Gesunde Ernährung: »Keinen Stress, bitte!

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Gesunde Ernährung: »Keinen Stress, bitte!
Kostenloses Unterrichtsmaterial für die Sekundarstufe II
www.zeit.de/schulangebote
Diese Arbeitsblätter sind ein kostenloser Service für
die Oberstufe und erscheinen jeden ersten Donnerstag
im Monat. Sie beleuchten ein aktuelles Thema aus der
ZEIT, ergänzt durch passende Arbeitsanregungen zur
praktischen Umsetzung im Unterricht.
In Zusammenarbeit mit:
www.dak.de
Thema im Monat März 2015:
Gesunde Ernährung: »Keinen Stress, bitte!«
Wie wichtig ist das Frühstück für die Leistungsfähigkeit? Und was steckt wirklich hinter dem täglichen
Brokkoli-Machtkampf am Esstisch? Die Diskussion um richtiges und falsches Essen wird bisweilen mit
ideologischer Verbissenheit geführt. Dabei könnte man die Sache gelassener angehen: Nur wenige Ernährungsregeln sind wirklich anerkannt, für die meisten Belehrungen rund ums Essen gibt es keine belastbaren
wissenschaftliche Beweise.
In dieser Unterrichtseinheit nehmen Ihre Schüler kritisch Stellung zu Ernährungstrends. Sie werden mit
Ergebnissen aus der Forschung konfrontiert, analysieren kontroverse Lesermeinungen zum Thema, reflektieren ihr eigenes Frühstücksverhalten und erschließen so Kriterien für ein eigenes Ernährungskonzept.
Inhalt:
2Einleitung: Thema und Lernziele
3 Arbeitsblatt 1: Mit Loch im Bauch zur Schule und zur Arbeit
6 Arbeitsblatt 2: »Warum soll ich das Kind quälen?«
9 Internetseiten zum Thema
»ZEIT für die Schule«-Arbeitsblätter | Gesunde Ernährung: »Keinen Stress, bitte!« 2
Einleitung: Thema und Lernziele
Ein Drittel aller Beschäftigten haben nichts im Magen, wenn sie ihren Arbeitstag beginnen. Für ein Frühstück blieb keine Zeit, oder aber der Appetit war frühmorgens noch nicht da, wie eine Umfrage der
DAK-Gesundheit ergab. Ernährungsexperten warnen vor diesem Essverhalten: Wer nicht frühstückt, sei
schneller erschöpft, könne sich schlechter konzentrieren und riskiere somit einen erhöhten Stresspegel.
Der Umkehrschluss nach dieser Theorie: Wer gesund frühstückt, steigert seine Leistungsfähigkeit. Dann
klappt es auch mit der Drei in Mathe.
Doch so einfach ist es nicht. Im Mittelmeerraum frühstückt man gegen jeden Ernährungsrat: zuckersüßes
Weißmehlgebäck, starker Kaffee und kein Obst oder Vollkornbrot. Trotzdem gilt die Mittelmeerküche bei
Ernährungsexperten als vorbildlich. Auch Biologen verweisen darauf, dass ein Frühstück nicht zwingend
notwendig sei. Der Körper könne auf genügend gespeicherte Reserven zurückgreifen. Dieser Mechanismus aus unserer evolutionären Vergangenheit funktioniere nach wie vor.
Was ist also richtig, was ist falsch beim Essen? Trotz unzähliger Ratgeber und ökotrophologischer Expertentipps gibt es kaum Studien, die wissenschaftliche Kausalitäten beisteuern. Es gibt allenfalls Korrelationen, also statistische Zusammenhänge, die aber keine Beweiskraft haben. Vielleicht ist gerade aufgrund
der mangelnden Klarheit in der Forschung die Ernährung bei vielen Menschen in der Überflussgesellschaft
zum quasireligiösen Heilsversprechen geworden. Ewige Gesundheit, langes Leben, jugendliche Attraktivität, Leistungskraft und auch moralische Integrität glaubt man durch Selbstkasteiung mithilfe eines Heiligen Grals voller Raspelgemüse und Dinkelschrot zu erlangen. Wer sündigt, muss mit Schuldgefühlen
leben. Die Lebensmittel- und Fitnessindustrie befördert diesen Glauben aktiv.
Und so kommt es, dass vermeintlich ernährungsbewusste Eltern ihrem Nachwuchs ungeliebte Nahrungsmittel aufdrängen. Nicht immer geht es den Erwachsenen dabei um das gesundheitliche Wohl der Kinder.
Der Psychiater Johannes Hebebrand sieht in solchen Machtkämpfen am Küchentisch eher einen Ausdruck
von Interaktionsstörungen innerhalb der Familie. Hebebrand rät in einem Interview mit der ZEIT zu mehr
Gelassenheit im Umgang mit der Ernährung, denn alle Tricks, Ermahnungen und Diskussionen führten
letztlich nur zu einer Trotzhaltung. Seine These: Kinder und Jugendliche können selbst am besten beurteilen, was sie essen sollten.
Arbeitsblatt 1 enthält eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit zum Frühstücksverhalten bei Beschäftigten. Die Schüler reflektieren ihr eigenes Frühstücksverhalten, recherchieren Studienergebnisse zu dieser Thematik und erörtern kritische Zitate zu den vorliegenden Ernährungstipps.
In Arbeitsblatt 2 beschäftigen sich die Schüler mit dem Streit um die richtige Ernährung in Familien. Sie
diskutieren Konfliktanlässe in der eigenen Familie, analysieren die Leserkommentare zum vorliegenden
Interview und recherchieren Fakten zu aktuellen Ernährungstrends.
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Arbeitsblatt 1
Mit Loch im Bauch zur Schule und zur Arbeit
Nahezu ein Drittel der Berufstätigen geht morgens regelmäßig ohne Frühstück aus dem
Haus. Das ergab eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit.
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77 Prozent der Bundesbürger frühstücken werktags normalerweise jeden Tag. Neun Prozent frühstücken
unter der Woche nur ab und zu, und 13 Prozent verzichten an Werktagen üblicherweise immer auf ein
Frühstück. Die Gründe, warum Berufstätige ohne Frühstück zur Arbeit gehen, sind Appetitlosigkeit (58
Prozent) und zu wenig Zeit (43 Prozent). Nur sieben Prozent frühstücken nicht, weil sie auf diese Weise
Kalorien einsparen wollen. Vor allem die durch Karriere und Familie besonders belastete Rushhour-Generation zwischen 30 und 44 Jahren verzichtet auf die wichtige Mahlzeit – 35 Prozent gaben an, unter der
Woche nicht immer zu frühstücken. Dabei gehört das Frühstück zu den wichtigsten Mahlzeiten des Tages.
»Wer nicht frühstückt, ist schneller erschöpft und unkonzentriert und steigert damit sein Stressrisiko«,
erklärt Silke Willms, Diplom-Ökotrophologin bei der DAK-Gesundheit.
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Immerhin: Wer frühstückt, trifft meist eine gute AusEs frühstückten üblicherweise ...
süßes Gebäck:
(Mehrfachnennungen möglich)
wahl. Brot, Brötchen oder Toast aus Vollkorn landen bei
Croissants, Muffins,
Cornflakes oder
Donuts
ähnliches
57 Prozent der Befragten morgens auf dem Teller. Nur
2%
3%
Vollkornbrot, -toast,
Eier
acht Prozent essen werktags fettiges, süßes Gebäck
-brötchen
Müsli,
7%
14%
Getreideflocken
8%
süßen Brotauftrich
wie Croissants oder Muffins. »Ein Vollkornbrot mit Käse,
Wurst
14%
8%
Wurst oder einem leckeren Gemüseaufstrich ist eine
Brot, Toast, Brötchen
Obst
aus hellem Mehl
optimale Grundlage für den Start in den Tag«, sagt Silke
10%
Käse
12%
Milchprodukte
11%
11%
Willms. »Dazu noch frisches saisonales Obst, und Körper und Geist sind richtig versorgt.« Fast ein Drittel isst
Müsli oder Getreideflocken – ebenfalls empfehlenswert.
Weniger geeignet sind Weißmehl-Lebensmittel, die bei
nahezu jedem Zweiten auf den Tisch kommen. Willms: »Sie enthalten weniger Nährstoffe als Vollkorn,
und der Hunger kommt schneller wieder.« Die DAK-Umfrage zeigt, dass Frauen regelmäßiger frühstücken
als Männer. 81 Prozent essen morgens immer etwas, bei den Männern sind es nur 72 Prozent. Außerdem
greifen Frauen häufiger zu gesundem Vollkornbrot, Milch oder Joghurt und Obst. Während vier von zehn
Männern gern Wurst aufs Brot legen, bevorzugen die Frauen süße Brotaufstriche. Nicht zuletzt essen sie
weniger Weißmehlprodukte.
Dass viele Menschen ihr Ernährungsverhalten optimieren möchten, zeigt eine Umfrage zu den guten Vorsätzen zum Jahr 2015. Demnach möchten sich 47 Prozent der Befragten gesünder ernähren, und knapp ein
Drittel gab an, sein Gewicht reduzieren zu wollen. Die Ernährung steht zusammen mit dem Wunsch, mehr
Zeit für sich selbst zu haben, auf dem dritten Platz der Vorsätze zum neuen Jahr. Platz eins belegen das
Vorhaben Stress zu Reduzierung und der Wunsch mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben, während
der Vorsatz, im neuen Jahr mehr Sport treiben zu wollen, an zweiter Stelle genannt wurde.
DAK-Gesundheit, »Forsa-Umfrage zum Thema Frühstücksverhalten«, http://www.dak.de/dak/bundesweite_themen/Fruehstuecksverhalten-1474798.html; »Forsa-Umfrage Gute Vorsätze 2014«, http://www.dak.de/dak/bundesweite_themen/Gute_Vorsaetze_2014-1341608.html
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Aufgaben
1. Einstieg: Fragebogen
Beantworten Sie den Fragebogen zum Frühstücksverhalten, und werten Sie die Ergebnisse Ihrer
Lerngruppe aus. Vergleichen Sie Ihren Befund mit der DAK-Umfrage.
Beurteilen Sie Ihre Ernährungsgewohnheiten: Sind Sie mit der aktuellen Situation zufrieden? Haben
Sie sich vorgenommen, etwas zu ändern?
a. Ich frühstücke unter der Woche …
q täglich
q meistens
q ab und zu
q nie
b. Wenn ich frühstücke, nehme ich Folgendes zu mir (Mehrfachnennungen möglich):
q Vollkornbrot, Vollkorntoast, Vollkornbrötchen q Brot, Toast, Brötchen aus hellem Mehl
q süßen Brotaufstrich
q Käse
q Obst q Wurst
q Eier
q Milch, Joghurt oder andere Milchprodukte
q Müsli, Getreideflocken
q Cornflakes oder Ähnliches
q Croissants, Muffins, Donuts oder anderes süßes Gebäck
c. Wenn ich nicht frühstücke, tue ich das aus folgendem Grund nicht:
q Appetitlosigkeit q Zeitmangel q Diätvorhaben q anderer Grund: ______________
d. Ich nehme während der Schulzeit eine Mahlzeit zu mir (Pausenbrot, Snack etc.)
q trifft immer zu
q trifft meistens zu
q trifft selten zu
q trifft gar nicht zu
e. Ich bin am ehesten folgender Ernährungstyp (Mehrfachnennungen möglich):
q Fast-Food-Fan: Fertignahrungsmittel, Convenience-Food, Schnellimbiss
q Weltanschauungsesser: ethischer Konsum, esoterische, religiöse oder moralische Grundsätze
q Naturalist: umweltbewusst, regionale/saisionale Lebensmittel, selbst zubereitet
q Gesundheitsbewusst: Essen nach Ratschlägen von Ernährungsexperten
q Vegetarier/Veganer q Beef-Eater: Fleisch steht im Mittelpunkt
q Genuss-Esser: Gourmet, Slow Food, hochqualitative Lebensmittel
q Hektiker: zwischendurch schnell was zum Sattwerden
q Praktiker: was auf den Tisch kommt, »von allem etwas«
q Coach-Potato: Essen vorm Bildschirm
q Figurbewusster Esser: Kalorien zählen, Diäten
q Traditionalist: Hausmannskost, »Frag Oma« q Exot: z. B. Mittelmeerküche, asiatische Küche
f. Meine Ernährungsphilosophie:
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2. Das Textverständnis klären
Die Studie stellt nicht nur Umfrageergebnisse vor, sie bezieht auch Stellung. Fassen Sie zusammen,
welches Verhalten positiv, und welches negativ bewertet wird, und benennen Sie die vorgebrachten
Argumente.
3. Eine These anhand eigener Wahrnehmung und mithilfe von Forschungsberichten überprüfen
a. Beurteilen Sie, ob Sie die Aussage »Wer nicht frühstückt, ist schneller erschöpft und unkonzentriert und steigert damit sein Stressrisiko« aus eigener Erfahrung bestätigen können. Beschreiben
Sie, welche Unterschiede Sie fühlen, wenn Sie morgens gefrühstückt haben oder nicht. Führen
Sie ggf. an einem Schultag ein Experiment durch, bei dem Sie bewusst morgens frühstücken
oder aber die Mahlzeit auslassen.
b. Versuchen Sie im Anschluss, die vorliegende These anhand wissenschaftlicher Belege zu verifizieren. Recherchieren Sie im Internet nach entsprechenden Studien, notieren Sie entsprechende
Quellenangaben, und fassen Sie die Kernaussagen Ihrer Funde zusammen. Halten Sie Ihre Recherchestationen auch dann fest, wenn Sie nicht fündig werden und auf Gegenmeinungen oder
auf Behauptungen ohne Beweiskraft gestoßen sind.
4. Einen Standpunkt anhand von Zitaten diskutieren
Erörtern Sie kritisch folgende Thesen:
a. »In kaum einer anderen Esskultur genießt das Frühstück einen so hohen Stellenwert wie in der
deutschen. Es gilt als die wichtigste Mahlzeit des Tages – eine scheinbar unumstößliche Ernährungsdoktrin. […] Wer morgens nichts esse, schade regelrecht seiner Gesundheit, heißt es.
Aber stimmt das wirklich? […] Während des nächtlichen Fastens greift unser Organismus auf die
kurzfristigen Energiespeicher in Leber und Muskeln zurück. […] Ein evolutionsbiologischer Trick:
So konnte der Urmensch – in einer Welt ohne Vorratshaltung – erst einmal auf die Pirsch gehen,
um Nahrung zu beschaffen. […] Insofern müssten auch wir eigentlich nicht frühstücken. […] Lebensmittelfirmen und Werbeindustrie […] blähen die Bedeutung des Frühstücks gehörig auf. Die
Supermarktregale quellen über mit Marmelade, Müsli und Frühstückscerealien. Mit ›Es lebe das
Frühstück‹ (Rama) oder ›Zeit für Familie, Zeit fürs Frühstück‹ (Hohes C) laden die Hersteller ihre
Frühstücksprodukte emotional auf.«
Mareile Jenß, ZEIT Wissen Nr. 4/2014, http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/04/fruehstueck-urmensch
b. »Wenn das Frühstück wirklich so wichtig wäre, hätte der ganze Mittelmeerraum Probleme. Kein
Mensch isst dort Brötchen mit Marmelade, Joghurt etc., und schon gar kein Mensch würde gar
Wurst und Käse morgens essen. Und? Schadet's, die ›wichtigste Mahlzeit des Tages‹ wegzulassen bzw. auf ein Croissant zu reduzieren? Nein. Stattdessen loben alle die mediterrane Diät.«
»Suryo«, Leserkommentar zu http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/04/fruehstueck-urmensch
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Arbeitsblatt 2
»Warum soll ich das Kind quälen?«
Machtkämpfe am Tisch und Notlügen um der gesunden Ernährung willen – der Psychiater
Johannes Hebebrand über Kinder ohne Appetit.
DIE ZEIT: Herr Hebebrand, in der Grundschule hat mein Sohn gelernt, dass er jeden Tag fünf Stück Obst
oder Gemüse essen soll. Wenn es gut läuft, isst er ein Stück – als Mutter habe ich hier wohl total versagt.
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Johannes Hebebrand: Sie sollten schleunigst aufhören, Ihrem Sohn da reinzureden. Die meisten Kinder
und Jugendlichen können selbst am besten beurteilen, was sie essen sollten.
ZEIT: ... jeden Tag Nudeln ohne Soße oder Pizza.
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Hebebrand: Das geht vorbei. Ständige Ermahnungen erzeugen häufig das Gegenteil dessen, was Eltern
wollen.
ZEIT: Täglich lesen wir, dass mangelhafte Ernährung im zarten Alter jahrzehntelang nachwirkt – und Sie
sagen: Lasst die Kinder essen, was sie wollen?
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Hebebrand: Die Beschäftigung mancher Eltern mit der Ernährung ihrer Kinder hat inzwischen hysterische
Züge angenommen. Solange ein Kind gut drauf ist, in der Schule keine Aufmerksamkeitsprobleme hat
und psychisch und körperlich keine Auffälligkeiten zeigt, würde ich mich entspannen. Gegen die normalen
wählerischen Esser, die »picky eaters«, ist kaum ein Kraut gewachsen.
ZEIT: Was passiert im Körper eines Kindes, das sich einseitig ernährt?
Hebebrand: Die meisten stecken das gut weg. Viele sind eher dünn und klein. Es ist übrigens nicht selten,
dass deren Eltern im gleichen Alter ebenfalls eher leicht waren. Nur falls die Normwerte unterschritten
werden, sollte man den Kinderarzt aufsuchen. Mag sein, dass man im Labor leichte Mangelerscheinungen
feststellen könnte. Aber das sind meist keine Krankheiten! Normalerweise endet die Problemphase mit elf,
zwölf Jahren.
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ZEIT: Es kursiert der Tipp, gesunde Nahrung zum Event zu machen. Der Forscher Brian Wansink hat
gezeigt, dass Kinder doppelt so viele Möhren essen, wenn man sie ihnen als »Röntgenblick-Karotten«
auftischt.
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Hebebrand: Im Alltag ist so ein Aufwand nicht der Mühe wert. Wenn Sie mit aller Kraft versuchen, Essverhalten zu ändern, geht das nach hinten los. Die Machtkämpfe zwischen Eltern und Kindern können ja schon
bei Säuglingen anfangen. Dahinter stecken womöglich Mutter-Kind-Interaktionsstörungen. Dann ist therapeutische Hilfe nötig – wenn sich das Eltern-Kind-Verhältnis bessert, normalisiert sich auch die Ernährung.
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ZEIT: Man wird doch wenigstens einen Nachtisch zur Belohnung versprechen dürfen?
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Hebebrand: Das kann bei Kindern, die zu Übergewicht neigen, echte Probleme erzeugen. Übergewichtige essen auch, um sich gut zu fühlen. Wird das noch antrainiert, isst derjenige viel, der viel Belohnung
braucht.
ZEIT: Was halten Sie von der lässigeren Methode, gesunde Nahrungsmittel demonstrativ zu verbieten?
Also: Paprika, das ist nur was für Erwachsene!
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Hebebrand: Ein Kind zu belügen ist ethisch nicht korrekt.
ZEIT: Die Abmachung: Du musst es nicht aufessen, aber wenigstens probieren ...
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Hebebrand: ... taugt nicht viel. Warum soll ich das Kind quälen? Die Gefahr ist groß, dass sich Mutter, Vater
und Kind verhaken.
ZEIT: Warum haben manche Kinder eine so unglaubliche Abneigung gegen gesundes Essen?
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Hebebrand: »Picky eating« hat unter anderem eine erbliche Komponente. Dazu kommt eine Prägung im
Mutterleib. Essen Mütter in der Schwangerschaft viel Knoblauch, mögen die Kinder später auch Knoblauch. Solche Umwelteinflüsse und die Gene erzeugen ein ganz persönliches Muster – den Geschmack
eines Kindes.
ZEIT: Oft heißt es, Eltern sollten Vorbild sein.
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Hebebrand: Vorbild zu sein ist gut, und man muss ja bestimmte Produkte wie süße Limonaden nicht unbegrenzt zur Verfügung stellen.
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ZEIT: Die Lebenserfahrung zeigt: Am Ende sitzen die Eltern daheim vor ihrem Salat, während der Teenager
sich mit Freunden bei McDonald’s trifft.
Hebebrand: Eltern können und sollten den Tisch bereiten und gesund kochen, aber sie müssen es aushalten, dass dies zur Freiheit des Jugendlichen gehört. Wer zu Hause Freude an gutem, gesundem Essen
erfahren hat, wird sich nicht sein Lebtag von Burgern ernähren.
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ZEIT: Was war Ihr Lieblingsessen als Kind?
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Hebebrand: Ich habe mich in der zweiten Hälfte meines ersten Lebensjahres primär von Salzstangen
ernährt – meine Mutter ist regelrecht verzweifelt. Aber die »picky eater«-Phase ist auch bei mir vorbeigegangen.
Tanja Stelzer, ZEIT ONLINE, 9.7.2014, http://www.zeit.de/2014/26/appetitlosigkeit-kinder
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Aufgaben
1. Das Textverständnis klären und kommentieren
Geben Sie wieder, welche Erziehungsmethoden Johannes Hebebrand favorisiert und welche er ablehnt, und skizzieren Sie, womit er seinen Standpunkt begründet.
2. Familiäre Auseinandersetzungen zu Ernährungsfragen analysieren und erörtern
Analysieren Sie, ob und warum es in Ihrer Familie zu Auseinandersetzungen über das Thema Ernährung kommt. Behandeln Sie hierfür folgende Aspekte:
• Welche Themen/Ernährungsgewohnheiten führen zu Streit in der Familie?
• Welche Standpunkte nehmen die Familienmitglieder ein?
• Welche Kompromisse werden ausgehandelt, und in welchen Punkten kann keine Einigung erzielt
werden?
3. Leserkommentare analysieren
Das vorliegende Interview enthält stark polarisierende Thesen. Lesen Sie die Leserkommentare zum
Artikel auf ZEIT ONLINE, und arbeiten Sie verschiedende weltanschauliche Lager bezüglich Ernährung und Erziehung heraus.
Link: Tanja Stelzer, ZEIT ONLINE, 9.7.2014, http://www.zeit.de/2014/26/appetitlosigkeit-kinder
4. Internetrecherche: Ernährungstrends beschreiben und bewerten
Informieren Sie sich in Kleingruppen über einen der unten stehenden Ernährungstrends. Präsentieren
Sie Ihre Rerchercheegebnisse in einem Kurzreferat, und erstellen Sie ein Handout, das die wichtigsten
Aspekte zusammenfasst (Verbote/Gebote, Zielsetzung etc.). Beachten Sie hierbei ernährungsphysiologische, ethische oder ökologische Argumente sowohl für wie auch gegen diesen Ernährungstrend.
Vergleichen Sie im Abschluss Ihre Arbeitsergebnisse, und ziehen Sie ein Fazit, indem Sie die Ernährungskonzepte herausfiltern, die die höchste Zustimmung unter Experten erfahren.
Konzepte: Low-Carb-Ernährung (auch Glyx- oder Atkins-Diät) • Vegan • Frutarisch
Rohkost • Trennkost • Slow Food • Clean Eating • Paleo-Diät • Flexitarisch
Makrobiotisch • Ökologisch-nachhaltig • Convenience • Flexitarisch
5. Sich zu einem Zitat positionieren
Erörtern Sie folgenden Standpunkt im Plenum, und beziehen Sie Stellung:
»Es ist egal, was die Leute essen oder trinken, aber sobald sie dabei Vergnügen empfinden, ist es natürlich ungesund. [...] Allein an der Tatsache, dass Kinder Brokkoli nicht mögen, wird erkannt, dass das
gesund fürs Kind sein muss. Und sobald Kinder etwas kollektiv mögen, zum Beispiel Pizza, ist sie des
Teufels. Diese verlogene Logik zielt darauf ab, die Menschen zu destabilisieren und ihnen Schuldgefühle anzuhängen. Der Appetit als moderne Erbsünde der Evolution. Schuld ist ein böses Geschäft.«
Udo Pollmer, Lebensmittelchemiker, ZEIT ONLINE, 11.7.2013, http://www.zeit.de/lebensart/essen-trinken/2013-06/
ernaehrung-diaeten
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Internetseiten zum Thema:
Gesunde Ernährung: »Keinen Stress, bitte!«
ZEIT ONLINE: Was wir täglich anrichten
http://www.zeit.de/2014/26/esskultur-ernaehrung-forschung
ZEIT ONLINE: Wer isst was?
http://www.zeit.de/lebensart/essen-trinken/2013-10/infografik-artikel-ernaehrungsarten
ZEITmagazin ONLINE: »Essen Sie richtiges Essen«
http://www.zeit.de/zeit-magazin/2015/03/gesunde-ernaehrung-essen-gemuese
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
http://www.bzga.de
brand eins: Ernährungsmythen – Gut und böse
http://www.brandeins.de/archiv/2014/alternativen/ernaehrungsmythen-vegan-vegetarisch-fleisch-zucker-gut-und-boese
ARD Mediathek: Orthorexie – Krankhaft gesund
http://www.ardmediathek.de/tv/W-wie-Wissen/Orthorexie-Krankhaft-gesund/Das-Erste/Video?docum
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Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften
http://www.euleev.de
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Projektleitung: Wiebke Prigge, Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG
Projektassistenz: Miriam Bernhard, Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG
Didaktisches Konzept und Arbeitsaufträge: Susanne Patzelt, Wissen beflügelt