Unentdecktes Land - Line-Hifi

Transcrição

Unentdecktes Land - Line-Hifi
HiFi Stereo
Unentdecktes Land
Neu im
TEST
LINN
KLIMAX DS,
Linn will mit dem Netzwerk-Client Klimax DS das Tor
zu neuen Klangwelten öffnen. Kann Musik von der
Festplatte besser klingen als vom besten CD-Laufwerk?
um 15 000 Euro
LOGITECH
TRANSPORTER,
um 2000 Euro
38
AU D I O 11 /2 0 0 7
aud_11_07_038_045.indd Abs1:38
w w w.a u d io .d e
08.10.2007 9:57:12 Uhr
Von Christine Tantschinez
r kam mit exklusiver
Begleitung. Gilad Tiefenbrun höchstpersönlich eskortierte den Netzwerk-Player
Klimax DS von Linn in den
AUDIO-Hörraum. Gilad ist
nicht nur der Sohn des LinnGründers Ivor Tiefenbrun,
sondern auch Chef der Entwicklungsabteilung. Und das
schlichte graue Kästchen in
seinem Gepäck, gänzlich ohne
Bedienfront, aber erstaunlich
schwer, beschäftigte ihn und
seine Leute eine beträchtliche
Weile.
Dabei ist der Klimax DS
im Grunde „nur“ ein Netzwerk-Player. Ein Gerät, das
in viel billigeren und viel
kleineren Versionen schon in
etlichen Haushalten zu finden
ist. Ein Empfänger, der digitale
Musikdaten per Ethernet-Netzwerk erhält, wandelt und an
eine Musik-Anlage weitergibt.
Eigentlich alles schon längst
bekannt, aber trotzdem komplett anders. Da wäre zum
einen der stolze Preis von
15 000 Euro. Zum anderen
spielt der Klimax DS keine
komprimierte Musik ab. Wer
diesen Player an sein Netzwerk
hängt, darf gar nicht erst an
MP3 & Co. denken. Mit quäkender Download-Beute kann
er nichts anfangen, stattdessen
will er nur mit WAV- oder
verlustfrei
komprimierten
FLAC-Dateien gefüttert wer- P
www.audio.de
aud_11_07_038_045.indd Abs1:39
AUD IO 11/20 07
FOTOS: HERBERT HÄRLE, JULIAN BAUER, MICHAEL WEHNER
E
39
08.10.2007 9:57:23 Uhr
HiFi Stereo
den. Die schluckt er dann aber
in beliebiger Auflösung bis zu
192 Kilohertz Samplingrate
und 24 Bit Wortbreite. Auf
seiner Rückseite finden sich
lediglich
Stereo-Ausgänge
(symmetrisch und unsymmetrisch) und eine Ethernet-Buchse. Nur noch das Steuerkabel
zum Beispiel einer KlimaxControl-Vorstufe findet noch
Platz, sonst nichts. Keine
Chance, den Klimax DS als
externen D/A-Wandler zu
missbrauchen – dieser Player
soll einzig und allein einem
Zweck dienen: Musik aus dem
Netzwerk hochwertig wiederzugeben.
DIE REINE LEHRE
Diesem Prinzip folgend, besitzt
der Klimax DS auch keine
eigene Festplatte. „Linn ist
weder Hersteller noch Verkäufer von Festplatten“, erläutert
Gilad Tiefenbrun. Das könnten
andere besser. Warum sich also
festlegen auf eine Variante,
wenn sich die IT-Welt ohnehin
schneller weiterentwickelt, als
je eine HiFi-Firma darauf
reagieren könnte? Der LinnKunde kann seine Musik speichern, wo er will. Eine freundliche Empfehlung gibt es freilich: Linn setzt auf Network
Attached Storage, kurz NAS.
Das sind eigentlich nur mehrere Festplatten, geschützt in
einem kleinen Gehäuse mit
eigenem Betriebssystem, eigener Netzwerkanbindung und
Stromversorgung. Ursprünglich entwickelt, um sensible
Daten in Rechenzentren unabhängig vom Computer zu
sichern, haben sich diese NASPlatten zum Geheimtipp aller
digitalen Jäger und Sammler
entwickelt. Sie bieten Speichergrößen bis zu mehreren Terabyte (ein TB entspricht rund
1024 Gigabyte), sind unabhän-
gig vom PC, sichern ihren
Inhalt kontinuierlich selbst und
kosten nicht die Welt: Für 800
Euro bekommt man schon gut
und gerne zwei TB – Platz
genug für rund 6000 CDs in
unkomprimierter Qualität.
Das sind natürlich eine
Menge Alben, die irgendjemand auch erst mal auf die
Festplatten speichern muss. In
England gibt es dafür einen
eigenen Service, und auch in
Deutschland soll ein entsprechender Dienst dem Kunden
bald die Digitalarbeit abnehmen. Ebenso wie die LinnHändler dem künftigen Kli-
Gruppenbild mit Linn: Gilad Tiefenbrun (zweiter von rechts) im
Gespräch mit Redakteur Bernhard Rietschel (vorne rechts),
Linn-Mitarbeiter Manuel Neitzel
(ganz links) und MarketingLeiter Thomas Saheicha.
max-DS-Besitzer auch gerne
lästige Netzwerkinstallationen
ersparen wollen. Benötigte
Software und Konfigurationen
werden frei Haus eingespielt.
Denn so ganz ohne Peripherie
kommt der Klimax DS nicht
aus. Zu seinem Antrittsbesuch
wurde der Netzwerk-Player
von einer Eskorte aus NASPlatte, Router und Miniatur-PC
begleitet. Letzterer übernimmt
Gruppenbild mit Linn,
Teil 2: Die NAS-Platte
links versorgt den
Player mit Daten, der
Mini-PC von Samsung
steuert ihn.
40
AU D I O 11 /2 0 0 7
aud_11_07_038_045.indd Abs1:40
w w w.a u d io .d e
08.10.2007 9:57:29 Uhr
Typengerecht: Wie bei allen KlimaxProdukten ist das Gehäuse aus einem
ganzen Aluminium-Block gefräst, und
die Platinen sind strikt getrennt.
dabei die Aufgaben einer
interaktiven
Fernbedienung
(ist aber nicht im Kaufpreis
enthalten). Mit der eigens von
Linn entwickelten Steuersoftware lassen sich die Alben,
Künstler und Playlisten auswählen, die der Klimax DS
spielen soll.
Noch etwas spartanisch ist
die grafische Oberfläche, ohne
beliebte Gimmicks wie Albumcover-Anzeige oder ZufallsPlaylisten. Das Programm
könnte aber mehrere Netzwerk-Player, auch anderer Marken, in verschiedenen Räumen
steuern – solange sie den Standard UPnPAV 2.0 erfüllen. P
aud_11_07_038_045.indd Abs1:41
08.10.2007 9:57:51 Uhr
Konsequent:
nur StereoAusgänge,
nur NetzwerkEingänge.
Also einen Klimax DS im
Wohnzimmer und beispielsweise eine Roku-Soundbridge
im Schlafzimmer. Einheitliche
Protokolle machen es möglich.
Die CD-Sammlung steht –
einmal gesichert – sofort in
der ganzen Wohnung zur Ver-
fügung. Ein Vorteil, den die
IT-Welt der Unterhaltungselektronik voraus hat.
OFFEN FÜR ALLES
Ohnehin widmet sich Linn bei
der Netzwerkphilosophie dem
offenen Prinzip. „Wir wollen
Im Transportgeschäft
15 000 Euro hat nicht jeder Netzwerk-Begeisterte übrig. Von Logitech
gibt es eine Alternative für rund 2000 Euro: den „Transporter“.
E
igentlich wurde der Transporter
von SlimDevices entwickelt, nicht
von Logitech. Aber da der deutsche
Konzern vor rund einem Jahr den
amerikanischen übernahm, läuft
nun auch die High-End-Variante der
bekannten Squeezebox unter der
Logitech-Flagge. Dabei ist der Transporter schon länger ein Geheimtipp
unter audiophilen Netzwerkern. Sein
Name ist Programm: Er empfängt
Daten, wandelt diese in analoge Signale und transportiert jene dann
weiter zur HiFi-Anlage. Dazu ist er
bestens ausgestattet: mit Cinch- und
XLR-Ausgängen. Sogar per S/PDIF
42
aud_11_07_038_045.indd Abs1:42
AUD IO 11/20 07
können die Daten digital weitergereicht werden, falls man den eingebauten DA-Wandlern nicht trauen
sollte.
Dazu besteht aber gar keine Veranlassung, denn der Transporter
erfüllt seine Aufgaben außerordentlich erfolgreich. Im Hörtest überzeugte der Netzwerk-Player mit einer
erstaunlich akkuraten und konturierten Spielfreude, die selbst einen
Cambridge 840 C (AUDIO 5/07, 1500
Euro) in Bedrängnis brachte. Tatsächlich spielt der Transporter in einer
Liga mit teureren CD-Playern wie
dem Accuphase DP-57. Wer möchte,
www.audio.de
08.10.2007 9:58:00 Uhr
uns nicht abschotten und unser
eigenes Ding machen“ erklärt
Gilad Tiefenbrun, „wir nutzen
offene Standards, verwenden
freie,
kostenlos
nutzbare
Codecs wie FLAC, arbeiten
mit bekannten Protokollen.“
Schließlich soll der Klimax DS
ja Musik in jedem Netzwerk
der Welt wiedergeben können
– auch im AUDIO-Testraum.
Nach ein paar Minuten Installation war es dann so weit.
Die NAS-Platte summte emsig
im Neben-, der elegante Player
spielte im Hörraum. Das erste
Duell nahm der Klimax gleich
mutig mit dem CD-Player
Accuphase DP-78 (AUDIO 9/06,
9800 Euro) auf. Scheibe gegen
Platte, Laufwerk gegen Netzwerk. Der Accuphase war
gewohnt detailliert, grundtonstark, farbenprächtig. Doch P
Der SlimServer versorgt den
Transporter mit Musik und den
Nutzer sogar mit den Covers der
gespeicherten Alben.
kann seine Qualitäten auch als
externen D/A-Wandler nutzen.
Netter Gag: die simulierten analogen VU-Meter (auch wenn sie
nicht ganz korrekt arbeiten).
SERVER-LENKUNG
Damit der Transporter aber auch an
seine Ware kommt, braucht es einen
Server. Die Software dazu stammt ebenfals von SlimDevices und nennt sich
– richtig, SlimServer. Die per WebBrowser bedienbare Applikation durchforstet die Musikdatenbank auf dem PC,
inklusive vorhandener iTunes-Bibliotheken, und findet auch die in den
Metadaten zu den Songs gespeicherten
Cover. Der SlimServer ist ausgesprochen
bedienungsfreundlich und bietet jede
Menge Möglichkeiten zum Spielen und
Entdecken. Der Transporter kann direkt
vom Rechner aus gesteuert werden oder
– falls man eben gerade im Wohnzimmer
die Musik genießen möchte – auch ganz
einfach via Fernbedienung. Per Befehlsgeber lässt sich auch die digitale Anzeige
des Transporters ändern.
Einziges Manko: Damit der Transporter auch von einer NAS-Platte Daten
empfängt, müsste auf dieser Platte der
SlimServer laufen. Dazu eignen sich aber
nicht alle Produkte.
Fein: Der Transporter hat alle
nötigen Anschlüsse für ein
tolles HiFi-Erlebnis.
www.audio.de
aud_11_07_038_045.indd Abs1:43
AUD IO 11/20 07
43
08.10.2007 9:58:16 Uhr
HiFi Stereo
STECKBRIEF
LINN
LOGITECH
KLIMAX DS
TRANSPORTER
Linn Deutschland
040 / 89 06 60 0
linngmbh.de
15 000 Euro
5 Jahre
35 x 6 x 36 cm
10 kg
Logitech
089 / 89 46 70
logitech.de
2000 Euro
2 Jahre
43 x 7 x 31cm
2 kg
Datenformate
WAV, FLAC
Samplefrequenzen
DRM 1
Multiroom
Bedienung FB/direkt
44.1-192 kHz
–
■
■/–
MP3, AAC, WAV, FLAC
Ogg Vobis, WMA u. a.
44.1-96 kH z
–
■
■/■
Vertrieb
www.
Listenpreis
Garantiezeit
Maße B x H x T
Gewicht
BETRIEBSARTEN
ANZEIGEN
■
■
■/■
–
ID3-Tags
mehrere Verzeichnisse –
■/■
Display / beleuchtet
AUSSTATTUNG
Medien/Speicher
Klangeinstellung
Programmierung
Comp.-Schnittst.
Software f. Wind./Mac
Internet-Radio
–
–
■
–
■/■
–
–
■
■
USB 2.0
■/■
■
Ethernet
–/–
Ethernet, WLAN
1/–
1/1
1/1
–/–
1/1/1
–/–/–
1/1/1
–/–
–/–
ANSCHLÜSSE
Netzwerk
Eingänge
analog Cinch/XLR
Ausgänge
analog Cinch/XLR
Digital Eingang
opt/coax/XLR
Digita Ausgang
pt./coax/XLR
Video-Ausgang
Cinch/S-Video
AUDIOGRAMM
Å Unglaublich präzi-
Å Vielfältiger Netz-
ser, eleganter HighEnd-Player; holt aus
den digitalen Daten
das Beste heraus.
werk-Player für alle
Formate; kann auch als
D/A-Wandler dienen.
Í Der Preis.
Í Kann nicht mit jeder
DER LETZTE TEST
NAS-Platte arbeiten.
Der Kampf dieser Prinzipien
führte letztlich zum Duell
der Titanen: Linn Klimax DS
gegen die AUDIO-Referenz
von Accuphase, bestehend aus
CD-Laufwerk DP-800 und
Wandler DC-801 (AUDIO 3/07,
komplett 24 200 Euro). Zum
Blindtest versammelte sich die
komplette Redaktion. Gibt es
eine Revolution in der HiFi-
110
140 überragend
sehr gut
80
–
gut
sehr gut
problemlos
problemlos
sehr gut
sehr gut
Klang CD-Qualität
Klang datenred.
Bildqualität
Ausstattung
Bedienung
Verarbeitung
überragend
–
–
AUDIO
überragend 140 überragend 110
Referenzklasse
Referenzklasse
PRÄDIKAT
Preis/Leistung
sehr gut
der Linn zauberte einen kristallklaren Klang ohne scharfe
Kanten, dafür mit eleganten
Linien, immens konturiert und
unfassbar genau. Da hallten
Becken intensiver, gleichzeitig
natürlicher. Und Stimmen gerieten einen Hauch schlanker,
aber gleichwohl präsenter.
Die erste Hörrunde ging also
an den Netzwerk-Player: einfach phänomenal, wie er aus
einem simplen Datentresor
einen so facettenreichen Klang
holen konnte.
Man mag jetzt über geheimnisvolle D/A-Wandler im LinnPlayer spekulieren, doch Gilad
Tiefenbrun hätte dafür nur ein
Lächeln übrig: „Es gibt keine
Wunder-DACs.“ Vielmehr gehe
es um das Prinzip. Beim
legendären Linn LP 12 habe
sein Vater ja nicht den Plattenspieler selbst neu erfunden,
sondern die Art und Weise,
wie der Teller sich drehte und
die schwarze Scheibe abgetastet wurde. So ähnlich sei das
auch hier. Von einer Festplatte Daten abzulesen, sei vom
Prinzip her exakter möglich
als von einem mechanischen
CD-Laufwerk.
Für
das
bestmögliche
Ergebnis aber müssen die Titel
bestmöglich von CD ausgelesen werden. Linn empfiehlt
dazu übrigens dieselbe Software wie auch AUDIO schon
des Öfteren: Exact Audio Copy
(siehe Kasten rechts).
überragend
Geschichte? Wird die abstrakte Netzwerk-Welt oder die seit
25 Jahren bestehende StereoCD-Technik siegen? Der Kampf
der beiden Großmächte begann
leise, mit Katie Meluas „Shy
Boy“ („Piece By Piece“, RTD).
Der Linn spielte seine Räumlichkeit aus, die AccuphaseKombination Kraft und Grundton. Auch bei „King Of The
Mountain“ von Kate Bush
(„Aerial“, EMI) gab es ein
Kopf-an-Kopf-Rennen: schlanker, dabei detaillierter und
eleganter Klang vom Linn,
farbenreiches, kräftiges Spiel
via Accuphase.
Letztlich brachte die AUDIO
„pure music Vol. 4“ (Bose) mit
dem Adagio der Orgelsinfonie
von Camille Saint-Saëns die
Entscheidung: ein klares Unentschieden. Beide Kandidaten,
der Linn und das AccuphaseDuo, meisterten ihre Aufgaben
gleichermaßen souverän.
Vielleicht hat Linn nun doch
nicht die HiFi-Welt radikal
verändert. Aber bewiesen, wie
viel audiophile Freude Musik
aus der Datenwelt bereiten
kann. Natürlich ist der Klimax
DS ein teurer Spaß. Aber er
bringt uns die unentdeckten
digitalen Möglichkeiten ein
ƒ
großes Stück näher.
FAZIT
CHRISTINE TANTSCHINEZ
AUDIO-Redakteurin
Rümpfen Sie noch immer die
Nase über Musik aus dem
Netzwerk? Vielleicht
hilft
Ihnen dieser Test zu begreifen:
HiFi Netzwerk bedeutet mehr
als nur blecherne MP3-Songs.
High End ist nicht beschränkt
auf Schallplatte und CD. Linn
zeigt: Wer sich ohne Vorurteile
auf die digitale Erfahrung einlässt, kann neue Klangwelten
entdecken. AUDIO freut sich
über diese neue ReferenzQuelle.
Vergleich zu anderen Testgeräten siehe AUDIO-Bestenliste.
44
AU D I O 11 /2 0 0 7
aud_11_07_038_045.indd Abs1:44
w w w.a u d io .d e
08.10.2007 9:58:32 Uhr