ca. 500 Mio. kWh aufweisen kann (Dolomiten 02.04.2008, 15). Ähnlich erfolgreich gestaltete sich die Verhandlung mit dem ENEL, welche am 20. Oktober 2009 in die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft mündete, deren Name SE HYDROPOWER GMBH erst nach zahlreichen Konflikten zwischen der SEL, dem Land und den Gemeinden, am 1. Juni 2010 präsentiert wurde. Die Beteiligungsverhältnisse, hier ebenfalls 60% SEL und 40% ENEL. Das ENEL ging diesen Deal vor allem deshalb ein, weil sie sich durch das Ablaufen ihrer zwölf Konzessionen im Jahr 2010 und 2011 und den nicht rosigen Aussichten auf einen Gewinn des öffentlichen Wettbewerbs mangels guter Umweltpläne ihre Position am Südtiroler Stromkuchen langfristig absichern wollten. Dieselben Motivationen und die Aussicht auf Schadensbegrenzung beim Verlust ihrer Elektrizitätswerke veranlassten auch EDISON die Kooperation mit dem Landesbetrieb einzugehen, um sich auch weiterhin langfristig beim Südtiroler Stromkuchen beteiligen zu können. Das Land und die SEL AG sehen in diesen beiden Partnerschaften einen „tollen Deal“, vor allem bedeutet „Wasserkraft für Südtirol mehr als nur Strom.“ Um eine „autonome, sichere und ökologische Versorgung mit Energie zu gewährleisten bzw. auf die Tarifpolitik einzuwirken“, (Radius 07/2008, 12) sei eine Elektrizitätsversorgung durch die Landesenergiegesellschaft von Vorteil. „Damit können wir der Wirtschaft und den Familien, noch günstigere Strompreise anbieten. Bereits jetzt gehören die Preise der SEL AG zu den niedrigsten Preisen im gesamten Staatsgebiet“ (Hinterwaldner, 16/2008, 36). 105 Die Wasserkraft Im Vergleich mit den Energieriesen ENEL und EDISON wird diese Argumentation stimmen, denn die SEL bietet einen langfristig günstigen Familientarif (Angebot: FamilienPlus) an, welcher gleich bleibende Sonderkonditionen und Abschläge auf Jahre hin unverändert garantiert, wohingegen die großen italienischen Energieunternehmen vermehrt mit kurzfristigen Angeboten werben, die sich langfristig gesehen aber nicht rechnen. Mit den Strompreisen der lokalen Südtiroler Energiegenossenschaften kann die SEL AG aber nicht mithalten. Dies zeigte ein Preisvergleich, der Ende Jänner 2010 in der Tageszeitung Dolomiten veröffentlicht wurde. Das Berechnungsbeispiel vergleicht einen Jahresverbrauch von 2.700 kWh einer Familie mit einem Kind. Bezahlt die Familie mit dem SEL Angebot 394,25 Euro, so kann dieselbe Familie, vorausgesetzt, sie ist wohnhaft in der Gemeinde Prad a. Stilfserjoch, als Mitglied vom E-werk Prad ihren Strom um 338,66 Euro beziehen. Noch günstiger ist der Tarif für die Mitglieder der EUM Gen. Moos i. P., wo die Familie gerade einmal 183 Euro bezahlen müsste (Dolomitenb 30./31.01.2010, 17). Wie kann das Land also von einem Vorteil durch die SEL sprechen, wenn doch die lokalen Mittel- und Kleinproduzenten die günstigeren Stromangebote haben, als die SEL, die nun durch ihre Partnerschaften zum größten Stromproduzenten im Land mutiert ist? Georg Wunderer ist der Obmann des Raiffeisen Energieverbandes, welcher als Interessensvertretung von 110 lokalen Energieproduzenten und – Verteilern fungiert. Er sieht das Problem bei der SEL vor allem in ihrer Aktienstruktur. Eine AG oder eine GmbH ist immer eine Kapitalgesellschaft und will natürlich immer einen Gewinn machen, unabhängig davon, ob der Besitzer nun das Land oder ein Privater ist. Er sieht auch nicht die Lösung in einer Ausgabe von Volksaktien, weil auch das immer nur Kapitalgeber sind, die einen Rückfluss, einen Gewinn vom Unternehmen verlangen. Günstig kann der Strom nur dann sein, wenn nach dem genossenschaftlichen Gedanken der billige Strom im Zentrum steht (vgl. Dall’O 16/2008, 38). Die Ex-Landtagsabgeordnete der GRÜNEN Christina Kury betont, dass sie damals, als die SEL Gründung im Landtag beschlossen wurde, auch dafür 106 Die Wasserkraft gestimmt habe. Das Abschöpfen der Energie im Land selbst sei ein gutes Argument gewesen und sie hoffte, dass dadurch die alten Monopolgesellschaften vermehrt eingebremst würden. Diese Hoffnung hätte sich allerdings nicht bewahrheitet, denn das „präpotente Auftreten“ der SEL hat ihre Meinung grundlegend geändert. Kury geht sogar so weit und sagt: „Anstelle des Staatsmonopols ist das SEL Monopol getreten“ (Kury 14.12.2009). Kury kritisiert vor allem das Verhalten der SEL in Bezug auf ihre strategischen Partnerschaften. Die SEL hat sich, anstatt sich für einen Zusammenschluss mit den Südtiroler Energieproduzenten (z.B. mit den Etschwerken, Stadtwerken) einzusetzen, sich lieber mit den großen Monopolisten an einen Verhandlungstisch gesetzt. Hier habe man vor allem die Gemeinden „brutal hinausgesperrt“. Als Beispiel nennt sie die Kraftwerke in Glurns und Kastelbell. Bei den neuen Verhandlungen mit dem ENEL sei wieder ohne das Übereinkommen mit den Gemeinden verhandelt worden und diese „präpotente Übervorteilung“ der SEL, die mit dem „massiven Geld des Landes“ natürlich einen viel größeren Spielraum hat, als die kleineren Betriebe, fördert „das Aufkommen großer Aggressionen“ gegen den Landesbetrieb. Eine Zusammenarbeit, wie sie ursprünglich einmal geplant war, sei durch dieses „präpotente Auftreten“ einfach schwierig geworden (vgl. Kury 14.12.2009). Um die SEL aus diesem Image des übervorteilten Landesbetriebes bzw. Landesmonopols herauszuführen, wurde die Diskussion verstärkt in Richtung Direktbeteiligung von Gemeinden und Bürgern geleitet. Nachdem bereits nach dem EDISON-Deal 2008 die Stimmen um eine solche Direktbeteiligung an der SEL laut wurden, man zu diesem Zeitpunkt aber immer noch abwartend in Richtung ENEL Konzessionen blickte, kann die Diskussion nun nicht mehr abgewendet werden. Die Gemeinden wollen am gewinnträchtigen Südtiroler Stromkuchen mitnaschen und auch die Art der Beteiligung am Landesenergieunternehmen durch den Bürger rückt immer weiter in den Mittelpunkt. Die (Vinschger) Gemeinden sind vor allem durch die beiden Mandatare der SÜDTIROLER VOLKSPARTEI (SVP) Sepp Noggler und Arnold Schuler (beide aus dem Vinschgau) in der Diskussion um die Großwasserableitungen im 107 Die Wasserkraft Landtag sehr gut vertreten. Die beiden „SVP-Rebellen“ stellen sich seit Beginn ihrer Mandatszeit in den Dienst der Interessensvertretung der Vinschger Standortgemeinden, was Landesrat Laimer und LH Durnwalder eher kritisch bewerten. „Noggler und Schuler sind bald mehr bei der Opposition als bei der Mehrheit“ wurde LR Laimer zitiert (Dolomiten 28.10.2009, 15). In der Gesetzgebungskommission des Landtages versenkten die beiden zusammen mit der Opposition zwei, für die Landesenergiegesellschaft wichtigen Passagen des Entwurfes zum EnergieOmnisbus Gesetz. Durch den ersten Passus wollte die Landesregierung die provisorische Konzession für die SEL-EDISON am Haidersee und Langtaufers in eine fixe Konzession umwandeln, was aber mit der Begründung, dass diese bereits 1998 verfallen sei und dadurch neu auszuschreiben ist, von den „SVP-Rebellen“ blockiert wurde. Der zweite Passus, der ebenfalls einen Vorteil für die SEL AG bedeutet hätte, aber ebenfalls von Noggler und Schuler versenkt wurde, betraf den Antrag des Landes über eine kostenlose Übergabe der Kraftwerksanlagen vom Staat an die Konzessionäre (z.B. SEL-EDISON oder SEL-ENEL). Diese „ungute Wadenbeißerei“ wurde innerhalb der Partei natürlich aufs äußerste verurteilt, aber Noggler und Schuler argumentierten „Augen zu und durch, wie das Land will, geht mit uns nicht. Wir wurden nicht zum Handaufheben gewählt“ (ebd.). Um nicht einen wirtschaftlichen Verlust zu riskieren, bzw. den politischen Frieden zwischen Gemeinden und Land vor den Gemeinderatswahlen 2010 zu gefährden, setzte man sich im Dezember 2009 an einem runden Tisch zusammen, um die Aufteilung am Südtiroler Stromkuchen zu diskutieren. Die Gemeinden, die weitestgehend geschlossen auftraten, verlangten vor allem „Einsicht in die Verträge der SEL mit EDISON und ENEL“, um in der Folge „Spielräume auszuloten und Strategien zu entwickeln“ (Dolomiten 02.12.2009, 15). Das Fahren einer einheitlichen Linie bei den Gemeinden wurde von LR Laimer begrüßt und man wich vom Plan ab, die Gemeinden lediglich bei einer Tochtergesellschaft der SEL zu beteiligen und bot ihnen statt dessen „einen Einstieg bei der Holding an, damit sie bei allen strategischen Entscheidungen dabei sind“ (ebd.). Das Angebot des Landes gegenüber den Gemeinden lässt sich sehen. „Die Landesregierung hat sich 108 Die Wasserkraft ernsthaft bewegt. Das muss man anerkennen“, meinte der Chef des Gemeindenverbandes Arnold Schuler, als LR Laimer und LH Durnwalder eine 20 Prozentbeteiligung am Aktienpaket der SEL-Holding inklusive Stromverteilung als Zuckerl oben drauf packten. Allerdings wurden den Gemeinden immer noch die Einsicht in die Verträge zwischen SEL und EDISON bzw. SEL und ENEL verwehrt (vgl. Dolomiten 12./13.12.2009, 15). Auf Druck der Landtagsabgeordneten, und zwar parteienübergreifend, sah sich LR Laimer Ende Jänner gezwungen, den Gemeinden die Inhalte der Verträge zwischen der SEL und den ehemaligen Monopolisten zu erläutern. Aushändigen wollte der Landesrat die Verträge allerdings nicht, was beim damaligen Gemeindenverbandschef Arnold Schuler auf Unverständnis stieß. Inmitten der Diskussion um die Beteiligung der Gemeinden an der SEL bzw. der Stromverteilung im Lande nach der Konzessionsvergabe präsentierten die beiden SVP Landtagsabgeordneten Noggler und Schuler der Öffentlichkeit ein neues Stromkonzept, welches einen Weg zu günstigeren Stromtarifen aufzeigt. Dieses Konzept, wurde mir bereits im Rahmen meines Interviews (am 16.12.2009) vom Energieexperten Georg Wunderer erläutert und baut auf dem genossenschaftlichen Gedanken auf, um in erster Linie günstige Tarife für die Mitglieder zu ermöglichen. 109 Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip 8. Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip Am 08. Jänner 2010 präsentierte die Tageszeitung Dolomiten ein Leserforum, bei welchem die Südtiroler Dolomitenleser ihre Meinung zum Thema: Volksaktien bei der SEL oder billigeren Strom für die Bürger, kundtun konnten. Das Fazit war eindeutig. „Billigeren Strom für alle“ forderten Herr und Frau Südtiroler und keine Volksaktien, denn diese „können sowieso nur die kaufen, die eh schon viel haben“ (Dolomiten 08.01.2010, 14). Diesen Ansatz greift das Strommodell, welches von Georg Wunderer entworfen und von den Landtagsabgeordneten Noggler und Schuler präsentiert wurde, auf. Das Modell der Beteiligung an der Aktiengesellschaft SEL ist laut Wunderer nicht die Lösung; nicht für die Gemeinden und schon gar nicht für den Bürger. „Wenn man etwas ändern will, dann muss man das Konzept anders machen“ (vgl. Wunderer 16.12.2009). Die SEL AG kann dem Bürger zwar günstige Tarife anbieten, diese können aber niemals so günstig sein wie jene einer Genossenschaft und dies aus zweierlei Gründen. Eine Aktiengesellschaft, welche Strom verkauft, ist einer sehr hohen Besteuerung ihres Strompreises unterworfen, und zweitens ist die Trennung zwischen Produktion und Verteilung nach einheitlichen europäischen Richtlinien vorgeschrieben. Die Besteuerung des Strompreises fällt für Genossenschaften um einiges günstiger aus, denn sie dürfen laut Gesetz keinen Gewinn machen und sind deshalb in der Lage, ihren Mitgliedern den Strom zum Selbstkostenpreis zu verkaufen. Auch die Trennung zwischen Produktion und Verteilung ist bei den Genossenschaften nicht angewandt worden, weil sie laut Bersani Dekret Art. 2 „per la quota dei soci sono autoproduttori e autoconsumatori“13 (ebd.). Für die Nicht-Mitglieder hat die Genossenschaft aber das Recht, einen Verteilerdienst auszuüben und schließt diese nicht aus, sondern beliefert sie zu einem etwas höheren Tarif. Die Mitgliedschaft ist allerdings für jeden offen und die Beitrittsquote fällt 13 Die Produktion und Verteilung erfolgt für die Mitglieder in Form der Eigenerzeugung und Eigenverbrauchs. (Freie Übersetzung der Autorin) 110 Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip bei einem Familienanschluss von 3 kWh äußerst gering aus (vgl. Dolomitena 14.01.2010). Vor allem die Trennung von Produktion und Verteilung, das so genannte Unbundling, welches Energiemarktes im eingeführt Zuge der wurde, Liberalisierung ist Schuld an des den europäischen immer teurer werdenden Strompreisen. Eingeführt wurde dieses System, um bei den ehemaligen Monopolsektoren wie z.B. Energie, Telekommunikation usw. einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern zu ermöglichen. Dies wiederum hätte nach den Regeln des freien Marktes zu niedrigen Preisen für den Konsumenten führen sollen. Die Regeln des freien Marktes konnten sich, vor allem im Energiesektor, nicht durchsetzten, weil es zu einer Spaltung des einstigen homogenen Systems gekommen ist. Der Produzent ist jetzt nicht mehr am Verbraucher orientiert, sondern will seinen produzierten Strom zu einem möglichst hohen Preis an der Strombörse verkaufen. An der Strombörse kaufen und verkaufen die so genannten Trader den Strom und auch diese wollen ihren Gewinn dabei machen. Am Ende der Kette stehen die Verteiler, die durch Gesetze stark beschränkt werden und die im ganzen Staatsgebiet den Strom zu den gleichen Konditionen verteilen müssen, was dazu führt, dass die Netze in den ländlichen Gebieten, die mit hohen Kosten verbunden sind, für den Verteiler unrentabel geworden sind und hier eine große Anfälligkeit bei der Versorgungssicherheit entsteht. Genau diese Kette von Subjekten, die nur am Gewinn orientiert sind, gilt es zu durchbrechen, und das ist nur möglich durch ein neues Stromkonzept (vgl. Wunderer 16.12.2009). Dieses sieht eine Einteilung Südtirols in vier Verteilergenossenschaften vor und zwar die Verteilergenossenschaft Vinschgau, Etsch, Eisack und Rienz. Die Verteilergenossenschaften sind so aufgeteilt, dass die bereits bestehenden Verteiler, wie Etschwerke, Stadtwerke Brixen, Stadtwerke Bruneck und das Vinschger Energiekonsortium, diesen Dienst übernehmen könnten. Jede Familie, Dienstleistungsbetrieb, Gewerbetreibender und Landwirtschaftlicher Betrieb haben die Möglichkeit, sich der Verteilergenossenschaft anzuschließen und dadurch eine Direktbeteiligung zu erlangen, d.h. sie können selbst mitbestimmen, denn jedes Mitglied hat 111 Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip auch eine Stimmberechtigung bei den wichtigen Abstimmungen in der Hauptversammlung. Das Verteilernetz, das dem Land vom ENEL übergeben wird, sollte den Gemeinden zum halben Preis verkauft werden bzw. wenn die Gemeinden kein Interesse am Verteilernetz haben, der Verteilergenossenschaft verkauft werden. Zum jetzigen Zeitpunkt existieren in Südtirol 65 Verteiler. Um diese Anzahl zu reduzieren, wie es im Verteilerplan des Land gefordert wird, könnten die kleineren Verteiler bzw. die Gemeinden, die zwar ihr Netz behalten, den Verteilerdienst selbst aber nicht ausführen wollen, das Netz an die Verteilergenossenschaft verpachten und dadurch sämtliche bürokratischen Zuständigkeiten abtreten. Das System der Verteilergenossenschaften Stromverteilungszone sowohl den bietet Gemeinden, als innerhalb der auch den lokalen Verteilern, den Bürgern und Betrieben ihre Kooperation an und arbeitet vor allem nicht gewinnorientiert. Damit das System auf genossenschaftlicher Basis funktioniert ist die Beteiligung bzw. der Besitz der Produktion unabdingbar, damit die Genossenschaft im Sinne der Eigenproduktion und des Eigenverbrauchs handeln kann. Hier kommen die Produktionsanlagen der SEL AG ins Spiel. „Laut Verträge mit dem ENEL hat die SEL das Recht, große Mengen an Elektrizität zum Selbstkostenpreis zu bekommen“ (Dolomitena 14.01.2010, 13). Dieser Strom könnte von der Genossenschaft direkt an den Bürger weitergegeben werden. Das System der Verteilergenossenschaften sieht eine Beteiligung an den Großwasserableitungen wie folgt vor: • 20% Land • 20% Gemeinden • 30% Verteilergenossenschaften • 18% Lokale Energieunternehmen • 12% Private Aktionäre Um die vier Genossenschaften zu vernetzen, benötigt es auch zentrale Stellen. Unter anderem sollte ein Trader eingerichtet werden, welcher den Lastregelungsdienst bzw. den Stromhandel koordiniert. Außerdem sollte ein zentraler Landesstromkoordinator eingerichtet werden, welcher die zentralen Dienste, wie z.B. ein Kompetenzzentrum, Messdatenauslese, Lager und Fortbildungen organisiert. 112 Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip Die Rolle der SEL AG bzw. des Landes im neuen Genossenschaftssystem ist klar auf die Koordination bzw. Technische Wartung der Kraftwerke bzw. auf das Setzen der rechtlichen Rahmenbedingungen beschränkt. „Das Land sollte nicht Wirtschaft spielen. (…) Das Land kann sich mitbeteiligen an der ganzen Sache. Es hat aber die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen“ (ebd.). Vor allem der Interessenskonflikt zwischen Land als Organ, das die Ausschreibung und Vergabe von Konzessionen bestimmt, und als Mitbewerber im Wettbewerb durch die SEL, (auch wenn LH Durnwalder immer wieder betont, dass das Land alle Bürger sind) könnte in Zukunft zu Problemen führen. „Das Land will Schiedsrichter und zugleich Mitspieler sein. In einem Fußballspiel würde man von einem evidenten Interessenskonflikt sprechen“ (Dall’O 48/2009, 34). Vor allem seit die Vergabe der Konzessionen offiziell abgeschlossen ist, hagelt es Rekurse von allen Seiten. Die SEL reichte Rekurs gegen die Vergabe der Stromkonzession Mühlbach an den privaten Unternehmer Helmuth Frasnelli ein (vgl. Dolomiten 04.02.2009, 15). Helmuth Frasnelli konterte indessen mit einer strafrechtlichen Eingabe, was eine umfangreiche Kontrolle im Assessorat für Umwelt und Energie durch die Finanzwache zur Folge hatte. Frasnelli beanstandete, dass bei der Konzession St. Anton, um die er sich beworben hatte, „nicht alles rechtmäßig“ abgelaufen sei (vgl. Dolomiten 30./31.01.2010, 15). Die Etschwerke drohten bisweilen sogar mit einem Rekurs gegen die Durchführungsbestimmung zur Energie, wenn sie ihr Kraftwerk Töll an die SEL verlieren, welche die weitaus besseren Umweltpläne vorlegen konnte (vgl. Dolomiten 02.02.2010, 11). Auch die Gemeinde Martell will einen Rekurs einreichen, falls sie nicht eine 20% Beteiligung am Kraftwerk Martell vom Konzessionsgewinner SEL AG bekommt (Zett 24.01.2010, 2). Aus dem Streit zwischen Land Südtirol und ENEL bzw. EDISON hat sich ein interner Streit entwickelt, der vor allem eine Gefahr für die erworbenen Kompetenzen bedeutet. „Wenn jeder gegen jeden klagt, besteht nämlich die Möglichkeit, dass außergerichtlicher alles fliegt. Vergleich (…) wohl Angesichts besser“. 113 dessen Auch die wäre ein oberste Stromwirtschaftliches Konzept nach dem Genossenschaftsprinzip Wettbewerbsbehörde aus Rom hat sich bereits zum Konzessionswettbewerb gemeldet, denn auch hier hat man den Eindruck, dass es Absprachen gab und der Wettbewerb somit gar keiner war (ebd.). Vor allem die Konzessionsvergabe Polemik um zeigt, dass den die Interessenskonflikt Idee einer bei der genossenschaftlich organisierten Energiegesellschaft mit Beteiligung aller Subjekte durchaus prüfenswert ist. Die beiden SVP-Mandatare räumen ein, dass dieses neuartige Konzept zwar „eine organisatorische Herausforderung darstellt“, allerdings seien diese „technischen Hürden überwindbar.“ Auch SVPObmann Richard Theiner möchte das genossenschaftliche Modell einer ernsthaften Prüfung unterziehen (vgl. Dolomitena 14.01.2010, 13) und auch LR Laimer will den „Vorstoß seiner Parteikollegen prüfen lassen“ (Dolomitenb 14.01.2010, 13). Er gesteht den Genossenschaften ihre steuerlichen Vorteile zu, bemängelt allerdings den hohen bürokratischen Aufwand und glaubt, dass in einer landesweiten Dimension die Verwaltbarkeit einer Genossenschaft schwierig sein könnte. Summa summarum räumt der Energielandesrat ein: „Es ist schwierig, doch nicht unmöglich“ (vgl. ebd.). Energieexperte Georg Wunderer sieht in der Verwaltung einer Genossenschaft auf Landesebene keinerlei Probleme. In Amerika gibt es an die 850 große Genossenschaften, die Strom produzieren und verteilen. Die Genossenschaften werden immer in die Schublade der „Roten“ gesteckt, was aber nicht stimmen kann, wenn sogar im Land des Kapitalismus im Bereich der grundlegenden Versorgung auf dieses System gesetzt wird. Die Stromversorgung ist eine solche grundlegende Versorgung und „es ist sehr fraglich, sie dem Profitdenken zu unterwerfen“ (Dall’O 48/2009, 33). 114 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung 9. Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Die Vergleichsanalyse der beiden landeseigenen Energieversorger in Südtirol und Tirol hat gezeigt, dass die TIWAG in Tirol ähnlich wie die SEL AG in Südtirol auf der Grundlage der Wasserkraftnutzung gegründet wurde. Die TIWAG kann bereits auf eine jahrzehntelange Tradition in der Elektrizitätserzeugung und auf ein homogenes Versorgungsgebiet zurückgreifen, wohingegen die SEL AG ihre Position in einem bereits existierenden Produktions- und Versorgungssektor erst noch finden muss. Gesetzlich durch die Koordinationsbetrieb Durchführungsbestimmung vorgesehen, änderte sich 1977, diese einst Rolle bei als ihrer Gründung 1998 grundlegend. Das Land, in seiner Rolle als Haupteigentümer der SEL, sieht in dieser einen strategischen Betrieb, der für die Rückgewinnung der fremdbeherrschten Wasserkraft zuständig ist und der neben den kleinen Energieunternehmen im Lande als großer Landesbetrieb mit eigener Stromproduktion und –Verteilung auftreten soll. Die Herrschaft über die Wasserkraft bedeutet allerdings immer auch Geld und Macht und darum streiten sich nun alle Beteiligten. Die Gemeinden wollen am Südtiroler Stromkuchen genauso Anteil haben wie das Land, der Bürger fordert vom Landesbetrieb billige Stromtarife. Die SEL, in ihrer Rechtsform als Aktiengesellschaft strebt natürlich wie jede AG nach Gewinn, denn ohne Ausschüttung von Dividenden funktioniert eine solche Aktiengesellschaft nicht. Die Gewinnorientiertheit einer Aktiengesellschaft ist vor allem für den Dienst einer Grundlagenversorgung, wie sie die Elektrizitätswirtschaft darstellt, äußerst bedenkenswert. Das Prinzip des freien Marktes (Liberalisierung) welches davon ausgeht, dass der Wettbewerb unter mehreren Anbietern auch einen niedrigeren Preis zur Folge hat, brachte im Energiesektor keinen Erfolg. Die Trennung der verschiedenen Subjekte in der Wertschöpfungskette (Produktion, Verkauf und Verteilung) hat vielmehr dazu geführt, dass sich der Strompreis für den Endverbraucher verteuert hat, weil jedes Subjekt am Strom verdienen will. Die Orientierung am Konsumenten geht dadurch verloren. Diese Marktorientiertheit und dieses 115 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Verlangen nach einer guten Position auf dem Strommarkt zeigt deutlich das Beispiel der „Cross-Boarder-Leasing“ Verträge der TIWAG. Um neues Geld für Investitionen, für den Kraftwerksbau beschaffen zu können und sich dabei nicht zu verschulden, wurden bereits bestehende Anlagen an amerikanische Investorenfirmen verkauft und im selben Moment zurückgeleast. Was fiskalisch gesehen für eine AG durchaus lohnenswert erscheint, ist politisch gesehen für ein Unternehmen der öffentlichen Hand ein Fiasko, denn hier wurde das Eigentumsrecht an öffentlichen Anlagen, ohne Wissen und Beteiligung des Bürgers einfach verkauft. Ein solches Entscheidungsverhalten von Verwaltungsräten ist natürlich marktkonform und verhilft dem Unternehmen zu frischem Kapital, ohne sich dafür neu verschulden zu müssen, aber gegenüber der Öffentlichkeit ist ein solch spekulatives Verhalten Geheimverträge nicht vertretbar. Die durch Kraftwerksgegner hatte Veröffentlichung für dieser die TIWAG einen erheblichen Imageschaden in der Bevölkerung zur Folge und ist auch dafür verantwortlich, dass die Gegner immer wieder die Ausbaupläne der Tiroler Kraftwerke verzögern können. Grundsätzlich ist die Tiroler Landesregierung seit Ende 2009 bemüht, den Bürger, in die von ihnen bereits genehmigten Ausbaupläne zu involvieren, um eine größere Identifikation mit den Maßnahmen zu schaffen. Es wurde die Initiative „Entwurfs eines Kriterienkataloges zur Bewertung einer integrativen und sinnvollen Nutzung des vorhandenen Wasserkraftpotenzials“ ins Leben gerufen, bei welchem interessierte Bürger ihre Meinung äußern konnten und diese dann in den Kriterienkatalog eingearbeitet werden sollen. Ob diese Initiative ein positives Ergebnis zur Folge haben wird oder nicht, bleibt abzuwarten, denn die Einladung der Landesregierung zur aktiven Mitarbeit der TIWAG beim Entwurf, lässt vermutlich wenig kritische Meinung am Ausbau der Wasserkraft aufkommen. Der Schritt, den Bürger an einer so wichtigen öffentlichen Entscheidung teilhaben zu lassen, ist auf allerdings auf jeden Fall positiv zu bewerten. Auch die SEL AG hat durch ihr „präpotentes Auftreten“ (Kury, 14.12.2009) einen großen Imageschaden erlitten, welcher sich auch nicht durch die 116 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung verheißenen Direktbeteiligungen an der SEL durch Gemeinden und Bürger kitten lässt. Politische Vertreter, sowohl der Opposition als auch der SVP, kritisieren die Strategie der SEL, sich mit den ehemaligen Monopolbetrieben EDISON und ENEL in ein Boot zu setzen, anstatt sich mit den bestehenden lokalen Energiebetrieben, wie Etschwerke, Stadtwerke und den Gemeinden zu einigen. Ein weiterer Zielkonflikt liegt in der Problematik: Land Südtirol als Vergabeorgan von Konzessionen und Land Südtirol als Mehrheitsbeteiligter an der SEL, als Mitbewerber um diese Konzessionen zur Großwasserableitung. Diese Polemik ist nicht nur in den Augen der Mitbewerber eine Wettbewerbsverzerrung, sondern wird bereits durch die oberste Wettbewerbsbehörde in Rom untersucht. Falls die Untersuchungen zeigen, dass der Wettbewerb gar keiner war, sondern die Verwaltungsgremien das Landes willkürlich Entscheidungen zu Gunsten der SEL getroffen haben, könnte dies einen Entzug der hart erkämpften Kompetenz des Landes bedeuten, was ein Verlust für alle wäre. Unzufrieden mit der SEL AG ist auch der Bürger. Er kann zwar teilweise bereits durch das Familienplus Angebot relativ günstig Strom beziehen, doch zeigt der Vergleich mit den lokalen Energiegenossenschaften, dass diese ihren Mitgliedern einen weitaus günstigeren Stromtarif anbieten können. Die Direktbeteiligung durch Volksaktien, wie sie von LR Laimer und LH Durnwalder versprochen wurde, sobald der Großteil der Stromproduktion bei der SEL liege, steht laut Dolomiten-Umfrage vom 8. Jänner 2010 nicht im Interesse des Bürgers, weil dieser billigeren Strom den Volksaktien vorzieht. Alle diese Argumente zeigen, dass die 2. These dieser Diplomarbeit grundsätzlich verifiziert werden kann. Die Unternehmensform einer Aktiengesellschaft stellt sich grundsätzlich mehr in den Dienst des Marktes als in den Dienst des Bürgers. Die Regeln des Marktes sehen vor, dass am Ende des Geschäftsjahres ein Gewinn erwirtschaftet wurde, welcher dann durch die Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Im Falle der landeseigenen Energiegesellschaften bedeutet dies, viel Geld welches in den 117 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Landeshaushalt fließt Dienstleistungen und finanziert mit dem werden wiederum können. wichtige Dieser öffentliche Rückfluss ist grundsätzlich in Ordnung, hat aber zur Folge, dass der Bürger keinen unmittelbaren Erfolg erkennen kann. Der Bürger wünscht sich vor allem billigen Strom, was durchaus nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass dieser aus einer heimischen, öffentlichen Ressource gewonnen wird und deshalb günstiger angeboten werden könnte als Importenergie. Das Problem besteht hier aber in den rechtlichen Vorschriften, denen eine Aktiengesellschaft unterworfen ist. Der Strompreis der AG fällt in eine andere steuerliche Kategorie und die Trennung von Produktion und Verteilung, wie sie durch die Liberalisierung vorgeschrieben ist, lässt den Strompreis immer teurer werden, weil er einerseits zum Spekulationsobjekt verkommt und andererseits jedes Subjekt in der Wertschöpfungskette verdienen will. Alle diese Interessenskonflikte zwischen SEL AG, Land Südtirol, Gemeinden und Bürger, sowie die Problematiken der TIWAG, die ihre Position über Jahrzehnte in ihrem Markt ausbauen konnte und trotzdem mit großen Identifikationsproblemen zu kämpfen hat, zeigen, dass hier anstelle der marktorientierten Aktiengesellschaft eine Alternativlösung gesucht werden muss. Das öffentliche Gut (res publica) Wasser muss in Bezug auf Umwelt, Landschaft und Tourismus rücksichtsvoll für die Elektrizitätsgewinnung herangezogen werden, denn wenn jedes Fließgewässer in einen Stausee mündet, wäre dies ein irreversibler Schaden für die einzigartige Landschaft Tirols und Südtirols. Die Dienstleistung am Bürger durch die Energieversorgung muss vom Energieversorgungsunternehmen in erster Linie sicher und Stromversorgung kostengünstig durch die erfolgen. heimische Die Wasserkraft Absicherung ist durch der die topographischen Voraussetzungen sowohl nördlich als auch südlich des Brenners gegeben. Das einzige Problem, welches es zu lösen gilt, ist die vollständige Nutzung dieses Vorteils durch den Bürger, denn das Wasser gehört allen und somit sollte auch der Nutzen für alle spürbar sein. 118 Vergleichendes Resümee und Schlussfolgerung Um aus dem Dilemma des Marktes zu treten und die Stromversorgung in den Dienst des Bürgers zu stellen, wäre die Organisation der Elektrizitätsversorgung durch das genossenschaftliche Prinzip sinnvoll. Die Genossenschaft arbeitet grundsätzlich für ihre Mitglieder und zwar nach dem Konzept der Eigenproduktion und des Eigenverbrauchs. Die Teilung zwischen Produktion bzw. Verteilung, wie sie durch die Liberalisierung bei den AG’s Vorschrift ist, wurde bei den Genossenschaften nicht angewandt und dadurch arbeitet diese sozialverträglich und nicht nach den Logiken des Kapitalismus. Die Gewinne, die in den einzelnen Subjekten der Wertschöpfung gemacht werden, fallen weg und die Genossenschaft kann ihren Mitgliedern den Strom zum Selbstkostenpreis liefern. Sie arbeitet nicht defizitär, sondern kostendeckend und falls es trotzdem zu zusätzlichen Gewinnen kommt, fließen diese in die Elektrizitätswirtschaft zurück. Dadurch bleibt Geld für die Wartung der Netze, neuer technischer Innovationen und der Weiterentwicklung der Eigenständigkeit. Vor allem die Eigenständigkeit ist für die Gesellschaft des 21.Jhr. von großer Bedeutung, denn die Energieabhängigkeit nimmt immer weiter zu und nur jene, die selbst über Energie verfügen, können sich von Energieimporten und politisch unsicheren Lieferstaaten unabhängig machen. Der Grundstoff, auf dem die Elektrizitätswirtschaft in Tirol und Südtirol aufgebaut ist, ist das Wasser. Dieses überlebenswichtige Gut gilt es zu schützen und nicht den Regeln des Marktes bzw. dem Ausbeuten durch die Konsumgesellschaft zu unterwerfen. Ein umsichtiger Umgang bzw. eine nachhaltige Nutzung des „weißen Goldes“ sollte das Grundprinzip einer jeden Unternehmensphilosophie bzw. Energiepolitik sein. „Es ist nicht so, dass man Dich zum Leben braucht. Du selbst bist das Leben. Du bist der köstlichste Besitz dieser Erde. Du schenkst uns ein unbeschreiblich einfaches und großes Glück.“ - Antoine de Saint-Exupèry - 119 Literaturverzeichnis 10. Literaturverzeichnis Amt der Tiroler Landesregierung (11.12.2009): Wasserkraft in Tirol. Evaluierung der weiteren Nutzung der Wasserkraft in Tirol. Pressemitteilung. Innsbruck Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (10.11.2001): Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates der EU vom 8. 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Georg Wunderer Obmann des E-werk Prad und des Raiffeisenenergieverbandes; Energieexperte Persönliches Interview im Büro des E-werk Prad 16.12.2009 um 14.30 Uhr Südtiroler Maria Scheiber Landtagsabgeordnete im Tiroler Landtag; Umweltsprecherin der GRÜNEN Tirol Persönliches Interview im Cafè Central in Innsbruck 07.12.2009 Nordtirolerin Markus Wilhelm Aktivist im Kampf gegen den Ausbau der Wasserkraft in Tirol Schriftliche Stellungnahme 07.12.2009 Nordtiroler Dr. Georg Zingerle und Stephan Oblasser Leiter der Projektarbeitsgruppe zur „Tiroler Energiestrategie 2020“ und Energiebeauftragter des Landes Tirol Schriftliche Beantwortung 02.01.2010 Nordtiroler Dipl.-Ing. Mainusch Helmut Geschäftsführer der Stadtwerke Schwaz GmbH Schriftliche Beantwortung Per E-Mail 22.01.2010 Nordtiroler Anhang 11.2. Interview mit Dr. Michl Laimer, Landesrat für Raumordnung, Energie und Umwelt der Autonomen Provinz Bozen Was sind die Aufgaben, Ziele und Perspektiven in der Südtiroler Energiepolitik und was gilt es zu erreichen? Ziele der Energiepolitik sind: 1. größere Unabhängigkeit von Importen, 2. Versorgungssicherheit, 3. saubere Energie und 4. zu moderaten Preisen; darüber hinaus wollen wir als längerfristiges Ziel als Land Südtirol co2 – neutral werden – der Weg führt über die intelligente Nutzung der Energie (= Energie sparen), die Effizienzsteigerung und die Nutzung der Alternativenergie. Welche politischen Instrumente stehen in Südtirol zur Verfügung um die gesetzten Ziele zu erreichen? Sensibilisierung, Information, gesetzlichen Rahmenbedingungen, Anreize finanzieller Natur und Anderer (= Kubaturbonus) – Klimaschutz als Leidenschaft, als Ausdruck von Verantwortung, als Qualitätssprung vermitteln – junge Menschen einbinden. Welche Rolle kommt der SEL AG, im Rahmen der Südtiroler Energiepolitik zu? Die SEL nimmt im so wichtigen Bereich wie der Wasserkraft eine zentrale Rolle ein – die Wasserkraft ist unser natürlicher Reichtum – er war über Jahrzehnte fremdbestimmt- nun soll dieser bereich wieder in heimische Hände kommen zum Vorteil aller (Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft, Versorgungssicherheit mit sauberer Energie zu moderaten Preisen) Welche Auswirkungen haben die europäischen Richtlinien über die Liberalisierung der Netzgebundenen Energie auf Südtirol? Wie reagiert man auf die Richtlinien zur Privatisierung von Daseinsversorger wie z.B. der SEL AG? Die Liberalisierung darf nicht mit der Privatisierung verwechselt werden – das eine ist Marktöffnung – das andere Änderung der Eigentümerstruktur – die Liberalisierung hat den Menschen nicht unbedingt viel gebracht, da wirken noch zu sehr die großen Stromgiganten in den Markt hinein – die Gefahr beseht, dass durch die Privatisierung Randgebiete eine schlechtere Versorgung erhalten, daher wird die Stromversorgung immer mehr zu einer öffentlichen Aufgabe – die SEL wird daher ganz besonders durch die Liberalisierung und Privatisierung ein wichtiger Träger einer gleichmäßig guten Stromversorgung werden. Wie bewerten Sie den Trend von Gemeinden wie z.B. Prad am Stilfser Joch die sich teilweise schon energieautonom versorgen? Sind diese ein Vorbild für die Südtiroler Energiepolitik? Es sind schon viele Gemeinden in unserem Land, die den Weg in die energetische Eigenständigkeit gehen – das ist gut so – wir haben als Land das Ziel co2-netural zu werden – das geht nur wenn alle (Gemeinden, Bürger…) mitwirken. In Nordtirol wird immer noch verstärkt auf die Wasserkraft gesetzt und nicht wie in Südtirol eine weitreichende Alternative in einem Energiemix verfolgt. Warum glauben Sie steckt sich Anhang Südtirol in Bezug auf eine Energieautonomie höhere Ziele als Nordtirol? Südtirol hat in punkto Klimaschutz eine große Leidenschaft entwickelt – das Klimahaus, die Biomassefernheizwerke, Solarenergie, Photovoltaik, Geothermie, Biogas usw. sind zur gelebten Realität geworden aber auch zu einem großen und interessanten Wirtschaftsfaktor geworden – Klimaschutz ist nicht Ausdruck von verzicht, sondern ist ein Qualitätssprung, Ausdruck von Lebensfreude. 11.3. Interview mit Dr. Christina Kury, Energieexpertin der Partei DIE GRÜNEN – I VERDI. Langjährige Landtagsabgeordnete im Südtiroler Landtag Wie stehen Sie bzw. Ihre Partei zur aktuellen Südtiroler Energiepolitik? Ich glaube, erstens dass für Südtirol bzw. für die Grünen die Energiepolitik ein sehr wesentliches Thema ist für die Zukunft. Das ist glaube ich klar und muss ich nicht länger ausführen. Das Südtirol aufgrund das es ein Alpenland ist insofern sehr große Vorteile hat, aufgrund der großen Wasserressourcen die wir haben und das es mich oft ärgert wenn wir, was weiß ich für große Vorreiterfunktionen offiziell einnehmen, laut Laimer. Wo wir hier wissen, dass hier natürlich der Großteil der erneuerbaren Energien aus Wasserkraft kommt und wir als Alpenland natürlich nicht nur alleine für uns vermarkten dürfen sondern das dies einfach ein geographischer Vorteil ist und das Wasser jetzt ganz generell in die Energiepolitik, sagen wir national bzw. europaweit zu Buche schlagen müsste. Also nicht nur alleine für uns zu gelten hat. Energiepolitik in Südtirol hat, und jetzt reden wir mal von den positiven Seiten, hat bereits vor Jahren mit dem „Klimahaus“ begonnen. Das wird sehr gut vermarktet. Ich denke das kann vor allem als Vorreiterrolle für Italien gelten, weil die Italiener da einfach einen riesigen Rückstand haben. Das „Klimahaus“ ist gewiss positiv zu bewerten. Wir hätten allerdings gerne, anstatt nur des Klimahauses, eine Energieagentur die einfach ein bisschen weiter reicht als nur das Klimahaus. Was positiv ist, ist das man langsam darüber nach denkt wie man Altbausanierungen macht, weil natürlich beim Heizen hier ein enormes Einsparpotential da wäre. Das beginnt man allerdings erst in den letzten Zeiten. Aus unserer Sicht, aus der Sicht der Grünen, ist es sehr populistisch das man diese Altbausanierungen mit Kubatur Bonusse verbindet. Hier steht die Frage allerdings im Raum, wenn ich hier wild verbaue bzw. aufbaue ohne organisches System, ist natürlich nicht im Sinne einer organischen Raumordnung. Da herrscht noch ein großes Problem in Südtirol, die so genannte RaumUNordnung. Dies prangere ich schon an, seit ich da aktiv bin, weil hier ein großes Energieeinsparungspotential da wäre. Beim Thema Verkehr haben die Südtiroler ihre Hausaufgaben noch lange nicht gemacht. Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen „Land“ und SEL AG? Anhang Ich muss sagen, also vor 10 – 15 Jahren, als das Gesetz verabschiedet wurde, dass die Energie möglichst im Lande abschöpft wird, dann habe ich dafür gestimmt. Ich habe mir gedacht, das ist ein guter Ansatz um die alten Monopolgesellschaften ein bisschen einzubremsen. In der Zwischenzeit hat man einfach durch die Art und Weise wie diese SEL AG gegründet worden ist, die Leute die da das sagen haben, absolut nicht von der Energiekompetenz her gekommen sind, sondern vor allem von der politischen Realität her gekommen sind. Vor allem aber auch das präpotente Auftreten der SEL AG, hat leider Gottes meine Meinung geändert. Es ist im Grunde anstelle des Staatsmonopols das SEL Monopol getreten und ich bedaure das. Wir haben immer gesagt es bräuchte einen Zusammenschluss aller Energieproduzenten in Südtirol. Sei es auf kommunaler Ebene, Etschwerke, Stadtwerke aber auch von mir aus mit Privaten drinnen. Das diese zu einem loyalen und fairen Zusammenschluss kommen mit einer fairen Beteiligung auch am Mehrwert und das man da versucht gemeinsam was zu tun. In Wirklichkeit hat man die SEL vor allem gegen diese ausgenützt, um diese hinaus zu sperren und nicht so sehr die großen Monopolisten wie Edison und Enel. Mit denen hat die SEL nämlich ein wunderbares Verhältnis gefunden. Das ist schon sehr verwunderlich dass es offensichtlich leichter ist sich mit der Edison zu einigen z.B. über die Kraftwerke im Vinschgau: Glurns, Kastelbell betrifft, wo man tatsächlich die Gemeinden sehr prutal hinaus gesperrt hat. Aber auch mit den neuen Verträgen mit dem ENEL hat man mit den Gemeinden kein Übereinkommen getroffen, aber auch nicht mit den anderen, so traditionsreichen Betrieben wie den Etschwerken. Bozen und Meran haben ja die Etschwerke, die über 100 Jahre ein Vorzeigeunternehmen sind und auch ein gewisses Know-How haben. Da herrscht keine Zusammenarbeit. Man will im Grunde diese Betriebe nur hinaus beißen. Da haben wir natürlich große Bedenken, weil natürlich die SEL AG einfach ihren Vorteilstatus präpotent ausnutzt, indem sie einfach das massive Geld vom Land benützt. Diese einerseits private Gesellschaft SEL AG, nie wirklich klar ist welche Rolle diese spielt. Weil wenn der Laimer auftritt, dann redet er plötzlich für die SEL zugleich und im nächsten Moment ist die SEL dann wieder eine private Gesellschaft von denen man keine Daten oder Informationen bekommt. Da wird nicht korrekt gespielt. Ich denke das ist letztendlich auch ein Schaden für Südtirol weil so große Aggressionen jetzt generell in Südtirol gegen die SEL AG aufgekommen sind. Vor allem aufgrund dieser präpotenten Übervorteilung, dass eine Zusammenarbeit einfach schwierig ist. Ich finde eine Zusammenarbeit auf Landesebene hätte zukunftsträchtig sein können. In Nordtirol herrscht eine extreme Fokussierung im Bereich Ausbau der Wasserkraft. Würden Sie sagen hier wird auch in Südtirol eine Art „Ausverkauf der Heimat“ betrieben? Ich glaube es wird genauso kommen wie in Nordtirol. So lange die Wasserkraft in den Händen der italienischen „Multy“’s gewesen ist, Edison und Enel, waren diese sehr unbeliebt. Man hat damals auf Teufel komm raus, auf Kosten der Bevölkerung diese großen Wasserkraftwerke gebaut. Nach den 50er, 60er Jahren war dann ein STOP des Baus von Anhang großen Wasserkraftwerken und siehe da, neue, große hat man dann erst wieder gebaut, als die Kompetenz der Konzessionsvergabe vom Staat aufs Land übergegangen ist. Also mit dieser bahnbrecherischen Durchführungsbestimmung, die wir damals begrüßt haben 1999, ist natürlich der Appetit des Landes über die SEL AG unendlich groß geworden und man hat überall die letzen „Wasserlen“ abgegraben. Ich denke dass man da wirklich übertrieben hat. Hier schicke ich aber schon voraus, dass für die Grünen die Wasserkraft schon eine erneuerbare Energie ist und das auch gut ist. Allerdings nur wenn man Maß und Ziel und Augenmaß anwendet und durch den Ausbau der Wasserkraft nicht etwas anderes zerstört, nämlich lebenswichtige Lebensadern wie die „Wasserlen“. Wenn man in Südtirol im Sommer spazieren geht, da sieht man dass wirklich das jeder Tropfen Wasser von jedem Gebirgsbach ausgenützt wird. Dieser „Run“ aufs Wasser ungelenkt und unprogrammiert vor sich geht. Es gäbe theoretisch eine Wasserschutzplan aus dem Jahre 2002 der vorsieht, dass man hier wirklich ein Programm erstellt um die Fliesgewässer wirklich alle zu sanieren wie auch die Wasserrahmenrichtlinie in Europa vorsieht, aber in Wirklichkeit ist dieser Gewässerschutzplan nie erstellt worden und fließt jetzt ein in den Wassernutzungsplan der auf die maximale Nutzung aus ist. Wir sagen aber Wasser nutzen gut aber vorher programmatisch festlegen wie das Wasser, der Wasserhaushalt nicht geschädigt wird. Da gibt’s wirklich keine Möglichkeit die Politik zu bremsen und ihr deutlich zu machen das dies unsere Ressource für alle Zukunft ist und wenn wir jetzt „matschen“ und Leben zerstören, dies dann nicht mehr verfügbar ist. Machen wir bevor wir neue Konzessionen vergeben einen Gesamtplan der Wassernutzung in Südtirol. Wo macht es ökonomisch und ökologisch Sinn das Wasserkraft neu genutzt wird und alles andere wo es ökonomisch und ökologisch keinen Sinn macht, wird unter Schutz gestellt. Die Gelder die aus diesen zusätzlichen Wasserkraftwerken hervorgehen gehen in einen gemeinsamen Topf und diese Gelder werden auch auf jene Gemeinden verteilt die ihre Gewässer schonen oder die keinen Zugang zu solchen Gewässern haben. Dies wäre unser Vorschlag da und da beißen wir auf Granit. Wie stehen Sie zu einer dezentralen Energieversorgung wie sie z.B. in der Gemeinde Prad betrieben wird? Ich bin der Meinung dezentral ist einer zentralistischen Versorgung allemal vorzuziehen. Allerdings dezentral indem auf lokaler Ebene sämtliche alternative Energie vernetzt werden, also zwischen Biomasse, Wasserkraft, Photovoltaik eine Vernetzung stattfindet. Wenn möglich in Hinblick auf eine CO2 freie Entwicklung der Gemeinde. Das wäre jetzt eigentlich die Herausforderung der Zeit. Dezentral und dann auf Landesebene vernetzt. Hier bräuchte es eine Vernetzung die allerdings nicht vertikal verläuft, hier Laimer und ich bin der Chef und ich sage euch wo es langgeht, sonder eine wirkliche Vernetzung als das auch die unterschiedlichen Energieträger einfach auch ausgeglichen werden können. Wo es viel Biomasse anfällt werde ich natürlich Biomasse haben und da habe ich natürlich im Vergleich zu den Städten einen Vorsprung und das kann ich dann so ausgleichen. Im Grunde kommt mir vor, dass eine Vernetzung sämtlicher Gemeinden unter der Führung, aber nicht Anhang der diktatorischen Führung sondern der Arbeitsweisen Führung des Landes, wäre eigentlich das Ziel um zu einem CO2-freien Südtirol zu kommen. Südtirol im Mehrebenensystem der EU. Wie viel Einfluss fließt von Brüssel nach Südtirol? Die EU in ihrem Programm für 2020 eine Einsparung von 20% der CO2 Ausstoßes vorgesehen und ebenso mit den Alternativen Energien zu ersetzen. Wenn ich das auf Südtirol umlege, dann ist es natürlich einfach mit der Wasserkraft diese Ziele zu erreichen. Da komme ich wieder zur gleichen Aussage. Wir tun hier groß, obwohl wir genau wissen, dass wir beim Verkehr hinterherhinken. Nur weil wir zufällig dies Ressource Wasserkraft haben. Dies ist eins. Jetzt wird man sehen was in Koppenhagen noch an neuen Zielen heraus kommt und wie Südtirol sich daran beteiligen kann. Ich war gestern nicht hier, aber ich habe eine Schlagzeile gelesen dass der Laimer sagt: „Wir sind ein Vorzeigeland“. Wie gesagt ich war nicht hier, aber beim Verkehr sind wir kein Vorzeigeland sondern wir sind nur ein Vorzeigeland weil wir über viele Ressourcen und der Wasserkraft verfügen. Diese gehören aber nicht uns alleine. Diese müsste man wahrscheinlich gerechterweise aufteilen. Wo sonst Südtirol noch Probleme gehabt hat mit der EU war die Frage mit der Konzessionsvergabe. Da hat es rechtliche Auseinandersetzungen gegeben weil man ursprünglich in die Durchführungsbestimmung von 1999 hineingeschrieben hat, dass bei der Konzessionsvergabe die scheidenden Konzessionäre und die Lokalkörperschaften ein Vortrittsrecht haben. Diese beiden Vortritte sind dann aber gestrichen worden und jetzt müsste man bei der Konzessionsvergabe alle gleich behandeln und da ist aus meiner Sicht, immer noch das ganz ganz große Problem, wenn die SEL (die ja zu 97% dem Land gehört) ein Mitbewerber ist, dass der Schiedsrichter Land sozusagen gleichzeitig Mitspieler ist. Und da nehme ich an, dass wenn sich die SEL heute oder in nächster Zeit sich die Konzessionen zuschreibt, von den 14 Enel Konzessionen, dass die danach ganz sicher Probleme bekommt auf europäischer Ebene. Hier war immer wieder mein Wunsch diese Landesgesellschaft zu gründen und nicht diese Gesellschaft SEL und Enel oder SEL und Edison, sondern eine Landesgesellschaft bei der also auch Private aber auch Lokalkörperschaften drin sitzen und die SEL mit einer Minderheitenbeteiligung drin sitzt. Nachdem also viele Lokalkörperschaften drinnen gesessen wären beim Ansuchen um die Konzessionen, hätte man gemeinsam mit der SEL zwei Fliegen auf einen Streich geschlagen, weil man hätte einen super Umweltplan präsentieren können, weil die öffentlichen Körperschaften ja nicht unbedingt drauf aus sein müssen jedes letzte Wässerchen zu nützen sondern tatsächlich nachhaltige Umweltpläne präsentieren können und zugleich garantiert hätten das der Mehrwert zu 100% im Land geblieben wäre. Das wäre so meine Vision gewesen, dieser Zusammenschluss von Lokalkörperschaften, Gemeinden oder Energieproduzenten die von der Gemeinde abhängen, PLUS die SEL in Minderheitenbeteiligung hätte man wahrscheinlich weniger Probleme gehabt mit der EU bei der Überprüfung über faire Wettbewerbsbedingungen und zugleich tatsächlich mit den Umweltplänen, Anderen wie z.B. die ENEL wo wir wissen dass ihre Anhang Umweltpläne nicht mehr Wert sind als das Papier auf das sie geschrieben wurden, aber trotzdem hat das Land vorgezogen eben mit diesen monopolistischen Betrieben ihre Übereinkunft zu treffen. Jetzt wird es wohl so ausgehen dass bei den Konzessionen die jetzt vergeben werden, so viele der SEL gegeben werden und einige der ENEL gegeben werden damit sich das geldlich genau ausgeht. SEL bringt die Konzessionen ein, Enel bringt die Infrastrukturen ein und die andern schauen durch die Finger. Da stellt sich nun die große Frage warum man als autonomes Land alles tut um die großen Monopolisten wie Edison und Enel in alle Zukunft für die nächsten 30 Jahre mit 30% zu beteiligen und die anderen außen vor zu lassen. Diese Frage kann ich mir einfach nicht beantworten. Offiziell heißt die Antwort um Rekurse zu vermeiden, aber Rekurse hätte man auch dann vermeiden können wenn man diese Eigentumsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft ein bisschen ordentlicher aufgeteilt hätte und die SEL eben nicht, in diesem hohen Ausmaße sich als Landesgesellschaft beteiligt hätte sondern nur mit einer Minderheitenbeteiligung. Das wäre für Südtirol, denke ich autonomiepolitisch ein ganz, ganz großer Schritt gewesen. Wenn diese Konzessionen die vom Enel verfallen und ab 2012 die von der Edison verfallen, in Südtiroler Hand mit klaren Bedingungen von Seiten des Landes. Von mir aus kann das Geld auch natürlich große Gelder abschöpfen für z.B. Konzessionsgebühren, Uferzinsen und was es da so gibt. Klare Umweltbedingungen, aber der Mehrwert wäre aber an die Lokalkörperschaften bzw. an die Südtiroler Privaten zugefallen. Das wäre eigentlich zukunftsweisend gewesen. 11.4. Interview mit Dipl.-Ing. Georg Wunderer, Obmann der Energieerzeugungsgenossenschaft Prad und Obmann des Raiffeisen Energieverbandes In welche Richtung geht die aktuelle Südtiroler Energiepolitik ihrer Meinung nach? Es ist so. Ich kenne eigentlich kein Südtiroler Stromwirtschaftliches Konzept dass eigentlich diskutiert worden wäre oder das vom Landtag zugestimmt worden wäre. Das gibt es nicht. Es gibt einen Wassernutzungsplan, der natürlich die Wassernutzung als Solche regelt, mit ganz bestimmten Vorschriften. Dann gibt es noch den so genannten Verteilerplan, der aber teilweise noch nicht umgesetzt ist bzw. dessen Umsetzung noch nicht ganz klar ist. Dieser Verteilerplan geht nämlich davon aus, dass die SEL AG eine Art NewCO gründet und das die NewCO die Enel Stromverteilung übernimmt und dann macht. Das ist dann eigentlich das Konzept. Die SEL AG ist Anfang glaube ich der 80er Jahre… Es gibt ja das DPR Nr. 235 von 1977 und das sagt eigentlich, dass „è la facoltà dei comuni di gestire le attivtà eletriche“. Das sagt das DPR 235 und dann gibt es in den Art. 10 wo es die Aufgabe des Landes wäre, einen Koordinierungsbetrieb zu gründen. Dieser hätte die Aufgabe: Die Stromverteilung, also das Enel-Netz zu übernehmen und dann den Gemeinden weiter zu geben. Das sagt das DPR 235, da steht nur „le facoltà dei comuni“. Dann kam das Bersani-Dekret und dann hat Anhang man das DPR 235 im Zuge der Liberalisierung an die neuen Situationen angepasst. Da hat man dann mit eingeführt, dass es diese SEL AG mit Erzeugung und Verteilung neben den Gemeinden geben kann. Das war dann dieses Legislativdekret vom November 1999. Das Land hat dann auf dieser Basis die SEL AG gegründet, wobei die Richtlinie eine ganz andere war. Man hat den Gemeinden dann vorgeschlagen, dass sie das Mandat der Stromerzeugung und der Stromverteilung an die SEL abtreten. Dann war das so, dass die meisten Gemeinden dann dieses Mandat erteilt haben und die Vinschger haben sich dagegen gewehrt. Die 13 Vinschger haben gesagt: „Nein, wir machen das selber. Wir machen das lokal.“ So ist das dann weiter gegangen. Würden Sie dann sagen, dass sie als lokale Versorger der SEL eher ein Dorn im Auge sind? Damals war das so, dass natürlich die jetzigen Verteiler das sind so an die 65, gesagt haben wir wollen unsere Tätigkeit weiter führen und das ist dann im Stromverteilerplan schon berücksichtigt worden. Das wäre anders auch gesetzlich nicht möglich gewesen. Die bestehenden Verteiler können nicht einfach so vom Tisch gefegt werden, sondern diese dürfen weiter existieren, weil wir dann auch gesagt haben wir möchten so weiter existieren dass die Gebiete die man hat aufgerundet werden. Also zum Beispiel wenn die Gemeinde Prad als Genossenschaft tätig ist, dann gibt es da auch noch Randgebiete wie z.B. die Fraktion Lichtenberg dort verteilt noch das ENEL, diese möchte man dann noch dazu haben, aus dem einfachen Grund das man sagt das man die Bürger der Gemeinde Prad alle gleich behandelt werden, weil sonst hat man Bürger der 1. und der 2. Kategorie im Bereich der Stromverteilung. Diesen Antrag haben wir seinerseits schon gestellt und das ist bis heute noch nicht klar ob man den bestehenden Verteilern diese Aufrundung gewährt oder nicht. Das betrifft aber alle Verteiler, weil sie alle nichts wissen. Ist das in Sexten möglich oder bei den Stadtwerken und, und, und. Inzwischen ist es aber auch so gekommen das die Verteilung, aber auch nicht mehr so lukrativ ist, weil mit der Liberalisierung ist das „unbundling“ gekommen. Das „Unbundling“ heißt Aufteilung der elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeiten. Man darf in Zukunft also nur mehr Erzeuger sein, nur mehr Trader sein, nur mehr Verteiler sein. Dann sind zusätzliche Gesellschaften gekommen die GSE, die TERNA die die nationale Lastregelung macht und so weiter. Es sind viele Subjekte gekommen. Das unmittelbare System Erzeuger und Konsum ist indem Sinne aufgelöst worden. Dies ist nur bei den Genossenschaften erhalten geblieben. Die Genossenschaften sind laut Bersani-Dekret Art. 2, das sagt „per la quota dei soci sono autoproduttori e autoconsumatori“ und der Art.9 sagt, dass die Genossenschaften „per la quota dei non-soci“ übt die Genossenschaft einen Verteilerdienst aus. Wenn wir jetzt die Prader Situation hernehmen dann sind wir Eigenerzeuger und Eigenverbraucher was die Mitglieder betrifft und sind Verteiler bzw. haben eine Verteilersituation was die Nicht-Mitglieder betrifft. Das ist dieses System. Ich muss sagen, und das ist jetzt meine persönliche Meinung, was diese Aufgliederung, diese Liberalisierung, das Unbundling, das ganze System irgendwie zerrissen hat. Warum? Der Erzeuger ist jetzt nicht mehr am Verbraucher orientiert. Was will der Anhang Erzeuger? Der Erzeuger will ein „flotts“ Wasserkraftwerk kriegen mit dem er viel erzeugen und viel verdienen kann. Das Land will das natürlich für ihren Landeshaushalt, die Gemeinden wollen das für den Gemeindenhaushalt und die Privaten wollen es für die eigene Tasche. Das ist jetzt schon ein bisschen eine ungute Situation. Logischerweise kommt es auch drauf an wie man die Betrachtungsweise ist. Wenn jemand sagt, für mich ist die Stromversorgung eine grundlegende Dienstleistung und steht in einem direkten Interesse des Bürgers und der Öffentlichkeit, dann wird das zu einer kritischen Situation. Wenn schon jemand da ist der schon bei der Erzeugung verdienen will. Dann geht es weiter. Der Markt hat das so genannte Trading-Geschäft geschaffen. Was ist das? Das Trading-Geschäft ist das, das eine eigene Gesellschaft jetzt her geht und den Strom vor allem auf der Börse holt und dann versucht ihn an die Verbraucher zu bringen. Was will der Trader? Der Trader, will natürlich wieder an der ganzen Sache verdienen. Dann gibt es den Verteiler als Solchen, der das öffentliche Netz zu betreiben hat der ist limitiert, durch die Autorità z.b. indem sie ihm vorschreibt wie hoch der Preis sein darf für die Durchleitung, sie sagen ihm wie teuer der Anschluss sein darf und, und, und. Es ist so, dass es schon auch noch „fette“ Netze gibt, wo das Netz kurz ist und möglichst viele Abnehmer in engem Umkreis an dem Netz hängen. Also in Mailand unten z.B. ist das Netz „fett“. In Südtirol ist das Netz vielleicht noch in Bozen und Meran „fett“, aber nicht mehr „draußen“. Warum? Weil draußen muss ich lange Netze machen, bauen wo was fehlt usw. Jetzt sagt die „Autorità“ schon es gibt die so genannte „perecazione“. Das heißt die Preise bei der Verteilung müssen zwischen Sizilien und Brenner gleich sein, aber das ist ja nicht zu gewährleisten wenn ich in der Peripherie bin und da hohe Kosten habe. Da kann ich das ja nicht so gut finanzieren. Dafür gibt’s dann die „perecauzione“, die allerdings keiner versteht und die auch in ihrer Ausführung hinten nachhinkt. Zur Zeit wird erst die perecauzione von 2007/2008 durchgeführt. Da schauen dann manche Gemeinden blöd drein weil sie da viel zahlen, anstatt zu kassieren. Das betrifft vor allem Landgemeinden. Das ist alles ein nicht transparentes, unmögliches System. Die Liberalisierung hätte durch Wettbewerb, weil es ja in allen Bereichen Wettbewerb geben sollte, dazu führen müssen, dass der Strom günstiger wird. Das war der Plan. Was ist passiert? Der Strom ist europaweit, vor allem in Italien nicht günstiger sondern teurer geworden. Außer im letzten Jahr hat sich durch die Weltwirtschaftskrise und dass die Ölpreise in den Keller gesackt sind, sind auch die Strompreise etwas günstiger geworden. Ansonsten hat das aber nicht statt gefunden. Nach mir hat es auch nicht stattfinden könne, weil man mit dem „unbundling“, mit dem Wettbewerb nur eine Kette von Subjekten geschaffen hat die alle nur verdienen wollen. Das geht nicht, meiner Meinung nach. An diesem Punkt müsste man über ein Konzept sprechen. Welches Konzept für Südtirol? Es sollte ein Konzept geben wo die Erzeugung die es im Land gibt, auch dem Land zurückgegeben wird. Bis jetzt war das ja nur ein reiner Kolonialismus. Es haben immer die auswärtigen verdient. Das ENEL hat verdient, die Edison hat verdient. Die haben sich das Geld geholt mit den Ressourcen die eigentlich dem Land gehören und die Bevölkerung hat Anhang davon gar nichts gesehen. Die haben nur den Schaden davon getragen. Der Turm in Graun oben ist ein Wahrzeichen dafür das die Bevölkerung nur gebüßt hat und sich die Andern die Taschen gefüllt haben. Jetzt wäre hier endlich die Möglichkeit und das ist das positive an der Liberalisierung, dass jetzt auch andere an die Systeme herankommen. Das ist ja positiv dass Südtirol jetzt endlich die Möglichkeit bekommen hat an die Kraftwerke heranzukommen und das wir diese Ressourcen nutzen können im Interesse einer bürgernahen und bürgergünstigen Stromversorgung. Ich bin einfach der Meinung die Stromversorgung muss am Bürger orientiert sein, am Konsumenten, weil’s einfach eine Grundversorgung ist. So wie der Bürger auch ein Trinkwasser braucht, eine Abwasserversorgung, eine Müllentsorgung braucht, so braucht der Bürger auch eine Stromversorgung. Das ist jetzt so weit gekommen dass die Stromversorgung zu einem reinen Spekulationsobjekt verkommen ist. Das sind alles Spekulanten. Da ist das Land ein Spekulant, da sind die Trader Spekulanten, da sind alle die in diesem System aktiv sind Spekulanten. Hier müsste man sich meiner Meinung nach ein anderes Konzept zu Recht legen. Da sage ich dann warum sich nicht ein Genossenschaftliches Konzept zu Recht legen. Wo der Bürger unmittelbar beteiligt wird. Wenn wir zum Beispiel Prad her nehmen oder auch andere Genossenschaften. Das sind alles Eigenerzeuger, die haben ihre eigenen Kraftwerke und haben ihr eigenes Netz und über dieses werden die Mitglieder versorgt. Da kommt der Strom vom dann vom eigenen Kraftwerk übers eigene Netz zu den Mitgliedern und da kann jeder der versorgt werden will ein Mitglied werden. Ich glaube dass das die Zukunft ist, in diese Richtung zu gehen. Wir brauchen eine Wende in der Energieversorgung. Das traditionelle System wie es bis jetzt war, kann nicht ewig funktionieren. Wie ist dieses System? Große Konzerne wurden geschaffen und die sind ja auch noch heute da und die wollen auch heute noch weiter operieren. Wie operieren diese Konzerne? Diese haben immer mehrere Möglichkeiten gehabt, diese werden aber immer schlechter. Sie konnten Erdöl verwenden, Methangas verwenden, Nuklearenergie verwenden und damit riesige Anlagen schaffen, Megazentralen und dementsprechend auch ein Megaversorgungssystem. Dies konnte man auf der Basis der traditionellen Fossilenergie machen, aber das wird nicht die Zukunft sein. Die Fossilenergie wird sicher weniger werden. Wir müssen hier andere Wege gehen. Die Erneuerbaren weisen in Richtung Bürger hin und da muss der Bürger auch mit eingebunden werden. Ich glaube wir müssen Systeme schaffen sei es von der Produktion, sei es wo der Bürger einfach mit dabei ist und das ist auch die Zukunft. Südtirol hat sich vor allem im Stromwirtschaftlichen Bereich an dem alten Denken orientiert. Verteilung und Erzeugung zu zentralisieren und nicht zu dezentralisieren. Das ist mein Hauptkritikpunkt und das wir kein stromwirtschaftliches Konzept haben das zukunftsorientiert ist, sondern das einfach auf ein Denkmuster aufbaut, das also praktisch dem traditionellen System das seinerseits aufgebaut wurde, entspricht und man nicht neue Wege geht mit dem Bürger und die Identifikation mit dem Bürger schafft. Zum aktuellen Zeitpunkt wird vom Landesrat Laimer eine 20%ige Aktienüberlassung an der SEL AG an die Gemeinden Anhang proklamiert. Glauben Sie dies ist ein positiver Wandel in der Mitentscheidungsfrage? Das ist für mich im Prinzip noch kein Fortschritt, weil es hier einfach nur um die Erzeugung geht, wo man hier nur weil die Gemeinden sich wehren und schreien und sagen bitte erinnert euch an das DPR Nr. 235 wo eigentlich wir für das Recht hoben und sich das Land da durch die SEL ja erst später eingenistet hat. Es bleibt hier immer gleich. Wenn man etwas ändern will, dann muss man das Konzept anders machen. Ich habe hierfür ein eigenes Konzept entworfen das ich ihnen jetzt kurz erklären möchte. Zunächst muss man schauen wie ist eigentlich die Situation in Südtirol. Wie ist die Stromverteilung insgesamt strukturiert. Da stellen wir fest das es 4 Verteilerzonen gibt. Einmal im Bereich der Rienz, in Pustertal wo vor allem die Stadtwerke Bruneck eine zentrale Stellung einnehmen, dann gibt es daneben da auch noch andere Verteiler. Dasselbe haben wir in der Verteilerzone Eisack, wo Brixen vor allem eine zentrale Kompetenz hat. Man sollte sich in Südtirol einfach auch mal an jene besinnen die Kompetenzen haben. Die das Handwerk gelernt haben. Da sind einige. Zum Glück haben wir die. Dann kommt die Verteilerzone Etsch wo die Etschwerke tätig sind. Dann gibt’s eben die Verteilerzone Vinschgau wo die Vinschger tätig sind. Hier würde ich dann vorschlagen dieses System aufgrund der Basis einer Verteilergenossenschaft zu organisieren. Wie gehen wir da vor? Erstens geben wir den Verteilergenossen, das sind dann sämtliche Familien, Gewerbebetrieben, Landwirtschaftlichen Betrieben, Dienstleistungsbetrieben die Möglichkeit Mitglied zu werden. Der Bürger kann in dieser großen Genossenschaft beteiligt sein. Man gibt ihm so die Möglichkeit mal mit dabei zu sein. Die Verteilergenossenschaft übernimmt in ihrer Zone den Stromverteilungsdienst in dem bisher vom ENEL versorgten Bereich. Jetzt geht es ja so zu sagen darum dass man das Netz vom ENEL ablöst. Gemeinden können die Stromverteilung des ENEL für ihre Gemeinde erwerben. Die Gemeinde kann so zu sagen, wenn sie Interesse hat Eigentümer des Netzes auf ihren Grund und Boden zu werden, kann damit da auch technische Synergien geschaffen werden können. Weil wenn ich einen Graben aufwerfe, dann kann ich da alles machen. Wenn ich schon in einem Kanal unten bin, dann mache ich frisch alles. Ich kann ein Fernwärmenetz installieren, ich kann Gasleitungen machen. Wenn ich mal Träger der Infrastruktur bin. Ich bin der Meinung das sollten die Gemeinden sind. Es ist wohl sinnvoll wenn z.B. bei Ihnen in Tramin die Gemeinde der Träger des Strom- und Datennetzes ist. Natürlich wird es auch passieren, dass Gemeinden sagen sie haben kein Interesse an der Übernahme des ENEL Netzes und in diesem Falle übernimmt die Genossenschaft das Netz der betroffenen Zone. Laut Art. 10 müsst der Koordinierungsbetrieb das ENEL Netz übernehmen. Also Land übernimmt Stromverteilungsinfrastruktur und überträgt das den Gemeinden bzw. den Genossenschaften mit einem 50% reduzierten ENEL Übernahmepreis. Weil bei der NewCo ist es vorgesehen, dass eigentlich alles das Land finanziert. Ich sage, das müsste ja gar nicht sein. 50% soll das Land Beitrag leisten damit die Gemeinden und Genossenschaften Eigentümer werden können. Den Rest von den 79 Mio. Euro die es sind, soll das Land übernehmen und die Hälfte und so Anhang weiter. Dann sprechen wir über die Bestehende Verteilung. Die bestehenden Verteiler können Mitglied der Genossenschaft werden und mit dieser kooperieren. Sie könne diese (gemeint ist die Verteilergenossenschaft) mit technischen administrativen Diensten beauftragen bzw. ihr auch ihren Verteilerdienst übertragen. Es gibt ein paar kleine Verteiler und die heute einfach mit der Autorità überfordert sind. Die können dann sagen ich behalte mir mein Netz aber ich übertrage die Verteilung der Verteilergenossenschaft, die soll das alles machen. Das wäre möglich. Jetzt wenn Gemeinden die das Netz übernommen haben und es in einem zweiten Moment verpachten der Verteilergenossenschaft damit sie dieses Netz haben, damit sie wieder ein Geld hereinbekommen können sie dadurch langsam ihre Spesen vom Netzkauf wieder hereinholen. So, das wäre jetzt eigentlich dieses System der Verteilergenossenschaften in den 4 Zonen. Man möchte hier die Gemeinden alle dabei haben, die lokalen Verteiler sollten dabei sein, die Familien, Betriebe usw. Also diese 4 Verteilergenossenschaften die nicht gewinnorientiert ist und eben versucht hier nicht Geld zu machen. Dividenden auszuschütten oder ähnliches. Die Tätigkeiten der Verteilergenossenschaften sollten sein: • Kaufen Strom von lokalen Stromerzeugern: es gibt ja einen ganzen Haufen an Stromerzeugern und da kann ja die Verteilergenossenschaft den Strom kaufen • Beteiligt sich an Kraftwerken: Das ist jetzt schon wichtig, dass und das wäre ein nächster Punkt, wenn die Verteilergenossenschaften auch an der Produktion beteiligt sind. Diese können nämlich nicht gut operieren wenn sie nicht an der Produktion beteiligt sind, weil sie auch die Netze finanzieren müssen usw. Auch an der Produktion müssen sie beteiligt sein, damit die Energie die Energie ernährt. • Kauft Strom vom Trader • Pachtet das Netz von Gemeinden • Beliefert Mitglieder mit Strom • Beliefert Nicht-Mitglieder mit Strom: Es wird ja auch solche geben die nicht Mitglied werden wollen, das kann ja sein und die muss man dann im Rahmen des „mercato maggiore tutela“ versorgen. • Wartet Netz der Genossenschaften • Besorgt Stromanschlüsse • Übernimmt technische Wartung usw. Das wären also die 4 Verteilergenossenschaften. Vielleicht noch einmal zurück was wichtig ist. Es ist entscheidend das die Verteilergenossenschaften auch ihre Produktion haben damit sie ihre Produktion den Mitgliedern im Sinne von „autoproduzione“ und „autoconsumo“ liefern können und da könnte die SEL sich mit ihren Produktionsanlagen beteilten könnte und dass die Beteiligung an dieser Gesellschaft so aussieht, dass das Land 20% hat, die Gemeinden 20%, SEL 20% aber die Verteilergenossenschaft muss mind. 30% erhalten, damit auch die Bürger den Strom in die Hand bekommen. Dann können sich auch die lokalen Energieunternehmen beteiligen, private Aktionäre: man könnte auch einen Teil mit privaten Aktionären abdecken. So wäre die Beteiligung an den Großableitungen zu regeln. Anhang Wie soll das ganze System landesweit verbunden und vernetzt werden? Die 4 Verteilergenossenschaften, Vinschgau usw. Jetzt bräuchte es für Südtirol einen Trader an dem sich die alle beteiligen, der von diesen allen getragen wird. Wo die SEL Erzeugung mit dabei ist usw. Der Trader organisiert den Lastregelungsdienst. Der organisiert den Stromüberschuss zu bestimmten Zeiten. Er kauft den Integrationsstrom dazu den wir brauchen. Da ist ein zentrales System notwendig beim Tradersystem. Dann brauchen wir vor allem auch den Landesstromkoordinator der zentrale Dienste organisiert. Erstens das Kompetenzzentrum. Es braucht ein Zentrum wo Profis sitzen die das elektrizitätswirtschaftliche System kennen usw. Um den laufenden Normen gerecht zu werden. Wo auch Forschung usw. betrieben wird. Messdatenauslese. Es ist sinnvoll dass eine zentrale Messdatenauslese in Südtirol besteht. Außerdem ist es sinnvoll dass dieser Landesstromkoordinator die Verrechnung für alle macht. Das wir ein zentrales Lager organisieren und das wir die Fortbildung gemeinsam organisieren. Also das wäre so ein Kooperationszentrum, Kompetenzzentrum wo man das alles organisiert. Weitergabe der Ableitungskonzessionen. Da wäre es notwendig eine Neuordnung zu schaffen. Das Land hat ja die Kompetenz das die Großableitung einmal eingestuft werden über 10 MW. Bei diesen können wir sagen diese sind öffentlich auszuschreiben, wo eine internationale Beteiligung möglich ist. Da lassen wir es zu. Bei den Mittelleistungsableitung von 3 bis 10 Mw. Da sollen nur mehr die Gemeinden und die Energieversorger beteiligt werden. Also die kleineren. Die kleinen Energieversorger die wir heute haben, haben hier ein Recht. Dasselbe gilt für die Kleinableitungen. Sozial- und Umweltkriterien. Das ist mir wichtig. Die Konzessionen werden heute nur nach Umweltkriterien vergeben. Man sagt wer das ökologischte Werk hat der bekommt die Konzession. Das ist meiner Meinung nach eine Schweinerei, weil warum es nicht auch sozialverträglich sein soll? Die ökologischen Kriterien gehen mir schon gut, aber zusätzlich braucht es auch die sozialen Kriterien. Das Wasser ist ja schließlich ein öffentliches Gut und das ist wohl in erster Linie der Öffentlichkeit vorbehalten und die Privaten und Einzelspekulanten sollten hier nicht so sehr ihren Einfluss nehmen dürfen. Die Vergabe sollte deshalb nach Sozial- und Umweltverträglichkeit vergeben werden. Ich bin der Meinung bei den Großableitungen wird das schlecht durchsetzbar sein, aber bei den Mittel- und Kleinableitungen kann das schon gemacht werden. Das wäre jetzt eigentlich unser Stromwirtschaftliches Grundkonzept. Sollte das Land also ihrer Meinung nach hier nur Koordinator sein? Ja, das Land sollte mehr oder weniger Koordinator sein. Das Land sollte nicht Wirtschaft spielen. Das Land sollte nicht Betrieb spielen. Das Land kann sich mitbeteiligen an der ganzen Sache. Es hat aber die Aufgabe die Rahmenbedingungen zu schaffen. Den gesetzlichen Rahmen innerhalb dessen man sich bewegen kann. Es wird hier in Zukunft bestimmt Probleme geben wenn sie sich heute selber die Konzessionen vergeben. Wenn sie die Konzession der Gesellschaft geben in der sie die Anhang Mehrheit haben. Das ist eine gravierende Angelegenheit. Ich weiß nicht wie lange man da noch zuschaut. Deswegen hat das Land die Aufgabe Koordinator zu sein. Er soll Gesetzgeber sein. Er hat für einen Ausgleich zu sorgen. Er soll nicht Betrieb spielen. Das ist meine Meinung. Wir haben schon vor Jahren in Südtirol ein Konzept entworfen und das hat so ungefähr wie dieses der Verteilergenossenschaften ausgeschaut. Im Jahr 2000 haben wir das gemacht. Wir haben 2 Jahre lang eine Arbeitsgruppe gehabt in der Vertreter der Stadtwerke Bruneck, Brixen, die Etschwerke und der Vinschgau usw., Vertreter von Fachleuten aus Südtirol und das Management Zentrum St. Gallen war da auch dabei. Da haben wir das Konzept ELO, das heißt „Energie Lokal Organisiert“ innerhalb von 2 Jahren entworfen. Da wurden die einzelnen Teile durchgesprochen wurden und auch die Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit wurde überprüft. Dieses Konzept haben wir dann auch dem Landeshauptmann vorgelegt. Der LH hat sich’s angeschaut und hat nicht mehr als die erste Seite gesehen und dann war das schon alles nichts mehr. Es ist in einer Schublade geblieben und fertig. Das wurde einfach nie diskutiert. Dann ist alles mehr oder weniger zusammengebrochen. Die Etschwerke sind ihren Weg gegangen. Die Etschwerke haben einen Trader geschaffen, haben das eine geschaffen, haben das andere geschaffen. Die Brixner und Bruneckner haben geschaut was sie machen können. Wir Kleinere haben den Raiffeisen Energieverband gemacht, um einfach irgendwie weiter zu kommen. Es ist kein Konzept. Vor allem hat man kein Konzept gemacht das das jetzige stromwirtschaftliche System das es gegeben hat berücksichtigt. Die Lokalen sind nicht eingebunden worden. Das ist das ganze Problem. Das einzige Mal beim Verteilerplan ist etwas über den Verteilerplan geredet und gestritten worden. Wo sich die Verteile retten konnten weil sie gesagt haben: Nein Moment, wir wollen unser Verteilergebiet erstmals behalten. Das ist dann zwar berücksichtigt worden, aber durchgeführt ist der Verteilerplan heute noch nicht. Wir operieren heute alle noch ohne zu wissen was morgen eigentlich passiert. Wir haben zwar alle das Gesuch einreichen müssen damit wir alle die Verteilerkonzession kriegen, aber das ist alles nicht durchgesetzt worden. Es gibt in Nordtirol die Energiestrategie 2020 in der ein Energiemix aufgrund verschiedener Erneuerbaren Energien wie Biomasse usw. vorgesehen wären, aber der Fokus liegt beim Ausbau der Wasserkraft. Warum glauben Sie ist das so? Die Preise der Biogasanlagen in Nordtirol können nicht existieren. Die TIWAG hat ja das Monopol auch in der Stromübernahme und die zahlen nichts. Auch die Wasserkraftwerksbetreiber haben größte Schwierigkeiten. Wenn da ein Windkraftbetreiber käme oder etwas anderes kommen würde, das ist alles nicht finanzierbar weil sie das erstens blockieren und zweitens, weil sie ja ein regelrechtes Monopol haben, auch die Einspeisungspreise so machen das das keiner überlebt. Die blockieren sich selbst und auch das dezentrale Wissen. Die dezentrale Professionalität geht verloren. Italien hätte europaweit was das Förderungswesen betrifft die besten Voraussetzungen. Die sind aber Anhang nicht im Stande trotz der besten Voraussetzungen das umzusetzen. Warum? Weil das Wissen verloren gegangen ist. Die wissen sich nicht zu helfen wie man einen elektrizitätswirtschaftlichen oder energiewirtschaftlichen Betrieb führt. Das hat immer das ENEL gemacht. Wenn jetzt ein Dorf mit einer solchen Sache konfrontiert wird, wissen die nicht was tun. Die haben keine Ahnung. Das ist das Hauptproblem. Das einfach die Professionalität des Humankapitals verloren gegangen ist. Hoffen wir mal das Südtirol jetzt diese Sache nicht nachmacht. Südtirol orientiert sich gerne am Nordtiroler Modell. Logisch auch der Landeshauptmann. Wir wissen alle was der Landeshauptmann für eine Persönlichkeit ist. Er ist seit eh und je ein Zentralist. Ich bin dafür, dass eine zentrale Südtiroler Vermarktung geschaffen wird, aber dass die Genossenschaften dezentral organisiert werden. Dasselbe gilt für den Banksektor. Die Raiffeisenkassen bei uns sind alle nicht ganz schlecht. Die sind mit dem Volk verbunden usw. Gerade bei der Stromwirtschaft. Da habe ich einen wahnsinnigen Ärger. Gerade das Vinschgau ist ausgebeutet worden. Gerade wenn ich die Leitungen sehe die übers Stilfser Joch in die Lombardei gehen oder über Ulten. Es wurde hier einfach immer ausgebeutet. Jetzt wäre die Ressource da. Jetzt hätte man die Chance das lokal zu organisieren und dann bleibt das alles in Bozen unten. Das kann es einfach nicht sein. Das ist ja grotesk wenn man sich anschaut die Gemeinde Graun mit dem riesigen Stausee, wo 700 Mio. KWh Strom erzeugt werden wenn man Kastelbell dazu nimmt. Das Wasser dafür kommt aus Langtaufers, aus Matsch heraus. Da fährt man dann ins Langtauferer Tal hinein, dann haben die da nicht mal eine anständige Beleuchtung. Man kann nicht immer nur nehmen, nehmen, nehmen. Man muss schlussendlich auch die Bevölkerung an der Ressource teilhaben lassen. Er sagt schon, wenn das dann in den Landeshaushalt hineinkommt dann gebe ich euch das wieder zurück. Aber das ist nicht kulant. Es braucht keine Kulanz. Nur uns tun lassen. Unsere Devise ist: Wir machen es uns selber. Immer mehr kommen sie. In Bayern draußen zum Beispiel. Die sagen: Wir machen es uns selber. Wir trauen den Konzernen nicht und auch der Politik nicht. 11.5. Interview mit Klaus Stocker, Präsident der SEL AG Welche Rolle kommt in Ihren Augen der SEL AG innerhalb der Südtiroler Energiepolitik zu? Die Südtiroler Energiepolitik hat durch zwei politische Ereignisse eine Neuausrichtung erfahren: Einmal durch eine lange und hart errungene Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut, mit der wesentliche Befugnisse im Bereiche der Energie vom Staat auf das Land übertragen worden sind, darunter auch, um ein Beispiel anzuführen, die Zuweisung der großen Wasserableitungskonzessionen durch die Landesregierung; dann durch die Liberalisierung der Energiemärkte auf europäischer und inneritalienischer Ebene, besonders auf dem Strom- und Gasmarkt. Das Land Südtirol und die Südtiroler Gemeinden, welche gemeinsam die SEL AG gegründet haben, erteilten ihr den Auftrag, im Sinne beider oben Anhang genannter Neuerungen im Interesse des gesamten Landes und seiner Bevölkerung die Energieversorgung zu verbessern und abzusichern, saubere und erneuerbare Energiequellen zu fördern und auf dem freien Markt als Energielieferant (Strom, Gas) aufzutreten und mit möglichst günstigen Preisen die Volkswirtschaft zu flankieren. Damit will ich sagen, dass die SEL AG in Südtirol eine sehr wichtige und zukunftsweisende Rolle übernommen hat. Welche Vorteile sehen Sie in der öffentlichen Eigentümerstruktur der SEL AG, die eigentlich ganz gegen die zurzeit von der EU diktierten Privatisierungstendenzen bei öffentlichen Unternehmen geht? Für uns ist es nicht so sehr eine Frage der Vorteile, sondern eine Frage der strategischen Zukunftsbewältigung im Bereiche der Energie. Wir gehen von der Tatsache aus, dass die Energie in allen ihren Erscheinungsformen längst weltweit zu einer strategischen Ressource geworden ist, von der Wohl und Wehe der Weltwirtschaft abhängig sind. Davon leiten wir ab, dass in diesem strategischen Bereich in Zukunft die Gemeinschaftsinteressen den Vorrang vor den Privatinteressen (Gewinnmaximierung) haben sollten. Wir haben wirklich nichts gegen die Privatwirtschaft, denn sie ist und bleibt tragendes Element der Entwicklung. Überall dort, wo sie Gutes leistet, soll sie dies frei tun können. Aber die strategischen Güter der Menschheit – dazu gehören Erdöl, Erdgas und vor allem das Wasser – sollen nicht in der Hand der Stärkeren sein, sondern in der Hand aller, damit die Versorgung garantiert und der Missbrauch verhindert werden kann. Ich glaube, die Bevölkerung muss sich mit diesen Gedanken vertraut machen, auch um für die Zukunft dramatische Auseinandersetzungen über die Kontrolle der Energiequellen zu vermeiden. Das ist weltweit bereits ein Problem, bei uns nicht, weil wir in einem demokratischen Rahmen leben und handeln. Zurück zu Südtirol. Die Privatisierungstendenzen der EU sind im Prinzip sicher positiv zu bewerten, aber von der Regel muss es auch Ausnahmen geben können, und die Energie bildet eine solche Ausnahme. Ich möchte aber hinzufügen, dass man unterscheiden muss zwischen Zuständigkeit und wirtschaftlicher Führung. Auch die öffentliche Hand muss sich immer stärker bemühen, ihre Dienste nach gesunden privatwirtschaftlichen Kriterien zu führen, damit sie sich für die Bürgerinnen und Bürger am preiswertesten und vorteilhaftesten auswirken. Genau das ist auch strategisches Ziel der SEL AG, und dagegen kann die EU wohl nichts einwenden. Was die SEL AG angeht, können wir uns sehr wohl eine Privatisierung in dem Ausmaße vorstellen, dass mit einer breit gestreuten Volksaktie Miteigentum der Bevölkerung geschaffen wird und zwar so viel und so qualifiziert, dass die Bevölkerung effektiv etwas davon hat. Die Privatisierung dürfte aber nicht so weit gehen, dass die öffentliche Hand die Kontrolle über das Unternehmen verliert. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Anhang Wie entgegnen Sie den kritischen Übervorteilung bei der SEL AG Energieunternehmen im Land sehen? Stimmen, die eine gegenüber anderen Solche kritische Stimmen gibt es, aber sie erweisen sich als nicht berechtigt, wenn man den eigentlichen Auftrag der SEL AG in Betracht zieht. Die SEL AG ist nicht da, um andere zu übervorteilen, sondern um zusammen mit anderen (Gemeinden, Gemeindekonsortien, Interessengemeinschaften, Privaten) das Grundanliegen zu bewältigen: Die Verbesserung und Verbreiterung der Energieerzeugung und damit die Absicherung der Versorgung der gesamten Bevölkerung. Besonders im Bereich der Stromerzeugung aus einheimischer Wasserkraft setzt sich dieses Kriterium durch. Es ist eine Tatsache und im Grunde auch verständlich, dass in unserem Land der Anspruch kleinerer territorialer Körperschaften (auch Privater) auf die Energie aus Wasserkraft sehr stark ist, weil damit gute Geschäfte gemacht werden können. Das ist nicht der Anspruch der SEL AG, denn sie geht als Unternehmen des Landes davon aus, dass das Wasser allen gehört und von allen gemeinsam genutzt und verwaltet werden soll. Aber: Die SEL AG ist ein nach privatrechtlichen Grundsätzen geführtes Unternehmen und muss sich als solches der Konkurrenz stellen. In manchen Teilen der Bevölkerung wird noch immer die Meinung genährt - und auch künstlich geschürt -, dass die SEL AG alles für sich beanspruchen will. Das ist ein völlig falscher Eindruck. Die SEL AG hat den Auftrag dafür zu sorgen, dass Südtirols Energiequellen im Interesse der gesamten Bevölkerung genutzt werden, dass die gesamte Bevölkerung dieselbe Qualität, dieselbe Sicherheit, dieselben Energiepreise garantiert bekommt und damit auf dem Energiesektor eine Chancengleichheit hergestellt wird, welche die beste Grundlage für eine gute volkswirtschaftliche Entwicklung bietet. Das ist vorrangig. Alles andere wird noch kommen: Eine möglichst hohe Beteiligung sowohl der Gemeinden als auch und besonders der Südtirolerinnen und Südtiroler durch ein möglichst breit gestreutes Miteigentum an den Energiequellen (vor allem Wasser), also die einheimische saubere und erneuerbare Energie als gemeinsames strategisches Gut. In diesem Sinne ist auch jede Form der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im selben Sektor durchaus möglich und wünschenswert. Wenn unsere Südtiroler Bevölkerung die Aufgaben der SEL AG unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, dann wird sie voll erkennen, wie wertvoll unsere Einrichtung ist und welch großer Erfolg der Autonomiepolitik es ist, wenn die einheimische Wasserkraft Stufe für Stufe in einheimisches Eigentum übergeht bzw. zurückkehrt. Wie sehen Sie die Position der SEL AG im liberalisierten europäischen Markt? Welche Vor- und Nachteile bringt dieser? Ich habe schon gesagt, dass die Liberalisierung dort gut ist, wo sie die Chancen der freien und sozialen Marktwirtschaft stärkt und der Volkswirtschaft zusätzliche Substanz verleiht. Die Nachteile liegen darin, wenn die EU darauf bestehen sollte, dass die Liberalisierung auch auf Anhang jene Bereiche und strategischen Sektoren ausgedehnt wird, in denen das Allgemeininteresse größer ist und sein muss als das Privatinteresse, zum Beispiel im Sektor der Energie, des Gesundheitswesens, des Verkehrs, der Bildung, der sozialen Absicherung und Ähnliches. Als Akteur im strategischen Energiebereich hoffe ich, dass sich dort Interessen der Gemeinschaft und der Privaten auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen, der garantiert, dass die breite Bevölkerung den bestmöglichen Vorteil daraus ziehen kann. Es ergibt wenig Sinn, wenn mit Gewalt liberalisiert wird und dabei breite Einkommensschichten der Bevölkerung unter die Räder kommen, weil sie sich nicht mehr genügend Gewinnmaximierte Energie leisten können. Das darf es wohl nicht sein. Ist die SEL AG nach dem Vorbild der TIWAG geschaffen worden? Welche Parallelen gibt es? Welche Wege kann die SEL AG z. B. aus rechtlichen, politischen oder ähnlichen Gründen nicht beschreiten, die Dank anderer Voraussetzungen bei der großen Schwester TIWAG möglich sind? Hier muss genau unterschieden werden. Die SEL AG ist unter völlig anderen Vorbedingungen entstanden, wie seinerzeit die TIWAG. Die SEL AG wurde sozusagen „ins Nichts“ hinein geboren. Eben erst war eine Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut in Sachen Energiekompetenzen (Nr. 235 aus dem Jahr 1977) in Kraft gesetzt worden, aber der Bewegungsspielraum war angesichts der staatlichen Monopole im Bereich der fossilen Energie (Erdöl, Gas), aber auch der Wasserenergie (staatliche Konzessionsvergabe, Preiskontrolle usw.) denkbar klein. Erst als in den neunziger Jahren sich, von der EU ausgehend, eine erste Liberalisierung des Energiemarktes (Strom, Gas) abzeichnete, und etwa gleichzeitig die Suche nach alternativen, erneuerbaren und sauberen Energiequellen im Zusammenhang mit Umwelt- und Klimaschutz begann, eröffnete sich der Südtiroler Autonomie ein konkretes Betätigungsfeld. 1998 wurde die SEL AG gegründet, zwei Jahre später wurde sie operativ. Die neue Gesellschaft musste sich ihren Weg erst bahnen. Während die TIWAG in Tirol seit fast einem Jahrhundert ihren Weg ungehindert gehen konnte und eine herausragende Position auf dem Strommarkt gewonnen sowie die Entwicklung der Energieproduktion aus Wasserkraft weitestgehend selbst in die Hand genommen hatte, stand die SEL AG in Südtirol einer völlig anderen Situation gegenüber: Die große Mehrheit der großen Wasserkraftanlagen, ausgenommen jene der Etschwerke von Bozen und Meran, befand sich in Händen der beiden nationalen Großkonzerne EDISON und ENEL, und die rund 600 privaten Kleinkraftwerke, obwohl für die örtliche Versorgung sehr wichtig und ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, gingen ihren vorgezeichneten Weg. Die SEL AG musste ihren Weg erst finden. Sie tat es in mehreren Schritten: Gründung der SELEDISON AG zur Führung von zwei Kraftwerken im Vinschgau (Glurns, Kastelbell), Gründung der SELGAS AG zur Versorgung Südtirols auf dem inzwischen liberalisierten Gasmarkt, Aufnahme der Verhandlungen mit EDISON und ENEL zwecks Rückgewinnung der großen Wasserkraftwerke in Südtirol, Beteiligung an Anhang lokalen Kraftwerksinitiativen zum Zwecke der Errichtung neuer Kraftwerke in verschiedenen Teilen des Landes und zur Nutzung von Biomasse durch die Errichtung von Fernheizwerken, ein Zweig übrigens, in dem Südtirol sich schnell als führend erwies: Über 60 BiomasseAnlagen sind derzeit bereits in Betrieb, fünf davon von der SEL AG mit errichtet und geführt, und andere werden noch folgen. Bei jeder Initiative müssen in Südtirol eine Reihe von Hürden genommen werden, die in der Landesgesetzgebung (Raumordnung, Umweltschutz, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Mitsprache der Gemeinden, usw.) verankert sind. All das erfolgt in Nordtirol mit weit weniger Umständen. Daher ist die SEL AG mit der TIWAG kaum zu vergleichen. Aber sie hat in ihren Tätigkeitsbereichen schon große Erfolge erzielt, darunter die Übernahme von 60 Prozent Anteilen an den sieben großen Wasserkraftwerken der EDISON in Südtirol, positive Verhandlungen mit der ENEL, die in eine ähnliche Richtung zielen, Übernahme des ENELVerteilernetzes, alles Erfolge, die in den kommenden Jahren voll durchschlagen werden. Die SEL AG bietet einen Multi-Utility-Service an. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach das Angebot eines breit gefächerten EnergieMix für Ihr Unternehmen und für die Verfolgung der politischen Ziele im Land? Energie ist nicht nur Strom aus Wasserkraft, sondern die Summe einer ganzen Reihe von Initiativen auf dem Sektor. Nachdem das Land Südtirol gemäß Landesautonomie Zuständigkeit und damit auch Verpflichtung hat, in diesem Bereich tätig zu sein, ist es nur logisch, dass ein Multi-Utility-Service mit das Ziel sein muss. Produktion von Energie aus Wasserkraft, aus Biomasse, aus anderen sauberen und erneuerbaren Quellen (Sonne, Wind, Biogas, Geothermie), Verteilung und Lieferung von Energie (Gas, Strom), Förderung der Entwicklung der neuen Quellen, Herstellung überregionaler Verbindungen, das alles gehört in den großen Bereich. Manches davon spielt sich nach den Regeln des freien Marktes ab, und das soll zum Vorteil der Kunden erfolgen; manch anderes, etwa die Forschung und Entwicklung, braucht öffentliche Förderung, die Umstellung privater Energieverbraucher auf neue Quellen (Sonnenkollektoren, Fotovoltaik usw.) bedarf ebenfalls der öffentlichen Bezuschussung. Das alles muss im Sinne einer strategisch überlegten Energieversorgung für die Zukunft zusammenspielen. Es sind nicht politische Ziele, welche die SEL AG hier vertritt, sondern strategische volkswirtschaftliche Ziele, und solche müssen von der Gemeinschaft voran getragen werden. Die von der EU vorgegebenen Privatisierungstendenzen nehmen auch in Italien immer weiter Gestalt an. Wie stehen Sie als Vertreter eines öffentlichen Betriebs zur Privatisierung der Daseinsversorgung? Wir sind ein öffentlicher Betrieb, der nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt wird, wo aber diese Kriterien nicht ausschließlich sind, denn die Anhang Gewinnmaximierung gehört nicht dazu, wohl aber Wirtschaften mit schwarzen Zahlen unterm Strich. ein gesundes Die Privatisierung der Daseinsversorgung, wie Sie es nennen, ist etwas sehr Heikles, das man differenziert sehen muss. Es gibt Daseinsversorgungen, die ohne weiteres rein privatwirtschaftlich erfolgen können. Aber es gibt auch Bereiche, in denen die reine Privatisierung nicht zielführend sein kann, weil sie immer Gefahr läuft, die Gemeinschaftsinteressen zugunsten des privaten Wohlergehens zu übersehen bzw. zu vernachlässigen. Der Energiesektor ist ein solcher Bereich, wie auch mehrere andere. Die öffentliche Hand trägt die Verantwortung, allen Bürgerinnen und Bürgern das Grundrecht auf erschwingliche strategische Ressourcen zu sichern, besonders der schwächeren Einkommensschichten, die unweigerlich unter die Räder kommen, wenn Dienste nach reiner Gewinnmaximierung angeboten werden. Solche Dienste müssen der Allgemeinheit verbleiben, wobei diese die Pflicht hat, auf Effizienz, Kostenwahrheit und soziale Dimension zu achten. Die SEL AG bemüht sich, diesen Erfordernissen gerecht zu werden. Sie denkt und handelt global, das heißt unter Berücksichtigung der Interessen der gesamten Bevölkerung und des gesamten Territoriums, wie es ihr Auftrag ist. Eine EU, welche die Privatisierung über die hier genannten Erfordernisse stellen sollte, ist zum Scheitern verurteilt, denn sie würde damit in strategischen Bereichen des Lebens der Gemeinschaft untragbares Ungleichgewicht schaffen und den sozialen Frieden unterminieren. Das kann es nicht sein. 11.6. Interview mit Dr. Georg Zingerle, Leiter der Projektarbeitsgruppe Tiroler Energiestrategie 2020 und Stephan Oblasser, Tiroler Energiebeauftragter Welche Aufgaben, Energiepolitik? Ziele und Perspektiven hat die Tiroler Die Tiroler Landesregierung hat die Aufgaben, Ziele und kürzerfristigen Perspektiven (bis 2020) in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ als Grundlage für die Tiroler Energiepolitik formuliert; diese gehorcht den Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung und sucht damit eine Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung, welche insgesamt in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen. Wesentliches Merkmal der Tiroler Energiepolitik ist auch eine dem Subsidiaritätsprinzip der EU entsprechende möglichste Selbstbestimmung; da die Rahmenbedingungen von der EU vorgegeben sind, lassen allerdings lediglich abgegrenzte Bereiche noch Einflussnahmen auf regionaler Ebene zu. Die Tiroler Energiestrategie 2020 verfolgt unter anderem das Ziel, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Förderung erneuerbarer Energieträger und zur Sicherstellung der Anhang Versorgungssicherheit nach der EU-Effizienzrichtlinie zu erreichen. Welche Maßnahmen wurden bis jetzt konkret umgesetzt, welche sind noch zu tätigen? Die in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ vorgeschlagenen Programme und Maßnahmen betreffen einerseits die Bereiche Energieeffizienz und „Energiesparen“, wobei nicht Verzicht auf Energiedienstleistungen gemeint ist, sondern die Schärfung des Bewusstseins beim Anwender, mit Energie sparsam und haushälterisch umzugehen, andererseits Maßnahmen, welche die eigenen, vor der Haustüre liegenden Energieressourcen besser nutzbar machen lassen. Die Maßnahmen sind auf die jeweils angesprochene Zielgruppe ausgerichtet und reichen vom Abbau von Informationsdefiziten bis hin zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen und Förderungsanreizen. Einen Schwerpunkt bildet das seit dem 01.04.2009 gestartete Gebäudesanierungsprogramm, welches die energetische Sanierungsrate deutlich anheben soll. Darüber hinaus gibt es umfassende Informations- und Förderungsprogramme (richtiges Dämmen, Niedrigenergie- und Passivhaus, Solaranlagenförderung, Biomasseheizungsförderungen, Pelletkaminofenförderung, Richtige Straßenbeleuchtung , Gerätetauschprogramme, Wärmepumpenförderung, etc.) Wesentliches Element der Maßnahmen und Programme ist eine begleitende Evaluierung, welche im Rahmen eines „Tiroler Energie Monitoring“ vom Energiebeauftragten wahrgenommen wird. Die Strategie setzt beim Ausbau der erneuerbaren Energien vermehrt auf den Ausbau der Wasserkraft. So soll der Anteil der EE von 45% auf einen 56% Prozentanteil gesteigert werden. Allein 5% dieser Steigerung geht auf das Konto der Wasserkraft. Warum glauben Sie ist im restlichen Energiemix nicht mehr Potential drin? Die in der „Tiroler Energiestrategie 2020“ ausgewiesenen Zubaupotenziale an Erneuerbaren Energien orientieren sich an einem Szenario, welches unter Einschätzung von Experten verschiedener Disziplinen (Wasserkraft, Biomasse, Wärmepumpen, Solaranlagen,...) entstanden ist. Letztlich erging die Frage an die einzelnen Unternehmer, wie viel Potenzial unter definierten, angenommenen Rahmenbedingungen erschließbar sei. Die Wasserkraft war durch vier klar vorgegebene größere Ausbauoptionen und einige Kleinwasserkraftprojekte determiniert, ein größerer Biomasseausbau erschien aufgrund sich abzeichnender Holzengpässe nicht machbar und die Solarenergien leiden natürlich insgesamt unter dem Phänomen einer geringen Energiedichte, wodurch absolut entsprechend wenig herauskommt. Die Windenergie und die Tiefengeothermie erscheinen für Tirol kürzerfristig als keine realistischen Optionen. Welche Rolle kommt der TIWAG in der Tiroler Energiepolitik zu? Der TIWAG als Landesenergiegesellschaft im 100%-Eigentum des Landes kommt bei der Umsetzung der Tiroler Energiestrategie eine tragende Rolle zu. Einerseits ist die TIWAG seit Beginn im Jahre 1924 ein Wasserkraftunternehmen und wurde letztlich auch zum Zwecke der Anhang Erschließung heimischer Wasserkräfte gegründet, andererseits ist die TIWAG auch Landesstromversorger, wobei die Rolle der Elektrizität in der Hinführung zu nachhaltigeren Energiestrukturen eine immer größere Bedeutung einnimmt. Es wird uns gelingen müssen, heutige ineffiziente und CO2-bildende Prozesse auf nachhaltige Strukturen umzustellen, was fast immer mit einem größeren Stromeinsatz verbunden ist (Elektroautos für die urbane Mobilität, Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen von Gebäuden, Automatisierungsprozesse, Umweltschutzerfordernisse,...). In beiden Bereichen kommt der Landesgesellschaft im Interesse der Landesenergiepolitik eine große Verantwortung zu! Welche Rolle spielt ihrer Meinung nach die Energiepolitik der Europaregion Tirol, im Mehrebenesystem zwischen EU-BundRegion? Die Europaregion Tirol (Tirol, Südtirol, Trentino) ist einerseits als EURegion an die übergeordneten Ziele eines von der EU vorgegebenen Rechtsrahmens gebunden; dieser wird bis 2020 im Wesentlichen vom Klima- und Energiepaket und dem dritten Liberalisierungspaket getragen. Andererseits ergeben sich innerhalb der Europaregion Tirol viele gleichartige Optionen und Herausforderungen im Umgang mit bspw. erneuerbaren Energieressourcen im sensiblen Alpenraum. Darüber hinaus leidet die Europaregion Tirol gleichermaßen an einem Verkehrs- und Transitproblem, welches wiederum stark mit Energie- und Ressourcenfragen verknüpft ist. Die Lösung dieser großen Herausforderungen unter Zusammenarbeit und Nutzung von Synergien ist eine wesentliche Zukunftsaufgabe und entspricht auch ganz dem Prinzip der Subsidiarität! Welche Probleme sehen Sie in der Liberalisierung der Energiemärkte bzw. in der Privatisierung von EVU? Der Liberalisierungsprozess im Energiemarkt wurde vor gut zehn Jahren von der europäischen Industrie-Lobby mit dem Ziel einer Energiepreissenkung betrieben. Inzwischen ist dieser Preiseffekt Vergangenheit und ungewisse Preisvolatilitäten sind selbstverständlich geworden. Die für das Funktionieren des Marktes notwendige Auftrennung der Stromversorgungsstruktur in Wettbewerbs- und Netzbereiche brachte zwangsläufig die Unterbrechung der logischen Versorgungskette und keine Verbesserung der Versorgungssicherheit. Die nunmehr notwendigen Regulierungsschnittstellen führten zu bekannten Problemen. Bei fortschreitender Privatisierung besteht die Gefahr, dass Langfriststrategien wie bspw. der Ausbau der Wasserkraft oder Investitionen in teure Infrastrukturen, z.B. Strom- und Gasnetze, Fernwärmenetze, Verkehrsinfrastrukturen, auf der Strecke bleiben, da sie sich nur langfristig amortisieren können. Beispiele dafür sind bestens bekannt (Stromwirtschaft in England, Eisenbahnwesen,...). Eine mehrheitliche Privatisierung (über 50%) wird jedenfalls sehr skeptisch gesehen. Anhang In Südtirol ist es das Ziel bis 2020 eine Energieautonomie in den Bereichen Strom und Wärme zu erzielen. Warum ist dies in Nordtirol nicht möglich? Die Formulierung eines Autonomiezieles im Strom- und Wärmebereich macht nur Sinn, wenn das Ziel auch realistisch erscheint; bis 2020, also in nur zehn Jahren, wird dies keinesfalls möglich sein, wenn man bedenkt, dass in Tirol noch an die 50% aller Heizungsanlagen auf fossiler Basis (Öl, Erdgas) stehen. Es ist zwar als langfristiges Ziel formuliert, den Gebäudebereich ausschließlich auf erneuerbare Energien umzustellen, dies dürfte aber zumindest eine Generationenaufgabe sein! Im Strombereich sind sowohl Südtirol als auch Tirol bereits heute autonom; in beiden Ländern wird mehr Strom aus Wasserkraft erzeugt, als verbraucht wird. Dass aufgrund bestimmter Entwicklungen und Vertragsbestimmungen der in den Ländern produzierte Strom nur zu einem gewissen Teil im Land abgesetzt werden kann, ist eine andere Geschichte. 11.7. Interview mit Maria Scheiber, Landtagsabgeordnete und Umweltsprecherin der GRÜNEN TIROL Wie sehen Sie die Tiroler Energiepolitik? Welche Probleme gibt es? Ich sehe eines der größten Probleme in der Tiroler Energiepolitik, in diesem Interessenskonflikt, indem der Aufsichtsratvorsitzende immer derselbe war, der auch gleichzeitig Energiereferent ist. Derzeit haben wir diese Positionen gespalten, das begrüße ich einerseits sehr, aber andererseits geschieht trotzdem nicht viel. Das ist die Macht der Gewohnheit. Man weiß nicht schafft jetzt gerade die TIWAG oder schafft die Regierung. Der Landtag ist es auf jeden Fall nicht – leider. Wie funktioniert das operativ, wenn Sie z.B. eine Anfrage stellen über die TIWAG? Wenn ich (als Landtagsabgeordnete) z.B. wissen will wie viele Lehrlinge die TIWAG anstellt, dann bekomme ich die Antwort: „Das ist das operative Geschäft der TIWAG, das geht dich nichts an“. Wenn der Rechnungshof überprüft was die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit der TIWAG, die exorbitant hoch waren, was ja für jeden nachvollziehbar ist, denn Öffentlichkeitsarbeit ist ja ein Teil des öffentlichen Arbeitens. Theoretisch nimmt man da dann die Kosten für alle Anzeigen die geschaltet wurden und dann hat man ja den Betrag schon. Der RH hat das dann geprüft und den Bericht den man dann veröffentlicht hat, der hat alle wichtigen Stellen, i sag mal „geschwärzt“ gehabt. Also, wie viel die TIWAG für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ausgibt, ist für Sie ein schützenswertes Geheimnis, so zu sagen ein Betriebsgeheimnis. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Anhang Die TIWAG läuft also unter wirtschaftspolitischen Vorzeichen, d.h. sie haben kaum Möglichkeiten das „öffentliche Interesse“ zu kontrollieren? Also meinem Erachten nach, hat die TIWAG mit den landespolitischen Zielsetzungen, nennen wir es mal so, so gut wie gar nix am Hut. So die Richtung: Lasst uns nur mit dem in Ruhe. Wir müssen am internationalen Markt wirtschaften und wachsen können und können nicht derartige Wettbewerbsbremsen haben, dass wir uns eventuell noch um politische und soziale Komponenten kümmern müssen. Vermehrt könnte dies der Landtag vorgeben, dass ist auch meinerseits 2 oder 3 mal eingebracht worden, das wurde aber von der Mehrheit des Landtages abgelehnt. Der Vorwurf hier betrifft also weniger die TIWAG, die sich da wahrscheinlich die Hände reibt, sondern die politischen Vertreter, die für mich aus nicht nachvollziehbaren Gründen sagen: Na, das mit der Ökologie und das dem Sozialen des wollen wir mal bei der TIWAG nicht so genau sehen, das wollen wir ihnen in die Satzungen nicht hinein geben. Die Tiroler Energiestrategie 2020 sieht die Realisierung eines Energiemix vor, allerdings immer auch unter dem Fokus Ausbau der Wasserkraft. Wie sehen Sie das? Das ist eines der ganz großen Probleme in der Energiediskussion. Das wirkliche Problem haben wir mit den fossilen Energien. Sprich Öl zum Heizen, Gas zum Heizen, Benzin und Diesel in der Mobilität. Da haben wir das Problem, aber von dem wird immer abgelenkt und mit dem Wort Wasserkraft werden dieses Probleme immer zugeschüttet. Es stimmt schon, es wird schon noch ein Wasserkraftpotential da sein, nur wenn ich mir das jetzt so ansehe, dass 70% des Energieverbrauchs aus fossilen Energieträgern stammen; wenn ich des alles (durch Strom) ersetzten wollte, was hirnrissig wäre, denn kein Mensch sollte mit Strom heizen, das ist in Deutschland sogar verboten - zu Recht. Die Traktoren haben auch keine Steckdosen. Der LKW, der im Transit durch Tirol rennt der wird auch nicht mit Strom rennen, auch nicht in 20 Jahren das bin ich mir sicher. Hier immer, wenn die Probleme der Energiepolitik auf den Tisch kommen, die ganz anders sind als die vom Strom, automatisch nur „Wasserkraft“ zu sagen erinnert mich an die Diskussion um den BBT, da ist genau dasselbe, man hat nicht wirklich Lösungen erarbeitet, man hat nicht wirklich angagiert Ziele verfolgt über Jahrzehnte sondern man ist immer beim System geblieben wie es ist. Das sind die großen Probleme der politischen Tiroler Landschaft, der BBT und die Wasserkraft die unser Treibhausgasproblem lösen. Hierzu ein paar Zahlen. Die Energieversorgung in Tirol ist für 100.000 Tonnen CO2 zuständig, wir müssen aber 2 Mio. einsparen. Das heißt, ich kann nicht mit mehr Wasserkraft den CO2 Ausstoß von die Autos verhindern. Die Strategie ist nur diese Diskussion immer weiter raus ziehen, und jedes Mal schön fein säuberlich sagen: Ja, dann machen wir Sellrain-Silz und die Welt ist wieder in Ordnung. Das ist ein Quatsch! Wie sehe ich die Energiestrategie 2020? Ich bin schon ziemlich lange im Amt und habe Papiere kommen und gehen gesehen. Ich vermute dass die 2020 Strategie ein ähnliches ist. Auch der RH hat unlängst kretisiert, Anhang dass wir eigentlich kein Klimakonzept haben. Auch diese Strategie bietet das nicht und sie gibt keine klaren Zahlen vor. Wenn ich nach Oberösterreich schaue, da heißt es: Wir wollen bis zum Jahr x, soviel % von Öl, Gas, was auch immer, reduzieren. Also nachmessbare Zahlen. Die fehlen in der Energiestrategie und jedes Papier das schwammig ist, wird dort landen wo alte Schwämme landen, im Müllkübel. Die Energiestrategie 2020 klingt wunderbar, wunderschön. Nur gibt es eben nur Wasserkraft, sprich Scheinlösung und bei allen anderen Themen keine klaren Vorgaben. Das wäre so wie wenn sie jetzt in Kopenhagen sagen würden, tun wir halt ein bisschen warten, die Welt geht unter aber wir arbeiten dagegen. Da will man auch hören was? 20-30-40? Wie viel % wollt ihr reduzieren? Und was passiert wenn ein Staat nicht reduziert? Bei Kyoto haben wir eindeutig Sanktionen, sprich es kostet Geld! Bei der Energiestrategie haben wir so mutlose Pläne und man hat sich auf keine Ziele festlegen wollen oder können. Der für mich zentrale und zukünftige Energiemarkt ein solarer. Ich bin zutiefst überzeugt davon. Man kann es immer noch ein bisschen als Liebhaberei hinstellen. Wenn man die Photovoltaik anschaut, dann kostet mich das Kilowatt mehr wenn ich’s selber übers Dach fabrizier als wie wenn ich’s aus dem Netz beziehe. Wenn ich die entsprechenden Förderungen kriege alla Deutschland oder auch so wie in Südtirol, dann sieht das ganz anders aus. Ich war am Freitag auf einer Veranstaltung zum Thema Energie, da war der Franz Alt der Vortragende, der hat das ungefähr so formuliert: „Seit 2000 haben wir das Erneuerbare Energie Einspeisungsgesetz und seit dem ist wirklich, sei es von den Arbeitsplätzen her, sei es auch von dem Anteil der Erneuerbaren Energien her, sehr, sehr viel passiert.“ China hat es abgenommen. Die Polen diskutieren drüber. 47 Staaten haben dieses Gesetz – Österreich hat es nicht. Warum nicht? Wir sind von der Geographie her begünstigt. Wir wären wirklich begünstigt. Warum habt ihr des nicht? Packt eure Regierung und schickt sie in die Wüste wenn sie es nicht her bringt. In Österreich gibt es das Ökostromgesetz. Warum greift dieses Gesetz nicht? Das geniale am deutschen Gesetz ist ja, dass ich durch die Ökostromzulage, die ich für jede Kilowattstunde bezahle, das ganze Regime am Leben erhalte und finanzier. Das heißt, ich muss nicht auf die Steuerressourcen der öffentlichen Hand zurückgreifen. Das hat was von Kostenwahrheit. Derjenige der viel Strom verbraucht, der zahlt auch ein bisschen mehr als derjenige der wenig braucht. In Österreich gibt es immer wieder Ökostromgesetze die sich so nennen, die haben aber einen Riessengroßen Schönheitsfehler a) dass die Verteilung der erneuerbaren Energieträger immer eine andere Gewichtung hat; darüber kann man diskutieren. Der größte Fehler ist aber die Deckelung, d.h. nur so viel an Megawatt will man zulassen und dann ist der Topf zu. Wobei Deutschland hat jetzt seinen Ökostromcent, der ungefähr 1 Cent pro Kilowattstunde Strom ausmacht, der wird nächstes Jahr über 2 Cent ausmachen, 2.3 circa. Da kann man sagen das ist nicht viel, aber man muss sich auch mal vor Augen halten um was es geht. Es geht ja nicht nur ums Geld. Es geht um die Wurst und es geht auch um ganz, ganz viele Arbeitsplätze die mittlerweile in Deutschland geschaffen worden Anhang sind. Das strahlt auch nach Tirol aus. Wir haben auch gute Unternehmen hier, wie die Solarhilber nur als Beispiel, die in diesem Markt zu Hause sind, die aber alles exportieren müssen. Die so gut wie keinen Heimmarkt haben. Das nennt man schlichtweg Trittbrettfahrerei, was Österreich da macht und das finde ich a) politisch unanständig und b) nur noch dumm, weil unsere Arbeitsplätze werden so auch nicht geschaffen. Die TIWAG speist jetzt auch den Strom aus privaten Photovoltaikanlagen in ihr Netz ein. Ist das eine Initiative die auf ihr Bestreben zurückgeht? Auch hier gibt es wieder eine Deckelung, weil dieser Strom steht ja nicht allen immer und überall zur Verfügung, dass muss man hier auch sagen. Allerdings ist es sehr begrüßenswert, dass schon einmal diese Schritte gesetzt wurden. Wir hoffen und arbeiten auch schon länger drauf hin, dass es wenigstens eine ganz klare 1:1 Einspeisung gibt. Das hat zumindest einen psychologischen Effekt, damit ich zumindest weiß dass diese Kilowattstunde die ich auf meinem Dach produziere, wenn ich sie nicht jetzt konsumiere kann, dann konsumiere ich sie morgen. Die TIWAG würde halt die Zwischenspeicherung aus der Photovoltaik übernehmen. Das Modell ist leider nicht das 1:1 Modell geworden. Es ist ein bisschen weniger, aber man kann fast sagen, es geht in diese Richtung. Das ist natürlich eine Verbesserung, keine Frage, aber es ist nach wie vor nur ein psychologischer Effekt als wie ein volks- oder betriebswirtschaftlicher Effekt. Also ich denk weiter in diese Richtung, aber viel weiter. Wird das von der Politik gebremst? Auf alle Fälle. Ich war unlängst auf einer Veranstaltung wo es darum gegangen, dass ein EVU, (nicht die TIWAG) das im grenzüberschreitenden Bereich arbeitet, konkret die EWK Reute, die auch einen Teil im Allgäu versorgen. Allgäu ist der Sonnengürtel in Deutschland und die haben teilweise bis zu 1/3 Strom aus Photovoltaik und das ist auch technisch eine Herausforderung das gebe ich auch zu. Wie gehe ich mit diesen unterschiedlichen Energieeinspeisungen um? Das wäre die politische Herausforderung, diese Sachen zu lösen und zu regeln. Auf europäischer Ebene gibt es Ansätze dazu, auf Bundesebene wird das sehr stark vom Wirtschaftsministerium gebremst und auf Landesebene ist da einfach eine ganz klare Verhinderung von allem was nach dezentral aussieht d. h. wenn ich 1/3 eingespeisten Strom aus Photovoltaik habe, das heißt wenn der Kemtner Raum mal für sich selber produziert, was wären das für wirtschaftliche Verluste? Ich habe öfters versucht auch auf Landesebene eine Initiative in Richtung: Bitte liebe Regierung geh zum Bund, geh zum Wirtschaftsminister und behandelt mit ihnen ein „gscheides“ Ökostromgesetz aus. So wie es jetzt ist, geht’s nicht. Das war so ungefähr der Inhalt. Gleich lautende Anträge wurden von uns in allen Landtagen eingebracht und da war schon bezeichnend, dass in den westlichen Bundesländern diese Anträge ungeliebt waren und meins wurde sogar abgelehnt. In den östlichen sind sie allerdings angenommen worden. Man hat gesehen, der Widerstand gegen ein Ökostromgesetz, Anhang das seinen Namen auch verdient, kommt aus Westösterreich. Die Finanzverbände, man muss sagen das sind ja auch bekannte Wasserkraftwerke, sind diejenigen die hier bremsen. Also erneuerbare Energie darf nur aus Wasserkraft sein, so der Wunsch und darf nur über das jeweilige Unternehmen gehen. Da ist das eine wie das andere keine Energievision für die Zukunft. Die Zukunft der Energieversorgung wird dezentral sein, das ist nur noch eine Frage der Zeit. Ich glaube auch gegen den Widerstand der großen EVU’s und entweder versteht sich die TIWAG irgendwann als Dienstleister und gehen den Weg mit und haben hier ein gutes Geschäftsfeld oder wenn sie es nicht tun, dann werden sie einfach den Zug der Zeit verschlafen. Dann wird es auch für ihr Unternehmen, wie General Motors immer gemeint hat sie beharren am Status Quo, gut der Staat hat sie dann wieder raus gehaut, aber das kann ja nicht das Ziel sein. Wir haben auch größere EVU’s, nicht nur in Österreich auf ihrem Status Quo. Wie funktioniert die Wassernutzungsrechtvergabe in Tirol? Das Wasserrecht wird vom zuständigen Bundesministerium im Zuge der jeweiligen Wasserrechtsverhandlung zugesprochen. Hier gibt es so was wie eine grundsätzliche Verpflichtung, dem Ansuchenden dieses Recht zu gewähren, so nicht gröbere Versagungsgründe dagegen sprechen. Also ziemlich vereinfacht gesagt, die Beweißlast liegt völlig bei den Behörden. Die Bundeszuständigkeit gilt unabhängig von der Wassermenge. Nur die Verfahren werden je nach Größe des Projektes im Instanzenzug unterschiedlich angesiedelt (BH, Land, Ministerium). Was sind die Zukunftsperspektiven für Tirols Energiepolitik? Wir haben mal ein Datum und zwar 2012. Hier werden die ersten Penalzahlungen für Kyoto fällig. Für Österreich wird eine Zahl von 1 – 1,3 Mrd. Euro geschätzt. Wie ich die Bundesregierung kenn, und es gibt schon länger diese Treibhaus-Emmissions-Inventur für die Bundesländer, wird der Bund an die Bundesländer herantreten und sagen: Liebes Bundesland X, du zahlst fein auch, weil ihr habt’s da verschlafen was zu tun. Wir haben in Tirol z.B. den höchsten Anteil an Ölheizungen. Da wird der Bund dann ans Land herantreten und das wird dann ein teurer Spaß und spätestens dann muss es ein Umdenken in der Energiepolitik geben. Das kann jetzt vieles sein. Es kann sein dass man einfach Zuschlag bzw. eine Bereitstellung macht und wo man sagt, mit dem zahlt man das. Eine vernichtende Watsche wäre das für die Volkspartei. Ihr holt den Leuten das Geld aus der Tasche und schießt es gleich wieder in Strafzahlungen hinein und das Geld geht außer Landes. Das kann es nicht sein. Aber da wird sich sicher was ändern. Das zweite ist natürlich diese ganze Treibhausgasdiskussion spitzt sich ja zu. Leider auch immer wieder mit katastrophalen Wetterausmaßen. Politische Entscheidungsträger haben anscheinend die Eigenschaft, dass sie ganz schnell vergessen. Wenn ich mir z.B. anschaue dass für den Hochwasserschutz heuer wieder das Budget gekürzt wird, wo man ein Langjahresprogramm ausgearbeitet hat. Aber wir haben schon noch vor Augen diese extremen Wetterausmaße von 2005 das Hochwasser, 1999 Galtür, 2003 die Hochwassersituation. Das sind alles wirtschaftliche Rückschritte. (…) Wovon ich zutiefst überzeugt bin ist, dass sich die Anhang Photovoltaik, die vom letzten auf das heurige Jahr in der Investitionssumme ein Minus von 30% erlangt hat, den Break-point erreicht hat. Das heißt, den Preis den ich bezahle wenn ich das Kilowatt beziehe und der Preis den ich durch meine eigene Produktion habe, die kreuzen sich und dann geht die Schäre in die andere Richtung. Also dann wird es auch günstiger. Und das ist dann der nächste Punkt. Da brauche ich dann auch intelligente Energiesysteme. Das heißt: Die Frage der Speicherung. Die Frage der Netzeinspeisung. Die Frage von intelligenten Zählern. Gerade in der Produktion haben wir meistens das Problem, das wir um 3 Uhr in der Früh kein Problem haben, sondern zu den Spitzenlastzeiten. Die Kapazität, die ausgetragen wird, die wird immer auf die Spitzenlastzeiten gerichtet. Was liegt da näher als die Spitzen zu kappen und zu versuchen mit intelligenten Stromzählern dem Kunden zu sagen: Weist du was, wenn du den Strom zu Spitzenzeiten verbrauchst dann zahlst du so und so viel. Wenn du ihn zu Schwachlastzeiten verbrauchst, dann kostet dich das so viel. Da werden dann unzählige Waschmaschinen zu ganz anderen Uhrzeiten eingeschaltet. Da habe ich beim letzten Landtag einen Antrag in diese Richtung gehabt, der ist abgelehnt worden. Auch das will man nicht. Ich behaupte einmal, dass wir momentan uns in dieser kurzen Lücke befinden, bis wir ins Solarzeitalter kommen. Die will man jetzt noch nützen, um auf Teufel komm raus Kraftwerke zu bauen und Ressourcen zu sammeln und bloß bitte nichts einsparen. Es wird viel von Energieeffizienz gesprochen. Wird dahingehend in Tirol also nicht viel gemacht? Große Teile der Bevölkerung haben bereits große Bewusstseinschritte in diese Richtung hin gemacht. Das hört man und das spürt man. Auch im Haushaltsverbrauch der nicht mehr so exorbitant steigt. Nur, das ist ein Teil des Energieverbrauchs. Beim Strom z.B. was hier eingespart wird mit den Sparlampen, mit den Stand-by Schaltungen und mit den effizienteren Heizungspumpen. Das wird auf der anderen Seite bei immer neuen Beschneiungsanlagen wieder raus geschmissen. Also Energieeffizienz ist viel mehr als nur auf einen ganz kleinen Teil seinen Focus zu legen. So quasi die Leute zählen. Ja natürlich zählen die Leute, auch weil sie in ihre eigene Geldtasche schauen und sie damit mehr Geld für den Kulturbesuch, für den Frisör, was auch immer haben. Es geht da auch um die Wirtschaft. Aber der Schritt muss noch viel weiter gehen. Ich komme aus Breitenwang da sind die Planseewerke draußen, die mit sehr hohen Temperaturen arbeiten. Da müsste es schon längst ein Konzept geben bzw. eine Umsetzung diese Wärme auch zu nützen, zumindest im Winter und ein größeres Gebiet mit Fernwärme zu versorgen. Der Unternehmer selber, der baut halt noch einen höheren Kühlturm, jetzt nicht auf Plansee bezogen, aber der versteht auch nicht die Logik dahinter. Der hat auch nicht die Zeit dazu. Das ist ja auch nicht seine Kernkompetenz, sein Kerngeschäft. Das wäre eine politische Aufgabe da her zu gehen und sich die ganzen Ressourcen anzuschauen und zu bündeln. Da hol ich so viel Kilowatt einer, das es eine Freude ist. Anhang Glauben Sie, dass das damit zusammenhängt, dass wenig Interesse von Seiten der Politik, der Gesellschaft, der TIWAG dazu besteht? Ich würde sagen das ist ein Mix. Natürlich, als erstes kommt der Unmut auf weil man will weitere Wasserkraftwerke bauen mit dem Hintergrund je mehr Eigenproduktion ich habe, ein umso größeres Volumen darf ich an den internationalen Börsen handeln. Um das geht’s eigentlich. Genauso wie eine Bank eine bestimmte Eigenkapitalquote haben muss, muss ein Unternehmen das mit Energie handelt eine bestimmte Energiequote, sprich Regelenergiequote erfüllen. Über diese Energie kann ich verfügen und zwar Tag und Nacht. Das ist der eine Hintergrund der alles abbremst. Das zweite ist, im Prinzip das politische System. Wenn die nächsten Wahlen in 5 Jahren sind und ich eine Vorlaufzeit brauche und dann eine Umsetzungszeit, denn am Anfang sind so Sachen wie die Photovoltaik ja nicht gewinnbringend, dann kann ich keine Erfolge vorzeigen. Wenn ich irgendwo einen Spatenstich mache, zum hundertsten Mal, oder wenn ich ein „Bandl“ durchschneide weil es ein Projekt ist, dann kommt das einfach gut. Was tue ich mit Energieeffizienz? Ich wüsste schon was ich damit mache. (lacht) Es liegt ein bisschen im System, dass es die sanften politischen Maßnahmen, wie z.B. die Bewusstseinsbildung, nicht darstellen kann. In anderen Regionen Europas funktioniert das aber doch auch, warum wird das in Tirol nicht umgesetzt? Die anderen haben einfach einen anderen Schmerzdruck. Und eins: Es ist aber auch so, dass der Anteil an erneuerbaren Energie in Tirol sehr hoch ist. Viel zu tief, weil wir 70% immer noch übern Tank und Öl oder über die Gasleitung haben, aber 30% kann man sagen, liegen ungefähr auf der erneuerbaren Linie. Das ist ein hoher Wert! Wenn man das jetzt auf Tirol umlegt, und da liegt ja der Haus im Pfeffer, dass politisch immer von Energie gesprochen wird aber nur Wasserkraft, Strom gemeint ist. Da haben wir dann auch eine Eigenartigkeit und zwar die Tiroler Energiebilanz, man kann auch Strombilanz sagen, die im Jahrbuch der Tiroler Landesregierung veröffentlicht ist und für jeden zugänglich ist. Wenn man sich das dann anschaut dann steht da drin, dass derzeit in Tirol immer noch mehr Strom produziert wird als verbraucht. Die TIWAG wollte uns über Jahre glauben lassen, dass wir so und so viel importieren müssen. Damit auch die öffentliche Meinung, nach dem Motto „Jetzt gehen die Lichter aus“, so quasi vorgeben wollte. Indem sie einfach diese Kraftwerke, die im Zillertal stehen und dem Verbund gehören, nicht in die Tiroler Produktion einrechnen und das geht ja auch nicht. Ich kann nicht sagen Tiroler Strom und es dann aber dann einem Unternehmen anlasten. Dieser erneuerbarer Anteil ist verhältnismäßig hoch und drum glaubt man immer noch wir sind eh die Besten, wir müssen eh nichts tun. Aber die Treibhausgasinventuren zeigen uns, dass wir im Spitzenfeld jener Bundesländer liegen die seit 1990 enorme Steigerungen mit sich gebracht haben. Der Bundesdurchschnitt ist bei ca. 11% PLUS, ist ja das schon traurig, und damit sind wir das Schlusslicht unter den EU-15. In Tirol liegt der Wert aktuell bei 22% PLUS statt 13% MINUS. Anhang Dieser hohe Anteil in Tirol ist wahrscheinlich auf den verhältnismäßig großen Anteil an fossilen Energieträgern, vor allem in der Mobilität zurückzuführen oder? Hier wird hauptsächlich damit argumentiert, dass man sagt wir sind ein Transitland und deshalb haben wir einen hohen Tanktourismus. Wir haben einen hohen Tanktourismus. Der ist aber gewollt, weil man den Dieselpreis bei uns wesentlich niedriger hält und da muss ich ehrlich sagen, wer den Gewinn macht, muss auch die CO2 Kosten dafür tragen. Da gibt es keine Ausrede. Das ist schon im System drin. Am liebsten hätten sie ja wenn man am Brenner tankt, dann sollte man das schon Italien zurechnen und wir haben die Mineralölsteuer und die ganzen Abgaben drauf. So geht das nicht. Das ist doch auch politisch unanständig. Wie stehen Sie zu Energiegesellschaften die zwar Aktiengesellschaften sind, aber im Eigentum der Öffentlichkeit stehen? Prinzipiell bin ich der Meinung, dass eine EVU in der öffentlichen Hand ein demokratischeres Instrument ist. Dann ist aber die Frage, was macht die Politik daraus? Und da ist es oft leider nix anderes als die Zuweisung von Verantwortung. Dass eine AG so agiert wie sie agiert, also wie die TIWAG, das ist so. Aber das die Politik da keine Regeln einbaut bzw. froh ist das sie das ganze Thema nicht wirklich behandeln muss, weil da haben sie eh ihre Fachexperten. So nach dem Motto: Lasst mich mit dem in Ruhe, ich hab sonst schon genug zu schauen! Das wäre sehr wohl eine politische Verantwortung. Prinzipiell halte ich alles was Leitungsgebunden ist, ob das das Wasser ist, die Schiene ist, das Hochspannungsnetz und damit die Stromversorgung ist, halte ich für eine Aufgabe der öffentlichen Hand darüber zu wachen. Da stellt sich nun die Frage, muss ich dafür Besitzer sein oder kann ich das mit ganz straffen Rahmenbedingungen auch regeln. Das kann man auch Andenken, aber England hat uns schon gezeigt dass die Anfälligkeiten schon sehr groß sind. Persönlich bin ich schon der Meinung dass es eine Trennung der Bereiche Produktion, Handel und Netz braucht. Es macht schon Sinn, trotzdem dass es in Tirol nicht so funktioniert wie ich mir das vorstelle, aber es ist die politische Verantwortung. 11.8 Stellungnahme von Markus Wilhelm, Aktivist im Kampf gegen den Ausbau der Tiroler Wasserkraft Das Problem liegt tiefer Eine Energiepolitik findet in Tirol seit vielen Jahren nicht statt. Es gibt seit 2004 lediglich wieder Kraftwerkspolitik in Fortschreibung der Megaprojekte der 70er und 80er Jahre. Die falschen Strukturen werden nicht angerührt. dietiwag.org ist keine Organisation, sondern (m)eine Webseite. Die geplanten Kraftwerke sind Ausdruck einer völlig verfehlten und veralteten Firmenstrategie der TIWAG. Dort hat dietiwag.org angesetzt Anhang und hat seit 2004 nach und nach entdeckt und öffentlich gemacht, auf welch unsicherem Fundament das Unternehmen steht. > Auf die Auslieferung an ausländische Energiekonzerne habe ich bereits im FÖHN (Heft 10/11, 1988) unter dem Titel „Stromkolonie Österreich“ hingewiesen, insbesondere auf den Zugriff von RWE, Bayernwerke (heute EON) und EVS (heute EnBW) auf „unsere“ Kraftwerke. > Zwischenzeitlich (und zwar von 2001 - 2003) hat die TIWAG vierzehn ihrer fünfzehn größten Kraftwerke sowie einen Teil des Leitungsnetzes in sog. Cross-Border-Leasing-Transaktionen an US-Trusts verkauft und damit langfristig (bis Ende des 21. Jh.) die Verfügungsrechte abgetreten. Versäumt wurde, etwas für die Grundlastversorgung und damit für eine größere Unabhängigkeit Tirols zu tun. Schlüssige, ganzheitliche intelligente Nutzungskonzepte der bestehenden Ressourcen fehlen völlig. An ihrer Statt gibt es eindimensionale, dem alten Denken (Stromtausch mit dem Ausland) verhaftete Großprojekte, welche die Probleme nicht lösen, sondern vergrößern und in die Zukunft verschieben. Die TIWAG ist aufgrund des großteils abgeschriebenen Kraftwerksparks eine Cash-Cow - auch für alle politischen (inkl. parteipolitischen) Begehrlichkeiten. Vor allem die seit 1945 regierende ÖVP bedient sich hemmungslos aus der TIWAG-Kassa. Diese Begehrlichkeiten und die zu diesem Behuf installierte willfährige Geschäftsführung „garantieren“, dass sich nichts am verheerenden Status quo ändert und auf absehbare Zeit vom landeseigenen Landesenergieversorger keine Impulse in Richtung einer zukunftsfähigen Energiepolitik zu erwarten sind. Die TIWAG als Leitbetrieb der Tiroler Energiebranche muss aus den Fängen der Politik befreit, aber als öffentliches Unternehmen erhalten werden. Der Vorstandsvorsitzende der TIWAG, Bruno Wallnöfer, hat kürzlich bei einer Veranstaltung in Wien „Energieautarkie“ für die Wahl zum „Unwort des Jahres“ vorgeschlagen. 11.9. Interview mit Dipl.-Ing. Helmut Mainusch, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwaz GmbH Bitte erläutern Sie mir die aktuelle energiepolitische Situation in Nordtirol aus Ihrer Sicht! Die Forcierung der Wasserkraft befürworte ich aus tiefster Überzeugung. Tirol hat darüber hinaus nur eingeschränkte Möglichkeiten der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen. Die (eigene) Biomasse ist weitestgehend disponiert bzw. die noch verfügbaren Mengen werden bei einem Weiterlaufen der Förderprogramme sukzessive erschlossen werden. Wind und Tiefengeothermie sind nicht verfügbar. Fotovoltaik wird mittelfristig keine große Bedeutung haben. Bei der Solarthermie muss aufgepasst werden, dass sie nicht zu sehr von den übrigen Mainstream-Energiethemen aus dem Bewusstsein verdrängt wird. Sie ist Anhang sehr wichtig und sollte wie ein konventionelles Heizsystem zu jedem Haus gehören. Mit der Schaffung der Stelle des Energiekoordinators (Stephan Oblasser) und des Zentrums für Erneuerbare Energie bei der Zukunftsstiftung wurden von der Politik Meilensteine gesetzt. Zwischen diesen neu geschaffenen Kompetenzstellen und dem seit langem etablierten Verein Energie Tirol sollte aber eine bessere Abstimmung erfolgen. In der Tiroler Energiepolitik hat es in den letzten paar Jahren gute Impulse gegeben. Trotzdem ist der Rückstand zu einigen wesentlich aktiveren Bundesländern (zB. Vorarlberg, Oberösterreich) immer noch groß. Daher müssen die Anstrengungen noch verstärkt werden, um auch ein Musterbundesland mit florierenden Energietechnikfirmen zu werden. Das stark nach vorne drängende Thema Elektromobilität darf nicht verschlafen werden. Auch hier sind einige Bundesländer schon wieder weit voraus (Kärnten, Vorarlberg). Der Landesenergieversorger muss als „Leithammel“ viel beherzter vorausmarschieren. Alle übrigen Akteure werden ihm mit Enthusiasmus folgen. Der – zu 100% in Landeshand befindliche – Landesenergieversorger sollte sich ein stärkeres Profil in Bezug auf Energieinnovation / zukünftiges Energiesystem verpassen und die manchmal zu spürende strukturelle Schwerfälligkeit überwinden. Schildern Sie mir die Beweggründe der Gemeinde Schwaz verstärkt auf einen Energiemix aus EE zu setzen und eine verstärkt dezentrale Energieversorgung auf Gemeindeebene anzustreben! Die Energiewende muss kommen (Klimaveränderung, Auslaufen der fossilen Energieträger). Damit besteht die Chance, die Energieaufbringung wieder (wie noch am Beginn des letzten Jahrhunderts gegeben) dezentral zu organisieren. Das stärkt die Wirtschaftskraft der Region, schafft Unabhängigkeit und erzeugt technische Kompetenz und Innovationskraft vor Ort. Um den Anteil von EE zu heben, muss der Umgang mit der Energie (deren Verwendung) verändert werden. Energieeinsparung durch technische Maßnahmen aber vor allem durch die intelligente Verwendung der Energie (Bewusstseinsbildung), bilden eine Vorbedingung, um sich letztlich zur Gänze aus EE versorgen und damit eine weitestgehende Dezentralisierung herbeiführen zu können. Die TIWAG ist eine aus dem historischen Kontext heraus entstandener, zentraler Energieversorger und –produzent in Nordtirol. Welche Rolle spielt diese zentral angesiedelte AG ihrer Meinung nach? Siehe Punkt 1. Die TIWAG macht einiges und es wäre ungerecht, deren Arbeit abzuwerten. Es wird aber eher die konservative Linie verfolgt (nur das tun, was andere auch machen oder wovor man sich nicht drücken kann; Erfüllung der Wünsche der Eigentümer-Politiker..). Es ist noch nicht erkannt worden, dass man mit dem Thema Neue Energien Marketing machen kann und damit vermutlich mehr Leute erreicht und diesen sympathisch wird wie mit dem Sportsponsoring. Dieses Image würde dann vielleicht auch so manchem Wasserkraft-Großprojekt leichter zum Durchbruch verhelfen. Außerdem verabsäumt es die TIWAG, über das Gute, das sie tut, in lauten Tönen zu sprechen (zB. Anhang Fotovoltaik-Park beim Achenseewerk, Foltovoltaikanlagen entlang Autobahn, Biomasseheizkraftwerke, Passivbürohaus der Netz AG in Thaur usw...). Es scheint so, als ob die wichtigsten Köpfe in der TIWAG zwar ihr Kerngeschäft bestens verstehen und ausüben, jedoch wenig darüber hinausblicken und sich nicht gerne mit Energieideologie beschäftigen wollen oder ihr Alltag dies nicht erlaubt. Die TIWAG ist in Europa nur ein kleiner Spieler, kann aber kompetenzmäßig und in punkto Wirtschaftskraft mit den ganz Großen durchaus mithalten. Solange das so ist, kann es nur gut sein, wenn die TIWAG zu 100% in der Hand des Landes Tirol ist. Ich würde die TIWAG nicht als zentralisierten/zentralistischen Energieversorger bezeichnen. Sie ist ein Regionalversorger, mit dem man gut leben kann, solange es daneben auch noch eine bunte Landschaft an kommunalen und privaten EVU’s gibt und die TIWAG sich zu diesen partnerschaftlich verhält, was in den Jahren seit der Liberalisierung ohne Zweifel der Fall war. Wie sollte ihrer Meinung nach ein EVU aufgebaut sein und nach welchen Regeln sollten es funktionieren? Wie sollte die Eigentümerstruktur geregelt sein? Es soll genauso aufgestellt sein und funktionieren wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch, das erfolgreich am Markt agiert. Die heutigen EVU´s können das im Großen und Ganzen alle von sich behaupten. Vor 20 Jahren war das noch ganz anders. Das war damals eine eigene Welt. Heute gibt es keine gravierenden Unterschiede mehr zu Industrieunternehmen. Bei der Eigentümerstruktur lasse ich auch alles gelten. Es gibt Beispiele dafür, dass zu 100% in öffentlicher Hand befindliche Unternehmen (trotzdem) gut funktionieren. Ebenso sind börsennotierte Unternehmen erfolgreich unterwegs und haben die Versorgungssicherheit immer noch hoch oben auf der Prioritätenliste. Wie sehen die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die dezentrale Energieversorgung aus? Wird diese von Seiten der Landespolitik verstärkt gefördert? Mit Ausnahme der Biomasseheizanlagen sehe ich keine Förderungen im Hinblick auf eine dezentrale Energieversorgung, wobei die Fernwärmeanlagen - bezogen auf das Anschlussobjekt – ja in Wirklichkeit eine Zentralisierung darstellen. Aus der Sicht der Unabhängigkeit von der Erdölwirtschaft würde ich diese Anlagen aber doch als Teil einer dezentralen Versorgungsstruktur sehen. Für alle übrigen Formen der Erneuerbaren Energie gibt es keine vorteilhaften gesetzlichen Rahmenbedingung. Der Kleinen Wasserkraft werden immer weitere Hindernisse in den Weg gelegt (zB. Wasserrahmenrichtlinie / Nationaler Gewässerschutzplan) und für deren Netzeinspeisung wird jetzt sogar noch ein Verlustentgelt eingehoben (obwohl durch die dezentrale Einspeisung Netzverluste vermieden werden). Von nennenswerten Förderungen für die Kleinwasserkraft sind wir sowieso weit entfernt. Bei der Fotovoltaik passiert auch nicht viel, wobei der Beitrag derselben zum gesamten Stromverbrauch ohnehin lange noch nur im Bereich der Wahrnehmungsgrenze sein wird. Was das Eigentum und den Betrieb von Stromnetzen betrifft, spüren wir permanent den Wunsch des Stromregulators, eine zentrale Netzgesellschaft für ganz Anhang Österreich installieren zu wollen. Das wäre Zentralismus pur und würde die bestens funktionierenden dezentralen, regionalen/lokalen Strukturen zerschlagen. Welches Modell müsste in Zukunft angewendet werden, um eine nachhaltige und auch für den Tiroler Bürger ökonomisch günstige Energieversorgung anbieten zu können? Ich kann kein solches Modell „aus dem Ärmel schütteln“. Das müssen sich Leute ausdenken, die sehr viel von der Materie verstehen und denen man die Zeit dafür einräumt bzw. die man für die Erstellung eines solchen Modelles bezahlt. Schlussendlich muss so einem Modell auch ein Finanzierungspfad hinterlegt werden und deswegen werden wohl viele gute Ideen am Ende wieder einschlafen. Es wird immer am Geld und auch an der nicht beliebig verfügbaren/erweiterbaren Technikkompetenz fehlen. Die nachlassende Bereitschaft der jungen Generation, technische Richtungen zu studieren und das vergleichsweise geringe Ansehen von technischen Berufen sind mit einer der limitierenden Faktoren für die Schaffung eines neuen Energiesystems. Alles, was mit Energie zu tun hat, ist zutiefst technikbezogen und damit ist die Energiewende nur zu schaffen, wenn möglichst viele Leute in den einschlägigen Disziplinen fundiert ausgebildet werden. Was die „ökonomisch günstige Energieversorgung“ anbelangt hat es jeder Tiroler selbst in der Hand, wie viel er für Energie ausgeben möchte. Ich bin überzeugt (und exerziere das auch vor), dass man mit Intelligenz ohne weiteres 50% der Energiekosten durch weniger Verbrauch einsparen kann (beim Strom, beim Auto, beim Heizen...). Wie bewerten Sie das EU-Ziel von 20-20-20? Dieses ist gut angelegt und man hat es in einen leicht merkbaren Slogan verpackt. Mit der Realisierung ist es der EU aber (mit Einschränkungen) nicht ernst, ansonsten müsste wesentlich mehr passieren. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die Gesamtwirtschaft aufgrund dieses plakatierten Zieles Geschäftsmöglichkeiten nutzt und eine Selbsttragende Dynamik aufkommt. In der Umstellung des Energiesystems besteht doch die große Chance für das 21. Jahrhundert auf ein weiteres Wirtschaftswachstum, so wie im letzten Jahrhundert die Idee des Wohlfahrtsstaates und der Umweltschutz die großen Treiber waren. EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Innsbruck, Juli, 2010, ___________________